Handschriftliche Chronik von 1816-1952
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Die Handschriftliche Chronik der Stadt Delitzsch besteht aus zwei Bänden und die Originale befinden sich im Museum des Barockschlosses Delitzsch. An dieser Stelle werden sie erstmalig und unverändert veröffentlicht.
Teil 1 von 1816 bis 1875
Das Delitzscher Stadt Wappen ist ein schwarzer Löwe auf goldenem Felde. Dieses Löwenfeld liegt auf einem goldenen Schilde mit zwei hellblauen Pfählen, welche beiden Pfähle diesem Schilde das Ansehen geben, als ob es aus fünf Streifen bestände, von denen der 1., 3. und 5. goldfarbig, der 2. und 4. aber hellblau sind. So ist das Stadt Wappen abgebildet auf der Fahne der Schützen Compagnie vom Jahre 1698, und auf dem Balkon des Rathauses. Es bestehet nämlich das Delitzscher Stadtwappen aus dem Markgräflich Landsbergschen und dem Markgräflich Meißenschen Wappen. Das Landsbergsche ist zwei blaue Pfähle im goldenen Felde, und das darauf gelegte Meißensche ist ein schwarzer aufgerichteter Löwe im goldenen Felde.
Del. 20.11.1839
Securius Bürgermeister
Der breite Thurm ist nach des seligen Actuarius Lehmanns mehrmals ausgesprochener Ansicht das älteste Bauwerk in der Stadt, und seine Erbauung fällt, da keine Urkunden hierüber vorhanden sind, nach schriftlichen Chroniken, mit der Gründung und Erweiterung der Stadtmauer im Jahre 1220 zusammen. Bis zum Jahre 1544 standen auf dem 1667 abgebrochenen Gewölbe unter des Thürmers Wohnung 12 einpfündige Kanonen, nach jeder Weltgegend drei Stück. –
Bemerkung
Der Verlust der Verbündeten in der Leipziger Schlacht beträgt nicht, wie es am Ende des beiliegenden Berichts heißt, 10.000 an Todten und Verwundeten, sondern 45.000, nämlich 8000 Oestreicher, 21.740 Russen, 14.950 Preußen, 300 Schweden.
S. Manso, Geschichte des Preußischen Staates, Frankfurt a. Main, 1820, III. S. 225
Vorwort
In mehreren gedruckten und geschriebenen Verordnungen der Königlichen Hochlöblichen Regierung in Merseburg, worüber die Acten: Chronik über die Stadt Delitzsch vom Jahre 1822, nähere Auskunft geben, ist den Stadt Behörden die Anlegung von Stadt Chroniken zur wesentlichen Pflicht gemacht worden. Der Actuarius Lehmann, ein hiesiger Eingeborener, hatte, durch viele Materialien dazu in den Stand gesetzt, übernommen, eine vollständige Chronik hiesiger Stadt zu schreiben, hatte nach fol 4 der erwähnten Acten sich erboten, die merkwürdigen Begebenheiten hiesigen Orts fortlaufend aufzuzeichnen. Der Umfang aber, den der Actuarius Lehmann seiner Chronik zu geben beabsichtigt, scheint die Vollendung derselben noch nicht so bald erwarten zu lassen, und über dem glaubt auch der unterzeichnete Magistrat, dadurch seiner Pflicht, selbst für die Anlegung einer Stadt Chronik zu sorgen, nicht überhoben zu seyn. Veranlaßt durch die neuerliche landräthliche Verfügung vom 17. Juli 1832 fol 20 der erwähnten Acten ist daher beschlossen worden, sofort eine Stadt Chronik anzulegen, deren Führung der mit unterzeichnete Bürgermeister übernommen hat. Die Chronik soll mit dem Jahre 1816 angehen, in welchem die monatlichen Zeitungs Berichte ihren Anfang genommen haben, und sollen die in den Zeitungsberichten von 1816 bis mit 1831 enthaltenen, zur Aufbewahrung für die Nachwelt geeigneten Nachrichten, in die Chronik übergetragen werden. In der ersten Session jeden Monats aber soll die Chronik dem Magistrats Collegio vorgelegt, und gemeinschaftlich berathen werden, was für den verflossenen Monat in die Chronik einzutragen ist.
Delitzsch am 30. Juli 1832
Der Magistrat
Securius. Meißner. Teuscher. Meyner.
1816
Monat Mai
wurde das Straßenpflaster in der Hintergasse, auch Saugasse genannt, aufgenommen und neu umgelegt. Späterhin, als im Jahre 1826 die neue Knabenschule in dieser Gasse gebaut wurde, erhielt dieselbe den Namen Schulgasse.
Im M Juli
wurde die steinerne Brücke vor dem Schlage am Galgthore abgetragen, und der Graben unter der Brücke aufgefüllt. Der Graben hatte schon lange kein Wasser mehr, und die Brücke war daher ganz überflüssig.
Am 13 November
verunglückte Abends nach 7 Uhr der Diaconus M. Theophilus August Mohring, 52 Jahre alt, ein Wittwer. Er hatte, um diese Zeit vom Gerberplan kommend, durch die Allee am Stadtgraben nach Hause gehen wollen, und war bei der sehr dicken Finsternis, und dem stürmischen Wetter, in den Stadtgraben gestürzt und ertrunken. Er hinterließ 2 erwachsene aber noch unmündige Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
1817
21 Februar
Es waren schon im vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen worden, um mit den 3 hiesigen Kornmärkten Viehmärkte zu verbinden. Der erste Viehmarkt wurde mit dem Fasten Markte am 21 Februar gehalten, und war sehr besucht.
Im M April
Die Auffüllung des Schäfergrabens, welcher sich von den Scheunen am Gerberplan gegenüber hinzog, wurde in diesem Jahre beendiget, dadurch aber ein hübsches Stück Land gewonnen, und mit Kirschbäumen bepflanzt. Erhielt die Stadt den Stamm des 1sten Battaillons 32 Landwehrregiments zur Garnison. In denselben Monate wurden die Überbleibsel der der Commune gehörigen alten Ziegelscheune meistbietend verkauft, da es nicht rathsam schien, die Ziegelbrennerei wieder einzurichten. Auch wurde mit dem Planieren der aus Berg und Thal bestehenden Trifft vor dem Viehthore der Anfang gemacht; desgleichen auch Einleitungen zu dem Verkaufe der Zwingergärten außerhalb der Stadtmauern, welche bisher von dem Rathspersonale, und dem Stadtschreiber und Commune Einnehmer, in 8 Abtheilungen, als Dienstgärten benutzt worden waren, getroffen.
Auch wurde eine eigene Commission niedergesetzt, um das Stadt Kriegsschuldenwesen zu regulieren.
Am 27 Juli
bei dem Sonntags Schießen der hiesigen Schützengesellschaft wurden durch die Unvorsichtigkeit des Riemergesellen Haase, eines hiesigen Bürgers Sohnes, dessen Gewehre im Schießstande zu zeitig los ging, zwei Dienstmädchen, das der Kaufmanns Wittwe Behling Johanne Marie Flammigerin von Delitzsch gebürtig, und das des Bäckermeisters Fischer, Christiane Sophie verehelichte Kratzschin aus Mühlau im Erzgebirge, in die Füße verwundet. Beide wurden wieder geheilt.
Am 7 August
hatte der Tagelöhner Kunze ein gewesener Soldat und geschickter Arbeiter das Unglück, beim Richten eines Gebäudes, in einen neu gegrabenen Keller zu stürzen, und beide Arme zu brechen. Im August Monat wurde an die Stelle des verstorbenen Bau Verwalters Preusser der Kürschner Wendt als solcher angestellt.
Am 21 Septbr
reißten Seine Majestät unser Allergnädigster König Friedrich Wilhelm III. hierdurch über Düben nach Berlin.
Am 28 Septembr
hielt der an des verunglückten Mohring Stelle gekommene M. Johann Ernst Volbeding aus Prettin, welcher bisher an der Peterskirche in Leipzig angestellt war, als Diaconus seine Antrittspredigt.
Am 26 Septbr
wurden die Zwingergärten außerhalb der Stadtmauern im öffentlichen Meistgebote für 366 Thaler verkauft.
Im M November
verunglückte der Sohn des hiesigen Bürgers und Beutlermeisters Schneider im Stadtgraben, und wurde erst nach 12 Tagen wieder aufgefunden.
d. 31 October
Am Reformations Jubelfeste wurden Altar und Kanzel in der hiesigen Stadtkirche mit einer neuen Bekleidung von grünem Sammet und goldenen Franzen, wozu der Kosten Aufwand durch freiwillige Beiträge aufgebracht worden war, beschenkt. Das Fest ist zwey Tage mit Früh- und Nachmittags Gottesdienst feierlich begangen worden.
1818
Am 11 März
Abends nach 7 Uhr brach Feuer aus in einem dem Fleischermeister Richter und dem Tuchhändler Kühne, jedem zur Hälfte, gehörigen Stalle. Das Feuer wurde bald gelöscht, und der Schaden war nicht bedeutend.
6 April
Am 9ten Dezbr 1817 war der Commandeur des 32. Landwehr Regiments Oberst Graf von Schönburg, hier in Garnison stehend gestorben, und am 6ten April 1818 traf dessen Nachfolger Major von Rathenow hier ein.
Im M August
wurde unter Leitung des Consistorialraths Neander aus Merseburg die Vereinigung der Gottesacker Prediger Stelle mit der des 2ten Diaconus bewirkt; auch wurde das Beichtgeld abgeschafft, und statt desselben als Entschädigung bewilligt, dem 1ten Diaconus 275 Thaler und dem 2ten Diaconus 175 Thaler jährlich. Dieser jährliche Bedarf soll durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden. In demselben Monate wurde auch die Tabaks Fabrik Frosch und Limburger, in dem Eckhause der Vieh- und Todtengasse, in der Vorstadt, etablirt.
Am 23 Septbr
reißten Seine Maj. unser Allergnädigster König, Friedrich Wilhelm III von Berlin kommend hierdurch nach Aachen.
Im November
wurde der an dem Wege nach Beerendorf zu befindliche der Stadt gehörige Galgen mit höherer Genehmigung abgetragen, und aus den Materialien im öffentlichen Verkaufe die Summe von 35 Thaler 9 Silbergroschen gelößt.
1819
Am 14 Februar
wurde auf Freibergs Saale in der Adler Apotheke am Markte ein Maskenball gehalten, welcher der Armenkasse 34 Thaler 20 Silbergroschen einbrachte.
Am 1 April
trat bei Verwaltung des Stadt Regiments eine neue Ordnung der Dinge ein. Justiz und Polizei Verwaltung wurden getrennt, jedoch das Vorsteher Amt von beiden Verwaltungszweigen in einer Person, in der des Bürgermeisters Schulze, bisherigen Stadtrichters, vereinigt. Die beiden vorherigen Bürgermeister Großschopf und D. Ideler wurden jener mit 100 Thalern, dieser mit 60 Thalern jährlich pensioniert Der letztere verzichtete vom 1ten Januar 1830 darauf, wodurch die Commune bis zu seinem Tode (1842) 755 Thaler gewann.
Am 28 April
stürzte sich die Ehefrau des armen Handarbeiters Schladitz in der Grünstraße aus Melancholie in den Brunnen ihres Hauswirthes Lochner und ertrank.
Im M. Mai
wurde eine zweite Tabaks Fabrik von dem Kaufmann Horn aus Leipzig in der Ritterstraße hier etabliert und der Kaufmann Helm aus Merseburg als Factor selbiger vorgesetzt. Zu Johannis ging der Organist Friessner nach Glauchau. An seine Stelle trat der Organist Risse aus Dresden.
11 September:
Die beiden Thurmspitzen von hiesiger Stadtkirche waren seit langer Zeit baufällig. Es war daher jetzt eine Hauptreparatur derselben durch den Schieferdecker Umbach aus Leipzig bewirkt worden. Am 11ten Septbr hat derselbe auf beide Spitzen der alten Knöpfe und neue Fahnen aufgesetzt. In dem Knopfe des südlichen Thurmes ist mit Beilegung einiger Münzen ein schriftlicher Aufsatz der Geschichte des Tages in eine blecherne und hölzerne Kapsel gethan, und den Lüften anvertraut worden.
Am 21 Novembr
Abends nach 7 Uhr entstand in dem Rathsdorfe Gertitz Feuer, wodurch 6 Gehöfte fast ganz in Asche gelegt wurden. Der Schaden an Gebäuden nach der Versicherung in der Brandkasse betrug 3849 Thaler, der an Mobilien nach einem ungefähren Überschlage 2370 Thaler.
1820
Am 8ten Februar wurde im Lober am Kohlthore der Tuchscherer Geselle Johann Gottfried Schröter 55 Jahre alt ertrunken aufgefunden.
Am 4 April
brannten in dem Rathsdorfe Werben 6 Scheunen und 4 Ställe sämmtlich mit Stroh gedeckt ab. Nahe stehende mit Ziegeln gedeckte Gebäude blieben vom Feuer verschont.
Am 10 Mai
Nachmittags zog südwestlich ein Gewitter auf, welches zwischen 3 und 4 Uhr unsren Scheitelpunct erreichte. Unter starkem Regenguß und Wind entluden sich die Wetterwolken durch einige Blitze mit schwachem Donner begleitet. Es regnete nicht mehr, und man glaubte das Gewitter sey ganz vorüber, als ein heftiger Donnerschlag die Stadt erschreckte. Es hatte in die nördliche Thurmspitze der Stadtkirche eingeschlagen. Von da war der Blitz auf dem Forste des Kirchdaches hingefahren, und hatte auf dem Dache über dem Altare ein Dohlennest angezündet, woran Sparren und Brett hinter welchen es gebaut war, angebrannt waren. Ein Feuereimer Wasser reichte zu, das Feuer zu löschen. Bey dieser Gelegenheit zeichnete sich der Maurermeister Rose durch Muth und Thätigkeit aus. Der Blitz war bis in die Kirche gedrungen, und hatte dem Altare einigen unbedeutenden Schaden zugefügt.
August
Die Gottesackerkirche ward mit einem Aufwand von 170 Thalern ganz ausgeweißet.
December
An die Stelle des wegen Unzucht durch Ministerialrescript vom 24. August abgesetzten Mädchenlehrers an hiesiger Stadtschule Staufenau, wurde im Monat December der bisherige Mädchenlehrer zu Dommitzsch Wilhelm Zieger angestellt.
1821
Zu Anfange des Jahres wurde der Rector an der hiesigen Stadtschule, Eschenbach zum Pfarrer nach Balgstädt berufen. An dessen Stelle wurde der bisherige Cantor Ahner als Rector angestellt. An die Stelle des verstorbenen 3. Schulkollegen Schott wurde der bisherige Quartus Hartmann und an dessen Stelle der Schullehrer Lorenz aus Cosdorf angestellt; und als auch der pp. Hartmann noch vor seiner Confirmation mit Tode abgegangen war, rückte sofort der pp. Lorenz an dessen Stelle als Tertius ein. An des nach Dresden abgegangenen Organisten Risse Stelle trat der Organist Zieger aus Scheibenberg.
Am 12 März
starb der Rathsassessor Christoph Gottlob Weidenhammer, 63 Jahre alt. Er war zugleich Stadt Steuer Einnehmer. Sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm Weidenhammer folgte ihm in diesen Posten und wurde am Mai 1821 verpflichtet.
Am 3 Mai
Abends gegen 7 Uhr schlug der Blitz in die mit Stroh gedeckte Scheune des Windmüllers Huske. Sie brannte ganz ab. Bei der überflüssig vorhandenen Hülfe wurde aber weiterer Schaden verhütet.
Mai
Die Strohscheune dem hiesigen Commungute gegenüber, vormals dem Bürger Rohr gehörig, welche vor mehreren Jahren von der Commune gekauft worden war, war so baufällig geworden, daß sie abgetragen, und neu gebaut werden mußte. Es wurde damit der Anfang im Monat Mai gemacht, und von dem noch brauchbaren alten Holze wurde eine kleine Scheune bei dem Forsthause für den Förster gebaut.
Im M Juli
wurde das durch Ahners Aufrücken zum Rector erledigte Cantorat an hiesiger Stadtschule dem bisherigen Cantor in Weida Carl August Christian Golz übertragen. Derselbe vom Thomascantor Schiching empfohlen war ein trefflicher Sänger.
Michael
Da für einige Arme der Hauszins aus der Armenkasse bestritten werden mußte, und für manche gar kein Unterkommen zu finden war, so wurde schon im vorigen Jahre der Anfang gemacht, das Siech- und Armenhaus am Galgthore zu erweitern, und zu übersetzen. Zu Michael 1821 wurde dieser Bau beendiget, und dadurch das Haus zur Aufnahme mehrerer Armen..............geschickt gemacht.
November
Um die Unglücksfälle zu verhüten welche bisher durch Hinabstürzen in den Stadtgraben zum öfteren statt gefunden hatten, wurden vom kleinen Schutze bis zum breiten Thore und von da bis zur Pforte hölzerne Barrieren an dem Graben entlang gezogen.
1822
Im Februar wurde die hölzerne Brücke vor dem Kohlthore neu gebaut, der Bau der Communscheune ( vormals die Rohrsche Scheune), welcher im vorigen Jahre in dem Monate Mai begonnen hatte, wurde in dem Monate August dieses Jahres beendiget.
Am 16 Mai
starb der bisherige Kirchenvorsteher und Gerichtsdirector Johann Friedrich Parreidt, 58 Jahre alt, und wurde das Kirchenvorsteher Amt dem Stadt Secretär Friedrich August Meißner übertragen.
Unter Leitung des Cantors Golz wurde gegen das Ende dieses Jahres ein Gesang Verein unter dem Namen Cantorei gestiftet, dessen Mitglieder sich in active und Ehren Mitglieder theilten. Der Verein wurde von der Königl. Hochlöblichen Regierung zu Merseburg genehmigt, und aus der Hospital-, der Kirchen- und Armenkasse aus jeder mit 5 Thaler jährlich unterstützt. Die Leistungen waren sehr gut, Golz ein tüchtiger Dirigent.
1823
Im Februar ersäufte sich der Capitain d’armes Nagora vom hiesigen Landwehrstamme an der Schaafsbrücke im Lober, aus Furcht vor der Strafe, wegen einiger von der Montirungskammer verkaufter Mäntel. Sein Leichnam wurde gerichtlich aufgehoben, und an die Anatomie nach Halle abgeliefert.
Am 1ten
Fastenjahrmarktstage stürzte ein Stück von dem einen Bogen der Brücke vor dem breiten Thore ein. Die Brücke mußte gesperrt und die Passage einstweilen durch die Pforte gewiesen werden. Der vergangene Winter war sehr hart gewesen, fast alle Nußbäume in und bei der Stadt und viele andere edlen Obstbäume waren erfroren. Der Bau der durch theilweisen Einsturz schadhaft gewordenen Brücke wurde lebhaft betrieben. Man kam mit Genehmigung der vorgesetzten königlichen Regierung zu Merseburg dahin überein, daß die ganze Brücke abgetragen und neu aufgebaut werden sollte. Jedoch sollte die neue Brücke gerade ausgeführt werden, und nur einen Bogen erhalten, dahingegen die alte Brücke krumm ging und zwei Bogen hatte. Die neue Brücke wurde auf einem Pfahlrost gebaut, und das auf der alten Brücke befindlich gewesene Brückhaus, sowie das Thorhaus neben dem breiten Thurme wurde abgetragen. Um den Pfahlrost zu schlagen, mußte der Stadtgraben abgelassen werden, wofür der Stadtmüller täglich 3 Thaler und dessen Knappen 10 Silbergroschen Entschädigung erhielten. In dem Monate Mai war der Brückenbau beendiget.
Am 19 Juni
ersäufte sich die Ehefrau des hiesigen Schuhmachermeisters Ziegler im Stadtgraben. Im Sommer dieses Jahres wurde von den Zimmergesellen Hofmann eine neue Windmühle auf Weißigkens Mark erbauet.
1824
Im Januar wurde die in der hiesigen Adler Apotheke errichte Freimaurer Loge Victor zum goldenen Hammer Meister vom Stuhl General Lieutnant Graf Henckel von Donnersmark auf Tiefensee, eingeweihet.
August
Das Thorhaus am halleschen Thurme hatte früher zum Arrest Local für ungehorsame Bürger gedient. Nachdem der Bürger Gehorsam ins Rathhaus verlegt worden war, kam das Thorhaus in Verfall und war zuletzt nur noch als Holzboden für den Thürmer benutzt worden. Mehrere daran nöthig gewordene Reparaturen veranlaßten dessen völlige Abtragung im Monat August, um den Reparatur Aufwand an einem sehr entbehrlichen Gebäude zu vermeiden.
Im M September
wurde das ehemalige Amtsthorschreiberhaus am Halleschen Thor von dem Fiscus der hiesigen Commune für den Preis von 150 Thalern käuflich überlassen.
Am Martini
Jahrmarkte wurde eine neue Buden Ordnung eingeführt, durch welche sowohl die Aufstellung von weit mehreren Buden als vorher erreicht wurde, als auch die Verkäufer gleicher Gattung zur Erleichterung der Auswahl der Käufer zusammen gestellt wurden.
1825
Im Februar
ging der Capitain und Adjut. Bode mit Hinterlassung eines Defeckts von 1000 Thalern in der Landwehr Bataillons Kasse plötzlich fort, angeblich nach Brasilien.
Am 1 Osterfeiertage
wurde durch unberufene Hände zum Nachmittags Gottesdienste eingeläutet, und die Folge davon war, daß die zweite Kirchen Glocke, auf der Mitternachtsseite des Thurmes, aus ihren Pfannen herausging, an dem Glockenstuhle herunter rutschte, und glücklicher Weise auf dem Boden, den sie bei ihrer Last wohl auch hätte durchschlagen können, liegen blieb. Der Schaden, den dieser Sturz verursacht hatte, war nicht bedeutend, und wurde bald wieder hergestellt.
Im M Juli
wurde der bisherige Revierjäger Pabst aus Dölitz bei Leipzig an die Stelle des nach Tiefensee abgegangenen Försters Becker als Communförster angestellt.
Jubelfeste
Die Schützen Compagnie feierte das Jubelfest ihres Hauptmanns des Seilermeister Rahn und ihres Zielers des Lohgerbermeisters Fiedler am 18ten Juni 1825. – durch ein außergewöhnliches Schießen und Freudenmahl auf dem Schießhause. – Beide waren 50 Jahre Schützen
Ein seltenes Kirchen Jubelfest feierte am 10ten Juli der Pastor Theodor Wilhelm Lorenz aus Ostrau in hiesiger Stadtkirche. Der 80jährige Greis hatte 50 Jahre lang, ununterbrochen im Kriege wie im Frieden, jährlich seine Circular Predigt in Delitzsch gehalten. Er hielt heute an seinem 80ten Geburtstag die 50te Circular Predigt. Sacristei und Kanzel waren mit Guirlanden von Eichenlaub Immergrün und Rosen geschmückt, und die Kirche war voll gerührter Zuhörer.
Am 13 Mai Legate
starb die verwittwete Kaufmann Hartmann. In ihrem Testamente hatte sie zu Gunsten hiesiger Stadt drei Legate ausgesetzt, a) 500 Thaler, wovon die Zinsen zur Unterstützung eines künftig anzustellenden zweiten Mädchenlehrers verwendet werden sollen, b) 250 Thaler zu einer Feuerspritze in der Vorstadt und c) 250 Thaler zu einer Glocke auf den Thurm der Gottesacker Kirche.
Im M August
wurde der gewesene Commun Einnehmer Nagel auf dem Rathhause, wo er in Geschäften anwesend war, vom Schlage getroffen, und starb daselbst kurz darauf am Stickflusse.
Auch wurde in diesem Jahre der Anfang gemacht, dem Gottesacker eine freundlichere Gestalt zu geben.
Am 9 November
erhing sich der Schleifergeselle Paul Etternich aus Böhmen in der Wohnung seines Meisters des Schleifer Richter.
Rathskeller Garküche und Salzschank sind auf 3 Jahre jährlich für 13 Thaler verpachtet worden.
Im December
hatte der Sturm die Fahne auf dem breiten Thurm zerbrochen. Während des ganzen verflossenen Jahres hatte man Vorbereitungen zur Erbauung einer neuen Knabenschule getroffen.
1826
Am 23 Januar
starb plötzlich der Raths Assessor Ehrenberg mit Hinterlassung eines Defeckts von mehreren tausend Thalern in der Hospitalkasse. 6000 erhielt das Hospital zurück, 7000 Thaler verlor dasselbe.
Am 29ten Januar
starb im 70ten Lebensjahre die Wittwe des hiesigen Justizamtsmannes Wendler, Sophie Concordie, geb. Saettler, und legirte in ihrem Testamente 100 Thaler zur Verbesserung der Stelle des Lehrers an der Vorstadtschule, 100 Thaler zur Verbesserung der Stelle des Katechismuspredigers, 300 Thaler für die Wittwe und Kinder desselben, und 500 Thaler für die Armen der Amtsvorstadt Grünstraße. Von letzterem Legate werden die Zinsen am heiligen Weihnachtsabend Nachmittags in der Gottesacker Kirche jedesmal an 12 Arme vertheilt, wobei der Katechismusprediger an dieselben vorher eine Ansprache richtet. (Dr. I.)
Am 23. Februar
stürzte in dem Hause des Schuhmacher Pflock in der Holzgasse Nr. 54, in der von dem Tagelöhner Ulrich bewohnten Stube ein Theil der Decke herunter, und wurde dabei von den darin befindlichen Bewohnern nur das jüngste Kind, 8 Tage alt, durch einige Quetschungen am Kopfe beschädiget
.
8 März
Durch den Tod des Assessors Ehrenberg war eine Vervollständigung des Rathspersonals nöthig geworden und wurde solche durch die Anstellung von 3 Assessoren, Friedrich August Meißner, Dr. Medic. Albert Gerber und Justitiar Adolph Hildebrandt, sämmtlich Delitzscher Eingeborne, bewürkt. Sie wurden am 8 März und zugleich mit ihnen der Steuer Einnehmer Weidenhammer als Commun Einnehmer und der RathsExpedient Johann Gottlob Richter als Raths Registrator verpflichtet. Auch wurde in demselben Monate das zur Knabenschule angekaufte Schumannsche Haus abgetragen, und mit Grundlegung des neuen Schulgebäudes der Anfang gemacht.
April
Nach dem Tode des Armen Voigts Bude wurde dessen Function dem 2ten Polizeidiener Heyme mit übertragen.
Im August
wurde die neue Knabenschule in Gegenwart des Stadtraths und der Communrepräsentanten gerichtet.
Am 2 October
stürzte sich der Steuer Aufseher Rohr vom Haupt Zollamt zu Gordemitz in den Gasthof zum weißen Rosse 2 Treppen hoch zum Fenster herab, und erhielt mehrere bedeutende Verletzungen.
Am 18 Octbr.
erschoß sich der Thorwärter auf hiesigem königlichen Schlosse namens Winter, 73 Jahre alt, im Lehnstuhle sitzend, mit der Flinte. Der Schuß, von Schrot, war durch den Mund bis zu dem Wirbel des Kopfes gedrungen.
Am 25. Octbr.
hat sich der Leineweber Schulze, Hausbesitzer auf dem Steinwege. 50 Jahre alt, in seiner Schlafkammer erhangen. Sein Leichnam wurde noch an demselben Tage an die Anatomie nach Halle abgeliefert.
Der Fleischhauermeister Braune erhielt für seine 7 am Leben befindlichen Söhne ein Königliches Pathengeschenk von 100 Thalern.
Im November
kam die neue Schlauchspritze aus der Fabrik von Zeitheim in Naumburg hier an und kostete 365 Thaler.
December
Zum Bau des neuen Schulhauses waren bis zum December 1826 schon 5400 Thaler als Darlehn für Rechnung der Stadt aufgenommen worden.
1827
Am 5ten Januar
wurde der verarmte Bäckermeister Müller von Delitzsch, in der Gegend von Hohenroda erfroren aufgefunden. Er war als Bote nach Eilenburg geschickt worden, und auf dem Rückwege von dort nach hier begriffen gewesen. Die Kälte stieg an einigen Tagen dieses harten Winters früh um 7 Uhr bis auf –22 Reaum.
Ein aus Wurzen gebürtiger Lehrling des hiesigen Buchdruckers Meyner erhing sich am 6ten Januar, in einem Anfalle von Melancholie auf dem Boden seines Lehrherrn.
Am 4. April
trat ein Frauen- und Jungfrauen Verein in hiesiger Stadt zu dem Zwecke zusammen, arme tugendhafte Mädchen bei der ersten Feyer des Abendmahls zu bekleiden oder mit Geschenken zu erfreuen. Der Verein zählt bei seinem Entstehen 70 Mitglieder, und sein erstes Wirken zu Ostern 1827 war die Bekleidung von zwei armen Mädchen, und die Niederlegung eines Kapitals von 50 Thalern.
Am 9 April
wurde an die Stelle des am 16ten Januar gestorbenen Essenkehrers Sturm der Essenkehrermeister Leonhardt in Pflicht genommen.
Am 31 Mai
wurde der Copist Schulze als Gemeinde Schulze in der Grünstraße verpflichtet.
Am 2 Juli
wurde die neue Knaben Schule feierlich eingeweihet. Die beiden Lehrer welche in solcher Wohnung erhielten – der Rector Ahner oben, der Cantor Golz unten – waren schon mehrere Tage vorher eingezogen. Desgleichen wurde am 2ten Juli das Schützen Jubiläum des 50 Jahre gedienten Schützen Peter Heinze gefeiert.
August
Der Senator Schmidt, dem, an des verstorbenen Ehrenberg Stelle, das Amt als Hospital Vorsteher mit einem Gehalt von 100 Thaler übertragen worden war, wurde im Monat August als solcher von Hochlöblicher Regierung zu Merseburg bestätigt.
Im M September
wurde der Chirurg Hoppe an die Stelle des verstorbenen Zimmermann als Stadt und Hospital Wundarzt angestellt.
Zur besseren Beaufsichtigung und Hebung des Communal Schulwesens wurde auf Anordnung der K. Hochlöbl. Regierung zu Merseburg ein Schulvorstand gebildet, und am 19ten October außer einem Magistratsdeputierten und den beiden Diaconen 7 hiesige Bürger zu Mitgliedern desselben gewählt. Auch wurde der Expedient Eduard Weidenhammer als Schulgeld Einnehmer angenommen.
Im November
wurde auf Anordnung der Regierung zu Merseburg ein herabgesetzter Pflaster Gleits Tarif in hiesiger Stadt eingeführt.
1828
17 März
Am 3ten März früh 7 Uhr entleibte sich der Stadt Wundarzt Hoppe durch 2 Schnitte in die Schlag und Blutadern des Halses an der rechten Seite. Eine Stunde nach dieser That gab er seinen Geist auf. An seine Stelle wurde am 17ten März der Wundarzt Große verpflichtet.
Die in hiesiger Ephorie noch üblich gewesenen Circular Predigten wurden auf Anordnung der Regierung zu Merseburg eingestellt, und die letzte CircularPredigt wurde Freitags am 18ten April von dem Pastor M. Caspari zu Zschortau gehalten.
Am 2 Juni
fand in der hiesigen Stadt Knaben Schule die Einführung des neuen Lehr und Stundenplanes statt. Es war solcher von dem Archidiaconus M. Morgenstern gefertigt und von Hochlöblicher Regierung zu Merseburg genehmiget worden. Durch diesen neuen Schulplan wurde die hiesige bisherige sogenannte lateinische Schule in eine reine Bürger Schule umgewandelt.
Am 18 Juni
Abends 9 Uhr traf der Leichenzug des Höchstseeligen Großherzogs von Weimar Carl August ,welcher in Graditz bei Torgau plötzlich vom Schlage getroffen worden war, von Eilenburg hier ein. Der Sarg wurde von den hiesigen Behörden empfangen, und unter dem Geläute aller Glocken in der großen Vorhalle unserer Stadtkirche, welche dazu schön decoriert war und dafür 100 Thaler erhielt, während der Nacht beigesetzt. Am anderen Morgen 5 Uhr trat der Zug in derselben Ordnung und derselben Begleitung ebenfalls unter dem Geläute aller Glocken und der Parade des hiesigen Landwehr Bataillons die Reise von hier nach Merseburg an. Der Leichenzug wurde bei dem Durchgange durch das preußische Gebiet von den Generalen von Jagow von Natzmer von Krusemark Excell. von den Ober Ceremonienmeister Kammerherrn von Buch und deren Gefolge, und einer Escadron Husaren begleitet.
Juli
Die durch den Abgang des Organisten Zieger nach Hamburg erledigte Organisten und 4te Lehrer Stelle wurde dem Schullehrer Grellmann aus Dürrenberg übertragen. Am 1ten September wurde derselbe feierlich eingewiesen.
1829
Zur Unterstützung unserer Armen bei dem sehr strengen Winter wurde im Monat Januar an 3 verschiedenen Tagen zusammen für 58 Thaler 18 Silbergroschen 9 Pfennige Holz gekauft und unter die Armen verteilt. Der Pachter des Commungutes Einwald verteilte aus eigenem Antriebe gegen 30 Scheffel Kartoffeln an die Armen und außerdem wurden noch bedeutende Unterstützungen dieser Art von den Rittergütern Storkwitz und Schenkenberg, so wie von der Gemeinde Beerendorf und mehreren anderen Orten auch baares Geld eingeliefert.
Februar
Auf höhere Anordnung wurde die bisher üblich gewesene Thorsperre während des Sonntags Gottesdienstes eingestellt.
Vom 14 März
ab wurde eine Arbeits Anstalt für die hiesigen Armen errichtet, und zur Begründung derselben die Summe von 100 Thalern aus dem Hospitale entnommen.
Am 15 Juli
schlug der Blitz in den breiten Thurm richtete einige Beschädigungen auf demselben an, und war ohne der Familie des Thürmers Schaden zugefügt zu haben, an dem Klingeldrathe herabgefahren, welcher letztere zum Theil geschmolzen war.
26 August
In der Nacht vom 26ten zum 27ten August halb 12 Uhr erschallte Feuergeschrei. Es brannten in der Nähe des Viehthores 3 mit Stroh gedeckte Scheunen des Seilermeisters Rahn des Kaufmanns Meißner sen. und des verwittweten Bürgermeisters Schulze; in diesen Scheunen befanden sich gegen 800 Schock Getreide. Das Feuer war wahrscheinlich angelegt. Es war alle Anstrengung nöthig, um die neben den brennenden Scheunen stehende Communscheune mit Ziegeldach zu schützen daß sie nicht auch vom Feuer ergriffen wurde, und war dieses hauptsächlich der Entschlossenheit des Maurergesellen Spange zu danken, welcher dafür auch späterhin von der Regierung zu Merseburg eine Prämie von 10 Thalern erhielt.
September
Die von dem dazu bestimmt gewesenen Legate der Wittwe Hartmann angeschaffte Glocke auf dem Gottes Acker Kirchthurme wurde am 9ten September nachmittags 3 Uhr auf den neu ausgebauten Thurm aufgezogen und am 27ten September feierlich eingeweihet. Dieselbe ist von dem Glockengießer Zeitheim in Naumburg gegossen, und wiegt vier Zentner.
Am 3 October
Des Morgens war in dem Hause des Kaufmanns Senf in der Vorstadt, in dessen Schlafkammer ein Fensterrahmen, ein Theil des Bettes und eines Stuhles verbrannt, und dadurch Feuerlärm in der Nachbarschaft entstanden. Es ließ sich nicht ermitteln, ob dieses Feuer durch Unvorsichtigkeit seitens der Bewohner des Hauses, oder von der Hand eines boshaften Menschen verursacht worden war. Das Feuer selbst wurde gleich im Entstehen unterdrückt.
4 October
In der Nacht vom 4ten zum 5ten October wurde die Stadt abermals durch Feuergeschrei erschreckt. Es brannte ein in der Nähe der letzten Brandstellen befindlicher kleiner mit Stroh gedeckter Schuppen. Sehr wahrscheinlich war das Feuer angelegt, und mit dieser Brandstiftung die boshafte Absicht noch größeres Feuer Unglück zu verbreiten verbunden. Denn ganz in der Nähe dieses Schuppens standen noch einige ansehnliche Gebäude mit Strohdächern. Durch schnelle Hülfe und bei der gänzlichen Windstille wurde aber das Feuer ohne daß es sich weiter verbreitete bald gelöscht. Es verdient bemerkt zu werden, daß 1 ½ Stunde vorher ein Feuer in Kietzendorf bei Brehna aufgegangen, und dafür eine Feuerspritze und sonstige Hülfe von Delitzsch abgeschickt worden war. Die Brandstifter die man auch dort vermuthete scheinen daher mit den hiesigen in Verbindung gestanden zu haben. Zur Beruhigung der Bürger wurden nun nächtliche Feuerwachen, die von den Bürgern der Reihe nach verrichtet werden mußten, angeordnet. Vier Mann mußten vor Mitternacht von 7 bis 12 Uhr und eben so viele nach Mitternacht von 12 bis 5 Uhr entweder selbst oder durch Stellvertreter an den Theilen der Stadt wo sich Strohdächer befanden patroullieren.
Am 23 Novbr
Abends 6 ½ Uhr, also gerade eine halbe Stunde vor Antritt der Feuerwache, wurde durch glücklichen Zufall die Entstehung eines neuen Feuers verhütet. Ein Bösewicht hatte ein Bund alte Lumpen um Schwefel Schwamm und andere leicht brennende Sachen gewickelt, und solches wahrscheinlich glimmend an der Ecke der Arndtschen mit Stroh gedeckten Scheune in die Strohbedachung hinein geschoben. Eine Frau aus der Nachbarschaft will bei Arndts zum Spinnen gehen. Sie muß weil die Hausthür verriegelt ist, vor der Thür warten, und während dessen bemerkt sie das glimmende Feuer auf dem Scheundache. Sie macht Lärm, und es wird sofort jedem weiteren Unglücke vorgebeugt. Bei dem heftig wehenden Ostwinde würde der Ausbruch des Feuers großes Unglück über unsere Stadt gebracht haben.
Am 30 Novembr
Mittags 11 ½ Uhr ging der Schaafstall im hiesigen Commungute plötzlich in Feuer auf. Außer den Vorräthen von Heu und Stroh auf dem Boden des Stalles verbrannten gegen 300 Hammel. Es läßt sich nicht anders glauben, als daß das Feuer angelegt worden sey.
December
Der Schuhmachermeister Werdermann hatte in der Trunkenheit verdächtige Reden fallen lassen, und wurde deshalb bald darauf von dem Inquisitoriate zu Eilenburg arretirt und zur Untersuchung gezogen. Auf Grund seiner Aussagen sind ferner gefänglich eingezogen worden der Schankwirth Lehmann, der Horndreher Behm, der Herbergswirth Huber, die Handarbeiter Rühl, Werner und deren Ehefrauen, der Zimmergeselle Holzweißig und der Musicus Bock.
Am 11 December
Nachmittags wurde auf der von dem Postmeister von Bünau veranstalteten Treibejagd in der Nähe des Dorfes Gertitz der Second. Lieutenant von Mauterode vom 20 Inf. Reg. in Torgau von seinem Freunde dem Hauptmann von Griesheim beim Aufsteigen auf den Wagen durch Unvorsichtigkeit erschossen, mit einem Percussions Gewehre, von dem das Zündhütchen nicht abgenommen war. Die ganze Ladung des Gewehres war durch den Kopf gegangen und augenblicklicher Tod erfolgt. Am 14ten Abends fand die Beerdigung des Erschossenen unter Begleitung der hier anwesenden Militärs Geistlichkeit und der Civil Behörden statt. Der Sarg wurde durch die Gefreiten des Landwehrstammes aus der Halle vor der großen Kirchthüre auf den Gottes Acker getragen, und die Schützengilde ging dem Sarge voran.
1830
Im Januar hörten die im October angeordnet gewesenen Feuerwachen wieder auf, weil der Criminaldirector Fromm versichert hatte, die Brandstifter entdeckt zu haben.
Ein Falschmünzer, der Maurergeselle Sänger, welcher bleierne Viergroschenstücke gemacht hatte, wurde nebst Frau und Schwester arretirt, und an das Inquisitoriat zu Eilenburg abgeliefert; erhielt 4 Jahre Zuchthaus.
Am 18 Januar
wurde das hiesige Commungut an den Pachter Küster von Wölkau auf 6 Jahre für 1800 Thaler jährlich verpachtet.
Am 2 Februar
dem Tage Mariä Reinigung wurde das 100jährige Jubelfest der Marien und Gottes Acker Kirche durch Gottesdienst in derselben gefeiert. Es war die Feier ihrer vor 100 Jahren, nach ihrer völligen Herstellung, an demselben Tage statt gefundenen Einweihung. – Im Mai erhielt die Stadtkirche von Seiner Majestät dem König zwey große gußeiserne Altarleuchter, 25 Thaler werth, zum Geschenk.
Am 18 März
verunglückte in der Trunkenheit durch einen Fall von der Treppe in dem Großeschen Hause am Markt ein fremder Mann, namens Schröter aus Zörbig. Er wurde in polizeilichen Gewahrsam gebracht, und starb daselbst Tags darauf.
Im April
wurde sowohl der Wiederaufbau des abgebranntes Schaafstalles, auf dem Commungute, als eine Hauptreparatur an dem hiesigen Stadtkirchthurme begonnen. Zu dem letzteren Baue wurde zur Aufbringung der Kosten eine Anlage auf die Kirchfahrt gemacht, und solche in der Stadt nach dem Klassensteuerfuße aufgebracht.
Am 25 Juni
wurde das Jubelfest der Übergabe des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses auch am hiesigen Orte feierlich begangen. Am Abend vorher wurde das Fest, durch dreimaliges Läuten mit allen Glocken, eingeläutet. Zwischen dem Läuten wurden vom breiten Thurme Choräle geblasen. Der Altar die Chöre die Kanzel und die Eingänge zur Kirche wurden mit Blumen Gewinden geschmückt. Der Festtag selbst wurde Morgens um 4 Uhr durch Choralblasen mit Posaunen vom breiten Thurme herab begrüßt. Der Gottesdienst wurde von 7 bis 8 Uhr durch dreimaliges Läuten |:gewöhnlich wird nur zweimal geläuten:| eingeläuten, und beim 3ten Läuten um 8 Uhr zogen die auf dem Rathhause versammelten Geistlichen, der Stadtrath, die Commun Repräsentanten, der Schulvorstand und mehrere Behörden und Bürger der Stadt, so wie die gesamte Schuljugend des Ortes und der eingepfarrten Dörfer mit ihren Lehrern zur Kirche. Während dessen wurde vom Balkon des Rathhauses herab ein Choral geblasen. Sämmtliche Schulmädchen die den Zug beschlossen waren weiß gekleidet, und die Zahl der Schulkinder über 800. In der Kirche angelangt, nahmen die Knaben auf ihren Chören die Mädchen auf dem Plane der Kirche auf den für sie bereiteten Bänken Platz. Der Gottesdienst wurde in der vorgeschriebenen Art begangen, und beim Schlusse desselben das heilige Abendmahl nach dem Ritus der Union gefeiert, an welchem der Stadtrath die Commun Repräsentanten und der Schulvorstand Theil nahmen.
Den 26 Juni
Tags darauf wurde der Schuljugend, um ihrem Gedächtnisse das Fest noch besser einzuprägen, auf dem Schießplatze eine angemessene Lustbarkeit veranstaltet. Es wurde Kuchen unter sie verteilt, die Knaben hielten Vogelschießen und die Mädchen andere Spiele. Das schönste Wetter, so wie auch gestern, und stete Musik erheiterten alle Gemüther.
Am 3 Juli
erhängte sich der hiesige Nachtwächter und Bierschröter Krüger in seiner Dienstwohnung am breiten Thore.
1831
Am 6 Juli
fand unter dem Vorsitze des Landraths von Pfannenberg eine Versammlung des Stadtraths und der Communrepräsentanten auf dem Rathhause statt, zur Berathung über die Einführung der neuen Städte Ordnung vom 17ten März 1831.
23 August
Vorläufige Berathungen wegen Errichtung localer Sicherheits Maasregeln zur Verhütung der asiatischen Cholera wurden am 23ten August ...(?)...... gepflogen.
Juli
In der dritten Woche des Monats Juli stürzte der große messingene Kronleuchter in der Stadtkirche herab, und wurde durch diesen Fall bedeutend beschädigt. Es war das Seil an dem er gehangen, von Würmern benagt, zerrissen und dadurch der Fall verursacht.
25 September
In der Nacht vom 25 zum 26 Septbr entstand Feuerlärm im Orte, und brannte ein an die Scheune des Windmüllers Huske angebauter Schuppen ab. Das Feuer wurde durch schnelle Hülfe sogleich gelöscht.
Am 9 und 10ten
Oktober fand auf dem Rathhause nach einer vorhergegangenen darauf bezughabenden Predigt die Wahl der Stadtverordneten und deren Stellvertreter unter Leitung des Landraths von Pfannenberg statt. Es wurden 12 Stadtverordnete und 12 Stellvertreter gewählt. Erstere hatten dann unter sich den Apotheker Freiberg und Kaufmann Tiemann, jenen zum Vorsteher, diesen zum Protokollführer gewählt.
Am 7ten und 8ten
November während des Jahrmarkt wurde wegen der gefährlichen Annäherung der Cholera in den Stadtthoren eine Controlle zur Prüfung der Legitimationen der einpassirenden Fremden angeordnet.
Am 3ten December
wurde von den Stadtverordneten unter Leitung des Landraths von Pfannenberg der neue Magistrat gewählt. Ein Bürgermeister ein besoldeter Assessor und zwei unbesoldete Assessoren. Die Namen der am 9ten und 10ten October gewählten Stadtverordneten und Stellvertreter sind, und zwar a die der Stadtverordneten Apoth. Freyberg, Chirurg Rathmann, Kaufmann Tiemann, Gürtler Kretzschmar, Seifensieder Friedrich Held, Gürtler Auerbach, Schmied Haase, Zimmermeister Holzweißig sen., Gürtler Krause, Instrumentmacher Moritz, Seiler Täubner, Stadtmüller Tremmler . b die der Stellvertreter Goldarbeiter Söllner, Schneider Bier, der Müller Bretschneider, der Bäcker Donath, Lohgerber Elzner, Seifensieder Gelpke, Seifensieder Gottlieb Held, Zimmermeister Holzweißig jun. Böttcher Kuhne, Lohgerber Kunze, Lohgerber Sparwald, Bäcker Zweck.
Zu Ostern
dieses Jahres starb der Gerichtsdirector und Justizcommissarius Irmisch, ein sehr braver, rechtschaffener Mann.
1832
Am 1ten Januar
wurde der von den Stadtverordneten gewählte neue Magistrat bestehend aus 2 besoldeten a und b, und zwei unbesoldeten Mitgliedern c und d vor der zahlreich versammelten Bürgerschaft von dem Herrn Landrathe von Pfannenberg feierlich eingeführt. Die Namen der neuen Magistrats Mitglieder sind, a der Bürgermeister Johann Karl Securius, seit 1817 (Kreissecretär hier, aus Querfurt gebürtig), b der Magistrats Assessor Friedrich August Meißner vorher Raths Assessor aus Delitzsch gebürtig, c der Magistrats Assessor Heinrich Gottfried Teuscher Kaufmann und Acronom aus Delitzsch gebürtig, d Peter Louis Meyner, Buchdruckerherr aus Altenburg gebürtig. In Folge der errichteten Städte Ordnung vom 17ten März 1831 nahm das neue Collegium den Amtstitel Magistrat an. Bei seinem Eintreten fand der neue Magistrat eine Communalschuld von mehr als 20000 Thalern und eine Stadt Kriegsschuld von 7980 Thalern vor. Die aus früherer Zeit noch unberichtigten Anforderungen an die Commune betragen über 3000 Thaler, zu deren theilweisen Deckung in dem ersten halben Jahre 1800 Thaler neu aufgenommen werden mußten. In den ersten Tagen des neuen Jahres wurde eine Collecte zum Holz Ankaufe für die Armen gesammelt, welche 34 Thaler, 2 Silbergroschen, 6 dinarium einbrachte.
Am 13 Januar
wurde in der Spröde für 180 Thaler, 17 Silbergroschen Holz vom diesjährigen Holzschlage in öffentlicher Auction verkauft.
Februar
Die Schulen hiesiger Stadt werden schon seit mehreren Jahren mit Deputatholz geheitzt, und nur in der Vorstadtschule fand die Einrichtung statt, daß jedes Kind den Winter hindurch 3 Silbergroschen 9 Pfennige Holzgeld zur Heitzung der Schulstube an den Lehrer entrichten mußte. Dieses auffallende Mißverhältnis wurde dadurch abgestellt, daß vom künftigen Winter ab der Schullehrer in der Vorstadt Haase eine Geldentschädigung von 14 Thalern jährlich erhält, und dafür die Heitzung der Schulstube selbst besorgt. Zu diesen 14 Thalern giebt die Gemeinde Grünstraße einen Beitrag von 4 Thalern und 10 Thaler werden aus der Communkasse gegeben. Die Schulkinder aber bleiben von den Holzgeldbeiträgen ganz frei.
Im M Mai
wurde die Kirschallee um die Stadt auf 10 Jahre jährlich für 38 Thaler 15 Silbergroschen an den Obsthändler Beyer verpachtet. Die im Jahre 1830 neugebauten beiden Schaafställe machten jetzt schon wieder ein theilweises Umdecken nöthig, weil sehr schlechte Ziegeln dazu genommen worden waren. Es wurde jedoch von der Hand nur die Mitternachtseite des östlichen Schaafstalles mit einem Aufwand von ohngefähr 120 Thalern umgedeckt, und 10000 neue Ziegeln aufgelegt.
Am 4 Juni
brachte eine Benefiz Vorstellung der Bello Tennerschen Schauspieler Gesellschaft der hiesigen Armenkasse die Summe 9 Thaler 5 Silbergroschen ein, nach Abzug aller Kosten.
Am 8 Juni
wurde der Fuhrmann Pernitzsch von hier auf der Straße nach Brehna von einem seiner Pferde, welches er sehr mißhandelte, dergestalt geschlagen, daß er wenige Stunden darauf starb.
Die Umdeckung der Mitternacht Seite des hiesigen Stadtkirchendaches war schon vor einigen Jahren als höchst nöthig beschlossen worden, und Sr. Majestät der König von Preußen hatte dazu 1/3 der Baukosten als Gnadengeschenk bewilliget. Die eben so nöthige Reparatur des Kirchthurmes aber, an welchem die Glocken Etage neu und massiv aufgeführt werden mußte, hatte die Dach Reparatur um einige Jahre hinaus geschoben.
Am 13 Juli
wurde nun mit der Umdeckung der Mitternachtseite des Kirchendaches der Anfang gemacht. Gutes Wetter begünstigte und geschickte Arbeiter – der Zimmermeister Holzweißig jun. von hier und der Schieferdecker Schindler aus Bitterfeld – förderten die Arbeit. Jedoch fielen einige Unglücksfälle dabei vor, denn am 3ten Juli fiel der Zimmerlehrling Friedrich August Falz aus Kertitz, von dem oberen Dachsparrwerke nach innen auf den zweiten Boden herab. Die Beschädigungen, welche er davon trug waren aber nicht lebensgefährlich, und er wurde bald wieder hergestellt. Aber, wo die Arbeit ihrer Vollendung ganz nahe, und nur etwa noch eine Stunde für den Schieferdecker daran zu thun war, stürzte Nachmittags ¼ auf 5 Uhr der Schieferdeckermeister Gottlob Wilhelm Schindler aus Bitterfeld 34 Jahr 1 Monat 11 Tage alt von dem östlichen Giebel des Kirchdaches aus einer Höhe von 100 Fuß auf das Pflaster herab und war auf der Stelle todt; die ganze rechte Seite des Kopfes war auf das furchtbarste zerstört, der Hirnschädel und die Gesichtsknochen in mehr als 60 Stücke zerbrochen. Alle Gehirnhäute waren zerrissen, das rechte Auge zerplatzt, der rechte Unterarm viermal, der linke zweimal gebrochen. Er hinterließ eine Wittwe und 4 unerzogene Kinder in ziemlicher Armuth. Tags darauf wurde er mit einer sehr ansehnlichen Leichenbegleitung begraben. (Vid. No. 30 des beyliegenden Nachrichts Blattes) Das Wenige was der verunglückte Schindler an dem Kirchendache noch unvollendet gelassen hatte, und die Beschädigungen die sein Körper, beim Stürzen, durch das Auffallen, dem Dache über dem Altar Gewölbe zugefügt hatte, wurde einige Tage nachher von dem Schieferdeckergesellen Brandt aus Leipzig ins Werk, und wieder hergestellt. Der Aufwand für die ganze Dachreparatur betrug 1262 Thaler 15 Silbergroschen 1 dinarium, wozu wie schon erwähnt 420 Thaler 25 Silbergroschen Sr. Majestät der König als Gnadengeschenk beitrug, und das übrige der Kirchfahrt zur Last fiel. Die pag 28 zu Anfange erwähnte Kirchenthurm Reparatur hatte 2737 Thaler gekostet. Zu beiden Bauen waren von der Kirchfahrt durch eine Anlage nach dem Klassensteuerfuße 3000 Thaler aufgebracht worden. Im Frühjahr und Herbste war in den beiden Scheungassen am Kohlthore zum besseren Abflusse des Wassers viel Erde abgestochen, und dafür in unseren Auctionen der Betrag 57 Thalern 22 Silbergroschen gelöset worden. Aus der Verpachtung der Pflaumen vor dem Viehthore wurden in diesem Herbste für die Communkasse 77 Thaler gewonnen.
Am 14 October
wurden nach Vorschrift der Städte Ordnung der dritte Theil der Stadtverordneten und der Stellvertreter erneuert. Vier Wochen vorher hatten sich als solche ausgeloset, Moritz, Kretzschmar, Holzweißig und Täubner, so wie die Stellvertreter Donath Kunze und Held. Neu gewählt wurden als Stadtverordnete Moritz Kretzschmar Kuhn und Elzner und als Stellvertreter der Kaufmann Krause, Schmied Zeitz, Schneider Balke, Seifensieder Karl Held, Gürtler Kaufmann Bäcker Hühnel. Es mußten darum sechs Stellvertreter gewählt werden, weil davon zweie Kuhn und Elzner zu Stadtverordneten gewählt worden waren.
1833
Januar
Bei der Holz Auction am 4ten Januar wurden 213 Thaler 16 Silbergroschen gelöset.
Februar
Mehrere Hausbesitzer am Damme an der Pforte hatten sich zur Anschaffung einer Laterne zur Erleuchtung der Straße des Abends vereiniget, und diese war die erste in der Stadt. Eine zweite auf gleiche Weise herbeigeschaffte erschien im Monat Februar auf der Hallischen Gasse da wo die Staubbesengasse in selbige einmündet.
März
Das Pflaster Gleite wurde, versuchsweise, im Halleschen Thore auf 2 ¾ Jahre für 51 Thaler jährlich vom 1ten April ab an den Böttcher Kuhne verpachtet. Mit diesem Pachte war die Erhebung des Thorgeldes beim Oeffnen desselben zur Nachtzeit, so wie die Aufsicht über das Thor ingleichen die Benutzung der Thorwärter Wohnung verbunden.
Mai
Am Himmelfarthstage Nachmittags 3 Uhr hagelte es, die Schloßen waren wie Flintenkugeln groß, thaten aber wenig Schaden, weil Windstille war.
Legat
Die am 20ten December 1832 gestorbene Wittwe Johanna Dorothea Krause, 97 Jahre 18 Tage alt, hatte der hiesigen Stadtkirche in ihrem Testamente ein Legat von 100 Thalern zur Anschaffung von Kirchen Ornaten ausgesetzt, welches im Monate April 1833 gezahlt und, da ein Bedürfnis an Ornaten jetzt nicht vorhanden, einstweilen nutzbar angelegt worden ist.
Juni
Das Einsammeln des Stättegeldes auf hiesigen Wochenmärkten wurde auf 2 Jahre und 7 Monate vom 1ten Juni 1833 bis ulto December 1835 an den Strumpfhändler Graul für 200 Thaler jährlich verpachtet. Eben so war auch die Einsammlung des Stättegeldes an den 3 hiesigen Jahrmärkten auf 3 Jahre, 1833 1834 1835, an den Registrator Richter für 60 Thaler jährlich verpachtet worden.
Vom 14-17 Juni
wurde auf hiesigem Schloßplatze versuchsweise ein Wollmarkt gehalten, welchen mehrere Rittergutsbesitzer aus der Umgebung als Verkäufer besuchten. An Käufern aber fehlte es fast ganz. Zur Aufstellung der Wollen waren von der Königl. Regierung zu Merseburg die Kornböden gegen einen Miethzins überlassen worden.
Juni
Die Brücke rechts vor dem Halleschen Thore neben dem Schloßgraben über den Fluthgraben des Lobers, welche von jeher vom Rentamte unterhalten worden ist, war zu Ende vorigen Jahres so baufällig geworden, daß selbige polizeilich gesperrt werden mußte. Die K. Regierung zu Merseburg verweigerte die Herstellung derselben, und nach mehrfachen Vorstellungen und Berichterstattungen wurde die Herstellung von dem K. Ministerio des Inneren zu Berlin anbefohlen. Die neue hölzerne Brücke wurde im Monat Juni 1833 gebaut.
Am Petri Paul Jahrmarkte
wurden die den Markt besuchenden Juden zum Auslegen ihrer Waren von dem Marktplatze in die Rittergasse verwiesen.
Am 20 Juli
wurde in der hiesigen Kohlgasse das 3jährige Kind des Lohgerbers Nagel von der Eilpost überfahren, und starb gleich darauf.
Im Juli
wurde dem Handarbeiter Noack auf sein Ansuchen das Kehren des Marktplatzes gegen einen jährlichen Zinns von 4 Thalern welcher bald nachher auf 2 Thaler herabgesetzt und vom Jahre 1834 ab ganz erlassen wurde, übertragen.
September
An der steinernen Brücke beim Hospitale welche die Stadt zu erhalten hat, wurde eine sehr wesentliche obschon nicht kostspielige Reparatur vorgenommen. Es wurde der schadhafte Brückenbogen untermauert, und der .................... unter der Brücke gepflastert.
Am 10 Septbr.
starb unser Superintendent M. Friedrich Heinrich Starcke, gebg. zu Luppe in Oschatzer Diöces am 27ten Januar 1760 und inwestiert als Superintendent zu Delitzsch am 16ten October 1809. Seine Beerdigung geschah am 13ten Septbr. 1833 Nachmittags 4 Uhr. Die ganze Knabenschule ging seinem Sarge voran, und nächst den Leidtragenden folgten demselben eine große Anzahl Geistlicher, Schullehrer, der Magistrat, Stadtverordnete, Stellvertreter, Schulvorstand und die Mitglieder der Gesellschaft zur Erholung. Die Schützen Compagnie hatte bei dem Begräbnisse eine Ehrenwache im Breiten Thore und auf dem Gottes Acker aufgestellt.
Windmühlen,
die des Windmüllers Helm vor dem Halleschen Thore und die des Stadtmüllers Trommler, im Rosenthale, wurden zu Ende des vorigen, und zu Anfange dieses Jahres gebaut und die erstere im Februar die letztere im April 1833 in Betrieb gesetzt.
Chaussee
Im Frühjahr 1833 wurde der Bau einer neuen Chaussee von Delitzsch nach Leipzig vom Fiscus unternommen und zu dem Behufe gleichzeitig eine neue Brücke vor dem Kohlthore gebauet. Der Bau ging unter der Leitung des Bau Conducteurs Palldram glücklich und rasch von Statten, und wurde im November 1833 beendiget. Von der Commune wurde innerhalb der Delitzscher Feldmark die Bepflanzung der neuen Chaussee übernommen, und wurden 52 Pappeln und ............... 41 Süßkirschbäume gepflanzt mit einem Aufwande von 114 Reichsmark 15 Silbergroschen 4 Pfennigen.
20ten October
Die Wahl der neuen Stadtverordneten und deren Stellvertreter fand am nach dem Vormittags Gottesdienste statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten Sparwald, Große, Auerbach, Kaufmann, zu Stellvertretern Helling, Krause, Ufer Senior, Kunze. Ausgelooset hatten sich am 6 Septbr., von den im Jahre 1831 gewählten Rathmann Held Auerbach Söllner, und Sparwald Bier Gelbke. Die Einführung der neu gewählten geschah am
24ten October
und die neu gebildete Stadtverordneten Versammlung wählte an dem selben Tage zu ihrem neuen Vorsteher Herrn Kretzschmar und zum Stellvertreter Herrn Moritz, zum Protokollführer Herrn Ziemann und zum Stellvertreter Herrn Auerbach. –
Hospitalgarten
Durch den Hospitalgarten führte seit länger als 100 Jahren ein Weg aus dem Schloßgarten, welcher ursprünglich von der auf dem Schlosse wohnenden Herzogin und nachher von den daselbst wohnenden Beamten benutzt worden war. Am 2ten Octbr 1833 wurde mittels Recresses die Fahrwegs Gerechtigkeit abgelößt; es wurden dafür 20 Thaler gezahlt, und von der K. Regierung zu Merseburg die Zumauerung des in der Schloßgarten Mauer befindlichen Thores übernommen.
Pflaster Gleite
Vom 1ten Januar 1831 ab wurden die beiden Pflaster Gleits Hebestellen am Viehthore und am Kohlthore aufgehoben, weil in Folge der neuerbauten Bitterfeld Delitzscher Chaussee die Erhaltung der Straße durch die genannten beiden Vorstadttheile an den Fiscus mit übergegangen war. Es wird dafür, nämlich für die an den genannten beiden Thoren weggefallenen Pflaster Gleits Erhebung jährlich 200 Thaler Entschädigung vom Fiscus an die Communkasse zu Delitzsch gezahlt.
Am 17ten Decbr.
wurde eine große Linde in der Allee rechts vor dem breiten Thore vom Sturmwind umgeworfen. Sie fiel auf Bachners Haus ohne jedoch vielen Schaden anzurichten.
Am 18 Decbr
gegen Abend war ein noch größerer Sturm als Tags vorher, welcher an den Kirchendächern und den Dächern von mehreren anderen öffentlichen Gebäuden vielen Schaden anrichtete. Auf dem Commungute, der Pachterwohnung gegenüber, wurde ein Thorweg zerbrochen. In dem Communholze wurden zwei alte Fichten eine junge Eiche und einige mäßig starke Kiefern umgeworfen.
1834
Januar
Fahne am breiten Turm wird abgebrochen
In der Neujahrsnacht war wieder ein so heftiger Sturm wie am 18 Dcbr v Js. Er brach die große schöne Fahne vom breiten Thurme ab welche am - 3ten Januar in dem Stadtgraben wieder aufgefunden wurde.
Holz Auction
Die HolzAuction am 10 Januar gab eine Erlöß von 200 Thalern 18 Silbergroschen.
Apel und Brumer ziehen nach Leipzig
In Folge der mit dem neuen Jahre eingetretenen Zollvereinigung mit
Sachsen wendete sich die hiesige Tabaksfabrik Apel und Brumer von hier nach Leipzig. Eine zweite Folge dieser Zollvereinigung war, daß zur Verpachtung der beiden Böden auf dem Rathhause am 15ten Januar sich keine Liebhaber fanden. Vorher hatten Apel und Brumer diese Böden für 25 Thaler gepachtet gehabt.
Neujahrssänger
Die Schüler, welche zum neuen Jahre singen, hatten sich dieses Mal über 65 Thaler ersungen.
Medizin Aufwand für Arme
Für arme Kranke aus hiesiger Stadt wurden auf das vergangene Jahr an Medizin Kosten bezahlt, aus der Armenkasse 48 Thaler 3 Silbergroschen 11 dinarium und 53 Thaler 2 Silbergroschen aus der Hospitalkasse.
Legat
der Wittwe Schmidt von 25 rth. für den Frauen-u.Jungfrauenverein. Die am 24ten Juni 1833 verstorbene Kaufmanns Wittwe Marie Dorothea Schmidt erste Vorsteherin des am 4ten April 1827 gestifteten Frauen und Jungfrauen Vereins, hatte diesem Vereine durch mündliche Anordnung ein Legat von 25 Thalern ausgesetzt, und dadurch die bei ihrem Leben gegebene Zusage erfüllt, daß ihr Beitrag von 1 Thaler jährlich auch nach ihrem Tode fort entrichtet werden solle.
Februar
Reparatur am Halleschen Thurme
Eine im Monat Februar vorgenommene Reparatur am Dache des Halleschen Thurmes kostete 29 Thaler 25 Silbergroschen. In demselben Monate wurden statt der bisherigen Ziegeldächer über der Bibliothek und der Baukammer an der zwei neue Schieferdächer an der Kirche Stadtkirche Schieferdächer aufgelegt, weil die Ziegeldächer gar zu oft vom Sturmwinde beschädiget wurden, und dadurch häufige und kostspielige Reparaturen verursacht wurden. Diese beiden Schieferdächer kosteten 275 Thaler 10 Silbergroschen und ist dieser Aufwand aus der Kirche bezahlt worden. Die Stürme vom 17ten, 18ten und 31ten Decbr v Js hatten zu dieser Umänderung die nächste Veranlassung gegeben.
Collecte für die Gottes Acker Kirche
Die Beschädigungen, welche dieselben Stürme dem Dache der Gottes Acker Kirche zugefügt hatten, sind durch den Ertrag einer in der Stadt und den eingepfarrten Dörfern veranstalteten Collecte, deren Ertrag 63 Thaler 27 Silbergroschen 6 dinarium gewesen ist, wieder repariert worden.
März Schmidts Tabaks Fabrik
An die Stelle der Apel und Brumerschen Tabaksfabrik, welche zu Anfang dieses Jahres nach Leipzig verlegt worden war, wurde im Monate März in demselben Locale eine neue dergleichen von Heinrich Schmidt aus Leipzig errichtet, und wurden auch an denselben die Rathhausböden wieder auf 3 Jahre zu 25 Thaler jährlich vermiethet.
Schloßgraben Verkauf
Im vorigen Jahre war der dem Fiscus gehörige Schloßgraben öffentlich und meistbietend verkauft worden. Das erste Drittheil neben dem Hospitalgarten hatte der Maurermeister Mein, die beiden anderen Drittheile nebst dem Schloßzwinger die Wittwe Schönherr erstanden. Der erstere verwandelte seinen Graben durch Ausfüllung in eine Wiese. Beide bepflanzten sie den äußeren Grabenrand mit Süßkirschbäumen.
Hospital Garten
Im Hospitalgarten war zu Ende des vorigen und zu Anfange dieses Jahres ebenfalls viel gearbeitet, und der ganze Garten mit Obstbäumen bepflanzt worden. Die Anhöhe in diesem Garten an der Schloßgarten Mauer entlang aber ist auf 18 Jahre an den Tuchfabrikanten August Schmidt um 4 Thaler jährlich verpachtet worden, um solchen als Weinberg einzurichten. Nach Ablauf der Pachtzeit wird der angelegte Weinberg mit sämmtlichen Zubehör Eingenthum des Hospitals.
April Pflaster Gleite im breiten Thore verpachtet
Mit der Pflaster Gleits Einnahme im breiten Thore wurde der Versuch gemacht, selbige zu verpachten. Die erste Pachtung umfaßte den Zeitraum vom 1ten April 1834 bis ulto Decbr 1835 und das Pachtgebot war 288 Thaler jährlich, welches jedoch auf Ansuchen des Pachters Strumpfhändler Graul einige Monate nachher auf 250 Thaler herabgesetzt wurde.
Feuerwächter
Die nächtliche Feuerwache in der Stadt, welche bisher von den Bürgern der Reihe nach verrichtet wurde, erlitt gleichzeitig eine Veränderung, indem zwei besonders aus der Communkasse besoldete Lohnwächter angenommen wurden, von denen der eine vor, der andere nach Mitternacht wachet.
Schleußen am Gerberplan und Heiligbrunnen
Die Schleuße am Gerbergraben über welche der Weg nach dem Schießplatze führt, wurde mit einem Aufwand von ohngefähr 25 Thalern ganz neu gebauet. Auch wurde auf der Promenade nach dem Heilig Brunnen, statt einer Brücke welche Behufs des Wasser Abzuges sich dort befand eine Pfosten Schleuße angelegt.
Mai Nachtwächterhaus Am Kohlthore verkauft
Das der Commune gehörige Nachtwächter und Schlagzieherhaus am Kohlthore wurde am 7ten Mai für 253 Thaler an den Kattun-fabrikanten Seidel öffentlich versteigert. Dieser trat es noch vor der Übergabe an den Gürtler Auerbach ab, welcher es einige Monate darauf wieder an den Drechsler Petsche verkauft hat.
Am 30ten Mai erhängte sich im hiesigen Polizei Gefängnis der Windmüller Guritz aus Wellaune, welcher verdächtig war, seine Windmühle angezündet zu haben, und deshalb in Arrest gebracht worden war.
Juni Nuhahn
Am 27 Juni hatte sich der Schumacher Nuhahn, seit vielen Jahren krank, in seiner Wohnung mit dem Barbiermesser die Kehle abgeschnitten.
Forsthausverpachtung
Die Schenk- und Feldwirtschaft auf dem Commun Forsthause an der Spröda wurde auf 6 Jahre von Michael 1834 bis dahin 1840 an den pensionierten Förster des Ritterguts Beerendorf, Kohlmann, für 117 Thaler jährlich verpachtet. Der Communförster Pabst hatte nämlich mit Erlaubniß des Magistrats den Beerendorfer Försterdienst mit übernommen, und bezog in dessen Folge das Beerendorfer Forsthaus.
Die Verpachtung der Pflaumenplantage am Viehthore gab in diesem Jahre einen Ertrag von 71 Thalern 15 Silbergroschen.
Juli Großschopfs Tod
Am 29 Juli starb der seit 1819 mit 100 Thalern jährlich pensionierte Bürgermeister Großschopf in seinem 78ten Lebensjahre.
August Schiedsmanns Wahl
Am 3ten August nach beendigtem Vormittags Gottesdienste wurde auf dem Rathhause die Wahl der drei Candidaten zum Schiedsmanns Amte vorgenommen. Es wurden gewählt der Kaufmann Christian Friedrich Schmidt, der Kaufmann Tiemann und der Apotheker Freyberg. Von der Stadtverordneten Versammlung ist am 8 August der letztere zum Schiedsmann gewählt worden.
Pflasterung des Steinweges
Die völlig neue Pflasterung des Steinweges, welche im Monate Mai begonnen hatte, wurde im August beendiget und kostete gegen 250 Thaler.
Tertius Wohnung
Die für den Tertius Lorenz bestimmte neue Wohnung, die frühere Cantor Wohnung, war im Laufe dieses Schuljahres und Sommers völlig ausgebauet und am 20ten Septbr dem Tertius Lorenz übergeben worden. Der Ausbau kostete ohngefähr 330 Thaler.
Stadtverordneten- Wahl
neugewählten Stadtverordneten wurden am 22 Octbr von dem Magistrate in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt. Von den letzteren wurde hier auch der Chirurgus Große zum Vorsteher, Auerbach zu dessen Stellvertreter, der Kaufmann Krause zum Protokollführer, und Elzner zu dessen Stellvertreter gewählt.
Orgel Reparatur
Eine sehr bedeutende Reparatur der Orgel in hiesiger Stadtkirche, welche das Herausnehmen aller Pfeifen, Reinigung derselben, neue Belederung der Bälge und dgl. nöthig machte, und einen Aufwand von 113 Thalern 12 Silbergroschen 6 dinarium verursachte, wurde, weil aus dem Kirchen Vermögen nichts dazu gegeben werden konnte, mit Hülfe einer Collecte in der Stadt und den eingepfarrten Dörfern ausgeführt. Die Collecte betrug 107 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium und für einen alten Violen waren 6 Thaler gelöset worden. Bei dieser Orgelreparatur wurde auch der hinter der Orgel befindlich gewesene Zugang zur Bälgekammer zugemauert, und für den Calkanten die Thür über der Treppe rechts neben der Orgel durchgebrochen.
Wahl neuer Magistrats Assessoren
Die beiden unbesoldeten Magistrats Assessoren Tauscher und Mayner hatten bei der K.H. Regierung zu Merseburg nachgesucht mit Ablaufe dieses Jahres ihres Amtes entlassen zu werden, in dem sie dann dasselbe jeder 3 Jahre hindurch verwaltet hätten. Die K. H. Regierung hatte diesen Gesuchen statt gegeben, und auf deren Anordnung wurde von den Stadtverordneten zur Wahl von 2 neuen Assessoren geschritten. Es wurden gewählt der Justizcommissär Helling und der Kreisphysicus Dr. Ettmüller. Die Wahl des letzteren wurde aber von der Regierung nicht genehmigt, und es wurde dann der Seifensieder Kringer gewählt. Die Verpflichtung der beiden neuen Assessoren blieb für den 1. Januar 1835 ausgesetzt.
November Ehrenbürgerrecht an Dr. Ettmüller
Dem Kreisphysicus Dr. Ettmüller wurde auf Antrag der Stadtverordneten Versammlung unterm 17ten Novbr. 1834 von dem Magistrate das Ehrenbürgerrecht ertheilt, und der Bürgerbrief ihm von einer Deputation der Stadtverordneten eingehändiget.
December
Am 12ten December ertrank in dem Stadtgraben an der Pfortenbrücke an Weidenhammers Zwinger ein Pferd des Bauers Fiedler aus Klitzschmar, durch die Ungeschicklichkeit des Knechtes. Am Schlusse des Jahres befanden sich in dem Armenhause mit Einschluß der Kinder 28 Personen. Die Zahl der Hospitalbewohner betrug 29.
Garküchen Verpachtung
Mit dem letzten December 1834 hatte die bisherige Verpachtung des Rathskellers und der Garküche ihre Endschaft erreicht. Die neue Verpachtung auf 6 Jahre vom 1. Januar 1835 ab war in Folge Meistgebots an den bisherigen Schießhaus Pachter in Bitterfeld Getzolt für 57 Thaler jährliches Pachtgeld überlassen worden und gegen Bestellung einer dem doppelten Betrage des Pachtgeldes gleichen Caution, welche mit 3 Prozent verzinset wird. Das vorherige Pachtgeld betrug nur 30 Thaler 15 Silbergroschen jährlich.
Ordnung auf dem Gottesacker
Um die Ordnung beim Begraben der Todten auf dem Gottesacker zu befördern, wurden im September 1834 sämmtliche auf dem Gottesacker befindliche Gräber aufgezeichnet, und die Todtengräber mit einem neuen Begräbnißbuche versehen, in welches sie vom ersten Januar 1835 ab alle Beerdigungen genau eintragen und allmonatlich dieses Buch auf dem Rathhause vorzeigen sollen, damit die neuen Gräber in den Grundrissen nachgetragen werden können.
1835
Januar
Verpflichtung neuer Assessoren
Am 1ten Januar nach beendigtem Vormittags Gottesdienste wurde die feierliche Einführung und Verpflichtung der beiden neuen Magistrats Assessoren des Justiz Commissärs Ernst Gustav Helling aus Wittenberg gebürtig und des Seifensieders August Ferdinand Krieger aus Delitzsch gebürtig, und die Entlassung der beiden bisherigen Assessoren Tauscher und Meyner, auf dem Rathhause von dem Bürgermeister Securius vorgenommen, welcher dazu von dem Hl. Landrathe von Pfannenberg beauftragt worden war, und dazu die Subalteren des Magistrats die Innungs Obermeister sowie die gesammte Bürgerschaft theils schriftlich theils durch Bekanntmachung im Nachrichtsblatte eingeladen hatte.
Fahne auf dem Thurm am breiten Thore aufgesetzt abgenommen und wieder aufgesetzt
Die in der Neujahrsnacht 1834 vom Sturmwinde herabgeworfene Fahne des Thurmes am breiten Thore, war am 21. April 1834 mit einer starken eisernen Spindel versehen wieder aufgesetzt, und war statt der früher über derselben befindlich gewesenen Kurschwerter ein preußischer Adler angebracht worden. Im Laufe des Sommers 1834 hatte man oft bemerkt, daß die Fahne sehr schwanke, und es war bei heftigem Sturme ein abermaliges Abbrechen derselben zu fürchten. Um dem vorzubeugen, wurden im October und November 1834 die nöthigen Untersuchungen angestellt, und gefunden, daß die hölzerne Spindel, auf welcher die eiserne eingeschraubt ist, zu schwach sey. Zu Ende November 1834 wurde daher die Fahne wieder abgenommen, eine neue hölzerne Spindel auf den Thurm gebracht, diese noch mit 4 Streben befestiget, und statt des Adlers, von dem man glaubte, daß er die Schwankungen der Fahne befördert haben könne, ein eisernes Kreutz über derselben angebracht. Am 26ten Januar 1835 wurde nun diese neue Fahne wieder aufgesetzt. Der Stadtverordnete Gesell hat das Kreutz an den äußeren Rändern unentgeldlich vergoldet.
Russische Feueresse brennt
Am 16 Januar gerieth in dem Wohnhause des Maurermeisters Rose am Halleschen Thore eine russische Feuer Esse in Brand. Es entstand sofort Feuerlärm, aber glücklicher Weise wurde der Brand bald gedämpft.
Den hiesigen Stadt Nachtwächtern wurde vom 1ten Januar ab die Bewachung des köngl. Schlosses mit übertragen, wofür sie aus der Rentamtskasse bezahlt werden.
Die Neujahrssänger
hatten sich diesesmal 66 Thaler ersungen. In Folge höherer Anordnung wird von diesem Jahre an, von den in der Stadt wohnenden Hausgenossen kein Schutzgeld mehr erhoben.
Am 10ten Februar
wurde auf dem diesjährigen Holzschlage in der Spröde Holz Auction gehalten, und dabei die Summe von 246 Thalern 22 Silbergroschen gelöset.
Am 28ten Februar
wurde ein alter Mann Namens Ziegengeiß in der Schloßgasse auf offener Straße vom Schlage gerührt und blieb todt.
Am 8ten März Päßler Schiedsmann
nach beendigtem Vormittags Gottesdienste war die Bürgerschaft zur Wahl von 3 neuen Schiedsmanns Amts Candidaten auf dem Rathhause versammelt, weil die am 3ten August 1834 gewählten das Amt nicht angenommen hatten. Es wurden gewählt der Post Commissarius Päßler der Gürtlermeister Kretzschmer und der Bürgermeister Securius. Von diesen Candidaten hat die Stadtverordneten Versammlung den zuerst genannten zum Schiedsmann gewählt, welcher die Wahl angenommen und höhere Bestätigung erhalten hat. Für Logis Aufwand bekommt der PC Päßler eine jährliche Entschädigung von 6 Thalern aus der Communkasse ausgezahlt.
Der Maurermeister Meie bauet auf der Wehlteschen Wüstung ein neues Haus, jedoch nur halb so groß als die Baustelle es gestattet.
April
Um zu verhüten, daß die vor 5 Jahren neu angelegte Promenade vor der Pforte an der Stadtmühle nicht als Fahrweg gemißbraucht werde, sind quer über derselben drei Stempel eingesetzt worden.
Am 22ten April Ankunft des Superintendenten
Mittags ist unser neuer Superintendent der Divisions Prediger Rudel aus Breslau mit seiner Familie hier eingetroffen. Die Vocation für denselben wird auf Anordnung der Königl. Regierung zu Merseburg von dem Landrathe und dem Magistrate gemeinschaftlich ausgestellt werden, früher wurde solche von dem vormaligen Justizamte und dem Magistrate ausgefertiget.
Am 10ten Mai
hielt derselbe seine Antritts Predigt. Er wurde von den beiden Diaconen dem Magistrate und den Stadtverordneten früh zur Kirche abgeholt und bis an die Sakristei begleitet. Mittags war ein Festmahl in Schmidts Kaffeegarten veranstaltet, welches eine ziemlich zahlreiche Theilnahme fand. Mit Beziehung auf seinen Amts Antritte hatte der Sup. Rudel dem Magistrate 5 Thaler zur Vertheilung unter die Armen übersendet, welche Vertheilung, an 30 Arme, ebenfalls den 10ten Mai erfolgte.
Juni
Auf die Wiederherstellung der Dächer im Kommungute wurden mehr als 100 Thaler gewendet. Die Reparaturen in der Superintendentur Wohnung haben ohngefähr 150 Thaler gekostet.
Am 4ten Juli
Nachmittags gegen 5 Uhr schlug der Blitz in das Gartenhaus des Assessors Teuscher am halleschen Thore, ohne zu zünden. Die Zerstörungen welche der Blitz darin angerichtet hatte, waren merkwürdig. Von 32 Fensterscheiben in der Stube waren nur 2 ganz geblieben. Der Spiegel war zerschmettert, die Decke durchgeschlagen, der Berapp.................... theilweise von den Wänden losgerissen, Thür und Fenster Verkleidungen zum Theil zersplittert, einige Fensterrahmen aus ihren Fugen gedrängt, einer auf einen nahen Birnbaum geworfen, und am 25ten Juli unter dem Fenster wo der Blitz wieder heraus gegangen war, war eine Säule zerschmettert. Nachdem der Schock, den dieses Einschlagen verursacht hatte, vorüber war, kam die Nachricht, daß vor dem halleschen Thore eine Frau vom Blitz erschlagen worden sey, und tod an der Straße liege. Die Todte war die Ehefrau des Zimmergesellen Holzweißig, eine schwache und oft kranke Person. Der Blitz hatte sie nicht getödtet, denn es wurden keine Spuren davon an ihrem Körper wahrgenommen. Sie war auf dem Felde gewesen, hatte wahrscheinlich wegen des herannahenden Gewitters geeilt um nach Hause zu kommen, hatte sich dabei erhitzt, war vom Regen durchnäßt, und vom Schlage getroffen worden.Ein großes Unglück wurde am 25ten Juli früh durch Gottes Gnade von uns abgewandt. Es war nämlich in dem Hause des Bäckermeisters Hühnel auf dem Steinwege früh nach 3 Uhr Feuer entstanden. Sämtliche Hausgenossen hatten bis dahin fest geschlafen und waren erst durch das Getöse welches das brennende Feuer machte, aufgeweckt worden. Durch die schleunigste Hülfe gelang es das Feuer zu ersticken. Wenn es zum Ausbruche kam, so konnten von den leichten Häusern der Vorstadt mehrere verloren gehen.
Die diesjährige Verpachtung des Obstes auf der Pflaumen Plantage am Viehthore gab einen Ertrag von 112 Thalern.
Am 21. Juli
hielten die hiesigen Feldbesitzer eine Versammlung in welcher sie sich zur Annahme von 4 Feldhütern vereinigten um die Felddiebstähle zu verhüten. Jeder Feldhüter bekommt täglich 7 Silbergroschen 6 Pfennige Lohn.
Der Postsecretär Göttling ließ einen kleinen Wagen bauen mittelst welchem in einem darauf befestigten Fasse alle Morgen frisches Heiligbrunnenwasser zur Stadt gebracht wird. Er hat dieses Fuhrwerk dem armen Tagelöhner Schumachermeister Dietrich überlassen, damit dieser durch das Wasserholen sich etwas verdienen soll.
Am 18ten August
wurde die anderweite Verpachtung des Commungutes und der Lehdenfelder welche beide zu Johanni 1836 pachtlos werden, vorgenommen, und zwar auf doppelte Weise einzeln und zusammen. Die Meistgebote waren für beide zusammen 2265 Thaler, für das Commungut allein 1500 Thaler und für die Lehdenfelder allein 400 Thaler. Bisher hatten jenes 1800 Thaler dieses 590 Thaler Pacht gegeben. Die beiden bisherigen Pachter Küster von dem Commungute, und Schmidt von den Lehdenfeldern hatten das Gebot der 2265 Thaler gleichzeitig gethan, und es wurde von beiden der Küster als neuer Pachter ausgewählt, in einer späteren Verhandlung vom 25ten August.
Der Sommer
war ungewöhnlich warm und trocken. In den Mittagsstunden in der Sonne gewöhnlich 30 bis 33 ° Wärme, im Schatten 23 °, in den Stuben nach Mitternacht 17 bis 18 ° Wärme. Gewitter gab es gar nicht, mit Ausnahme des am 4ten Juli erwähnten. Selbst zu Herbstes Anfang am 23ten September hatten wir noch 30 ° Wärme. Man wollte diese Witterung mit der Erscheinung des Halleyschen Kometen in Verbindung bringen, welcher im Monat October in mattem Glanze erschien. S. d. Beilage.
Die diesmalige Erscheinung des nach Halley, Professor der Astronomie zu Greenwich, benannten Kometen war keineswegs so glänzend, wie nach älteren Berichten seine letzte zu Anfang des Jahres 1759, was darin seinen Grund hat, daß er diesmal lange vor seinem Durchgange durch das Perihelium (Sonnennähe) unserer Erde am nächsten kam; am 12ten October 1835 war er nämlich von dieser nur noch vier Millionen geographische Meilen entfernt, und erst am 16ten November ging er durch das Perihelium. Sein Schweif war ohngefähr vier Millionen Meilen lang, aber schmal und matt. Zu bemerken ist noch, daß dieser Komet diesmal nicht unter den Sternen des großen Bär, wie nach der Angabe in Doppelmayers Sternkarten bey seiner Erscheinung im Jahre 1682, sondern über denselben weggieng. Seine Umlaufzeit beträgt nach Halleys übereinstimmender Berechnung 76 Jahre; er wird also im Jahr 1911 wieder kehren, wo ihn dereinst unsere Nachkommen erblicken werden. – Die Beobachtung der Astronomen, daß der Schweif eines Kometen, wenn derselbe nach seinem Durchgange durch das Perihelium unserer Erde am nächsten kommt, am glänzendsten ist, hat sich auch bey der Erscheinung des Donatischen Komenten im Herbst 1858 bestätigt.
Den 4ten November 1858 Dr. I.
Im October
hat der Kaufmann Mullertt eine neue Ausschnitt- und Modewarenhandlung etabliert.
Der evangelische Bischof
der Provinz Sachsen Dr. Dräsecke aus Magdeburg war in den Tagen vom 16ten bis mit 22ten in unserer Stadt gegenwärtig, und hielt am 18ten Octbr Kirchen Visitation, und am 21ten Octbr die Einführung des Superintendenten Rudel in die Diöces. An beiden Tagen hielt der Bischof sehr gehaltvolle Reden, welche alle Herzen ergriffen. Die Kirche war jedesmal zum Erdrücken voll, jedoch fiel nicht die geringste Störung dabei vor. Namentlich waren auch viele Fremde ins besondere aus Leipzig dabei gegenwärtig. Zu dem gewöhnlichen Sonntags Gottesdienste am 18ten Octbr trat Nachmittags um 4 Uhr noch ein außergewöhnlicher Gottesdienst hinzu, in welchem der Superintendent Rudel mit dem zu Ostern d. Jh. confirmirten Kindern katechisirte. Behufs der Einführung des Superintendenten hatten sich am 21ten früh sämmtliche Geistliche und Schullehrer aus der Diöces auf der Superintendentur versammelt, und zogen, den Superintendenten an ihrer Spitze gegen 8 Uhr früh unter dem Geläute aller Glocken von dort ausdie hallesche Gasse herunter bei dem Rathhause vorbei nach der Wohnung des Bischofs um diesen abzuholen. Am Rathhause schlossen sich der Magistrat die Stadtverordneten und der Schulvorstand auf beiden Seiten dem Zuge an, und vom Balkon des Rathhauses herab ertönte eine Choralmusik. Vor der Wohnung des Bischofs – in den 3 Schwanen – hatten sich gleichzeitig 15 junge Mädchen weiß gekleidet mit Blumenkörben versehen aufgestellt. Als der Bischof aus seiner Wohnung herab gekommen war, und seinen Platz eingenommen hatte, traten diese dem Zuge welcher sich nun langsam nach der Kirche hin bewegte voran, bestreuten den Weg mit Blumen bis vor den Altar, und stellten sich dann zu beiden Seiten des Altars auf. Nach beendigtem Gottesdienste ging der Zug in derselben Ordnung wieder aus der Kirche heraus, über den Markt hinweg, die hallesche Gasse hinaus, bis an die Superintendentur, woselbst unter Vorsitz des Bischofs Synode gehalten wurde. Mittags fand ein Festmahl in Schmidts Kaffeegarten statt, welches der Bischof ebenfalls mit seiner Gegenwart beehrte. Die Gesellschaft zur Erholung hatte Tags vorher dem Bischof zu Ehren in dem Gasthofe zur goldenen Weintraube ein Mittagsmahl veranstaltet, zu welchem der Saal auf orientalische Weise sehr geschmackvoll verziert war.
Schwamm in der Knabenschule
In die beiden parterre gelegenen Klassen der neuen Knabenschule – eingeweihet am 2ten Juli 1827 – war der Schwamm gekommen. Es war daher nöthig die Dielen aus beiden Klassen heraus zu nehmen sowie auch die Thürgerüste, die Ausfülle heraus zu schaffen und neue trockene Fülle hinein zu bringen, die Wände, in so weit sie vom Schwamm ergriffen waren zu reinigen, die Fugen zwischen den Steinen auszuputzen. Die neuen Dielen wurden an der Wand entlang mit Zink beschlagen die Lager die unter Seite der Dielen und die Wände in so weit nöthig mit Steinkohlen Theer bestrichen auch die Lagen selbst mit Bäckerkohlen umgeben. Kurz es wurde alles angewendet um den Wiederentstehen dieses Übels vorzubeugen. Der Bau wurde in dem Monate Juli begonnen und währte bis zu Ende August. Er kostete 240 bis 250 Thaler. Die Oefen in den beiden unteren Klassen wurde mehr in die Mitte derselben gebracht und statt der Communientions(?) Flügelthür zwischen beiden Klassen wurde eine einfache Thür angebracht.
Juli
In dem Monate Juli wurde mit Einrichtung einer zweiten Mädchen Schulklasse und Wohnung für einen zweiten Mädchenlehrer vorgeschritten. Es wurde dazu die vormalige Tertius Wohnung bestimmt, und der ganze untere Raum derselben zur Klasse, der obere theilweise zur Wohnung benutzt. Die Maurer Arbeit wurde für 594 Thaler an den Maurermeister Meie die Zimmer Arbeit an den Zimmermeister Krause für 200 Thaler verdungen.
Land- und Stadt- Gerichtsbau
Der Magistrat hatte sich schon seit 2 Jahren, durch Berichts Erstattungen an die höheren Behörden bemüht, der Stadt ein größeres Gericht zu verschaffen, um dadurch etwas mehr Verkehr in die Stadt zu bringen. Mittelß Cabinets Order dedato Töplitz den 10ten Juli 1835 hatte nun Sr. Majestät der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. genehmigt, daß in Delitzsch ein Land- und Stadtgericht eingerichtet werden solle, hatte auch dazu die Verwendung einer Summe von 1149 Thalern 28 Silbergroschen bewilliget. Zu dieser Summe kamen noch 700 Thaler welche die Stadt aus eigenen Mitteln beizutragen sich erboten hatte. Die Einrichtung des Gerichtslocals geschah, in Folge des Anerbietens Seiten der Stadt, auf dem Rathhause und wurde dazu die untere Etage und ein Theil der oberen verwendet. Es wurde dadurch der sehr geräumige Rathhaussaal um 1/3 kleiner, und verlor in der Front 2 Fenster. Der Bau zu dieser Einrichtung geschah unter der Leitung des Bau Inspectors Flachmann und begann mit dem letzten Tage des Monats August 1835. Die trockene und anhaltend warme Herbstwitterung war dem Baue sehr günstig, was um so erwünschter war, da das neue Gericht schon mit dem Jahre 1836 in Wirksamkeit treten sollte. In Folge dieses Baues wurde die bisherige Wachstube im Rathhause zur Kassenstube eingerichtet; eine Thür nach dem daneben befindlichen feuerfesten Gewölbe durch die Mauer gebrochen, um dieses letztere als Depositorium für das neue Gericht zu benutzen; eine neue Wachstube unmittelbar am Haupt Eingange zum Rathhause links, eingebauet. Außer der Kassenstube und dem deposital Gewölbe wurden in der unteren Etage des Rathhauses noch 6 Zimmer, und in der oberen zwei Zimmer für das neue Gericht eingerichtet. Auch wurden die Treppen Verschläge unter beiden Treppen zur Benutzung der verschlossenen Räume für die Commun angelegt.
Volbedings Abgang von Delitzsch nach Herzberg
Der Diaconus und Katechismus Prediger Volbeding welcher am 28ten September 1817 seine Anzugspredigt gehalten hatte, hielt am 25 ten Octbr. 1835 seine Abschieds Predigt, indem er von hier als Superintendent nach Herzberg versetzt wurde, und reisete gleich nach beendigtem Gottesdienste ab. In der Gesellschaft zur Erholung war ihm zu Ehren am 23ten Octbr. ein Abendessen veranstaltet worden.
Kirschallee an der Eilenburger Straße
An der Poststraße nach Eilenburg wurde im Frühlinge 1835 eine Allee von Sauerkirschbäumen auf Kosten der Commune angelegt. Es wurden 360 junge Bäume mit einem Kosten Aufwande von ohngefähr gepflanzt.
1836
Einführung des Land und Stadt- Gerichts
Am 2ten Januar wurde das neue Land- und Stadtgericht in seine Wirksamkeit eingeführt. Das Gericht bestehet aus einem Director, 4 Assessoren, von denen der eine in Zörbig, der andere in Bitterfeld auf Gerichts Commission bleibt, 2 Secretären, 1 Rendanten, 1 Canzellisten und Controlleur 3 Boten und einigen Lohnschreibern. Den Bezirk des Gerichts bilden die vormaligen Gerichts Aemter Delitzsch Landsberg Brehna Zörbig Bitterfeld. Die Einführung und Vereidung des Gerichts Personals – Director Müller, Assessoren Sornau Koch Vöckel und Penseler – wurde von dem Kreis Justizrath Schröner aus Halle vorgenommen. Außer der dazu erbetenen Gegenwart zweier Magistrats Deputirten und der Anwesenheit sämmtlicher Subalteren des Gerichts fanden keine weiteren Feierlichkeiten dabei statt.
Verpachtung des Pflastergeleites Stättegeldes und des Wagegeldes
Mit Anfange dieses Jahres treten folgende von der Commune geschehenen Verpachtungen in Wirksamkeit. Es ist nämlich verpachtet worden die Einnahme des Pflastergeldes in den beiden Thoren für 240 Thaler jährlich, auf 3 Jahre, die Einnahme des Stättegeldes an Wochenmärkten für 170 Thaler jährlich auf 3 Jahre, die Einnahme des Stättegeldes an Jahrmärkten für 70 Thaler jährlich auf 3 Jahre und die Waagegeld Einnahme für 16 Thaler jährlich auf 6 Jahre. Zur Unterstützung der Armen mit Holz war eine Collecte veranstaltet worden, welche 28 Thaler 15 Silbergroschen und 1 Fuder Holz eingetragen hatte.
Meusels, Diac. Einzug
An die Stelle des am 25 Octbr. v. Js. Von hier abgegangenen Volbeding war der bisherige Pastor zu Werbelin und Brodau Julius Meusel zum Diaconus und Katechismus Prediger gewählt worden. Am 27 Januar zog derselbe bei uns ein. Er wurde mit 4 Extrapostpferden eingeholt. Sämmtliche Stadtverordneten waren ihm in drei Kutschen bis an die Grenze des Stadtgebietes entgegen gefahren woselbst ihn der Stadtverordneten Vorsteher mit einer kurzen Anrede im Namen der Bürger und sämmtlicher Einwohner begrüßte und ein Gedicht überreichte. An seiner mit Blumen Guirlanden verzierten Wohnung hatten sich sechs weißgekleidete Mädchen aufgestellt, die ihm Blumen streueten, und eine derselben sprach ein kleines Gedicht. Hierauf sangen die Cantorei und die Chorsänger welche sich in seiner Wohnung versammelt hatten, eine Motette und einen Choral. Sämmtliche zu seinem Umzuge erforderlichen Gespanne waren aus Liebe zu ihm unentgeldlich gestellt worden von den hiesigen Einwohnern.
Stadtverordneten Wahl v.J.1835
Nachzuholen vom vorigen Jahre ist die Stadtverordneten Wahl. Sie hat am 18ten Octbr 1835 nach beendigten Vormittags Gottesdienste stattgefunden. Der Superintendent Rudel und der Bischoff Dr. Dräsecke hatten beide in ihren Kanzel Vorträgen auf die gesetzlich feierliche Wahl Bezug genommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Zinngießer Preil der Gastwirth Fröhlich der Buchbinder Krause, und der Lohgerber Heinze, zu Stellvertretern der Brauer Gürth der Färber Melzer der Fleischer Pörschmann und der Beutler Karl Teubner. Die neu gewählten Stadtverordneten wurden am 23ten October von dem Magistrate in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt, und von der letzteren wurde der Chirurgus Große zum Vorsteher der Drechsler Ufer zum Stellvertreter, der Zinngießer Preil zum Protocollführer und der Buchbinder Krause zum Stellvertreter gewählt.
Am 7 Februar Meusels, Diaconus Antritts Predigt
Vormittags hielt der Diac. u Katechismusprediger Meusel seine Antrittspredigt, nachdem er zuvor von dem Superintendenten Rudel unter Assistenz des Archidiaconus M. Morgenstern und des Pastors Eger aus Döbernitz durch eine am Altare gehaltene Rede in sein Amt eingewiesen worden war.
Monate März
Von den Pferde haltenden Bürgern wurden in dem u flgd. zur Ausbesserung der Promenaden um die Stadt von den Pferde haltenden Bürgern eine bedeutende Anzahl Sandfuhren unentgeldlich geleistet.
Im April
wurden an der Spittelbrücke 29 Stück, und an der Schaafbrücke 68 Stück junge Pappeln gepflanzt. Der Weg nach Gertitz von dem halleschen Thore welcher früher vom Fiscus unterhalten wurde, dessen Erhaltung aber vor 2 Jahren der Stadt widerrechtlich aufgebürdet wurde und welcher seit vielen Jahren bei nassen Wetter gar nicht zu passieren war, wurde in diesem Frühjahre auf Kosten der Stadt in eine gute und feste Straße verwandelt, und auf beiden Seiten mit Sauerkirschbäumen bepflanzt.
Dem Seifensieder Dörfel in der halleschen Gasse und dem Drechsler Ufer an der Ecke der Schulgasse wurden von dem Magistrate Gastnahrungs Concessionen ertheilt. Jener hat die Firma zum goldenen Stern, dieser die zur Stadt Berlin.
Am 9ten Mai
starb der Königl. Bau Inspector Flachmann 57 Jahre alt. Zur interimistischen Verwaltung von seiner Stelle wurde der Bau Conducteur Wallbaum anhergesendet.
An die Dübener wurden 153 Stück neue Kirschbäume angepflanzt. Überhaupt waren in diesem Frühjahre 412 Kirschbäume in den Pflanzungen um die Stadt angepflanzt worden.
Am 22 Juni
hielt Sr. Königl. Hoheit Prinz Karl von Preußen Revüe über die hiesige Landwehr, und gab nach dessen Beendigung in dem Gasthofe zum weißen Rosse ein Sojeuner........................ zu welchem mehrere Beamte, auch der Bürgermeister gezogen wurden.
Am 21 Juli
wurden die diesjährigen Pflaumen auf dem Anger vor dem Viehthoor für 117 Thaler verpachtet. Zu Anfange Juli wurde der Bau der zweiten Mädchenklasse und der Wohnung für den zweiten Mädchenlehrer vollendet, und wurden beide Räume einstweilen dem schon vorhandenen Mädchenlehrer überwiesen, um dessen Wohnung und dessen Klasse ebenfalls in gehörigen Stand setzen und die nöthigen Veränderungen damit vornehmen zu können.
Am 9ten August
hat sich der Soldat Wilhelm Dietze aus Tiefensee vom Füsselier Bataillon des 32ten Infanterie Regiments in einer Kirschhütte in der Nähe des Forsthauses an der Dübener Straße erschossen.
24ten Septbr
früh gegen 4Uhr starb der Stadt Steuer und Kommun Einnehmer Friedrich Wilhelm Weitenhammer an der Wassersucht nach 6 monatlichem Krankenlager. Nach dem Beschlusse des Magistrats wurden die demselben übertragen gewesenen beiden Einnahme Stellen getrennt. Die Kämmerer Stelle wurde dem Bruder des Verstorbenen Eduard Weidenhammer, die Stadt Steuer Einnehmer Stelle aber einen Vetter desselben Friedrich August Weidenhammer übertragen. Beide wurden am 30 Septbr 1836 vereidiget, und dem 1ten October eingewiesen. Der Verstorbene hatte das der Stadt Delitzsch gehörige Jagdrevier für 56 Thaler jährlich in Pacht gehabt, und die durch den Tod eröffnete Pachtung wurde am 24ten Septbr an den Herren Oberfloß Commissär von Zedtwitz aufs neue für 59 Thaler 15 Silbergroschen jährlich auf 6 Jahre u 5 Monate in Pacht gegeben.
Am 18 Septbr
waren es 100 Jahre, daß in unserer Gottes Acker Kirche der erste Katechismus Prediger Hager seine Antritts Predigt hielt. Dieser Umstand gab Veranlassung zu einer Jubelfeyer in der Gottes Acker Kirche, welcher die Geistlichkeit, der Magistrat, die Stadtverordneten und der Schulvorstand beiwohnten. Die bey dieser Jubelfeyer vom Diaconus und Katechismusprediger Meusel gehaltene Predigt ist im Nachrichts Blatt gedruckt erschienen. Aus diesem Jubelfeste nahmen die Stadtverordneten Veranlassung eine Collecte zur Anschaffung einer Orgel für die Gottes Acker Kirche zu sammeln; die Sache kam aber nicht zur Ausführung. Die Stadtverordneten Wahl fand am 16ten Octbr statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten August Schmidt Tuchfabrikant, der Chirurgus Große, der Uhrmacher Ottmer der Windmüller Bretschneider; zu Stellvertretern der Tabaksfabrikant Bier, der Fleischermeister Behr, der Zimmermeister Haase, der Seilermeister Brade junior.
Den 17 October
wurden die neugewählten Stadtverordneten in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt.
Am 17ten October
in der Nacht vor 11 Uhr brannte die an der Kohlthorbrücke gelegene mit Stroh gedeckte Scheune des Kaffeegartenbesitzers Schmidt ab. Es war nicht zu ermitteln, ob das Feuer angelegt oder verwahrloset worden sey.
Im Frühjahre
hat der Maurermeister Göttsching aus Gertitz von dem Kaufmann Senff das Tabaksfabrikgebäude, die alte Münze genannt, gekauft, hat solches abgetragen, und neu aufgebauet, auch mehrere Mietwohnungen darin eingerichtet.
Im Herbste
unternahm der Brauer und Gasthofsbesitzer Gürth den Bau eines neuen Tanzsaales in dem Hofe seines Gasthofes am Markte.
Am 5ten Octbr
wurde die Schlämmung des Stadtgrabens unternommen und zwar der einen Hälfte desselben gegen Mittag. Es wurde zu dem Ende ein dann quer durch den Stadtgraben hindurch am kleinen Schutze nach Hildebrandts Zwinger hinüber gebauet, und eben so auch ein dann an dem großen Schutze gleich neben der Brücke in der Allee dadurch wurde dieser Theil des Stadtgrabens von dem Wasser Zuflusse frei. Beide Dämme kosteten zwischen 60 und 70 Thaler. An dem Halleschen Thore, da wo sich die Schleuße befindet, wurde der Alleedamm durchstochen, um das reichlich zufließende Quellwasser aus dem Stadtgraben abzuleiten. Der Maurermeister Mein und Victualienhändler Hoffmann hatten sich erboten, die Schlämmung dieser Hälfte des Stadtgrabens gegen Überlassung des Schlammes und Bezahlung von 50 Thalern aus der Kämmereikasse zu übernehmen. Die Stadtverordneten aber welche nicht wollten, daß noch Geld zugezahlt würde, hatten beschlossen die Schlämmung für Rechnung der Kommune zu unternehmen. Die Schlämmung dieser einen Hälfte des Stadtgrabens dauerte bis zum 28 Januar 1837 und kostete nach Abzug der Einnahmen welche durch den Verkauf des gewonnenen Schlammes statt gefunden hatten, 516 Thaler 8 Silbergroschen 8 Pfennige. Der gewonnene Schlamm wurde nämlich aller 14 Tage verkauft und einstweilen in der Allee und auf einigen Wiesen welche zu dem Behufe erpachtet worden waren, aufgeschüttet. Man war mit der Stadtverordneten Versammlung unzufrieden, daß sie das Erbieten des Mein und Hofmann, die Schlämmung für 50 Thaler zu bewirken ausgeschlagen, und dadurch der Stadt einen so bedeutenden Mehraufwand zugezogen hatten. Denn vor 40 Jahren, im Jahre 1796 war der ganze Stadtgraben schon einmal geschlämmt, und war dafür an die Unternehmer, eine Anzahl hiesiger Feldbesitzer, über 350 Thaler bezahlt worden. Die nächste Ursache und Veranlaßung zu der Schlämmung des Stadtgrabens war die in den Jahren 1832-38 hier herrschende sehr bedeutende Wechselfieber Epidemie mit ihrer großen Neigung zu öfteren Rückfällen, welche von der Sumpfluft entstand und ¾ der Einwohner befiel, weshalb die Regierung zu Merseburg die Schlämmung mit Erfolg anbefahl.
Voigt Hofrath
Der hiesige königl. Kreissteuereinnehmer Voigt erhielt im August c a von Sr. Majestät dem Könige das Prädicat als Hofrath. In der Nacht vom 12ten bis 13ten Decbr. Wurde bei demselben, durch das Seiten Gebäude ein Einbruch versucht. Die Diebe hatten jedoch nicht in das Wohnhaus eindringen können, und hatten sich mit Zurücklassung einer kleinen Leiter wieder davon gemacht.
Schulbänke
In die in dem Monate Juli vollendete neue Mädchenschulklasse sind neue Tafeln und Bänke angeschafft, und selbige am 17ten Decbr 1936 aufgestellt worden. Sie kosten 50 Thaler bei dem Tischlermeister Schultheis.
1837
Am 14 Januar
früh ist der Gutsbesitzer Kind in Gertitz in einem Graben im Dorfe todt aufgefunden worden. Wahrscheinlich ist dieser Unfall Folge seiner Unmäßigkeit. Er hinterläßt Frau und 6 Kinder.
Am 24 Januar
sind die auf dem diesjährigen Holzschlage Nr, 8 in der Spröda über die Deputathölzer geschlagenen Hölzer für 243 Thaler verkauft worden. Der vorjährige Holzverkauf in gleicher Beziehung hatte am 28 Januar 1836 statt gefunden, und hatte einen Erlöß von 259 Thalern 20 Silbergroschen gewährt.
In dem Monate Februar
traf der Nachfolger des verstorbenen Bauinspektors Flachmann, der bisherige Wegebaumeister Müller aus Görlitz hier ein.
Bibel Gesellschaft
Eine Tochter Bibel Gesellschaft, welche sich hier gebildet, hat am 15ten Februar 1837 ihren ersten Concent gehalten und ein Directorium gewählt bestehend aus dem Grafen von Hohenthal Döbernitz, Landrath von Pfannenberg, Superintendenten Rudel, Assessor Meißner, Diaconus Meusel und Pastor Hänisch in Selben. Am 4 März hat dieses Directorium die entworfenen Statuten vollzogen, solche nach Berlin an die Haupt Bibelgesellschaft eingesendet, und um Übersendung von Bibeln gebeten.
Am 23ten Mai
Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr wurde ein ungewöhnliches Getöse in der Luft wahrgenommen, welches mehrere Minuten lang anhielt. Es war ein ununterbrochenes dumpfes Donnern, theils dem Rasseln eines Wagens theils dem Knarren der Windmühlen theils einem .......................................... ähnlich. Es kam in der Richtung von Südwest, und war dabei keine Wolke zu sehen, der man das Getöse hätte zuschreiben können, auch schien es zum Theil unterirdisch zu seyn. Es ist dieses Getöse von mehreren Personen auf dem Felde und in Gärten bemerkt worden, und man hat die Ursache daran nicht enträthseln können.
26ten Mai
Auf dem Staubbesen Raine, an einer Communwiese bei der Naundorfer Mühle, und an den Wiesen bei Burgmanns Garten, welcher gegen über Communfeld und Pfarrfeld liegt, wurden am 8ten 12ten und Grenzberichtigungen gehalten.
9 Mai
Bei einem Scheibenschießen welches die Schützengesellschaft am 9ten Mai hielt, ging dem Kupferschmied Freiwald das Gewehr zu zeitig los. Die Kugel schlug im Schießgraben auf einen Stein, und flog dann dem Windmüller Huske in das Stubenfenster ohne jedoch jemanden zu beschädigen. Folge davon war daß nach und zum Theil kostspieligen Sicherheits Vorkehrungen gemacht werden mußten, als ohnehin schon statt finden.
Am 17ten Mai
ist die Prinzessin Helene von Markleeberg, verlobte Braut Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Orleans auf ihrer Reise nach Paris hier durch gereiset.
Bemerkenswerthe Bauen, welche in diesem Jahr vorgenommen wurden, sind, der Schneidermeister Gehrmann und der Maurermeister Main bauen jeder ein neues Haus in der Zscherne. Der Senator Schmidt bauet eine neue Scheune und ein neues Wohnhaus vor dem Halleschen Thore, der Gastwirth Gürth, im goldenen Ringe am Markte hat einen neuen Saal gebauet, welcher am 24 Juni eingeweihet wurde.
Am 21 Juli
war in Folge eines Landregens ein sehr großes Wasser entstanden. Die Bäche traten aus ihren Ufern, und sämmtliche am Lober entlang liegende Gärten und Wiesen wurden überschwemmt. Die Obstnutzung auf dem Pflaumen Anger vor dem Viehthore wurde in diesem Jahre für 86 Thaler verpachtet. Auch fanden die erstmaligen Verpachtungen der Kirschen an der Leipziger Chaussee und an der Eilenburger Poststraße statt. Für jene wurden 8 Thaler 5 Silbergroschen gezahlt, diese wurden mit den Kirschen an der Dübener Straße zusammen für 9 Thaler 15 Silbergroschen verpachtet.
In dem Monate August
wurde in dem Hofe des Rathauses ein neuer Holzstall für das Königl. Land und Stadtgericht erbauet lediglich auf Kosten des Fiscus.
Brücke am Pfeffermühlenwege
Auf dem sogenannten Pfeffermühlen Wege ist statt der bisherigen hölzernen Brücke, welche die Stadt Commun zu erhalten hat, und die zu fortwährenden Reparaturen Veranlassung gab eine neue steinerne Brücke im Monat Juli erbauet worden.
Am 3ten Septbr
starb der Stadtverordnete und Lohgerbermeister Kunze ein geachteter und braver Mann. In dem Gehöfte des Orgelbauers Lochmann stürtze der Maurer Lehrling Winter aus Schenkenberg vom Gerüste herunter und brach das Bein.
Am 12ten Septbr
ist in unserer Stadt die nächtliche Thorsperre und das Thor Einlaßgeld in Folge höherer Anordnung aufgehoben worden. Diese Anordnung machte nöthig daß dem Pflastergleits Pachter Graul 15 Thaler jährlich an seinem Pachtquanto erlassen werden mußten, und das der Miethzins für die Pfortenwärter Wohnung von 12 Thalern auf 6 Thaler (für die Wittwe Wißverkowitz) herabgesetzt wurde. Weil nunmehr die Thore ganz unnütz sind, so ist um Erlaubnis nachgesucht worden die Thore und Thorpfeiler ganz wegnehmen zu dürfen.
Stadtverordneten Wahl
am 15ten October sind gewählt worden zu Stadtverordneten der Kaufmann Wilhelm Kühne, der Tabaksfabrikant Bier, der Seilermeister Teubner und der Bäckermeister Donath. Zu Stellvertretern der Victualienhändler Hofmann, der Schleifer Richter, der Strumpfwirker Pabst und der Beutlermeister Christoph Teubner.der neu Gewählten geschah am 16 Octbr Nachmittags und es wurden von der neuen Versammlung der ..... Kühne zum Vorsteher der ..... Heinze zum Stellvertreter der ..... Bier zum Protocollführer und der ..... Bretschneider zum Stellvertreter gewählt.
Am 18 Octbr
feierte die Delitzscher Bibel Gesellschaft Nachmittags 2 Uhr in der Stadtkirche ein Bibelfest, mit Gesang und Predigt, worauf sodann der Präsident der Gesellschaft Graf Hohenthal eine Rede an die Versammlung hielt, und zuletzt von dem Diaconus Meusel 48 Bibeln an die dazu ausgewählten und in der Kirche gegenwärtigen armen Kinder vertheilt wurden.
Mädchenschule
Der Bau der neu eingerichteten Mädchenschule war im vorigen Monate beendiget worden. Es waren zwei Klassen und zwei Lehrer Wohnungen hergestellt. Sämmtliche Schulmädchen, welche bisher von dem Mädchen Lehrer Zieger allein unterrichtet worden waren, wurden verhältnißmäßig in zwei Klassen gesondert. Für jede Klasse wurde ein besonderer Lehrplan entworfen und jede Klasse zerfiel wieder in zwei Abtheilungen. In manchen Unterrichts Gegenständen werden beide Abtheilungen zusammen unterrichtet, in manchen eine jede besonders; dem pp. ??? Zieger wurde die erste Klasse übertragen, und als zweiter Mädchenlehrer wurde der bisherige Kinderlehrer Petermann aus Gertitz mit 120 Thaler fixen Gehalt jährlich angestellt. Die feierliche Einweihung der beiden neuen Klassen und die Einführung des neuen Lehrers wurde von der Schul Inspection mit Zuziehung des Schulvorstandes und der Stadtverordneten am 8ten Novbr 1837 vorgenommen, und mehrere Tage darauf wurden beiden Lehrern ihre neuen Dienstwohnungen übergeben, die Besoldung des neuen Lehrers wird aus der Communkasse bezahlt, in welche die einzelnen Bestandtheile dieser Besoldung fließen. Die Communkasse muß jedoch jährlich über 60 Thaler dabei zubüßen. Nur auf diese Weise war es möglich eine Erhöhung des Schulgeldes, worauf Seiten der Geistlichen angetragen worden war, zu vermeiden.
In der Nacht vom 14ten zum 15ten November wurde von Abends 8 Uhr bis gegen 3 Uhr Morgens ein Nordlicht beobachtet; es war ein in seinen Ausstrahlungen und prachtvollem Farbenspiel sehr schönes Phänomen. Das Thermom. zeigte – 6 Reaum. Westwind. Die wahrscheinlichste Ursache des Nordlichts ist nach Franklin das Ausströmen elektrischer Materie am Pol.
Am 24 November
wurde von der neu constituierten Stadtverordneten Versammlung der Beschluß gefaßt die Anschaffung einer Orgel für die Gottes Acker Kirche, wovon pag 55 Erwähnung geschehen, wieder auf zu geben, weil die dazu theils schon gesammelten theils unterzeichneten Beiträge nicht ausreichend waren. Die schon gesammelten Beiträge wurden unterm 19 Decbr 1837 den Einzahlern wieder zurück gegeben. Die Beiträge aber, welche von auswärts her, namentlich durch den Herrn Steuer Einnehmer Weidenhammer in Leipzig eingesendet worden sind, 47 Thaler 15 Silbergroschen haben die Geber nicht wieder zurück nehmen wollen, und ist davon nach dem Willen der Geber ein Stamm Kapital zu einer künftigen Orgelbeschaffung für die Gottes Acker Kirche angelegt worden, dessen Zinsen dem Kapitale zu wachsen und wieder nutzbar angelegt werden sollen.
Kirchen Vorsteher
Auf höhere Anordnung mußte noch ein zweiter Kirchenvorsteher bei hiesiger Stadtkirche angestellt werden, indem alle dagegen gemachten Vorstellungen vergeblich gewesen waren. Es war dazu von den Magistrate als Kirchen Patron der hiesige Bürger und Gold Arbeiter Christian Gottfried Söllner gewählt und am 23ten Novbr 1837 von der Kirchen Inspection auf dem Rathhause verpflichtet worden.
Steuer Kapitalien
An alten unverwechselten Steuer Kapitalien aus dem 15 und 16 Jahrhunderte hatte die Stadt Delitzsch die Summe von 9402 Thalern 2 Silbergroschen 6 dinarium zu fordern, welche bisher regelmäßig theils mit 5 theils mit 3 PC. verzinset worden waren. Unterm 10 Februar 1839 wurde die Rückzahlung dieser Kapitalien angekündiget, und wurde der Zahlungstermin auf Michael 1836 bestimmt. Wegen des hohen Agio, welches der Magistrat von diesem Gelde verlangte – vom Thaler 11 Silbergroschen 6 2/3 dinarium (??) . Geld – und wegen des dadurch nöthig gewordenen vielfachen Hin und Herschreibens, wurde die Rückzahlung noch hinausgeschoben. Die Kommun wollte Anfangs den Fiscus wegen des verweigerten Agio verklagen, gab jedoch diesen Vorsatz nach eingeholtem Gutachten von dem Justiz Commisär Wachsmuth in Naumburg wieder auf, und nachdem alle Anstöße beseitigt worden waren, erfolgte die Rückzahlung der oben genannten Summen mit 5400 Thalern in neuen SteuerCredit Kassen Scheinen und 25 Thaler baar am 3 April 1837 und in 3977 Thaler 2 Silbergroschen 6 dinarium Corv. ( ? ) Geld baar am 7 Septbr 1837. Von diesem Gelde wurden zu Johanni zu Michael und zu Weihnachten 1837 an Communal Schulden 9183 Thaler 3 Silbergroschen 9 dinarium zurückgezahlt. Übrigens ist der Magistrat der Meinung, daß die Commun wohl ein Recht gehabt hätte, das erwähnte Agio zu verlangen, nur würde es ihr wohl kaum gelungen seyn ihr Recht zu beweißen, weil die Nachrichten über die Veränderungen, die mit jenen Kapitalien vorgegangen, zu unvollständig waren.
Straßenordnung
Auf Veranlassung der Königl Preußischen Hochlöblichen Regierung zu Merseburg war von dem Magistrate eine Straßen Ordnung für die Stadt Delitzsch entworfen, und nach deren vorhergegangener Genehmigung von der gedachten (?) Regierung, unterm 18 Decbr 1837 zum Druck befördert, und an sämtliche Einwohner vertheilt worden.
Meusels Abgang
Der Katechismus Prediger und Diaconus Meusel, welcher erst am 7 Februar 1836 zu uns gekommen war, verließ uns wieder mit Ende des Jahres 1837 und ging als Pastor nach Claußnitz, Ephorie Penig. Er hielt am 31 Decbr 1837 seine Abzugs Predigt. Am 10ten Decbr war ihm zu Ehren von der Gesellschaft zur Erholung im Barthschen Saale ein Abschiedsfest gegeben worden. (Dieser als Mensch undKanzelredner gleich hochgeachtete vortreffliche Mann starb d. 11ten Februar 1857, 53 Jahre alt.)
Stadtwaage
Auf Antrag des bisherigen Pachters der Stadtwaage des Vergolders Gesell wurde die Wagegeld Einnahme vom Anfang des künftigen Jahres an anderweit verpachtet, und zwar an den Bürger und Schneidermeister auch Ephoralboten Craatz für 15 Thaler jährlich auf 6 Jahre. Gesell hatte jährlich 16 Thaler Pachtgeld gegeben und da an der Beendigung seiner Pachtzeit noch 4 Jahre fehlten, so mußte er die Commun wegen dieses Ausfalles mit 4 Thalern entschädigen.
1838
Die Schlämmung der zweiten Hälfte des Stadtgrabens wurde dem Maurermeister Meie für die Summe von 350 Thalern Überlassung des Schlammes und Darleihung der Schlämmungs Geräthschaften übertragen. Er hat am 13 Novbr 1837 damit begonnen , und solche bis zum 13 Februar 1838 beendiget. Der Schlämmungs Aufwand für diese zweite Hälfte des Stadtgrabens beträgt 386 Thaler 4 Silbergroschen 2 dinarium mit Einschluß der Entschädigung des Stadtmüllers Trommler für das Stillestehen seiner Mühle weshalb demselben 4 Scheffel – Metzen Roggen und – Scheffel 8 Metzen Weitzen dresdner Maaß monatlich von seinem Getreide Erbzinse, dem Mühlen Kauf Contracte gemäß, erlassen worden sind, auf 3 ½ Monate.
Am 15 Januar
früh ½ 4 Uhr bei strenger Kälte weckte uns Feuerlärm. Es brannte in den Seiten Gebäuden welche die Gehöfte des Apothekers Freyberg und Kaufmann Mulrott, am Markte von einander trennen. Die Gebäude waren nur niedrig und völlige Windstille und das Feuer wurde bald gelöscht.
Der Winter war sehr kalt, und die Kälte lange anhaltend, vom 6 Januar bis zu Ende Februar. Es wurde mehrmals Holz an die Armen vertheilt. Für die städtischen Armen zusammen für 155 Thaler 15 Silbergroschen, welche theils durch freiwillige Beiträge – in zwei Sammlungen 86 Thaler 16 Silbergroschen 7 dinarium – aufgebracht, theils aus der Hospitalkasse der Dr. Schulzeschen Stiftung, der Kämmerei und Armenkasse entnommen worden sind. Außerdem wurden von dem Hl Grafen von Hohenthal-Döbernitz noch 20 Thaler zum Holz Ankauf für die Armen geschenkt. Für die Armen der Grünstraße ist besonders gesammelt worden. Es waren für die dortigen Armen eingegangen 36 Thaler 15 Silbergroschen.
Auch von Privat Gesellschaften ist zur Unterstützung der Armen in dieser allgemeinen Noth vieles geschehen. Der Schnee lag sehr hoch und mußte zur Stadt hinaus gefahren werden, um die Straßen in der Stadt fahrbar zu machen.
Feuerordnung
Unterm 5ten Februar 1838 ist eine neue Feuer Ordnung für die Stadt Delitzsch entworfen, und solche unterm 31ten März 1838 zum Druck befördert und publicirt worden.
Fischkasten
Dem Pflaster Gleits Pachter Graul ist die Anlegung eines feststehenden Fischkastens in dem Stadtgraben neben der Brücke am Breiten Thore erstattet worden. Es lehnt sich dieser Fischkasten mit der Rückwand an den zum Thorwärter Hause gehörigen Garten an, und giebt der pp Graul wenn künftig sein Pflaster Gleits Pacht aufhört, jährlich 6 Silbergroschen Fischkastenzins an die Communkasse.
Stichflammen Oefen
Der Obersteuer Controlleur Köpke welcher von Stendal hierher versetzt worden ist, um die hiesige Königl. Steuer Einnehmer Stelle zu verwalten (der bisherige Steuer Einnehmer Inkermann ist wegen 1400 Thaler Kassen Defecte seines Amtes entsetzt worden seit Januar den 20ten 1837 und nachher zu 1 ½ Jahr Festungsstrafe in Magdeburg verurtheilt;) hat uns eine neue Art Oefen zu bauen gelehrt, die er Stichflammen Oefen nennt, und die sehr auf Holz Ersparniß und auf schneller Heitzung der Zimmer einwirken. Mehrere Einwohner welche sich solche Ofen haben setzen lassen, sind damit sehr zufrieden. Es sind diese Oefen Köpkens eigene Erfindung und hat er dafür eine Prämie von 200 Thalern in Berlin bekommen.
Akazien
An die Stelle der vor mehreren Wochen umgeschlagenen Pappeln an der Pforte wurden im Frühjahr Akazien angepflanzt. Die Pappeln waren weggenommen worden, weil sie durch ihre Größe bei heftigem Sturme dem Ufer des Stadtgrabens gefährlich zu werden drohten.
Diaconus Walkker
Unser neuer Katechismus Prediger und Diaconus Pastor Walcker aus Buckau bei Herzberg ist am 27 März 1838 hier eingetroffen. Der Bauverwalter Kaufmann hat demselben seine Dienstwohnung, deren Thüren mit Blumen Guirlanden geschmückt waren übergeben und eine Deputation von 4 Stadtverordneten hat ihn Namens der Stadt begrüßt. Am 1 April hat er seine Anzugs Predigt gehalten, und ist invastirt worden. In der Gottes Acker Kirche hielt er die erste Predigt am ersten Osterfeiertage den 15 April 1838.
Am 26 April
starb die gewesene Besitzerin des Gasthofs zum weißen Rosse, Baronin von Minckwitz. Sie hatte in ihrem Testamente ein Legat von 200 Thalern, dessen Zinsen zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers verwendet werden sollen ausgesetzt, 4 Wochen nach ihrem Tode zahlbar. Dieses Legat ist mit zu der schon vorhandenen Stiftung der Kaufmanns Wittwe Hartmann für den Hülfslehrer an der Mädchenschule genommen worden. Es soll daher diese Stiftung künftighin Hartmann und von Minckwitzische Stiftung zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers genannt werden. Die 8 Thaler jährliche Zinsen von dem Legate der 200 Thaler sollen regelmäßig an den zweiten Mädchenlehrer Petermann über die ihm nach fol 62 ausgesetzten 120 Thaler Besoldung ausgezahlt werden.
Zimmermeister Posern
Ein zweiter Zimmermeister Posern aus Kemberg hat sich schon im Monate März d. J. hier niedergelassen, und hat zur Niederlegung und Bearbeitung seiner Bauhölzer einen Theil von dem Hutungs Platze neben dem Gasthofe zur Weintraube angewiesen bekommen.
In der kleinen Scheungasse, welche von dem Steinwege nach den beiden großen Scheungassen vor den breiten Thore führt, ist eine Gosse gepflastert worden, um diese Gasse reinlicher und für Fußgänger und Fuhrwerk bequemer zu machen. Diese Pflasterung hat sich nachher auch auf die erste Scheungasse ausgedehnt, und ist diese in der Mitte von oben bis unten ebenfalls mit einer gepflasterten Gosse zum Abfluß des Regen und Schneewassers versehen worden.
10 – 11 Mai
In der Nacht vom 10 – 11 Mai war ein so starker Frost, daß vieles Getreide Wein und Obstbäume erfroren sind.
Zu Anfange des Monats Mai wurden die 4 Thor und Thürpfeiler am breiten Thore, die beiden Thorpfeiler am halleschen Thore abgetragen und Thore und Thüren weggenommen. Auch die beiden Flügel des Pfortenthores wurden weggenommen, jedoch daselbst die Pfeiler stehen gelassen.
Es war zu dieser Wegnahme der Thore und Abtragung der Thorpfeiler Genehmigung der K. Regierung zu Merseburg eingeholt worden, welche dieserhalb an das Kriegs Ministerium hatte berichten müssen. Die Eingänge zur Stadt wurden dadurch ganz frei.
Am 23 Juni
vormittags gegen 11 Uhr, bei heftigem Westwinde entstand in dem Hause des Schlossermeisters Sander an der Pforte Feuer. Das Feuer war unter dem Dache ausgekommen, und es schienen dieses Haus und die beiden Nachbarhäuser der beiden Schumachermeister Hund und Schreiter verloren zu seyn. Indessen wurden durch die schnelle Hülfe das Feuer bald gelöscht, und nur Sanders Haus dadurch ruiniert, die beiden Nachbarhäuser aber wenig beschädiget.
Am 18 Juni
vormittags 8 Uhr wurde von der Delitzscher Bibel Gesellschaft in der Stadtkirche ein Bibelfest mit Gesang und Predigt gehalten, und wurden gegen 50 Bibeln an arme Kinder vertheilt.
Obst Verpachtung
Die diesjährigen sauren Kirschen an der Eilenburger und Dübener Straße und dem Verbindungswege am Galgthore sind am 26 Juni für 9 Thaler 15 Silbergroschen verpachtet worden. Zu den süßen Kirschen an der Leipziger Straße fand sich kein Abnehmer, weil die Bäume zu wenig Früchte hatten. Die Pflaumen auf der Plantage vor dem Viehthore sind am 24 Juli ca für 100 Thaler verpachtet worden.
Eine Dachreparatur an den beiden Schaafställen des Commungutes kostete 111 Thaler.
Für die 3 Brandbeschädigten Sander Hund und Schreiter ist von den Stadtverordneten eine Collecte in der Stadt gesammelt worden welche 76 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium eingetragen hat. Davon haben erhalten Sander 50 Thaler Hund 16 Thaler Schreiter 10 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium.
Die Post Expedition
ist in das Haus des Kaufmanns Krause am Markt verlegt worden vom 1 August ab. Nach v. Buenaus Tode ward v. Espinol aus Berlin Postmstr.
August
In demselben Monate wurde die Lehmannsche Wüstung in der Süßemilchgasse, eine Brauerben Hausstelle, von dem Schumachermeister Stübner wieder bebauet. Mehrere hiesige Einwohner haben Gebäude mit Dornschen Dächern, d. h. ganz flache Dächer, nach Vorschrift des Fabriken Commissionsrath Dorn in Berlin ausgeführt, namentlich der Zimmermeister Krause, Kaufmann Krause, Apotheker Freyberg Maurermeister Meie Seilermeister ...................... u.m.a.
Ernte Wetter
Die diesjährige Getreide Ernte wurde durch lange anhaltende nasse Witterung sehr erschwert, und um mehrere Wochen verspätiget. Vieles Getreide wurde naß eingebracht oder ist auf dem Felde ausgewachsen.
Legat von 200 Thalern
Die am 26ten April 1838 verstorbene Freifrau von Minkwitz hat zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers ein Legat von 200 Thalern ausgesetzt, welches zu Anfange des Monats August d.J. von der Universalerbin Frau Samberg ausgezahlt wurde. Es sind dafür 200 Thaler Preußische Staats Schulden Scheine angekauft worden, wovon die ersten Zinsen auf dem 2ten Januar 1839 an den zweiten Mädchenlehrer Petermann ausgezahlt werden.
Am 25ten Septbr
wurde der 7jährige Sohn des Tagelöhners Naumann, vor dem breiten Thore in der Nähe der Obstbuden von einem Leiterwagen überfahren, der linke Arm des Knaben wurde mehrmals gebrochen, und mußte abgelöset werden.
Auf die Stadt Kriegsschulden wurden im Laufe dieses Jahres 1150 Thaler abgezahlt. Von dem Communplatze an der Malzdarre wurde an die anliegenden Hausbesitzer verkauft, an den Maurermeister Meie 11 ½ Quadrat Ruthen, an den Federviehhändler Ehrlich 4 ¾ Quadrat Ruthen an den Leinwebermeister Beyer 6 ½ Quadrat Ruthen an den Zimmergesellen Haase 6 ½ Quadrat Ruthen und an den Fuhrmann Pannier 2 Ruthen. Jeder dieser Arequirenten zahlt statt des Stadtgeldes jährlich pr Ruthe 2 ½ Silbergroschen Erbzinns an die Kämmererkasse zum ersten Male Michael 1838. Außerdem sind die Arequirenten mit Ausnahme des pp Pannier noch Königl Steuern aufgelegt worden dem pp Meie 1 ............. dem pp Ehrlich ½ .........., dem pp Beyer und pp Haase jedem 5/8 ........ nach dem Stadtfuße.
Am 14ten October
wurde die Wahl der neuen Stadtverordneten und Stellvertreter vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Seilermeister Gottlob Barth der Victualienhändler Hoffmann, der Schleifer Anton Richter und der Gürtlermeister Kretzschmer, zu Stellvertretern der Gastwirth Gottlob Becker, der Kaufmann Schulze der Kaufmann Haacke und der Leinewebermeister Schönbrodt. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 15ten Octbr, und wurden von der neu constituirten Versammlung zum Vorsteher der Kaufmann Kühne und zum Stellvertreter der Müller Bretschneider, zum Protokollführer aber der Gürtler Kretzschmer und der Bäcker Donath zu dessen Stellvertreter erwählt.
Pathengeschenk
Zu Ende October wurde dem hiesigen Bäckermeister Braune der siebente Sohn aus einer Ehe geboren, weshalb ihm das Königliche Pathengeschenk von 50 Thalern bewilliget worden ist.
Tabakfabrik
die seit mehreren Jahren in der Rittergasse bestehende Tabakfabrik des Kaufmanns Heinrich Schmidt in Leipzig ging an den Kaufmann Gottlob Bier über und wurde die Firma der Fabrik auf des letzteren Namen umgeändert, im October 1838.
Pflastergleite Wochenmarkt und Jahrmarkt Stättegeld
Die Pachtungen über diese 3 Gegenstände gingen mit dem Schlusse des Jahres 1838 zu Ende und es wurde daher von neuem verpachtet a. das Pflastergleite in beiden Thoren auf 6 Jahre für 213 Thaler jährlich an dem Victualienhändler Hofmann, b. das Stättegeld bei Wochenmärkten auf 3 Jahre für 161 Thaler jährlich an den Haasen Händler Naumann, c. das Stättegeld an Jahrmärkten auf 3 Jahre für 60 Thaler jährlich an eben denselben.
Holz Auction
In der Holz Auction in dem Augustusbusche am 19ten Decbr 1838 wurden aus den über die Deputate geschlagenen Hölzern 128 Thaler, 14 Silbergroschen gelöset.
Prüfungs Commission für Bauhandwerker
Schon vor zwei Jahren wurde die bisher in Weißenfels bestandene Königliche Prüfungs Commission für Bauhandwerker nach Delitzsch verlegt, und Anfangs dem Landrathe von Pfannenberg seit dem Monat März 1838 aber dem Bürgermeister Securius das Directorium bei derselben übertragen. Die Mitglieder der Commission sind außer dem genannten Director derselben der Königl Bau Inspector Müller der Zimmermeister Krause, der Maurermeister Meie und der Maurermeister Göttsching jun.
Anlegung der neuen Leipziger Straße
Schon im Jahre 1832 als die Chaussee von Delitzsch nach Leipzig gebauet, und zu dem Ende die Kohlthorbrücke neu hergestellt und vergrößert auch jenseit derselben die Chaussee rechts über die Wiesen hinweg geführt wurde, sprach sich Seiten der Bewohner der innern Stadt der Wunsch aus, daß man die neue Straße von Bitterfeld nach Leipzig durch die Stadt Delitzsch hindurch führen möchte. Es geschahen auch zur Erreichung dieses Wunsches verschiedene Schritte bei den höheren Behörden, und wurde eine Collecte veranstaltet, um den dadurch für die Stadt entstehenden Aufwand mit decken zu helfen. Es wurde jedoch mittels Verordnung vom 15ten Septbr 1832 das dies sellbige Gesuch von der Regierung zu Merseburg abgeschlagen. Am 2ten Januar 1838 gaben nun die Stadtverordneten ein Gesuch ein, worin die Unterstützung der Commun zur Anlegung eines neuen Thores auf der Mittags Seite der Stadt, um dadurch einen näheren Weg nach Leipzig zu gewinnen und einen Ausgang aus der Stadt mehr zu bekommen, in Anspruch genommen wurde. Es hatte sich zu dem Ende ein Verein von mehreren Bürgern gebildet welcher sich der Anlegung der neuen Straße und der damit verbundenen beiden Brücke über den Stadtgraben und über den Lober unterziehen wollte und mit welchem Seiten der Commun ein förmlicher Contract abgeschlossen wurde. Es wurden aus der Kämmereikasse 2000 Thaler dazu bewilliget, außerdem wurden noch 1600 Thaler freiwillige Beiträge dazu eingesammelt, und das Erd und Sand Material nebst Fuhrmann wurden von den dabei interessierten Pferde haltenden Bürgern unentgeldlich geleistet. Seiten der Vorstadtbewohner, welche Beeinträchtigung in ihrer Nahrung fürchteten, waren aber dem Unternehmen so vielfache Hindernisse entgegengestellt worden, daß über deren Beseitigung das ganze Jahr 1838 verflossen war. Der Bau konnte erst im Monat März 1839, am 15ten, seinen Anfang nehmen, mußte in Folge besonderer Verfügung vom 25 März 1839 wieder unterbrochen, und durfte erst am 29ten April 1839 wieder fortgestellt werden. Am 13ten Mai 1839 wurde der Rost zu dem ersten Brückenpfeiler jenseits des Lobers eingesetzt, und geschah dieses mit lautem Jubel der dabei Interessierten, mit Musik und fröhlichem Gesang. Der Bau wurde nun vom Anfange sehr lebhaft, späterhin etwas langsamer betrieben und kam erst im November 1841 völlig zu Stande.
1839
Schmidts Scheunstelle am Kohlthore
Mittelst Kaufs vom 10ten Januar 1839 wurde die wüste Schmidtische Scheunstelle am Kohlthore und der Platz vor derselben von der Commun erkauft für die Summe von 450 Thalern, wogegen jedoch von der Verkäuferin, Wittwe Schmidt, die zu erwartenden 200 Thaler Brandkassen Entschädigung der Commun mit überlassen wurde. Die Scheune war nämlich am 17 Octbr 1836 abgebrannt. Die Commun wollte durch diesen Ankauf verhüten, daß nicht wieder eine Scheune auf dem Platze aufgebauet würde. Zu Ende des Jahres 1839 wurde derselbe Platz mit etwas vergrößerter Ausdehnung an den Zimmermeister Posern, zur Erbauung von Wohngebäuden, für die Summe von 305 Thalern wieder verkauft jedoch ohne die 200 Thaler Brandkassen Entschädigung.
Rathhausböden
Die Rathhausböden wurden an den Kaufmann Bier auf 3 Jahre vom 1 Mai 1839 für 16 Thaler jährlich verpachtet zum Tabaktrocknen.
Am 12 Februar
wurde der Handarbeiter Conrad, welcher wegen Diebstahls in Untersuchung gerathen, und darauf längere Zeit vermißt worden war, im Augustusbusche erhängt aufgefunden.
Zur Unterstützung der Armen mit Holz waren in einer Collecte 44 Thaler 15 Silbergroschen 3 Pfennige eingesammelt worden. Von dem Grafen Hasenthal Döbernitz erhielt unsere Armenkasse ein Geschenk von 20 Thalern.
Am 18ten April
beehrte der Herr Regierungs Präsident Graf von Arnim unsere Stadt mit seinem Besuche und nahm Rathhaus Kirchen und Schulen in Augenschein.
Die Lehmannsche
Wüstung in der Süßmilchgasse hat der Schumachermeister Stübner mit einem übersetzten Hause wieder bebauet, welches er am 7ten Mai 1839 bezogen und darauf die versprochenen 10 Thaler aus der Wüstungskasse ausgezahlt erhalten hat.
Stadt Kriegs Schulden
Zur Tilgung der Delitzscher Stadt Kriegs Schulden welche nach der unterm 20 Juli 1822 von der damaligen Stadt Kriegs Schulden Commission gegebenen Übersicht 14637 Thaler 15 Silbergroschen betrugen wurde unterm 12ten April 1839 das letzte Ausschreiben mit 14 Silbergroschen von 100 Thalern Einkommen erlassen. Die Beiträge welche seit jener Zeit zur Tilgung dieser Schuld von den hiesigen Einwohnern gezahlt worden sind, erreichen die Summe von 22000 Thalern.
Gesells Haus
Im Jahre 1839 wurde von dem Vergolder Herrn Gesell das vorher dem Schlossermeister Welker gehörige Wohnhaus an der Ecke der Goldhahn Gasse, jetzt Leipziger Gasse, neu aufgebauet.
Pocken
Ein Landwehrmann, Namens Frömichen aus dem Dorfe Mildenstein im Bitterfelder Kreise, welcher zur Landwehr Übung in dem Monate Juni 1839 mit einberufen worden war, brachte uns die Menschenpocken hierher, welche ohngefähr ¾ Jahr lang hier aushielten, woran einige Personen starben, und wogegen alle gesetzlich vorgeschriebenen Vorsichts Maasregeln zur Anwendung gebracht werden mußten.
Am 12ten Juni
war der Hl. Reg. Rath Denneil aus Merseburg hier, revidirte das Armenhaus, das Hospital und die Hospitalkasse und hielt mit dem Herrn Superintendenten und den Magistrate einen Empfang auf dem Rathhause.
Der Apotheker
Schulze erbauete in dem Garten des vormals von Hartitzscheschen Hauses am Schloßplatze eine chemische Fabrik; der Besitzer machte aber bald nachher Banquerott.
Der Böttchermeister
Georgi und der Zimmermeister Posern führten in der neuen Leipziger Gasse neue Häuser auf. Auch wurde in demselben Jahre das Pflaster Gleits Häuschen in derselben Gasse von dem Comittee zur Anlegung der neuen Straße zu Gunsten der Commun erbauet.
Am 20 Juli
wurde der Schornsteinfeger Krause aus Schkeuditz wegen Ausgabe falscher sächsischer zweitfäleriger Kassen Anweisungen (Billets) hier arretirt; er bekam 4 Jahre Zuchthausstrafe.
Die diesjährigen Kirschen in den der Stadt Commun gehörigen Alleen wurden für 43 Thaler die Pflaumen aber für 80 Thaler verpachtet.
Drohbriefe
In den Monaten August und September wurde die hiesige Stadt durch das Auffinden einiger Branddrohbriefe erschreckt, welche jedoch keinen weiteren Erfolg hatten.
Am 20ten October
fand die Wahl der neuen Stadtverordneten und Stellvertreter statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der I.C.Hassert, der Strumpfwirker Pabst der Chirurg Rathmann und der Kaufmann Haacke, zu Stellvertretern der Schneidermeister Bier, der Schneidermeister Crätz, der Seifensieder Held und der Fleischermeister Barth jun.
Die Einführung
der neu Gewählten geschah am 24ten October, und es wurden von der neu constituirten Versammlung der I.C.Hassert zum Vorsteher, der Gürtler Kretzschmer zum Stellvertreter der Kaufmann Kühne jun. zum Protocollführer und der Kaufmann Bier zum Stellvertreter gewählt.
Am 9ten October
beehrte der Herr Oberpräsident der Provinz Sachsen Graf Stollberg die Stadt mit seinem Besuche.
Am 31ten
October wurde in Folge Allerhöchster Anordnung das Reformationsfest als Erinnerungsfest an die vor 300 Jahren geschehene Einführung der Reformation in die Provinz Sachsen als hoher Festtag mit Vor und Nachmittags Gottesdienst gefeiert. Nach Beendigung des Nachmittags Gottesdienstes stellten sich die Schüler der Knabenschule auf dem Markt in einem Kreis in dessen Mitte sich die Geistlichkeit die Schullehrer und das Musikchor befand und es wurde hier das Lied „Nun danket alle Gott“ gesungen, worauf der Hl. Sup. Dr. phil. Rudel mit kräftiger Stimme eine kurze Rede hielt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der letztere sich dabei seinen Tod geholt hat, denn es lag Schnee und war sehr kalt und rauh. Er wurde bald darauf krank und starb am 4ten Januar 1840.
Das Raupen
auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore wurde für 16 ½ Thaler verdungen.
Extrablatt
Am 17ten Julius 1839 starb zu Giessen im 80ten Lebensjahre der Dr. und ordentliche Professor der Theologie Carl Christian Palmer. Derselbe war 1759 in Delitzsch geboren, studierte in Schulpforta und Leipzig, wurde 1782 am letzteren Orte Vesperprediger, 1784 Licent. Theol. und Frühprediger an der Universitäts Kirche, dann 1787 Prof. Theol. Extraord. und 1794 von Leipzig als Prof. Theol. Ordin. und Frühprediger an der Stadtkirche nach Giessen berufen. Im Jahre 1806 wurde derselbe General Superintendent und Mitglied des Kirchen und Schulraths der Provinz Oberhessen. Er war ein sehr gewissenhafter und streng rechtlicher Mann, freisinniger Theolog, und wegen seiner Schriften, welche jeden extremen theologischen Standpunkt vermeiden, wie auch als Kanzelredner und als Mensch sehr hoch geachtet. Bey der Feier seines fünfzigjährigen Amtjubiläums, welche am 22ten August 1837 sehr glänzend und festlich begangen wurde, ernannte ihn der Großherzog zum Geheimen Kirchenrath. Palmer gehört ebenso, wie die nun noch zu erwähnenden Gelehrten früherer und späterer Zeit zu den literarischen Größen und Zierden unserer Stadt. Diese Männer sind folgende: 1) M. Erasmus Schmidt, zu Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts Prof. Ordin. der Mathematik und der griechischen Sprache an der Universität zu Wittenberg, berühmt durch seine vorzügliche Ausgabe des griechischen Dichter Pindar; 2)M. Johann Kuehn, Rector der Schulpforte während der schlimmsten Zeit des dreißigjährigen Krieges (1630 bis 1644); 3) Dr. Medic. Carl Christian Krause, Prof. Anatom. et Chir. Extraord. in Leipzig, starb daselbst im hohen Alter im Jahre 1793, berühmt durch seine treffliche Ausgabe des römischen Arztes Celhus; 4) Dr. Medic. Christian Gottfried Ehrenberg, Prof. Ordin. der Naturwissenschaften zu Berlin, jetzt 78 Jahre alt, berühmt als großer Naturforscher durch seine Reisen und Werke.
Geschrieben im April 1873 Dr. I.
Am 18 Decbr.
feierte der Dr. Ideler Senior hierselbst sein 50jähriges DoctorJubiläum. Es war zu dem Ende ein Mittagessen in dem Gasthofe zum goldenen Ringe veranstaltet worden, an welchem auch der Hl. Regierungs Medicinal Rath Dr. Niemann aus Merseburg Theil nahm. Von Sr Maj. dem König wurde der Jubilar mit dem rothen Adler Orden 4ter Kl. decorirt. Von der medicinischen Facultät der Universität Leipzig erhielt er das Jubel Doctor Diplom, und von der Gesellschaft für Natur und Heilkunde zu Dresden das Diplom als Ehren Mitglied. Von der Bürgerschaft wurde er mit einem silbernen Pocal beschenkt, von mehreren seiner Freunde mit einem zweiten dergleichen Pocale, und von den Medicinal Personen mit einem werthvollen medicinischen Kupferwerk.
1840
Um bei der strengen Kälte die Armen mit Holz zu unterstützen wurde im Monat Januar eine Collecte veranstaltet. Für das Martinsstift zu Erfurt wurden 7 Thaler 16 Silbergroschen 6 dinarium gesammelt und eingesendet.
Die Holz Auction
in dem Communholze am 14ten Januar gewährte einen Ertrag von 161 Thalern 4 Silbergroschen. Es hatten jedoch auf dem Holzschlage die erforderlichen Deputathölzer nicht gewonnen werden können, und mußten daher für die Knaben und Mädchenschule, so wie für den Förster die Klafter mit 8 Thalern bezahlt werden.
Am 4ten Januar
starb der Hl. Sup. Dr. Phil. Rudel 59 Jahre 4 Tage alt. Der Graf von Hohenthal auf Döbernitz schenkte zur Unterstützung der Armen mit Holz 2 Louisdor an die städtische und 1 Louisdor an die Grünstraßer Armenkasse.
Am 5 Februar
starb der Maurermeister Scharlach im 80ten Lebensjahre nachdem er 6 Tage vorher am 29ten Januar 1840 sein 50jähriges Meisterwerden erlebt hatte.
Am 7 Februar
starb im bald vollendeten 78ten Lebensjahre der pensionierte Bauverwalter Wend. Er bekam 30 Thaler jährliche Pension.
16 geköpfte Pappeln auf einem Rundtheile in der Kirschallee wurden stehend für 27 Silbergroschen verkauft.
Am 18 März
wurde das Forsthaus an der Dübener Straße nach Ablauf des bisherigen Pachtes anderweit auf 6 Jahre meistbietend verpachtet an den H Tutschke aus Lehelitz für 82 Thaler jährlich. Das frühere Pachtgeld des H Kohlmann betrug jährlich 117 Thaler. Mithin jetzt 35 Thaler weniger.
Im Frühlinge
und Sommer dieses Jahres wurde die bisher chaussiert gewesene Straße in der Viehgasse und weiter hinaus bis über Thormanns Wohnung hin auf fiscalische Kosten gepflastert.
In der Todtengasse
wurde von dem Fuhrmann Scharf ein neues Wohnhaus, von dem Kaufmann Meißner junior eine neue Scheune und von dem Seilermeister Teubner ein neues Niederlage Gebäude aufgeführt, und wurden dadurch drei früher mit Stroh gedeckt gewesene Scheunen in dieser Gasse weggebracht.
Am 22 März
feierte der Justitiar Hildebrandt sen. sein 50jähriges Dienstjubiläum. Der Juristen Verein hatte an diesem Tage einen Ball mit Abendessen veranstaltet in dem Gasthofe zum goldenen Ringe an welchem über 160 Personen, namentlich auch viele Auswärtige theil nahmen. Vor dem Essen wurde von dem hiesigen Liebhaber Theater Verein, welcher im vorigen Herbste zusammen getreten ist, ein kleines Schauspiel, ein Gesangsstück und einige Scenen aus Göthes Faust gegeben.
Am 28 April
bildete sich ein neuer öconomischer Verein, von einer großen Anzahl von Mitgliedern aus den Delitzscher und Bitterfelder Kreise. Es fand in den Gasthofe zum goldenen Ringe ein Mittagsessen statt.
Die Verpachtung
der Kirschen in den Alleen gab einen Ertrag von 76 Thalern, die der Pflaumen vor dem Viehthore einen Ertrag von 157 Thalern.
Am 10 August
starb in Colberg die Ehefrau des hiesigen Kaufmanns Kühne junior, wohin sie um das Seebad zu gebrauchen gereiset war. Sie war die einzige Tochter der hier wohnenden alten Wittwe M Kretzschmar.
13 August
starb der hiesige Kaufmann Meißner sen. 85 Jahre 11 Monate 5 Tage als. Er war der älteste Mann hier.
11 August
wurde der auf dem hiesigen Commungut erbaute neue Kuhstall gerichtet. Es war dieser Bau Anfangs dem Zimmermeister Posern für 1270 Thaler übertragen worden. Als aber der pp Posern seiner zerrütteten Finanzen wegen im April 1840 von hier fortging wurde der Bau in bedeutend größerer Ausdehnung dem Zimmermeister Krause für 2470 Thaler übertragen. Während der Bau Ausführung fanden sich aber noch mehrere Gegenstände welche machen zu lassen für nöthig erachtet wurde, und man kann daher den Werth des ganzen Gebäudes auf 2800 Thaler annehmen. Der Eifer mit welchem der Bau der neuen Leipziger Straße Anfangs betrieben wurde, ließ in diesem Jahr sehr auffallend nach. Besonders fehlte es an der gehörigen Aufschüttung und Verbreiterung des Fahrdamms von der Loberbrücke bis dahin wo die neue Straße in die alte einmündet. Es mußte daher die schon begonnene Benutzung dieser Straße wieder untersagt, und mußten wiederholte Verfügungen an den Straßen Bau Verein erlassen werden um die Straße an den beiden Endpuncten auf angemessene Weise zu versperren. Der Kaufmann Kühne sen. erbauete dicht an der neuen Straße innerhalb seines Zwingers ein freundliches Gartenhaus, welches zur Verschönerung des Eingang in die Stadt sehr beiträgt.
In der Holzgasse
wo von Richters Hausecke ab das Pflaster fehlte, wurde dieses Pflaster auf Kosten der Commun hergestellt.
Ein Proceß,
welchen die Königl Regierung zu Merseburg Namens des Fiscus bei der General Commission zu Stendal angestellt hatte gegen die hiesige Stadtkommun wegen der Seiten des Fiscus behaupteten Eigenthumsrechte an Grund und Boden des Angers vor dem Viehthore, wurde von der Commun gewonnen, und der Fiscus mit seinem behaupteten Eigenthumsrecht auf Grund einer in Lehmanns Chronik befindlichen Schenkungsurkunde vom 1ten April 1384, abgewiesen. S. Lehmanns Chronik.
Dem Arris Inspector
und vormaligen Bürgermeister Schulze war auf Anordnung der K. H. Regierung zu Merseburg wegen einiger neu übernommenen Gerichtsbestellungen die ihm früher bewilliget gewesene Pension seit einigen Jahren nicht mehr gezahlt worden. Es hatte deshalb die Commun verklagt und war in dem ersten Urteil mit seiner Klage abgewiesen und in die Kosten verurtheilt worden. Das Zweite Urteil auf die seiner Seits eingelegte Appellation sprach ihm die frühere Pension von 66 Thalern 23 Silbergroschen 9 dinarium wieder zu, und da die Stadtverordneten sich bei diesem zweiten Urteil beruhigten, so mußte diese Pension vom 1ten Juli 1836 ab mit Verzugszinsen nachgezahlt, und künftig alljährlich, vierteljährlich praemmeranto gezahlt werden. Ist kein Beweis von Liebe zur Vaterstadt.-
Am 18ten October
wurde die Stadtverordneten Wahl vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Posamentierer Querl, der Stadt Musicus Hofmann, der Strumpffabrikant Arndt jun., der Stadtmüller Trommler, zu Stellvertretern der Tischlermeister Krause, der Drechslermeister Ufer, der Zimmermeister Peisker und der Kaufmann Wilhelm Schulze. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 19ten October 1840 und wurde von der neuen Versammlung gewählt zum Vorsteher Kretzschmar, zum Stellvertreter desselben Becker, zum Protocollführer Haacke zu dessen Stellvertreter Pabst.
Am 24ten Novbr
feierte der gewesene Magistrats Assessor Teuscher seine goldene Hochzeit.
1841
Am 11 Januar
starb nach 47jähriger Amtsführung der Archidiaconius M. Morgenstern, 77 Jahre alt.
Sup. Foerster.
Am 2ten Februar traf unser neuer Superintendent Förster aus Lützen hier ein. Es fuhren ihm einige vierzig Personen in 16 Kutschen bis Lemsel entgegen. Am 7 Februar hielt er ohne Probe seine Antritts Predigt mit allgemeinen Beifall und Nachmittags fand ihm zu Ehren ein großes Mittagsmal in dem Gasthofe zum goldenen Ringe statt. Magistrat und Stadtverordnete holten ihn früh halb 9 Uhr in seiner Wohnung ab, und führten ihn zur Kirche. Tags darauf wurde ihm die Wohnung sowie das Pfarr- und Ephoral Archiv übergeben. Am 7ten d. M. schenkte Jemand der Stadtkirche ein schwarz polirtes Crucifix mit vergoldetem Christusbild.
Der strenge und lange anhaltende Winter machte mehrmalige Unterstützung der Armen mit Holz nöthig. Es wurden unter die Armen vertheilt am 24ten Decbr 1840 4 Klaftern, am 13ten Januar 1841 3 ½ Klafter am 5ten Februar 4 Klafter und am 9ten Februar 1841 3 Klafter Brennholz. Der Graf von Hohenthal Döbernitz hatte dazu 4 Klaftern gegeben.
Am 21 Februar
Nachmittags ertrank die 9jährige Tochter des Tagelöhners Weiske beim Spielen am Wasser des großen Schutzes. In Folge des am 5ten März und f. eingetretenen Thauwetters war hier 6 Tage lang großes Wasser, was eine sehr seltene Erscheinung hier ist, da das große Wasser gewöhnlich nur 1 bis 2 Tage anhält. Es wurde durch das große Wasser die Schaafbrücke weggerissen.
Die Holz Auction
am 16ten Januar gab einen Ertrag von 452 Thalern 13 Silbergroschen. Es war aber das Deputat Klafter Holz für die Knabenschule nicht auf dem Holzschlage gewonnen worden und mußte dasselbe für 93 Thaler 15 Silbergroschen erkauft werden.
Am 18ten Februar
wurde der Diaconus Walcker zum Archidiaconus und am 17ten Juni der Cand. Baltzer aus Hohenleine zum Diaconus erwählt. Mit Anstellung dieser beiden Geistlichen wurde die im Monat August 1818 geschehene Fixierung des Beichtgeldes wieder aufgehoben. Das Beichtgeld wurde wieder in seine frühere Gestalt d.h. in eine freiwillige Gabe des Beichtenden an seinen Beichtvater verwandelt vom 1ten October 1841 ab. Mit dieser Veränderung war auch eine neue Gehalts Regulierung dieser beiden geistlichen Stellen verbunden, und um diese zu erleichtern wurde das Amt des Katechismus Predigers dem Archidiaconus und das des Hospital Predigers dem Diaconus mit überwiesen. Die Amtstitel für beide Geistliche wurden dahin festgestellt Katechismus Prediger und Archidiaconus, Diaconus und Hospital Prediger. Das Gehalt für die erste Stelle wurde auf 395 Thaler 12 Silbergroschen 6 dinarium, das für die zweite auf 334 Thaler 27 Silbergroschen 2 ½ dinarium festgestellt, wobei das Beichtgeld nicht mitgerechnet ist. Der Herr pp Walcker trat sein Amt den 1ten August und der Herr pp Baltzer das seinige den 1ten Septbr 1841 an. Beide wurden am 5ten Septbr eingeführt.
Im Monat April
riß der Magistrats Assessor und Kirchen Vorsteher Meißner das von seinem Vater geerbte Wohnhaus am Markte nieder, um es verschönert wieder neu aufzubauen. Das neue Haus wurde gerichtet am 23ten Juni und von dem Eigenthümer bezogen am 16ten Novbr. Es ist dieses Haus jetzt das geschmackvollste an unserem Marktplatze. Beim Abtragen des alten Hauses wurden in der Küche von den Arbeitern mehrere Gold und Silbermünzen gefunden, wohl weit über 50 Thaler am Werthe.
Am 9ten Mai
wurde die Wahl von 3 neuen Candidaten zum Schiedsmanns Amte vorgenommen. Es wurden zu Candidaten gewählt von der Bürgerschaft der Bürgermeister Securius der Stadtverordneten Vorsteher Kretzschmar und der Kaufmann Tiemann. Aus diesen dreien wurde von der Stadtverordneten Versammlung der erstere zum Schiedsmann erwählt. Er wurde als solcher verpflichtet am 6 Juli. Sein Vorgänger war der Postcommissarius Päßler.
Die Kirschverpachtung am 26 Mai 1841 gewährte 88 Thaler 16 Silbergroschen.
Am 8 Juni
warf ein heftiger Sturm 4 Pappel und 1 Acazie in der Allee um die Stadt um.
In der Kohlgasse wurden während des Sommers zwei neue Hinterhäuser mit Ausgängen nach der Allee zu gebauet, nämlich von dem Beutlermeister Teubner und von dem Töpfermeister Weise.
Am 18ten Juli
war ein heftiger Orkan durch einen großen Theil von Europa. Bei uns warf er auf dem Felde viele Mandeln durcheinander, zerbrach und schüttelte die Obst Bäume. Dem ohngeachtet wurden die diesjährigen Pflaumen wenige Tage darauf für 192 Thaler verpachtet.
Am 27ten Juni
starb der Landrath von Pfannenberg auf Storckwitz 52 Jahre alt und 18 Tage. Als interims Verweser wurde der Reg. Ref. von Schönfeldt hierher gesendet. An die Stelle der zu Anfange des Monats März vom großen Wasser weggerissenen Schaafbrücke welche nur für Fußgänger eingerichtet war wurde eine größere zum Fahren taugliche Brücke gebauet. Zu diesem Baue gab der Stadtmüller Trommler 25 Thaler und der Pachter des Commungutes Amtmann Küster leistete die Fuhren. Der Bau geschah im Monate August.
Am 10 Septbr
beehrte uns der Regierungs Präsident aus Merseburg Herr von Krosigk mit seinem Besuche.
Am 12 Septbr
wurde das Bibelfest gefeyert, und am 24ten Septbr wurde auf hiesigem Rathhause Kreistag gehalten und dem Vorsitze des Landraths von Leipziger zu Bitterfeld, um die Wahl von 3 Candidaten zum Landraths Amte vorzunehmen. Es wurden gewählt der Regierungs Referendar von Pfannenberg der Reg. Ref. von Schönfeldt und der Lieut. von Bosse.
Am 4ten Octbr
warf Maximilian Meyer, ein Oeconom aus Bitterfeld aus bösem Willen bei dem hiesigen Land und Stadtgerichte mehrere Fenster ein.
Am 17ten Octbr
wurde die Wahl von neuen Stadtverordneten und Stellvertretern vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Chirurgus Große der Instrumentenmacher Moritz der Seifensieder Karl Held und der Leineweber Schönbrodt, zu Stellvertretern der Huthmacher Schumann der Schneidermeister Kreutzer der Tischlermeister Blanke der Gastwirth Sänger. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 18ten Octbr. und wurden sodann von der Versammlung der Kaufmann Haacke zum Vorsteher zu dessen Stellvertreter der Seifensieder Held, zum Protocollführer der Stadtmusicus Hofmann und zu dessen Stellvertreter der Leineweber Schönbrodt gewählt. Der Provinzial Stempel Fiscal Reg. Rath Schenk aus Mühlhausen hielt im Herbste Stempel Revision.
Am 12 Novbr
wurde von dem erwähnten Straßenbauverein – bestehend aus folgenden Mitgliedern Dr. Gerber, Kühne sen., Wilhelm Kühne, Becker, Tiemann, Krause, Bier, August Schmidt sen., Friedrich Gottlieb Schmidt, Christian Friedrich Schmidt, Friedrich Held Chirurgus Große Gastwirth Fröhlich und Posthalter von Bunau – die neue Leipziger Straße mit dem Pflaster Gleitshause als vollendet an die Commun übergeben, und von der letzteren übernommen. Einige Wochen darauf wurden die noch rückständigen 500 Thaler aus der Kämmereikasse an den Verein gezahlt.
Am 30ten Novbr.
erhing sich aus Melancholie auf dem Oberboden ihres Vaters ein junges Mädchen Wilhelmine Becker. Der Vater ist Stellmachermeister und wohnt in der Rittergasse.
Am 22ten Decbr.
wurde der Leineweber Poppe in seinem Hause und neben ihm sein Kind ein Mädchen von 5 ½ Jahren erhängt gefunden. Er hatte erst sein Kind und dann sich selbst erhängt.
Im Monat
December wurden von der Regierung zu Merseburg die beiden Renten welche die hiesige Stadt Commun jährlich mit 200 Thalern für das Pflastergeleite vom Viehthore bis zum Kohlthore und mit 12 Thalern für den Salzschank bezog, abgelöset, und wurden dafür 5300 Thaler gezahlt. Es wurde dieses Geld zur Tilgung der Stadt Schulden verwendet.
Vorstadt Schule
Schon im vorigen Jahre war der Bau eines neuen Schulhauses in der Vorstadt zur Sprache gekommen. Die Stadt Commun und die Commun Grünstraße hatten sich gemeinschaftlich den Bau ausführen zu wollen vereiniget. Der Bau begann im Monat März 1841.
1842
Am 14 Februar 1842 wurde der Bau eines neuen Schulhauses in der Vorstadt abgenommen, und nachdem während des Sommers 1842 die Schul Utensilien angeschafft worden waren, wurde die neue Schule zu Michael 1842 feierlich eingeweihet.
Am 16 Februar
kam der evangelische Bischoff Dr. Dräsecke aus Magdeburg in unsere Stadt, um unseren neuen Superintendenten Förster einzuführen. Die Einführung geschah am 18 Februar. Darauf war Synode, und um 2 Uhr Nachmittags ein Diner im Gasthofe zur goldenen Weintraube. Am 20ten Februar war Kirchen Visitation, und am 21 Februar früh 10 Uhr, machte der Bischoff dem versammelten Magistrate und Stadtverordneten auf dem Rathhause einen Vortrag über das hier Gefundene. Er war zufrieden.
Am 20 März
stürzte das Hintergebäude des Schlossermeisters Losse mit Werkstätte, in der Zscherngasse ein. Die alten zum Theil abgestorbenen oder vom Winde beschädigten Acazien vor dem Gottes Acker wurden zum Ausroden verkauft, und an deren Stelle neue angepflanzt.
Ziegelbrennerei
Der Zimmermeister Krause und der Kaufmann August Schmidt hatten sich zur Einrichtung einer Ziegelbrennerei vor dem Halleschen Thore vereiniget. Die Vorbereitungen dazu waren schon im Monat September 1841 getroffen worden. Am 28 Juni 1842 wurde der erste Brand gemacht, welcher nicht sonderlich ausfiel. Die folgenden Brände waren besser. Zwei Jahre vorher hatte derselbe Zimmermeister Krause vor dem Viehthore auf einem von der Commun erpachteten
Braunkohlenfabrik
Grundstücke neben Barths Gasthofe zur Weintraube eine Braunkohlenfabrik errichtet, wozu die Kohle von Bitterfeld hergeholt wurde. Bis jetzt aber fehlt es diesem Unternehmen noch an dem erwünschten Absatze seiner Waren.
Hasserts Herrmanns und Vogels Baue
Der Justiz Commissarius Hassert hatte im vorigen Jahre aus Poserns Concurse den Bauplatz am Kohlthore gekauft und im Herbste 1841 ein Stallgebäude auf demselben aufgeführt. In diesem Jahre 1842 erbauete derselbe auch noch ein stattliches Wohnhaus daselbst. Der Bau begann im Monat April und zu Michael zog der Erbauer in sein neues Haus. Der Tuchscherer Herrmann in der Holzgasse erbauete ein neues Hintergebäude und der Bäckermeister Vogel in seinem Zwinger an der Pforte einen neuen Holzstall.
Am 18 April
starb die Rector Wittwe Kretzschmar hier, welche der Armenkasse ein Legat von 100 Thalern vermacht hatte. Ihr Haus am Markte kam an den Kaufmann Friedrich Schmidt, welcher dasselbe wesentlich veränderte und verbesserte, und eine Schnitthandlung darin anlegte. – Eine Kirchencollecte für das neue evangelische Bisthum zu Jerusalem, welche in diesem Monate gesammelt wurde, brachte 30 Thaler ein. – An dem Wege nach Zschernitz bei Burgmann Garten wurden Saure Kirschbäume Stück gepflanzt, von der Commun.
22 bis 26 April
Die wackeliche Fahne auf der südlichen Spitze unseres Stadtkirchthurmes wurde wieder festgedreht von dem Ziegel und Schieferdeckermeister Fritzsche von hier. Kostet 19 Thaler 15 Silbergroschen. Als hierbei der Thurm Knopf wieder aufgesetzt wurde, fiel die darin befindliche blecherne Büchse heraus und herunter auf das Pflaster. Die Blechbüchse wurde verbogen und die darin steckende hölzerne zersprang. Beiden Schäden wurde schnell wieder abgeholfen und der Knopf nochmals aufgesetzt.
Die neue Leipziger Straße
wurde von dem Verein zur Erbauung derselben mit Birken bepflanzt. Auf jeder Seite stehen 62 Stück.
Die Brauerei
wurde von neuem auf 6 Jahre an den Brauer Derbfuß verpachtet. Jedoch nur für 655 Thaler jährlich. Vorher gab er Thaler jährlich.
Am 21 April
wurde von dem Landrathe von Leipziger ein zweiter Kreistag hier gehalten um 3 Landraths Amts Candidaten zu wählen, da die erste Wahl am 24ten Septbr 1841 für ungültig erklärt worden war. Der Referendar von Pfannenberg hatte wieder die meisten Stimmen
Mai
Von der Aachener Feuer Versicherungs Gesellschaft wurden der hiesigen Stadt 175 Thaler als Geschenk überwiesen, um dafür einen Wasser Zubringer anzuschaffen. Der bisherige hiesige Landwehr Bataillons Commandeur Major Ehrhardt wurde als Oberstlieutnant nach Neu Ruppin versetzt und an dessen Stelle kam der Major Beczwarzewsky.
Schnellpost
Am 1 Juni hörte die seit dem Jahre 1824 bestandene Schnellpost, welche zwischen Berlin und Leipzig täglich zweimal hier durch ging, auf, in Folge der Eisenbahn Verbindung welche zwischen Berlin und Leipzig über Trebbin Jüterbogk Wittenberg Coswig Dessau Halle entstanden ist.
Gemäße
Die alten kupfernen Scheffel und Kannenmaaße, welche durch die erfolgte Reduction dieser Maaße auf Preußisches Gemäß ganz überflüssig geworden waren, wurden am 28 Juni 1842 für 29 Thaler 24 Silbergroschen 3 dinarium öffentlich verkauft.
Am 2 Juli
schlug der Blitz in die auf dem Hofe des Commungutes stehende Linde, ohne zu zünden.
Parreidts Gartenhaus Kretzschmers Seitengebäude Webers Haus
Parreidts Erben ließen ihr dem Tiermannschen Zwinger gegenüberliegendes Gartenhaus fast neu herstellen. Der Gürtlermeister Kretzschmer, Kirchenvorsteher untermauerte sein Seitengebäude. Das Wohnhaus der Wittwe Weber Nu 71 in der Süßmilchgasse ging verloren. Der Kaufmann Schmidt am Markte Nu 70 kaufte dasselbe, riß es nieder, und bauete auf dieser Stelle ein Seiten Gebäude zu seinem großen Hause.
Am 27 Juli
starb früh 9 Uhr der hiesige berühmte Arzt und Jubel Doctor, Dr. Carl Friedrich Gottlieb Ideler, fast 77 Jahre alt.
Am 28 Juli
zog der Rector habstitutus an hiesiger Stadtschule Stützer aus Nebra gebürtig bisher Rector in Mücheln, hier ein, und wurde den 8 August in sein Amt eingeführt. Er ist ein junger kräftiger, in seinem Fache sehr geschickter Mann. Er hat außer der freien Wohnung jährlich 186 Thaler 9 Silbergroschen 2 dinarium und der rector emeritus Ahner bekommt einen Emeriten Gehalt von 200 Thalern jährlich.
Carthon
Der bisherige erste Polizeidiener Marktmeister und Gefangenenwärter Carthon war am 9 Juli gestorben. An dessen Stelle kam der bisherige zweite Polizeidiener Heyme, und in dessen Stelle kam der von dem Landwehrstamme entlassene Gefreite Hunoldt, welcher wie sein Vorgänger zugleich Armen Voigt ist. Beide wurden am 25ten August verpflichtet.
Dem neuen Landrathe Hl Referendar Arthur von Pfannenberg zu Ehren war am 26 August von der Erholungs Gesellschaft in dem Gasthofe zur goldenen Weintraube ein Mittagsmahl veranstaltet; am 4ten Aug. hatte derselbe sein Amt angetreten.
Im September wurde die Feldseparation auf Gertitz Mark beendiget.
Die diesjährigen Kirschen wurden für 83 Thaler 12 Silbergroschen und die diesjährigen Pflaumen für 251 Thaler verpachtet. Zu Ende September als der Stadtgraben der Fischerei wegen abgelassen war, wurde die hölzerne Uferbefestigung am Stadtgraben vor der Pforte erneuert. Desgleichen wurde das neue Pflaster von dem Halleschen Thore bis zur Hospitalbrücke vollendet.
Abendmahls Kelch
Der Dr. Ideler jun. machte unserer Stadtkirche ein Geschenk mit dem großen silbernen Fest Pokale, welchen sein verstorbener Vater bei seinem Doctor Jubilär geschenkt bekommen hatte. Es soll als Abendmahlskelch benutzt werden, und hat der Schenkgeber noch eine silberne, inwendig vergoldete,Patena als Hostien Teller beigefügt. Werth 110 Thaler. Gewicht 57 Loth; Höhe des Kelchs 12 Zoll sächs. Maaß.
Am 16 Octbr
wurde die Wahl neuer Stadtverordneter und Stellvertreter vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Riemer Pritker, der Sattler Wecke der Kaufmann August Schmidt, der Beutler Christoph Teubner, zu Stellvertretern der Maurer Meie der Seifensieder Gottlieb Held, der Tischler Walther und der Weißgerber Kitzing. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 21 Octbr. und wurden der Kaufmann August Schmidt zum Vorsteher der Posamentirer Querl zu dessen Stellvertreter der Stadtmusicus Hofmann zum Protocollführer und der Leineweber Schönbrodt zu dessen Stellvertreter gewählt. Der mit dem Fischer ............................. abgeschlossenen Pacht über die Fischerei im Stadtgraben wurde vom 1ten November ab wieder auf 6 Jahre verlängert.
Das alte Vorstädter Schulhaus welches durch die Erbauung der neuen Vorstadtschule entbehrlich geworden, wurde für 131 Thaler zum Abtragen verkauft. Die Unternehmer Meie Haacke und Große haben aber Schaden daran gehabt.
Der Seilermeister
Schöltz aus Lemsel kaufte das Hildebrandtsche Haus an der Ecke der Leipziger Gasse, und richtete es zu einem Seilerladen ein.
Am 30ten December
wurde dem Verein zur Besserung der entlassenen Strafgefangenen die obere Etage des Pfortenwärter Hauses überwiesen um darin eine Arbeits Anstalt zu errichten. Auch wurde zur Heitzung der Arbeitsstube 1............................... Holz und 1 Reishaufen aus dem diesjährigen Holzschlage bewilliget. Es ist aber diese Arbeits Anstalt sehr wenig benutzt worden, indem die entlassenen Sträflinge, welche hier Beschäftigung finden sollten, das Stillsitzen nicht vertragen konnten, und nicht zur Arbeit kamen. Die Anstalt ging daher bald wieder ein.
1843
Der Winter war nicht streng, was für die Armen zumal bei der geringen Ernte im vorigen Jahre eine große Wohlthat war. Es wurde Holz Braunkohlensteine und Brod unter die Armen vertheilt. Die Holz Auction auf dem diesjährigen Holzschlage in der Spröde gewährte einen Ertrag von 473 Thalern 28 Silbergroschen. Zur Anschaffung der Deputathölzer, welche nicht alle auf dem Holzschlage gewonnen werden konnten, mußten noch 174 Thaler 9 Silbergroschen aus der Kämmereikasse aufgewendet werden.
Die Brodvertheilung
an die Armen belief sich in den beiden Monaten Januar und Februar 1843 auf 623 Stück jedes zu 2 Silbergroschen. Auch Saamenkartoffeln wurden angekauft um den Armen damit zu Hülfe kommen zu können.
Am 2ten März
starb der alte treuverdiente Küster Johann Christian Klickermann. Zu seinem Nachfolger wurde der Civil Super................... und Kassen Assistent bei dem hiesigen Land und Stadtgerichte Baumgärtel, vormals Schullehrer in Landsberg ernannt, welcher den 1ten Actbr. sein Amt antrat. Er wurde zugleich mit verpflichtet, in einer hiesigen Schule 12 Stunden Schulunterricht wöchentlich ohne weitere Entschädigung mit zu ertheilen.
Stall bei der Vorstadtschule
Im Monate März wurde der Bau eines neuen Stalles bei der Vorstadtschule unternommen, und für den zweiten Mädchenlehrer Petermann, welcher sich zu verheyrathen beabsichtigte wurde eine Koch Einrichtung an der es in seiner Wohnung noch fehlte, hergestellt. Durch den Neubau der Vorstadtschule wurde eine Vergrößerung für unseren Gottes Acker um ohngefähr 110 Grabstellen gewonnen.
Am ersten Osterfeiertage
wurde von dem hiesigen Singe Verein eine Kirchen Musik aufgeführt und der Ertrag nahe an 30 Thaler der hiesigen Arbeits Anstalt überlassen.
Hühnel giebt seine Schule auf
Der hiesige concessionirte Privat Schullehrer Hühnel gab zu Ostern seine Privatschule auf und die Kinder, 60 an der Zahl, welche diese Schule besucht hatten, wurden der öffentlichen Schule überwiesen.
neuer Brunnen
Im Frühjahr und Sommer wurde der Pachter des hiesigen Commungutes, Amtmann Küster von einem ungewöhnlichen Viehsterben heimgesucht sowohl unter dem Rindviehe als unter den Schaafen. Es wurde daher auf seinen Antrag ein neuer Brunnen gegraben, der alte aber zugefüllt, und wurden ihm 100 Thaler für dieses Jahr an Pachtgeld erlassen. Es waren bis zum 25ten August 8 Stücken Rindvieh gefallen und späterhin fielen noch einige. Es ging daraus hervor daß das Wasser womit das Vieh getränkt wird an dem Sterben nicht Schuld war.
Die Kirschen, die Pflaumen
wurden am 9 Juni 1843 für 130 Thaler und am 27ten Juli 1843 für 178 Thaler verpachtet. Wegen großen Windschadens aber wurden dem Pachter der letzteren 28 Thaler an seinem Pachtgelde erlassen.
Am 17 August
feierte der Tischlermeister Illge sein 50jähriges Meister Jubelfest.
am 15 October
Die Wahl neuer Stadtverordneten und Stellvertreter wurde vorgenommen. Es wurden gewählt als Stadtverordnete der Maurermeister Meie, der Schneidermeister Kreutzer der Seilermeister Teubner sen. und der Orgelbaumeister Löwe, als Stellvertreter der Gastwirth Gottlob Berkner der Schneidermeister Kirchhof, der Lieutenant von Bünau und der Ofenfabrikant Weise. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 18ten October, und wurden von der Stadtverordneten Versammlung der Kaufmann August Schmidt zum Vorsteher der Riemermeister Pritker zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt zum Protocollführer, und der Orgelbauer Löwe zu dessen Stellvertreter gewählt.
Diebstähle
In der Nacht vom 4ten bis 5ten Octbr wurde ein Diebstahl bei dem Bürgermeister Securius und in der Nacht vom 17ten bis 18ten Novbr einer dergleichen bei dem Diaconus Baltzer beide mittelß Einbruchs durch das Fenster begangen. Des Diebstahls sehr verdächtig war der Zimmergeselle Werner welcher deshalb gefänglich eingezogen und inquirirt wurde. der pp Werner war aber nicht zum Geständnisse zu bringen. Die Untersuchung dauerte lange und war bis heute (dem 15 Juni 1844) wo dieses geschrieben wird, noch lange nicht beendiget. Während seines Arrests war der pp Werer dreimal entsprungen. Die beiden erstenmale wurde er sehr bald wieder erlangt. Zum drittenmale aber ist er am 6 Juni 1844 entsprungen und heute noch nicht wieder erlangt.
Ein Comet
Im October erschien ganz unerwartet im Westen ein Comet mit einem langen, matten Schweife.
Sonntagsschule
Am 12ten Novbr 1843 wurde hier eine Sonntags Schule ins Werk gestellt, an welcher der Rector Stützer der Candidat Straßberger und der Maurermeister Göttsching abwechselnd Unterricht ertheilen, der erste in der deutschen Sprache und im Rechnen, der zweite in der Erdkunde und Geschichte der dritte im Zeichnen. Der Unterricht wird sonntäglich Vormittags von 11 bis 12 Uhr und Nachmittags von 3 bis 4 Uhr ertheilt. Die Schule welche vorzüglich auf Handwerksgesellen berechnet ist, ist sehr besucht. Als Unterrichtslocale werden die beiden ersten Klassen der Knabenschule benutzt, und zur Heitzung derselben sind aus der Kämmereikasse jährlich 8 Thaler bewilliget worden.
Pflaster am Galgthore
Im Herbst 1843 wurde auf dem Steinwege von des Kaufmann Haake Hause an bis zum Galgthore eine Strecke von 34 ½ Quadratruthe Straßen Pflaster neu aufgeführt. Es war diese Strecke bisher ungepflastert gewesen. Der Maurermeister Rose hat diese Pflasterung gefertiget. Sie kostet, ungerechnet 12 Ruthen Pflastersteine, welche die Commun vorräthig hatte, 218 Thaler.
Im Frühjahre
wurde 281 junge Obstbäume in den westlich von der Stadt gehörigen Pflanzungen angepflanzt.
Helling
Dem Justiz Commissar und Magistrats Ass. Ernst Gustav Helling wurde am 8ten Septbr 1840 von seiner Gattin geborene Lorenz ein Knabe geboren, Gustav Hugo Adalbert Helling genannt. Als dieser Knabe 1 Jahr alt war schenkte der Vater mittels Schenkungs Urkunde vom 8 Septbr 1841 der hiesigen Vorstadtschule ein Kapital von 100 Thalern wovon die Zinsen mit ¼ zu Prämien für einige Schulkinder mit ¼ zur Unterstützung des Lehrers und mit 2/4 zur Ergötzlichkeit für die Kinder der ersten Abtheilung welche an diesem Tage spazieren geführt werden sollen, bestimmt sind.
Mit Ende des Jahres 1843 schied der unbesoldete Magistrats Assessor Krieger aus dem Magistrats Collegio. Auch war mit Ende dieses Jahres die Wahlzeit des besoldeten Magistrats Assessors Meißner abgelaufen. Es waren daher zeitig genug neue Wahlen eingeleitet und waren gewählt worden von der Stadtverordneten Versammlung zum besoldeten Assessor auf Lebenszeit der obengenannte Meißner und zum unbesoldeten Assessor auf 6 Jahre der Kaufmann August Schmidt. Beide der pp Meißner und pp Schmidt wurden am 1ten Januar 1844 feierlich in ihr Amt eingeführt und resp. vereidiget.
1844
Der Winter war bis zum 8ten Januar sehr gelinde und auch späterhin erreichte er keine sonderliche Strenge. Im Monat Februar wurden gegen 8000 Torf und Braunkohlensteine an die hiesigen Armen vertheilt. Am 30ten Januar starb der Pachter des hiesigen Commungutes, Amtmann Küster.
Februar
Der Bau Inspector Müller hierselbst wurde im Februar in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt. Zu dessen Nachfolger wurde der Wegebaumeister Schönewald aus Sangerhausen bestimmt, welcher zu Anfange des Monats Mai hier eintraf. In der Zwischenzeit wurde die hiesige Bau Inspection von dem Bauconductuer Lüddemann aus Eckartsberga verwaltet.
Gregorius
Die Lehrer an der Knabenschule beabsichtigten mit dem Gregorius Umgange eine Aenderung vorzunehmen, und solchen wie sie sagen zeitgemäßer einzurichten. Es wurde dieserhalb mehrfach hin und her geschrieben. Die Sache blieb aber unausgeführt, da bei einer solchen Abänderung ein Ausfall des bisherigen Einkommens davon für die Lehrer zu fürchten war. Auch schon im Ihre 1826 wurde eine Abänderung mit dem Gregorius Umgange von dem Magistrate beantragt, jedoch ebenfalls ohne Erfolg.
Elementarschule am 15 April
Wegen Überfüllung der hiesigen Stadtschulen wurde im vorigen Jahre die Errichtung einer neuen gemischten Elementarschule eingeleitet. Es wurde dazu eine Schulklasse und eine Lehrerwohnung in dem Hause des Böttgermeisters Schumann neben der neuen Knabenschule für 60 Thaler jährlich auf 10 Jahre gemiethet. Als Besoldung für den Lehrer wurden jährlich 120 Thaler aus der Kämmereikasse ausgesetzt, wogegen das in dieser Schule aufkommende Schulgeld, 1 Thaler jährlich für jedes Kind, der Kämmereikasse überwiesen wurde. Als Lehrer an dieser neuen gemischten Elementarschule wurde der Schul Amts Candidat Heinrich Robert Hofmann angestellt, Sohn des vormaligen Stadtmusicus, und wurde derselbe eingeführt, und die Schule eröffnet.
In diesem Frühjahre wurden in den Pflanzungen der Commun 275 Obstbäume und 14 wilde Bäume gepflanzt. Der Monat Mai brachte eine ganz ungewöhnlich große Menge Maikäfer mit sich. Die diesjährigen Kirschnutzungen wurden am 5 Juni für 115 Thaler verpachtet. Der Tischlermeister Krause in der Rittergasse 97 bauete ein neues Seitengebäude, um ein Sarg Magazin darin anzulegen. Der Fuhrmann Schreckenberger kaufte das Haus des Leinewebers Klette zu Anfang der Schulgasse Nz 240 trug es ganz ab, und bauete es neu auf. Der Wassermüller Trommler hat im vorigen Jahre seine Mühle, die hiesige Stadtmühle an den Wassermüller Bretschneider aus Naundorf verkauft und ist nach Eilenburg gezogen.
Der Obersteuer Controlleur Köpke, welcher seit Inkermanns Absetzung, das hiesige Steuer Amt verwaltet hat, wurde am 1ten April pensionirt und die Verwaltung des Steuer Amtes dem Steuer Inspector Meßner aus Zeitz übertragen.
Am 11 Juni
hatte der hiesige Rector substitutus Feodor Stützer mit Jungfrau Clara Irmisch Hochzeit.
Pflastergeleite
Die Erhebung des hiesigen Pflastergeleites in allen 3 Thoren wurde am 12ten Juni auf sechs hintereinander folgende Jahre vom 1ten Januar 1845 ab an den Sattlermeister Ronniger für ein Pachtgeld von 247 Thalern jährlich verpachtet.
16 Juli
Der Lohgerbermeister nachherige Commissionär Fiedler, ein unverbesserlicher Branntweintrinker, welcher früher hübsches Vermögen besessen hatte, erhing sich am 16ten Juli in dem Polizei Gefängnisse wohin er den Abend vorher wegen obdachlosen Umhertreibens gebracht worden war.
Die hiesige
Bibelgesellschaft hielt am 7ten Juli ihr Bibelfest mit Nachmittags Gottesdienst, und vertheilte 70 Bibeln unter arme Kinder.
15 u 16 Juli,
Die sehr ausgetretene Freitreppe vor dem Rathhause wurde von Weißenfelser Sandstein mit einem Aufwande 47 Thalern 6 Silbergroschen neu hergestellt. Die alte Treppe hatte 4 Stufen die neue aber erhielt nur 3 Stufen. Diese Umänderung wurde am mithin in zwei Tagen ausgeführt.
Für 2318 Thaler 22 Silbergroschen 6 Pfennige alte Kapitalien von 1501-1505 pp welche die hiesige Stadt am 21ten Decbr 1841 an die Universität Leipzig zurückgezahlt hatte, sind am 1 Juli 1844, 1073 Thaler 15 Silbergroschen 8 Pfennige Agio und 64 Thaler 12 Silbergroschen 3 Pfennige Verzugszinsen davon noch nachgezahlt worden.
Um die Metten Communion feierlicher zu machen war Einleitung getroffen worden, bei selbiger Gesang mit Orgelbegleitung statt finden zu lassen. Den dabei betheiligten Schullehrern wurde eine Entschädigung, die sie dafür verlangt hatten, von der k. Regierung zu Merseburg abgeschlagen. Dem Calcanten aber wurde am 4ten Juli 1844 von der Kirchfahrt für das Bälgertreten jährlich 2 Thaler aus dem Kirchenvermögen bewilliget.
Dem hiesigen Justitiar Arris Insp. Schulze wurde von Sr Majestät dem Könige der Titel als Justizrath beigelegt. Das ärztliche Personal vermehrte sich um 2 promovirte Aerzte Dr. Pfotenhauer und Dr. Zieger, zwei hiesige Eingeborene. Wir haben jetzt hier sechs promovirte Aerzte einen Chirurg erster Klasse und drei Chirurgen zweiter Klasse.
Das Militärlazareth
wurde aus dem Ordonanzhause in die obere Etage des Pfortenwärterhauses verlegt und am 23ten August dem hiesigen Bataillons Commando übergeben.
Scharlachfieber
Der Sommer war kalt und unfreundlich und brachte das Scharlachfieber, welches mehrere Monate hier grassirte und woran viele Kinder starben.
23 Octbr
Die Wahl neuer Stadtverordneten und Stellvertreter wurde vorgenommen am 20ten October. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Instrumentmacher Moritz der Kaufmann Dittmar der Kaufmann G.H. Schulze und der Kaufmann Haake, zu Stellvertetern der Tischlermeister Scheiding junior der Fleischermeister Hartig der Sattlermeister Andreas Teubner und der Beutlermeister Karl Teubner. Die Einführung der neuen Stadtverordneten geschah am 23. Octbr und wurden gewählt zum Vorsteher Peisker zu dessen Stellvertreter der Seilermeister Teubner sen. zum Protocollführer der Kaufmann Schulze und zu dessen Stellvertreter der Kfm. Dittmar.
Forsthaus
Die Pachtung des der Stadt Commun gehörigen Forsthauses an der Dübener Straße welche nach pag 80 auf dem pp Tutzschke aus Lehelitz übergegangen, und in welche dieser am 1ten Septbr 1840 eingetreten war, ging im Monat März 1843 auf dem Förster Weihe aus Cossa und von diesem zu Johanni 1844 wieder an den Acronomen Friedrich Kaßler aus Eismannsdorf bei Halle über. Die Pachtsumme von 82 Thalern jährlich blieb unverändert, und die Pachtung wurde dem pp Kaßler auf sein Ansuchen bis zum 1ten Septbr. 1852 verlängert.
22ten Octbr
Die Weißgerberfrau Kitzing verbrannte sich am 22ten Octbr 1844 an dem Feuer unter dem Waschkessel, welches ihre Kleider ergriffen hatte, sehr bedeutend und starb Tags darauf an den Brandwunden.
Feueressen
Zu Ende October wurden auf Kosten des Justiz Fonds in unserem Rathhause zwei neue russische Feueressen erbauet, um den Rauch aus dem Ofen der unten befindlichen Kassenzimmer des Land u Stadtgerichtes, welcher oben sehr belästigte, richtig abzuleiten. Die Justiz Parthei hatte diesen Bau der hiesige Stadt Commun aufbürden wollen, aber die von dem Magistrate dagegen gemachten Vorstellungen hatten zur Folge, daß die Baukosten auf dem Justiz Fond übernommen wurden.
Helling
Am 11ten Decbr 1844 Abends ¾ 10 Uhr starb der unbesoldete Magistrats Assessor Justiz Commissar und Notar Ernst Gustav Helling 48 Jahr 10 Monate 24 Tage alt. Er war ein sehr braver Mann und hatte 10 Jahre lang ein unbesoldetes Stadt Amt aus Liebe zur Stadt verwaltet, würde auch solches mindestens noch 2 Jahre verwaltet haben, wenn ihn der Tod nicht früher abgerufen hätte.
1845
Am 10ten Januar starb der pensionirte Gendarm Stroy den Hungertod. Seine mehrwöchentliche Krankheit hatte darin bestanden, daß er keine Speise zu sich nehmen konnte.
Mit dem 1ten Januar gab der bisherige Pflastergleits Pachter Victualienhändler Hofmann diese Pachtung auf, und es trat als neuer Pachter der Sattlermeister Ronniger ein. Hofmann gab jährlich 213 Thaler, Ronniger aber giebt jährlich 247 Thaler Pachtgeld.
Holzauction
Die Holz Auction in dem Communholze in der Spröde am 28ten Januar 1845 gab einen Erlöß von 419 Thalern 4 Silbergroschen.
Der Winter war sehr streng und besonders gab es viel Schnee. Die Kälte stieg an mehreren Tagen früh bis – 17 Reaum. Noch am 2ten Maerz früh 7 Uhr – 14 R. Zur Unterstützung der Armen wurden 2 Klafter Holz, und 50000 Braunkohlensteine unter selbige vertheilt. Der Graf von Hasenthal Döbernitz hatte dazu 30 Thaler gespendet, und eine in der Stadt veranstaltete Collecte hatte 53 Thaler eingebracht.
Am 13ten März
erhängte sich der Schumachermeister Ziegrich senior.
großes Wasser
Vom 25 bis mit 29 März war großes Wasser in Folge schnellen Thauwetters. Der Lober war bedeutend ausgetreten und ging erst am 30 März in seine Ufer zurück. Die erst seit 4 Jahren neu erbaute Schaafbrücke wurde beschädiget. Einige Dämme vor dem Halleschen Thore wurden durchbrochen, und die Promenade an der Stadtmühle wurde überfluthet.
Am 1 April
verließ der Gastwirth Schaaf seinen verpachteten Gasthof zum goldenen Ring, und zog in den von ihm erkauften Gasthof zum 3 Schwanen, in welchem er die Wirthschaft am 1ten Mai antrat. Er unternahm ansehnliche Baue zur Verbesserung dieses Gasthofes und bauete namentlich einen neuen Saal, Gesellschafts Zimmer und Küche.
Der Apotheker Pfotenhauer und der Beutler Schneider restauriren ihre Häuser. Der Kaufmann Schulze in der breiten Gasse bauet ein neues Seitengebäude.
Magistrats Assessor
An die Stelle des verstorbenen Magistrats Assessors Helling war der Kaufmann Johann Christian Tiemann zum unbesoldeten Magistrats Assessor auf 6 Jahre gewählt worden. Derselbe wurde am 6ten April in das Magistrats Collegium feyerlich eingeführt und verpflichtet.
In der Viehgasse Elzners Hause gegen über ist, um von der Chaussee in die Scheungasse gelangen zu können, eine neue steinerne, anstatt der bisherigen hölzernen Schleuße von der Commun gebauet worden.
Am 3ten August 1844 hatte die hiesige Schützengilde bei Sr Majestät dem Könige um eine neue Fahne als Gnaden Geschenk nachgesucht. In Folge dessen erhielt die Schützengilde mittelst Allerhöchstem Cabinets Schreibens vom 29 März 1845 eine neue Fahne zugesendet. Siekam am 3ten April hier an und wurde am 1ten Mai 1945 am Himmelfahrtstage nach der Nachmittagskirche auf dem Markte feierlich eingeweihet. Der Superintendent Förster hielt die Weiherede.
Zschernitzer Weg
Die Commun Delitzsch hatte auf Anordnung des Landraths vor etwa 2 Jahren den Communications Weg nach Zschernitz gebessert. Weil nach einer alten Straßenbau Tabelle vom Jahre 1763 diese Besserung dem Fiscus obliegt, so bat die Commun, daß ihr die darauf gewendeten Kosten vom Fiscus erstattet werden möchten und stellte, als dieses verweigert wurde, Prozeß gegen den Fiscus an. Der Prozeß ging in zwei Instanzen verloren.
Agio Erstattung von 950 rheinischen Gülden Kapital
Glücklicheren Erfolg hatte ein Gesuch des Magistrats an Sr Majestät den König vom 20 August 1844 um theilweise Erstattung des von der Commun am 1 Juli 1844 an die Universität Leipzig gezahlten Agios auf alte Kapitalien. Zwei von diesen Kapitalien rührten aus den Jahren 1501 und 1505 her und der damalige Herzog hatte der Stadt einen Gutsage Brief für diese Kapitalien gegeben. Das Agio mit 1 ½ Jahr Verzugszinsen, welche für diese Kapitalien gezahlt werden mußten, betrug 711 Thaler 16 Silbergroschen 3 Pfennige und dieser ganze Betrag wurde in Folge des Bittschreibens an Sr Majestät dem König auf allerhöchste Kabinets Order vom 23 Mai 1845 aus der Staats Schulden Tilgungskasse der hiesigen Stadt Commun wiedererstattet, am 20ten Juni 1845.
In der Zscherngasse
wurden zwei neue Wohnhäuser gebauet aus einem Stall Gebäude des Hausbesitzers Graul, das eine bauete der Schumachermeister Ziegrich das andere der pp Graul selbst.
Die Fleischerwittwe
Richter an der Ecke der Rittergasse verkaufte ein Nebengebäude ihres Wohnhauses an die Hebamme Thiele, welche sich ein selbständiges Wohnhaus daraus einrichtete.
Der Tuchhändler
Wilhelm Kühn am Markte erbauete in seinem Hofe ein neues Stallgebäude mit Keller und der Maurergeselle Thier in der Badergasse bauete in seinem Hofe ein neues Seitengebäude.
Die Kirschen
in den der Stadt gehörigen Alleen wurden für 166 Thaler 25 Silbergroschen und die Pflaumen auf dem Anger vor dem Viehthore für 127 Thaler verpachtet. Es gab in diesem Jahre wenig Pflaumen Aepfel und Birn.
Auf dem Forsthause
an der Dübener Straße waren bedeutende Reparaturen nöthig, welche ausgeführt wurden und einen Kosten Aufwand von mehr als 200 Thalern verursachten. Auch wurden dem Forsthaus Pachter Kaßler von seinem diesjährigen Pachtgelde 20 Thaler erlassen.
Die Fahrbrücke
bei der Stadtmühle war in dem Belage sehr schlecht geworden, sie wurde daher ganz neu mit kiefernen Pfosten belegt und Steinpflaster darüber gebracht.
Die Mädchenschule
und die Vorstadtschule wurden neu abgeputzt. In der Stadt Knabenschule wurden die Küchen für Rector und Kantor verändert. In beiden wurden die Rauchfänge weggenommen und Kochöfen eingerichtet, auch ließ der Kantor in seine Hinterstube sich einen Füllofen setzen, wozu ihm Seiten der Commun 12 Thaler bewilliget wurden.
Markt Ordnung
In Folge der neuen Gewerbe Ordnung wurde eine Markt Ordnungfür hiesige Stadt entworfen und nach erfolgter Genehmigung Seiten der Regierung zu Merseburg in Druck gegeben. Unsere Stadt erlangte dadurch den Vortheil, Stättegeld an den drei Viemärkten erheben zu dürfen, und es wurde die Erhebung dieses Stättegeldes auf 3 Jahre für 16 Thaler jährlich verpachtet.
Am 15 August
feierte der hiesige Tischlermeister Jacob, ein ehrenwerther Mann, sein 50jähriges Jubelfest als Tischlermeister. Der Jubilar wurde von seinen Innungs Genossen mit einer silbernen Denkmünze und mit einem unter Glas und Rahmen gefaßtem Gedichte beschenkt.
Am 27 August
wurde der Communications Fahrweg nach Döbernitz mit Zuziehung der anstoßenden Feldbesitzer von neuem regulirt und auf eine Breite von 20 Fuß und an jeder Seite ein Graben von 4 Fuß breit festgesetzt. Im Laufe des Herbstes kam diese Regulirung in Ausführung.
neue Brücke
Der Schankwirth Kretzschmer in der blauen Taube unter Amts Jurisdiction erbauete eine neue Brücke über den Lober damit über solche das bei ihm anhaltende Fuhrwerk in sein Gehöft einzufahren Gelegenheit habe.
Stadtverordnetenwahl
Am 19ten October war die Stadtverordneten Wahl. Es wurden gewählt
a) zu Stadtverordneten der Drechsler Wilhelm Ufer, der Riemermeister Peisker, der Strumpffabrikant Pabst und der Beutlermeister Christoph Teubner, b) zu Stellvertretern der Victualienhändler Hofmann, der Tischlermeister August Krause, der Riemermeister August Haase und der Tischlermeister August Rückle.
Die Einführung der neu gewählten Stadtverordneten geschah am 21ten Octbr 1845 und es wurden gewählt zum Vorsteher Peisker zu dessen Stellvertreter August Teubner, zum Protocollführer Dittmar zu dessen Stellvertreter G. Schulze.
Am 23ten October
feierte der hiesige achtbare Bürger, Strumpfwirker Arndt sein 50jähriges Jubelfest als hiesiger Bürger.
Am 4ten Novbr
starb der hiesige Maurer Meister Göttschling jun. Mitglied der Prüfungs Commission für Bauhandwerker und Besitzer des Gasthofs zum eisernen Kreutze, 32 1/3 Jahr alt. Zu seinem Vermögen war schon bei Lebzeiten desselben Concurs ausgebrochen und der Vater seiner Wittwe, der Lieutenant außer Dienst, Schönberg, vormals Feldwebel hier jetzt Assistent bei der K. Reg Hptkasse in Stettin, glaubte daß seine Tochter mit darin verwickelt seyn würde, und kam kurz vor Weihnachten hierher. Er fand seine Tochter ganz unbetheiligt bei der Sache und die Freude die er darüber hatte veranlaßte ihn den hiesigen Armen ein Geschenk von 4 Louisdor als Weihnachtsgabe zu machen. Dieses Geld wurde am 24ten Decbr 1845 unter 67 Arme an jeden mit 10 Silbergroschen vertheilt. Der Lieutenant Schönberg nahm seine verwittwete Tochter mit nach Stettin zurück.
1846
Spritzenfuhren
Mit dem Spritzenfuhren zu auswärtigen Feuern wurde auf höhere Anordnung mit dem Schlusse des Jahres eine neue Einrichtung getroffen. Es sind nämlich diese Fuhren welche früher von den hiesigen Spannhaltenden Einwohnern der Reihe nach verrichtet wurden – an den Fuhrmann Scharf verdungen worden, jede Fuhre zu 5 Thaler 15 Silbergroschen vom 1 Januar 1846 ab.
Begräbniß Ordnung
Auch trat mit Anfange dieses Jahres eine neue Begräbnis Ordnung ins Leben, welche nach erfolgter höherer Bestätigung gedruckt und an sämtliche Parochianen vertheilt worden war. Einige von den Diaconen und dem Küster gegen diese gedruckte Ordnung gemachte Einwendungen wurden beseitiget.
Der vorjährige Sommer hatte in den ersten Tagen des Monats Juli eine ganz außerordentliche Hitze entwickelt, welche am 9 Juli ein schreckliches Unwetter herbeiführte, und worauf kältere Tage folgten, welche durch ihre lange Dauer sogar dem Reifen und Gedeihen der Früchte hinderlich waren. Diesem Umstande schrieb man es zu, daß die Kartoffeln eine verderbliche Fäulniß zeigten, welche bei der übrigens sehr mittelmäßigen Ernte des vorigen Sommers viel Besorgniß erregten, daß Mangel an Nahrung eintreten möchte. Theils aber fand sich bei vielseitig angestellten Untersuchungen daß diese Kartoffeln, auch wenn sie von der Fäulniß angegangen, noch immer sehr gut zu gebrauchen und der Gesundheit nicht nachtheilig wären, theils schenkte uns der liebe Gott einen ungewöhnlich milden Winter, welcher die Noth der Armen sehr milderte.
Vom 22ten Februar 1846 ab trat Frühlingswetter ein, was bis heute (den 4 März) ununterbrochen angehalten hat, und wobei nur zu wünschen ist, daß nicht späterhin noch Fröste nachkommen mögen. Am 1ten März Abends hörte man Frösche quaken.
Holz Auction
Auf dem Holzschlage Nu 18 war am 12ten Februar Holz Auction, in welcher für 813 Thaler 27 Silbergroschen Holz verkauft wurde. Es war nämlich der Holzschlag fast ganz abgetrieben worden, um wieder gleichmäßig besäet zu werden mit Kiefersamen.
goldenen Hochzeit
Am 3ten Februar 1846 war der Tag der goldenen Hochzeit des Hospital Vorstehers Senator Schmidt. Er war krank und es konnte daher dieser Tag nicht so – wie es die Familie gewünscht hatte – festlich begangen werden. Die Feier wurde verschoben bis zum 9ten Februar wo in dem Barthschen Gasthofe zur Weintraube dem goldenen Ehepaare von seinen Kindern ein großes Festmahl zu 100 und mehr Couverts gegeben wurde. Tags vorher wurde der Polter Abend gefeiert durch ein kleines Lustspiel die Zerstreuten welches die Theilnehmer des Liebhaber Theaters in dem Saale des Gasthofs zum Schwan, in der Gesellschaft zur Erholung aufführten.
Am 18 Februar
wurde der dreihundertjährige Todestag des Dr. M Luther durch Abend Gottesdienst von Nachmittags 5 Uhr ab in der Kirche gefeiert. Die Kirche war angemessen erleuchtet, und ganz voll. Zuerst wurde ein Sterbelied gesungen und dann von dem Superintendant Förster eine Gedachtnisrede auf der Kanzel gehalten. Dann wieder gesungen und nachdem der Archidiaconus Walcker am Altare noch gesprochen hatte, wurde der Gottesdienst um 7 Uhr Abends geschlossen. Nach dem Schlusse wurde von dem Altar des Rathhauses herab das Lied Eine feste Burg ist unser Gott mit Trompeten und Pauken geblasen welches in der Dunkelheit und bei Sternenhellen Himmel einen sehr erhebenden Eindruck machte.
Polizei Verwaltung
Nachzuholen ist hier, daß der Stadt Magistrat von der Polizei Verwaltung über die Grünstraße , welche ihm seit dem Jahre 1819 aufgebürdet worden war, vom 1ten Januar 1844 ab wieder entbunden, und solche dem hiesigen Königl. Rentamte übertragen wurde. Es hatten vieljährige Verhandlungen über die der Stadt Commun für diese Polizei Verwaltung zu gewährende Entschädigung statt gefunden, welche so billig auch die Forderungen Seiten der Stadt waren, - jährlich 24 Thaler – nicht hatten zu Stande gebracht werden können. Der Stadt Behörde ist durch die Entbindung von dieser Polizei Verwaltung eine Erleichterung in sehr verdrießlichen Geschäften geworden und es kann dieselbe nur zum Vortheil der Stadt gereichen, wenigstens hat sich bis heute (den 12ten März 1847) diese Veränderung für die Stadt nur vortheilhaft gezeigt.
Am 23ten Februar
stürzte der östliche Giebel des Armenhauses am Gottes Acker ein, ohne jemanden zu beschädigen. Er war bis 2 Fuß über der Erde von Mauersteinen dann aber von Lehmsteinen aufgeführt, und diese letzteren waren von den vielen Regen erweicht worden.
Ein Stück Stadtmauer
50 Fuß lang an dem Zwinger des Justiz Rathes Schulze, welches der Einsturz drohte, mußte abgetragen werden, und veranlaßte mit Zu Hülfenahme der alten Steine einen Aufwand von 142 Thalern.
In der Münze
wurde das Pflaster erneuert, was besonders wegen der ganz verfallenen Abzugs Rinnen nöthig war. Auch wurden daselbst zwei neue Abzugs Rinnen angelegt. Kosten Aufwand 250 Thaler.
Vom 1ten Januar 1846
ab wurden die vier Lehrer an der Stadt Knaben Schule im Betreff des Schulgeldes und ihres Einkommens für die bisherigen sogenannten Schul Privatstunden fixirt. Jeder Lehrer erhielt jährlich 120 Thaler Fixum, wovon aber die Antheile in Abzug gebracht wurden, welche jeder aus dem Königschen Legate bekommt, nämlich bei dem Rector 10 Thaler, bei dem Cantor 8 Thaler bei dem Tertius 5 Thaler und bei dem Quartus 5 Thaler, so daß das Fixum für den Rector 110 Thaler für den Cantor 112 Thaler für den Tertius 115 Thaler und für den Quartus 115 Thaler beträgt, welches ihnen in monatlichen Theilen aus der Kämmereikasse gezahlt wird, wogegen das Schulgeld nunmehr zur Kämmereikasse fließt.
4 Mai 1846
Schullehrer Haase wurde vom 1 Mai 1846 ab mit einem Ruhestands Gehalte von 66 Thalern , welches zur Hälfte aus der Kämmereikasse gezahlt, zur anderen Hälfte von dem Diensteinkommen der Stelle gekürzt wird, emeritirt, und sein Nachfolger Jost aus Bötzen bei Eilenburg vorher Privat Lehrer in Gräfenhainichen, wurde am 4 Mai 1846 feierlich in sein Amt eingeführt; die Schulkinder hatten aus eigenem Antriebe die Schule mit Blumen freundlich geschmückt, und dem Lehrer eine Kaffee Tasse zum Geschenk überreicht.
Dampf Maschine
Der Tuchscheerer Herrmann hatte zur Anlegung einer Dampf Maschine Concession erhalten, um damit sowohl sein Geschäft als Tucharbeiter zu betreiben, als auch um eine Mahlmühle damit in Bewegung zu setzen. Er hatte schon während des nassen Winters den dazu erforderlichen hohen Schornstein aufbauen lassen. Es mußte jedoch dieser da er aus dem Lothe gewichen war, abgetragen und wieder neu aufgebauet werden. Anfang Mai 1846 wurde die Maschine in Betrieb gesetzt. Leider aber traf ihn schon am 23ten Mai 1846 das Unglück, daß seine kleine 3 ½ jährige Tochter in den Graben stürzte, wo das heiße Wasser aus dem Dampfkessel abfließt, und dabei so sehr beschädiget wurde, daß sie einige Tage nachher an den Brandwunden starb.
Am 26 Mai
reisete Sr Majestät der König von Eilenburg kommend hierdurch nach Halle. Zweck der Reise war die Besichtigung der zur Übung versammelten Landwehr in Verbindung mit dem Prinzen Cart. Unsere Stadt war festlich geschmückt mit Ehren............................, Guirlanden quer über die Straßen herüber und dergl. Auf dem Exerzier Platze war auch die Schützengilde mit aufgestellt.
Am 30 Mai
starb der Senator und Hospital Vorsteher Schmidt, welcher am 3ten Februar 1846 erst noch seine goldene Hochzeit gefeiert hatte. Als Nachfolger in dem Amte als Hospital Vorsteher wurde anfangs nur interimistisch von Neujahr 1847 ab aber definitiv der Kämmerer Weidenhammer angenommen.
Am 10ten Juni
schlug der Blitz Mittags ½ 12 Uhr in den nördlichen Giebel des Braunkohlenschuppens des Gastwirths Barth vor dem Viehthore, Gasthof zur goldenen Weintraube. Es soll an diesem Giebel vielse Erbs Stroh gelegen haben. Es war ein kalter Schlag. Ein Mädchen, welches die Gänse hütend sich an den Schuppen gesetzt hatte, wurde vom Blitz getroffen, aber nicht getödet. Nur die eine Seite ihres Körpers war blau unterlaufen.
Bau Ausführungen neue Vorstadt
Der Stadtmusicus Hofmann bauet ein neues Seiten Gebäude an sein Wohnhaus. Der Strumpfhändler Graul in der Zscherne untermauert sein Wohnhaus und verwandelt sein langes Seitengebäude in mehrere kleine Wohnhäuser, die er dann verkauft, und wodurch das Ansehen dieser Zscherngasse sehr gewinnt. Die Gastwirthe Schaaf und Becker im Schwan und im Löwen vergrößern ihre Räume durch Anbaue. Der Zimmergeselle Schäfer bauet in der Badergasse ein neues Wohnhäuschen auf einem Gartenfleck, den er von dem Korbmacher Hausmann gekauft hat. Der Maurergeselle Bauer führt auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore ein stattliches Wohnhaus auf, und soll wenn sich mehrere Baulustige finden, auf dieser Plantage eine neue Vorstadt hergestellt werden. Der Färber Möller vor dem halleschen Thore bauet ein neues Färbehaus.
Jubelfeste
Am 8ten Juli wurden 4 Jubelfeste gefeiert. das 50jährige DoctorJubiläum des Kreisphysicus Dr. Ettmüller. Er bekam den rothen Adler Orden 4 Kl.
Die Schützen Jubilaea des Seilermeisters Brade senior des Drechslermeisters Ufer senior und des Tischlermeister Jacob. Zu den drei letzteren hatten sich die Schützengilden von Eilenburg Düben u Bitterfeld auch der Schützen Hauptmann von Zörbig mit eingefunden. Jeder dieser 3 Jubilare wurde auf Kosten der hiesigen Schützengilde mit einer silbernen Denkmünze beschenkt. Die fremden Schützengilden hatten ihre Fahnen und ihre Musikchöre mitgebracht, und die Aufzüge von sämmtlichen Gilden gewährten ein sehr interessantes Schauspiel.
Blitz Einschlagen
In den letzten Tagen des Monats August hatten wir einige Male starke Gewitter. Ein heftiges Gewitter hatte sich am 30 August 1846 Abends gegen 6 Uhr zusammen gezogen. Schon glaubte man, daß alles vorüber sey, als gegen 7 Uhr noch ein heftiger Blitz herabfuhr, welcher das Haus des Daniel Held in der halleschen Gasse traf. Es war ein kalter Schlag, der an dem westlichen Giebel des Hauses herabfuhr, sich dann in dem Hause selbst an mehreren Stellen verbreitet hatte und überall bald mehr bald weniger Spuren der Zerstörung zurück ließ. Auch das Nachbarhaus des Seilermeisters Köckeritz hatte am Dach mehrere Beschädigungen erlitten.
Kirsch u Pflaumen Verpachtung
Die diesjährigen Kirschen in den zur Stadt gehörigen Alleen wurden für 177 Thaler 4 Silbergroschen und die Pflaumen auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore für 57 Thaler verpachtet. Von dem Bau Platze, welchen der Maurergeselle Bauer auf der Pflaumen Plantage zur Bebauung mit Wohnhäusern von der Commun erkauft hat, wurde die Quadratruthe mit 3 Thalern 26 Silbergroschen bezahlt. Er hat 60 Quadratruthen gekauft, und folglich 232 Thaler bezahlt.
In der Badergasse
wurde ein neuer Brunnen gegraben auf einem Theile von einer wüsten Baustelle, die dem Klempner Meister Krippehne gehört, und welche demselben abgekauft wurde. Es wurde dadurch einem wesentlichen Bedürfnisse der Bewohner der Badergasse abgeholfen. Der Brunnen mit Plumpe kostete 78 Thaler. Dem pp Krippehne wurden statt des Kaufgeldes die auf der Wüstung haftenden Schoß u Wächtergelder jährlich 13 Silbergroschen 1 ½ Pfennige erlassen und ihm eine neue Mauer zur Begrenzung seines Eigenthums aufgeführt.
Rathhaussaal verkleinert
Dem Land und Stadtgerichte wurde ein Stück von unserem Rathhaussaale abgetreten um sich zwei neue Geschäftszimmer einzurichten. Der Bau begann am 1ten Octbr und wurde in einigen Wochen beendiget. Es wurde diese Gelegenheit benutzt um den Rathaussaal neu abzufärben. Auch wurde der schadhafte Frontispitz am Rathhause ausgebessert.
am 18ten October
Die Stadtverordneten Wahl wurde am 18ten October vorgenommen und wurden gewählt a zu Stadtverordneten der Gastwirth Gottlieb Becker der Schneidermeister Kreutzer der Beutlermeister Carl Teubner und der Leinewebermeister Schönbrodt.. b zu Stellvertretern der Kaufmann Hennig, der Seifensiedermeister Dörfel, der Weißgerbermeister Heinrich Teubner und der Leinewebermeister Wilhelm Schladitz. Die am 21ten October neu constituirte Stadtverordneten Versammlung erwählte zu ihrem Vorsteher den Riemermeister Prisker zu dessen Stellvertreter den Strumpffabrikanten Pabst, zum Protocollführer den Kaufmann Dittmar und zu dessen Stellvertreter den Leinewebermeister Schönbrodt.
Elementar Schule
Die Schüler in der gemischten Elementar Schule mußten wegen Ueberfüllung derselben in 2 Abtheilungen getheilt, und die Zahl der Unterrichtsstunden für den Lehrer Hofmann auf 36 wöchentlich vermehrt werden. Da er nur zu 30 Stunden wöchentlich verpflichtet ist, so wurden dem Lehrer für die 6 Stunden mehr 30 Thaler jährlich bewilliget, aus der Kämmereikasse.
Am 30ten Novbr
starb der Hospital Armen und Stadt Wundarzt Große. In dessen Stelle rückte ein der Chirurgus Hesse, welcher am 25 Januar 1847 verpflichtet wurde.
Um armen Kindern
eine Weihnachtsfreude zu bereiten war einige Wochen vor Weihnachten ein Verein hiesiger Einwohner zusammen getreten; dieser sammelte Geld Kleidungsstücke und s.m. ein und veranstaltete am 31 Decbr 1846 in dem Saale zum goldenen Ringe für 184 arme Kinder eine Christbescheerung. Außer einigen nützlichen Gegenstände erhielt auch jedes Kind eine kleine Weihnachtsstolle wozu das Mehl geschenkt worden war. Diese Bescheerung, bei welcher es nicht an Zuschauern fehlte, erhielt dadurch eine höhere Bedeutung daß zuerst ein kurzes Lied aus dem Gesangbuche gesungen wurde. Dann hielt der Archidiaconus Walcker eine Rede, und zum Schlusse wurden noch einige Verse gesungen.
Zur Unterstützung
der Armen in diesem Winter mit Holz und Brod hatte sich ebenfalls ein Verein gebildet, welcher am 28ten Decbr 1846 in demselben Saale eine General Versammlung hielt. Es wurden dabei allgemeine Regeln für die beste Erreichung des vorgesetzten Zweckes aufgestellt, und wurden die zur Ausführung der Sache erforderlichen Personen und Gehülfen gewählt. Die nöthigen Geldmittel wurden durch Collecte von Haus zu Haus und durch öffentlich ausgesprochene Bitten herbeigeschafft. Die Kämmerei Kasse gab 100 Thaler die Hospitalkasse 50 Thaler die Cantoreikasse 25 Thaler dazu.
Eine besondere Industrie der Diebe
zeigte sich in diesem Winter dadurch, daß von mehreren Commun Plumpen die Plumpendeckel so wie auch nicht verschlossene Fensterladen gestohlen wurden. Zwei neue Windmühlen wurden im Laufe des Jahres 1846 aufgeführt, die eine auf Naundorfer Sandmark von pp Freiwald, die andere auf Elberitz Mark von pp Troitzsch.
1847
Der Diaconus Baltzer legte mit dem Beginn dieses Jahres ganz unerwartet sein Amt nieder und ging als Prediger zu der Dissidenten Gemeinde nach Nordhausen. Am 10. Januar Nachmittags hielt er seine Abschieds Predigt, am 17 Januar Abends wurde ihm im Gasthofe zum Schwan von seinen Freunden ein Festmahl gegeben, und am 21 Januar ist er mit Familie nach Nordhausen abgereiset.
Die diesjährige Holzauktion in dem Communwalde Holzschlag Nr 19 hat einen Ertrag von 684 Thalern 7 Silbergroschen gewährt.
Am 25 Januar
starb der Land und Stadtgerichts Director Müller, 65 Jahre alt; die Kirche hat er niemals besucht..
Am 1 März
Nachmittags 4 Uhr entstand Feuer auf dem Gerber Plane in dem Gehöfte des Grenz Aufsehers Haensgen. Es brannte ein Stall in welchem der dort zur Miethe wohnende Gendarm Kahl seine Feuerage aufbewahrt hatte. Das Feuer wurde schnell gelöschet, und der Brandschade am Gebäude auf 73 Thaler 5 Silbergroschen taxirt.
Am 7ten 14ten und 21ten März
sind in Beziehung auf die Wiederbesetzung der hiesigen Archidiaconatsstelle 3 Gast Predigten gehalten worden von dem Pastor Klee in Harburg Diaconus Heineken in ...................................und Pastor Findeis in Groß-Salze. Denn der bisherige Archidiaconus Walcker ist von dem Consistorio zu Magdeburg zum Pfarrer in Großkyhna ernannt worden, in Folge eines von dem Magistrate ausgestellten ....................................Das Consistorium hatte nun die genannten 3 Geistlichen zur Wiederbesetzung des hiesigen Archidiaconats dem Magistrate in Vorschlag gebracht, und nach gehaltenen Gastpredigten wurde der pp. Heineken von dem Magistrate zum Archidiaconus erwählt. Er hat seine Antritts Predigt am 24ten Mai 1847 gehalten und sein Vorgänger war schon zu Ostern 1847 als Pastor nach Großkyhna abgegangen. Auf die gehabten Umzugskosten wurden dem pp. Heineken 50 Thaler von der Kirchfahrt vergütet, welche aus der Kirchenkasse gezahlt worden sind. Zur Wiederbesetzung der durch Baltzers Abgang erledigten Stelle hatten sich 36 Candidaten gemeldet, davon wurden 6 zu GastPredigten zugelassen, und von diesen sechsen wurde der bisherige Rector in Lützen Dr. Burkhardt zum Diaconus und Hospital Prediger von dem Magistrate erwählt. Er hat seine Antritts Predigt am 10ten October 1847 gehalten und 36 Thaler Unzugskosten aus dem Kirchen Arrarier erstattet bekommen.
Der Major Beckzwarzowsky
Commandeur des hiesigen Landwehr Bataillons wurde im Frühjahr nach Halle versetzt, und an dessen Stelle kam der Major von Borcke hierher.
Die Große Theuerung
in diesem Frühjahre, (es kostete im Monat Mai der Berliner Scheffel Waitzen 5 Thaler 15 Silbergroschen Roggen 4 ½ Thaler Gerste 3 Thaler 5 Silbergroschen Hafer 2 Thaler 1 Silbergroschen 3 Pfennige) machte Vorkehrungen nöthig, um den Armen zu helfen und einem wirklichen Mangel vorzubeugen, zumal da in mehreren Städten unserer Nachbarschaft schon Ruhestörungen ausgebrochen waren, und strenge Gegenmaßregeln dadurch nöthig geworden waren. Der im vorigen Jahre zusammengetretene Hülfsverein, der mit Ende des Monats März 1847 seine Thätigkeit eingestellt hatte, sah sich daher veranlaßt seine Wirksamkeit wieder von neuem geltend zu machen, wozu ihm von den Stadtverordneten 500 Thaler aus der Kämmereikasse bewilliget und aus der Dr. Schultzeschen Stiftung für Hausarme 20 Thaler gegeben und auch noch Einsammlungen bei den hiesigen Einwohnern veranstaltet wurden. Auch von dem platten Lande gingen ansehnliche Unterstützungen ein und die Regierung zu Merseburg hatte jedoch nur zur Verwendung für die Grünsträßer Armen, 100 Thaler hierher gesendet, während bei den weit bedeutenderen Summen, welche von unseren Bürgern und aus der Kämmereikasse gegeben wurden, rücksichtlich der Verwendung kein Unterschied zwischen städtischen und grünsträßer Armen gemacht worden war. Es wurde Seiten des Hülfs Vereins besonders dahin gewirkt den Armen wohlfeiles Brod und Kartoffeln, namentlich auch Saamen Kartoffeln zu verschaffen. Die in mehreren Städten ausgebrochenen Unruhen gaben Veranlassung, daß von der Regierung zu Merseburg Commissarien an diese Städte abgesendet wurden. Der Ober Regierungsrath von Hinkeldey kam am 3 Mai 1847 Abends auch hierher und hielt eine Versammlung von Magistrat und Stadt Verordneten unter Theilnahme des Landraths. Letzterer hielt am 4 Mai einen Kreistag, wobei von den Kreisständen für Rechnung des Kreises 20000 Thaler zum Ankaufe von Roggen bewilliget wurden. Von dieser Bewilligung ist jedoch nur bis zum Betrage von 2000 Thaler Gebrauch gemacht worden, und der Verlust, der bei diesem Getreide Einkaufe und Verkaufe für den Kreis entstanden ist, beträgt 493 Thaler 9 Pfennige.
Die sehr gute Ernte
im Sommer 1847 machte daß dieser große Nothstand bald vorüber ging. Im November 1847 kostete der Berl Scheffel Waitzen 3 Thaler 2 Silbergroschen 6 Pfennige Roggen 2 Thaler 2 Silbergroschen 6 Pfennige Gerste 1 Thaler 19 Silbergroschen Hafer 1 Thaler 8 Silbergroschen 9 Pfennige.
Klassensteuer
Um den Armen zu Hülfe zu kommen, wurde von Sr. Maj. dem Könige für die Monate Mai Juni Juli die Klassensteuer in der untersten Steuerstufe erlassen. Die dem schon erwähnten Hülfs Verein zugeflossenen Mittel waren nicht alle verwendet worden; vielmehr waren 266 Thaler übrig geblieben. Es wurde von dem Vereine am 26 Januar 1848 eine Berathung veranstaltet, zu welcher alle Bürger eingeladen worden waren, die aber nur sehr schwach besucht war. In dieser Berathung wurde beschlossen von dem gebliebenen Bestande mit Hinzunahme von 50 Thalern Legat des verstorbenen Kaufmanns Kühne, 15 Thaler von dessen Erben (Betrag der Leichensteuer aus der Schützenkasse) und 3 Thaler vom Archidiaconus Heineken, eine Klein-Kinder Bewahr Anstalt ins Leben zu rufen, und wurden sofort als Vorsteher dieses Unternehmens gewählt: der Superintendent Förster Archidiaconus Heineken Oberlandes Ger Assessor Schulze Magistrats Ass. Kaufmann Tiemann Dr. medianae Gerber und Zimmermeister Krause.
Am 28 Juni Legat
starb der sehr wohlhabende Kaufmann Kühne, welcher außer dem so eben erwähnten 50 Thalern noch ein Legat von 500 Thaler ausgesetzt hatte, um von den Zinsen zu Weihnachten jeden Jahres 6 arme Kinder aus der Stadt und Grünstraße mit warmen Kleidern zu versehen. Die erste Bescherung dieser Art geschah am 25ten Decbr. in dem Hause des Bürgermeisters Securius, dessen Gattin zu der Zeit Vorsteherin des Frauen und Jungfrauen Vereins war, welchem Vereine der Verstorbene das Legat überwiesen hatte. Es wurden 3 Knaben und 3 Mädchen bekleidet.
Gasthof
Der Gastwirth Saenger im weißen Roß verkaufte seinen Gasthof zu Ostern an Seidel aus Eisleben und pachtete auf 6 Jahre vom 1 Januar 1848 bis dahin 1854 die hiesige Stadt Brauerei für 602 Thaler jährliches Pachtgeld. Er nahm sich dazu einen besonderen Brauer an.
Neue Baue
kamen vor: Der Seifensiedermeister Schilling am Markte bauet die obere Etage seines Wohnhauses neu. Der Kaufmann F G Schmidt am Markte bauet ein neues Seiten Gebäude um Wohnungen darin einzurichten. Der Seilermeister Schölz in der Rittergasse bauet einen neuen Stall. Der Victualienhändler Hoffmann übersetzt ein Hintergebäude. Der Schießhauswirth Bernhardt bauet einen neuen Saal, welcher am 15 October zu Königs Geburtstage eingeweihet wurde. Der Windmüller Thormann zur Grünstraße gehörig bauet ein neues Wohnhaus.
Die Kirschen
wurden verpachtet für 155 Thaler, die Pflaumen für 243 Thaler.
Am 3ten August
wurde zum Andenken an das Geburtstagsfest des Hochseligen Königes von der Schützen Gesellschaft ein Lustschießen gehalten, und damit die Feier des 50jährigen Schützen jubelfestes des Lohgerbermeisters Gottfried Elzner verbunden. Letzterer wurde in feierlichem Zuge von seiner Wohnung abgeholt, auf das Schießhaus geführt, und mit einer silbernen Denkmünze beschenkt.
Eine Reparatur am Heiligbrunnen kostete 33 Thaler 15 Silbergroschen und die neue Herstellung der Freitreppe vor der Stadt Knabenschule von Granit 65 Thaler 25 Silbergroschen.
Getreidemarkt
Es wurde versucht den Getreidemarkt in hiesiger Stadt wieder in Gang zu bringen, und wurde der erste derartige Markt am 6 Novbr gehalten. Die Zeit wird lehren ob er wird Bestand haben, oder ob er, wie schon vor etwa 20 Jahren einmal wieder eingehen wird.
Am 17 October
wurde die Stadtverordneten Wahl vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Schmiedemeister Zeitz der Victualienhändler Hoffmann der Schneidermeister Gehrmann und der Horndreher Pabst jun. zu Stellvertretern der Goldarbeiter Boettner der Tischlermeister Walther der Kaufmann Naumann und Lohgerbermeister Heinze.
Am 20 October
wurden die Genannten in der Stadtverordneten Versammlung neu eingeführt, und wurden gewählt zum Vorsteher Pabst senior zum Stellvertreter desselben der Drechslermeister Wilhelm Ufer, zum Protocollführer der Gastwirth Becker und zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt.
Am 3 Decbr
war Kreistag in Delitzsch. Zu diesem kam auch der Dorfschulz Dietze aus Gerbisdorf als Deputirter der Landgemeinde hierher gefahren. Aber durch Umsturz des Wagens nahe bei der Stadt brach er den rechten Oberschenkel und mußte in dem Hause des Korbmachers Schleicher an der neuen Leipziger Straße 6 Wochen krank liegen..
Am 17ten Decbr
Abends wurde ein schönes Nordlicht hier gesehen. Der erste Eindruck, den es auf den Beschauer machte, es müßte ein großes Feuer in der Nähe seyn.
Sakristei
Auf Kosten der Kirche wurde die Sakristei heitzbar gemacht. Das Holz gaben die Geistlichen.
Das Stättegeld
wurde auf 3 Jahre verpachtet und zwar bei Jahrmärkten für 66 Thaler 15 Silbergroschen bei Viehmärkten für 30 Thaler 15 Silbergroschen bei Wochenmärkten für 212 Thaler 15 Silbergroschen jährlich. Auf 6 Jahre wurde verpachtet: Die Garküche für 12 Thaler 15 Silbergroschen der Rathauskeller für 12 Thaler jährlich.
Der Holzschlag
1847/1848 gewährte einen Erlöß von 627 Thaler 19 Silbergroschen.
1848
Am 8ten Januar
früh 7 Uhr – 15 n. Reaum. Der Winter streng.
Am 6ten Januar Nachmittags fand in dem Saale zum goldenen Ringe eine Christbescheerung statt, bei welcher 147 arme Kinder jedes mit einer Stolle, Pfefferkuchen, Aepfeln und Kleidungsstücken, meistens Schuhe, Strümpfe und Pantoffeln beschenkt wurden. Das Fest wurde mit Gesang eröffnet. Dann hielt der Archidiaconus Heineken eine passende Ansprache an die Kinder, und zum Schlusse wurden wieder einige Gesangbuch Verse gesungen. Der Aufwand dieser Bescheerung war durch Einsammlung freiwilliger Beiträge herbei geschafft worden.
Thormann
Ein neuer Uhrmacher, ein Sohn des Windmüllers Thormann etablirte sich zu Anfange des Jahres hier. Es sind nun deren viere vorhanden Ottmer Freiwald Peipelmann und Thormann.
Getreidemarkt
Der im November v. Jh. neu eingerichtete Getreidemarkt ging sehr bald wieder ein. Es wurde nur Weniges zu Markte gebracht, und für dieses Wenige fehlte es an Abnehmern. Ein neuer Beweis, daß in unserer Ackerbautreibenden Stadt ein solcher Markt nicht gedeihen will.
An der im Jahre 1839 erbaueten neuen Straße auf der Mittags Seite der Stadt an welcher Birken standen welche kein Gedeihen finden wollten, wurden im Frühjahr 1848 Süß-Kirschbäume gepflanzt deren Fortkommen glücklicher war. Es würde diese Aenderung schon früher vorgenommen worden seyn, wenn nicht in Rücksicht auf den am 28 Juni 1847 verstorbenen Kaufmann Kühne Senior, der die Erbauung dieser Straße besonders gefördert hatte, dieses verhindert hätte. Man wollte also erst dessen Tod abwarten. Die Birken waren von dem Verein welcher sich Behufs dieses Straßenbaues gebildet hatte, und dessen Pag. 87 Erwähnung geschehen ist, gepflanzt worden. Die Pflanzung der Süßkirschbäume geschah für Rechnung der Commun.
Stempel an der Stadtkirche Januar
Von den 7 Stempeln welche das Fahren mit Wagen bei der Kirche vorbei verhindern sollte und an denen von einem zum anderen starke eiserne Ketten waren, und welche von Heuschkels bis zu Podehls Hause standen, wurden im Januar fünfe weggenommen. Nur zweie blieben stehen um das Fahren zwischen der Kirche und Mädchen-Schule unthunlich zu machen. Diese beiden Stempel mußten aber wegen häufigen Muthwillens, der daran verübt worden war, auch weggenommen werden und mußte man sich damit begnügen 2 Warntafeln die das Fahren daselbst verbieten aufzustellen. In früherer Zeit ist von Heuschkels bis zu Podehls Hause eine Mauer befindlich gewesen.
Privatschule
Der pensionirte Post Conducteur Gaßmann, welcher vor zwei Monaten seine Wohnung hier genommen hatte gab seit Anfang dieses Jahres Unterricht in der französischen Sprache. Er war aber diesem Fache nicht recht gewachsen und die Sache nahm bald ein Ende.
März
In dem Monate März und schon mehrere Wochen vorher waren für die Abgebrannten in Schweinitz 50 Thaler gesammelt worden.
Schlagzieherhaus
Am 15ten März wurde das Schlagzieherhaus am Viehthore, der Commun gehörig in öffentlicher Auction für 220 Thaler an den Seilergesellen Thier verkauft. Dieser ließ das Haus, welches seit 20 und mehr Jahren von dem Pachter des Commungutes als Rumpel-Kammer benutzt worden war, wohnlich einrichten, und bauete ein neues Seitengebäude im Jahr 1849.
am 17ten März
Ein außergewöhnlicher Holzschlag – die Kiefern an der Dübener Straße, bei dem Delitzscher Forsthause – gab in der Auction am 17ten März einen Ertrag von 884 Thalern 27 Silbergroschen.
Öeffentlichkeit der Stadtverordneten Sitzungen
Die Stadtverordneten Versammlung trug auf Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen an. Der Antrag wurde höheren Orts genehmiget, und wurden die nöthigen Einrichtungen dazu getroffen. Die erste öffentliche Sitzung wurde am 2ten und die zweite am 167en August gehalten. Zu der ersten hatten sich 4 zu der zweiten 10 Zuhörer eingefunden. Die Theilnahme daran verlor sich sehr bald, und in einigen Monaten war nicht mehr die Rede davon.
Abschaffung des Gregorius Umganges
Einige Mitglieder des Schulvorstandes trugen auf Abschaffung des Gregorius Umganges an. Die Sache wurde mit Zustimmung der Stadtverordneten Versammlung und Genehmigung der Regierung zu Merseburg dahin regulirt, daß die 4 Knabenlehrer ein jeder 15 Thaler jährlich ad dies muneris aus der Kämmerei-Kasse erhielt, der Gregorius Umgang fiel weg, und bei Anstellung neuer Lehrer fällt die Entschädigung ebenfalls aus.
Windmühle
Der Windmüller Kühne, Sohn des verstorbenen Böttchermeisters Kühne bauete eine neue Windmühle auf Elberitz Mark auf einem von dem Kaufmann Christian Friedrich Schmidt erkauften Feldstücke.
Bohrversuche
Im Haine und im Rosenthale wurde Bohrversuche nach Braunkohle gemacht. Sie standen unter der Leitung eines gewesenen Schullehrers Herrmann aus der Gegend von Halle, welcher mit den beiden Gutsbesitzern Ehlicher in Brodau und Merkwitz in Cletzen einen Vertrag dieserhalb geschlossen hatte. Die Bohrversuche an mehreren Stellen gewährten das Resultat, daß in einer Tiefe von 50 u mehr Fuß ein Kohlenlager von 7 bis 14 Fuß Mächtigkeit sich befände. Die ganze Sache schien aber auf Seiten des pp. Herrmann auf Schwindelei hinaus zu laufen, und so vieles Gerede Aufsehen und Schreiberei darüber auch gemacht worden war, so wurde doch gar nichts daraus, und nach Verlauf von 1 ½ Jahren war die ganze Sache wieder vergessen, und mancher betrogen.
Im Frühjahre
wurden über den Gertitzer Bach und über dem Graben an den der Stadt Commun gehörigen Wiesen bei Grabschütz neue hölzerne Brücken erbauet und mit Steinpflaster versehen. Die letztgenannte Brücke war durch die Einzel Verpachtung des Delitzscher Commungutes nöthig geworden. Diese Wiese in 11 Parzellen.
Zu Ostern
waren hier gleichzeitig zwei Seiltänzer Gesellschaften die des pp. Kolter und des pp. Starke. Beide gabe Vorstellungen, die erste vor dem breiten Thore die zweite auf dem Schießplatze, und machten gute Geschäfte. Sie blieben über 14 Tage lang hier und hatten immer vielen Zuspruch.
Der Hofrath Voigt bauete in seinem am Hause befindlichen Garten einen neuen Wagenschuppen und Pferdestall, und der Seifensieder Held in der Halleschen Gasse ein neues Hinter-Gebäude an die Rittergasse anstoßend. Es wurde ihm, gegen angemessene Bezahlung an die Kämmereikasse, erstattet, mit diesem Gebäude an der einen Ecke um einige Fuße heraus zu rücken und wurde dadurch eine Krümmung beseitiget, welche bisher in dieser Gasse an seinem alten Gebäude stattfand. Sein Nachbar der Kaufmann Hennig wird bei einem künftigen Neubaue seines Hintergebäudes in derselben Linie fortbauen.
Am 29ten Mai
erhängte sich die Dienstmagd der Wittwe Böhme, Rosine Lorenz aus Badrina in dem Hause Ihrer Herrschaft.
Neue Baue
wurden unter anderem folgende ausgeführt. Der Fuhrmann Keller an der Stadtmühle hat sein Wohnhaus das alte sogenannte Tuchmacherhaus abgetragen, und hat auf dessen Stelle ein neues massives Wohnhaus aufgeführt. Der Agent Sattler hat seine in der Todtengasse gelegene mit Stroh gedeckte Scheune zur Hälfte abgetragen, und hat auf die dadurch gewonnene Stelle ein neues massives Wohnhaus aufgebauet. Das Strohdach auf der zweiten Hälfte der Scheune hat er im Jahre 1849 abgenommen und in Ziegeldach verwandelt. Der Büchsenmacher Scherell vergrößerte sein Wohnhaus in der Zscherngasse durch einen massiven Anbau. Der Acronom Sigismund Kühne, Nr. 2 in der breiten Gasse, bauete ein neues Stallgebäude in seinem Hofe. Dessen Bruder der Kaufmann Wilhelm Kühne am Markte bauete ein neues Seitengebäude in seinem Hofe. Der Kaufmann Hennig in der halleschen Gasse bauete in seinem Hofe ein neues Niederlage Gebäude. Der Kaufmann Mulertt junior in der Holzgasse richtete sich das von dem Böttchermeister Georgi erkaufte Wohnhaus (Eckhaus an der Leipziger und Holzgasse) zu seinem Handels Geschäft ein, und bezog dasselbe im Herbste. Der Horndrechslermeister Pabst hat in seinem Hause in der Kohlgasse einen Kellerbau ausgeführt.
Die Kirschverpachtung
hat in diesem Jahre einen Ertrag von 193 Thalern 15 Silbergroschen gewährt.
Kreis Chirurgus Dr. Zieger
Am 28. Septbr 1847 starb in Magdeburg, wohin er zu einer Chirurgen Conferenz gereiset war, der hiesige Kreis Chirurgus Danneberg, ein geschickter Wund-Arzt. Dessen Nachfolger wurde der Kreis Chirurgus Christoph Rudloff. Der hiesige practische Arzt und Geburtshelfer, Sohn des hiesigen ersten Mädchen Lehrers Zieger und Schwiegersohn des Magistrats Assessors Meißner, Dr. Zieger 29 Jahre alt starb am 13ten März 1848; desgleichen auch der Kreisphysicus Dr. Ettmüller, Ritter des rothen Adler Ordens 4ter Kl. starb am 25ten April 1848 im 75ten Lebensjahre. Dessen Nachfolger wurde der Dr. med. Gerold aus Acken an der Elbe.
Am 18ten Mai 1848
starb der gewesene unbesoldete Magistrats Assessor Seifensiedermeister Krieger im 67ten Lebensjahre.
Am 21ten Juli 1848 Kirchen Kasse Kretzschmar
starb der besoldete Magistrats Assessor Friedrich August Meißner, ein hiesiger Eingeborener, im 56ten Lebensjahre. Er hatte 29 Jahre lang im Dienste der Stadt gestanden, 7 Jahre als Subaltere, und 22 Jahre als besoldeter Magistrats Assessor. Er verwaltete gleichzeitig das Amt als erster Kirchen Vorsteher und als Verwalter der milden Stiftungs Kassen. Man fand es für rathsam diese Kassen Verwaltungen von dem Amte als Magistrats Assessor zu trennen, weil der Magistrat sowohl Kirchen Inspector und Patron als auch Inspector der milden Stiftungen ist und es daher nicht passen will, daß ein Magistrats Mitglied diese Kassen Verwaltungen selbst führt. Es wurde nun zum Kirchen Vorsteher der bisherige zweite Kirchen Vorsteher Gürtlermeister Friedrich Johann Kretzschmar, und als zweiter Kirchen Vorsteher der Stadt Steuereinnehmer Friedrich August Weidenhammer gewählt und wurden beide als solche am 31ten August 1848 verpflichtet.
Catholy
Die Verwaltung der milden Stiftungskasse aber wurde dem Sparkasse Rendanten Thärigen übertragen und ihm für diese Verwaltung 1/12 p Ct. von dem Kapital Vermögen jeder Stiftung, jährlich, bewilliget. Weil aber auf diese Weise das Einkommen der Magistrats Assessor Stelle ................. Gehalt nur 300 Thaler betrug vermindert worden war, so wurde auf Beschluß der Stadtverordneten Versammlung die Assessor Besoldung auf 400 Thaler jährlich erhöht. Es wurde für diese Stelle der bisherige Bürgermeister in Wahrenbrück Carl August Catholy, ein junger Mann von 30 Jahren erwählt und derselbe am 1ten October 1848 verpflichtet und eingeführt.
Legat
Der verstorbene Meißner hat in seinem Testamente ein Legat von 500 Thalern gestiftet, dessen Zinsen zur Erhaltung der Gottes Acker Kirche verwendet werden sollen. Dieses Legat wirde mit dem im Jahre 1730 zu gleichen Zwecke gestifteten Legate des Dr. Schulze, welches auch 500 Thaler beträgt, gemeinschaftlich verwaltet.
Sparkasse
Vom 1ten October 1848 ab wurde in hiesiger Stadt eine Sparkasse ins Leben gerufen, und zum Rendanten derselben Karl August Thärigen, bisher Schriftsetzer in der Meynerschen Buchdruckerei hierselbst mit 200 Thalern Gehalt jährlich angestellt. Er wurde als solcher am 19ten Septbr. 1848 verpflichtet. Die Sparkasse war, unter Garantie des gesamten Kämmerei Vermögens und der Stadt überhaupt, für Stadt und Umgegend bestimmt, und gab 3 Thaler 10 Silbergroschen Zins jährlich von 100 Thalern folglich 2 Silbergroschen per Thaler. Die Sparkasse gewann vieles Vertrauen. Es kamen größere und kleinere Einlagen von allen Seiten und bis zum 1ten December 1849 waren 52005 Thaler 10 Silbergroschen 6 Pfennige eingelegt worden. Davon waren bis zum 1ten Decbr 49, 10972 Thaler 6 Silbergroschen 6 Pfennige wieder abgehoben, und 39233 Thaler 3 Silbergroschen 10 Pfennige gegen pupillarische Sicherheit theils zu 5 theils zu 4 ½ Procent ausgeliehen worden. Vom 1ten Januar 1850 ab wurde der Gehalt des Rendanten Thärigen auf 250 Thaler jährlich erhöht, und ihm dafür die unentgeldliche Verwaltung der ........................ und Armenkasse mit übertragen.
Bauverwalter
Am 15ten August starb der Bauverwalter Kaufmann im 71ten Lebensjahre. Er hatte am 3ten August sein 50jähriges Schützen Jubelfest gefeiert, und am 6ten August einer Schützen Fahnen Weihe in Eilenburg beigewohnt, und erkrankte gleich nach der Rückkehr von dort. Zu seinem Nachfolger wurde der Riemermeister Peisker mit 50 Thalern Gehalt, jährlich, gewählt, und am 19ten September 1848 verpflichtet.
Kirchendach Reparatur
Die Erneuerung des Daches auf der hiesigen Stadtkirche auf der Mittags-Seite, welche schon seit 2 Jahren vorbereitet worden war, wurde in diesem Jahre ausgeführt. Der Aufwand für diese Kirchendach Reparatur betrug über 1795 Thaler welche von der gesamten Kirchfahrt aufgebracht werden mußten. Der Antheil, den die Stadt Commun Delitzsch dazu beizutragen hatte, 1474 Thaler 24 Silbergroschen 2 Pfennige, wurde aus der Kämmereikasse entnommen, und dadurch den hiesigen Einwohnern eine große Erleichterung gewährt. Die Einziehung der Kosten Beiträge von den übrigen zur Kirchfahrt gehörigen Gemeinden machte viele Mühe und Schreiberei, besonders wegen Storckwitz und wegen der Grünstraße.
Pflaumen
Die diesjährigen Pflaumen auf der Plantage vor dem Viehthore gewährten einen Pachtgeld Ertrag von 361 Thalern.
Am 25ten September
Abends gegen 8 Uhr, brannte eine mit Stroh gedeckte Scheune vor dem halleschen Thore, dem Acronomen Siegismund Kühne gehörig ab. Die Entstehungs Ursache des Feuers konnte nicht ermittelt werden, und war dieses noch die einzige Scheune mit Strohdach vor dem Halleschen Thore, welche bey dem großen Brande im Jahre 1809 am Sonntage Exandi früh 7 ½ Uhr von den Flammen verschont blieb. Im Jahre 1849 bauete der pp. Kühne eine schöne neue Scheune mit Ziegeldache an die Stelle der abgebrannten.
Bei der Stadtverordneten Wahl
am 15ten Octbr wurden gewählt, zu Stadtverordneten: der Kaufmann Mulertt sen., der Strumpffabrikant Pabst sen., der Schneidermeister Balke sen., und der Fleischermeister Pörschmann senior; zu Stellvertretern der Färber Gelpke, der Maurermeister Meie, der Lohgerbermeister Platen, der Gastwirth Merkwitz. Die zuerst genannten viere wurden am 16ten October in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt, und wurden gewählt zum Vorsteher der Strumpffabrikant Pabst sen. zu dessen Stellvertreter der Victualienhändler Hoffmann; zum Protocollführer der Gastwirth Becker und zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt.
Commun Gutes
Zu Juhanni 1848 ging die Pachtung des hiesigen Commun Gutes zu Ende, und fand die Rückgabe desselben am 26ten Juni statt. In deren Folge wurden an die bisherige Pächterin Wittwe Küster zurückgezahlt: 2000 Thaler Caution und 2191 Thaler 19 Silbergroschen 1 Pfennig Entschädigung für Vieh Aussaat usw. Das Gut hatte bisher an jährlichem Pachtgelde gewährt, mit Einschluß der Lehdenfelder 2335 Thaler. Man war schon seit einigen Jahren mit dem Plane umgegangen, bei Erledigung dieser Pachtung das Gut in einzelnen Parzellen zu verpachten, um dadurch einen höheren Pachtgeld Ertrag zu erlangen. Als aber die Sache zur Ausführung kommen sollte, fanden sich Widersprüche im Magistrats Collegis selbst vor, welche jedoch durch Berichts Erstattung an die Königl. Regierung in Merseburg beseitiget und die Einzel Verpachtung genehmiget wurde. Die Vorbereitungen dazu wurden schon im Jahre 1847 getroffen, und der Anfang mit Verpachtung der Lehdenfelder gemacht. Diese waren schon von dem verstorbenen Pachter – Amtmann Küster – in einzelnen Parzellen, mit Genehmigung der Commun, .................. verpachtetworden. Diese Parzellen wurden beibehalten, und die Pächter derselben befragt, ob sie ihre Pachtungen noch auf anderweite 12 Jahr bis zu Johanni 1860, gegen ein erhöhtes Pachtgeld von 2 ½ Silbergroschen für jeden Thaler jährlich beibehalten wollten. Die meisten Pächter nahmen dieses Erbieten an, und die Lehdenfelder wurden demnach für 658 Thaler 3 Silbergroschen 9 Pfennige jährlich von neuem auf 12 Jahre verpachtet, in 32 verschiedene Parzellen. Von den bisherigen Pächtern gaben ihre Pachtungen auf, und traten an deren Stelle andere Personen ein. Um die Einzelverpachtung des Commungutes auszuführen, mußten die dazu gehörigen Felder und Wiesen erst von dem Regierungs Conducteur Zanthier vermessen, und in einzelne Parzellen abgetheilt werden. Felder und Wiesen wurden in einzelne Parzellen, die Schäferei Gerechtigkeit, nämlich die dazu gehörige Hutung und ein Schafstall mit einigem Invetario, an den Ritterguts Pachter, Amtmann Donner in Döbernitz, die der Commun gehörige Scheune theils in zwei Hälften getheilt, theils ganz, und das Gehöfte des Commungutes in zwei Theilen verpachtet. Zu dem einen Theile des Communguts Gehöftes wurden einige Felder mit geschlagen und dem Pachter dieses Theiles die Verpflichtung aufgelegt ein Saamenrind und 1 Hauerschwein für die Bürgern mit zu halten. (Früher waren 2 Bullen auf dem Commungute zur Benutzung sowohl für die Bürgerschaft als für den Pachter gehalten worden, aber durch Verringerung mit den Vieh haltenden Bürgern war man dahin überein gekommen, daß nur 1 Bulle noch gehalten werden solle, da man diesen für ausreichend hielt.)
Auch der Galgen-Platz
vor dem Galgthore, wo früher der Galgen gestanden hatte, ohngefähr 42 Quadratruthen groß, und ein Stück Grabeland auf dem Schießplatze, wurden mit verpachtet. Das Resultat dieser Einzelverpachtung – wozu der Licitatinus Termin auf dem 31 Januar 1848 u. f. angesetzt war, für Felder Wiesen und Scheunen, Schäferei und Communguts Gehöfte wurden etwas später verpachtet, und worüber 65 verschiedene Pacht Contracte, nach gedruckten Formularen ausgefertigt werden mußten in duplo – war: Es wurden erlangt
3163 Th., 25 Sg. Pachtgeld jährlich für Felder und Schäferei
908 Th., 10 Sg. Pachtgeld jährlich für Wiesen
312 Th., 15 Sg. Pachtgeld jährlich für Gebäude
25 Sg. Pachtgeld jährlich für den Galgen Platz
658 Th., 3 Sg., 9 Pf. Pachtgeld jährlich für die Lehdenfelder
5043 Th., 18 Sg., 9 Pf. Summa.
Mithin 2708 Thaler 18 Silbergroschen 9 Pfennige mehr als das frühere Pachtgeld betrug.
Schoß u. Wächtergeld
Vom 1 Januar 1848 ab wurde den Bürgern das Schoß- und Wächtergeld, welches der Kämmereikasse jährlich 386 Thaler 12 Silbergroschen 6 Pfennige einbrachte, für immer erlassen.
Lehmgrube
Um die Lehmgrube am Schenkenberger Wege, der Stadt Commun gehörig, zu vergrößern, da das Commun Feldstück auf dem sie befindlich bald zu Ende ging, wurde die unmittelbar an dieselbe anstoßenden Felder der beiden Einwohner Gallwitz und Lange zu Schenkenberg, zusammen 4 Morgen 121 Quadrat Ruthen haltend tauschweise dazu gebracht, und dagegen dem pp. Gallwitz und Lange, die der Stadt Commun gehörige Feldbreite an der Naundorfer Mühle, 6 Morgen 106 Quadrat Ruthen groß, eigenthümlich überlassen.
Stadtschulden
Am Schlusse des Jahres 1848 betrugen die Stadtschulden 10055 Thaler 12 Silbergroschen 6 Pfennige und besaß die Kämmereikasse an außen stehenden Kapitalien 1300 Thaler freiwillige Anleihe Scheine und 600 Thaler Preußische Staats Schulden Scheine.
Volksaufstand
Die politischen Unruhen, zu denen der revolutionäre Volks Aufstand in Berlin, am 18ten März 1848 die Veranlassung gab haben auch unsere Stadt nicht unberührt gelassen. Es wurden Versammlungen gehalten, Vereine gestiftet, eine Sicherheitswache eingerichtet, allgemeine Volks Bewaffnung beantragt, und dergleichen mehr. Der Magistrat hatte dabei einen schweren Stand; besonders als im November von der aufgelöseten National Versammlung die Steuer Verweigerung beschlossen wurde, um das Ministerium Brandenburg zu stürzen, welches dem democratischen Umtrieben kräftig entgegen trat. Es gehörte viele Vorsicht und Besonnenheit dazuum als Behörde nicht mit in diese politischen Umtriebe hinein zu gerathen, was in mehreren anderen Städten der Fall war. Auch Katzenmusiken und offenbare Widersetzlichkeiten kamen bei uns mit zum Vorschein.
Am 9ten April 1848 Nachmittags 3 Uhr wurde auf unserem Marktplatze eine große Volks-Versammlung gehalten zu welcher sich einige Tausend Menschen eingefunden hatten. Vor dem Rathhause war eine Rednerbühne erbauet, von welcher herab mehrere Volksredner – Oberlandes Gerichts Assessor Schulze, Zimmermeister Krause Dr. Fiebiger u. a. – über verschiedene Gegenstände sprachen. Zu dieser Volks-Versammlung hatten sich auf dem hiesigen Schießplatze die hiesige Schützengilde, die Turner und sämmtliche Innungen aufgestellt, und kamen in festlichem Zuge, mit 2 Musik Chören und 22 Fahnen, auf den Marktplatz gezogen. Es ging alles in guter Ordnung vorüber. Seitdem wurden in geschlossenen Räumen eine Menge Versammlungen gehalten, bei welchen, außer den schon Genannten, auch der Pastor Krüger aus Schenkenberg der Trödelhändler Göbel von hier, Mühlenbesitzer Berke von Benndorf u. a. als Redner auftraten.
Am 6ten August 1848 hielten die hiesigen Handwerker einen festlichen Aufzug mit Musik und brachten dem von der deutschen National Versammlung in Frankfurt am Main zum Reichs Verweser erwählten Erzherzoge Johann ein Lebehoch mit Absingung eines Vaterlands Liedes. Am 21ten und 22ten November 1848 waren die zum hiesigen Landwehr Bataillone gehörigen Mannschaften einbeordert, um eingekleidet zu werden. Die Mannschaften waren aber, in Folge vorher gegangener Aufregung, zum größeren Theile so widerspenstig, daß sie sich nicht einkleiden ließen. Auch diejenigen welche ihre Kleidung schon im Empfang genommen hatten, wurden von ihren widerspenstigen Kameraden gezwungen selbige wieder zurück zu geben, und wurden einem sogar die Kleider vom Leibe gerissen. Die Mannschaften mußten daher entlassen werden.
Am 25ten November rückten nun Infanterie und Kavallerie hier ein, angeblich 400 Mann Füßeliere und 40 Mann Husaren. Die Mannschaften wurden nochmals einbeordert und nun ging die Einkleidung ohne Störung vorüber. Die Räthelsführer wurden zur Untersuchung gezogen, und bestraft.
Am 24ten October 1848 früh fand man an der Postsäule vor dem breiten Thore einen Zeddel angeklebt, mit der Ankündigung: Mittwoch Abend 8 Uhr wird Republik proclamirt. Theilnehmer wollen sich auf dem Markte vorm Rathhause einfinden. A. Besser der Zeddel wurde abgenommen und der Mittwoch Abend ging ganz ruhig vorüber. Die Nachricht, daß von Thüringen und Leipzig her Freischaaren im Anzuge wären, um in die hiesige Provinz einzufallen, gab Veranlassung, daß am 19ten November angeblich 80 Husaren von Düben hierher gezogen wurden, welche theils in der Stadt blieben, theils in das Dorf Brodau gelegt wurden. Das Ministerium Brandenburg behauptete sich, und ihm haben wir die Erhaltung der Ruhe im Vaterlande zu danken. Die bisher üblich gewesenen Prädicate für Behörden: Hoch Hochlöblich Wohllöblich wurden abgeschafft.
Jagd Verpachtung
Eine von den März Errungenschaften war das neue Jagdgesetz vom 31ten October 1848 durch welches die Jagd auf fremden Grund und Boden aufgehoben wurde. In Folge dessen verlor auch die Stadt Delitzsch ihr Jagd Revier, welches zuletzt einen jährlichen Pachtertrag von 84 Thalern 15 Silbergroschen gewährt hatte. Die Jagd konnte fortan nur auf eigenem Grund und Boden ausgeübt werden, und wurde demnach auf den Commun Feldern und Wiesen, sowie in dem Communholze vom 1ten Decbr 1848 ab, auf 3 Jahre für 18 Thaler 15 Silbergroschen jährlich verpachtet. Mithin ein Verlust für die Kämmereikasse von 66 Thalern jährlich.
Wegen politischer Vergehen wurden am 6ten Decbr der Dr. Fiebiger und am 9ten Decbr der Trödelhändler Göbel jun. arretirt und an das Inquisitoriat zu Eilenburg abgeliefert. Der letztere, welcher zu fünf Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt ward, war Pachter des Stättegeldes an Wochen und Jahrmärkten. Wegen seiner Arretirung wurden diese Gefälle Erhebungen auf 3 Jahre von neuem verpachtet, und die Kämmereikasse verlor dabei, an beiden Pachtungen zusammen, 68 Thaler 15 Silbergroschen jährlich.
Vergrößerung des Gottesackers
Bei der Vereinzelung des Commungutes wurde der dem Pachter bisher überlassen gewesene Garten am Gottes Acker mit zu dem letzteren gezogen und dadurch der Gottes Acker bedeutend vergrößert. In Gefolge dieser Vergrößerung mußten verschiedene bauliche Einrichtungen vorgenommen werden, welche den Sommer und Herbst bis zum Monat November in Anspruch nahmen. Am Todtenfeste den 26ten November Nachmittags nach dem Gottesdienste in der Gottes Acker Kirche wurde nun diese Gottes Acker Vergrößerung von dem Hl. Sup. Förster feierlich eingeweihet.
d.28ten October
ward der praktische Arzt Dr. Ideler als Hospital und Stadt Armen Arzt mit 50 Thalern jährlichem Gehalt angestellt.
1849
Am 4 Januar, 25 Januar und 22 März 1849 fanden drei Holz Auctionen in dem Communholze statt, welche einen Ertrag von resp. 135 Thalern, 276 Thaler 6 Silbergroschen und 494 Thaler 2 Silbergroschen gewährten.
Der schon erwähnte Kleiderhändler Göbel junior wurde zur Verbüßung einer 5jährigen Zuchthausstrafe am 15ten März von Eilenburg aus hierdurch nach Halle transportirt. Nach dem Beschlusse der Stadtverordneten Versammlung wurde, vom 1 Januar 1849 ab, den Steuerpflichtigen die bisher von ihnen mit erhobene Tantieme von dem Kavallerie Verpflegungsgelde erlassen, wodurch die Kämmereikasse einen Verlust von 25 Thalern 9 Silbergroschen 11 7/8 Pfennige jährlich erlitt.
Dr. Fiebiger
Der schon erwähnte Dr. Fiebiger wurde gegen 1000 Thaler Caution der Untersuchungshaft bei dem Inquisitoriate in Eilenburg entlassen, und kam am 24ten März 1849 wieder hierher zurück..
Straßen Schilder
Im Monate Mai wurde die Stadt mit Straßen Schildern versehen, und waren dabei die alten Benennungen beibehalten worden. Auch wurden Vorbereitungen getroffen, um Stadt und Vorstadt mit Straßen Laternen zu erleuchten. Die Fertigung derselben wurde dem Schlossermeister Bier junior als Unternehmer übertragen. Der Vorfertiger war aber hauptsächlich der Klempnermeister Luckian. Es wurden theils Hänge Laternen theils Pfahl Laternen angeschafft und am 15ten October, Königs Geburtstag wurden die Laternen zum ersten Male angezündet. Der Aufwand für die Laternen, 39, betrug gegen 400 Thaler. Es wurden 3 Laternenputzer angestellt, und für jede Laterne jährlich 1 Thaler für Anzünden Putzen usw. bezahlt. Der Antrag zum neuen Jahre einen Gratulations Umgang in der Stadt halten zu dürfen, wurde den Laternenputzern abgeschlagen. Der Oelbedarf und Laternenputzerlohn dürfte jährlich gegen 400 Thaler kosten. Diese Laternen Angelegenheit machte dem Magistrate viele Mühe.
Cholera Epidemie
Im Monate Juli stellte sich die Cholera bei uns ein. Sie hat viele Opfer verlangt, und manches Familienglück ist dadurch getrübt worden. Ihren Höhepunkt hatte sie zu Anfang des Monats September erreicht, und ihr Ende zu Anfang des October. Die Zahl der daran Erkrankten betrug 141, der daran Gestorbenen 42. Unsere Äerzte hatten dabei sehr viel zu thun, zumal da zwei derselben Dr. Bertram und Dr. Pfotenhauer, jener als Bataillons Arzt, dieser als Compagnie Arzt mit dem Landwehr-Bataillone abwesend waren. Bei Behandlung der Kranken hat sich bei dieser Gelegenheit unser Hospitals und Armen Arzt Dr. Ideler ausgezeichnet. Von den an der Cholera Verstorbenen wollen wir erwähnen, am 23 Juli die Leichenwäscherin Schladitz an deren Stelle bald darauf die Wittwe Geyer angestellt wurde, am 6 August die Ehefrau des Bürgermeisters Securius, deren Mann in Wittekind im Bade war, und der seine Gattin, als man ihm von deren gefährlichen Erkrankung benachrichtigt und ihm am 6ten August früh einen Kutschwagen nach Wittekind geschickt hatte, um nach Hause zu kommen, als Leiche wieder sah. Ferner der Instrumentenmacher Moritz, die Ehefrauen des Uhrmachers Ottmer und des Mädchen Lehrer Zieger. Der letztere verheirathete sich einige Monate nachher wieder mit der Wittwe des Chirurgus Danneberg.
Die Zahl der in diesem Jahre Verstorbenen betrug im Ganzen 197. Für Arme Kranke wurden in diesem Jahre aus der Hospital-Kasse58 Thaler und aus der Armen Kasse 68 Thaler für Arzneymittel bezahlt. Ein Messerschmied Dudenfing aus Leipzig ließ sich in Delitzsch nieder. An der Dübener Straße vom Forsthaus bis zur Furthbrücke wurden an beiden Seiten von der Stadt Commun italienische Pappeln gepflanzt.
dritter Mädchenlehrer
Auf Anordnung der Regierung zu Merseburg mußte ein dritter Mädchenlehrer hier angestellt werden. Es waren dazu schon im vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen, und war im Ordonanzhause eine Schulklasse und Lehrer-Wohnung eingerichtet worden. Als dritter Mädchenlehrer wurde Eduard Keller aus Halle, bisheriger Lehrer an der Bürgerschule in Halle, mit jährlich 175 Thalern festem Gehalt, und freier Wohnung, angestellt, welcher sein Amt am 16ten April angetreten hat. Die Wohnung gefiel aber dem pp. Keller nicht, und auf sein Ansuchen wurden ihm von der Stadtverordneten Versammlung jährlich 30 Thaler Miethzins Entschädigung bewilliget, seine Dienstwohnung aber an den Grünsträßer Polizeidiener Jahn für 20 Thaler jährlich vermiethet. In Folge von Kellers Anstellung wurde der erste Mädchenlehrer Zieger mit 400 Thalern jährlich fixirt, und dem zweiten Mädchenlehrer Petermann eine jährliche Gehalts Zulage von 10 Thalern bewilliget. Auch wurde in den beiden ersten Mädchen Klassen, so wie in den 4 Klassen der Knabenschule das Schulgeld auf 4 Silbergroschen monatlich vom 1ten Mai ab von jedem Schulkinde erhöhet. Die Erhöhung fand Anfangs vielen Widerspruch, der aber nicht berücksichtigt werden konnte, weil die Opfer welche die Kämmereikasse für die Schulen, durch Fixirung der Lehrer usw., übernommen hatte zu bedeutend waren, als daß man nicht dafür hätte sorgen sollen, daß der Kämmereikasse, zu welcher das Schulgeld von dem Schulgeld Einnehmer abgeliefert werden mußte, einige Entschädigung dafür zu Theil werde.
Barthel
Unser Rector Stützer Substitut, wurde als Rector nach Bitterfeld berufen, und ging den 1ten April dahin ab. Zu dessen Nachfolger wurde der bisherige Rector zu Mücheln Barthel gewählt welcher, ebenfalls als Rector substitutus, denn der emeritirte Rector Ahner lebet noch, sein Amt antrat am 4 Juni 1849. Sein jetziges Gehalt war ohngefähr 175 Thaler und freie Wohnung. Der Emeritus bekommt 200 Thaler. Während der Vacanz in den Monaten
April und Mai 1849
hat der Candidat Knauth, vorher Hauslehrer in Zschepen, das Rectorat als Vicarius verwaltet, gegen ein Honorar von 4 Thalern wöchentlich.
Neue Baue
Der Magistrats Assessor Kaufmann Thiemann hatte schon vor anderthalb das Haus der verwittweten Gerichtsdirector Hildebrandt in der Holzgasse für 3750 Thaler gekaufet, war aber in seinem Hause am Markte, bei der Kirche wohnen geblieben. In diesem Jahre aber verkaufte derselbe sein früheres Haus an den Kaufmann Lindenhahn aus Quering gebürtig für 4050 Thaler, bauete in seinem neu erkauften Hause ein neues Statt und Wirtschafts Gebäude nahm in dem Wohnhause mehrere bauliche Veränderungen vor, und bezog dasselbe am 1 Juli 1949.
Der Fuhrmann Scharf kaufte in der Todtengasse eine mit Stroh gedeckte Scheune von der Wittwe Dittmar, trug diese ganz ab, und erbauete eine neue mit Ziegeldach.
Der Klempnermeister Winckler hatte schon im vorigen Jahre an der Stadtmauer bei Pfotenhauers Zwinger ein neues Wohnhaus aufgebauet. Ihm folgten in diesem Jahre der Strumpffabrikant Pabst welcher einen Schuppen, der Schneidermeister Gehrmann der ein Wohnhaus, der Zimmergeselle Franke und der Victualienhändler Hoffmann welche jeder einen Schuppen ebenfalls an der Stadtmauer bei Pfotenhauers Zwinger erbaueten. Der Fuhrweg, der zwischen der Zscherne und diesen neuen Gebäuden hinführt, wurde gepflastert und durch zwei neue Gebäude, welche im Jahre 1850, von dem Drechslermeister Petzsche ein Schuppen, und von dem Sattlermeister Ronniger ein Wohnhaus, ebendaselbst ausgeführt wurden, entstand eine neue Gasse, welche den Namen Mauergasse erhielt.
Die Baustellen zu allen diesen Gebäuden waren den Bebauern nur laasweise gegen Entrichtung eines Laaszinses überlassen worden. Nachher aber im Jahre 1850 wurden sie mit Genehmigung der Regierung zu Merseburg den Bebauern als Eigenthum überwiesen gegen Entrichtung eines jährlichen Erbzinses an die Kämmereikasse. Der Lohgerbermeister Elsner in der Viehgasse hat die obere Etage seines Wohnhauses abgetragen und neu gebauet. Der Schmiedemeister Naumann aus Sausedlitz hat das Fleischermeister Richtersche Haus in der Rittergasse gekauft, und eine Schmiede Werkstatt darin eingerichtet. Auch in der Viehgasse ist von dem Schmiedemeister Hasfurt eine neue Schmiede eingerichtet worden. Die Frau Hofräthin Voigt bauete ein neues Gartenhaus in ihrem Zwinger und der Dr. Gerber ein neues Gewächshaus in den Garten hinter seinem Schuppen in der Rittergasse. Für die Kirschen Verpachtung wurden in diesem Jahre 208 Thaler 15 Silbergroschen, für die Pflaumen auf der Plantage 352 Thaler und für die Pflaumen im Rosenthale 25 Silbergroschen gelöset.
Ein der Commun gehöriger bisher nutzlos gewesener Platz zu Ende der ersten und zweiten Scheunengasse vor dem breiten Thore, der Wohnung des Chirurgen Rathmann, Scharfrichtereibesitzer, gegenüber, ist dem letzteren gegen Entrichtung eines jährlichen Laaszinses von 2 Thalern 15 Silbergroschen zur Benutzung als Gartenland, bis auf Widerruf überlassen worden. An dem Stadtgraben Ufer hinter der Kohlgasse wurden von den dort wohnenden Hausbesitzern und einigen anderen Personen kleine freundliche Gärten angelegt, und mit Stacketen umgeben. Für diese Gärten müssen, da Grund und Boden der Commun gehörig, jährliche Laaszinsen an die Kämmereikasse gegeben werden und ist Grund und Boden nur auf Widerruf, jedoch nicht unter 20 Jahren überlassen worden. Die Promenade erhielt dadurch ein recht freundliches Ansehen, und die Commun wurde die kostspielige Unterhaltung der Barrieren los, und bekam jährlich einige Thaler Laaszins.
Bürgerwehrgesetz
Um das Bürgerwehrgesetz vom 17ten October 1848, abermals eine März Errungenschaft, in Ausführung zu bringen, wurden auch bei uns die vorgeschriebenen Liste aufgestellt, Compagnie Bezirke eingetheilt, Hauptleute Zugführer Feldwebel usw. gewählt auch schon einige Exercier Uebungen vorgenommen. Es wurde jedoch die weitere Ausbildung des Bürgerwehr Instituts höheren Orts bald wieder zurückgenommen, und war alles vergebliche Mühe und Arbeit und Kosten Aufwand gewesen.
Justiz Organisation, Rathhausausbau
Durch die Aufhebung der Patrimonial Gerichtsbarkeit und die damit verbundene Justiz Organisation, welche mit dem 1 April 1849 ins Leben trat, wurde das zeither hier bestandene Land und Stadtgericht in ein Kreis Gericht verwandelt, und dessen Umfang, gegen früher, vergrößert. Da die benachbarte Stadt Bitterfeld sich viele Mühe gab auch ein Kreis Gericht in seine Mauern zu bekommen, und sich erboten hatte die dazu erforderlichen Locale neu zu bauen und unentgeldlich herzugeben, so mußten auch wir uns dazu verstehen Opfer zu bringen und es wurde daher unser Rathhaus mit noch 2 Etagen übersetzt und wurden dem neuen Kreis Gerichte die zweite und dritte Etage im Rathhause unentgeldlich überwiesen und der Magistrat bezog die bisher von dem Land und Stadtgerichte benutzten Räume in der unteren, ersten, Etage des Rathhauses. Dieser Rathhaus-Vergrößerungsbau wurde am 2ten Juli 1849 begonnen. Er wurde auf Rechnung ausgeführt unter specieller Aufsicht des Bau Inspectors Schönwald, welchem dafür eine Gratification von 100 Thalern bewilliget wurde. Der Sparkassen Rendant Thärigen fungirte als Bauschreiber dabei, und bekam 30 Thaler für seine Mühe. Der Bau kostete 10000 Thaler, welche zum größten Theile aus der Sparkasse zu 4 ½ p Ct geborgt wurden. Die vierte Etage des Rathhauses und die Räume im Seiten Gebäude blieben der Commun vorbehalten. In der ersten Etage des Seitengebäudes wurden zwey Zimmer zu Stadt-Krankenstuben mit vier Betten zweckmäßig eingerichtet und dadurch einem dringenden Bedürfnis abgeholfen. Der Kreisphysicus Dr. Gerold ging mit der Idee um eine landwirtschaftliche Schule hier zu errichten, und dazu die Räume in der vierten Etage zu benutzen. Es wurde auch dieserhalb Bericht erstattet; allein die Sache fand aus triftigen Gründen hoheren Orts keine Unterstützung und unterblieb.
Krankenstube
In dem Hospitale wurden die Krankenstube und der Betsaal mit einem Kosten Aufwande von mehr als 250 Thalern neu eingerichtet, und der Saal am 17ten Septbr durch den Hospital Prediger Dr. Burghardt wieder geweiset.
Michaelis Examina
Die hiesigen Diaconen hatten auf Abstellung der Michaelis Examina angetragen. Der Magistrat war diesem Antrage entgegen, und die K. Regierung hat für Beibehaltung dieser Schulprüfungen entschieden.
kleiner Stadtgraben
Die nothwendig gewordene Schlämmung des kleinen Stadtgrabens wurde in der Art ausgeführt, daß, nachdem das Wasser abgelassen, und der Schlamm sich gesetzt hatte, einzelne Parzellen quer über den Graben abgetheilt wurden. Der in diesen Parzellen befindliche Schlamm wurde von mehreren Unternehmern, unter der Bedingung der Herausschaffens auf eigene Kosten meistbietend verkauft und dadurch noch 15 Thaler für die Kämmereikasse gewonnen. Auf der Promenade vor dem breiten Thore, Schulzens Zwinger gegenüber, wurden 16 Pappeln für 51 Thaler 21 Silbergroschen stehend, unter der Bedingung des Stammrodens in öffentlicher Auction verkauft.
Stadtverordneten Wahl
Am 14ten Octbr bei der Stadtverordneten Wahl im Schaafschen Saale wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Kaufmann Mulertt Sen. der Justizrath Schulze der Rechts Anwalt Haffert und der Schumachermeister Frömmig, zu Stellvertretern der Böttchermeister Georgi der Mützenfabrikant Podekt der Schneidermeister Kreutzer und der Fleischermeister Poerschmann Sen. Die Stadtverordneten Versammlung protestirte gegen die Gültigkeit der Wahl, wegen eines Formfehlers, weil nicht einer von den 3 Wahldeputirten sondern der Bürgermeister das Wahl Protocoll aufgenommen hatte. Die K. Regierung erklärte wegen dieses Formfehlers die Wahl für ungültig und es mußte eine neue Wahl vorgenommen werden. Die bisherige Stadtverordneten Versammlung blieb daher noch in ihrer Wirksamkeit.
1850
Abgang des Bürgermeisters Securius, Einsetzung des Bürgermeister Hagedorn und des Assessor Pabst
An Stelle des zum 1 Januar 1850 ausscheidenden unbesoldeten Magistrats Assessors Kaufmann Schmidt wurde der bisherige Stadtverordneten Vorsteher Pabst Senior zum unbesoldeten Magistrats Assessor auf 6 Jahre gewählt. Der bisherige Bürgermeister Securius wurde nach 18jähriger Dienstzeit auf sein Ansuchen in Ruhestand versetzt mit 350 Thalern Pension jährlich. Kränklichkeit und Altersschwäche hatten ihn zu seinem Rücktritte veranlaßt. Als sein Nachfolger wurde der bisherige Polizei Secretär Carl Hagedorn aus Roßla 32 Jahre alt zum Bürgermeister erwählt. Der pp. Securius schied mit dem 1 Januar 1850 aus dem Magistrats Collegio aus, und am 2 Januar wurden der pp. Hagedorn und der pp. Pabst als neue Magistrats Mitglieder verpflichtet und in das Collegium eingeführt. Es geschah diese Handlung in dem neuen Rathhaus-Saale, welcher dadurch zugleich eingeweihet wurde, vor einer zahlreichen Versammlung unter Leitung des Kreisdeputirten und Landraths Amts Verwesers Major von Rauchhaupt auf Queis, denn der Landrath von Pfannenberg war als Abgeordneter zur zweiten Kammer in Berlin. Der Bürgermeister Securius legte bei dieser Gelegenheit sein Amt feierlich nieder führte das Protocoll und vereidigte sowohl den pp. Pabst als den pp. Hagedorn. Der pp. Securius hatte bei seinem Abgange noch die Freude von der Königl. Regierung zu Merseburg zwei Belobungs Rescripte zu erhalten über seine erfolgreiche Wirksamkeit als Bürgermeister und als Vorsteher der Prüfungs Commission für Bauhandwerker, welches letztere Amt er mit Genehmigung der K. Regierung, und auf Wunsch der übrigen Commissions Mitglieder, so wie mit Zustimmung des pp. Hagedorn vor der Hand noch beibehielt.
Witterungsablauf
Der Winter war seit Mitte des Monats December v. J. und den ganzen Januar hindurch sehr streng. Es wurden Collecten gesammelt, um die Armen mit Brenn Material zu unterstützen. In der zweiten Hälfte Februars wurde es gelinder und bis zur Mitte des März recht angenehm und Frühlingsmäßig, dann aber kam ein harter Nachwinter der bis zum 3ten April anhielt.
Stadtverordneten Wahl
Die angeordnete anderweite Stadtverordneten Wahl wurde am 20ten Januar 1850 vorgenommen, in dem neuen Rathhaussaale. Es wurden ganz dieselben Personen zu Stadtverordneten und Stellvertretern gewählt, wie am 14 October vorigen Jahres. Am 28ten Januar wurden die Gewählten in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt und die neue Versammlung wählte zu ihrem Vorsteher den Rechts Anwalt Haffert zu dessen Stellvertreter den Victualien Händler Hoffmann zum Protocollführer den Kaufmann Mulertt Senior und zum Stellvertreter den Lohgerbermeister Platen.
Im Herbste vorigen Jahres wurde der hiesige Bataillons Arzt Dr. Bertram als Garnison Staabs Arzt nach Erfurt versetzt, und seine Familie folgte ihm dahin am 16ten März 1850. Bertrams Nachfolger wurde der Dr. Saatz bisheriger Oberarzt vom 6ten ............................ Regiment in Rathenow.
Legat
Der hiesigen Gottes Acker Kirche wurde im vorigen Jahre von einer jetzt noch unbekannten Person ein bereits ausgeliehenes Kapital von 25 Thalern geschenkt. Von diesem Kapitale sollen 100 Jahre lang die Zinsen aufgesammelt, und immer wieder zu Kapital gemacht werden. Nach Ablauf dieser 100 Jahre aber, welche vom 1ten October 1849 ab laufen, sollen die Zinsen von dem dann bedeutend angewachsenen Kapital zur Erhaltung der Gottes Acker Kirche verwendet werden.
freie Gemeinde
Am 20ten März wurde, um eine freie Gemeinde zu errichten im Schießhaus Saale eine Zusammenkunft gehalten, bei welcher der Pastor Uhlich aus Magdeburg Vortrag hielt. Als provisorischer Vorstand wurden der Schneidermeister Kreutzer Fleischermeister Pörschmann Senior Tischlermeister Bernhard Tischlermeister Bormann u Klempnermeister Luckian ernannt. Am 2ten April (zweite Osterfeiertag) wurde der erste Gottesdienst im Saale des Gasthofes zum goldenen Ring gehalten, zu welchem der Pastor Sachse aus Magdeburg hierher gekommen war. Dabei wurde die Confirmation des Sohnes des pp. Bernhard und des Sohnes des pp. Pörschmann Senior vorgenommen. Der Sohn des letzteren hatte viele Thränen darüber vergossen, daß ihn sein Vater abgehalten hatte in unserer Stadtkirche am Palm Sonntage mit den übrigen Katechumenen – seinen Schulkameraden -, eingesegnet zu werden.
Dem vormaligen Deputirten zur IIten Kammer Schulze-Delitzsch wurde am 12ten Januar 1850 von seinen Anhängern ein silberner Ehren Pokal überreicht. Derselbe gehört zur democratischen Parthei, und hatte sich bei der Steuer Verweigerung sehr betheiliget. Zu Weihnachten 1849 hatte er mit Hülfe eingesammelter Beiträge eine Christbescherung für arme Kinder veranstaltet. Er hatte als Deputirter in Berlin Bekanntschaft mit einem reichen Mädchen, Tochter des Fabrikbesitzers Jacobs gemacht, welche er heyrathete, u als Kreisrichter nach Wreschen versetzt wurde.
Wegen der anhaltenden strengen Kälte waren Sammlungen zur Ankaufung und Vertheilung von Holz und Torf unter die Armen geschehen, Seiten des Magistrats. Am 24ten Mai wurde das 2jährige Kind des Schmiedemeisters Haschert in der Viegasse, welches auf der Chaussee spielte, durch einen vorüberfahrenden Wagen überfahren, und sofort getödet. Die Leber war geborsten.
Den Obstbäumen
hatte der strenge und anhaltende Winter vielen Schaden zugefügt. Es wurden daher bei der diesjährigen Obst Verpachtung nur für die Saure Kirschen an der Eilenburger und Dübener Straße 5 Thaler 15 Silbergroschen und aus der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore nur 168 Thaler gelöset. Das Schock Pflaumen wurde mit 2 ½ Silbergroschen verkauft.
Der Stamm des 1ten Bataillons 32tes Landwehr Regiments, welcher seit 33 Jahren hier in Delitzsch seinen Sitz hatte wurde mit dem Landwehr Zeughause von hier mach Merseburg verlegt. Die hauptsächlichste Veranlassung dazu hatte der Bataillons Commandeur Major v Borke gegeben, und der Grund dazu war, weil das Landwehr Zeughaus bei den democratischen Bewegungen hier im Orte einige Male bedroht wurde, und es für solche Fälle an einem ausreichenden Schutze fehlte. Die Verlagerung geschah am 10ten Juli 1850.
Die Getreideernte
ist mittelmäßig die Kartoffelernte schlecht ausgefallen. Die Hälfte des vorigen Jahres krank und ohne Mehlgehalt. Aepfel und Birnen giebt es.
Die freie Gemeinde
bestehet fort und zu Zeiten kommen die Prediger Uhlich und Sachse aus Magdeburg, um religiöse Vorträge zu halten. Die Mitglieder derselben (etliche 80, worunter sich viele nur temporär hier weilende Handwerksgesellen befinden) haben ihren Austritt aus der evangelischen Kirche vor Gericht erklärt. Die pp. Uhlich und Sachse sind wegen unbefugten Vornehmens von Taufen und Confirmationen von dem Polizei Anwalte Cutholy in Anklagestand gesetzt worden, im Monate Juli.
Kirchenordnung
Vormittags 11 Uhr hielt der Superintendent Foerster in der Stadtkirche einen Vortrag an die ziemlich zahlreiche Versammlung hiesiger Kirchen Gemeinde im Betreff der Einführung der neuen Kirchen Verfassung. Er forderte dabei auf sofort an Ort und Stelle Fragen und Einwendungen an ihn zu richten, was aber nicht geschah, und bestimmte zuletzt noch eine Zeit von 14 Tagen, binnen welcher ein jeder seine Erklärung über die Annahme oder Nichtannahme der neuen Kirchen Verfassung abgeben könne. Da uns keine abfälligen Erklärungen erfolgt sind, so läßt sich die Einführung der neuen Verfassung zu seiner Zeit erwarten.
Dr. Pfotenhauer
Der Bürgermeister Hagedorn hatte am 6ten August Hochzeit mit Anna Tiemann Tochter des Magistrats Assessors Kaufmann Tiemann. Diese Verbindung gab Veranlassung daß der letztere aus dem Magistrats Collegio ausschied. An seine Stelle wurde der Dr. Pfotenhauer zum unbesoldeten Assessor gewählt und am 1ten Octbr 1850 verpflichtet.
Hofrath Voigt
starb am 20 Juli, als seine Frau mit ihrem Sohn im Bade zu Franzensbrun war. Er wurde 60 Jahr 1 Monat alt, und hatte 6 Monate krank gelegen.
Kreisgerichtsdirector
Der Kreisgerichtsdirector Bodenstein war im Frühjahre von hier in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt worden. Dessen Stelle wurde durch den bisherigen Tribunalrath von Steltzer aus Königsberg ersetzt, welcher am 10ten Novdr hier eintrat und sich in Tiemanns Haus am Schloßplatze einmiethete.
Der Leinewebermeister
Schönbrodt auf dem Steinwege bauete noch eine zweite Etage auf sein einstöckiges Wohnhaus und setzte an dasselbe noch ein Seitengebäude mit 2 Etagen. Der Schneidermeister Richter kaufte das bisherige Kindmutterhaus neben dem Thurm am breiten Thore, ein Commungebäude für Thaler, trug das alte Haus ab, und bauete mit Benutzung der Stadtmauer ein neues übersetztes Wohnhaus. Dadurch kam er in Proceß mit dem anstoßenden Zwingerbesitzer Dr. Pfotenhauer, welcher die vielen Fenster welche Richter, nach dem Zwinger zu, in seinem Hause angebracht hatte, nicht leiden wollte. Der Sattlermeister Ronniger hatte von der Commun auch eine Baustelle an der Stadtmauer, bei Apotheker Pfotenhauers Zwinger, gekauft, und bauete darauf ein übersetztes Wohnhaus. Durch die mehreren Hausbaue an diesem Theile der Stadtmauer entstand eine neue Gasse, welche gepflastert, und Mauergasse genannt wurde.
Weißes Roß
Der bisherige Schenkwirth Rößler aus Döbernitz kaufte den Gasthof zum weißen Roß.
Schützenhauptmann
Zu Pfingsten 1850 legte der bisherige Schützenhauptmann Bürgermeister Securius sein Amt als solcher nieder der bisherige Premier Lieutenant Ufer wurde Schützen Hauptmann, der C. Sänger wurde Premier Lieutenant, und der C. Catholy zugleich Auditeur.
Fabrikhaus
Der Kaufmann Tiemann kaufte Schulzens Fabrikhaus am Schloßplatze für 5000 Thaler im Concurse. Schulze war nach Amerika entwichen, mit Zurücklassung von Frau und Kindern in Leipzig.
Wachskerzen
Die hiesige Stadtkirche wurde zweimal mit großen Wachskerzen, jedesmal zweie von dem Dr. Ideler hier beschenkt.
am 18 Novbr.
Der Steuer Einnehmer Meßner ein mit Orden geschmückter Officier starb am 18 Novbr. und wurde von den Schützen militärisch begraben.
Rathhaus
Während des Sommers wurde die Flur in der parterre Etage des Rathhauses erneuert und geweißet. Die bisher in derselben aufgehängt gewesenen Commun-Feuer Eimer wurden in das Spritzenhaus geschafft.
Stadtverordneten Wahl
wurde am 27ten October 1850 vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Bürgermeister a. D. Securius der Schlossermeister Eichel der Klempnermeister Luckian der Tischlermeister Borrmann. Zu Stellvertretern: der Kfm Sander der Sattlermeister Heinicke der Färber Dittmar und der Agent Sattler. Am 6ten November restituirte sich die neue Stadtverordneten Versammlung und wählte zum Vorsteher den Rechts Anwalt Haffert zu dessen Stellvertreter den Bürgermeister a. D. Securius, zum Protocollführer den Kfm. Mulertt zu dessen Stellvertreter den Schlossermeister Eichel.
1851
Von der Stadtverordneten Versammlung wurde dem Tector Barthel eine Gehalts Zulage von 50 Thalern auf so lange als sein Vorvorgänger der emeritirte Rector Ahner noch lebt, jährlich, bewilliget. Der zweite Mädchenlehrer Petermann erhielt eine Gratifikation von 20 Thalern.
Der Horndrechsler
Pabst in der Kohlgasse kauft das Haus des + Hofrath Voigt in der greiten gasse und richtet die untere Etage für sein Handels u Fabrikgeschäft ein.
Der Assessor
Tiemann kauft in der Subhastation das Haus der Wittwe Gelpke am breiten Thore. Er verkauft es wieder an den Färbermeister Dittmar vor den breiten Thore und dieser verkauft das seinige theils an den Gastwirth Merkwitz im eisernen Kreutze, welcher daselbst noch Stallungen für seinen Gasthof anlegt, theils an den Drechsler Boost, nämlich an diesen das Wohnhaus an jenen das Stallgebäude.
Der Ass. Tiemann
verkauft die Hälfte seines Zwingers an den Zimmergesellen Zeising für 600 Thaler dieser will Wohnhäuser darin anlegen.
Der Zeugschmidt
Ziegler in der Halleschen Gasse, Besitzer des sonst Sparwaldschen Hauses, bauet ein neues Stattgebäude.
In dem Gesellschen Hause an der Leipziger und Holzgassen Ecke etabliert sich ein neuer Kaufmann C W Lange.
Am 8ten Februar
starb der gewesene Magistrats Ass. Kaufmann Karl August Schmidt im 44ten Lebensjahre und am 9ten März der Rentants Verweser Christian Fr. Zienert 51 Jahre alt.
Gemüthskranke
wurden in die Irren Anstalt bei Halle gebracht im November 1850 der hiesige Posthalter Lieutenant und Compagnieführer von Bünau. Im Monat Februar 1851 der Superintendent Parreidt aus Seyda, welcher sich krankheitshalber einige Zeit bei seiner Mutter hier aufgehalten hatte. Im Monat April 1851 die unverehelichte Wilhelmine Beyer von hier. Letztere ist geheilt.
Der Justizrath
Schulze hat schon im vorigen Jahre seinen Zwinger an den nunmehr verstorbenen Assessor Kfm. Schmidt verkauft.
Die Kränklichkeit des Registrators Richter hatte zu Ende des vorigen Jahres so sehr zugenommen, daß er sich zu Anfange dieses Jahres genöthiget sah, um seine Entlassung und Pensionirung anzutragen. Dieses wurde genehmigt, und der pp. Richter vom 1 April 1851 ab mit 244 Thalern 26 Silbergroschen 3 Pfennige jährlich pensionirt. Die ihm abgelegenen Geschäfte namentlich das Kassenwesen wurde von der Stelle abgenommen, und als Richters Nachfolger in der Person des bisherigen Feldwebels Renicke ein Stadt Secretär mit 250 Thalern Gehalt jährlich angestellt.
Doctor Gerber
Der Magistrats Assessor Pabst welcher am 1 Januar 1850 in das Collegium eingetreten war, hatte noch im Laufe desselben Jahres um seine Wieder-Entlassung gebeten. Um seine Stelle wieder zu ersetzen wurden von der Stadtverordneten Versammlung verschiedene Wahlen vorgenommen. Es wurden nämlich nacheinander gewählt der Kaufmann Mulertt Sen. der Kaufmann Sander und der Dr. Gerber. Die beiden ersten Wahlen wurden von der Regierung nicht bestätiget. Die letzte aber erhielt Bestätigung und es wurde demnach am 13ten Mai 1851 der Doctor Gerber als unbesoldeter Magistrats Assessor verpflichtet und eingeführt. Die Handlung wurde von dem Mag. Assessor Catholy vorgenommen weil der Bürgermeister Hagedorn krank darnieder lag.
Hofmann
Dem Lehrer Hofmann von der gemischten Elementar Schule wurde vom 1 Mai 1851 ab eine Gehalts Erhöhung von 25 Thalern jährlich bewilliget, und ihm verstattet seine Dienstwohnung zu vermiethen.
Krause
Der Tischlermeister Krause in der Rittergasse bauet in seinem Garten am Hause einen neuen Schuppen um ihn mit bei seinem Gasthofe (goldener Adler) in der Halleschen Gasse zu benutzen. Der Kreisphysicus Dr. Gerold legte am 1ten April 1851 sein Amt nieder, und gehet am 2 Juni 1851 von hier fort, angeblich nach Berlin.
Schützen Gesellschaft
schaffte sich zum Pfingstschießen ein großes Zelt 100 Thaler Werth an zum Aufenthalt für das besuchende Publikum. Auch wurden die Würfelbuden auf der rechten Seite des Schießgrabens auf dem Schießplatze aufgestellt.
Einkommensteuer
Vom 1 Juli 1851 ab wurde eine neue Einkommensteuer und Klassensteuer eingeführt in Folge des Gesetzes vom 1 Mai 1851 und wurden dabei als Deputirte Behufs der diesfallsigen Abschätzung Seiten der Stadtverordneten Versammlung gewählt Kfm. Dittmar Seilermeister August Teubner Sen. Agent Sattler Kfm Mulertt Sen. Schlossermeister Eickel und Mützenmacher Podehl.
Kirchen Gemeinde Ordnung
Die erwähnte neue Kirchen Gemeinde Ordnung konnte in der Parochie Delitzsch nicht ins Leben treten, weil der Magistrat als Kirchen Patron dagegen war. In dem hiesigen Nachrichtsblatte erschienen dieserhalb verschiedene Aufsätze sowohl von dem Superintendenten, als von dem Magistrate, und die Sache blieb liegen.
Die Obst Verpachtungen
auf den Commun Pflanzungen hatten gewährt, im Jahre 1850 für die Kirschen 5 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 168 Thaler und im Jahre 1851 für die Kirschen 191 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 7 Thaler. Der Beutlermeister Karl Teubner in der Kohlgasse bauete einen neuen Schuppen in Elzners Garten in der Kohlgasse, und hat den Platz dazu circa für 106 Thaler von dem pp. Elzner gekauft.
Der erwähnte Kreis Gerichts Director von Stelzer wurde vom 1 Juli 1851 ab in gleicher Eigenschaft nach Wittenberg versetzt und in dessen Stelle trat der bisherige Kreis Gerichtsrath von Nohtitz aus Erfurt.
Oel Lieferung
Die Oel Lieferung für die Straßen Laternen für nächsten Winter wurde an die beiden Seilermeister Teubner Sen. und Braungart der Centner zu 12 Thaler 10 Silbergroschen verdungen. Laut Nachricht in dem Halleschen Courier war die Oellieferung in Halle zu demselben Zwecke für 11 Thaler 2 Silbergroschen pr Centner verdungen worden.
Feuerlärm
Am 21 August 1851 Abends ¾ 10 Uhr entstand Feuerlärm. Es brannten ab ein mit Stroh gedeckter Schuppen dem Schneidermeister Haase und dem Windmüller Thormann gehörig und die nahe dabeistehende Ziegeldach Scheune des Acronomen Wilhelm Kühne. Gänzliche Windstille kam bei diesem Unglücke zu statten. Die Entstehung blieb unermittelt.
Von den Delitzscher Einwohnern war die Frau Hofräthin Voigt die einzige welche, im Monat Juli nach London gereiset um die Kunst-Ausstellung im Glas Palaste zu sehen.
Kreissteuer Einnehmer
Zu Anfange des Monats September wurde die Stelle des durch den Tod des Hofraths Voigt erledigten Kreissteuer Einnehmers, in der Person des Hauptmann Klein aus Merseburg wieder besetzt. Die interimistische Verwaltung derselben war bis dahin durch den Lieutenant a. D. von Laher besorgt worden.
Fleischermeister
Der der freien Gemeinde angehörige hiesige Fleischermeister Pörschmann Senior verkaufte sein Haus auf dem Steinwege an den Fleischermeister Vöckel und ging zu Anfange September, mit mehreren Angehörigen nach Amerika. Die Frau aber blieb zurück.
Abschießen
Die hiesige Schützen Gesellschaft hielt am 11 u 12ten Septbr ihr Abschießen zwei Tage hintereinander, während daß früher nur ein Tag dazu verwendet wurde.
Gesundheitszustand
Ueber den Gesundheitszustand dieses Jahres ist zu bemerken, daß derselbe trotz des sehr ungünstigen Witterungslaufes und öftern schnellen Temperaturwechsels äußerst befriedigend und die Sterblichkeit, besonders unter den Erwachsenen sehr gering war. Bloß im Januar, Februar und December war die Zahl der Kranken etwas größer. Im October noch mehr aber im December hatten wir bey hohem Barometerstand (28,5) dichte Nebel.
1852
Tod des Bürgermeisters Securius
Am 5ten Januar früh kurz vor 9 Uhr ist der pensionirte Bürgermeister Herr Johann Carl Securius mit Tode abgegangen. Derselbe war geboren zu Querfurth den 23ten November 1788; sein Vater, Auditeur daselbst später Justiz-Amtmann in Annaburg, brachte ihn 1801 auf die berühmte Landesschule zu Pforte; er verließ dieselbe zu Ostern 1807 und studierte von da an bis 1810 Jura auf der Universität Wittenberg, arbeitete nachher als angehender Jurist beym Hofgericht, alsdann während der Kriegsjahre bey der Kreisdeputation daselbst, und 1815 und 1816 in Herzberg im Büreau des damaligen Landraths, später Königl. Sächs. Finanz-Minister v. Zetschau. Auf die Empfehlung dieses Mannes an unseren verstorbenen Herrn Landrath v. Pfannenberg ward er zu Ende des Jahres 1816 hierher in dessen Büreau versetzt, und bald nachher auf dessen Vorschlag, weil er in ihm einen tüchtigen und brauchbaren Arbeiter erkannte, als Kreissecretär definitiv angestellt. Nachdem er fünfzehn Jahre lang dieses Amt verwaltet hatte, wurde er bey Einführung der neuen Städteordnung zu Ende des Jahres 1831 von unserem damaligen Stadtverordneten einstimmig auf Lebenszeit mit 600 Thalern Gehalt als Bürgermeister erwählt. Auch war er Protokollführer beym Provinzial-Landtag und wohnte als solcher frei im Ständehause.
Bis zum Jahre 1840 erfreute er sich einer sehr rüstigen Gesundheit; von da an litt er aber an Unterleibsbeschwerden, besonders Leberleiden, wegen welcher sein damaliger Hausarzt ihn nach Töglitz schickte; der Erfolg entsprach leider den gehegte Erwartungen nicht, denn höchst elend kehrte er von dort zurück, er konnte sich nicht wieder völlig erholen, sein Organismus war in seinen Grundfesten erschüttert und zerrüttet, er hatte bis an sein Ende mit körperlichen Leiden und Siechthum zu kämpfen, und konnte nur durch strenge Diät und regelmäige Lebensweise sich so lange erhalten. Im Gefühle seiner zunehmenden Kränklichkeit und Schwäche suchte er 1849 im October um seine Entlastung von dem Amte des Mürgermeisters nach; sie ward ihm auf die ehrenvollste Weise und mit einer jährlichen Pension von 350 Thalern gewährt. Er legte dieses Amt am 2ten Januar 1850 öffentlich nieder; da er aber zu sehr an Thätigkeit gewöhnt war, so behielt er seine übrigen Aemter als Kreisständischer Rendant und Syndikus, Donatie Gelder-Einnehmer, Vorsitzender in der Prüfungs-Commission für Bauhandwerker, ferner Agenturen und Vormundschaften auf den ausdrücklichen Wunsch der Behörden bis an seinen Tod noch bey; auch führte er diese Stadt-Chronik ferner fort, und bat seinen vieljährigen Freund, den Schreiber dieser Zeilen (den Dr. Ideler) dereinst seinen Tod in dieselbe einzutragen, und sie dann sofort an den Magistrat abzugeben. Der Verewigte war in jeder Beziehung ein edler Mensch, ein trefflicher Gatte und Vater, ein treuer Freund, ein Christ in Wort und That, ein Mann von festem Charakter, ein pünktlicher und gewissenhafter Beamter und ein stiller Wohlthäter der Armen. Er hat achtzehn Jahre lang, besonders im städtischen Haushalte, zum größten Segen unserer Stadt gewirket. Um eine Gehaltszulage oder Gratifikation hat er niemals angesucht, weil er sehr einfach lebte.
Mit vollem Rechte konnte ihm daher die Königl. Regierung zu Merseburg bey seinem Abgange vor zwey Jahren das ehrenvolle Zeugnis geben: „Wir bedauern Ihren Abgang aufrichtig, in dem wir in Ihnen stets nur einen rechtschaffenen und pflichtgetreuen Beamten kennen gelernt haben.“
Seine Beerdigung am 8ten Januar Nachmittags um 3 Uhr war sehr feierlich, das Wetter sehr schön und milde; die Schützenkompagnie, deren Hauptmann er gewesen war, eröffnete den Zug, sämmtliche Behörden, die gesammte Geistlichkeit, viele Bürger, hiesige und auswärtige Freunde, so wie eine große Menschenmasse folgten seinem Sarge, alle waren von tiefster Rührung ergriffen, nicht die mindeste Störung fand statt. Herr Superintendent Foerster schilderte mit großer Beredtsamkeit in ergreifenden Worten das Bild und den Charakter des edlen Vollendeten; er wies uns darauf hin anzuschauen seinem Glauben, sein Lieben, sein Wirken, sein Dulden, sein Hoffen, sein Sterben. Die ganze Versammlung bewies durch ihre Haltung die herzlichste Theilnahme an dem traurigen Ereignisse und ihre aufrichtige, ungeheuchelte Liebe zu dem Verstorbenen, dessen Grabstätte sie mit tiefer Bewegung verließ. Friede seiner Asche und Segen seinem Andenken! Eine reiche Erndte wartet seiner im Lande der Vergeltung. Zur Steuer der Wahrheit, und um allen Schein von Parteilichkeit zu vermeiden, muß ich noch nachträglich erwähnen, daß man es dem verstorbenen Securius im Publikum hier und da übel ausgelegt hat, daß er im Jahre 1851 den Behörden sein Kapitalvermögen in Staatspapieren verschwigen hat, um nicht mit der Einkommensteuer belegt zu werden. Andere haben dies auch gethan, Hiacos muros intra peccatur et extra, paßt ganz hierher.
Tod des Actuarius Lehmann
Am 4ten Januar in der Nacht um halb zwölf Uhr starb der Patrimonial-Gerichts Actuarius Herr Johann Gottfried Lehmann. Derselbe war geboren zu Delitzsch, wo sein Vater Tuchmacher war, den 30ten Januar 1778; seine Bildung erhielt er auf der Thomasschule zu Leipzig in den Jahren 1791-1797, von da an studierte er auf der Universität daselbst erst zwey Jahre Theologie, nachher aber, als er dieses Studium wegen einer gefährlichen Brustkrankheit aufgeben mußte, drei Jahre Jura. Im Jahre 1801 ward er Famulus bey dem berühmten Juristen Haubold, und wohnte bis 1813 gleichsam als Glied der Familie in dessen Hause. Im Jahre 1813 sollte er durch Haubolds Vermittlung und Empfehlung als Bibliothekar der Königl. Bibliothek in Dresden an Dassdorfs Stelle angestellt werden; er schlug aber diese schöne, für ihn ganz passende Stelle, aus Liebe zur Vaterstadt aus. Er kehrte bald nach der Leipziger Schlacht im November 1813 in dieselbe zurück, um hier in der Expedition seines Jugendfreundes und Universitätsgenossen, des Justitiar Schulze, das Amt eines Actuarius zu übernehmen, welches er bis zur Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 verwaltete. Es ist sehr zu bedauern, daß er in dieser untergeordneten Stellung, in diesem an sich ganz unbedeutenden Amte sein schönes .................... vergrub; denn er war ein Mann von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung und gründlicher Gelehrsamkeit nicht bloß in der Jurisprudenz , sondern auch vorzüglich in der altklassischen griechischen und römischen Literatur; er besaß eine, besonders in diesen Zweigen der Wissenschaft, sehr reichhaltige ausgesuchte Bibliothek, neben seinen Berufsgeschäften studierte er fleißig und beschäftigte sich auch viel mit Erforschung des vaterländischen Alterthums, weshalb im Jahre 1840 der thüringisch-sächsische Alterthums-Verein zu Halle ihn honiris causa zu seinem correspondierenden Mitgliede ernannte.
Er hat mit außerordentlicher Mühe und vielem Fleiß eine sehr vollständige Chronik seiner Vaterstadt vom vierzehnten Jahrhundert an zum großen Theil aus alten Urkunden, welche niemand weiter, als er, entziffern konnte, zusammengestellt, wobey nur zu wünschen ist, daß dieses vortreffliche Werk für unsere Stadt nicht verloren geht; es ist in mehreren Foliobänden von seiner Hand sehr schön niedergeschrieben. Im Jahr 1829 gab er eine kleine Schrift „Geschichte der Kirche unserer lieben Frauen (Gottesackerkirche) in Delitzsch“ 368. und im Jahre 1839 eine andere zur Feier des fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums des Dr. Ideler Sen. „Geschichte des Baues der Stadtkirche zu Delitzsch“ heraus. Beyde Schriften bekunden den gründlichen und scharfsinnigen Alterthumsforscher. Als Mensch war der Vollendete durchaus moralisch gut, edel und uneigennützig, man konnte in Wahrheit von ihm sagen „er hatte keinen Feind.“ Seinen wahren Werth wußten allerdings, zumal da er sich in den letzten zehn Jahren ganz von der Welt zurück gezogen und in sich abgeschlossen hatte, nur wenige gebührend zu schätzen, daher sein Tod, welcher an Altersschwäche erfolgte, die weitern Kreise nicht berührte; allein dem engern Zirkel seiner Freunde wird das Bild und Gedächtnis des Heimgegangenen, welcher sich durch Vorzüge des Geistes und Herzens auszeichnete, unvergeßlich bleiben. Have, pia anima! – Die Lehmannsche Chronik, von welcher ein Auszug bis zum Jahre 1701 kürzlich im Druck erschien, ist nunmehr mit allen ihren Sammlungen bis zum Jahre 1851 dem hiesigen Stadt-Archiv einverleibt worden.
Extrablatt
In der Sitzung des Thüringisch-Sächsischen Geschichts- und Alterthums-Vereins zu Halle am 5ten December 1871 gab der Referent Professor Herzberg eine Reihe von historischen und culturgeschichtlichen Mitteilungen über die Geschichte der Nachbarstadt Delitzsch. Zu Grunde gelegt war dabey die Chronik der Stadt Delitzsch von den ältesten Zeiten bis zum Anfange des 18ten Jahrhunderts, welche der Actuar Lehmann mit großem Fleiße vielem Takte aus den Urkunden zusammengestellt, nach dessen Tode aber der Kreisrichter Schulze im Jahre 1852 herausgegeben hat. Die nur wenig bekannte Schrift ist eine ganz vortreffliche Arbeit; ungemein reich an culturgeschichtlichen Nachrichten, giebt sie übrigens auch für die Hallesche Stadtgeschichte eine Reihe dankenswerther Ergänzungen, beziehentlich Erweiterungen und Bestätigungen der Angaben unserer eigenen Localchroniken. (Aus der Halleschen Zeitung.)
Das Grab des seligen Actuar Lehmann, welches sich nahe am östlichen Ende der Gottesacker-Kirche befindet, ist mit einem ganz einfachen viereckigen Denkstein bedeckt, auf welchem sein Name, Stand, Geburts- und Todestag verzeichnet sind. Darunter stehen noch folgende Worte: „Der Chronist unserer Stadt und dieser Stätten, seinen Freunden durch Wissen und Humanität unvergeßlich.“ Hierbey muß noch zur Berichtigung bemerkt werden, daß sein Geburtstag auf diesem Denkstein aus Versehen unrichtig angegeben worden ist, denn er war nicht den 4ten sondern den 30ten Januar 1778 geboren. Dieser Irrthum ist aber später berichtigt worden, indem der Herr Kreisrichter Schulze in Potsdam diesen Denkstein, der im Laufe von 22 Jahren durch die Witterung etwas gelitten hatte, im Mai 1873 auf seine Kosten durch den hiesigen Bildhauer Zwanzig wieder schön hat restaurieren lassen. Lehmanns schönstes unvergängliches Denkmal ist und bleibt seine der Vaterstadt Segen bringende Chronik.
Auf den Wunsch des Wohllöbl. Magistrats hat nunmehr der Unterzeichnete die Fortführung dieser Chronik sehr gern übernommen.
Dr. Ideler
Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 6ten Januar 1852 ist der bisherige praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Deutschbein zu Herzberg als Physikus des Delitzscher Kreises im hiesigen Landraths-Amte verpflichtet worden.
Reparatur des Heiligbrunnens
Vom vorigen Jahre ist noch nachträglich zu bemerken, daß der Heiligbrunnen, welcher ganz verfallen war, mit einem Kostenaufwand von wenigstens 150 Thaler vollständig gefasst und neu aufgebaut worden ist. Die Quelle strömt jetzt aus einem fast zwey Zolle starken eisernen Rohre, und wirft, da nichts mehr verloren gehen kann, in der Minute neun bis zehn Eimer Wasser.
Bauinspektor Schoenwaldt
Am 18ten Januar hat der Bauinspektor Schoenwaldt den rothen Adler-Orden vierter Klasse bekommen.
Mädchenlehrer Petermann
Der zweite Mädchenlehrer Petermann hat vom Anfang dieses Jahres an eine jährliche Gehalts-Zulage von 60 Thalern erhalten.
Holzcollecte
Der Ertrag der Holzcollecte für die Armen in diesem Winter betrug 170 Thaler, wozu der Graf Hasenthal in Döbernitz 20 Thaler beygetragen hat.
Witterungsablauf
Der Winter war übrigens eben so wie der vorige sehr mild, am 1ten Februar Abends um 8 Uhr tobte ein furchtbarer Gewittersturm, wie Erdbeben, mit vielem Regen; (Barom. 27,4.); am 6ten ward in Folge des anhaltenden Regens das Wasser durch das Austreten des Lobers so groß, daß der acht Fuß hohe Damm an der Hospitalbrücke, welchen der Maurermeister Meie vor mehreren Jahren zum Schutz seiner Wiese aufgeführt hat, in der Nacht früh gegen 3 Uhr sprang und von der Fluth fast ganz zerstört und weggeschwemmt ward. In der Nacht vom 17ten zum 18ten wüthete abermals ein starker Orkan mit vielen Regen; das Wasser stieg am 18ten wieder zu einer bedeutenden Höhe. Barom. 27. Am 1.ten Maerz Nachmittags schneiete es sehr, und der 3.ten war, eben so wie im vorigen Jahr, der kälteste Tag des Winters, das Thermom. zeigte früh um 7 Uhr bey Süd-Wind – 10 Reaum., den 5 ten und 6.ten bey N.O.W.-8, das Baromom. stand am 6.ten auf 28,9.,den 9ten trat wieder mildes Wetter ein, den 11 ten und 21 ten und 24 ten hatten wir den ganzen Tag bey O.W.dichte Nebel, und am 31 ten Abends halb 6 Uhr entlud sich ein starkes Gewitter aus S.W. mit Graupeln, in der Gegend von Werbelin, Freirode, Radefeld und Hayna sogar mit Schloßen; das Therm. Stand Nachmittags 2 Uhr in der Sonne +25, das Barom. 27,8. Was die Krankheiten betrifft, so waren besonders die Grippe und Lungenentzündungen sehr häufig; In der zweiten Hälfte des Maerz und bis zum Juni trat das Scharlachfieber in vereinzelten, zum Theil nicht gutartigen Fällen auf; die Sterblichkeit war im Januar und März nicht unbedeutend.
Neubau einer Scheune
Neue Laternen Zu Anfang dieses Winters wurden auch die am Rathhause noch fehlenden zwey Laternen mit Armen von Gußeisen angeschafft; sie leuchten unter allen am schönsten. In der Mitte des März riß der Strumpffabrikant Arndt seine alte mit Stroh gedeckte Scheune in der Todtengasse weg, und baute dieselbe von Grund neu.
Mauereinsturz
Am 21.ten Maerz Nachmittags um 4 Uhr stürzte auf des Bäckermstr.Vogels Zwinger unmittelbar neben der Pforte ein Stück der Stadtmauer in der Länge von etwa 25 Fuß gänzlich ein; es ward wieder aufgebaut.
Diebstähle
In der Nacht vom 24.ten zum 25.ten Maerz wurden am Markte in den Häusern des Kaufmann Lindenhahn und des Buchbindermstr. Krause zwey höchst verwegene Diebstähle mittelst gewaltsamen Einbruchs verübt. Es waren Uhren, Gold und Silberzeug, Wäsche und Material-Waaren gestohlen worden; bey dem ersteren soll der Verlust ohngefähr 100 rtl., bey dem letzteren dagegen 200 rtl. betragen. Die Täter sind bis jetzt noch nicht entdeckt.(Vid.pag.237) In den späten Abendstunden des 12ten Maerz ward dem Kaufmann Duim ???? jun., welcher von einer mehrwöchentlichen Geschäftsreise über Halle im Personenwagen des Fuhrmann Scharf nach Delitzsch zurückkehrte, zwischen Brehna und Storkwitz sein Reisekoffer vom Wagen abgeschnitten. Einen Tag später fand man denselben früh Morgens unter dem Fenster des Polizeydieners in Brehna erbrochen, Wäsche und Kleidungsstücke ganz zerschnitten, die Geschäfts-und Kassenbücher aber, welche von den Dieben wahrscheinlich ganz vernichtet worden, und ein bedeutender Verlust für den Besitzer sind, konnte man nicht wieder auffinden. Die Thäter sind bis jetzt ebenfalls noch nicht entdeckt.
Auflösung der freien Gemeinde
Die freie Gemeinde, welche seither ihr elendes Daseyn ohnehin nur kümmerlich fristete, ist nunmehr so gut als aufgelöst zu betrachten, indem zu Anfang des April die Königl. Regierung zu Merseburg ein Befehl an das hiesige Königl.Landraths-Amt erging, in welchem verfügt ward, daß Uhlich und Sachse, sobald sie sich wieder hier in Delitzsch blicken laßen und Versammlungen halten, sogleich durch die Polizey zur Stadt hinaus gebracht werden sollen, und daß jedem Gastwirth, welcher dergleichen Versammlungen in seinem Local in Zukunft noch duldet, die Conceßion ohne Weiteres entzogen werden wird. Daß bey den freien Gemeinden, wie in jenem Befehle ganz richtig bemerkt ist, die Religion, das Heiligste, oft blos zum Deckmantel gemißbraucht wird, und unter diesem Aushängeschild häufig politische Tentenzen verfolgt werden, ist wohl außer allem Zweifel gestellt
Witterungslauf
Die Witterung des Monats April war fast durchgängig kühl und trübe, Nord-und Ostwind vorherrschend; dies dauerte bis zum 10ten Mai, von welchem Tage an eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Hitze eintrat; am 23ten 25ten und 26ten stand das Thermometer Nachmittag 2 Uhr in der Sonne +34, Barometer 28.; den 17ten Nachmittags, den 23ten Abends 8 ½ Uhr, den 24ten früh 1 Uhr, und den 26ten Abends von 8-11 Uhr entluden sich starke Gewitter; die Vegetation, welche bis zur Mitte Mai noch sehr zurück war, entwickelte sich außerordentlich schnell, so daß der Roggen, deßen Aehren erst am 15ten erschienen, schon am 25ten blühete; derselbe steht ebenso wie der Weitzen, trotz einiger verwäßerter Stellen, sehr gut, noch vorzüglicher Raps, Gerste und Hafer. Die Heuernte verspricht einen ausgezeichneten Ertrag. Ebenso die übrigen Futterkräuter.
Präsident Kisker
Am 25ten Mai war der Appelations-Gerichts-Präsident Kisker von Naumburg, früher im Jahre 1849 Justiz-Minister in Berlin, hier anwesend, um Revision beim hiesigen Kreis-Gericht zu halten. Wie man hört, hat derselbe seine volle Zufriedenheit ausgesprochen
Neue Barrieren am Stadtgraben
Die schon im vorigen Jahr begonnene Aufstellung neuer Barrieren am Stadtgraben von der Pforte bis an das breite Thor ist nun zu Ende des Junis vollendet worden; dieselben bestehen aus starkeen Stempeln von Sandstein mit eingekitteten langen 11/2 Zoll starken eisernen Stangen; der Kostenaufwand beträgt 540 rtl. Die früheren hölzernen Barrieren wurden gewöhnlich im Winter gestohlen.
Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 5ten Julius hat uns der Kreisphysikus Dr. Deutschbein wieder verlassen, und ist nach Herzberg zurück gezogen. Er ist einer in jeder Hinsicht sehr achtungswerther Mann.
Verpachtung der Kirschalleen
Der Ertrag von der Verpachtung der der Commun gehörigen Kirschalleen hat in diesem Jahr 239 Rtl. 10 Sgr.betragen
Witterungslauf, Erndte und Getreidepreise
Der Sommer war sehr heiß,das Therm.stand oft in der Sonne Nachmittag 35 R. die Witterung begünstigte die Erndtearbeit außerordentlich; dabey ward aber auch die Fruchtbarkeit durch starke Gewitter mit vielem Regen, besonders am 18ten Junius Nachts von 17-1 Uhr, desgleichen am 4ten, 10ten, 21ten, 28ten und 31rten August sehr befördert. Die Erndte ist im Körnerertrage recht gut ausgefallen, die Getreidepreise sind durchgängig um einen Thaler niedriger, und würden noch mehr fallen, wenn nicht die Kornjuden mir schändlichem Wucher ihr heilloses Spiel trieben. Der große Scheffel Weitzen gilt jetzt 5 Rtl.10 Sgr., Roggen 4 Rtl.5 Sgr., Gerste 3Rtl und Hafer 2Rtl. Die Heuerndte war vorzüglich. Der Gesundheitszustand befriedigend.
Schützenfest
Am 25ten Julius hielt die hiesige Schützen-Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen-Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna schon früh um 7 Uhr hier eintrafen, um 8 Uhr Kirchenparade hielten, und Nachmittags ein Scheibenschießen hatten.
Erbauung und Einweisung der neuen Orgel in der Gottesacker Kirche
Nachdem bereits in den Jahren 1836 und 1840, das erste Mal von den damaligen Stadtverordneten, das zweite Mal von einem Verein hiesiger Bürger der vergebliche Versuch gemacht worden war, in unserer Gottesackerkirche eine Orgel aus milden Beiträgen zu erbauen, trat am 8ten April 1850 ein Comitè ehrenwerther Männer zu diesem Zweck zusammen mit dem festen Vorsatz diesmal das unternommene Werk mit Gottes Hülfe auszuführen. Mitglieder des Comitès waren außerdem Schreiber dieser Zeilen, welcher sich im Laufe eines ganzen Jahres hauptsächlich bemühete die Mittel zum Orgelbau herbei zu schaffen und die Leitung des Baues übernahm, noch folgende Herren: Archidiac. Heineken, Diac. Burkhardt, Kirchenvorsteher Kretschmer, Lehrer Jost, Zimmermstr. Krause, Kaufmann Hofmann sen., Kaufmann Schönbrod, Strumpffabrikant Pabst, Posamentier Querl, Glasermstr. Scheibe, Schiedsmann Schulze, Sparkaßen-Rendant Thaerigen, Bäckermstr. Donath und Goldarbeiter Boettner. Zuvörderst ward nun vom Comitè beym Magistrat geziemend angesucht, uns bey dem Ministerium in Berlin und bey dem Oberpräsidium in Magdeburg die Erlaubnis zur Abhaltung einer Kirchen- und Hauscollekte zu erwirken. Von ersterer Behörde wurden uns drei Kirchencollekten bewilligt, welche am zweiten Weihnachtsfeiertage 1850, am zweiten Oster- und Pfingstfeiertage 1851 eingesammelt wurden, aber noch nicht ganz 30 Rtl. betrugen. Von letzterer Behörde erhielten wir die Erlaubnis zur Hauscollekte im November 1850; daß in dieser unglücklichen Zeit, wo die Stadt bey dem zu befürchteten Ausbruch eines Krieges mit Oesterreich zwey Monat lang mit Einquartierung belegt und bedrückt war, an Einsammlung milder Beiträge nicht zu denken war, versteht sich von selbst. Wir mußten also einen günstigeren Zeitpunkt abwarten, und giengen daher, nachdem wir vorher unterm 18ten August im Nachrichtenblatte in einer ergreifenden Bekanntmachung der Kirchengemeinde unser Vorhaben mitgetheilt hatten, mit frohem Muthe und dem festen Vorsatze beharrlicher Ausführung den 1ten September 1851 ans Werk. Und, siehe da! Im Laufe dieses ganzen Monats floßen die milden Beiträge schon so reichlich, daß wir bereits nach drei Wochen dem Herrn Orgelbaumeister die bestimmte Zusicherung wegen der Uebernahme des Baues der Orgel mündlich ertheilen konnten; der förmliche Contrackt ward erst am 6ten Februar 1852 Abends von 5-7 Uhr im Hause des Verfassers dieser Zeilen von dem Comitè mit Herrn Loewe abgeschlossen, welcher den ganzen Winter hindurch mit seinem Gehülfen, dem Tischlergesellen Seidel aus Zwenkau, am Bau der neuen Orgel arbeitete; zwey andere Gehülfen, der Tischlergeselle Bergmann aus Biesen und der Orgelbaugehülfe Theiner aus Heinrichsau in Schlesien, haben jeder nur kürzere Zeit und nicht bis zur Vollendung des Werkes mit daran gearbeitet. Bevor nun die neue Orgel aber aufgestellt werden konnte, mußte in der Kirche zu Ende des Februar wegen Mangels an Höhe das obere Chor abgebrochen werden; ehe dies aber geschehen konnte, mußte, weil die Morgenseite des Thurmes von den Chorsäulen getragen wurde, und dieser Stützpunkt nun wegfiel, ein doppeltes Streng- und Sprengwerk auf dem Kirchboden angebracht werden; den Kostenaufwand dafür, 104 Rtl.24 Sgr. hat die Kircheninspektion wohlwollend aus den Baufond der Kirche bewilligt; das Bauswerk selbst hat Hl. Zimmermeister Krause ausgeführt.
Bey der Wegnahme der unmittelbar unter der Decke befindlichen beyden Tragbalken, welche am vordern Ende von den Chorsäulen getragen wurden und hinten in der Giebelmauer der Kirche ruhten, zeigte es sich nun, daß dieselben an der letzteren Stelle in einer Länge von zwey Fuß fast ganz morsch und mürbe waren, daß also durch unseren Orgelbau, welchem dem Abruch des oberen Chors und die Anbringung eines Streng-und Hängewerks auf dem Kirchboden voraus gehen mußte, noch zu rechter Zeit ein gewiß nach nur wenigen Jahren unvermeidliches großes Unglück, der Einsturz des Thurmes auf die Kirche verhütet worden ist. Nachdem nun das obere Chor mit Ausnahme der Treppe, welche an der mitternächtlichen Seite stehen blieb, bis auf einen kurzen schmalen nach der mit Brettern verschlagenen Kirchbodentreppe führenden Gang abgetragen war, würden die davon übrig gebliebenen noch recht brauchbaren Materialien theils zu einem einen Fuß hohen Podest auf dem unterm Chor, wohin die neue Orgel zu stehen kam, theils auf dem Kirchboden zum Gerüst und Verschlag der beyden großen 5 Fuß breiten und 10 Fuß langen Spann-Bälge verwendet. Vor Aufstellung der Orgel wurden noch die Kirchwände in der unmittelbaren Nähe derselben und darüber befindliche Stück Decke abgeweißt. Zu Ende des Maerz fing Herr Loewe an der Orgel aufzurichten, der Bau verzögerte sich aber so sehr, daß die Einweisung derselben nicht, wie es selbst im Contrackt bestimmt war, am ersten Pfingstfeiertag, den 30ten Mai, sondern erst am 8ten Sonntag nach Trinitatis, den 1ten August erfolgen konnte. Das Werk enthält folgende zwölf klingende Stimmen: a) im Manual: 1)Principal 8 Fuß, durchaus von englischem Zinn, 2) Bordun 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, 3) Viola di Gambe, 8 Fuß, von Probezinn, die tiefe Quintave von Eichenholz, 4) Flaute traverse 8Fuß, vom zweiten C an, von Ahornholz, 5) Gedackt 8 Fuß, von Holz, 6) Octave 4 Fuß, von Probezinn, 7) Gemshorn 4Fuß,von desgl., 8) Quinte 3 Fuß, von desgl.,9) Superoctave 2 Fuß, von desgl., 10) Mixtur 4 fach aus 2 Fuß, von desgl. B) im Pedal: Subbass 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, und Violonbass 8Fuß, von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcantenrust. Was die Orgel selbst und die feierliche Einweihung derselben betrifft, so beziehe ich mich auf die hier angefügten Beilagen, das Delitzscher Nachrichtenblatt Nr. 30 und 33, und die Festordnung, welche darüber die vollständigste Auskunft geben. Die Weihepredigt des Archidiac.Heineken befindet sich in den Orgelbau Acten.
Der Preis, welchen Herr Loewe für den Bau der Orgel contracktmäßig bekommt, beträgt 570 Rtl. und die Nebenkosten für den Podest, den Balgverschluß, die Uebernahme der Orgel durch Herrn Musikdirektor Engel den Druck der Festordnung und anderer Dinge belaufen sich auf 54 Rtl., in Summa also 624 Rtl. Hierauf sind bis zum 30ten October d.J. 520 Rtl. bereits abgezahlt worden; diese Summe war mit Inbegriff eines im Jahre 1836 von in Leipzig wohnenden geborenen Delitzschern zu diesem Zweck geschenkten und jetzt mit den angewachsenen Zinsen 70 Rtl. betragenden Kapitals aus lauter milden Beyträgen der Kirchengemeinde gesammelt worden; wozu auch noch mehrere auswärtige Stadtkinder anständig beytrugen; die noch fehlenden 104 Rtl. sind durch Baarbestand, nochmals von Leipzig eingesendete 24 Rtl. und durch 77 Rtl. von den Stadtverordneten bewilligten Zuschuß aus der Kämmereikaße, wovon zugleich die Druckkosten der angefügten Beylage, der genauen Rechnungsablegung, mit berichtigt sind, gedeckt worden. Für die Abweißung der Kirchenwände und Decke in der Nähe der Orgel hat der Herr Maurermeister Meie 10 Rtl. aus dem Baufond der Kirche erhalten. Die Kirche ist im Innern 103 Fuß lang,
30 ½ Fuß tief und 35 Fuß hoch.
Mißionar Schultheiss
Am 20ten August Vormittags um 10 Uhr hielt der Superint. Der Süd-Afrikanischen Mißions-Anstalten Schultheiss einen Gottesdienst in unserer Stadtkirche, welche sehr voll Zuhörer war. Seine Predigt war eigentlich eine Berichterstattung über den zum Theil nicht erfreulichen Zustand der dortigen Missionen; man hörte dieselbe mit Interesse an, der Redner stand aber volle 11/2 Stunde auf der Kanzel, so daß am Ende die Aufmerksamkeit der Zuhörer doch ermüdete. Die Kirchencollekte zum Besten der Mißion betrug 26 Rtl. Mittags war im Gasthofe zum Schwan ein frugales, zahlreich besuchtes, Mittagsessen, nach dessen Beendigung Herr Superint. Schultheiss noch fast zwey Stunden lang interessante Mittheilungen über die dortige Mißion, die Lebensweise, die .......sprache und andere Dinge machte; zuletzt ward noch von unserem Diac. Dr. Burchardt im Kreise der Anwesenden zum Besten einer dortigen Kirche eine Collekte gesammelt, welche 11 Rtl.
15 Sgr. einbrachte.
Verpachtung der Pflaumen
Die Pflaumen-Plantage vor dem Viehthore ist diesmal, weil fast gar keine auf den Bäumen hiengen, für nur einen Thaler verpachtet worden, was ein beyspiellos seltner Fall ist.
Neue Baue
Im Laufe dieses schönen Sommers ist viel gebaut worden; unter den neuen Gebäuden ist besonders zu erwähnen das Huas des Schmiedemeisters Naumann an der Ecke der Leipziger und Rittergasse; ferner hat der Kaufmann Schulze ein schönes neues Hintergebäude in der Schulgaße aufgeführt, der Kirchenvorsteher Kretzschmer sein vor einigen Jahren untermauertes Seitengebäude am Kirchhofe neu übersetzt, der Bäckermeister Zweck ein neues Hintergebäude in der Rittergaße, und endlich der Oeconom Wilhelm Kuehne seine im vorigen Jahre abgebrannte Scheune in größerem Umfange und mit einem Keller aufgebaut.
Brandunglück
Am 15ten October, dem Geburtstage des Königs, Abends ¾ auf 7 Uhr entstand Feuerlärm; es brannten die sechs mit Ziegeln gedeckten, aber nicht mit Brandgiebeln verwahrten Scheunen des Seilermstr. Wissig, des Strumpffabrikanten Pabst, des Färbermstr. Gelpke, des Gürtlermstr. Krause sen., des Beutlermstr. Teubner sen. und des Seifensiedermstr. Held (wohnhaft an der Ecke der Hallischen und Badergaße) ganz nieder; vom Seitengebäude des Holz-und Viehhändlers Holleufer gieng blos das Dach verloren; zum Glück war Windstille; die Entstehung blieb unentdeckt. Tausend Schock Getreide verbrannten. Diese 6 Scheuern brannten früher schon einmal ab, als am 21ten Januar 1811 Abends halb 7 Uhr bey strenger Kälte die sämmtlichen an der Kohlgaße in 4 Reihen stehenden vollen mit Strohgedeckten 38 Scheunen nebst 11 Schuppen in furchtbaren Flammen aufgingen.
Streit des Dr. Ideler mit dem Superint. Förster
Zu Anfang des October erlaubte sich der Superint. Förster eine neue Einrichtung beym Choralgesang, den Wegfall des Zwischenspiels, anzubefehlen, was bey der Gemeinde allgemeines Mißfallen erregte. Auf den Wunsch vieler begab sich daher der Schreiber dieser Zeilen, welcher bisher mit dem Superint. Förster auf einem freundschaftlichem Fuße gestanden hatte, zu demselben in seine Wohnung und bat ihn recht herzlich um baldige Abstellung dieser Neuerung, ward aber von demselben mit der Erklärung abgewiesen, er sey nur der einzelne, und auf den Wunsch des einzelnen könne er sich nicht bewogen finden, es wieder abzustellen. Hierauf erließ ich nun im Delitzscher Nachrichtenblatt No.42 die beyliegende Bekanntmachung, welche allgemeinen Anklang und Beyfall erhielt. Da deßen ungeachtet der Superint. Förster in ganz rücksichtsloser Nichtbeachtung der wohlbegründeten Rechte der Kirchengemeinde mit seiner neuen Einrichtung beharrlich fortfahren ließ, so ward nunmehr am 15ten November eine Beschwerdeschrift von ohngefähr vierzig achtungswerthen Bürgern und fleißigen Kirchgängern unterzeichnet an die Stadtverordneten erlaßen mit der ergebensten Bitte bey dem Magistrat als Patron dahin zu wirken, daß dieser den Sup. Förster veranlassen möge das Zwischenspiel wieder einzuführen.Bey der vollkommnen Uebereinstimmung der städtischen Behörden mit den Beschwerdeführern theilte der Magistrat dem Sup.Förster diesen Willen baldigst mit, worauf derselbe endlich vom ersten Advent an die alte Ordnung wieder herstellte, mithin in dieser kirchlichen Angelegenheit eben so verlor, wie im vorigen Jahre in seinem Conflict mit dem Magistrat wegen Einführung der Kirchenordnung, welche von der Gemeinde ebenfalls entschieden verweigert ward. Damit aber die Kirchgemeinde wiße, wie sie sich in ähnlichen etwa wiederkehrenden Fällen zu verhalten habe, verweise ich dieselbe noch auf das algemeine Landrecht, Theil II, Tit.11 §.4 b, b 8, 135, u.14 b, wo es ausdrücklich heißt, „daß wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes jede Kirchengesellschaft dienliche ordnungen einführen kann, und daß kein geistlicher Oberer (denn derselbe ist auch nur einzelnes Mitglied der Kirchengemeinde) sich in Kirchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen darf.“ Möge die Gemeinde stets ihre kirchen Rechte bewahren! Der frühere große Organist an der Thomaskirche zu Leipzig, seit 1822 Hofkapell-Meister in Deßau Dr. phil. Friedrich Schneider nannte einen Choral ohne Zwischenspiele „gleich einem Hunde ohne Schwanz“, mithin verstümmelt. Alle berühmten Organisten wie Seb.Bach, Rinck, Fischer, Ritter, F. und Johann Schneider, Hentschel, Engel, Becker, Rein u.A.haben längst die Kunstberechtigung der Zwischenspiele schlagend dargethan; die Gegner derselben sind Stümper.
Gottesacker-Kirche
Am Todtenfeste ward unsre Gottesackerkirche, welche an diesem Festtage außerordentlich voll gerührter Zuhörer war, von zwölf achtbaren Bürgerfrauenmit einer schönen neuen Altar-Stufendecke von schwarzem Tuch im Werthe von etwa acht Thalern beschenkt.
Hospital-Kirche
Im December ward der Turm der Hospitalkirche mit einem Kostenaufwandv von ohngefähr 67 Rtl. von dem hießigen Schieferdeckermeister Hammermann mit Schiefer neu gedeckt; auch erhielten die Schallöcher neue Jalousien. In dieser Kirche hält seit Johannis mit Erlaubnis unsrer Kirchen- und Hospital- Inspecktion der katholische Pfarrer Krumme in Eilenburg alle vier Wochen Sonntags Vormittags einen Gottesdienst mit Predigt für die hier im Orte wohnenden Katholiken, deren Zahl höchstens dreißig beträgt, woran auch die wenigen aus Bitterfeld befindlichen Theil nehmen.
Legat
Die im diesem Jahre verstorbene Witwe des frühern Mädchenlehrers Schütz hat in ihrem Testament dem Frauen- und Jungfrauen- Verein(vid.pag.16) ein Legat von 25 Rtl. bestimmt.
Kartoffel- und Obst- Ernte
Die Kartoffelernte ist mittelmäßig ausgefallen, die Krankheit der Kartoffeln hat sehr abgenommen; der große Scheffel kostet jetzt 1Rtl. 10 Sgr. Obst ist nicht viel gewachsen, das Schock gute Aepfel kostet 20 Sgr.
Witterungslauf
Mit dem Anfang des September hörte die große Hitze des Sommers auf; der Herbst war im Ganzen genommen schön und milde, die Grummet- Erndte sehr gut. Die Witterung war außerordentlich fruchtbar; denn außer mehreren Landregen entluden sich am 11ten, 16ten und 21. September starke Gewitter; den 30ten Abends von 5 –8Uhr und den 2ten October Nachmittags von 2 – 4Uhr tobte ein furchtbarer Orkan, wie Erdbeben(Barom.27,7.) Am 12ten November fiel der erste Schnee, übrigens regnete es in diesem Monat und im December bey milder, abwechselnd stürmischer Witterung viel; den 18 ten December Nachmittags von 1-2 Uhr wüthete ein Gewittersturm; das Therm.stand zu Ende des September Nachmittags um 1 Uhr in der Sonne +16 Reaum.
Krankheitskonstitution
Die fieberhaften Krankheiten nahmen seit dem Anfang des September sehr leicht einen nerwösen Charakter an mit öfters tödlichem Ausgang;das Scharlachfieber erschien immer noch bis zum Ende des Jahres in vereinzelten Fällen. Die Zahl verstorbenen in diesem Jahre beträgt.
1853
Am 4.ten Januar früh um 7 Uhr hat sich der Todtengräber und Nachtwächter Froede, ein unverbesserlicher Säufer, in seiner Wohnung auf dem Boden erhängt.
Wie im December so war auch im Januar bis zur Mitte des Februar der Winter außerordentlich milde; zu Weihnachten und Neujahr war schönes Frühlingswetter, es blüheten im Freien Veilchen, Stiefmütterchen und Kornblumen, Gerste, welche bey der letzten Aerndte ausgefallen war, trieb sogar Aehren; am 13ten Februar aber trat der Winter ein und dauerte bis Ende März; Schnee fiel fast täglich in ungeheuren Maßen, schmolz in der Mitte des März, fiel wieder in großer Menge, und verschwand erst bey eintretendem Thauwetter in den ersten Tagen des April, ohne daß beyde Mal, weil kein Frost in der Erde war, großes Wasser entstanden wäre. Die beyden kältesten Tage dieses Winters waren der 3te und der 29 te März, wo das Therm. Früh 7 Uhr –10 Reaum. Und das Barom. 28,3 zeigte.
Zu Anfang des Februar erschienen die Masern, nahmen im Laufe des Monats immer mehr zu und gewannen im März eine solche Verbreitung, daß mehrere Hundert Kinder von denselben befallen wurden;sie waren mit Ausnahme weniger Fälle gutartig; es starben an denselben nur wenige Kinder, mehrere aber an den Complicationen und Nachkrankheiten. Die Sterblichkeit war überhaupt in diesem Frühjahr nicht unbedeutend.
Die zu Michäelis 1848 hier gegründete Sparkaße hat sich in kurzer Zeit zu einem sehr bedeutenden Geschäft, welches mit Recht großes Vertrauen genießt, erhoben; seit dem 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1852 betrug die Summe aller Einnahmen 403167 Rtl. 17 Sgr.6 Dinarius und der Reserve-Fond 2469Rtl. 2 Sgr. 7Dinarius
Am Sonntage Invocavit ist der Altar und die Kanzel der Stadtkirche von der Wittwe des im März 1844 verstorbenen Strumpffabrikant Weber mit einer sehr schönen Bekleidung von neuem schwarzen Sammt- Manchester mit Franzen im Werthe von ohngefähr 40 Rtl. beschenkt worden.
Am 1ten April ward die neue Armen-Ordnung eingeführt; der Zweck derselben ist die Haus- und Straßen- Bettelei ganz abzuschaffen, und blos alte, arbeitsunfähige und kranke Arme nach den Umständen mit Geld, Brod, Brennmaterial und freier ärztlicher Behandlung und Arztneimitteln zu unterstützen. Um die wirklich bedürftigen genau zu ermitteln und ihre Gesuche gründlich zu prüfen, ward eine Armen-Deputation errichtet, welche aus dem jedesmaligen besoldeten Magistrats- Aßeßor, einem Diaconus und dem Stadt – Armen – Arzte als bleibenden Mitgliedern, außerdem aber aus drei Stadtverordneten und noch drei achtbaren Bürgern, als Bezirks- Vorstehern, besteht; das Amt der sechs letzteren wechselt aller drei Jahre. Die Armen-Deputation hält alle 2 – 4 Wochen eine Sitzung, um über die zweckmäßige Vertheilung der Unterstützungen zu berathen, hauptsächlich aber auch den Arbeitslosen Arbeit, besonders bey der Commune, zu verschaffen. Was die Aufbringung der Geldmittel zur Bestreitung der Ausgaben betrifft, so wird nunmehr, nachdem das bisherige auf den Häusern lastende Allmosen in Wegfall gekommen ist, eine Armensteuer dergestalt erhoben, daß von jedem Steuerpflichtigen, mit Ausnahme der untersten Klaße, von 1Rtl. Klaßensteuer 6 Sgr. und von den Haus- und Feldbesitzern von jedem Schock 6 Dinarium jährlich zur Armenkaße entrichtet werden müßen.
Zu Anfang des April ist der Bauinspecktor Schoenwald in gleicher Eigenschaft von hier nach Naumburg versetzt worden; an seiner Stelle trat der bisherige Wegebaumeister Schulze in Merseburg als Kreisbaumeister.
Am Bußtage, dem 20ten April, Abend ¾ auf 8 Uhr erscholl der Feuerruf; es brannte in der Zscherngaße im Hause des Schuhmachermeisters Zieprich oben auf dem Boden; nach einer halben Stunde war das Feuer, ohne daß das Dach verloren gieng, gelöscht; die Entstehung des Feuers, wahrscheinlich durch Verwahrlosung, blieb unentdeckt; der Hausbesitzer war mit seiner Frau auf der Leipziger Meße, und erlitt trotz schneller Hülfe doch einigen Verlust an Leder und Wirthschaftsgeräthen, welche theils verbrannten, theils durchnäßt wurden.
Bereits zu Ostern 1849 erhielt unser Gotteracker- Kirche in Folge einer am Todtenfeste 1848 deshalb veranstalteten, ohngefähr 15 Rtl. betragenden, Kirchencollecte eine neue Kanzel- und Altarbekleidung von schwarzem Sammt- Manchester, zu welcher von der bisherigen, im Jahre 1820 geschenkten das Beste nach vorheriger neuer Färbung wieder verwendet, das Stück an der vordern Seite des Altars aber neu gekauft ward, und in daßelbe von dem Fräulein Caroline v. Hartitzsch die Worte „Christus ist die Auferstehung und das Leben“ in großer Kanzlerschrift mit weißen Perlen unentgeldlich gestickt wurden. Jetzt zu Pfingsten hat aber eine edle Schenkgeberinn, die Frau des Kaufmann Schönbrodt, Friedericke, geb.Rathmann, in richtiger Erkennung des Bedürfnißes dieser von der Gemeinde mit Recht so geliebten Kirche eine neue Kanzel-und Altarbekleidung von grünem Sammt- Manchester mit breiten goldenen Franzen nebst einer weißen Altardecke mit sehr breiten Spitzen verehrt; in das Stück an der vordern Seite des Altars sind in großer Kanzleischrift in Gold die Worte „Opfer dem Herrn deine Gelübde“ von zwey großen Palmzweigen umgeben mit der darunter befindlichen Jahreszahl 1853 kostbar hinein gestickt. Möge Gott der noch jungen, aber leider! Sehr kränklichen Geberinn dieses schönen, gewiß 50 Rtl. im Werthe betragenden Geschenks dauerhafte Gesundheit verleihen!
In der Pfingstwoche hat ein Auswärtiger Wohlthäter der Armen- Deputation 20 Rtl. zur Vertheilung an 30 Arme, besonders alte und kranke, eingesendet; dieselbe ist am 20ten Mai mit 20 Sgr. an jeden erfolgt.
Der Ertrag von der Verpachtung der der Commun gehörigen Kirschalleen hat in diesem Jahr 304 Rtl. betragen.
Die Witterung in diesem Frühjahr war in den Monaten April und Mai größten Theils sehr kühl, trübe und stürmisch; es regnete viel, so daß wir am 3ten und 28ten April großes Waßer hatten; den 8ten Mai von 5-6 Uhr Abends tobte ein Orkan. Zu Pfingsten, den 15ten Mai, blüheten die Bäume noch nicht und standen noch ohne Laub da, weil es bey dem scharfen anhaltenden Ost- und Nordost- Wind so kalt war. Erst vom 18ten und 23ten Mai an trat sehr warme Witterung ein(Barom.28,2.Therm.N.M.2 U. in der Sonne + 30), in folge deren sich dann aber auch schnell in 8 Wochen am 26ten Abends 7 Uhr und den 28ten Abends 8 Uhr schwere Gewitter bildeten; am letzteren Abende schlug der Blitz halb 9 Uhr in Werbelin in einen Strohschuppen, welcher nebst zwey Strohscheunen abbrannte. Auch am 1ten, 7ten, 16ten, 20ten, 25ten Junius entluden sich starke Gewitter mit vielem Regen; desgleichenregnete es bedeutend am 5ten, 9ten, 15ten, 22ten, 23ten, 26ten und 27ten Junius, so daß bey dieser durch anhaltende Näße für die wirklich reiche Heuerndte ungünstigen Witterung wenigstens der vierte Theil derselben verloren gieng.
Zu Ende des April erlosch die Masern – Epidemie; dageen trat im Mai das Scharlachfieber in einigen,wenigen, aber tödtlich endenden, Fällen auf; als gewöhnliche Frühjahrs- Krankheiten kamen außerdem in folge des herrschenden scharfen Ost- und Nordost- Winds öfters häutige Bräune, Lungen- und Luftröhren- Entzündungen zur Behandlung.
In der Nacht vom 28ten zum 29ten Mai ward die nach Bitterfeld fahrende Post gegen 12 Uhr in der Nähe der Benndorfer Mühle räuberisch überfallen; da aber die Sache von Leipzig aus verrathen war, so ward der mit Pistolen bewaffnete Räuber in der Person des hiesigen Schneidermeister Belke den Gensdarmen und Polizeybeamten nach hartnäckigem Widerstande auf frischer That ergriffen. Zwey andere Mitschuldige der Fleischermeitser Barth sen. und der Schneidermeister Tofante wurden in derselben Nacht in ihren Wohnungen verhaftet, nach vier Wochen aber einstweilen unter Polizey-Aufsicht entlaßen.
Der bisherige Magistrats-Aßeßor Catholy ward im Mai zum Bürgermeister in Treuenbretzen erwählt, und den 28ten Juni von hier dorthin ab. An seine Stelle ward der bisherige Polizey- Büreau- Aßistent Heintze in Halle erwählt, welcher den 9ten August sein Amt antrat. An die Stelle des zu Johannis vorigen Jahres nach Herzberg wieder zurück versetzten Kreisphysikus Dr. Deutschbein ist der bisherige praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Kanzler aus Liebenwalde am 28ten Juli als Kreisphysikus verpflichtet worden, aber erst zu Ende August mit seiner Familie hier angekommen.
Für unsere Sparkaße, zu deren Hebung außer dem großen Kredit, welchen unsere Stadt genießt, auch die liebenswürdige Persönlichkeit des Rendanten Thaerigen, der als ein sehr humaner, thätiger und rechtschaffner Mann geachtet wird, viel beyträgt, ist in der Mitte des Juli ein gegen Diebe und Feuer fester eisener Schrank aus der Fabrik von Sommermeyer und Co. In Magdeburg für 350 Rtl. und 25 Rtl.Transportkosten angekauft worden. Die maßiv einernen Wände derselben sind in den Zwischenräumen mit ausgesiebter Holzasche, welche die Gluth nicht durchläßt, stark ausgefüllt. Das Ganze ist ein wahres Meisterstück.
Die der Commun gehörigen Pflaumen- Plantagen sind in diesem Jahr für die Summe von 241 Rtl. 15 Sgr. verpachtet.
Der Sommer war mit Ausnahme einiger trüber und kühler Tage, sehr schön und heiß; das Therm. stand oft Nachmittags 2 Uhr in der Sonne + 30 – 35, das Barom. 28-28,3. Die Fruchtbarkeit war in folge der Gewitter am 1ten, 8ten, 10ten, 19ten,25ten Julius, am 3ten, 8ten, 22ten, 26ten August, am 3ten, 25ten September, desgleichen der Landregen am 3ten, 5ten, 11ten, 14ten 29ten Julius, am 7ten, 8ten, 15ten, 17ten, 29ten August, am 6ten, 7ten, 9ten, 29ten September außerordentlich. Die Erndte, welche bey günstiger Witterung sehr glücklich eingebracht worden ist, kann man als eine gute Mittelerndte betrachten, welche den Bedarf vollständig deckt. Um so mehr ist es zu beklagen, daß die Getreidepreise noch immer der schändlichen Wucher auf bedeutender Höhe erhalten werden; der große Scheffel Weitzen kostet 7 Rtl. Roggen 5Rtl.15 Sgr.—6Rtl., Gerste 4Rtl.20 Sgr. Hafer 2 Rtl.15 Sgr. Die Grummterndte war vorzüglich, dagegen ist der Ertrag der Kartoffelerndte nicht reichlich gewesen; der große Scheffel kostet 1Rtl.20Sgr. Ausgezeichnet aber ist die Obsterndte ausgefallen; so reichlich und im Überfluß haben wir sie seit dem Kriegsjahr 1813 nicht gehabt; alle Obstsorten, besonders die Pflaumen waren in ungeheurer Menge vorhanden, sodaß viele Bäume gestützt werden mußten, und dennoch manche unter der Last ihres Segens brachen; der große Scheffel gute Pflaumen kostet 20 – 25 Sgr., auch die übrigen Obstsorten sind sehr billig. Den 26ten September tobte 24 Stunden lang ein furchtbarer Orkan(Barom.27,4), welcher hier und da in den Gärten und auf den Plantagen durch Umreißen der schwerbeladenen Pflaumenbäume oder Brechen der Zweige bedeutenden, im Ganzen aber doch nicht bemerkbaren Schaden anrichtete.
Der Gesundheitszustand war trotz des vielen Obstgenußes sehr befriedigend, und die Sterblichkeit äußerst gering; von epidemischer Cholera und Ruhr, welche man mit Recht auch wegen anhaltender Hitze fürchten mußte, war garnicht die Rede.
In diesem Sommer, deßen herrliche Witterung die Bauarbeit sehr begünstigte, sind die am 15ten October vorigen Jahres abgebrannten sechs Scheunen(vid.S.190) von ihren Besitzern sehr schön und feuerfest wieder aufgebaut worden; außerdem hat der Strumpffabrikant Pabst eine große Scheune auf einem vom Lohgerbermeister Elzner am Kohlthorr erkauften Stück Garten, ferner der Tuchfabrikant in seinem Scheungarten vor dem Halleschen Thorr noch eine Scheune neu gebaut, und der Galanteriehändler Boehme seine in der Todtengaße gelegene Strohscheune, deren Holzwerk noch sehr gut ist, unter Ziegel gesetzt.Ferner hat der Holz- und Viehändler Hollenter am Ende der Töpfergaße an der Stelle seines alten baufälligen Wohnhauses ein schönes maßives, desgleichen der Zigarrenfabrikant Wagner nach der Münze hin ebenfalls ein schönes maßives Fabrikgebäude, ebenso der Destillateur Bohden ein Wohnhaus in der Zscherngaße an der Stelle des alten Heßlerschen, und der Webermeister Klette jun. Ein solches auf einem vor dem Galgthor gelegenen, vom Apotheker Freiberg sen. erkauften, Feldstücke neu gebaut. Der Hauptbau in diesem Jahr ist aber die neue Brauerei, welche der Braumeister Offenhauer aus Kleinkrostitz auf einem vom Windmüller Angermann erkauften Feldstück an der Bitterfelder Straße mit einem Kostenaufwand von 30000 Rtl. in zwey großen sehr langen maßiven Parterre- Gebäuden mit bedeutenden Kellern gebaut hat. Es ist nur zu bedauern, daß unsre Stadtbrauerei durch diese Concurenz wahrscheinlich sehr leiden wird.
Am 1ten October ist der bisherige Cantor Golz, 59 Jahre alt, emeritirt worden, weil die Schulinspecktion schon seit mehreren Jahren mit seiner Amtsverwaltung und seinen Leistungen nicht mehr zufrieden war, er bekommt jährlich 220Rtl. Pension und ist von hier nach Leipzig gezogen. An seine Stelle ist der Cantor Thierbach aus Schmiedeberg getreten und am 3ten November in sein Amt eingeführt worden.
Die im Jahr 1852 verstorbene Frau Dr. Güntz in Leipzig, Amalie, geb. Müller aus Delitzsch, hat hat in ihrem Testamente der hiesigen Armenkaße ein Legat von 100 Rtl., wovon die Zinsen an verschämte Arme vertheilt werden sollen, vermacht. Vid.pag.541.Der Vater der Frau Dr. Guentz war hier Ausreiter d.h.berittener Steueraufseher.
Die vordere Hälfte der bisherigen Amtswohnung des emeritirten Cantor Golz ist zu einem gaßenden Klaßen- Local für die gemischte Elementar-Klaße des Lehrer Hofmann, welche sich zeither im Hause des Böttchermeister Schumann befand, eingerichtet und seit Anfang des November bezogen worden; die hintere Hälfte der erwähnten Wohnung aber hat der Magistrat dem Nachtwächter Schneider, welcher die reinigung und Heitzung der Knabenschule zu besorgen hat, übergeben. Der neue Cantor Thierbach wohnt zur Miethe, und bekommt im Ganzen bis zum Tode seines Vorgängers 368Rtl. Besoldung und 40 Rtl. für die Wohnung, wobey die Kämmerei-Kaße jährlich noch ein Opfer von wenigstens 200 Rtl.bringen muß.
Im October wurde die neue Städte-Ordnung eingeführt; dieselbe unterscheidet sich von der alten dadurch, daß Klaßenwahlen in drei Abtheilungen nach dem Steuersatze stattfinden, daß die Stadtverordneten bloß alle zwey Jahre gewählt werden, mithin jeder sechs Jahre in der Versammlung bleibt, daß es keine Stellvertreter derselben giebt, daß endlich die Sitzungen der Stadtverordneten, an welchen in der regel ein Mitglied des magistrats als Commißarius Theil nimmt, größten Theils öffentlich gehalten werden.
Am 29ten November ward der Tages vorher angekommene neue Waßer-Zubringer, welcher auch zugleich als Feuerspritze gebraucht werden kann, vor dem breiten Thorr am Stadtgraben geprüft; die Probe fiel ganz zu Gunsten dieses vortrefflichen Instruments aus, welches in der Fabrik von Henneberg und Sohn in Arnstadt gefertigt ist, und 536 Rtl.23 Sgr.kostet.
Im Verlauf von höchstens einer Minute ward durch daßelbe das Waßer bis auf die oberste Etage des breiten Thurmes gehoben und von da bis an den Knopf gespritzt. Die Kosten sind bestritten worden durch ein Geschenk der Aachner und Münchner Feuer-Versicherungs-Gesellschaft von 150 Rtl., durch ein Geschenk der Köllner von 50 Rtl., und durch den bey der im Jahr 1838 erfolgten Auflösung der damaligen Landes- Brandkaße auf unsre Stadt gekommenen Antheil von 361 Rtl.21Sgr.50 dinarium, von welchem letzterem der kleine Rest nebst einem Zuschuß aus der Kämmereikaße von ohngefähr 96 Rtl. auf die Reparatur der alten großen Rathspritze und Anbringung eines Schlauchrohrs mit 100 Ellen Schlauch an derselben verwendet wurden ist, wodurch dieselbe sehr an Brauchbarkeit gewonnen hat; schon vor zehn Jahren war sie mit einem Kostenaufwand von 100 Rtl. (Geschenk der Aachner Feuer Versicherg. Gesellschaft) repariert worden. Zu bemerken ist noch, daß der neue Waßer-Zubringer einen Schlauch mit doppelten Rohren von 300 Ellen Länge hat.
Der Fleischermeister Pörschmann sen., welcher im September 1851 nach Amerika ging(vid.pag.158), ist, nachdem er in seinen Erwartungen und Hoffnungen bitter getäuscht worden ist, zu Anfange Decembers aus diesem gelobten Lande wieder zurückgekehrt.
Die erwähnten Posträuber sind zu Ende Octobers vom Schwurgericht in Halle verurtheilt worden, und zwar der Schneidermeister Belcke zu 20 Jahren Zuchthaus, der Handarbeiter Gerhardt, welcher schon seit einiger Zeit wegen Diebstahls in Lichtenburg war, zu 15 Jahren Zuchthaus, der Schneidermeister Tofante zu 10 Jahren Zuchthaus, und der Fleischermeister Barth sen., welcher mit allen dreien besonders wegen Schafdiebstählen in Verbindung stand, zu 3 Jahren Gefängnis und 2 Jahren unter Polizeyaufsicht.
Der Herbst, besonders im October war sehr schön; den 1ten, 9ten, 15ten,und 30ten regnete es; im November hatten wir öfters dichte Nebel, und, was besonders merkwürdig ist, es war den ganzen Monat völlige Windstille; den 25ten fiel der erste Schnee, und in den letzten drei Tagen setzte die Kälte ein.(Therm. früh 6 Uhr – 7 R. Bar. 28,4). Auch im December hatten wir mehrmals rauhe, dichte Nebel, und in der ersten Hälfte einen scharfen schneidenden Ostwind; in der zweiten Hälfte fiel mehrmals Schnee, und die bisher mäßige Kälte stieg am 25ten und 26ten bedeutend,( Therm.früh 7Uhr –16R. Barom. 28,4) Bey diesem Witterungslauf konnte es denn nicht befremden, daß acute Krankheiten leicht einen nervösen Charakter annahmen, und öfters tödlich endeten; besonders war die Sterblichkeit unter den alten Personen groß; bey denen, welche an asthmatischen Beschwerden litten, giengen die Lungen oft schnell in Lähmung über; bey jüngeren Personen erschienen Catarrhe und Lungenentzündungen sehr häufig und bey Kindern die häutige Bräune; die Hauptursache hiervon war der anhaltende scharfe Ostwind. Gestorben sind in diesem Jahre
Im December hat der Amtmann Karthaus in Zschepen unsern Armen 4 Fuder Braunkohle, die Gesellschaft „Liedertafel“ 30 Tonnen ausgesiebte Knorpelkohle, und der Amtmann Donner in Döbernitz für die nächsten Monate Januar, Februar und März zehn Armen wöchentlich jedem 6 Pfund Brod geschenkt; auch hat die Gesellschaft „Eintracht“ vier arme Knaben mit einem Kostenaufwande von 18Rtl. neu und warm gekleidet.
Am 5ten April hat sich auch ein Verein gebildet, welcher den Zweck hat würdige arme Knaben, welche zu Ostern confirmiert werden und von ihren Lehrern gute Zensuren erhalten, neu zu bekleiden. Das Comitè, welches bereits nach der ersten deshalb veranstalten, gut ausgefallenen Collecte ein Stamm-Capital von 50 Rtl. bey der Sparkaße zinsbar niedergelegt hat, besteht aus dem Diac. Dr. Burkhardt, dem Strumpffabrikant Pabst, dem Kaufmann Dittmar, dem Kaufmann Hofmann sen., dem Kirchner Baumgärtel, dem Rendanten Thaerigen und einigen andern achtbaren Bürgern. Dieser Verein , welcher schon sehr viele Mitglieder zählt, wird seine Wirksamkeit zu Ostern künftigen Jahres beginnen, und steht unter der Aufsicht des Magistrats.
1854
An die Stelle des zum Kreisgericht als Gerichtsbote übertretenen zweyten Polizeydieners und ArmenVoigts Lilie ist vom Magistrat der bisherige Polizeydiener Uhlig in Landsberg, früher dreizehn Jahre lang Trompeter beim dritten Husaren-Regiment in Düben, erwählt und am 5ten Januar verpflichtet worden.
Eine zum Besten der Armen veranstaltete Holzcollecte lieferte den Ertrag von 104 Rtl. 29 Sgr., wozu der Graf Hohenthal in Döbermitz 25 Rtl. und der Gutsbesitzer Ruehl in Cletzen 5 Rtl.bey getragen haben. Hiervon sind 8 Klaftern Brennholz, 20 Schock Reißbunde und 224 Tonnen Knorpelkohle, zu welchen letzteren 17 Bittfuhren unentgeldlich geleistet wurden, angekauft und an die Armen im Januar vertheilt worden; auch hat der Amtmann Hertzsch in Schenkenberg denselben 4 Fuder Braunkohle und ein anderer Geber 3 Fuder geschenkt.
Der Archidiaconus Heineken, welcher als Pastor nach Löbnitz berufen worden ist, hat am 5ten Februar seine Abschiedspredigt gehalten, und am 7ten unsre Stadt verlaßen. Derselbe war bey der Gemeinde seit 1849 nicht beliebt.
Am 6ten Februar früh um 9 Uhr hat sich der Strupfwirker Illge in seinem Hause am Markte, und am 17ten früh um 10 Uhr der Bäckermeister Hillmann im Hause des Bäckermeister Donath am Steinwege erhängt; der erstere war ein geistesschwacher, aber gutmüthiger, dem Trunke etwas ergebener Mann, der letztere dagegen ein unverbeßerlicher Spieler und Säufer.
Der Winter war milde; der im December gefallene Schnee schmolz in den Tagen vom 6ten bis 9ten Januar; in diesem ganzen Monat fiel keiner wieder; im Februar dagen regnete und schneite es öfters, und am 25ten d.M.wüthete Abends von 7 – 11 Uhr ein furchtbarer Gewittersturm mit Schneewehe(Barom. 28.) Das Barometer stand meistens sehr hoch, am höchsten den 1ten März.(28,8), am niedrigsten den 5ten Januar (27,2), die auffallendste Schwankung deßelben war am 14ten und 15ten Februar (28,6 u.27,6), am 14ten war das Wetter hell und schön, am 15ten Sturm und Schneegestöber. Im März war das oft, zumal bey dem voherrschenden Ostwind, sehr rauh; vom 3ten bis 6ten hatten wir früh dichte Nebel. Katarrhe, Entzündungen der Luftröhre und Lungen, und bey Kindern häutige Bräune und Keuchhusten kamen häufig vor.
Am 11ten April früh um 10 Uhr hat sich der Conditor Mehring, welcher seit drei Jahren wieder von Magdeburg hierher gezogen war, im Hause des Schumachermeisters Zieprich in der Zscherngaße erhängt; er war ein Müßiggänger und starker Säufer.
In den Monaten April und Mai ist auch der Weg durch die Hallischen Scheunen, 50 Ruthen lang, durch starke Aufschüttung von geklopften Bruchsteinen und Kies und nachheriges Befahren mit einer großen fiskalischen Walze sehr schön chaußirt worden; der Kostenaufwand dafür beträgt 300 Rtl.
Schon längst war es ein dringendes Bedürfnis in der Vorstadt-Schule bey einer Anzahl von wenigstens 200 Kindern einen zweiten Lehrer für die Elementar-Klaße anzustellen. Dieses ist nun geschehen; am 1ten Mai ist der bisherige Hülfslehrer in Gleina bey Zeitz Gottlieb Hugo Thaermann aus Weißenfels als zweiter Lehrer mit 150 Rtl. Gehalt, freier Wohnung und der Pflicht bey dem Gottesdienst in der Gottesacker-Kirche das Lied anzufangen angestellt und in sein Amt eingeführt worden. Zugleich ist an demselben Tage der bisherige Lehrer Johann Christlieb Jost, welcher auch seit der vor zwey Jahren erfolgten Erbauung der neuen Orgel in der Gottesacker Kirche deas Organisten- Amt an dieser Kirche verwaltet, zum ersten Lehrer mit 200 Rtl.Gehalt befördert worden. Da seine bisherige Wohnung im Schulhause zur zweyten Klaße eingerichtet worden ist, so ist für denselben in den Dach- und Giebelräumen eine neue Wohnung, bestehend aus zwey schönen Stuben und vier Kammern, mit einem Kostenaufwand von 210 Rtl. gebaut worden. Die Einrichtung der Klaße kostet 70 Rtl.
Am Sonntage Cantate hielt der Tags zuvor aus Magdeburg hier angekommene General- Superint. Dr. Theol. Moeller Kirchenvisitation; nach der Frühpredigt betrat er die Kanzel, und richtete ebenso wie bey dem Tage darauf abgehaltenen Synodal- Gottesdienste eine kurze, aber herzliche und gemüthliche Ansprache an die Gemeinde; zum Schluß katechisirte er beydemale mit den Kindern. Am Dienstag, den 16ten Mai, revidirte derselbe die Schulen in allen zehn Klaßen; er soll, wie man hört, zufrieden gewesen seyn. Im Katechisiren ist er Meister, aber als Kanzelredner steht sein Vorgänger Draesecke bedeutend höher.
Am 17ten Mai früh um 3 Uhr wollte ein Mädchen, Caroline Buchholz aus Wermsdorf, welche den Abend vorher aus Leipzig hier angekommen war, sich und ihren bey dem Strumpfwirker Drechsler in der Erziehung befindlichen einjährigen Knaben durch Ertränken tödten, und war deshalb in den Stadtgraben am Hallischen Thorr gegangen, der an dieser Stelle nicht so tief ist, wurde aber durch den zufällig aus dem genannten Thorr gehenden Fleischergesellen August Jacob aus Gellschau bey Hainau, welcher sie im Waßer bemerkte, und sogleich hinein gieng, mit Muth und Entschloßenheit aus demselben gerettet. Das Kind blieb aber trotz der bald angewendeten Wiederbelebungsversuche todt; die den Tag nachher gemachte Section bestätigte den Waßertod; die Mutter befindet sich jetzt wegen des begangenen Verbrechens bey dem Königl. Kreisgericht in Untersuchung; nach ihrer Angabe hat sie Verzweiflung wegen getäuschter Hoffnungen und nicht erfüllter Eheversprechung von Seiten des Vaters des Kindes, eines Katholiken, des bey einer Eisenbahn in Leipzig angestellten Wagenmeister Bader, welchem sie als Wittwer die Wirthschaft geführt hat, zu dieser That getrieben.
Den 28ten Mai starb plötzlich vom Schlage getroffen nach wenigen Stunden der Buchdruckereibesitzer Louis Meyner im 70ten Lebensjahre. Er kam 1814 von Altenburg, wo derselbe Factor in der Piererschen Buchdruckerei war, hierher, kaufte von den Erben seines Vorgängers Schmidt die hiesige, etwas herabgekommene, Officin, und verbeßerte dieselbe in einem Zeitraum von vierzig Jahren bedeutend. Bey Einführung der neuen Städteordnung zu Neujahr 1832 ward derselbe zum unbesoldeten Magistrats- Aßeßor erwählt, schied aber schon nach drei Jahren aus diesem, ihm nicht zusagenden Amte, mit welchem mancherlei Verdrießlichkeiten verbunden sind, wieder aus, denn er wollte sich keine Feinde zuziehen, und war überhaupt in jeder Hinsicht ein höchst achtungswerther, gebildeter, religiöser, streng rechtlicher und gewißenhafter Mann. Die Führung der Officin übernahm sein Sohn.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem jahr für die Summe von 284 Rtl. 25 Sgr., und die Pflaumen –Plantagen für die Summe von 134 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Der im Jahr 1850 nach Amerika ausgewanderte Fabrikant Schulze, (vid.pag.154) ist zu Ende des Monats Mai wieder hierher zurück gekehrt.
Die Witterung war in den Monaten April, Mai und Junius mit Ausnahme weniger Tage sehr rauh, trübe, stürmisch und naßkalt; wir hatten besonders in den beyden letzten Monaten viele Land- und starke Gewitterregen, das stärkste Gewitter war den 25ten Junius früh von 4 – 6 Uhr, während welchem es einmal in den breiten Thurm und zweimal in den Schloßthurm einschlug, ohne jedoch zu zünden. Die Fruchtbarkeit und das Wachssthum der Feldfrüchte ward hierdurch sehr befördert, doch fing man an wegen der anhaltenden große Näße Befürchtungen wegen der Erndte zu hegen, und in Folge des letzten sehr bedeutenden, weit verbreiteten, Landregens vom 8ten Julius Abends 6 Uhr bis zum 9ten früh 6 Uhr hatten wir am letzten Tage und am 10ten großes Waßer, sodaß der Stadtgraben an der Stadtmühle den Spaziergang überfluthete, und ein nicht unbedeutender Theil der schönen Heuerndte in den Fluthen verloren gieng. In Folge der bis zum 12ten Junius vorherrschenden Ostwinds wurden immer noch hartnäckige Katarrhe,(Grippe), und Lungenentzündungen, und bey Kindern der Keuchhusten, welcher die Entwicklung der Skropheln, besonders scrophulöser Augenentzündungen, beförderte, häufig beobachtet.
Am 8ten Junius erließ der Magistrat in der hier beyliegenden No.23 des Delitzscher Nachrichtsblatts eine Bekanntmachung eine Erhöhung des Schulgeldes in der Stadtschulen und die beabsichtigte Umwandlung der Vorstadtschule in eine Armenschule betreffend. Durch einige Aeußerungen fühlte sich der Vorstadtlehrer Jost, welcher bisher acht Jahre an dieser Schule allein gewirkt hatte tief gekränkt, und ließ daher am 14ten Junius in der hier zum Verständniß der Sache ebenfalls beygefügten No.24 des Nachrichtsblatts eine Erwiederung einrücken. Der Magistrat glaubte sich hierdurch verletzt, und beschwerde sich deshalb bey der Königl.Regierung zu Merseburg über den Lehrer Jost. Dieselbe beauftragte nun den Superint. Foerster den pp. Jost wegen seiner Rechtfertigung zu vernehmen; dies geschah am 12ten Julius. In einem hierauf am 24ten Julius eingegangenen Rescrigt hat die Königl.Regierung das Verfahren beyder Theile in dieser Angelegenheit, sowie des Magistrats als des pp.Jost, nicht gebilligt, und so die Sache entschieden. Der Lehrer Jost hatte aber doch völlig Recht, denn die Schule ist keine Strafanstalt.
Am 1ten Julius ist der bisherige erste Polizeydiener Heyme emeritiert worden; derselbe erhält jährlich 60 Rtl. Pension und eine Stube und Kammer im Armenhause als freie Wohnung mit der Verpflichtung über die Bewohner deßelben zugleich die Aufsicht zu führen; als sein Nachfolger ist der bisherige Polizeydiener Ranscht in Halle erwählt worden, welcher am oben genannten Tage sein Amt antrat.
Den 18ten Julius Nachmittags 1Uhr hat sich der Maurergeselle Fischer, ein leichtsinniger junger Mensch, nach einem bey Tisch vorausgegangenen heftigen Wortwechsel mit seiner geliebten in einem Nebengebäude des Webermeister Beyer sen. an der Münze erhängt.
Sonntags, den 11ten August, Vormittags halb 11 Uhr, ward in Gegenwart der Mitglieder der Armen-Deputation durch den Vorsitzenden derselben, Magistratsaßeßor Heintze eine neue Hausordnung im Armenhause eingeführt, wobey der herr Archidiacon Dr. Burkhardt an die Bewohner deßselben, welche in der großen Stube versammelt waren, in ergreifenden und herzlichen Worten eine darauf bezügliche Ansprache richtete.
Zu Anfang des Julius war der bisherige dritte Mädchenlehrer Eduard Keller an das Seminar zu Petershagen bey Minden berufen, und ist am 24ten August dorthin abgegangen. In seine Stelle rückte der bisherige Elementarlehrer Heinrich Robert Hofmann, und an deßen Stelle ward der Schulamts-Candidat Julius Wilhelm Hofmann, ein Sohn des hiesigen Kaufmanns, bisher Lehrer in Rösa, gewählt; derselbe bekommt 175 Rtl. Gehalt und seine Wohnung; sein Amt trat er am 21 ten August an.
Nachdem bis zum 8ten Julius anhaltende Näße statt gefunden hatte, klärte sich der Himmel vom 9ten an plötzlich auf, und es trat sehr schönes warmes Wetter ein, welches mit Ausnahme weniger Gewitter und Landregen im August und September bis zum Anfang des Herbstes anhielt, wodurch die Reife der Feldfrüchte sehr befördert und die Erndtearbeit außerordentlich begünstigt wurde. Die Hitze war oft groß, das Thermometer stieg Nachmittags in der Sonne gewöhnlich über 30 und 35 Grad, am 25ten Julius zeigte es sogar + 40 Reaum.; das Barometer stand meistens auf 28 – 28,3. Die Getreideernte ist bey uns, wie in allen Ländern Europas reichlich ausgefallen; trotzdem haben wir noch theils wegen des Wuchers, theils weil Rußland, welches jetzt mit England, Frankreich und der Türkey in einen unheilvollen Krieg verwickelt ist, die Getreideausfuhr verboten hat, leider! Ganz dieselben Preise wie vor einem Jahre(vid.pag.205); auch alle übrigen Lebensmittel, wie Fleisch, Butter, Eyer, Obst, welches letztere wenig gerathen ist, sind hoch im Preise, so daß die Theuerung zumal bey ihrer langen Dauer für die mittlern und untern Klaßen sehr drückend ist. Hierzu kommt noch, daß die Kartoffelerndte nicht ergiebig gewesen ist, und große Quantitäten dieses für die Armen unentbehrlichen Lebensmittels zum Brandtweinbrennen verwendet werden; der große Scheffel kostet 2 Rtl. Die Grummterndte war recht gut, und ist bey schönem Wetter glücklich eingebracht worden. Der Gesundheitszustand war befriedigend und die Sterblichkeit gering; einige leichtere Fälle von sporadischer Cholera wurden beobachtet.
Zu Anfang des October ward die bisherige Feuer-Ordnung vom 31ten Maerz 1838 aufgehoben, und statt deren die neue für die Stadt Delitzsch und die Amts- Vorstadt Grünstraße entworfene und von der Königlichen Regierung zu Merseburg unterm 26ten April 1854 bestätigte eingeführt. Auf die Beßerung des Straßenpflasters wurden in diesem Jahre 1000 Rtl.verwendet; dafür ist bis jetzt die Leipziger Straße, und zwar die Fahrbahn mit dazu paßenden, länglich viereckigen, Bruchsteinen, und das an dieselbe zunächst stoßende Stück des Marktes gepflaster worden. In diesem Jahre ist wegen der ungünstigen Zeitverhältniße nicht so viel, als früher, gebaut worden; der Oeconom Wilhelm Kuehne hat ein neues Wirthschaftsgebäude in der Form eines Wohnhauses in der Leipziger Straße ganz maßiv, desgleichen der Seilermeister Gutheil ein neues, sehr bedeutendes ebenfalls maßive Wirthschaftsgebäude in seinem Gehöfte und der Webermeister Klette noch ein zweites Wohnhaus (vid.pag.207) erbaut; ferner hat der Schmiedemeister Schulze in der Kohlgaße sein Wohnhaus übersetzt, und der Wundarzt Rathmann seine beyden bisher mit Stroh gedeckten Scheunen unter Ziegel gesetzt. Der Hauptbau dieses Jahres ist aber im Hospital ausgeführt worden; der Seitenflügel deßelben, in welchem der Saal und die Krankenstube befindlich sind, ist nicht bloß maßiv übersetzt, sondern auch um 36 Fuß verlängert worden, und im Parterre ein Saal zu einer im künftigen Jahre zu eröffnenden Klein-Kinder-Bewahr –Anstalt eingerichtet. Da zu Michäelis der Bau diese neuen Seitengebäudes vollendet war, so wurde daßelbe sogleich von den Hospitaliten bezogen und hierauf das Vordergebäude bis auf das Erdgeschoß abgetragen und neu aufgemauert, und mit Benutzung der zum Theil noch brauchbaren Materialien, namentlich des sehr guten Bauholzes, im November unter Dach und Fach gebracht; der innere Ausbau bleibt natürlich dem nächsten Frühjahr vorbehalten. Durch diese nothwendige und höchst zweckmäßige Erweiterung und Verbeßerung wird unser Hospital, welches die Mittel dazu besitzt, eins der vorzüglichsten werden, und acht bis zehn alte Personen mehr in seinen Räumen aufnehmen können, wogegen dann die bisher außerhalb deßelben wohnenden, sogenannten Hospitalbeneficiaten, aufhören und der Stadt-Armen-Kaße uberwiesen werden.
Im October erhielten sämmtliche Häuser der Stadt und Vorstadt neue Hausnummern; dies war wegen der besonders in den letzten zehn Jahren statt gefundener Zunahme neu angebauter Häuser sehr nothwendig; wir haben nach der neuen Zählung 447 Häuser, gerade 80 mehr, als nach dem alten Cataster. In folge deßen bekamen zwey neue Straßen, die eine am breiten Thor der Stadtmauer entlangt, den Namen „Mauergaße“, die andere hinter der Kohlgaße nach der Allee die Bezeichnung „an der Promenade“; desgleichen erhielten mehrere Straßen paßendere Benennungen, nämlich das Ende des Steinwegs den Namen „Eilenburger Straße“, die Todengaße wegen der Nähe zur Marienkirche den Namen „Mariengaße“, die Viehgaße den Namen „Bitterfelder Straße“, der Platz an der Postsäule vor dem breiten Thor den Namen „Roßplatz“, und der vor dem Halleschen Thor gelegenen Stadttheil den Namen „„Hallesche Vorstadt“. Die Zahl der Einwohner beträgt jetzt 4606.
An die Stelle des nach Löbnitz abgegangenen Pastor Heineken(vid.pag.214) wurde vom Magistrat am 18ten Mai der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Dr. phil. Burkhardt zum Archidiaconus und Katechismusprediger erwählt, und am 30ten Julius in sein neues Amt feierlich eingeführt. Auch ist demselben seit Michäelis für einen jährlichen Gehalt von 30 Rtl. die Seelsorge über die in der Frohnveste des hiesigen Königl. Kreisgerichts befindlichen Gefangenen anvertraut worden.
An die Stelle des im November nach Artern versetzten Bauinspektor Schulze (vid.pag. 200) trat der bisherige Baumeister Gericke aus Landshut in Schlesien als Kreisbaumeister. Desgleichen ist auch der unbesoldete Magistrats- Aßeßor Dr. Pfotenhauer am 1ten November aus dem Rathscollegio geschieden; an deßen Stelle ward noch in demselben Monat von den Stadtverordneten der Strumpffabrikant Pabst gewählt, und den 13ten Februar 1855 in sein Amt eingeführt.
Dem Bürgermeister Hagedorn, welcher bereits zu Anfang dieses Jahres für die Umarbeitung des Statuts der Spaarkaße auf den Antrag des Curatoriums aus dieser Kaße eine Gratification von 50 Rtl. erhielt, ist von den Stadtverordneten auf sein Ansuchen aus derselben Kaße vom 1 ten Januar 1855 eine jährliche Gehaltszulage von 100 Rtl. bewilligt worden, welche jedoch auf die der einstige Pensionierung keinen Einfluß hat.
Der Herbst war im Ganzen genommen milde; leider gab es sehr viele Feldmäuse, welche der jungen Saat Schden zufügten. Im October, mehr noch im November, hatten wir öfters dichte Nebel; den 17ten d.M. fiel der erste Schnee und den 12ten trat die erste Kälte ein (Therm.früh – 5R.), welche jedoch nicht lange anhielt. Den 23 ten December tobte in der Nacht ein furchtbarer Orkan(Gewittersturm) mit Schneegestöber, desgleichen in der Nacht des 31ten (Barom. 27,5). In folge eines dreitägigen anhaltenden Regens war am 17ten December sehr großes Waßer, eben so auch nach einem starken eintägigen Regen am 31ten und den Tag darauf. Die anhaltende Näße vertilgte die Feldmäuse, gegen welche andere Mittel vergebens versucht wurden. Der Gesundheitszustand war sehr befriedigend, und die Zahl der Kranken gering. Gestorben sind in diesem Jahre in der Parochie Delitzsch
1855
In den beyden ersten Tagen des neuen Jahres hatten wir einen starken Orkan und Schneewehe(Bar. 27,4); bis zum 13ten Januar war das Wetter milde, am 14ten aber trat der Winter bey vorherrschenden Nord –und Ostwind mit vielem Schnee und höheren Kältegraden ein und dauerte mit Ausnahme sehr weniger Tage bis zum 25ten Februar; in diesem Monat war die Kälte anhaltender und größer als im Januar; das Thermometer zeigte am 2ten, 3ten, 10ten und 20ten Februar früh 7 Uhr –16 und – 17Reaum.(Barom.28,2). Zu Ende dieses Monats trat allgemeines Thauwetter ein, blos einen Tag am 28ten durch Frost unterbrochen, so daß wir am 2ten und 3ten März großes Waßer hatten
Am 5ten Maerz früh von 8 – 10 Uhr ward die seltene, schöne Erscheinung von vier Nebensonnen, zwey weißen und zwey regenbogenfarbigen, parallel stehenden, beobachtet, dieselben waren von einem regenbogenfarbigen Kreise umgeben; es war an diesem Tage sehr schön und milde. Bald nach diesem electrischem Phänomen, vom 8ten an, trat wieder mäßiger Frost und rauhe Witterung, abwechselnd mit Schnee und Regen, ein, und hielt bis zum Ende des Maez an.
Zur Unterstützung der Armen während dieses Strengen Winters sind bey der Armen-Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden: 10 Tonnen Knorpelkohle vom Herrn Aßeßor Pabst, 10 Tonnen desgleichen vom Seifensiedermeister Friedrich Held, 10 Tonnen desgleichen vom Gastwirt Roessler und Oeconom Gutheil, 20 Tonnen desgleichen vom Drechslermeister Ufer jun. Apotheker Pfotenhauer, Fuhrmann Scharf und Bäckermeister Donath, 3 Fuder desgleichen vom Amtmann Voigt in Storckwitz, 1 Fuder desgleichen von S. 1 Fuder desgleichen vom Seilermeister Teubner sen., 1 Fuder Reiß- und Knüppelholz vom Kaufmann H.Schulze, 1 Fuder Knorpelkohle vom Kaufmann Naumann, 3 große Scheffel vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann W.Kuehne, 6 große Scheffel Kartoffeln vom Rittergut Brodau, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann Tiemann, 50 Pfund Graupen vom Kaufmann Hennig und 32 Pfund Reis vom Kaufmann Krause sen.; ferner 20Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 20 Rtl. vom Amtmann Donner daselbst, 10 Rtl.von einem Ungenannten, 10 Rtl. von der Gesellschaft Eintracht, 9Rtl. 4Sgr. vom Ball des öconomischen Vereins, 4 Rtl. 6 Sgr. von einem Karpfenschmauße und einige andere kleinere Geldbeiträge.
Ein am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte angekommener Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen ist daselbst an demselben Tage entwendet und der Thäter bis jetzt nicht entdeckt worden. Desgleichen ist in der Nacht des 22ten Maerz früh zwischen 1 und 2 Uhr ein höchst verwegener Einbruch in das Gewölbe und Wohnzimmer des Kaufmann Christ. Friedrich Schmidt am Markte verübt und aus erbrochenen Schränken und Schubladen etwas über 500 Rtl. theils in baarem Gelde, theils in Staatspapieren entwendet worden. Durch die rühmliche Thätigkeit unserer Polizey-Beamten ward dieser Diebstahl aber noch im Laufe deßelben Tages entdeckt, und die Diebe in den Personen der beyden Maurergesellen, Gebrüder Werner in Rödgen verhaftet; der eine derselben war bereits Vormittags nach vorher gegangener Anzeige der gestohlenen Staatsschuldscheine in Halle bey einem Banquier, wo er einen solchen in Geld umwechseln wollte, sogleich arretiert und der andere Bruder auf dem Rückwege von Halle nach Rödgen von unserm Polizey-Sergeant Ranscht ergriffen worden. Die Frau des älteren Werner, welche Tags darauf wegen Diebshehlerei ebenfalls gefänglich eingezogen ward, und einen kleinen, ein Jahr alten Knaben, welchen sie noch säugte, mitbrachte, erhängte am 25ten früh erst diesen und dann sich. Leider sind die beyden Werner aus Delitzsch gebürtig, Söhne des verrufenen frühern Feldhüter Werner, welcher im Jahr 1829 unter der berüchtigten Brandstifter- Bande(vid.pag.21) mit war, und später im Zuchthause zu Lichtenburg gestorben ist. Auch sind zugleich bei dieser Gelegenheit diese Gebrüder Werner als die Thäter der im Maerz 1852 verübten Diebstähle bei dem Kaufmann Lindenhahn und dem Buchbindermeister Krause (vid.pag.167) entdeckt und überwiesen worden, da von letzteren mehrere im Hause der pp.Werner in Rödgen vorgefundene Gegenstände noch nach drei Jahren als ihr Eigenthum recognosciert und erkannt worden sind. Diese Verbrecher sind nun an das Königl.Kreisgericht abgegeben worden.
Am 7ten Februar hat der erst am 1ten Mai vorigen Jahres eingeführte (vid.pag.216) zweyte Lehrer an der Vorstadtschule Thaermann sein Amt ganz plötzlich verlaßen, und ist als Musiklehrer an ein Privat Institut nach Eppendorf bei Hamburg abgegangen. An seine Stelle ward der bisherige Lehrer in Wellaune bey Düben Romanus gewählt, und am 16ten Mai in sein Amt vom Archidiacon Dr. Burkhardt eingesetzt.
Am Sonntage Misericord. Dom. Den 22ten April ½ 9 Uhr ward der Vormittags- Gottesdienst auf eine sehr traurige Weise durch Feuerlärm gestört. Es brannte nämlich in der Grünstraße die beyden mit Stroh bedeckten sehr baufälligen Häuser des Schuhmachermeister Jentsch und der Wittwe Bothfeld; die letztere befand sich gerade in der Kirche; im Hause des erstern, wo noch im obren Stock deßen Schwiegerältern, der frühere Besitzer
Obhändler Spieckermann und Frau wohnten, ist das Feuer vermuthlich durch Verwahrlosung oder Baufälligkeit der Feuereße auf dem Boden entstanden. Bey der schnell herbey geeilten Hülfe und der Zweckmäßigkeit der Lösch-Anstalten, wobey sich der neue Waßer- Zubringer sehr bewährte, brannte außer den beyden Häusern nebst Ställen nichts weiter nieder.
Nachdem am 18ten Mai 1854 der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Dr. phil.Burkhardt zum Archidiaconus und Katechismusprediger befördert worden war (vid.pag.232), war vom Magistrat an deßen Stelle an demselben Tage aus den Gastpredigern der Candidat des Predigtamts Herrmann Constantin Knoth aus Hauterode in Thüringen,welcher schon seit fünf Jahren als Hauslehrer im hiesigen Orte lebte und öfters hier gepredigt hatte, erwählt. Der Magistrat theilte diese Wahl in einer Sitzung am 29ten Mai den Stadtverordneten und Deputirten der eingepfarrten Gemeinden mit, welche aber mit dem Erwählten, weil derselbe ihnen als prediger keineswegs genügte, nicht zufrieden waren, und von demselben noch eine zweyte Probe-predigt verlangten. Das Königl.Consistorium zu Magdeburg, an welches deshalb berichtet worden war, genehmigte dies und verordnete nachher eine Abstimmung der Gemeinde über den Candidat Knoth. Hierauf hielt derselbe am 5ten post Trinit. Den 16ten Julius die zweyte Probepredigt; den Tag darauf war vom Superint. Foerster die Gemeinde in die Stadtkirche Vormittags 11 Uhr zur Abstimmung berufen worden , die Versammlung war, weil viele durch die Erndtearbeit abgehalten waren, nicht zahlreich. Auf die Frage des Superint. Foerster „ ob jemand wider die Lehre und den Lebenswandel des Candidaten Knothe etwas einzuwenden hätte“ erklärten alle Anwesenden „Nein“. Die Mehrzahl derselben sprach sich jedoch dahin aus und gab diese Erklärung auch zu Protokoll „daß man einen tüchtigeren und befähigteren Kanzelredner wünsche“, als welchen man unter den vier Gastpredigern mit aufgetretenen Candidat Scharr aus Halle bezeichnete.Zuletzt überreichte auch noch der Vorstand der eingepfarrten Gemeinde Grünstraße Polizey-Anwalt Schulze, eine von sämmtlichen hausbesitzern dieser Gemeinde unterschriebene sehr ausführliche Protestation wider der Wahl des Candidaten Knoth dem Superint. Foerster mit der Bitte dieselbe an das Consistorium mit einzusenden. In einem hierauf am 17ten August eingegangenen Rescrigt dieser hohen Behörde ward die Wahl des Candidaten Knoth nicht bestätigt, und nunmehr am 12ten October vom Magistrat der von der Gemeinde fast allgemein gewünschte Candidat des Predigtamts Friedrich Gustav Julius Scharr aus Halle zum Diaconus und Hospitalprediger erwählt, welcher nach erfolgter Bestätigung von Seiten des Consistorii, und nach der am 9ten April 1855, am zweiten Osterfeiertag, gehaltenen gesetzlichen Probeprdigt, den 28ten Mai, am zweiten Pfingstfeiertage, vom Superint. Foerster feierlich in sein Amt eingeführt ward.
Die Witterung in diesem Frühjahr war vom Anfang des April bis zum 20ten Mai mit Ausnahme sehr weniger Tage bey Vorherrschendem Nord –und Ostwind sehr trübe, stürmisch und naßkalt, es regnete viel, so daß wir am 11 ten April abermals großes Waßer hatten; auch bildeten sich öfters nach wenigen Stunden warmer Witterung sogleich Gewitter, von welchen die Beyden am 31ten Mai Abends um 9 Uhr und am 3ten Junius Nachmittags um 4 Uhr, bey welchem letzterem der Blitz im Dorfe Klitzschmar in eine Strohscheune schlug und zündete, die stärksten waren. Die Vegetation ward durch die Kälte sehr zurück gehalten; erst in der zweiten Hälfte des Mai zeigte sich beym Roggen die Aehre; derselbe, welcher auf vielen Feldern durch die anhaltende Näße und im Herbst vorigen Jahres durch die Feldmäuse viel gelitten hatte, erholte sich später noch bedeutend, da vom 20ten Mai bis zum 14ten Junius das Wetter außerordentlich schön war. Von da an trat wieder kalte und regnigte Witterung ein, und man hegte schon Besorgniße wegen der schönen und reichlichen Heuerndte; da aber das Wetter vom 27ten Junius wieder anhaltend schön, warm und trocken ward, so wurde dieselbe glücklich eingebracht. Die sehr drückende Theuerung aller Lebensmittel besteht leider ! immer noch fort, besonders gilt dies von der Butter, von welcher die Kanne gewöhnlich 20 Sgr., und am 26ten Mai dem heiligen Abend des Pfingstfestes, sogar 25 Sgr. gekostet hat. Was die Krankheiten betrifft, so kamen seit Anfang dieses Jahres, vorzüglich aber in den drei letzten Monaten, Entzündungen der Mandeln, der Lungen, des Rippenfels, häutige Bräune, so wie ein- und dreitägige Wechselfieber zur Behandlung. Die Sterblichkeit war gering.
Der am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte entwendete Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen an den Brauerei- Besitzer Offenhauer (vid.pag 236) ist am 11ten Junius in der Nähe des Pfeffermühlen-Weges in einer hohlen Weide am rechten Ufer der Gertitzer Bach von drei zehn bis zwölfjährigen armen Schulknaben, den Söhnen der Handarbeiter Schladitz und Bude, und der Wittwe Goldemann in der Grünstraße bey dem Ausnehmen von Vogelnestern zufällig unversehrt wieder aufgefunden worden; die Aelteren dieser Knaben, zwar arme, aber rechtschaffene Leute, haben die dafür ausgesetzte Belohnung von 20 Rtl., jeder ein Betrag von 6Rtl. 20Sgr., ausgezahlt erhalten; die übrigen 80 Rtl. sind an das Ober- Postamt zu Halle abgesendet worden, wodurch die verloren gegangene Caution des Post- Exped. Schmidt größten Theils wieder ersetzt worden ist. Die Besorgung dieser ganzen Angelegenheit hatte der Polizey- Anwalt Schulze in der Grünstraße übernommen, an welchen der Brief von den Findern sogleich abgegeben worden war.
Die den hier wohnenden Katoliken vor drei Jahren (vid.pag.195) ertheilte Erlaubnis alle vier Wochen einen Gottesdienst in unsrer Hospitalkirche abhalten zu dürfen, ist denselben seit dem Anfang des Julius von der Kirchen- und Hospital-Inspecktion wieder entzogen worden, weil der katolische Pfarrer Krumme in Eilenburg sich Uebergriffe und Störungen in den gemischten Ehen erlaubt hat.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 351 Rtl. 5 Sgr. und die PflaumenPlantagen für die Summe von 32 Rtl. verpachtet worden.
Nachdem im vorigen Jahre hauptsächlich durch einen Bau am Armenhause, sodann aber auch durch die in folge der Armen vermehrte Ansprüche an die Armenkaße in derselben ein Deficit von ohngefähr 250 Rtl. entstanden war, mußte auf den Antrag des Magistrats und der Stadtverordneten mit Genehmigung der Regierung die Armensteuer nach dem Klaßenfuße von 20 auf 30 Procent und auf jedes Schock von 6 Dinar auf 1 Sgr. vom Juli an erhöhet werden. Seit dem vorigen Jahr sind auch in Gemäßheit eines Consitorial-Befehls alle drei Geistliche Mitglieder der Armen- Deputation.
Am 16ten post.Trinitat., den 23ten September ward die kirchliche Jubelfeier des am 25ten September 1555 abgeschloßenen Augsburger Religions- Friedens in einfacher, und würdiger Weise begangen.
Der Sommer war sehr unfreundlich; denn vom 17 ten Julius bis zum 18ten September war das Wetter mit Ausnahme weniger Tage trübe, stürmisch und naßkalt; es regnete viel, zumal da sich oft nach wenigen Stunden banger und schwüler Witterung sehr schnell schwere Gewitter bildeten und stark entluden; die Erndtearbeit ward dadurch sehr aufgehalten, jedoch der vorherrschende Ost- und Nordostwind trocknete immer wieder bald ab, so daß die Feldfrüchte mit genauer Noth noch glücklich eingebracht wurden. Die Erndte des Roggen und Weitzens ist leider ! nur sehr mittelmäßig, dagegen die des Hafers und der Gerste, besonders der letzteren, vorzüglich ausgefallen. Unter diesen Umständen, welche sich der schändliche Wucher recht zu Nutzen macht, sind die Getreidepreise immer mehr gestiegen, und die Theuerung, welche sich zugleich auf alle übrigen Lebensbedürfniße erstreckt, immer drückender geworden; der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 8 Rtl. Roggen 7Rtl. Gerste 4 Rtl. 10 Sgr. Hafer 3 Rtl.- Pflaumen sind nicht viel, dagegen viel Aepfel und Birnen gewachsen, auch ist die Grummterndte, welche in der zweiten Hälfte des September bey dem Eintritt schönen Herbstwetters glücklich eingebracht wurde, sehr reichlich gewesen, und die Kartoffelerndte Gott sey Dank! In Quantität und Qualität vorzüglich ausgefallen; über die Krankheit der Kartoffeln hört man wenig Klagen; der große Scheffel kostet 1 Rtl. 5 – 10 Sgr. Was die Krankheiten betrifft, so kamen einige gastrisch – nervöse Fieber, hauptsächlich aber Durchfälle, welche oft hartnäckig und sehr zu Rückfällen geneigt waren, und sich merkwürdiger Weise besonders in der nacht verschlimmerten, zur Behandlung. Die Sterblichkeit war mäßig. Die Temperaturschwankung betrug manchmal in einem Tage eine Differenz von +15 – 20 Reaum.
In der zweiten Hälfte des September ist der Lober von den angrenzenden Feld- und Wiesenbesitzern geschlämmt worden. Der Stadtmüller Schroeter bauete während dieser Zeit ein neues Gerinne und ein neues sehr zweckmäßiges drei Fuß breites Waßerrad. In diesem Sommerhalbjahr, dessen rauhe und naße Witterung dem Bauern ohnehin nicht günstig war, ist wegen der schlechten und theuren Zeit wenig gebaut worden. Blos der Viehhändler Franke hat sein altes in der Mauergaße gelegenes nieder Gerißen und an dessen Stelle ein neues maßives Parterre – Gebäude mit einem Erker aufgeführt. Der im vorigen Jahre begonnene Neu- und Umbau des Hospitals ist zu Ausgang des August vollendet worden, so daß die feierliche Einweihung am 3ten September erfolgen konnte. Dies geschah früh 9 Uhr zuerst mit einem Gottesdienste in der Hospitalkirche, woselbst der Diaconus Scharr nach Absingung des Liedes (Delitzscher Gesangbuch No.7) eine Rede vor dem Altare hielt. Nach dieser ward von dem Liede No.5, Vers 3 gesungen. Hierauf begab sich die Versammlung auf den Platz vor das Vordergebäude des Hospitals, wo dann nach Absingung von No.168, Vers 1,2,4, der Superint. Foerster die Rede hielt und am
Schluße derselben die Weihe vollzog. Nun verfügte sich die Versammlung noch vor das Seitengebäude, in welchem die Kinder-Bewahr- Anstalt befindlich ist, wo dann der Archidiacon Dr. Burkhardt eine Rede hielt, und am Ende derselben die Weihe der genannten Anstalt vollzog, worauf zum Schluß noch vom Liede No.278 Vers 3 gesungen ward. Die sämmtlichen Baukosten betragen übrigens 8000 Rtl. Noch ist zu bemerken, daß seit dem 1ten August die Auszahlung des bisher üblichen Wochengeldes an die Hospitaliten (an jeden 12 Sgr.6 Dinarium) aufgehört hat, und dieselben dafür Mittags und Abends gespeist werden.
Im October wurden an der Mitternachtsseite der Stadtkirche zwey neue eichene, im gothischen Styl gearbeitet, große Kirchthüren angebracht; dieselben sind vom Tischlermeister Troitzsche und vom Schloßermeister Friedrich Wilhelm Bier verfertigt und in jeder Hinsicht wahre Meisterstücke. Mit Einschluß der Maurerarbeit und neuer Steinplatten kosten diese Thüren 157 Rtl 21 Sgr. 8 Dinarium. Auch haben die genannten Meister die Hausthüren im Hospital sehr gut geliefert, und der Schloßermeister F.W.Bier das eiserne Gitterthor nebst den beyden Eingangsthüren daselbst schön und dauerhaft gefertigt. Das letztere kostet 113 Rtl. 15 Sgr.
Schon seit längerer Zeit circulirten im Publikum verschiedene Gerüchte über die zerrütteten häuslichen und finanziellen Verhältniße des Landrats Eduard Arthur von Pfannenberg; diese bestätigten sich dadurch immer mehr, daß zu Anfang des vorigen Jahres der Fabrikant Degenkolb in Eilenburg denselben wegen einer Schuldforderung von 2000 Rtl. beym hiesigen Königlichen Kreisgericht verklagte; diese Angelegenheit ward indeß noch durch Sicherstellung des Gläubigers abgemacht. Da traf plötzlich als Commißarius der Königl. Regierung zu Merseburg der Regierungsrath Herr von Tiedemann am zweyten Maerz dieses Jahres hier ein, und erwiderte am folgenden Tage früh die vom Landrathe von Pfannenberg als Curator und vom Kreissecretär Carl Robert Beyer als Rendant verwaltete Kreisbedürfniß – Kaße, und entdeckte in derselben einen Defeckt von 5010 Rtl. Am 6ten Maerz reiste der Herr Regierungsrath von Tiedemann wieder ab, und am 13ten wurden beyde, sowohl der pp.von Pfannenberg, welcher bereits seit Mitte Februars in folge moralischer Unruhe sehr krank war, als auch der pp.Beyer von ihren Aemtern suspendiert. Wegen der Krankheit des pp. von Pfannenberg verzögerte sich die weitere Untersuchung, und die Königl.Regierung ließ daher durch den einstweilen hier fungirenden Kreissecretär Eckhardt aus Merseburg bey dem Verfaßer dieser Zeilen, als dem Hausarzt des von Pfannenberg über deßen Gesundheitszustand am 25ten Maerz Erkundigungen einziehen. Noch in der Mitte des April erfolgter völliger Wiedergenesung des Kranken erschien am 25ten des Monats als Commisarius der Geh. Ober Regierungs Rath Herr von Werther aus Merseburg zur Fortsetzung der Untersuchung. Nachdem dieser alles Nöthige ermittelt und seinen Auftrag vollzogen hatte, ward nunmehr die ganze Sache dem Staatsanwalt und dem hiesigen Königl.Kreisgericht übergeben, von welchem letzterem nun nach nochmals am 22ten Junius beym Hausarzt des pp. von Pfannenberg über seinen Gesundheitszustand erfolgter Anfrage derselbe und der pp. Beyer am 26ten des Monats vernommen wurden. Hierauf ward am 6ten Julius der pp. von Pfannenberg verhaftet und an das Kreisgericht nach Halle abgeliefert; daßelbe widerfuhr dem pp. Beyer am 15ten September. In der öffentlichen Sitzung des Königl. Kreis- und Schwur- Gerichts am 23 ten October, wo bey überfülltem Saale die ganze Verhandlung von früh 8 bis Abends 8 Uhr dauerte, wurden die Angeklagten von den Geschworenen für „schuldig“ erklärt, und hier auf dem Gerichtshofe verurtheilt, und zwar der Landrath von Pfannenberg, weil er aus der Kreisbedürfniß- Kaße Gelder unterschlagen und für sich verbraucht, auch seine amtliche Stellung und Ansehn gegen den pp. Beyer mißbraucht und denselben zur Unterschlagung verleitet hat, zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und drei Jahren Gefängnißstrafe, der Kreissecretär Beyer Beyer wegen Unterschlagung von Geldern und falscher Buchführung zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und zwey Jahren Gefängnißstrafe. (Nach dem neuen preußischen Strafgesetzbuch steht §325und 330 auf solche Verbrechen Zuchthausstrafe von drei bis zehn Jahren.)
Vom Anfang des Julius bis zu Ende des December wurden auf Betrieb des Bürgermeisters Hagedorn, nachdem von den Stadtverordneten 400Rtl. aus der Kämmerei- Kaße zu diesem Zweck bewilligt worden waren, zuerst in der Kosebruch nahe bey der Dörfchen-Mühle, und als dann, da die Bemühungen vergeblich waren, im Haine und Rosenthale Bohrversuche auf Braunkohle gemacht. An diesem Orte gewährten dieselben, wie bereits im Jahre 1848, das Resultat, daß an verschiedenen Stellen unter einer Thonschicht in einer Tiefe von 50 – 60 Fuß ein Lager von guter Braunkohle, welche auch bey den damit angestellten Versuchen als gutes Brennmaterial sich bewährt haben soll, in einer Mächtigkeit von 15 – 20 Fuß sich befindet.
Dem Tertius Lorenz, welcher wegen andauernder Krankheit bereits seit Ostern in seiner Klaße keinen Unterricht ertheilen kann, ist auf sein Ansuchen im September eine Unterstützung von 25 Rtl.aus der Kämmerei- Kaße bewilligt worden.
Im December wurde vom Magistrat zum Besten der Armen im Waschhause der Knaben- Schule eine Speise- Anstalt eingerichtet und am 19ten des Monats eröffnet. Daselbst wird täglich Mittags den nicht ganz Unbemittelten für 1 Sgr. 3 Dinarium und den ganz Armen unentgeldlich ¼ Pfund Rindfleisch und ein Quart Gemüse verabreicht. Zur Gründung dieser Anstalt hat ein edler Menschenfreund ein Kapital von 200 Rtl. auf zehn Jahre zinsfrei vorgeschoßen; ferner hat die Gesellschaft „Harmonie“ kürzlich für dieselbe bey einem Ball und Abendessen eine Collecte von 11 Rtl. 6 Sgr. ausgebracht, auch haben mehrere Wohlthäter kleinere Beiträge an Geld und Lebensmitteln eingesendet, so daß bey weiterer Unterstützung die Anstalt den Winter über hoffentlich wird bestehen können.
Der Herbst war mit Ausnahme einiger Regentage angenehm und milde; der Stand der Wintersaaten außerordentlich schön. Zu Anfang des December trat aber der Winter bey vorherrschendem Ostwind mit vielem Schnee und strenger Kälte ein; (Thermom. – 10 – 15 Reaum. Früh 7Uhr Barom.28,4 – 8) dies dauerte mit Ausnahme des 16ten und 17ten, wo wir Thauwetter hatten, vom 3ten bis zum 24ten; am letzteren Tage trat wieder Thauwetter ein, und von da an war die Witterung bey anhaltenden Südwind bis zum Ende des Monats ungewöhnlich milde und schön. Dieser schroffe Witterungswechsel ward alten Personen verderblich, sonst war der Gesundheitszustand befriedigend und die Sterblichkeit gering. Die Theuerung, diese große Calamität, bestehet leider! noch immer fort, doch ist unserm Vaterlande durch Gottes Gnade und Weisheit unsres Königs der durch den orientalischen Krieg so stark bedrohte Frieden auch in diesem Jahre erhalten worden.
Im October kauften das Bürger- Hospital von der verwittweten Gastwirth Barth 2 ½ Hufen in Werbener Mark für 12000 Rtl.
1856
Der Winter war im ganzen Verlauf der drei ersten Monate dieses Jahres mit Ausnahme des 3ten, 4ten und 5ten Februars außerordentlich milde und gelind; als eine ungewöhnliche, ohne Zweifel damit zusammen hängende, Erscheinung verdient noch angeführt zu werden, daß am 28ten Januar Nachmittags um 3 Uhr ein starker Zug wilder Gänse in der Höhe von Westen nach Osten zog. Vom 13ten bis zum 21ten März wehete ein empfindlicher, schneidender Ostwind, welcher Katarrhe und einige Fälle von Brustentzündungen zur folge hatte; außerdem war der Gesundheitszustand befriedigend. Zur Unterstützung der Armen sind in diesem Winter bey der Armen- Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden: 20 Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 1 Rtl.25Sgr. von der Gesellschaft „Glocke“, 5 Rtl.von C. in Cletzen für Arme; welche ihre Kinder nicht betteln gehen laßen, 6 Fuder Braunkohle vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, ferner für die Speise, und die seit Anfang dieses Jahres mit derselben verbundendene Suppen Anstalt 55Rtl. von der gesellschaft „Eintracht“, 5Rtl. vom Bürger- Verein, 3 Rtl. 20 Sgr. von der Liedertafel, 5 Rtl. 9 Sgr. von mehreren Gästen im eisernen Kreuz, 12 große Scheffel Kartoffeln vom Amtmann Donner in Döbernitz, 6 dergleichen von N.N., 2 dergleichen vom Aßeßor Tiemann, 6 Berliner Scheffel Erbsen von N.N., 1 dergleichen vom Oeconom W.Kuehne, und 2 Rtl. von N.N. Auch erhielt die Armenkaße 12 Rtl. vom ökonomischen Verein des Delitzscher und Bitterfelder Kreises. Die Speise- Anstalt gieng zu Ende des Februar, und die Suppen- Anstalt im März wieder ein.
Die Gebrüder Werner sind wegen des im vorigen Jahre verübten Einbruchs und Diebstahls in der öffentlichen Sitzung des Schwurgerichts zu Halle am 12ten Februar vom Gerichtshofe verurtheilt worden, und zwar der Wilhelm Werner zu zehn Jahren Zuchthausstrafe, und der August Werner zu zwey und ein halb Jahren Zuchthausstrafe. In der Nacht des 27ten Maerz halb 12 Uhr brannte die früher Röthelsche, jetzt dem Müller Kirchhof gehörige Windmühle in einer Stunde ganz nieder; es war Windstille; die Entstehung blieb unbekannt; der Besitzer war verreist.
Wegen des durch den zu Paris am 30ten März abgeschloßenen Frieden beendigten orientalischen Krieges wurde auf Befehl des Königs am Sonntage Escandi ???den 4ten Mai ein Dankfest mit Absingung des „Herr Gott, Dich loben wir“ dafür abgehalten, daß Gott unser Vaterland vor den Leiden und Drangsalen des Krieges gnädig bewahrt hat.
In unsrer Sparkaße, deren Localität im vorigen Jahre wegen des oft großen Verkehrs durch Hinzufügung eines zweiten Zimmers sehr zweckmäßig erweitert wurde, betrug seit der Zeit ihres Bestehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1855 die Summe sämmtlicher Einlagen 870463 Rtl. und der reserve- Fond 11325 Rtl.128 Sgr. 5 Dinarium , und der ganze Geldverkehr im vorigen Jahre allein gewiß bedeutende Summe von 531608 Rtl 12 Sgr. 6 Dinarium.
Der Kreisgerichts- Direktor von Nostitz ist den 1ten April von hier in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt worden. An seine Stelle trat der bisherige Kreisgerichts- Rath von Muehler, ein Sohn des früheren Justiz-Ministers, welcher am 2ten Junius feierlich in sein neues Amt eingesetzt ward. Bisher war derselbe beym Kreisgericht in Spandau angestellt.
Am 18ten Maerz fand in der kleinen Spröde ein Waldbrand statt, welcher zwey Morgen junge Kiefernwaldung zerstörte; die Entstehung blieb unbekannt.
Die Witterung dieses Frühjahrs war sehr veränderlich, wir hatten mehr trübe und kühle, als schöne und helle Tage; bey eintretender Hitze, besonders im Junius, bildeten sich schnell Gewitter mit starker Entladung; dies war vorzüglich am 17ten und 28ten des Monats (bei Thermom. + 32 Reaum. Nachmittag 2 Uhr in der Sonne) der Fall, am letztgenannten Tage tobte Abends um 6Uhr ein heftiger Gewittersturm. In folge dieser öfteren Gewitter und auch mehrmaliger Landregen war die Fruchtbarkeit außerordentlich groß und der Stand der Feldfrüchte vorzüglich schön. Die Heuerndte ist sehr gut ausgefallen und trotz einiger Verspätung durch naße Witterung noch glücklich eingebracht worden. Westwind war vorherrschend, der Gesundheitszustand im Ganzen befriedigend und die Sterblichkeit gering; nur alte, am asthma humidum erkrankte Personen, und Lungenschwindsüchtige litten in folge des schroffen Witterungswechsels sehr, von letzteren starb auch eine verhältnißmäßig nicht unbedeutende Zahl. Ein- und dreitägige Wechselfieber kamen ebenfalls zur Behandlung.
Im December vorigen Jahres ward von der regierung beschloßen das hiesige Königliche Schloß, welches dem Staate bisher allerdings wenig Nutzen brachte, zu einem Zuchthause für 500 weibliche Sträflinge einzurichten. Zu diesem Zwecke trafen am 26ten Maerz 32 Sträflinge aus Lichtenburg hier ein; es waren größten Theils Maurer und Zimmerleute. Der Bau wurde sogleich mit der Einrichtung der Arbeitssäle im obern Stock des Schloßes und dem Abbruch des großen östlichen Flügels des alten Kornhauses begonnen. Als man damit fertig war, wurden von Lichtenburg noch 46 Züchtlinge in der Mitte des Junius hierher geschickt, und am 10ten Julius Vormittags um 10 Uhr der Grundstein( eine längliche Sandsteinquader mit der Jahreszahl 1856) zu dem großen Gebäude, welches die Kirche, die Wohnungen der Beamten und Isolirzellen enthalten soll, unter angemeßener Feierlichkeit gelegt. Dieselbe begann und endete mit dem Gesang eines Liedes, und der Superintendent Foerster hielt die Weihrede, nach welcher derselbe mit dem den bau leitenden Beamten Gericke in den 12 Fuß tiefen Grund hinab stieg, und mit diesem die drei üblichen Hammerschläge that.
An die Stelle des seines Amtes entsetzten (vid.pag.249) Landraths von Pfannenberg ward von den Kreisständen am 4ten Februar der Regierungs- Aßeßor von Rauchhaupt von Queis bey Landsberg gebürtig, bisher bey der Regierung in Liegnitz angestellt, und seit dem September vorigen Jahres Verweser des hiesigen Landraths- Amtes zum Landrath des Delitzscher Kreises erwählt, und durch den König durch Cabinetsorder d.d.Berlin den 4ten Junius bestätigt. Der Kaufmann Carl Friedrich Mulertt seit zwanzig Jahren hier am Markte wohnhaft, war seit einem Jahre wegen Betrugs, Wuchers, Unterschlagung und gewerbsmäßigen Hazardspiels bey dem Königl. Kreisgericht in Untersuchung. In den am 2ten und 3ten Julius gehaltenen öffentlichen Sitzungen dieser Behörde ward diese Sache untersucht und verhandelt; die Vorlesung der umfangreichen, einige neunzig Punkte enthaltenden, Anklageacte dauerte über zwey Stunden; die in den Händen der Behörde befindlichen Geschäftsbücher und das Spielbuch des pp.Mulertt bewiesen deßen Schuld, letzterem zufolge hatte derselbe in den Jahren 1847 bis 1853 im Spiel 10239 Rtl. gewonnen. Hierauf ward am 10ten Julius das Urteil des Königl. Kreisgerichts publicirt und der pp. Mulertt wegen Betrugs, Wuchers und gewerbsmäßigen Hazardspiels zu twey Jahren Gefängniß, 4000 Rtl. Geldstrafe, Tragung der Gerichtskosten und einem Jahr Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Zu bemerken ist noch, daß der pp. Mulertt in diesem Frühjahr von hier nach Halle gezogen ist, und daß derselbe nach seinem eignen Geständniß sein Geschäft hier mit nur 150 Rtl. angefangen, und bis jetzt ein Vermögen von 18 – 20000 Rtl. erworben hat.
Am 23ten Julius früh um 5 Uhr starb plötzlich vom Schlage getroffen im 72ten Lebensjahre auf seinem Rittergute Döbernitz der Herr Graf Peter Carl von Hohenthal, Königl.Sächsischer Kreishauptmann a.D., Ritter mehrerer Orden, Vorsitzender der Delitzscher Bibelgesellschaft, ein zwar unsrer Gemeinde nicht angehörender, aber unsrer Stadt vielfach befreundeter und nahestehender Mann, ausgezeichnet durch große Herzensgüte und wahrhaft christlich- religiösen Sinn, seit einer langen Reihe von Jahren der größte Wohlthäter unsrer Armen. In dankbarer Anerkennung solcher Verdienste hatten sich denn auch der Magistrat und die Stadtverordneten zu seinem feierlichen, am 26ten Julius Nachmittags um 4 Uhr statt findenden, Leichenbegängniß zur Theilnahme und Erweisung der letzten Ehre nach Döbernitz begeben. Das schönste Wetter begünstigte diese Trauer- Feierlichkeit, zu welcher sich außerdem eine große Menge Menschen aller Stände aus Delitzsch und der Umgebung eingefunden hatte.
Am 3ten August hielt die hiesige Schützen- Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen – Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna früh um 7 Uhr hier eintrafen, und Nachmittags ein Scheiben – Schießen hatten.
Am 1ten Julius wurde das hiesige Königl.Rentamt, nachdem bereits seit acht Jahren alle Natural- Lieferungen abgelöst und in baares Geld verwandelt worden sind, aufgehoben und mit der Königl. Forst- Kaße in Bitterfeld verbunden.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 364 Rtl. 20 Sgr. und die Pflaumen – Plantagen für die Summe 129 Rtl. 5 Sgr. verpachtet worden.
In der Nacht vom 11ten zum 12ten Mai, vom ersten zum zweiten Pfingstfeiertage, ward in dem neuen Wirthschaftsgebäude des hiesigen Commungutes ein Diebstahl verübt; der Maurermeister Meie hatte daselbst einen zwei Treppen hoch befindlichen Kornboden gemiethet und auf demselben Getreide aufgeschüttet; die Diebe waren mittelst einer aus der Grünstraße herbey geholten Feuerleiter vom Gottesacker aus durch eine erbrochene Dachluke in diesen Boden eingestiegen, und hatten dem pp.Meie ohngefähr 9 Berliner Scheffel Korn gestohlen. Durch die Thätigkeit unserer Polizey- Beamten wurden die Diebe schon den anderer Tag in den Personen der Handarbeiter Gottlieb Wilhelm Sander, Carl Conrad und Friedrich Wilhelm Conrad entdeckt, sogleich verhaftet, und bald nachher nach Halle abgeliefert. In der öffentlichen Sitzung des dortigen Schwurgerichts am 14ten Junius wurden dieselben und zwar der erste zu 2 Jahr, 3 Monate Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, der zweite zu 2 Jahr, 6 Monat Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, und der dritte zu 2 Jahr Zuchthaus und 2 Jahr Polizey Aufsicht verurtheilt.
Im Monat August wurde die breite Straße vom Markte an bis an die Stadt-Kirche von da an noch ein kleines Stück bis ziemlich an die Post, und zwar die Fahrbahn mit länglich viereckigen Bruchsteinen, welche noch von der Pflasterung der Leipziger Straße vor zwey Jahren übrig geblieben waren, neu gepflastert, auch an der Ecke von des Bäckermeister Ruehls Hause nach der Kirche herüber eine neue Schleuße von eichenen Bohlen angelegt. Die Kosten betragen 170 Rtl. Am 31ten August hat unser Herr Superintendent Foerster, welcher vom Consistorio als Pastor nach Langenweddingen, eine sehr einträgliche Pfarrstelle bey Magdeburg, berufen worden ist, bey überfüllter Kirche seine Abschiedspredigt gehalten(am 15ten post Trinitat.). Am folgenden Tage, den 1ten September, war ihm zu Ehren von den Gesellschaften „Harmonie, Eintracht und Bürgerverein“ Mittags im Saale des Gasthofes zum Schwan ein Abschieds- Festmahl veranstaltet worden, welches sehr zahlreich besucht war, und wobey demselben von den sämmtlichen Geistlichen und Candidaten der Delitzscher Ephorie eine sehr schöne, werthvolle Fruchtschaale von geschliffenem Glas mit maßiv silbernem Gestell überreicht ward. Die Lehrer der Diöces hatten ihm schon acht Tage vorher eine geschmackvolle Stutzuhr zum Andenken verehrt. Am 5ten September früh um 9Uhr hat er unsre Stadt verlasßen; er war ein vorzüglicher Kanzelredner und ein Mann von gründlicher wißenschaftlicher Bildung, im Amte treu.
Nachdem die Witterung bis zum 14ten Julius trübe, kühl und unfreundlich gewesen war, trat von diesem Tage an das schönste Wetter ein, und hielt mit Ausnahme weniger Tage, an welchen wir Gewitter und Landregen hatten, bis zum 1ten September an, welcher Monat aber, trotzdem, daß der Aegidius- Tag sehr schön war, dieser alten Regel zuwider doch fast durchgängig trüber, rauher mitunter sogar stürmisches Wetter brachte, die Getreideerndte, ist Gott sey Dank! In allen Arten und jeder Hinsicht in Quantität und Qualität ausgezeichnet gewesen; daßelbe gilt auch von der Kartoffelerndte; in folge davon sind nun auch die Preise der Feldfrüchte gefallen, blos Weitzen und Gerste sind wegen starker Abfuhr nach England, besonders im Verhältniß zum Roggen, noch theuer. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 7 Rtl.10 Sgr. Roggen 4Rtl. 15 Sgr.Gerste 3Rtl. 20 Sgr. Hafer 2 Rtl. und Kartoffeln 1 Rtl. Die Grummterndte ist dürftig ausgefallen, doch hat dies, da schöne Futterkräuter gewachsen sind, nichts zu bedeuten; desgleichen ist auch die Obsterndte gering ausgefallen, weshalb denn auch natürlich sämmtliche Obstsorten mit alleiniger Ausnahme der Nüße, welche sehr gut gerathen sind, hoch im Preise stehn; der große Scheffel Pflaumen kostet 3 Rtl. 10 Sgr. bis 4 Rtl. das Schock Aepfel 20 Sgr. Butter, Eyer und Oel sind ebenfalls noch theuer, von ersterer gilt die Kanne 20 Sgr., das Schock Eyer 24 Sgr. das Quart Oel 13Sgr In Bezug auf die Witterung ist noch zu bemerken, daß die Hitze in der zweiten Hälfte des Julius und im ganzen August sehr groß war, und das Thermom. öfters in den Nachmittagsstunden in der Sonne +36 – 40 Reaum.zeigte. Seit der Mitte ses September wurden auch sehr viele Feldmäuse sichtbar.
In diesem Jahr sind, mit Ausnahme des bereits erwähnten Zuchthausbaues im Königl. Schloße (vid.pag.258) und der nothwendigsten Gebäude zu dem im Rosenthal auf Kosten der Commun angelegten Braunkohlewerke, wegen der noch fortbestandenen Theureung aller Lebensbedürfniße keine neuen Baue ausgeführt, blos einige Häuser untermauert und reparirt worden. Auch hat der Müller Kirchhof seine neue bereits seit dem Sommer vorigen Jahres in allen ihren Theilen fertige und vollendetet Windmühle mit zwey Gängen, welche seit dieser Zeit in der Nähe seiner alten, im März dieses Jahres abgebrannten (vid.pag.255), im Freien lag, auf einem von der verwittweten Frau Gastwith Barth erkauften, am Wege nach Döbernitz gelegenen Feldstück zu Anfang des November aufgerichtet; der Grund dieser langen Verzögerung lag in den Klagen und Protestationen der hiesigen Müller- Innung gegen diesen Bau, welche zuletzt aber von der Königl. Regierung in Merseburg abgewiesen wurden.
Wenige Tage nach dem Tode seines Vaters (vid.pag.260) übersendete der Herr Graf Alfred von Hohenthal in Döbernitz aus Dankbarkeit für die dem selig Vollendeten von den städtischen Behörden erwiesene letzte Ehre dem Magistrat 50 Rtl. als Geschenk für die Armenkaße zur beliebigen Verwendung.
Den 21ten December, den vierten Advents – Sonntage, hielt der vom Königl. Consistorio zu Magdeburg hierher berufene Herr Superintendent Weinrich aus Lützen in unserer Stadtkirche mit getheiltem Beifall seine Probepredigt, und hat bey der nachher vom Superint. M.Taenzer erfolgten Anfrage Niemand etwas gegen Weinrichs Lehre und Wandel eingewendet. Am 24ten December starb in Hohenleine bey seinem Sohne, dem dortigen Pastor, der Rector emerit. Friedrich Wilhelm Ahner, 87 Jahre alt.
Am 25ten December Vormittags halb elf Uhr starb nach zweymonatlichem Krankenlager an einer auszehrenden Unterleibs- Krankheit der praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Herr Dr. med. Heinrich Oswald Gerber im 29ten Lebensjahre; er war ein sehr bescheidener, liebenswürdiger, moralisch guter und kenntnißreicher junger Arzt, deßen frühzeitiger Tod um so mehr als ein wahrer Verlust für die Stadt und Umgegend zu beklagen ist, als derselbe bey seinem regen Eifer und lebhaften Intereße für die Wißenschaft zu schönen Hoffnungen für die Zukunft berechtigte. Bey deinem feierlichen und sehr zahlreichen Leichenbegängniß am 28ten December Nachmittags um 3 Uhr zeigte sich durch die allgemeinste Theilnahme unverkennbar die Liebe und Achtung, welche der selig Vollendete in einer kurzen Amtswirksamkeit von noch nicht ganz vier Jahren sich erworben hatte.
Nach Beendigung der Bohrversuche nach Ende des vorigen Jahres (vid.pag.251) wurde auf den Antrieb des Herrn Bürgermeister Hagedorn, welcher die Seele und der Leiter des ganzen Unternehmens ist, vom Magistrat und den Stadtverordneten beschloßen ein Braunkohlenwerk anzulegen; die Letzteren bewilligten hierzu ein Kapital von 10000Rtl., welches die Commun bisher in Pfandbriefen besaß und später noch 8000 Rtl. Da die sehr milde Witterung dieses Winters es erlaubte, so wurden gleich zu Anfang dieses Jahres im Rosenthal am Ende des Kertitzer Kirchwegs links ganz in der Nähe des anzulegenden Schachtlochs die nöthigen Gebäude, ein Kesselhaus, eine Maschinenstube, eine Wohnung für den Steiger nebst einigen andern kleinern Baulichkeiten und eine große 90 Fuß hohe Dampfeße ausgeführt. Sodann wurde aus der Gräflich Stollbergschen Maschinenfabrik in Magdeburg für den Preis von 7000 Rtl.eine Dampfmaschine von 20 Pferde Kraft angekauft, welche im April hier ankam, aufgestellt und den 25ten Mai in Betrieb gesetzt ward, und das Waßer sehr bald bewältigte; das letztere ließ der jetzige Besitzer der Froschmühle Werner durch eine auf seine Kosten für 500 Rtl. angelegte Waßerleitung auf seine, jetzt rückschlägige Mühle leiten.
Im Kohlewerke selbst hatte die Arbeit, welche Tag und Nacht von den Bergleuten fortgesetzt ward, glücklichen Fortgang, und sehr groß war die Freude, als am 14ten August Nachmittags um 3 Uhr unter einer Thonschicht von 46 Fuß und einer Tiefe von 70 Fuß das Kohlenlager, deßen Maße sehr gut ist, erreicht ward. Leider sollte diese Freude aber nur von kurzer Dauer seyn, denn nachdem die Arbeiter das 20 Fuß starke Lager durchbohrt hatten, da brach plötzlich in der Nacht zum 29ten August eine furchtbare Waßerfluth von Osten in den Schacht herein, welche die Dampfmaschine mit zwey Pumpen nicht mehr bewältigen konnte, und welcher bald nachher am 11ten September der Einsturz des oberen Theils des Schachtes folgte. Die Mittel zur Fortsetzung des Baues waren aber nun erschöpft, und es handelte sich jetzt darum, ob man das Werk im Ganzen verkaufen, was man zu dieser Zeit noch nicht mit sicherm Gewinn für die Commun thun konnte, oder fortsetzen wollte. Der Magistrat und die Stadtverordneten entschieden sich für das Letztere, und es wurden in der Sitzung derselben am 16ten September zu diesem Zweck von neuem 7000 Rtl. bewilligt.
Zuvörderst mußte nun ein neuer Schacht, 70 Fuß von dem alten enrfernt angelegt werden; die seit dem 11ten September eingestellte Arbeit mit der Dampfmaschine konnte erst am 2ten October wieder beginnen. Am 2ten November war leider abermals Waßernoth im neuen Schacht bey 46 Fuß Tiefe, was eine nochmalige Einstellung der Arbeit bis zum 18ten November, an welchem Tage dieselbe wieder mit zwey Pumpen begann, zur folge hatte.Um das noch immer hoch stehende Waßer im alten Schacht, welcher, so viel es sich thun ließ, reparirt ward, nach dem neuen abzuleiten, ward zu Anfang des December von diesem nach jenem ein Canal mit gutem Erfolg durchgetrieben.
So steht nun am Schluße dieses Jahres die Sache mit dem Bau und der Anlage des Kohlenwerkes; möge Gott seinen Segen, deßen wir alle bedürfen, zu dem einmal unternommenen Werke geben, damit es nach so manchen Unfällen doch endlich noch glücklich ausgeführt, und für unsre Commun bald eine recht gewinnreiche Erwerbsquelle werden möge; dies kann und muß jeder aufrichtige Freund seiner Vaterstadt nach so bedeutenden von der Commun gebrachten Opfern in wahren Intereße derselben nur von Herzen wünschen. Die Witterung des Herbstes war im October sehr schön; im November dagegen wie gewöhnlich, trübe, kühl und neblig, es regnete und schneiete öfters, und in den letzten Tagen dieses Monats trat Frost ein, welcher aber nur wenige Tage anhielt; am 25ten tobte ein heftiger Schneesturm, und am 30ten war Abends von 5 – 7 Uhr ein sehr dichter, stinkender Nebel. Der December brachte ebenfalls trübes, naßkaltes Wetter, wenig Frost und viel Schnee, welcher aber nicht liegen blieb; der Barometerstand war am 16ten (Barom.28,6.) der niedrigste am 26ten (26,9.). Was die Richtung des Windes betrifft, so war größten Theils Westwind und nächst diesem Süd – Westwind vorherrschend. Durch den vielen Regen und schmelzenden Schnee waren die Feldmäuse noch vor dem Ende des Jahres vertilgt. Auf den Gesundheitszustand wirkte die anhaltend naßkalte und schlaffe Witterung nachtheilig ein; in folge davon kamen katarrhalische und rheumatische Fieber, selbst gastrisch nervöse mit bisweilen tödlichem Ausgange, und bey älteren Personen schnell tödende Schlagflüße zur Behandlung; in der städtischen Kranken- Anstalt ward ein Fall von modificirten Menschenpocken(Variolouden) mit sehr starkem Ausbruch und glücklichem Verlauf behandelt. Die Sterblichkeit war im ganzen Jahre sehr gering, denn es sind in demselben in der Parochie Delitzsch nur 128 verstorben. Die städtische, im Jahre 1849 im Seitengebäude des Rathhauses in zwey Zimmern mit vier Betten gegründete Kranken-Anstalt, ward in den beyden letzten Jahren auf sieben Betten in drei Zimmern erweitert, wovon eins blos für krätzige und venerische Kranke benutzt wird; auch wurden die noch fehlenden Möbeln und Utensilien und eine sehr schöne Badewanne von Zink angeschafft.
1857
Der Kaufmann Carl Friedrich Mulertt, welcher gegen das Urtel des hiesigen Kreis- Gerichts (vid.pag.259) appelirte, wurde, nachdem dieses auf Befehl des Appelations- Gerichts in Naumburg in einer langen Sitzung am 13ten Februar die Sachenoch einmal untersucht hatte, von demselben wegen Betrugs, gewerbsmäßigen Wuchers und Hazardspiels statt zu 2 Jahren zu 18 Monat Gefängnißstrafe, ferner statt zu 4000 Rtl zu 1600 Rtl. Geldstrafe, und statt zu einem Jahre zu zwey Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Der Grund dieser Milderung der beyden ersten Strafen beruhte darinn, daß nach der Ansicht des Appelations- Richters die Thatsache des vollendeten Betrugs erst dadurch festgestellt wird, wenn der Betrüger dem Betrogenem es mittheilt, daß er auf des letzteren Conto im Buche eine Schuld eingetragen habe. Dies konnte dem pp. Mulert aber nur in einem Falle nachgewiesen werden, wo derselbe der Gutsbesitzerinn Zschernitz in Wolteritz gesagt hatte, daß er in seinem Schuldbuche auf ihr Conto 10Rtl. eingetragen, welche er für die pp. Zschernitz an den Schloßermeister Eichel bezahlt zu haben behauptete, dieser aber gar nicht erhalten hatte.
Am 19ten Maerz Mittags traf unser neuer Herr Superintendent und Oberpfarrer Weinrich aus Lützen mit seiner Familie hier ein, und am 22 des Monats hier derselbe, nachdem er vorher von dem vom Consistorio in Magdeburg damit beauftragten Superintendent M.Taenzer aus Gollme in sein Amt feierlich eingesetzt worden war, seine Antritts- Predigt mit getheiltem Beifall. Der Magistrat, die Geistlichen, die Lehrer und Stadtverordneten holten ihn früh um halb 9 Uhr aus seiner Wohnung ab und geleiteten ihn zur Kirche. Nachmittags war ihm zu Ehren ein zahlreich besuchtes Festmahl im Gasthof zum Schwan veranstaltet, zu welchem aus der Kämmerei- Kaße 20Rtl für die Couverts der vier Geistlichen und für die Decoration des Saales bewilligt waren.(Der Sonntag des Amtsantritts war der vierte Fasten- Sonntag Laetare.)
Das Wetter war in diesem Winter mit Ausnahme der Tage vom 6ten bis 8ten Januar und vom 30ten des Monats bis 2ten Februar, wo das Thermometer früh –5 bis 12 Reaum. Zeigte, ungewöhnlich mild und gelind; besonders zeichnete sich fast der ganze Februar bey durchgängig hohem Barometerstande(Barom. 28,2. bis 28,8,) durch schönes Frühlingswetter aus; am 5ten des Monats war Abends von halb 5 – 11 Uhr ein dichter, stinkender Nebel; Schnee, welcher aber sofort wieder schmolz, fiel aber nur am 6ten, 12ten und 25ten Januar, am 6ten März und besonders stark vom 10ten bis 13ten März. Westwind war vorherrschend, einige Mal hatten wir auch Ostwind. Die Feldmäuse, welche am Schluße des vorigen Jahres gänzlich vertilgt zu seyn schienen, zeigten sich im Februar bey der sehr milden Witterung wieder in größerer Anzahl. Bey dem zu häufigen, mitunter sehr schroffen, Wechsel des Wetters, besonders im Januar, war die Zahl der Kranken, ungewöhnlich groß, und die Sterblichkeit bedeutend, vom 1ten Januar bis zum 31ten März starben 66. Zur Behandlung kamen hauptsächlich Catarrhe, Entzündungen der Lungen, des Rippenfels, der Mandeln, des Gehirns, der Gedärme, häutige Bräune, rheumatische Leiden, gastrisch- nervöse Fieber, und bey alten Personen Schleim- Asthma und schnell tödende Schlagflüße. Von acuten Ausschlägen wurden vereinzelte Fälle von Masern und Varioloiden beobachtet, von letzteren starben zwey Frauen, bey denen der Ausbruch sehr stark war, theils an der Krankheit selbst, theils an den Folgen derselben; der letztere Fall, wo der Tod erst am Ende der siebenten Woche an einem auszehrenden Lungenleiden erfolgte, betraf eine arme Frau von 41 Jahren, welche in der städtischen Kranken- Anstalt lag.
Da der Winter sehr mild war, und der große Scheffel Roggen seit Weihnachten 3Rtl. 15 Sgr. kostete, so sind diesmal der Armen- Kaße wenig Geschenke gemacht worden; sie erhielt blos vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg 5 Fuder Braunkohle, 5Rtl. 16 Sgr. von einem Karpfenschmauß im weißen Roß, 3Rtl. von Gastwirth Roesslers silberner Hochzeit, und eine Partie Brennholz vom Zimmermeister Krause; ferner 12Rtl.10 Sgr. von der Gesellschaft „Eintracht“, 2Rtl. 22 Sgr. von der Gesellschaft „Heiterkeit“ und 6Rtl. 11 Sgr. von der Gesellschaft „Glocke“.
In unserer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1856 die Summe sämmtlicher Einlagen 1158831 Rtl. 28 Sgr. 2 Dinarium und der Reserve- Fond erreichte die Höhe von 15970 Rtl. 21 Sgr. Nach Zurücknahme einer Summe von 667757 Rtl. 4Sgr. 17 Dinarium, was hauptsächlich der anhaltenden Theuerung der letztverfloßenen Jahre zugeschrieben werden muß, betrug am vorigen Jahresschluß die Summe der gebliebenen Einlagen 491074 Rtl. 23 Sgr. 3 Dinarium. Der gesammte bedeutende Geldumsatz bey der kaße im vorigen Jahre allein belief sich auf 750348 Rtl. 3 Sgr. 3 Dinarium.
Da in den letzten Jahren die Zahl der Kinder in der gemischten Elementar- klaße so bedeutend zugenommen hatte, daß eine Trennung der Knaben und Mädchen unumgänglich nöthig ward, so wurde der von der Königl. Regierung zu Merseburg in den letzten Tagen des April hierher gesendete Schulamts- Candidat Herrmann Diedecke aus Lützen vom Magistrat als vierter Mädchenlehrer für die Elementar- Klaße mit 150 Rtl. Gehalt angestellt, und ist demselben zur Ertheilung des Unterrichts das Klaßenlocal des Elementarlehrers Hofmann in der Knabenschule abwechselnd zur Benutzung für jetzt mit überwiesen worden. Am 3ten Junius kam der General Superintendent Dr. Theol. Moeller aus Magdeburg in unsre Stadt, um unsern neuen Superintendenten Weinrich in sein Ephoral- Amt einzusetzen. Dies geschah am foldenden Tage in einem Gottesdienst, welcher von früh 9Uhr bis Mittag 1 Uhr dauerte. Moeller betrat zuerst die kanzel und hielt eine einfache, herzliche und gemüthliche Predigt; alsdann hielt Weinrich eine Rede am Altar, nach deren Beendigung die Einsetzung deßelben in sein Ephoral-Amt unter der Aßistenz von vier Superintendenten, Förster, Wilke, Schenk und Tänzer, erfolgte. Nach der Kirche hielt Moeller noch eine kurze Ansprache an die Lehrer, und gleich darauf auf der Superintendentur einer Synode mit den Diöcesan- Geistlichen. Um 2 Uhr war ein besuchtes Festmahl im Gasthofe zum Schwan, und um 4 Uhr reisete Moeller wieder nach Magdeburg ab.
Die Witterung dieses Frühjahrs war bis zur Mitte des Monats Mai veränderlich und von der Art, daß wir eben so viel trübe und kühle, als schöne und helle Tage zählen konnten; auch fehlte es nicht an genügenden Gewitter – Landregen. Allein vom 18ten bis 20ten Mai hatten wir die seltene Erscheinung eines sehr dichten, stinkenden Höhenrauchs, welcher drei volle Tage in gleicher Stärke anhielt, und worauf große Hitze und außerordentliche Dürre nachfolgte, so daß die Heuerndte nur sehr dürftig ausfiel, und das Sommergetreide im Wachsthum bedeutend zurück blieb; eben daßelbe galt auch von den Futterkräutern, so daß wirklicher Futtermangel eintrat, mancher seinen Viehstand vermindern mußte, die Theuerung der Victualien auf den Wochenmärkten immer höher stieg, und besonders die Kanne Butter öfters den hohen Preis von 28 Sgr. erreichte. Der Stand des Barometers war fast immer sehr hoch(28,3 – 5), das Thermometer zeigte oft in den Nachmittagsstunden in der Sonne +36 – 38 Reaum., und am 7ten Junius Nachmittags 3 ¼ Uhr ward auch bey uns der an vielen Orten in Deutschland beobachtete Erdstoß von vielen Personen, auch von mir selbst, in der Richtung von Süden nach Norden deutlich wahrgenommen; Barometer 28,5. Thermomter + 34 in der Sonne. Westwind war vorherrschend. Die Zahl der Kranken war noch immer recht groß und die Sterblichkeit bedeutend; die pag.277 erwähnten Krankheiten dauerten noch immer fort, besonders die Pocken; wegen letzterer ordnete die Regierung zu Merseburg eine Zwangsimpfung an, bey welcher es sich zeigte, daß sich in den unteren Klaßen noch eine nicht unbedeutende Anzahl nicht vaccinirter Kinder vorstand. Die Witterung dieses Sommers war mit Ausnahme sehr weniger Tage, an welchen wir Gewitter- oder Landregen hatten, sehr heiß und trocken, der Barometerstand durchgängig hoch(Barom.28,1- 6). Die Erndte des Wintergetreides ist recht gut ausgefallen, dagegen aber die des Sommergetreides sehr dürftig, eben so auch die Grummts. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt 6Rtl., Roggen 4Rtl., Gerste 3 Rtl. 15Sgr., Hafer 3 Rtl., Kartoffeln 1 Rtl.; von den letzteren ist aber die Erndte in Quantität und Qualität vorzüglich gewesen. Die Obsterndte ist mit Ausnahme der Pflaumen, reichlich ausgefallen, und der Wein ausgezeichnet gerathen. Die Feldmäuse sind leider noch in großer Menge vorhanden. Was die Krankheiten betrifft, so ist zu bemerken, daß die Pocken im September aufhörten, die gastrisch- nervösen Fieber aber, an welchen seit Ende vorigen jahres so viele starben, noch immer in gleicher Heftigkeit fortdauerten, wozu die große anhaltende Hitze(Thermometer + 40 Reaum. In der Sonne) und große Dürre gewiß viel beytrug. Im Laufe dieses prächtigen Sommers, deßen Witterung die Bauarbeit außerordentlich begünstigte, ist sehr viel bey uns gebaut worden. Der Strumpffabrikant Pabst hat zu Erweiterung seiner Fabrik in der schulgaße ein neues ganz maßives übersetztes Seitengebäude aufgeführt, desgleichen zu demselben Zweck der Cigarrenfabrikant Wagner sein vor vier Jahren erbautes Fabrikgebäude(vid.pag.207) durch einen neuen maßiven Anbau auf einem von dem Tischlermeister Walter für 350 Rtl. erkauften Platze bedeutend vergrößert, ferner der Cigarrenfabrikant Weber in Leipzig, welcher das Heldsche Haus an der Hallischen und Bader- Gaße Ecke gekauft, in der letzteren Gaße ein sehr großes zweimal übersetztes maßives Fabrikgebäude angebauet, ferner der Windmühlenbesitzer Zander auf einem für 500Rtl. von dem Seilermeister Schelz am Leipziger Thor erkauften Platze ein maßives übersetztes Wohnhaus gebauet, ferner der Schuhmachermeister Schneider sein altes in der Eilenburger Straße neben dem Armenhause gelegenes Wohnhaus niedergerißen und maßiv wieder aufgebauet, endlich der frühere Dampfwagenführer Rauchfuss in Leipzig auf einem vor dem Kohlthorr unmittelbar an der Leipziger Chaussee gelegenen, von dem Oeconomen Friedrich Meissner für 600Rtl. erkauften Feldstücke eine Dampfmahlmühle mit 3 Gängen, welche im December in Betrieb gesetzt werden wird, gebauet. Der im vorigen Jahre begonnene Zuchthausbau (vid.pag.258) besonders des großen, maßiven im Mai gerichteten, östlichen Hauptgebäudes mit der Kirche, Beamtenwohnungen pp.nahet seiner Vollendung; nachdem zu Anfang des November vorigen Jahres die beym Bau beschäftigten Züchtlinge nach Lichten burg zurückgekehrt waren, kamen zu Ende des März dieses Jahres wieder Hundert und fünfzig von dort hierher, worauf der Bau von Neuem eifrig fortgesetzt wurde. Da nach der Ansicht des Magistrats und der Stadtverordneten eine höhere Bürgerschule gegenwärtig ein dringendes Bedürfniß seyn soll, so ward nach deshalb bey der Königl. Regierung eingeholter Genehmigung der Bau dieses großen, 75 Fuß breietn und 50 Fuß tiefen, Gebäude auf dem Bleichplatz am Gerberplan begonnen, und am 21ten September Nachmittags halb vier Uhr der Grundstein in welchen ein Pergament- Exemplar von der hier beyliegenden ausführlichen Urkunde in einer Blechkapsel verschloßen wurde, in der südöstlichen Ecke Gebäudes mit angemeßener Feierlichkeit gelegt, wobey der Superintendent Weinrich eine paßende, bald nachher im Kreisblatte abgedruckte, Rede hielt, nach welcher von den Behörden die drei üblichen Hammerschläge auf den Grundstein verrichtet wurden.
Nachdem bereits zu Anfang des September 1854 die Linie einer von Deßau über Bitterfeld und Delitzsch nach Leipzig zu erbauenden Eisenbahn abgesteckt wurde, und zu den Vorarbeiten, Vermeßungen pp. von den Stadtverordneten 200 Rtl. aus der Kämmereikaße bewilligt waren, gerieth doch damals diese Sache wegen des orientalischen Krieges und der dadurch bewirkten Trübung des politischen Horizonts ganz in Stocken und blieb liegen. Nach wieder hergestelltem Frieden ward nun in diesem Frühjahr die Linie dieser Eisenbahn von neuem, und zwar wie das erste Mal, am äußersten östlichen Ende der Stadt und Grünstraße gezogen, und nach Ankauf des nöthigen Grund und Bodens in der Mitte des April mit den Erdarbeiten begonnen. Desgleichen wurde auch im Laufe des Sommers der Bau mehrerer Bahnhofsgebäude, Bahnwärterhäuschen und der Brücke über den Lober bey Zschepen und an der Dörfchenmühle sehr schön, maßiv und dauerhaft ausgeführt. Schienen sind bis jetzt, Ende October nicht gelegt.
Der Kreisgerichts- Rath Voerkel, ein sehr verdienstvoller, humaner und gewißenhafter Beamter, welcher seit Michäelis 1831, wo derselbe an des kurz vorher verstorbenen Wachsmuth Stelle als Gerichtsamtmann von Skeuditz hierher versetzt wurde, in seinem Amte viel Gutes und recht segenreich gewirket, hat im September den rothen Adler- Orden vierter Klaße erhalten. Vid.pag.367. Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für den Preis von 303 Rtl. und die Pflaumen für den Preis von nur 2 Rtl.verpachtet worden
Am 14ten December ist die neue Bürgerschule aufgerichtet worden; das Dach wird mit Schiefer gedeckt.
Ueber den Fortgang des Braunkohlenwerkes in diesem Jahre ist leider! nichts erfreuliches zu berichten; bis jetzt hat der Segen dieses gewagte Unternehmen keineswegs begleidet ; möge Gott ihn uns dazu noch verleihen. Nachdem der im Herbst vorigen Jahres angelegte neue Schacht bis zu einige fünfzig Fuß Tiefe gearbeitet war, ward derselbe, weil er zu eng angelegt war, in den letzten Tagen des Mai mit allen seinen Verpfählungen und Verschalungen verschüttet, und man kehrte nun zu dem ersten, vorher für unbrauchbar erklärten Schachte zurück, um denselben wieder in Stand zu setzen und zu benutzen. Unglücklicher Weise brach aber am 30ten julius, ebenso wie im August des vorigen Jahres, eine gewaltige Waßerfluth in denselben herein, wodurch die Arbeiten wieder unterbrochen wurden, und die Dampfmaschine von der Mitte des September bis zum Neujahr still stand. Zu Michäelis war von dem Magistrat und von den Stadtverordneten beschloßen worden einen dritten Schacht anzulegen und zwar in weiterer Entfernung vom Maschinenhause, zu welchem Zweck von den Stadtverordneten wieder 6000 Rtl. aus der Kämmereikaße bewilligt worden sind. Sollte auch dieser, wahrscheinlich letzte, Versuch mißlingen, was Gott verhüte, so wäre dies für unsre Commun, welche bis jetzt bey diesem Unternehmen schon so bedeutende Verluste erlitten hat, ein sehr großes Unglück, an deßen traurigen Folgen noch unsre späteren Nachkommen zu leiden haben würden.
Die Witterung des Herbstes war bey andauernd hohen Barometerstande und vorherrschendem Ostwinde bis zum 22ten November überwiegend heiter und schön; nachher wechselten trübe, neblige unbd naßkalte Tage mit hellen und schönen. Der Stand der Wintersaaten ist sehr schön, wozu die Landregen am 6ten und 31ten October und am 8ten November viel beytrugen; die Feldmäuse sind noch vor Jahresschluß verschwunden. Was die Krankheiten betrifft, so waren besonders wegen des scharfen Ostwindes Entzündungen der Lungen, Luftröhre, des Rippenfels, der Mandeln und fieberhafte Lungenkatarrhe und Schleimasthma sehr häufig; auch die gastrisch, nervösen Fieber, Abdonimal- Typhen, welche vom Anfang des Jahres epidemisch herrschten, forderten noch viele Opfer. Die Sterblichkeit ist übrigens in diesem Jahre so bedeutend gewesen, wie wir sie seit den Kriegsjahren 1813 und 14 nicht erlebt haben, denn es starben 252 . Der Grund davon liegt gewiß in der großen Hitze des Sommers, sowie in der lange anhaltenden Trockenheit und Dürre,und in dem seit Januar fast durchgängig sehr hohem Barometerstande. (Barom. 28,3- 28,10, letzteres den 9ten December)
1858
Die Witterung dieses Winters war bey fortdauernd sehr hohem Barometer- stande mit Ausnahme weniger Tage zu Anfang und Ende des Januar und zu Ende des Februar sehr milde, eine besondere Windrichtung nicht vorherrschend; am 6ten, 8ten, und 9ten März tobte ein starker Orkan aus Westen mit Schneegestöber, (Barom.27,1.); vom 20ten war fast täglich schönes Frühlingswetter. Die Wintersaaten stehen sehr gut. Von Krankheiten kamen besonders Catarrhe, Entzündungen der Respirations- Organe, dreitägige Wechselfieber, Scharlach, Schlagflüße und Kopfrosen zur Behandlung; die Sterblichkeit war noch immer nicht gering. An die Armen- Kaße waren die Ansprüche nicht bedeutend; die Suppen- Anstalt bestand vom Anfang des Januar bis Ende März; es wurden zu diesem Zweck zugleich 50 Rtl., welche der Herr Graf von Hohenthal in Döbernitz der Armen- Kaße im vorigen Jahre schenkte, mit verwendet. Außerdem sind weiter keine Geschenke von Bedeutung eingegangen. Am 1ten April Abend um 5Uhr kam der erste Dampfwagenzug auf der Eisenbahn von Bitterfeld hier an; auf der rechten Seite der Dübener Straße war eine EhrenPfordte mit schwarz und weißen und Grün und weißen Flaggen erbaut, und in dem Güterschuppen wurden die Ankommenden Ober- und Unterbeamte der Eisenbahn, mit einem Abendbrodt anständig bewirthet; auch das Stadt- Musik- Chor fehlte dabey nicht.In unsrer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1857 die Summe sämmtlicher Einlagen 1453089 Rtl. 20 Sgr. 10 Dinarium und der Reserve- Fond erreichte die Höhe von 23208 Rtl 1 Sgr. 11 Dinarium. Nach Zurücknahme einer Summe von 877765 Rtl. 8 Sgr. 1 Dinarium betrug die Summe der gebliebenen Einlagen 575324 Rtl. 12 Sgr. 9 Dinarium. Der gesammte bedeutende Geldverkehr bey der Kaße im vorigen Jahre allein belief sich auf 837000 Rtl.
Die hiesige kleine katholische Gemeinde hat sich seit kurzem in dem früher dem Schleifermeister Richter gehörigem, vom Markte her an der Ecke der Schloßgaße gelegenem, Hause im Parterre eine Kapelle eingerichtet; zugleich ist für diese Gemeinde ein Geistlicher in der Person des Mißionar Schroeder hier stationirt worden, welcher am Himmelfahrtstage, den 13ten Mai, von dem katholischen Pfarrer Koester in Eilenburg hier in sein Amt feierlich eingeführt worden ist. Am 17ten Junius ist der erste Mädchenlehrer Wilhelm Zieger, welcher wegen seiner Kränklichkeit auf sein Ansuchen vom 1ten Junius an mit einer jährlichen Pension von 220 Rtl. in den Ruhestand versetzt worden war, und am 21ten Mai sein Amt niedergelegt hatte, gestorben. Derselbe kam im December 1820 von Dommitzsch hierher, ward 63 Jahre alt, und war stets einer unsrer besten und verdienstvollsten Lehrer.Am 1ten Julius ist in hiesiger Stadt eine Kreis- Spar- Kaße ins Leben getreten, und als Rendant derselben der bisherige Privat- Secretair im landräthlichem Büreau Walther angestellt worden. Die von den Kreisständen zweimal angebotene Vereinigung mit der städtischen Sparkaße wurde vom Magistrat und den Stadtverordneten bestimmt abgelehnt.
Am 2ten Julius kam Abends 5 Uhr der katholische Bischof Conrad Martin aus Paderborn von Eilenburg hier an, und hielt am 3ten früh von 8- 10Uhr einen Gottesdienst in der katholischen Kapelle, wobey er zugleich an acht Kindern die Firmelung (Confirmation) vollzog.
Am 21ten Junius fand die feierliche Einweihung des an der Promenade am Gerberplane neu erbauten Schulgebäudes statt. Was diesen Act selbst betrifft, so beziehe ich mich auf das Programm und den Bericht darüber, beydes hier beyliegend. Als Lehrer sind nun angestellt: An der ersten Bürgerschule Carl Franz Giesel, bisher Gymnasiallehrer in Torgau, als Rector und Dirigent der sämmtlicher städtischen Schulen, zugleich Ordinarius der ersten Klaße mit 600 Rtl. Gehalt und freier Wohnung; der bisherige Rector Barthel als Ordinarius der zweiten Knabenklaße mit 400 Rtl. Gehalt und freier Wohnung; Carl Friedrich Becker, bisher Lehrer an der Realschule in Halle, als Ordinarius der dritten Klaße mit 375 Rtl. Gehalt, der bisherige Elementarlehrer Hofmann als Ordinarius der vierten Klaße (Elementarklaße) mit 250 Rtl. Gehalt. Ferner der bisherige zweite Mädchenlehrer Petermann als Ordinarius der ersten Mädchenklaße mit 350 Rtl. Gehalt; Friedrich Theodor Berger, bisher Lehrer an der Stadtschule in Lützen als Ordinarius der zweiten Klaße 300 Rtl. Gehalt; Albert Gelpke, bisher Lehrer an der Stadtschule zu Aken als Ordinarius der dritten Klaße (Elementarklaße) mit 200 Rtl. Gehalt, und Beilagen: Albert Gelpke, bisher Lehrer an der Stadtschule zu Aken als Ordinarius der dritten Klaße (Elementarklaße) mit 200 Rtl. Gehalt, und endlich Franziska Eppner aus Torgau als Lehrerin für weibliche Arbeiten mit 300 Rtl.
An der zweiten Bürgerschule sind angestellt: der bisherige Cantor Thierbach als Ordinarius der ersten Knabenklaße mit 423 Rtl.Gehalt; der bisherige erste Lehrer an der Vorstadtschule Jost, als Ordinarius der zweiten Klaße mit 247 Rtl. Gehalt; der bisherige Tertius Lorenz als Ordinarius der dritten Klaße mit 380 Rtl.Gehalt; den Unterricht in der Elementarklaße sowohl der Knaben als Mädchen hat der bereits erwähnte Lehrer Gelpke zu besorgen.
der bisherige dritte Mädchenlehrer Hofmann als Lehrer der ersten Mädchenklaße mit 324 Rtl. Gehalt; Franz Eduard Schneider, bisher Lehrer an der Bürgerschule zu Wittenberg als Ordinarius der zweiten Klaße mit 325 Rtl. Gehalt; Der bisherige Quartus und Organist Grellmann als Ordinarius der dritten Mädchenklaße mit 403 Rtl. Gehalt. Den Kirchendienst behält derselbe eben so wie der Cantor bey. Uebrigens hat jetzt kein Lehrer mehr sichere Ansprüche auf ein bestimmtes Klaßen- Ordinariat, da dieses nunmehr alle Jahre zu Ostern nach den Leistungen und der Tüchtigkeit der Lehrer wechseln kann und wird.
Auch geben jetzt in allen Klaßen, besonders den obren mehrere Lehrer Unterricht, je nach den betreffenden Fächern, was sehr zweckmäßig ist. Uebrigens betragen die Bau- und Einrichtungskosten dieses neuen Schulgebäudes ohngefähr 18000 Rtl. Das Schulgeld ist in der zweiten Bürgerschule durchgängig für jede Klaße auf 2 Rtl. festgesetzt; dagegen müssen in der ersten Bürgerschule in den vierten Klaße 6 Rtl., in der dritten 8 Rtl., in der zweiten 12 Rtl., und in der ersten 18Rtl. Schulgeld bezahlt werden. Bis jetzt sind für die erste Bürgerschule freilich erst 180 Schüler angemeldet worden.
In der Vorstadtschule ist der bisherige zweite Lehrer an derselben Romanus als erster Lehrer mit 180 Rtl. Gehalt und freier Wohnung, und der bisherige Elementar- Hülfslehrer Diedecke als zweiter Lehrer mit 150 Rtl Gehalt angestellt worden.Von dieser Neugestaltung unsres Schulwesens kann man gewiß recht segensreiche Folgen erwarten, zumal da die Leitung des Ganzen in die Hände eines Mannes, des Herrn Rector Giesel, gelegt ist, welcher eben so sehr durch christlich religiösen Sinn , edlen Charakter und große Energie, als auch durch vielseitige gründliche wißenschaftliche Bildung und Kenntniß der altklaßischen Literatur sich auszeichnet, desgleichen in der Mathematik und Naturwißenschaften.
Die Witterung des Monats April war bey fast durchgängig sehr hohem Barometerstande (Barom.28,1 – 7.) wie gewöhnlich sehr veränderlich; es wechselten trübe, stürmische und Regen- Tage mit schönen ab, und am 29ten wüthete Abends von 8 – 9 ½ Uhr ein furchrbarer Gewittersturm. Der Mai brachte mehr schöne Tage und war wegen mehrmaliger rechtzeitiger Landregen sehr fruchtbar, so daß die Wintersaaten besonders ausgezeichnet schön standen. Leider vernichtete die große anhaltende Hitze (Thermom. +34 Nachmittags 2 Uhr) und dürre des Junius bey nur wenigen Gewitterregen diese schönen Aussichten und Hoffnungen namentlich in Bezug auf das Sommergetraide, welches dadurch sehr zurückkam und dürftig stand; daßelbe gilt auch von den Futterkräutern und dem Heu, deßen Erndte gering ausfiel. Bey diesem Futtermangel blieben denn auch die Preise der Lebensmittel; besonders der Butter(die Kanne kostete gewöhnlich 24 Sgr.) sehr hoch; für ein Schock Eier mußte derselbe Preis bezahlt werden. Ach! Diese so lange anhaltendeTheurung aller Lebensbedürfniße ist für die mittlern und untern Klaßen sehr drückend und und in Wahrheit ein langsam auszehrender Zustand, wodurch die Verarmung immer schrecklicher zunimmt.
Was die Krankheiten betrifft, so wurden in diesem Frühjahr vorzüglich Entzündungen des Gehirns, der Lungen, des Rippenfels, häutige Bräune, Bauerwetzel, einzelne Fälle von Abdominal-Typhus und maskirten bösartigen Wechsefiebern, ganz besonders aber der Keuchhusten und die Masern in großer Menge beobachtet; es war die Sterblichkeit, hauptsächlich unter den Kindern, noch sehr bedeutend.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahr für den Preis von 338 Rtl. 5 Sgr. und die Pflaumen für den Preis von 149 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Im Monat August wurde die Loberbrücke unterhalb der Stadtmühle wegen großer Baufälligkeit abgetragen und ganz neu von Eichenholz gebaut, und oben gut gepflastert. Die Zimmerarbeiten kosteten 183 Rtl. und die Pflasterung 17 Rtl. Nachträglich ist hier noch zu erwähnen, daß die Brauerschaft das in der Ritterstraße gelegene Brauhaus für 435 Rtl. an den Schmiedemeister Naumann, welcher es zu einem Wagenschuppen einrichtete am 1ten Mai vorigen Jahres verkauft hat.; desgleichen hat dieselbe die im Brauhause vorhandenen Inventarien-Gegenstände am 13ten Mai 1857 für 587 Rtl. 22Sgr. 6 Dinarium verkauft – Der Thurm der Gottesacker-Kirche, deßen Abputz, besonders auf der Mitternachts – und Abendseite, durch die Witterung sehr gelitten hatte, ist im Monat August im Inneren und äußerlich neu berappt worden. Der Schiefer –und Ziegeldeckermeister Rietschel, welchem diese Arbeit übertragen war, hat dafür 12 Rtl. 15 Sgr. erhalten. In wenig Jahren wird aber, da die Säulen und Riegel sehr defeckt geworden sind, eine durchgreifende Reparatur dieses Thurmes dringend nothwendig werden. Die Witterung dieses Sommers war im Julius sehr schön und heiß, nach langer Dürre kamen auch in der Mitte und am Ende dieses Monats mehrere starke Land – und Gewitterregen, welche aber im August, der uns öfters trübe, kühle und naßkalteTage brachte, häufig wiederkehrten, so daß man von denen, welche sich im Julius durch eigene Schuld mit dem Einbringen des Roggens verspätigt hatten, Klagen über das Auswachsen deßelben auf dem Felde hörte; doch war der Schade nicht bedeutend. Dagegen war der ganze September, wie der Aegidius-Tag, sehr schön, und es bestätigte sich hier von neuem, wie auch ich oft beobachtet habe, die alte Wetter-Regel von diesem Tage. Das Barometer stand fast den ganzen Sommer durchgängig hoch (28,1-6), das Thermometer erreichte in den Nachmittagsstunden in der Sonne, selbst noch im September, eine bedeutende Höhe (Therm.Reaum +35-39). Die Erndte des Wintergetreides ist im Ganzen gur ausgefallen, dagegen die des Sommergetreides wieder sehr dürftig, aber die Grummterndte sehr reichlich; auch an Futterkräutern fehlt es nicht. Das Obst, besonders Aepfel und Pflaumen, sind sehr gut gerathen, desgleichen der Wein, wie am vorigen Jahre, ausgezeichnet. Deßen ungeachtet ist das Obst theuer; der große Scheffel kostet bis 3 Rtl. 10 Sgr. von guten Pflaumen. Der große Scheffel Weitzen kostet 6 Rtl. 15 Sgr., Roggen 4 Rtl. 10 Sgr., Gerste 4 Rtl., Hafer 2 Rtl. 25 Sgr., Kartoffeln 24 Sgr. von letzteren ist die Erndte nicht so vorzüglich wie die des vorigen Jahres gewesen, auch hört man öfters wieder Klagen über die Kartoffelkrankheit. Der Gesundheitszustand ist seit der zweyten Hälfte des Julius, wo die Masern aufhörten und die Abdominal-Typhen endlich nach anderthalb Jahren verschwanden, bis zur Mitte des September so befriedigend und die Zahl der Kranken und Todten so gering gewesen, wie ich sie um diese Zeit in einer fast fünf und dreißigjährigen Amtsführung noch nicht erlebt habe. Erst in der zweyten Hälfte des September zeigten sich bey kleineren Kindern mehrmals brechdurchfälle, zugleich als Folge des krankhaften Zahnens, mit tödlichem Ende. Der bischöfliche Stuhl in Paderborn hat am 23ten August von dem Webermeister Schoenbrodt deßen in der Töpfergaße gelegenes Haus für 1500 Rtl. gekauft und der katholische Pfarrer Schroeder hat nunmehr das bisher inne gehabte gemiethete Lokal im Richterschen Hause am Markte(vid.pag.290) zu Anfang des September verlaßen, und die Kapelle in das Parterre, und seine Wohnung in die obere Etage des gekauften Hauses verlegt. Am 10ten September erschien der schon seit mehreren Wochen auf den Sternwarten durch die Fernröhre beobachtete, nach dem Astronomen Donani benannte, sehr schöne Comet dem bloßen Auge sichtbar. Er stand zuerst Abends von 8 Uhr an im Norden, und war Anfangs klein, rückte dann unter den Sternen des großen Bär in horizontaler Linie westlich gerade auf den Arcturus, den Hauptstern des Bootes, los, ward immer früher sichtbar, zumal da der Mond nun zurückblieb, gieng am 30ten September, wo er von der Sonne 12 Millionen deutsche Meilen und von der Erde 14 Millionen erfernt war, durch das Perihelium (Sonnennähe), und gewährte uns von diesem Tage an bis zum 9ten October, wo er unsrer Erde bis auf 17 Millionen Meilen nahe kam, Abends von 7 – 10 Uhr bey größten Theils hellem und reinem Himmel das prachtvollste Schauspiel, indem sein Schweif, ein herrlich glänzender weißer Lichtstrom, nach unten immer breiter ward, sich gleichsam in zwey Hälften theilte, um rechts vom Arcturus, vor welchem Sterne der Kopf des Cometen am 4ten October unmittelbar stand, in einem sanften Bogen, bey einer Strecke von 20 Grad und einer Länge von 6 Millionen deutschen Meilen, bis unter den Schwanz des großen Bär hinauf reichte. Nach seinem Durchgange durch das Perihelium nahm die Geschwindigkeit dieses Cometen, welcher sich nun nach Osten wendete, dermaßen zu, daß er bis zum 17ten October einen von 40 Graden durchlief, und seit dem 19ten d.M. nicht mehr sichtbar ist.
Beilage: Die Astronomen Hind in London und Bomme in Mittelburg haben sich in den letzten zehn Jahren viel mit der Berechnung der Bahnelemente der Cometen von 1264, 1556 und 1858, und den Wirkungen sämmtlicher Planetenstörungen, welche den Zeitpunkt der Wiederkehr modificiren konnten, beschäftigt, und die Indentität dieser Cometen als eines und deßelben Weltkörpers festgestellt, woraus hervor geht, daß die Umlaufzeit dieses Cometen ohngefähr 300 Jahre beträgt. Bomme hatte nach höchst sorgfältigen und zeitraubendenBerechnungen, bey welchen er Hinds Elemente zu Grunde lagte, diesmal seinen Durchgang durch das Perihelium auf den 2ten August 1858 festgesetzt, was nur ein kleiner Unterschied von zwey Monaten bey einer so großen Umlaufperiode ist. Bei seiner Erscheinung im Jahre 1264 zeichnete er sich nach älteren Berichten ebenfalls durch hellen Glanz und durch die sehr große Länge und „säbelförmige“Krümmung seines Schweifes aus, was damals für eine böse Vorbedeutung galt. Weniger glänzend, aber doch mit so hellem weißen Lichtglanz, daß er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, erschien er im Jahr 1556. Seine diesmalige Erscheinung hat also mit der im Jahre 1264 die größte Aehnlichkeit, denn der Schweif hatte nach unten auch eine Krümmung. Seine Wiederkehr steht in den Jahren 2158 – 60 nach diesen Berechnungen zu erwarten.
Im Laufe diese Sommerhalbjahrs, deßen schönes, trockenes Wetter den Bauten sehr günstig war, ist sehr viel gebauet worden. Außer vielen Reparaturen an einzelnen Häusern sind aber als Neubaue besonders zu erwähnen die Gebäude am Bahnhof der Eisenbahn, welche aus der Restauration und Salon, einem schönen Bauwerk mit Schiefer gedeckt einem Güterschuppen, einem Wagenschuppen, zwey Waßerhäusern und einigen kleinen Nebengebäuden bestehen; ferner ein großes maßives Niederlagsgebäude mit bedeutenden Kellern, welches der Brauereibesitzer Offenhauer an seine Brauerei angebaut hat; sodann ein maßives, nicht übersetztes Wohnhaus, welches der Dampfmühlenbesitzer Rauchfuss neben seiner Dampfmühle aufgesetzt hat, und endlich ein maßives übersetztes Wohnhaus auf dem Gerberplane, welches der Barbier Olbrecht an der Stelle eines alten, früher dem Handarbeiter Prautzsch gehörigen, neu erbaut hat. Der Bau des Zuchthauses ist seit dem 1ten Julius, an welchem Tage die Züchtlinge nach Lichtenburg zurück giengen, sistirt worden, und zwar aus dem erfreulichem Grunde, weil die Zahl der Verbrecher in den letzten zwey Jahren wirklich abgenommen hat. Es wird daher dieser Bau, welcher bis jetzt 25000 Rtl. gekostet hat, und noch 7000 Rtl. kosten wird, erst zu Michäelis künftigen Jahres vollendet werden. Diese Totalsumme von 32000 Rtl. ist für einen so bedeutenden Bau allerdings sehr billig, was aber daher kommt, daß dieser Bau durch lauter Züchtlinge, welche aber nur einen geringen Arbeitslohn erhalten ausgeführt worden ist.
Im September und October ist auch die Hospital-Kirche ganz abgeputzt, und an der Mittagsseite ein neues Fenster durchgebrochen worden, wodurch die Kirche an Licht und Symmetrie gewonnen hat. Die Kosten mit Einschluß des Fensters betragen 210 Rtl.
Die Eisenbahn nach Leipzig wird zum nächsten 10ten Januar eröffnet werden; im September und October wurden an derselben die Stangen mit den Eisendrähten des von Deßau nach Leipzig führenden Telegraphen aufgerictet; gleichzeitig wurden auch die des von Eilenburg nach Halle führenden, am hiesigen Bahnhofe an die Eisenbahn nach Bitterfeld sich anschließenden, Staats-Telegraphen mit aufgestellt. Der Kaufmann Gottlob Heinrich Schulze, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, und über deßen Vermögen am 7ten April der Concurs eröffnet worden ist, hatte seine Handelsbücher so unordentlich geführt, daß dieselben keine Uebersicht seines Vermögens-zustandes gewährten, auch hatte er unterlaßen Bilance seines Vermögens zu ziehen, was nach Beschaffenheit seines Geschäfts erforderlich war. Ferner hatte derselbe 200 Rtl., welche er im Monat Februar des Jahres von dem Pachtmüller Frühsorge in der Dörfchen-Mühle mit der Verpflichtung erhalten hatte, mit diesem Gelde für ihn Staatspapiere anzukaufen, zum Nachtheil des Eigenthümers für sich verbraucht. Der pp.Schulze wurde daher in der Sitzung des Königl. Kreisgerichts vom 9ten October wegen Unterschlagung und einfachen Bankrotts zu neun Monaten Gefängnißstrafe und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf ein Jahr verurtheilt. Die Passiva des pp.Schulze sollen 30000 Rtl., die Activa dagegen nur 6000 Rtl. betragen.
Am 14ten November wurde nach beendigtem Vormittags-Gottesdienst in dem neuen Knabenschul-Gebäude eine Handwerker-Fortbildungsschule eröffnet. Dieselbe hatte den Zweck Gesellen und Lehrlingen, welche daran theil nehmen wollen und dafür monatlich einen Beitrag von 3 Sgr. zahlen, weitern Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Deutscher Sprache und Naturkunde zu ertheilen. Der Unterricht, zu welchem sämmtliche Lehrer in der Vocation verpflichtet sind, findet Sonntag Vormittags von 10 – 12 Uhr und Montags Abends von 7 – 9 Uhr statt, bis jetzt haben sich einige neunzig Schüler gemeldet, welche in zwey Klaßen abgetheilt sind. In der zweiten Hälfte des October und in der ersten des November wurde die Loberbrücke vor dem Leipziger Thor, deren Unterlagen sehr defekt und faul geworden waren, mit neuen eichenen Bohlen belegt und mit einem größten Theils neuen eichenen Geländer versehen. Die Kosten dieser bedeutenden, vom Zimmermeister Curwy ausgeführten Reparatur betragen mit der Pflasterung 550 Rtl. An die Stelle des am 13ten October verstorbenen ersten Polizey-Sergeant Ranscht ist vom Magistrat der bisherige Polizey-Sergeant Tronicke in Torgau erwählt worden, und hat derselbe sein Amt am 1ten December angetreten. Seit Michäelis sind die Drescherhäuser und die Windmühle zu Storkwitz mit Genehmigung des Consistoriums zu Magdeburg aus dem Delitzscher Parochial-Verbande wegen der großen Entfernung ausgeschieden, und in die ihren weit näher gelegenen Parochie Schenken berg eingepfarrt worden. Die Witterung des Herbstes war bey fast durchgängig hohem Barometerstande mehr hell und schön, als trübe, Kühl und regnigt; zu Ende des October und zu Anfang des November trat mäßiger Frost mit etwas Schnee, welcher aber bald schmolz, ein; (Barom. 28,8); der 23te des Monats war sehr kalt, (Therm. – 12 Reaum. Früh 7 Uhr); vom 24ten an war das Wetter wieder bedeutend milder. Vom 2ten bis 16ten December hatten wir ununterbrochen dichten Nebel, dann einige helle und milde Tage, zuletzt vom 20ten des Monats größten Theils Schnee und Regen. Die Wintersaaten stehen gut. Die Zahl der Krankheiten war nicht groß, es kamen nur einzelne Fälle von Entzündungen der Mandeln, der Lungen und häutiger Bräune vor; im December waren bey der rauhen und nebligten Witterung Catarrhe und die Grippe allgemein verbreitet, weshalb jedoch die Mehrzahl keinen Arzt consulirte. Gestorben sind in diesem Jahre 202. Ueber den Fortbetrieb des Braunkohlewerkes ist, wie bisher, so auch in diesem Jahre, leider! nur Unglück zu berichten. Auch der dritte, mit vielen Kosten in größerer Entfernung vom Maschinenhause angelegte Schacht ist, nachdem man zwar am 26ten April bey 56 Fuß Tiefe die Kohle erreicht hatte, am 17ten Mai Abends um 5 Uhr wieder ersoffen; die Dampfmaschine konnte das Waßer nicht bewältigen. Unter diesen Umständen ward denn, da von der Commun auf die Anlage dieses Werkes bereits 39000 Rtl. ohne allen gründlichen Erfolg verwendet worden sind, von den Stadtverordneten endlich am 5ten Junius der Beschluß gefaßt, aus der erschöpften Communkaße nichts weiter dafür zu bewilligen. Hierauf bildetet sich, wie aus dem beyliegenden Prospect zu ersehen ist, ein Comitè achtungswerther Bürger, um den Fortbau und die Inbetriebsetzung der Braunkohlengrube zu ermöglichen. Allein bis jetzt am Schluße dieses Jahres ist die nöthige Anzahl von Actien-Antheilen noch nicht gezeichnet, worüber man sich freilich bey so schlechten Aussichten nach so vielen Unglücksfällen nicht wundern darf. Im ließ der Magistrat mit Zustimmung der Stadtverordneten im Garten des Thorhauses am breiten Thore unten am Waßer ein maßives Schwanenhaus mit einen Kostenaufwand von angeblich 150 Rtl. erbauen, um, wie man hört eine Schwanenzucht zum Vortheil der Commun anzulegen; es sind bereits fünf Schwäne angekauft. Uebrigend soll dieses Schwanenhaus zugleich als Nutzungs-Local für den jedesmaligen Pächter der Fischerei zur Aufbewahrung von Geräthschaften, Netzen pp. dienen. In Bezug auf den Betrieb des Braunkohlenwerkes ist noch zu bemerken, daß nicht allein nach der Durchbohrung des Kohlenlagers die Waßerflut, sondern auch besonders der Triebsand durch Verstopfung der Saugröhren und Ventile der Pumpen viel zum unglücklichen Erfolg mit beigetragen hat. Seit dem 1ten Julius steht das ganze Werk bis jetzt am Jahresschluß still.
1859
Nachdem bereits in der ersten Hälfte des December vorigen Jahres der Bau der Deßau-Leipziger Eisenbahn, welche ohnehin ungewöhnlich lange gedauert hat, von dem Oberingenieur und Eisenbahn-Direcktor Koenigk, dem technischen Betriebs-Direcktor Tournier???, dem Baurath Schwedler, sämmtlich in Berlin, und dem Baurath Haupt in Merseburg geprüft und abgenommen worden war, sollte die Eröffnung der Bahn schon am 10ten Januar statt finden, allein wegen eingetretener Hinderniße, besonders weil der Handel-Minister von der Heydt in Berlin den ersten fahrplan nicht genehmigte, verzögerte sich diese bis zum 1ten Februar des Jahres, an welchem Tage, nachdem bereits in den frühen Morgenstunden zwey Güterzüge nach Leipzig hier durchgangen waren, Vormittags um 10 ½ Uhr der erste Personenzug in schön bekränzten Wagen unter allgemeinem Jubel einer sehr zahlreichen Volksmaße auf dem hiesigen Bahnhofe von Deßau ankam. Abends um 7 Uhr war in dem eleganten Restaurations-Saale.
Ein sehr besuchtes Concert veranstaltet, auch deßen Beendigung noch viele Gäste bis früh um 4 Uhr verweilten. Jetzt gehen täglich vier Züge nach Leipzig und eben so viel nach Deßau und Berlin hier durch. In dem schönen, übersetzten Hauptgebäude des Bahnhofs befinden sich eine Königl.Post-Expedition und ein Telegraphen-Büreau, wo zugleich die Fahrbillets ausgegeben werden, ferner Wohnungen für den Bahnhofs-Inspecktor, den Telegraphisten und den Pächter der Restauration, welcher jetzt 420 Rtl. jährlich zahlt.Noch muß als Merkwürdigkeit und als Beweis, daß Veränderlichkeit das Loos aller menschlichen Dinge ist, angeführt werden, daß da , wo jetzt am äußersten Ende der Grünstraße der Bahnhof sich befindet, vier Jahrhunderte lang in sächsischer Zeit der Richtplatz für die zum Tode durch Feuer, Rad, Strang oder Schwert verurtheilten vielen Verbrecher war, und das gerade da, wo jetzt das große Bahnhofs-Gebäude mit dem Restaurations-Salon steht, und die Eisenbahn unmittelbar vor demselben hingeht, noch bis vor vierzig Jahren der Galgen und das Rad standen; beydes wurde im November 1818 abgetragen.
Bereits im Jahre 1850 hat der Kreisrichter a.D.Schulze, ein geborner Delitzscher, der Schöpfer der Aßociationen und Vorschuß-Vereine in Deutschland auch in unsrer Stadt zur Verhütung der Verarmung und zur Hebung der arbeitenden Klaßen, besonders des Handwerkerstandes einen Vorschuß-Verein gegründet, welcher den Zweck hat mit einem monatlichem Beitrage von 2 ½ Sgr. jedem Mitgliede die Gelegenheit zu bieten mit der Zeit sich ein kleines Kapital zu sammeln, und in Fäller vorkommender augenblicklicher Geldverlegenheit, ohne den Wucheren in die Hände fallen zu müßen, sich durch einen auf 3 – 6 Monate zu 4 – 5 Procent dargeliehenen Kapital-Vorschuß aus der Noth retten zu können. Dieser Verein verfolgt das Princip „Einer bürgt für Alle, und Alle für Einen,“ zählt bereits 382 Mitglieder, und hat nach den beyliegenden beyden letzten Jahresberichten sehr segensreich gewirkt. Zu Anfang des Februar hat ein ungenannter Wohlthäter der Stadt und Amts-Vorstadt Grünstraße ein Geschenk von 50 Rtl. für die Armen gemacht, und sind davon 33 Rtl.an die Stadt-Armen in Raten von 15 Sgr. 1 Rtl. und 2 Rtl. vertheilt worden.
Die Witterung dieses Winters war bey fast durchgängig sehr hohem Barometerstande ( Barom.28,2 -–8, am 9ten Januar sogar 28,11), ungewöhnlich milde; Schnee fiel wenig, und schmolz auch sogleich wieder; dagegen regnete es öfters, wodurch die Winterfrucht reichlich ersetzt ward; Westwind war vorherrschend. Der Stand der Wintersaaten ist vortreflich.
Die Zahl der Kranken und Todesfälle war gering; es kamen blos einzelne Fälle von Entzündungen der Mandeln, des Rippenfells und der Lungen zur Behandlung. An die Armen-Kaße waren die Ansprüche gering; die Suppen-Anstalt ward diesen Winter gar nicht eingerichtet. Am 1ten April ist die Frau des Kreissecretärs Julitz in der Zeit von früh 5 ½ Uhr bis Abends 4 ½ Uhr von lebenden Drillingen, einem Knaben und zwey Mädchen, glücklich entbunden worden.Vom 1ten April an ist der Bürgerschaft und den übrigen vom Magistrat eine Communalsteuer im Betrag von 2 Sgr. für jedes Steuerschock statt bisher 1 Sgr., und 60 Procent statt bisher 30 Procent oder von 18 Sgr. für jeden Thaler Klaßen – oder Einkommenssteuer auferlegt worden, um die 1642 Rtl. 15Sgr. Zinsen von den 39000 Rtl. zur Anlage des Braunkohlenwerkes verwendeten Kapitalien jährlich zu decken. Es ist diese neue Steuer lediglich eine schreckliche Folge dieses total verunglückten, höchst gewagten, spekulativen Unternehmens, was erfahrne Männer gleich von Anfang an mit Gewißheit voraus gesagt haben. In unsrer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1858 die Summe sämmtlicher Einlagen 1712.469 Rtl. 26 Sgr. 6 D.(Pfennig) und der Reserve-Fond erreichte die Höhe von 29.381 Rtl 10 Sgr. 9 D.(Pfennig) Nach Zurücknahme einer Summe von 1.157.346 Rtl. 10 Sgr. 6 D.(Pfennig) wovon auf das letzte Jahr allein infolge der mittelmäßigen Erndte und der überhaupt ungünstigen Zeitverhälniße 279.581 Rtl. 2 Sgr. 5 D.(Pfennig) kommen, betrug die Summe der gebliebenen Einlagen 555.123 Rtl. 16 Sgr. Der gesammte Geldverkehr bey der Kaße im vorigen Jahre allein beleif sich auf 827.805 Rtl. 8 Sgr. 17 D.(Pfennig) Am 17ten April Vormittags um 10 Uhr fiel der Wagenschieber Richter auf dem hiesigen Bahnhofe beym Wiederkehren der zur Speisung abgehängten Locomotive Hercules vorwärts auf die Schienen, wurde vom Tender überfahren und war auf der Stelle todt. Der rechte Oberarm war zerbrochen und die untersten Rückenwirbel ganz dislocirt, mithin das Rückenmark zerrißen. Richter war übrigens, da er gewarnt worden ist, durch Unvorsichtigkeit an seinem Unglück selbst schuld, soll auch wie man hört, in keiner glücklichen Ehe gelebt haben; er hinterläßt fünf Kinder.
Durch Verfügung des Herrn Landraths von Rauchhaupt vom 8ten Januar des Jahres wurde aus dem Kreis-Armen-Verbande der Stadt Delitzsch zur Deckung des Deficits bey der Armen-Kaßen-Verwaltung die Summe von 200 Rtl. ausgezahlt. Der Kreisrichter a.D. Schulze, welchem schon zu Anfang des Jahres 1850 (vid.pag.151) von seinen Anhängern und Freunden ein silberner Ehren-Pokal überreicht worden war, hat jetzt kürzlich wieder einen dergleichen, ohngefähr 40 Rtl. werth, wegen seiner wahren Verdienste um die Hebung der Wohlfahrth des Handwerker-Standes durch Gründung von Aßociationen und Vorschuß-Vereinen, mit einem dankbaren Schreiben vom 5ten April des Jahres von der Schumacher-Aßociation in Wolfenbüttel zum Geschenk erhalten. Da jetzt die freien Gemeinden, seitdem unser erleuchteter Prinz-Regent wegen der bereits seit Michäelis 1856 andauernden Krankheit des Königs die Regierung übernommen hat, die Erlaubniß zur freien Religionsübung erhalten haben, so hielt am zweiten Osterfeiertage, den 25ten April, Vormittags 11 Uhr der bekannte Prediger Uhlich aus Magdeburg vor der hiesigen freien Gemeinde einen Gottesdienst im Saale des Schützenhauses, welcher auch von vielen anderen, zumal bey dem seit einem halben wegen des unsinnigen Gesangbuch-Anhangs statt findenden, furchtbaren Zerwürfniße und Bruche der Kirchengemeinde mit unserer pietistischen Geistlichkeit, sehr zahlreich besucht war. Die von Uhlich gehaltene Predigt, welches manche Wahre enthält, ist bald nachher im Druck erschienen. Politische Zwecke verfolgen übrigens die freien Gemeinden jetzt nicht mehr. Am 23ten Maerz ist der Lehrer Becker, welcher erst im Junius vorigen Jahres zu uns kam, wieder nach Cüstrin abgegangen. An seine Stelle trat der Canditat Dr.phil.Rosendahl aus Halle. Außerdem wurde noch der Predigt-Amts-Canditat Thiele als Hülfslehrer angestellt, und der bisherige Elementarlehrer an der Vorstadtschule Diedecke erhielt die Elemnetarklaße in der zweyten Bürgerschule an des Lehrers Gelpke Stelle, welcher zum Ordinarius der zweyten Mädchenklaße in derselben Schule befördert ward. Als Elementarlehrer in der Vorstadtschule ward der Schulamtscanditat Rueckelt angestellt. Die Witterung des Monats April war bey mehr niedrigem als hohem Barometerstande sehr veränderlich, dagegen die der Monate Mai Junius bey höherm Barometerstande fast durchgängig sehr schön und warm und in folge rechtzeitiger Gewitter – und Landregen außerordentlich fruchtbar; das Wintergetraide, der Rübsen und Raps und die Futterkräuter stehen vorzüglich gut, und die Heuerndte ist ausgezeichnet ausgefallen und bey heißem Wetter glücklich eingebracht worden. Der Gesundheitszustand ist außerordentlcih befriedigend, die Zahl der Kranken und Todesfälle gering.
Die Witterung dieses Sommers war in den Monaten Julius und August außerordentlich schön und heiß, und die Dürre sehr groß und anhaltend, da wir nur wenig Land – und Gewitterregen hatten; bey einem Gewitter am 14ten August schlug der Blitz Abends um 7 Uhr in Zschortau in eine große, gefüllte, mit Ziegeln gedeckte Scheune und zündete dieselbe an. In der Nacht vom 28ten zum 29ten August ein sehr starkes, nach den Zeitungsberichten auf der größern Hälfte der Erde gesehenes Nordlich sichtbar, welches als electrische Erscheinung nach vielfachen in dieser Nacht auf den Eisenbahnen gemachten, und nachher in öffentlichen Blättern mitgeteilthen, Beobachtungen durch Ausströmungen großer Maßen von Electricität dergestalt auf die Telegraphen-Dräthe wirkte, daß die Signal-Glocken anschlugen. Ohne Zweifel hatte auch das Nordlich zur folge, daß die erste Hälfte des September kühl war; die zweite war milder und schöner. Der Stand des Barometer war den ganzen Sommer über hoch (Barom. 28 – 28,6.), das Thermometer nach Reaum. erreichte in den Nachmittagsstunden des Julius und August in der Sonne gewöhnlich eine Höhe von +35 – 40. West – und Süd-West – Wind war vorherrschend. – Die Erndte des Wintergetreides ist recht gut ausgefallen, und das Einbringen derselben durch die herrliche Witterung außerordentlich begünstigt worden; Der Roggen, deßen Mehl ein sehr schönes Brod liefert, ist diesmal im Stroh ungewöhnlich lang; auch Rübsen und Raps sind wohl gerathen. Dagegen ist aber die Erndte des Sommergetreides, wenn auch nicht so dürftig wie in den beyden letzten Jahren, doch wegen der anhaltenden Trockenheit immer noch gering gewesen; auch vom Grummt ist wenig geerntet worden, von Futterkräutern hingegen mehr; auch ist die Kartoffelerndte noch weit besser, als man ursprünglich befürchtete, ausgefallen. Das Obst ist mit Ausnahme der Birnen, nicht gut gerathen und daher sehr theuer, dagegen der Wein vortrefflich. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt 5 Rtl., der Roggen 3 Rtl,20 – 25 Sgr., Gerste 2 Rtl. 25 Sgr., Hafer 2 Rtl., Kartoffeln 25 Sgr.
Der Gesundheitszustand war im Ganzen befriedigend, nur kamen im Julius und August Durchfälle und Brechdurchfälle bey Erwachsenen und Kindern vor, an welchen eine nicht unbedeutende Zahl kleiner Kinder starb. Am 1ten October hat unsre Stadt die vierte zwölfpfündige Batterie des vierten Artillerie-Regiments, welche wegen der im Frühjahr in Folge des zwischen Oesterreich und Frankreich in Italien ausgebrochenen Krieges statt gefundenen Mobilmachung in einigen Dörfern bey Torgau einquartirt lag, vorläufig auf ein halbes Jahr zur Garnison erhalten; dieselbe ist eine Fuß-Batterie mit 190 Mann und Pferden. Wegen der Kriegsbefürchtungen sind leider in diesem herrlichen, die Bauarbeit so sehr förderden, Sommer wenig neue Baue unternommen worden, das Meiste hat sich blos auf Reparaturen, Untermauerungen pp. beschränkt. Der Strumpffabrikant Pabst hat sein vor zwey Jahren in der Schulgaße erbautes Fabrikgebäude(vid.pag.282)durch den maßiven Neubau des Thorgebäudes im oberen Stock bedeutend vergrößert; ferner hat der Schumachermeister Geissler sein altes am Ende der Eilenburger Straße gelegenes Wohnhaus niedergerißen und ein neues übersetztes maßives erbauet; desgleichen hat der Maurergeselle Baier jun. Auf der Pflaumenplantage vor dem Bitterfelder Thore ein neues übersetztes maßives Wohnhaus, und endlich der Böttchermeister Offenhauer auf ein vor dem Galgthore gelegenes von dem Apotheker Freyberg erkauftes Feldstück ein sehr schönes maßives übersetztes Wohnhaus nebst Seitengebäude erbauet. Der Zuchthausbau, wurde wie alle nicht dringenden nothwendigen Staatsbauten in diesem Frühjahr wegen der kriegerischen Aussichten eingestellt, und erst nach Beendigung des italienischen Krieges und gesichertem Frieden im Herbst Behufs des innern Ausbaues wieder fortgesetzt, zu welchem Zwecke am 1ten September 56 Züchtlinge von Lichtenburg eintrafen, welche ihre Arbeit sogleich mit der Abtragung des kleinen Schloßthurmes begannen, was aus dem Grunde geschah, weil derselbe von unten bis oben hinauf eine hölzerne, mithin feuergefährliche, Wendeltreppe enthielt, und nun mehr ein neuer viereckiger, in das Gebäude eingebauter Thurm mit steinernen Treppen, wie sie bereits vor zwey Jahren im großen Schloßthurm, der nun einen Blitzableiter erhielt, angebracht wurden, gebaut wird. Der Kreisgerichtsdirecktor von Muehler ist am 1ten October in gleicher Eigenschaft nach Hagen in der Provinz Westphalen versetzt worden. An seine Stelle kam der bisherige Kreisgerichts-Rath Campugnani in Erfurt, welcher am 2ten Januar 1860 sein neues Amt antrat. Die Feier, des nicht blos in Deutschland, sondern auch in allen Ländern und Welttheilen, wo Deutsche wohnen, glänzend begangenen hundertjährigen Geburtstages des als Mensch und Gelehrten gleich hochgeachteten, großen National-Dichters Schiller ist auch bey uns nicht spurlos vorüber gegangen. Die Gesellschaft „Eintracht“ brachte an diesem denkwürdigen Tage, den 10ten November, Abends einige Scenen aus Wallensteins Tod zur Aufführung, und die Gesellschaft „Liedertafel“ führte Wallensteins Lager auf; vor der Aufführung deßelben hielt aber in letzterem Vereine der Herr Kreisrichter Schulze einen trefflichen, über Schillers Leben und Wirken ausführlich sich verbreitenden Vortrag. Die Witterung des Herbstes war im October recht angenehm und warm, und selbst im November noch ungewöhnlich milde und hell; am 1ten des Monats hatten wir Nachmittags um 3 Uhr einen starken Gewitterregen, und in der folgenden Nacht tobte ein heftiger Orkan (Barometer 27,4). Erst im December trat mäßige Kälte ein, welche blos an sehr wenigen Tagen etwas höher stieg, wie am 19ten früh um 7 Uhr (Thermometer – 17 Reaum.) aber bald wieder nachließ. Schnee ist wenig gefallen, dagegen im December, besonders im letzten Drittheil deßelben genügend Regen, nach der großen Dürre des Sommers ein dringendes Bedürfniß. Die Wintersaaten stehen vorzüglich schön. Das Barometer stand größten Theils sehr hoch, besonders am 17ten November und am 10ten December (Barometer 28,17) Der Gesundheitszustand war sehr befriedigend und die Zahl der Kranken äußerst gering; dies gilt überhaupt vom ganzen Jahr; die Zahl der im demselben in der Parochie Delitzsch Verstorbenen beträgt 194, worunter 125 Kinder in den ersten Lebensjahren.
Das Braunkohlenwerk, durch welches eine so bedeutende Schuldenlast von 39000 Rtl. auf unsere unglückliche Stadt-Commun gehäuft worden ist, hat in diesem Jahr nicht wieder in Betrieb gesetzt werden können. Am 19ten Januar hielten die Actionärs eine Versammlung wegen des Fortbaues, konnten aber zu keinem entscheidendem Resultat gelangen. Wegen des zu befürchtenden Ausbruchs eines Krieges mit Frankreich ruhete die Sache den ganzen Frühling und Sommer hindurch. Endlich am 28ten October hielt das Comitè wieder eine Versammlung ab, welche aber, weil wegen des mit Recht herrschenden allgemeinen Mißtrauens die noch fehlenden Actien nicht untergebracht werden konnten, auch manche der früheren Actionärs zurück traten, die Auflösung des Comitès zur Folge hatte. Das tragische Ende des Unternehmens war nun da, es ward am genannten Tage zu Grabe getragen. Zur Ehre der Wahrheit muß hier noch bemerkt werden, daß nicht Einer allein die Schuld an diesem sehr großen Unglück trägt, sondern Mehrere dieselbe theilen. Die Folgen dieses harten Schlages werden noch unsre spätern Nachkommen schmerzlich fühlen! Veniat Deus ex machina!
1860
Delitzsch den 9ten Junius 1868
Nachdem ich , wie gewöhnlich, gleich zu Anfang dieses Jahres dem Bürgermeister Hagedorn diese Chronik zur Revision zugesendet hatte, wartete ich Wochen lang vergebens auf die Rücksendung derselben. Zu meiner nicht geringen Verwunderung erhielt ich aber statt derselben von ihm am 4ten Maerz folgenden Brief:
Mein verehrter Herr Doctor!
Es hat mir viel Ueberwindung gekostet, einen Entschluß zu faßen, mit dem ich Ihnen vielleicht zu nahe trete; allein reifliche Ueberlegung hat bei mir die Ueberzeugung befestigt, daß, wenn die Chronik ihren amtlichen Charakter bewahren soll, der Führer derselben nicht außerhalb der Verwaltung stehen darf. Der amtliche Charakter ist aber der Chronik beygelegt bey ihrem Beginn, wie ich aus dem Vorwort zu derselben ersehe, und ich würde fast Reue empfinden, daß ich so lange meine Pflicht verkannt, und mich der von meinem verewigten Amtsvorgänger begonnenen Führung der Chronik entzogen habe, wenn ich nicht die Beruhigung hätte, daß meine Stellvertretung in Hände gelegt war, die vollstes Vertrauen verdienen. Wenn mich nun diese Erkenntniß auch für die Vergangenheit beruhigt, so giebt sie mir doch kein Recht eine einmal erkannte Pflicht noch länger zu verabsäumen, und ich bin daher entschloßen, die Chronik von jetzt an selbst unter Beirath meiner Collegen im Rathe fortzuführen. Indem ich Ihnen diesen Entschluß ergebenst mittheile, spreche ich Ihnen meinen wärmsten Dank aus für die Mühe, der Sie Sich zeither an meiner Statt unterzogen gehabt, und hoffe, daß ich Ihnen diesen Dank in der Fortdauer meiner freundschaftlichen Gesinnung immer beweisen darf. Genehmigen Sie, mein Herr Doctor, die Versicherung meiner aufrichtigen Hochachtung und Ergebenheit.
Delitzsch den 4ten Maerz 1860. Hagedorn“
Daß die Abschrift vorstehenden Briefes mit dem Originale völlig gleichlautend ist, bescheinigen wir hierdurch pflichtmäßig.
Schönbrodt Schladitz. Kunze,
zur Zeit Stadtverordnete.
Welcher grelle Contrast in Worten und Werken! Als nach dem am 15ten October 1867 erfolgten Tode des Bürgermeister Hagedorn aus seiner Wohnung Actenstücke und auch diese Chronik wieder auf das Rathhaus abgeliefert wurden, entdeckte man gar bald, daß in den ersten viele Lücken vorhanden waren, und in die letztere auch nicht eine Zeile hinein geschrieben war, vorüber die vier Herren Magistrats-Aßißoren nicht wenig erstaunten, so daß denselben vox faucibus haefit ???, weil er seinen Collegen von seiner Fortführung der Chronik gar nichts mitgetheilt hatte. Das sind die traurigen Folgen einer gewissenlosen und nachläßigen Amtsverwaltung, worüber man sich freilich nicht wundern darf, da bekanntlich der pp. Hagedorn leidenschaftlich die Jagd und die öffentlichen Orte liebte, und deßhalb oft halbe und ganze Tage lang auf dem Rathhause in dem gesetzlichen Expeditionsstunden nicht anzutreffen war. Der Verfaßer dieser Zeilen hat übrigens die beglaubigte Abschrift des obigen Briefes aus dem Grunde mitgetheilt, damit niemand etwa glauben mag, er habe die Chronik nicht weiter führen wollen, sondern daß der pp. Hagedorn sie ihm auf schlaue Weise abgenommen hat, denn Nepotismus und Infallibilität spielten bey diesem Manne eine Hauptrolle; wer deßhalb mit ihm, wie ich mehrere Male, in Conflict gerieth, fiel in Ungnade. Nachdem nun der neugewählte Bürgermeister, Herr Stadt – und Polizeyrath Born in Nordhausen am 2ten April sein Amt angetreten hat, ersuchte derselbe mich die Führung der Chronik wieder zu übernehmen, besonders die ungeheure Lücke von acht Jahren so gut wie möglich auszufüllen, was er als Fremdling natürlich nicht im Stande wäre, und habe es ihm zugesagt. Aus wahrer Liebe zu meiner Vaterstadt übernehme ich trotz meines höhren Alters zum zweyten Mal die Führung dieser Chronik, und werde nun diese jetzt mehr als früher schwierige Arbeit mit der Beyhülfe des Herrn Sparkaßen-Aßistent Braune beginnen.
Dr. Ideler.
Dieser heftige Streit, welcher unser kirchliches Leben blos durch die Schuld der Geistlichen schrecklich zerstört und verwüstet hat, dauerte vom Anfang des December 1858 bis zum Schluß des Jahres 1862. Ich werde daher den Zeitraum von vier Jahren zusammen faßen und in gedrängter Kürze das etwa noch fehlende ergänzen, da ich in der Hauptsache den Leser auf die hier angefügten Beylagen verweise, aus welchen derselbe den vollständigen Hergang und Verlauf des Streites deutlich ersehen kann. Die Absicht der Kirchenbehörden war offenbar die durch Wiedereinführung der im vorigen Jahrhundert mit vollem Recht aus den Gesangsbüchern ausgemerzten verrufenen, abgeschmackten, unsinnigen sogenannten Kernlieder mit ihren sprachlichen und metrischen Härten das Volk zu verdummen, und in die finsteren Jahrhunderte wieder zurück zu führen. In Delitzsch wagten die Kirchenbehörden diesen Versuch zuerst, und glaubten in ihrer Verblendung und Siegesgewißheit mit Zwang dies durchsetzen zu können, erlitten aber die empfindlichste Niederlage. Am zweyten Weihnachtsfeiertage 1858 erfuhr der Superint. Weinrich dieses zuerst durch eine auffallend starke Kundgebung, als er im Vormittags-Gottesdienste nach der Prdigt zwey Verse aus einem Anhangsliede singen ließ, und noch ehe diese angestimmt wurden, die ganze Gemeinde sich erhob und die Kirche verließ, weßhalb er auch niemals gewagt hat wegen zu befürchtender größerer Störung das Hauptlied aus dem Anhange singen zu laßen, sondern nur mitunter das erste Lied. In den ersten Tagen des Januar 1859 ließen nun mehrere angesehene Bürger eine Petition gegen die Einführung des verhaßten Anhangs im Publikum circuliren, welche mit sehr vielen Unterschriften bedeckt, aber von dem Sup. Weinrich gar nicht berücksichtigt wurde. Hierauf ersuchten mich viele achtungswerthe Bürger, weil sie sahen, daß sie nichts ausrichten konnten, diese Sache in die Hand zu nehmen, wozu ich anfänglich in richtiger Voraussicht des schweren Kampfes gar keine Lust hatte, endlich aber ihren wiederholten sehr dringenden Bitten nachgab und mich entschloß um der guten Sache willen die Führung des Streits zu übernehmen. Sogleich ließ ich nun folgende Anfrage im Delitzscher Kreisblatte bekannt machen:
„Wird denn nun recht bald die unerquickliche Angelegenheit wegen des Anhangs zu unserm Gesangbuche durch eine zu berufende Versammlung der Kirchgemeinde und deren unbestreitbares Recht, die Abstimmung, entschieden werden, oder soll sich unsere aufgeklärte, gebildete, längst mündig gewordene Stadtgemeinde ferner in Glaubenssachen blos dem absoluten Willen eines Einzigen fügen, und sich von diesem den alten Kirchenglauben und Liederschatz früherer, finsterer Jahrhunderte aufzwingen, und geistig bevormunden lassen? Sollen benachbarte Landgemeinden und beschämen, und wir Ihnen zum gerechten Spott werden? Es ist wahrlich hohe Zeit, daß die quälende Ungewißheit aufhört, und dieser von unserer friedliebenden Gemeinde nicht verschuldete Streit zu einem, Gott gebe, glücklichem Ende geführt wird, denn der Kirchenbesuch und das kirchliche Leben leiden außerordentlich dadurch.“
II.Cor.1,24.3,17. Galat.5,1.Delitzsch, den 10ten Februar 1859. Dr. Ideler.
Diese Anfrage zündete wie ein Blitz; denn eiligst wurde nun auf den Antrag des Superintendenten Weinrich durch den Magistrat eine Versammlung von etwa hundert allgemein geachteten, sehr kirchlich gesinnten Bürgern, den Unterzeichnern der oben erwähnten Petition, auf den 12ten Februar Nachmittags um 4 Uhr in die Aula der neuen Bürgerschule berufen, mit welchen der Superintendent Weinrich und der Archidiacon Dr. Burkhardt leichten Kaufs fertig zu werden hofften; allein hierin hatten sich diese Herren stark verrechnet, denn diese Versammlung, zu welcher sich auch gleich vom Anfang an mein alter Freund der Herr Kreisrichter Schulze, ohne darum von mir ersucht zu seyn, gesellte, trat mit der äußersten Entschiedenheit und den heftigsten Vorwürfen gegen die Geistlichen auf, so daß viele von uns Noth hatten, den Frieden zu erhalten und unangenehme Ausbrüche gegen die Geistlichen, welche sich sehr vergaßen und vielfach blosstellten, zu verhüten. Unvergeßlich wird allen denen, welcher dieser Versammlung beygewohnt haben, dieser Tag bleiben, denn die Debatten waren stürmisch, die Wogen giengen hoch. Unter diesen bedenklichen Umständen fand es der Superintendent Weinrich, der trotz vieler Bitten und der schlagensten Gegengründe nicht nachgab und auf dem Katheder förmlich belagert war, für gerathen plötzlich seine Actenstücke zusammen zu packen und mit dem Archidiacon Burkhardt die Versammlung ohne Resultat zu verlaßen. Die Aufregung war sehr groß, die Erbitterung gegen die Geistlichen furchtbar, Hohn und Spott verfolgte sie überall. Vom Kreisrichter Schulze wurde nun eine betreffliche Beschwerdeschrift ausgearbeitet, und nachdem dieselbe in einer Versammlung im Saale des Gasthofes zum goldenen Ring am 19ten Februar den zahlreichen Anwesenden von mir vorgelesen war, von 518 derselben unterzeichnet und sofort an den Magistrat gesendet, mit der Bitte dieselbe Ihrem Bericht an das Consistorium beyzulegen. Gleichzeitig hatte ich eine kleine Schrift, in welche unsere Beschwerdeschrift mit aufgenommen war, unter dem Titel „kirchliche Angelegenheit“pp. drucken laßen, welche aber wegen einer angeblich incriminirten Stelle in meiner am 19ten Februar gehaltenen Rede vom Magistrat am 28ten des Monats mit Beschlag belegt ward, jedoch später, nachdem ich am 17ten März deßhalb vor dem Kreisgericht und dem Staatsanwalt als Angeklagter gestanden, aber frei gesprochen wurde, am 23 des Monats von neuem wieder im Druck erschien, jedoch mit Weglaßung der incriminirten Stelle, welche nach der Ansicht des Staatsanwalts die Grenzen einer erlaubten Kritik überschreiten sollte. Dieselbe lautete wörtlich also: „Der Herr Superintendent Weinrich hat in gänzlicher Verkennung seiner amtlichen Stellung und in ganz rücksichtsloser Nichtbeachtung der gesetzlich wohlbegründeten Rechte der Gemeinde uns den alten Kirchenglauben und abgeschmackten, unsinnigen Liederschatz finsterer Jahrhunderte aufzwingen wollen, und dadurch der Gemeinde ein großes Aergerniß und ein Beyspiel protestantischem Pabstthum mitten in der evangelischen Kirche gegeben. Solchem unheilvollen Treiben auf das Entschiedenste entgegen zu treten, ist unsere heiligste Pflicht, theils pp.“ Bey dieser gerichtlichen Verhandlung, zu welcher auch der Herr Buchdrucker Meyner mit vorgeladen war, sprach mein Vertheidiger, der Justizrath Haßert, indem er den Anhang auf den Gerichtstisch legte, die denkwürdigen Worte „die Behörde hätte nicht meine Schrift, sondern den Anhang mit Beschlag belegen sollen, weil Gotteslästerung darin enthalten sey.“ Die Redactoren dieses Werkes, welches soviel Unheil angerichtet hat, waren unsere beyden ersten Geistlichen und die Pastoren Bithorn in Brinnis, Mylius in Paupitzsch und Thon in Döbernitz, lauter exklusive Altlutheraner, welche deßhalb im Sommer 1857 als Comißion zusammen traten; ihr Werk ist zum Heil für die Kirche, ihnen voran gegangen.
Da das Consistorium auf unsere Beschwerde vom 19ten Februar und auf den Bericht des Magistrats in zwey Rescripten vom 12ten April und 12ten Mai uns abschläglich beschieden hatte, so beschloßen wir nunmehr uns in einer ausführlichen Beschwerdeschrift, welche der Herr Kreisrichter Schulze verfaßte und die ein wahres Meisterstück einer juristischen Arbeit ist, am 30ten Julius an den Cultusminister von Bethmann-Hollweg zu wenden, der dieselbe aber zur reßortmäßigen Verfügung an den evangelischen Oberkirchenrath abgab. Da diese Behörde uns mit der Antwort sehr lange warten ließ, so ward nun am 13ten Januar 1860 ein Schreiben an dieselbe gesendet, worin wir um baldige Entscheidung baten. Nach langem Warten kam endlich am 8ten Februar 1860 die Antwort, ein abschläglicher Bescheid, worüber man sich freilich nicht wundern darf, da unsere Gegener, wie früher das Consistorium, so auch diesmal den Oberkirchenrath mit dreisten Unwahrheiten getäuscht hatten; besonders beweiset dieses folgende Stelle am Schluße des Bescheids, wo es heißt:“Die große Mehrheit der Delitzscher Gemeinde hat sich mit dem Anhange vertraut gemacht und ihn lieb gewonnen. Der Besuch des Gottesdienstes, welcher bey dem Beginne der gegenwärtigen Streitigkeiten einigen Abbruch erlitten, hat wiederum beinahe die frühere Stärke erreicht.“ Diese arge Täuschung ward zur Kenntniß der Gemeinde am 22ten Februar im Kreisblatt abgedruckt.
Bald nachher wurde in einer am 9ten März im Saale des Schützenhauses abgehaltenen sehr zahlreichen Versammlung derselben der abfällige Bescheid des Oberkirchenraths vorgelesen, und zugleich beschloßen den Magistrat um eine bestimmte Erklärung darüber zu ersuchen, was es mit der im Bescheid des Oberkirchenraths erwähnten, dem Superintendenten Weinrich gegebenen Zusage „der Einführung des Anhangs gern förderlich seyn zu wollen,“ für eine Bewandniß habe, weil sonst der Magistrat wegen seiner früheren Protestation an das Consistorium mit sich selbst in Widerspruch gebracht sey. Auf die deßhalb am 18ten März gerichtete Anfrage, erwiderte der Magistrat am 31ten März, daß er zwar dem Superintendenten Weinrich am 23ten October 1857 diese Erklärung gegeben, aber ohne den Inhalt des Anhangs zu kennen, vorausgesetzt habe, daß ein von den höchsten kirchlichen Behörden approbirter Anhang von der Art sey, daß sie seine Einführung von seinem Standpunkte aus als Behörde würden befördern können, dabey aber auch erwartet hätten, daß man ihre Mitwirkung dazu verlangen würde, um seiner Zeit nach Vernehmung mit der Gemeinde mit bestimmen, ob mit der Einführung vorgegangen werden könne, worüber aber der Magistrat gar nicht befragt worden sey. Zugleich meldet uns derselbe, daß er am 31ten März in Verbindung mit den Kirchenvorstehern nochmals dem Oberkirchenrath über die durch die Einführung des Anhangs hervor gerufenen kirchlichen Zerwürfniße ausführlichen Bericht erstattet habe. Leider blieb auch dieser Versuch ohne Erfolg. In der Mitte des März reiste der Kreisrichter Schulze nach Berlin, nahm eine Anzahl Exemplare von den bisher in unserer Streitsache erschienenen Druckschriften mit, vertheilte dieselbe besonders an Mitgleider des Hauses der Abgeordneten, lernte auch den Redacteur der protestan-tischen Kirchenzeitung, Cicent. Theol.Krause, kennen, und erhielt von allen diesen Herren den Rath unsrer Sache nun vor das Haus der Abgeordneten zu bringen. Krause fand unsre Druckschriften sehr intereßant und versprach binnen Kurzem unsere Streitsache in der protestantischen Kirchen Zeitung zur Sprache zu bringen, was er denn auch in einem vortrefflichen Aufsatze am 14ten April in der No.15 dieser Zeitung mit sehr scharfer Kritik über das Verfahren der Kirchenbehörden that. Mittlerweile war endlich als Gesetz am 27ten Februar 1860 die längst versprochene Verfaßung für die evangelische Landeskirche erschienen, zu deren Erlaß unsere und viele andere ähnliche kirchliche Streitsachen mit beygetragen hatten. Am 10ten Junius erfolgte die Einladung zu den Wahlen der Gemeinde-Kirchenräthe mit der Vorschlags-liste, da nach dem Gesetz die Wahl dieses erste Mal noch eine beschränkte war, indem der Patron, die Geistlichen und die Kirchenvorsteher jeder ein Drittheil vorzuschlagen hatten; zum Glück befanden sich unter den 27 Vorgeschlagenen eine genügende Zahl höchst achtungswerther, freisinniger Männer, so daß wir sehr leicht 9 paßende von unserer Gesinnung auswählen konnten. Um nun aber auf die Wahl noch besser einwirken zu können, wurde von unsern Comitè-Mitgliedern beschloßen vorher noch eine große Versammlung im Saale des Schützenhauses zur Vorberathung und um die Zersplitterung bey dem Wahlact zu verhüten, am 15ten Junius Abends um 8Uhr abzuhalten. Sie war sehr besucht, auch das kleine Häuflein unserer Gegner fehlte nicht. Es wurden vorgeschlagen die Herren Seilermeister Barth jun., Gastwirth Dörfel, Bäckermeister Donath sen., Kreisgerichtssecretär Lattermann, Horndrechslermeister Pabst, Lohgerbermeister Platen, Lohgerbermeister Winkelmann, Mühlenbesitzer Seidler, sämmtlich in Delitzsch, und der Ortsschulze Genscher in Gertitz, gegen welche alle auf deshalb erfolgte Anfrage Niemand etwas einzuwenden hatte und daher am Wahltage, den 18ten Junius, mit 300 bis 340 Stimmen sämmtlich gewählt wurden. Trotzdem daß von unsrer Parthei nur ein Drittheil an der Wahl sich betheiligte, und unsre Gegner in corpore schon am 7ten des Monats erhielt ich von demselben einen dankbaren Brief dafür. Nachdem leider der am 14ten Januar eröffnete Landtag am 17ten März durch die Auflösung des Hauses der Abgeordneten unerwartet wieder geschloßen worden war, konnte unsere Petition diesmal noch nicht zum Vortrag kommen. Außer mit Krause stand ich auch mit Schulze, welcher seine Vaterstadt Delitzsch am 23ten März 1862 verließ und nach Potsdam zog, so wie auch mit dem trefflichen Referenten unserer Sache im Abgeordneten-Hause, dem Pastor Richter, einem herrlichen liberalen Manne, welcher sich mehrmals bey mir Auskunft erbat, in Correspondenz; das war ein reges geistiges Leben.
Beilage: Kirchliche Angelegenheiten, den Anhang zum Delitzscher Gesangsbuch betreffend; mit Beschwerdeschrift; erster Bericht der Kommission für Petitionen; protestantische Kirchenzeitung Nr. 13 vom 14.April 1860; protestantische Kirchenzeitung Nr. 23. Vom 7.Juni 1862. Als ein schreckliches Beyspiel menschlicher Geistesverirrung muß hier noch folgendes sicher verbürgte Curiosum verzeichnet werden: Als in den Jahren 1859 bis 1863 der bekannte Anhangsstreit lebhaft und energisch geführt wurde, sprach einmal ein junger Lehrer vom Landeaus der Delitzscher Diöces in der Gaststube des des Gasthofes zum eisernen Kreuz, , wo dieser Herr öfters einkehrte, folgende Worte: „Die Geistlichen hätten das Recht diejenigen, welche nicht in die Kirche gingen, durch die Polizeysergeanten abholen zulaßen.“ Fürwahr man kann dem Christenthum, der Religion der Liebe, keine größere Schandsäule setzen, als durch diese verrückte Aeußerung. Gehört haben dieselbe von den anwesenden Gästen der Bäckermeister Donath sen. und andere achtbare Bürger; der erstere hat mir es wiederholt versichert. Der selige Kreisgerichtsrath Voerkel, dieser allgemein hochverehrte und geliebte Mann, sagte einmal, weil er sich lebhaft für diesen Gesangbuchsstreit intereßirte, zu einigen Mitgliedern des Gemeinde-Kirchenraths folgende treffliche Worte in seiner gemüthlichen und populären Redeweise:“Kinder, ihr habt Recht, aber ihr sollt nicht Recht behalten.“ Rem acu tetigit.
Als nun der wieder im liberalem Sinne neu gewählte Landtag am 19ten Mai, dem hundertjährigen Geburtstage des großen Philisophen Fichte, abermals eröffnet wurde, schickte ich sogleich die sämmtlichen Schriftstücke unserer Petition(fünf gedruckte und zehn geschriebene Beilagen)nebst dem von mir gefertigten Begleitschreiben noch an demselben Tage an den Herrn Kreisrichter Schulze ab mit der Bitte dafür zu sorgen, daß derselbe im Hause der Abgeordneten möglichst bald zur Berathung käme, was den auch geschah. Vorher erschien aber noch zur Belehrung der Kammermitgleider am 7ten Junius in der protestantischen Kirchenzeitung ein gediegener Aufsatz von dem durch Krause damit beauftragten Herrn Dr. Ju. Fischer in Breslau über den Rechtsstandpunkt unserer Streitsache, in welchem unser gutes Recht mit so gründlicher Sachkenntniß und Gelehrsamkeit dergestalt überzeugend und unwiderleglich nachgewießen wurde, daß durchaus nichts zu wünschen übrig bleibt; er wurde sogleich abgedruckt und in mehren Exemplaren verbreitet. Am 24ten Junius ward nun der Delitzscher Gesangbuchsstreit in der Petitions-Commißion berathen, und am 1ten Julius im Hause der Abgeordneten sehr ausführlich verhandelt, und ein glänzender Sieg für uns erkämpft; der Antrag der Petitions-Commißion „die Petition der Königl.Staatsregierung zur Abhülfe zu überweisen und den Petenten zu ihrem Recht zu verhelfen, wozu dieselbe ebenso berechtigt, als verpflichtet ist,“ wurde im Hause der Abgeordneten mit großer Majorität angenommen; von 270 Herren stimmten 220 mit Ja, 50 mit Nein, 17 enthielten sich der Abstimmung. Bey der Debatte in der Kammer zeichneten sich übrigens unser Referent Herr Pastor Richter in Mariendorf bey Berlin, gebürtig aus der Gegend von Lauchstädt, mein Freund Schulze, und mein mir von Schulpforte her wohlbekannter Coaetaneus der Oberpfarrer Graefer in Heldrungen durch ihre gediegenen Vorträge auf das Glänzendste aus; dem letzterem stellte nachher das Consistorium in Magdeburg, welches 25 Jahre früher in derselben Sache bey Einführung des Berliner Gesangbuchs, von Schleiermacher redigirt, in liberalstem Sinne zu Gunsten der Gemeinde in Heldrungen sich erklärt hatte, und er diesen Commpromiß nun aufdeckte, die Alternative entweder sein Amt oder sein Mandat niederzulegen; er wählte das Letztere. Das Brandenburger Consistorium verfuhr aber gegen den Pastor Richter, welcher auch manchmal scharf gegen den Cultusminister und die Kirchenbehörden auftrat, nicht so. Den Beschluß des Abgeordneten-Hauses hat die Staatsregierung ignorirt, eine Resolution ist von derselben nicht erfolgt, daher denn auch der Anhang von Superintendent Weinrich bis zum Ende des Jahres 1865, wenn auch nur selten, im Gottesdienste früh und nur beym ersten Liede, niemals aber beym Hauptliede, gebraucht worden ist. Von diesem Zeitpunkt an bis jetzt, Juli 1868, ist er aber, vermuthlich auf höhern Wink, nie wieder in der Kirche in Gebrauch gezogen worden. Viel mochte wohl dazu mit beygetragen haben, daß die bisherigen Mitglieder des Gemeinde-Kirchenrathes endlich des langen, vergeblichen Kampfes mit den Kirchenbehörden satt und müde nach Ablehnung der neuen fast unveränderten Auflage des Anhangs, am 22ten December 1863 sämmtlich ihre Ämter niederlegten, und dies im Kreisblatte bekannt machten. Dem Superintendent Weinrich schien dieser Vorfall, welcher große Sensation erregte, sehr unangenehm zu seyn; nach langer Zögerung wurden endlich am 26ten April 1864 neue Gemeinde-Kirchenräthe gewählt, lauter fügsame Herren, wie sie die Geistlichen wünschen und brauchen können. Die Theilnahme an der Wahl war äußerst gering, daß im Ganzen nur 25 Personen dazu erschienen, welche die Wahl vollzogen; der ganze Act war fast allgemein der Gegenstand des Spottes, denn die Gemeinde hatte deutlich genug ihr Urtheil gesprochen. Unser kirchliches Leben ist nur durch die Schuld der Geistlichen zerstört und leidet an der Auszehrung; es wird schwerlich jemals seine früherer Blüthe wieder erreichen. Das wir bey dem Herrn Cultusminister von Muehler, deßen jüngerer Bruder in den Jahren 1856-60 als Kreisgerichts-Direktor hier angestellt war, kein Gehör fanden, darf uns nicht wundern, denn dieser Mann trat gleich bey der Verhandlung im Abgeordneten –Hause entschieden gegen uns auf, und wollte die ganze Sache durch Uebergang zur Tagesordnung beseitigt wißen, was ihm aber nicht gelang. Unser Referent, der Pastor Richter, welcher ein halbes Jahr später im Hause der Abgeordneten mit dem Referat über eine Petition zweyer Landgemeinden in Westphalen, welchen ihre Geistlichen von den höheren Kirchenbehörden wider Recht und Gesetz aufgedrungen worden beauftragt war, sprach in der 22ten Sitzung am 9ten März 1863 in seiner Rede sich über das gegenwärtige Altensteinsche Cultusministerium also aus: „ Ich bedaure, daß unser Cultusministerium nicht mehr an der Spitze der Cultur in unserem Lande steht, wo es so lange gestanden hat. In früheren Zeiten war das Cultusministerium gewöhnlich einen oder mehrere Schritte voraus vor dem, was Viele im Volke wollten. Da leuchtete auf dieser Höhe das Licht der Aufklärung, es waltete das Streben das Volk vorwärts zu führen. Gegenwärtig müssen wir uns leider in der Lage erkennen, daß das Gegentheil eingetreten ist.“ Zum Schluß noch die Bemerkung, daß unser Streit ein principieller ist, daß es sich um eine wichtige Kirchenrechts-Frage handelt, daß wir nicht nur für das Recht unserer Kirchengemeinde, sondern der ganzen evangelischen Landeskirche streiten, daß dieser Streit eine historische Bedeutung hat, und die Augen von ganz Deutschland auf den Ausgang deßelben gerichtet sind.“
Die Stadt-Armenkasse hat am 30.Januar vom Kreis-Armenfond 200 Rtl., die Gemeinde Grünstraße dagegen 500 Rtl. als Unterstützung für das Jahr 1859 erhalten.
Nachdem am 6.Februar der Ortsschulze und Polizeianwalt Schulze im 64sten Lebensjahre am Gesichtskrebs, woran derselbe 17 Jahre gelitten hatte, gestorben war, wurde am 8ten März des Jahres eine vorläufige Conferenz des Magistrats und der Stadtverordneten mit dem Königl. Landrath Herrn von Rauchhaupt wegen der späteren Vereinigung der Amtsvorstadt Grünstraße und der Stadtgemeinde abgehalten.
Am 19ten April wurde unter der Leitung des Herrn Cantor Thierbach zur Feyer des 300 jährigen Todestages von Melanchthon`s in der Gottesackerkirche Abends 5 Uhr das berühmte Requiem von Mozart aufgeführt. Dasselbe wurde noch einmal am 19.Juli, zur Feyer des 50 jährigen Todestages der Königin Louise von Preußen wiederholt.
Von dem landwirtschaftlichen Verein der Kreise Delitzsch und Bitterfeld wurde am 15ten und 16ten Mai eine Thierschau, sowie Maschinen – und Producten-Ausstellung auf dem Schießplatze abgehalten, die mit 122 Pferden, 104 Stück Rindvieh, 174 hochveredelten Schaafen, 14 Schweinen und eine bedeutende Anzahl Maschinen aller Art, Ackerwerkzeugen und sonstigen Erzeugnissen der Industrie beschickt worden war. Von den 78 mit Prämien und ehrenvoller Auszeichnung bedachten Herren Ausstellern erwähnen wir vorzugsweise folgende: A., bei den Schaafen: Herr Amtmann Pöhring in Güntheritz, Herr Amtmann Schirmer auf Neuhaus und Herr Ober-Amtmann Jäger in Schulpforta, jeder einen silbernen Pokal; B., bei den Pferden: Herr Gutsbesitzer Sachtler in Riesigk (Anhalt), Herr Graf zu Solms auf Roesa und der Gutsbesitzer Remmicke in Kattersnaundorf, jeder einen silbernen Pokal; C.,beim Rindvieh: Herr Amtmann Heising in Wessmar, Herr Ober-Amtsmann Steinkopf in Frussdorf, Herr Amtsmann Lösch in Beerendorf, jeder einen silbernen Pokal; bei den Maschinen: Schmiedemeister Portius in Brodau für Ackerwerkzeuge 40 Rtl. – Uebrigens war die Ausstellung an beiden Tagen, selbst von weit entfernt Wohnenden, sehr besucht; 1,500 Rtl. wurden für 3,000 Stück verkaufte Loose eingenommen und für 1,526 Rtl. Gegenstände zur Verloosung angekauft. Der Berliner Scheffel Weizen kostete am 2.Juni: 2 Rtl 25 Sgr. bis 2 Rtl 27 ½ Sgr. Roggen 2 Rtl. 7 ½ bis 2 Rtl. 8 ¾ Sgr., Gerste 1 Rtl. 22 ½ Sgr.bis 1 Rtl. 25 Sgr., Hafer 1 Rtl. 8 ¾ Sgr. bis 1Rtl. 11 ¼ Sgr. Vor und während der Erndte regnete es öfter, sodaß sich im Roggen viel Mutterkorn bildete, und das Erndteergebniß nur mittelmäßig zu nennen war. Die Getreidepreise waren am 27.October:
Weizen kostete der Berliner Scheffel 3 Rtl bis 3 Rtl. 5 Sgr.
Roggen kostete der Berliner Scheffel 2 Rtl. 2 Sgr. 6Pf. bis 2 Rtl. 5 Sgr.
Gerste kostete der Berliner Scheffel 1 Rtl 20 Sgr. bis 1 Rtl. 22 Sgr.6Pf
Hafer kostete der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6Pf. bis 1 Rtl
Nachdem am 25ten November das letzte Glied der Parreidtschen Familie, die verwittwete Gerichts-Director Parreidt, im 81ten Jahre gestorben war, wurde vom Magistrat beschlossen, die an der Mitternachs-Seite der GottesackerKirche befindliche Kapelle nicht wieder wie bisher einer Familie zum Gebrauch beim Gottesdienst und als Begräbnißgruft zu überlassen, sondern zu einem Leichenhause einzurichten, was mit geringen Kosten geschehen ist. Der Eingang zur Gruft wurde zugewölbt und das nach der Kirche führende Fenster vermauert. Somit ist nunmehr einem längst gehegten Wunsche und einem für unsere Stadt wegen der Zunahme der Bevölkerung dringend gewordenen Bedürfnisse auf das Beste und Vollständigste abgeholfen. Vid.p.397. In Bezug auf die Parreidtsche Familie wird hier noch bemerkt, daß dieselbe seit 1506, mithin 354 Jahren im hiesigen Orte und in demselben Hause existirt hat. Eine für die im October in Ellrich Abgebrannten veranstaltete Haus-Collekte hat in unserer Stadt 41 Rtl.12 Sgr. 6 Pf.eingebracht.
Der Gesundheitszustand war in diesem Jahre befriedigend, die Sterblichkeit nicht bedeutend; epidemische Krankheiten haben nicht geherrscht. Die Zahl der Gestorbenen betrug 191, die der Geborenen dagegen 295, incl. 4 Todtgeburten Uneheliche 34. In den Sommermaonaten kamen, wie gewöhnlich, vereinzelte Fälle von Diarrhoren und Ruhren vor. Nachträglich ist noch zu bemerken, daß in der Nacht zum 29ten Februar ein furchtbarer Orkan aus Westen tobte. (Barometer 27,8.)
Die Brauerschaft verkaufte laut Verhandlung vom 1ten März das ihr gehörige Brauhaus am Markte, das Malz – und Darrhaus nebst Quetschmühle an der Stadtmauer, sowie Gerechtsame an den bisherigen Pächter desselben, Braumeister Gottlob Fritzsche für zusammen 4,500 Rtl. Den erst in neuerer Zeit im Hause erbauten Eiskeller ließ sie in diesem Jahre abbrechen und die daraus gewonnen Steine einzeln verkaufen. Den größten Theil kaufte ebenfalls der p.Fritzsche für 371 Rtl. Die gelösten Gelder wurden unter den Brauberechtigten vertheilt, womit sich die Brauerschaft auflöste.
In diesem Jahre wurden fplgende neue Wohnhäuser erbaut: von dem Maurergesellen Karl Thier und dem Maurergesellen Eduard Thier vor dem Halleschen Thore, von dem Mühlenbesitzer Eduard Hennig in der Leipziger Vorstadt, von dem Pasamentier Eduard Pernitzsch in der Lindenstraße, von dem Kaufmann Friedrich Meißner an der Promenade vor der Pforte, von dem Mühlenbesitzer Kirchhof ein Wohnhaus nebst Windmühle an dem Wege zwischen der Stadt und Werben, von dem Kreisgerichts-Secretär Bölcke an der Leipziger Chaussee, von dem Kaufmann Hennig im Hintergebäude in der Ritterstraße.
Als Lehrer wurden angestellt: Friedrich Andreas Theodor Bader, gebürtig aus Schloß Heldrungen, an der Vorschule an der hohen Töchterschule; Ethikow ???Beyer, gebürtig aus Hässen ???, kam in neu dotirte Stelle an der Vorstadtschule; ferner August Julius Klein, gebürtig aus Harz in Pommern, kam in die Stelle des abgegangenen Lehrers Rückelt an der Vorstadtschule.
An die Stelle des weiterbeförderten katholischen Pfarrers Schröder kam der Caplan Aug. Ad. Baeseler. In den ersten Tagen des December wurde das im Schloße und deßen Bezirke neu gebaute und eingerichtete Zuchthaus eröffnet, und daher von Lichtenburg 300 weibliche Züchtlinge auf der Eisenbahn und sicherer Bedeckung hierher transportiert. Die Kirche dieser Straf-Anstalt wurde am 4ten Advent, den 23ten December, von dem General-Superintendent Dr. Theol. Lehnerdt aus Magdeburg Vormittags um 10 ½ Uhr eingeweihet, zu welcher Feierlichkeit das Kreisgericht, die Geistlichkeit und der Magistrat eingeladen waren. Der Director dieser Anstalt ist der Hauptmann von Valentini, und Geistlicher der Pastor Schulze, vorher in Halle, und Arzt der Kreisphysikus Dr. Kanzler.
1861
Da der Winter sehr streng und hart auftrat, so wurde vom Magistrat zur Linderung der Noth unserer Armen die vor mehreren Jahren eingerichtete Suppen-Anstalt wieder ins Leben gerufen. Aus derselben wurde viermal wöchentlich eine in Fleisch gekochte Suppe an diejenigen Armen verabreicht, welche als besonders bedürftig von der Armen-Verwaltung anerkannt sind. Die Anstalt befand sich wie früher in der Waschküche der Mädchenschule. Da die Mittel zur Unterhaltung der Anstalt nur auf kurze Zeit ausreichend waren, so bat der Magistrat die Einwohner um Beiträge zu diesem edeln Zweck. In Folge davon gingen an milden Beiträgen, an barem Gelde 57 Rtl 20 Sgr. ein und außerdem an Lebensmitteln, Reis, Graupen, Erbsen, Hierse, Kartoffeln in bedeutende Quantitäten. Am 7ten Januar – 14 R. früh.
Die in diesem Winter von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen der Armenkasse der gemachten Geschenke betrugen 42 Rtl. 13 Sgr. 6 Pf. Die für die am 31. October vorigen Jahres in der Stadt Worbis Abgebrannten veranstaltete Collecte betrug 240,25 Sgr.
In diesem Jahr kamen die Dampfmaschine und der Dampfkessel des verunglücktes Braunkohlewerkes, dessen Fortsetzung theils wegen in der Tiefe befindlichen Trübsandes und großen Wassers, theils wegen darauf verwendete und verloren gegangener bedeutender Kapitalien nach dem Beschluß der Stadtverordneten verweigert wurde, zum Verkauf. Der Sängerbund an der Saale, zu welchem auch die hiesige Liedertafel gehört, hielt am 7. und 8.Juli in unserer Stadt ein Gesangfest ab, welches nach allen Seiten hier die größte Befriedigung gewährte. Am Sonntag den 7.Juli, zogen die angekommenen Sänger kurz vor 12 Uhr vom Bahnhof aus in die wahrhaft festlich geschmückte Stadt ein, wo sie auf dem Marktplatz von dem hiesigen Comitè der Liedertafel und Cantorei empfangen und bewillkomnet wurden. Sodann wurden im Graulschen Saale die Quartierbillets vertheilt und die Sänger begaben sich zu ihren Wirthen, wo sie unentgeldlich verpflegt wurden. Nach dem Nachmittags-Gottesdienste fand in der Stadtkirche die Hauptprobe zum Kirchen-Concert und nach dieser die Hauptprobe zum Concert im Freien im Graulschen Saale statt. Montag den 8.Juli fanden sich die Sänger früh 6 Uhr zu einem Morgengruß auf dem Marktplatz zusammen. Um 11 Uhr begann das geistliche Concert in der Stadtkirche. Es kamen zu Aufführung: 1.) 2 Choräle 2.) zwei Orgel-Vorträge, worunter die bekannte G-moll-Fuge von Sebastian Bach, 3.) 2 Arien, eine für Tenor aus „Christus am Oelberge“ von Beethoven und eine für Baß aus „Paulus“ von Mendelssohn; 4.) 4 große Männerchöre 1.“Der Herr ist mein Hirt“, von Löwe??? 2. „Herr, wer kann erheben“, von Klein; 3. „Wo ist, soweit die Schöpfung reicht“, von Neithardt ???, und 4. Hymnes von Tschirch??? Um 3 Uhr Nachmittags begann der festliche Aufzug der sämmtlichen zum Bunde gehörigen Liedertafeln vom Markte aus nach dem Schießplatze, woselbst das weltliche Concert stattfand. In diesem kamen zur Aufführung: 6 Chorlieder, gesungen vom ganzen Bunde; dazwischen 6 Vorträge der einzelnen Liedertafeln. Nach Beendigung des Concerts begannen die Arrangements für das Festessen auf dem Concertplatze, welcher um 7 Uhr seinen Anfang nahm; man trennte sich erst am späten Morgen.
Am 20.August Mittags 12 Uhr starb im 82.ten Jahre, der frühere Bürgermeister, Justizrath August Wilhelm Schulze, welcher früher in Sächsischer Zeit General-Accis-Inspector, sodann seit 1810 Mitglied des Stadtraths und sei Ostern 1819 bis Neujahr 1832 Bürgermeister unserer Stadt war. Er war Verwalter mehrerer Patrimonialgerichte und legte dieses letztere Amt nach Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 wegen Altersschwäche und Schwerhörigkeit nieder. Er hat 40 Jahre lang in Delitzsch eine große Rolle gespielt, war eine imponirende Persönlichkeit, dazu Redner und genoß als obrigkeitliche Person wegen seiner Energie und richtigem Tact ??? eines sehr hohen Ansehens wie wenige Beamte.
In diesem Jahre wurde die Separation der hiesigen Stadtflur, welche der Landes-Oeconomie-Rath Wernicke zu Eilenburg geführt hat, beendet. Die ausgewiesenen Planstücke wurden nach der Ernte in diesem Jahre den Feldbesitzern überwiesen. Die Plan-Abfindung für die Hütung wurden den Hausbesitzern am 22ten October durch den Conducteur Zanthier übergeben.
Die Getreidepreise waren in diesem Jahre:
Am 27.April.
Der Berliner Scheffel
Weizen 2 Rtl 25 Sgr. bis 2 Rtl. 27 ½Sgr.
Roggen 1 Rtl.26 ¼ Sgr. 1 Rtl. 28 ¾Sgr.
Gerste 1 Rtl.15 Sgr. 1 Rtl. 16 ½Sgr.
Hafer 26 ¼ Sgr 1 Rtl. 1 ¾Sgr.
Am 12. October
Weizen 3 Rtl. 1 ¼Sgr. bis 3 Rtl. 5 Sgr.
Roggen 2. Rtl 2 ½Sgr. 2 Rtl. 5 Sgr.
Gerste 1 Rtl 15Sgr. 1 Rtl 17 ½Sgr.
Hafer 25Sgr. 27 ½Sgr.
Die hiesige jüdische Gemeinde kaufte am 10/8 von der Stadt-Commun im Rosenthale(im Hain) ein Stück Feld von 71 Quadrat-Ruten für 106 ½Rtl. zu einem Friedhofe, den sie im Juni mit Mauerwerk und Stacket einfriedigen ließ. In diesem Jahr ließ man durch den Berliner Groß-Uhren-Fabrikant Colditz eine neue Thurmuhr für die hiesige Stadtkirche anfertigen.Die Aufstellung geschah im Laufe dieses Sommers durch den Anfertiger ????selbst; es kostete die Uhr mit neuem Ziffernblatt, incl. Aufstellung 375Rtl.
Die Königl.Strafanstalt tauschte in diesem Jahre ein Stück Feld hinter Kühnes Garten im Hain gegen Überlassung eines Stücks vom Schloßgarten von Kaufmann Tiemann sen. ein, richtete dasselbe zu einem Begräbnißplatz ein und umfriedigte es mit einem Stacket.
Am 25.Mai dieses Jahres verkaufte die Stadt-Commun die ihr gehörigen Häuser: 1.) das Armenhause am Galgthore, an den Müllermeister Große für 1,200 Rtl; 2.) des frühern Pforten-Einnehmer-Hauses an August Jahn für 916Rtl.und 3.)des Hirtenhauses an den Sattlermeister Meyerhofer für 600Rtl.
In diesem Jahre wurde das neue Armen– und Krankenhaus an die Stelle des bereits im vorigen Jahre abgebrochenen Schaafstalles im früheren Oeconomie-Gute erbaut und eingerichtet. Die Kosten betrugen 1,350Rtl.
Der Gottesacker wurde nach dem früheren Oeconomie-Gut hin erweitert, wo durch den Abbruch von Stallgebäuden Raum gewonnen worden war; auch kaufte die Stadt-Commun von dem Gürtlermeister, Gottfried August Krause ein Stück Garten(ein früherer Scheunenfleck) für 400 Rtl. zur Vergrößerung des Gottesackers. Die ganze Erweiterung von Arndts Grenze bis an den Schäfergraben wurde mit einer massiven Mauer umgeben, welche 1,087 Rtl 9 Sgr. 9 Pf. Kostete.
Zum Krönungsgeschenk (zu einem Kanonenbot), was die Provinz Sachsen aus Anlaß der Krönung Wilhelm I. demselben überreicht, hat die Stadt-Commun Delitzsch 500 Rtl gegeben.
Bei der am 3ten December vorgenommenen Volkszählung hatte die Stadt Delitzsch 5337 Einwohner (1858: 4885 Einwohner), und zwar: 5197 Evangelische, 65 Katholische, 20 Dissidenten und 55 Juden. Die Grünstraße hatte 1623 Einwohner, beide Gemeinden zusammen also 6960 Einwohner.
In diesem Jahre wurde durch die Bemühungen und unter der Leitung des Kaufmann und Oeconom Friedrich August Rathmann die Turm-Feuerwehr eingerichtet. Dem Genannten wurde später die Direction des ganzen städtischen Feuerlöschwehres übertragen.
Gleich zu Anfang dieses Jahres veranlaßte die Stadtverordneten-Versammlung den Magistrat, die seit Johannis 1858 eingezogene erste Knabenklaße der zweiten Bürgerschule, welche bis dahin der Rector Barthel als Ordinarius hatte, wegen Ueberfüllung der anderen vier Knabenklaßen wiederherzustellen. Da man für dieselben keinen Literaten, nur einen tüchtigen Volksschullehrer für nöthig hielt, so wurde auf besondere Empfehlung des Rector Giesel der frühere erste Lehrer der hiesigen Vorstadtschule, jetzige Ordinarius der zweiten Klaße zweiter Bürgerschule, Johann Christ.Jost zu dieser Stelle vom Magistrat berufen, und übernahm dieses Amt als Ordinarius der nunmehr wiederhergestellten ersten Klaße zu Ostern dieses Jahres. Er wurde mit 300 Rtl fixem und fester freier Wohnung angestellt.
Nachdem im November 1860 der Orgelbaumeister Geissler in Eilenburg eine alte, aber noch ziemlich brauchbare Orgel aus der abgebrochenen Dorfkirche zu Hohenrode einstweilen zur Leitung des Gesanges in der hiesigen Zuchthauskirche aufgestellt hatte, baute derselbe Meister eine neue für die letztgenannte Kirche, deren Aufstellung aber im März 1862 erfolgte. Dieselbe hat 11 klingende Stimmen, 9 im Manual und 2 im Pedal, wurde zu Anfang des April vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg übernommen und für gut und tüchtig befunden.
Am 2ten Julius erschien Abends zuerst über der Deichsel des großen Bären und dann Westen gehend ein in seiner Erscheinung, Lichtglanz und Größe nicht sehr auffallender Comet, und war nur etwa vierzehn Abende sichtbar.
In diesem Jahr wurden folgende neue Wohnhäuser gebaut: von dem Zimmer-gesellen David Laue und dem Handarbeiter Wilhelm Dietze in der Leipziger Vorstadt, von dem früherem Gutsbesitzer Remmicke aus Kattersnaundorf am Kohlthor, von dem Rechts-Anwalt Weiße in der Leipziger Vorstadt. Außerdem bauten zu einem Wohnhause um: der Kalkfuhrmann Frey das von dem Braumeister Fritzsche erkaufte Malzdarren-Gebäude an der Stadtmauer, der Strumpffabrikant F.W.Pabst einen Schuppen in der Mauergasse, und der Mühlenbesitzer Große das frühere Armenhaus am Galgthore zu einem Wohnhause. Der Schmiedemeister Haase vor dem Breiten Thore erbaute neben seinem Wohnhause ein neues als Wohnhaus dienendes Seitengebääude. An die Stelle des abgetragenen Brauhauses am Markte, welches ein Knecht aus Brodau namens Robitzsch von dem Braumeister Fritzsche erkauft hatte, erbaute der pp. Robitzsch ein schönes 3 stöckiges Wohnhaus.
An die Stelle der abgegangenen Kirchen-Vorsteher Kretzschmer und A.Weidenhammer wählte der Magistrat als Kirchen-Patron den Kaufmann J.S.Schumann und den Gastwirt A.Schaaf, und wurden am 31ten December des Jahres in ihr Amt eingewiesen, sowie dem Ersteren die Rendantur der Kirchenkasse speciell übertragen.
Aus dem Kreis – und Armenfonds erhielt die Stadt 250 Rtl. und die Grünstraße 400 Rtl. Auch in diesem Jahre war derselbe günstig; im Frühjahr kamen besonders Durchfälle, und Halsentzündungen, und im Herbst Lungenentzündungen zur Behandlung. Die Zahl der Gestorbenen betrug 194, die der Geborenen 305, incl. 10 Todtgeborne. Uneheliche 42.
Im Frühjahr trat der Königl. Fiscus das Stück fiscalische Straße vom Gasthof „zur grünen Linde“ bis an den Bahnhof auf den Wunsch der städtischen Behörden an die Stadtcommun Delitzsch unter der Bedingung ab, nachdem es noch der Fiscus hatte chaussiren lassen, in dem übergebenen guten Zustande fortzuerhalten. Die Stadtcommun ließ die zu beiden Seiten der Straße stehenden Sauerkirsch-Bäume umhauen um an diese Stelle Platanen und an dem Fußwege an Gleitsmann`s Kunstgärtnerei rothblühende Kastanien anpflanzen. Dieses Stück Straße erhielt später den Namen „Lindenstraße“.
1862
In diesem Jahr wurde wiederholt der mehrmals fehlgeschlagene Versuch gemacht mit dem Sonnabends-Wochenmarkte einen Getreide-Markt zu verbinden und damit Sonnabend den 1ten Februar den Anfang gemacht.
Am 29.ten März verließ der Kreisrichter a.D. Hermann Schulze, welcher seit dem Jahr 1841 bis 1849 hier als Patrimonialrichter fungirte und später den hiesigern Kreis als Landtags-Abgeordneter vertreten hatte, seine Vaterstadt Delitzsch , um nach Potsdam überzusiedeln. Ihm zu Ehren wurde am 23ten März im Saale des Gasthofes „zum goldenen Ring“ des Abends ein großes sehr besuchtes Abschiedsfest veranstaltet, wobei ihm von seinen zahlreichen Freunden und Verehrern eine große silberne Punsch-Bowle im Werthe von circa 400 Rtl., sowie ein schöner Schreibsecretär von Mahagoni zum Andenken verehrt wurden. – Derselbe ist am 29ten August 1808 hierselbst geboren, besuchte die Nicolaischule in Leipzig und später die Universität daselbst.
Am Grünen Donnerstage, den 17.ten April Nachmittags 5 Uhr fand die Aufführung des vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg componirten Oratoriums: „Winfried und die heilige Eiche bei Geißmar“ in der Gottesackerkirche von der Cantorei statt.
Am 2ten Osterfeyertage, den 21ten April hielt der zum Superintendent und Oberpfarrer nach Sangerhausen berufene Archidiaconus Dr. Burkhardt seine Abschieds-Predigt.
In diesem Jahre, 26ten April, wurde, da sich im vorigen Jahre kein Käufer gefunden hatte, die der Stadtcommun gehörige Braunkohlen-Grube mit allem übrigen Zubehör wiederholt zum Verkauf aus freier Hand behufs des Fortbetriebs ausgeboten und als sich lange kein Käufer fand, wurde der Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel beschlossen.
Der bisherige Diaconus Scharr wurde am 3ten post Trin.den 6ten Juli als Archidiaconus eingeführt.
Am 4ten Juli starb der hiesige practische Arzt , Dr.med.Ernst Ludwig Pfotenhauer, welcher vom 1.October 1850 bis Ende 1855 zugleich unbesoldeter Magistrats-Assessor war, 43 Jahre alt an Lähmung.
Dem Oebster Fischer wurde das Obst von der Pflaumen-Plantage im Hain für das Gebot von 20 ½ Rtl. für diese Jahr überlassen.
Der Baumeister Gebauer in Berlin wurde zum Königl.Kreisbaumeister ernannt und demselbigen die hiesige Kreisbaumeister-Stelle verliehen.
Der in diesem Jahre in der Nähe der Elberitzmühle eingerichtete Bade-Teich hat am Sonntage, dem 3ten August, ein Opfer gefordert. Mehrere Knaben, darunter der 9jährige Sohn des Handarbeiters Paatz in der Grünstraße badeten in dem nur für Erwachsene hergerichten Teiche. Der Genannte gerieth dabei wahrscheinlich in eine etwas tiefere Stelle und war, ehe Hülfe herbeigeholt werden konnte, bereits ertrunken. – Desgleichen fiel am 1ten August gegen Mittag der 2 ½ jährige Sohn des Bahnarbeiters Nitzsche in der Grünstraße aus dem zweiten Stock, mit dem Kopfe zuerst auf die gepflasterte Straße herab und ist glücklicherweise gar nicht beschädigt worden.
Die der früheren (der alten) Gottesackerkirche gehörig gewesene Glocke des Breiten Thurmes hatte schon seit langen Zeiten einen Großen von oben nach unten gehenden Riß, neben welchem neuerdings ein zweiter ringsum gehender Riß entdeckt wurde, wodurch schon seit langer Zeit der Klang derselben sehr dumpf war. In Rücksicht besonders auf die nach dem letzten Riß daraus leicht entstehende Gefahr für die umstehenden Gebäude wurde der Anschlag an die Glocke seit Anfang August ganz eingestellt, und der Guß einer neuen von den städtischen Behörden beschlossen. Am 5ten December Nachmittags 3 Uhr ward die alte Glocke auf dem Thurme von dem Glockengießer Jauck aus Leipzig geschlagen und die Stücke einzeln vom Thurm nach dem Zwinger heruntergeworfen; sie wog 18 Zentner. Die neue Glocke, welche 12 Zentner, 26 Pfund wiegt, wurde am 30ten December Mittags punkt 12 Uhr bei mildem Wetter auf den Thurm gezogen, und vom 6ten Januar 1863 an in Gebrauch genommen. Die sehr gute, auf dem Bruche silbrig weiß glänzende Masse der alten ist nur zum Theil mit zur neuen verwendet worden, weil Jauck gleichzeitig mit derselben noch 5 andere Glocken gegossen hat; übrigens nahm Jauck den Zentner von der alten für 34 Rtl an und zahlte noch 7 Rtl auf die Totalsumme heraus, mithin hat die neue Glocke 605 Rtl gekostet. Die übrigen Kosten betrugen 91 Rtl 12 Sgr. 6 Pf.
Die Fischerei im Stadtgraben wurde an den bisherigen Pächter Sattlermeister Christian Ronniger, für jährlich 40 Rtl. auf weitere 12 Jahre verpachtet.
Des Königs Majistät haben mittels Erlasses vom 2ten August dieses Jahres die Vereinigung des ländlichen Gemeinde-Bezirks Grünstraße mit der Stadtgemeinde Delitzsch zu genehmigen geruht. – Die Vereinigung selbst hat am 15ten October factisch stattgefunden. Die Stadtcommun verkaufte am 10ten März das ihr gehörige Galgthorhaus, welches bisher als Todtengräber – Wohnung gedient hatte, zum Abbruch an den Gasdtwirt Zeidler für 80 Rtl.
Vom Glockengießer Jauck in Leipzig wurde eine neue Saug-und Schlauch –Spritze mit 150 Ellen Schlauch von der Commun für den Preis von 335 Rtl zum Gebrauch für die Turm-Feuerwehr angekauft, wozu die Aachener-und Münchner Feuerversicherungs-Gesellschaft als Geschenk 150 Rtl beitrug. Bei dem am 28ten August Abends zwischen 8 und 9 Uhr im benachbarten Dorfe Schenkenberg entstandenen nicht unbedeutenden Feuer hat unsere Turme-Feuerwehr durch ihre muthige und geübte Thätigkeit mit dem Gebrauch der eben erwähnten vortrefflichen Spritze ausgezeichnete Dienste geleistet, und dafür durch unsern Herrn Landrath von Rauchhaupt eine Belohnung von 10 Rtl. erhalten – Die Turme-Feuerwehr besteht zur Zeit aus 3 Abtheilungen (110 Mann); die Spritzen-Compagnie 70 Mann; die Pionier-Abtheilung 20 Mann und die Rettungs-Compagnie 20 Mann; außerdem 8 Signalisten.
Die Getreidepreise waren in diesen Jahren:
am 5ten April
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
Roggen 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. 2 Rtl
Gerste 1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 26 Sgr. 3 Pf. 28Sgr. 9 Pf.
am 27ten September
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
Roggen 2 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. 2 Rtl. 10 Sgr.
Gerste 1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 26 Sgr. 3 Pf. 28 Sgr. 9 Pf.
In diesem Jahre wurden von folgenden Einwohnern neue Wohnhäuser gebaut: vom Productenhändler G.Lehn ???(Bahnhofsstraße); vom Cigarrenfabrikant Schellenberg(Lindenstraße); vom Kreissecretär Julitz, Zimmermann Gottlieb Dietze, Zimmermeister Felix (vis a vis Schleicher) Cigarrenmacher Schmidt, - in der Leipziger Vorstadt; vom Schnittwarenhändler Beyer ein Hintergebäude in der Ritterstraße; vom Kunst-und Handelgärtner Porsch vor den Halleschen Scheunen; vom Fleischermeister Hohenstein in der Zscherne und vom Kaufmann L.Dittmar eine Ziegelei am Schenkenberger Wege.
General-Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Delitzsch auf das Jahr 1862:
In Bezug auf die in diesem Verwaltungs-Bericht hub „III B. Paßiv-Vermögen“ gemachten Mittheilungen ist noch zu bemerken, daß dadurch ein heftiger Conflikt zwischen dem Bürgermeister Hagedorn und den Stadtverordneten entbrannte, weil der Erstere eine Summe von 3000 Rtl ohne die Bewilligung der Letzteren eigenmächtig aus der Kämmereikaße entnommen hatte. Diese Sache, welche auch in unserm Kreisblatte zur Kenntniß des Publikums kam, wurde die Veranlaßung, daß die Stadtverordneten wegen ihres schwer verletzten guten Rechtes den pp.Hagedorn bey der Königl. Regierung in Merseburg verklagten. Hierauf beauftragte diese den Hl. Landrath von Rauchhaupt mit der Untersuchung dieser Streitsache, wo dann der pp. Hagedorn seine Uebergriffe beschämt zugestand, und mithin eine gewaltige Niederlage erlitt.
Der schon im vorigen Jahre erwähnte Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel von der Braunkohlen-Grube kam erst in diesem Jahre zur Ausführung, nachdem die K.Regierung den Verkauf genehmigt hatte. Die Herren Rühle und Beschnidt kauften beide zusammen für 2,250 Rtl.
Der Diaconus Scharr hielt Sonntag den 23ten November seine Abschieds-Predigt und ging als Pfarrer nach Werbelin.
In diesem Jahre wurden 323 Kinder geboren, worunter 5 Todtgeboren und 39 Uneheliche, und es starben 179 Personen.
Die Zahl der Wohnhäuser beträgt nunmehr, nachdem die Gemeinde Grünstraße zur Stadt gekommen ist, 619, und erfolgte eine neue Nummerierung sämmtlicher Häuser.
Die in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften an die Armenkaße gemachten Geschenke betrugen 34 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf. Außerdem wurden in diesem Winter vom Herrn Gastwirt Schaaf 20 und vom Herrn Gastwirt Roessler 15 arme Familien mit warmen Mittagsessen erfreut.
Zur Vervollständigung der Feuerlösch-Anstalten wurde für die neu errichtete und uniformirte Turner-Feuerwehr auch ein sehr dauerhaft gebauter Requisiten-Wagen mit den nöthigen Rettungsgeräten, eisernen Leitern, Haken u.s.w.angeschafft; der erstere kostete 50 Rtl. die letzteren 65 Rtl.
Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt und Grünstraße für dieses Jahr 400 Rtl. Die reinen Gewinn-Ueberschüsse betrugen im abgelaufenen Jahre 8,809 Rtl 26 Sgr. 7 Pf.
An die Stelle des zu Ostern abgegangenen Candidaten Dr. phil Rosendahl trat als Lehrer der neueren Sprachen der bisherige Lehrer an der höhern Bürgerschule zu Lüdenscheid Christian Heinrich Ludwig Kayser zu Johannis dieses Amt an. Er erhielt 600 Rtl Gehalt.
Der zu Anfang dieses Jahres versuchsweise wieder hier eingerichtete Getreidemarkt ist auch diesmal noch vor Ende des Jahres wieder eingegangen.
Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt ist auch das durch Testament vom 13ten August 1857 vom Strumpffabrikant Theile ausgesetzte Legat von 500 Rtl, wovon die Zinsen unter die Armen der Grünstraße vertheilt werden sollen, und die Stadt mit übergegangen, ebenso auch die Wendlersche.
1863
Die Kohlenwerks-Gebäude wurden an den Buchbinder Rühle in Bitterfeld im Februar für 910 Rtl. verkauft. Am 20ten Januar tobte ein heftiger N.W. Gewittersturm, während deßen das niedrige Barometer plötzlich stieg Der bisherige unbesoldete Magistrats-Assessor, Dr. med.Gerber, war von Neuem wieder auf 6 Jahre, vom 15ten December vorigen Jahres ab, gewählt und von der Königl. Regierung bestätigt worden. Das bisherige Gemeindehaus in der Grünstraße wurde als nunmehr überflüssig, an den Handarbeiter Thieme für das Meistgebot von 242 Rtl. überlassen.
Am 15ten October 1862 ward bekanntlich die bisherige Amtsvorstadt Grünstraße mit der Stadt vereinigt, wodurch natürlich der Wirkungskreis des Verfaßers dieser Zeilen als Stadt – Armen – Arzt wegen der Hinzufügung dieser größten Theils armen, mindestens 1600 Einwohner zählenden Gemeinde bedeutend vergrößert wurde; meine bisherige ohnehin geringe Besoldung von 25 Rtl., für welche ich jährlich durchschnittlich 50 Kranke zu behandeln hatte, mußt daher selbstverständlich erhöhet werden, ebenso auch die 11 Rtl. betragende Besoldung des Herrn Wundarztes Rathmann, welcher seit 6 Jahren die Stelle des Stadtwundarztes verwaltete. Wir beyde wurden nun im November 1862 deshalb auf dem Rathhause um unsre Ansicht vom Bürgermeister Hagedorn befragt, und gaben demselben die Erklärung zu Protokoll, daß wir eine Verdoppelung unserer Besoldung beantragten. Zugleich bat ich noch wegen der oft im Krankenhause zur Behandlung kommenden Fremden, für welche ich während meiner fünfzehnjährigen Amtswirksamkeit als Stadt-Armen-Arzt niemals etwas erhalten hatte, um eine kleine, gewiß sehr billige Zulage von 5 Rtl. In der Armen-Deputation, wo diese Sache den 21ten November zur Begutachtung kam, wurden aber, wie ich nachher erfuhr, für den Stadt-Armen-Arzt 15 Rtl. und für den Stadtwundarzt 5 Rtl. Zulage für genügend erachtet. Als dies hörte, gab ich am 5ten December dem Bürgermeister Hagedorn meine letzte Erklärung zu Protokoll mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß ich zwar auf die 5 Rtl. Gehalts-Zulage wegen der Fremden verzichten wollte, dagegen aber, wenn man mir die Erhöhung meiner bisherigen Besoldung auf 50 Rtl nicht bewilligte, dieses Amt am 31ten Maerz 1863 unbedingt niederlegen würde; auch Herr Wundarzt Rathmann erklärte mit 20 Rtl. zufrieden gestellt zu seyn, im Falle der Nichtbewilligung aber die Stadtwundarzt-Stelle ebenfalls niederzulegen. Die Stadtverordneten, bey denen diese unerquickliche Angelegenheit nunmehr zur Entscheidung kam, bewilligten in richtiger Erkenntniß der Verhältniße einstimmig unsere Forderungen und zwar gleich vom Beginn des neuen Jahres an. Dies meldete uns der Magistrat den 31ten December 1862 Vormittags, worauf wir nun diese Sache für erledigt hielten, als wir plötzlich an demselben Tage Nachmittags noch ein zweites Schreiben vom Magistrat erhielten, in welchem er uns die Stellen kündigte.
Da dieser Gegenstand nunmehr auch zur Besprechung im Delitzscher Kreisblatt No.7 und 8 kam, erklärte der Magistrat, daß er den Vorschlag der Armen-Deputation in Betreff der Gehalts-Bestimmungen beygetreten sey, ebenso auch den Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung, welche die von uns erwünschte Erhöhung bewilligte, genehmigt habe, mit diesen Gehalts-Verhältnißen die an mich und an Herrn pp. Rathmann erlassene Kündigung nicht in Verbindung zu bringen sey. Später wurde nun vom Magistrat beschloßen, daß am städtischen Krankenhause in allen Fällen ein besonderer Arzt, der auch zur chirurgischen Praxis befähigt ist, angestellt werden sollte; was für ein Grund den Magistrat zu diesem Beschluß bewogen haben mag, wißen wir nicht, aber das wißen wir und ist allgemein bekannt, daß unsere Stadt an dem nunmehr seit 3 ½ jahren verewigten Rathmann einen vortrefflichen praktischen Wundarzt und Geburtshelfer beseßen hat, welcher in diesen beyden Branchen der Heilkunst in einem langen Zeitraum
Von 40 Jahren hier im Orte und deßen weitem Umkreise höchst segensreich gewirkt hat. Diesem achtungswerthen Manne wurde die Stadtwundarzt-Stelle gar nicht wieder angeboten; er sahe sie bey seinem hohen Wohlstande ohnehin nur als ein Ehrenamt an, deßen er nicht bedurfte, war aber deßen ungeachtet ebenso wie ich bereit unter der oben erwähnten Bedingung der angemeßenen Gehalts-Erhöhung das Amt beyzubehalten. Mir wurde zwar die Stadt-Armen-Arzt-Stelle wieder den 20ten Maerz angeboten, aber mit der Bemerkung, daß die Vereinigung derselben mit der Stelle des Arztes am Krankenhause vor der Hand unterbleiben solle, wenn ich bereit wäre, dieselbe gegen ein Fixum von 40 Rtl.jährlich wieder zu übernehmen. Auf solche Bedingungen konnte ich natürlich, zumal da auch das Krankenhaus einem anderen Arzt übergeben wurde, als Mann von Ehre nicht eingehen, da ich mein gegebenes Wort niemals breche, und antwortete dem Magistrat sofort am 21ten Maerz, daß ich das Amt des Stadt-Armen-Arztes, welches ich seit dem 16ten Maerz 1848 verwaltet hatte, niemals wieder aufnehmen, vielmehr treu meiner abgegeben Erkärung daßelbe am 31ten des Monats niederlegen würde. Einen solchen Ausgang dieser Sache hatte ich allerdings um so weniger erwartet, weil ich trotz der in den Jahren 1849, 1853 und 1857 in Folge von Cholera – Masern- und Nerverfieber-Epidemien sehr gestiegenen Krankenzahl doch niemals um eine Gratification oder Zulage gebeten hatte, und weil der Magistrat im Kreisblatte in einer Berichtigung noch am 24ten Januar erklärte, daß die erlaßene Kündigung eine neue Vereinbarung mit mir und Herrn pp.Rathmann nach Maaßgabe der über den künftigen Umfang der Arztstellen zu treffenden Feststellungen nicht ausschließe, und daß es der Wunsch und das Bestreben des Magistrats seyn würde, unsere beyderseitigen Verdienste, welche wir uns zeither um die städtische Armen-Krankenpflege erworben, dabey zu berücksichtigen. Auf meine Antwort an den Magistrat vom 21ten Maerz, in welchem ich ihm die Niederlegung der Stadt-Armen-Arzt-Stelle meldete, erhielt ich von Demselben ein vom Bürgermeister Hagedorn verfaßtes Dankschreiben folgenden Innhalts: „Ew. Wohlgeboren Entschluß, den Sie uns auf unseren Antrag vom 20ten des Monats durch die gefällige Erwiederung vom 21ten des Monats mitgetheilt haben, hat uns um so mehr mit Bedauern erfüllt, als wir einerseits glaubten, Ihnen mit jenem Antrage die Anerkennung ausgedrückt zu haben, welche wir durch Ihre eifrige und gewißenhafte Erfüllung Ihrer Berufspflichten als städtischer Armen-Arzt zu empfinden verpflichtet sind, und als wir anderseits die Ueberzeugung haben durften, daß nach Wegfall derjenigen Krankenbehandlung, welche welche dem Stadt-Armen-Arzte zeither zugleich im Krankenhaus oblag, - aus der Verpflichtung deßelben, - das normirte Gehalts-Fixum für ein angemeßenes zu halten sey. Wenn wir uns nun Ihrem Entschluße fügen müßen, so können wir dies nicht anders, als indem wir mit dem Bedauern deßelben Ihnen zugleich unseern wärmsten Dank für die Dienste aussprechen, welche Sie der städtischen Armen - und Krankenpflege geleistet haben; möge Sie, was Menschen nicht können, Gott dafür lohnen durch Erhaltung des besten der Erdengüter, die Gesundheit!
Delitzsch den 23ten Maerz 1863 Der Magistrat“
Es wurden nunmehr beyde Stellen, sowohl die des Stadt-Armen-Arztes mit der bisherigen Verpflichtung deßelben im städtischen Krankenhause die Kranken zu behandeln, als auch die des Stadtwund-Arztes miteinander vereinigt, und die Verwaltung derselben dem praktischen Arzte und Wundarzte Dr. Laue am 1ten April übergeben. Derselbe ist ein naher Verwandter des Bürgermeister Hagedorn und des Magistrats-Aßeßor Dr.Gerber, erst seit fünf Jahren im hiesigen Orte ansäßig, und mit den vom Magistrat normirten Fixis für beyde Stellen von 40 respective 16 Rtl. befriedigt. Ob aber bey einem solchen Verfahren, wo dergleichen ohnehin gering besoldete communal-ärztliche Stellen gleichsam an den Mindestfordernden vergeben werden, die Ehre, und die Achtung des ärztlichen Standes und die Würde der erhabenen Wissenschaft leiden oder nicht, diese Frage mag jeder Unbefangene sich selbst beantworten.Bey dieser Gelegenheit habe ich zugleich hinlänglich erfahren, was es für eine Bewandniß hat mit den Dankes-Versicherungen des Bürgermeister Hagedorn und den Beweisen der Fortdauer seiner freundschaftlichen Gesinnung gegen mich, welche derselbe in seinem oben (vid.pag.330) erwähnten Briefe ausspricht. Auf schöne Worte habe ich niemals Werth gelegt, sondern blos auf die That; wer in diesem Falle die Sachlage nicht genau kennt, könnte vielleicht mich und den seligen Rathmann falsch beurtheilen; aber unsere beyderseitige vierzigjährige Amts-wirksamkeit, so wie auch die öffentliche Meinung, die wir niemals scheueten, hat uns völlig gerechtfertigt. Noch muß ich bemerken, daß die neue Krankenhaus-Ordnung, welche vom Dr. Gerber nach dem Muster der Magdeburger angefertigt war, von der Stadtverordneten-Versammlung in ihrer Sitzung am 27ten Maerz mit Recht einstimmig abgelehnt worden ist, weil dießelbe für die Bedürfniße der Stadt Delitzsch jedenfalls zu großartig und zu kostspielig wär, indem zur Einrichtung mindestens 12 Zimmer und 26 Betten nöthig wären.
Aus den sämmtlichen Magistrats-Vorlagen sey gar nicht zu ersehen, warum derselbe die Umgestaltung wünsche, und überhaupt gar nicht begründet, daß eine so umfaßende Organisation nothwendig ist, zumal da jetzt so viele Krankenkaßen hier bestehen, und überdies die hiesige Bevölkerung, aus fast nur ansäßigen oder hierher gehörigen Personen bestände, welche im Falle einer Krankheit doch gern bey der Ihrigen bleiben würden. Es wurde daher der jetzige Zustand, welcher sich seit Michäelis 1849 (vid.pag.147) als gut und ausreichend bewährt hatte, in seinem bisherigen Umfange auch im neuen, seit Ostern 1862 bezogenen Krankenhause, beybehalten, wobey noch immer vier Zimmer für unvorhergesehene Fälle disponibel blieben. Endlich muß ich noch erwähnen, daß alle meine Amtsvorgänger seit 1676 auf Lebenszeit angestellt waren, welches Anerbieten mir der selige Bürgermeister Securius auch machte; ich lehnte es aber aus dem einfachen Grunde ab, um mich nicht abhängig zu machen, daher es auch in meiner Bestallung heißt: „Ihrem Wunsche gemäß bleibt beyden Theilen ein vierteljährige Kündigung vorbehalten, ohne daß dafür ein besonderer Grund angeführt zu werden braucht. Wir beyde, der selige Rathmann und ich schieden aus unsern Aemtern mit dem erhebenden Bewußtsein treu erfüllter Berufspflichten.
Dem Armenkassen-Rendanten Thaerigen jun., welcher dieses Amt erst seit sechs Jahren verwaltet; ist sein Gehalt von 50 Rtl auf 60 Rtl erhöhet, und demselben noch außerdem eine persönliche jährliche Zulage von 20 Rtl. vom 1ten Januar an gewährt worden. Der Magistrat erhielt im Monat Maerz von der Königl. regierung zu Merseburg die Benachrichtigung, daß sie ihre Hauptkaße angewiesen habe für die Polizey-Verwaltung der früheren Amts-Vorstadt Grünstraße jährlich 120 Rtl. an die Stadt Delitzsch zu zahlen.
Seine Majistät der König haben die Kreisrichter Patzschke und Richter zu Kreisgerichts Räthen ernannt und den Rechtsanwalt und Notar Haßert den Charakter des Justiz-Rath verliehen. Am 1ten post Trini. (7.Juni) wurden die beiden Geistlichen, Archidiaconus Gödicke und Diaconus Hoffmann, zu Ende des Frühgottes-Dienstes vom Superintendenten Weinrich in ihre Aemter eingeführt. Der Erstere hielt Vormittags, und der Zweite hielt Nachmittags seine Antritts-Predigt.
Nachdem das Kohlenwerk verkauft war, legte nunmehr der Magistrat den Stadtverordneten einen neuen Tilgungsplan der Communalschulden vor, wonach dießelben (40,000 Rtl) in ca 30 jahren durch 4% Zinszahlung und 2% Amortisationquantum mit Hinzurechnung der Zinseszinsen getilgt werden. Dieser Tilgungsplan wurde von der Stadtverordneten-Versammlung genehmigt und von der Königl. Regierung bestätigt. Das Kapital der 40,000 Rtl wurde aus der Sparkasse geliehen. Die Hospital-Inspection kaufte im Januar vom Maurermeister Friedrich Meiedie demselben gehörige Wiese im Schloßgraben, an dem Hospitalgarten angrenzend, für 1,000 Rtl. Der Kauf wurde am 26ten Februar vor dem Notar Stephan abgeschloßen und das Kaufgeld an demselben Tage gezahlt.
Mittwoch den 3ten Juni Abend gegen ½ 6 Uhr reiste Seine Königl. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen auf einer Militair-Inspections-Reise von Halle per Extra-Post hier durch, ließ auf dem Markte, wo frische Pferde vorgelegt wurden, anhalten und reiste nach Torgau weiter.
Die Leipziger Thor-Brücke wurde mit einem Aufwand von 91 Rtl. 11 Sgr. 4 Pf. neu umgebaut. Die Pflaumen-Plantagen im Rosenthal wurden an den Oebster Schneider für 35 Rtl. verpachtet. Die Stadtverordneten erkärten sich dem Magistrat dafür einverstanden, daß von Neujahr 1864 ab die Zahl der Gemeinde-Vertreter auf 18 und die der unbesoldeten Magistrats-Assessoren auf 3 erhöht würde.
Der Pacht mit dem bisherigen Stättegeld- und Pflastergeleits-Pächter Kreisel wurde auf ferner 3 Jahre ( vom Jahr 1864 ab) prolongirt. Derselbe zahlt an Pächten: für das Pflastergeleits 255 Rtl., für die Wochenmärkte 180 Rtl., für die Jahrmärkte 56 Rtl. und für die Viehmärkte 19 Rtl., alle zusammen 510 Rtl.
Am 7ten October starb der practische Arzt Dr. med.Gerber, 67 Jahr alt. Derselbe war bereits seit Ostern 1826 bis Neujahr 1832 und dann wieder vom jahr 1851 ab bis zu seinem Todte unbesoldeter Magistrats-Assessor. Derselbe hat sich um die Verschönerung der Anlagen um die Stadt sehr verdient gemacht und vermachte der Stadt durch Testament 1,000 Rtl mit der Bestimmung, daß die Zinsen davon zur Erhaltung der Simon-Kühne-Gerberschen Gräber und dann zur Verschönerung der Anlagen um die Stadt und des Gottesackers verwendet werden sollen.
Mit dem 1ten November wurde, um die hiesige höhere Knabenschule in eine Realschule umzugestalten, im Anschluß an die bereits bestehenden 4 Realklassen die Real-Secunda errichtet. Das Schulgeld für diese Klasse wurde auf 18 Rtl. jährlich festgesetzt.
Die bis zum Jahre 1836 bestandene Einrichtung, am Sonntags-Laetare nach der Vormittags-Predigt der Wohltäter, welche sich durch Stiftungen für Kirchen, Schulen, Arme pp. sehr verdient gemacht haben, zu gedenken, wurde auf Antrag der Stadtverordneten wieder dadurch eingeführt, daß alljährlich am Todten-Feste, sowohl in der Stadtkirche als auch in der Gottesackerkirche die Namen der Stifter und ihre Legate in dankbarer Erinnerung von der Kanzel herab der Gemeinde verkündigt werden.
Am 4ten November starb der königliche Kreisgerichts-Rath Johann Friedrich Wilhelm Vörkel im 64ten Jahe am Schlage. Er war ein sehr verdienstvoller, allgemein geachteter, populärer und gegen Jedermann ohne Unterschied des Standes gefälliger und uneigennütziger Beamter, weshalb sein Tod allgemein betrauert wurde.
An die Stelle des verstorbenen Dr. Gerber wurde der Kaufmann und Fabrikant Theodor Duimchen und als 3. Unbesoldeten Magistrats-Assessor der Apotheker Karl Freyberg gewählt und Beide von der Königl. Regierung bestätigt.
Das alte ganz baufällig gewordene Marstall-Gebäude auf dem Rathshofe wurde zum Abbruch an den Meistbietenden – Tischlermeister Becker für 150 Rtl. verkauft. Letzterer begann mit dem Abbruch am am 2ten März. Der Neubau des neuen Spritzen-Schuppens mit Nachtwächterstube und Wohnungsräumen darüber wurde im August angefangen. Den Bau hatte der Maurermeister Voigt für die Licitation-Summe von 3,000 Rtl übernommen.
Die Kellerräume unter dem Rathhause, welche bisher für wenige Thaler an den Braumeister Fritzsche verpachtet gewesen waren, wurden zu einer Rathskeller-Wirtschaft eingerichtet und der Bau von dem Maurermeister Voigt für 754 Rtl.übernommen (der Anschlag war 840 Rtl.). Der Pächter des neuen Rathskellers war W.Huth aus Klepzig im Kötheschen.
Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von Zschorn (in der Quergasse), Schuhmachermeister Stephan (Kartoffelmehl-Fabrikant), sowie Költzsch und Remus in der Höhe des Bahnhofs, Kreisphysicus Dr. Kanzler (am Leipziger Thore), Kaufmann Dittmar (Zieglerwohnung am Schenkenberger Wege), Kupferschmiedemeister Kießel (in der Linden-straße), Rechtsanwalt Stephan (Leipziger Vorstadt), und Tischlermeister Kurtze (in der mauergasse – ein neues Seitengebäude)
Die Getreidepreise waren:
Am 15.März
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
Roggen 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf.
Gerste 1 Rtl 12 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 27 Sgr. 6 Pf. 1Rtl.
Am 29.August
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 18 Sgr. 9Pf.
Roggen 1 Rtl. 25 Sgr. 1 Rtl. 27 Sgr. 6Pf.
Gerste 1 Rtl. 8 Sgr. 9 Pf. 1 Rtl. 11 Sgr. 3Pf.
Hafer 25 Sgr. 27 Sgr. 6Pf.
Die Erndte war sehr gut ausgefallen, sowohl das Winter-, als das Sommergetreide.
Im Jahr 1863 waren 328 Geboren (incl.7 Todtgeborene und 46 Uneheliche) und Verstorbene 207.
Der Gesundheitszustand war im ganzen Jahre befriedigend; es herrschte keine epidemische Krankheit. Aus dem Kreis-Armen-Fond erhielt die Stadt für dieses Jahr 650 Rtl. Zuschuß. Außerdem erhielt die Armenkaße von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. 17 Sgr. 7 Pf.
An Stelle des an der höheren Bürgerschule als Hülfslehrer angestellten Predigtamts-Candidat Thiele trat der Schul-Amts-Candidat Band aus Lützen.
1864
Am 1.März ist auf hiesigem Postamte ein Königl.Telegraphen-Station mit beschränktem Tagesdienste eingerichtet worden. Aus dem diejährigen Holzschlage in der Spröde wurden 815 Rtl. 4 Sgr. gelöst. Am 14ten April Nachmittags 5 ½ Uhr brach in dem Hause des Hutmachers Hötzel auf dem Steinwege Feuer aus, welches aber durch schnell herbeigeeilte Hülfe auf den Entstehungsort beschränkt und gedämpft wurde.
Die Schuhmacher-Innung schaffte einen Leichenwagen an; derselbe kostete 350 Rtl. mit Allem. Sie stellt denselben zur Verfügung des Publikums bei Beerdigungen. Die vom Magistrat genehmigten Taxpreise für Benutzung des Wagens incl. Bespannung, Begleitung und übrigen Nebenkosten betragen:
I. Begräbniß-Klasse 5 Rtl. 10 Sgr.
II. Begräbniß-Klasse 4 Rtl. 15 Sgr.
III. Begräbniß-Klasse 3 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf.
Kinderleichen 2 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf.
Am 4.Juni in den Nachmittagsstunden wurde der östliche Theil des Kreises von schweren Gewittern heimgesucht, in deren Verlauf der Blitz an einigen Orten eingeschlagen hat. An die Stelle des nach Jüterbog abgegangenen Lehrers Romanus trat der Schulamts-Candidat Ernst Moritz Schubert gebürtig aus Dobrilugk, und erhielt die Elementar-Klasse an der Vorstadtschule.
Die Stadtverordneten ertheilten den Geboten auf das Kirschobst Zuschlag: dem Obster Fischer auf die Alleen um die Stadt für 90 Rtl., dem Obster Vater auf die Alleen an der Leipziger Straße für 300 Rtl, dem Obster Hund auf die Alleen an der Dübener- und Eilenburger Straße für 71 Rtl., dem Obster Schneider auf die Anpflanzungen am Schießplatze für 3 ½ Rtl. und dem Obster Tauer auf die Alleen am Zschernitzer und Gertitzer Wege für 50 Rtl.
Am 2. und 3. Juni weilte in unserer Stadt auf seiner Durchreise nach Berlin ein alter muhamedanischer Derwisch, der durch sein auffälliges Äußere die allgemeine Aufmerksamkeit an sich zog. Er hieß Hadji Said Mahmoud, ist 70 Jahr alt und kommt aus Jerusalem. Er kam über Wien, Prag und Dresden aus Ungarn, wohin er eine Wallfahrt gemacht hatte, um das Grab eines berühmten türkischen Heiligen in Ofen zu besuchen. Von der ottomanischen Gesandtschaft in Wien ist er mit einem Passe zur Reise durch Europa versehen worden. Er ist trotz seiner hohen Jahre noch eine imponirende, interessante Erscheinung mit schöner gerader Haltung, feurigen Augen und schönem, noch wenig mit Grau gemischtem Barte. Um den Turban trägt er einen grünen Shawl ???? gewunden, wie er nur den Mekkapilgern zu tragen gestattet ist, um den Leib einen Teppich, den er beim Gebet auf die Erde breitet, und im Gürtel Waffen nebst verschiedenen eigenthümlichen Instrumenten, unter denen ein beim Beten zum Auflegen des Kopfes dienendes, ungefähr einen Fuß hohes Gestell besonders auffällig ist.S. das Bild. Der hiesige Photograph Tischlermeister Eduard Kurtze hat den Pilger in seinem Atelier photographirt.
Dem Second Lieutenant Meie von hier (Sohn des Maurermeisters Meie, vom 3ten Bataillon Potsdam) 3ten Brandenburgischen Landwehr-Regiments Nr.20, welcher bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18ten April des Jahres (Vormittags 10Uhr) und bei der Einnahme von Alsen am 29ten Juni (früh 4Uhr 20 Min.) mitgekämpft hat, - und kommandirt zur Dienstleistung beim 7ten Brandenburgschen Infantrie-Regiment ??? 60, - ist der Rothe Adlerorden 4ter Klasse mit Schwertern, verliehen worden. Dem Oebster Vater wurde der Zuschlag auf das Gebot für das Pflaumenobst im Rosenthale von 22 Rtl. 20 Sgr. ertheilt. Zur Bepflanzung der Communicationswege bewilligte die Stadtverordneten- Versammlung 375 Rtl.
An die Stelle des im März abgegangenen Pastor Schulze an der hiesigen Königl. Strafanstalt kam der Pastor Göldner hierher, bisher Hülfsprediger an der Königl. Strafanstalt in Halle. Im Jahre 1739 erlaubte die Kirchen-Inspection für 150 Rtl. dem Syndikus Dr. Lendrich den Anbau einer Betstube an der Mittagsseite der Stadtkirche zwischen der Leichhalle und dem südlichen Kreuzstück, und ein so hohes Ziegeldach, daß wieder ein Kirchenfenster zur Hälfte bedeckt, und die ohnehin düstere Seite der Kirche noch dunkler ward. Als in der Mitte der neunziger Jahre die Familie des Dr. Lendrich ausstarb, gieng die benutzung dieser Kapelle in Folge eines Vertrags mit der Kirchen-Inspection durch Kauf an mehrere Gleider der Familien Kuehne und Schmidt über. Nachdem nun das letzte zur Benutzung der Kapelle berechtigte Mitglied, die 87 Jahre alte Wittwe des 1846 verstorbenen Kaufmann und Senators F.S.Schmidt, Johanne Christiane am 15ten Junius gestorben war, wurde diese Kapelle nicht wieder verkauft, sondern sehr bald nachher gänzlich abgebrochen, und dadurch zugleich das zur Hälfte verbaute Kirchenfenster völlig frei hergestellt, wodurch wir auch durch Beibehaltung des in der Kirchmauer befindlichen, nunmehr mit eisernen Stäben gehörig verwahrten Bogenfensters, die Kirche an Licht sehr gewonnen hat.
Wer hätte wohl je geglaubt und erwartet, daß unsere schöne, freundliche, bisher so wenig benutzte Hospital-Kirche, deren Mauerwerk mit ihrem einzigen, massiv steinernen Chore ein wahres Meisterstück der gothischen Baukunst ist, endlich noch eine Orgel erhalten würde? Diese schönste Zierde fehlte ihr gleich von Anfang seit ihrer Erbauung im Jahre 1516 bis jetzt, und würde ihr auch wohl noch ferner fehlen, wenn nicht eine besondere Ursache dazu die Veranlaßung dazu gewesen wäre. Von jeher wurde nämlich blos im Laufe des Sommers vom Diaconus, welcher zugleich Hospital-Prediger ist, etwa 15 – 16 Mal Dienstags früh von 8 – 9 Uhr ein Gottesdienst mit Predigt für die Hospitalites abgehalten, welcher von anderen Gemeindegliedern fast gar nicht besucht wurde. In neuerer Zeit aber wünschte man die an vielen Orten so beliebt gewordenen Abend-Gottesdienste auch bey uns einzuführen, wozu aber vor allen Dingen der Bau einer neuen Orgel nothwendig war. Da nun auch vom Magistrat und den Stadtverordneten die Bebauung einer Gasbeleuchtungs-Anstalt auf Kosten der Commun beschloßen worden war, und deren Ausführung im nächsten Jahre bestimmt erfolgten sollte, da ferner die Hospital-Kaße bey dem sehr günstigen Stande ihrer Finanzen die Kosten sowohl des Orgelbaues als auch der Einrichtung der Gasbeleuchtung in der Kirche und den übrigen Räumen sehr gut bestreiten konnte; so wurde gleich zu Anfang dieses Jahres der hiesige Orgelbaumeister Herr Eduard Offenhauer von der Hospital-Inspection veranlaßt einen Anschlag und eine Disposition zu einer für die Hospital-Kirche zu erbauenden Orgel zu machen. Nachdem Herr Offenhauer beydes so wie auch eine Zeichnung des Propects der Orgel gefertigt hatte, übersendete er das ganze Schriftstück der Hospital-Inspection, welche daßelbe der Königlichen Regierung zur Genehmigung zuschickte. Der Königl.Orgel-Revisor, Herr Musik-Director und Dom-Organist Engel in Merseburg erklärte sich nach vorgenommener Prüfung völlig damit einverstanden, und Zwar in Hinsicht des Contracts als auch der Auswahl der Register und des Preises. Herr Offenhauer arbeitete nun sehr fleißig mit einem brauchbaren Gehülfen an der Vollendung des Werkes. Bevor es aufgestellt werden konnte, mußte erst der Fußboden des steinernenOrgelchors, weil derselbe mit Gips-Estrich belegt war, gedielt werden. In den ersten Tagen des Junius fieng Herr Offenhauer an die Orgel aufzustellen und am Ende des Julius war das Werk vollendet. Das hat folgende neun Stimmen: a) ein Manual: 1.)Pricipal 8 Fuß, die tiefe Octave gedeckt von Holz, die übrigen von englischem Zinn, 2.)Rohrfloete 8 Fuß, die beyden tiefen Octaven von Holz, die übrigen von Probezinn, 3.)Doppelfloete 8 Fuß von Holz 4.) Flauto ????amabile 4 Fuß von Holz, 5.) Octave 4 Fuß von Probezinn, 6.) Superoctave 2 Fuß von desgleichen, 7.) Cornett dreifach von desgleichen, b) im Pedal: 8.)Violonbass 8 Fuß von Holz, 9.) Subbass 16 Fuß von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcanteurus. Zwey Cylinder-Bälge liefern ausreichend Wind. Die Zahl der Pfeifen beträgt 468, worunter 270 von Zinn und 198 von Holz sind. Der Magistrat wollte anfangs auf den Wunsch des Herrn pp.Offenhauer diesen Orgelbau in einem etwas größerem Umfange mit einer Verstärkung von drei Manual-Registern ausführen laßen, und ließ zu diesem Zweck eine Collecte in der Stadt circuliren, deren Ertrag aber nur 46 rtl. einbrachte, so daß man von einer Vergrößerung des Werkes absehen mußte. Der Preis der nun nach der oben angegebenen Disposition gebauten Orgel beträgt 480 Rtl., welche die Hospital-Kaße mit Zunahme der eben erwähnten 46 Rtl. bezahlt hat. Am 27ten Julius wurde nun die neue Orgel von unserm dazu berufenen Organist Herrn Grellmann geprüft und übernommen; derselbe hat sich über den Befund in jeder Weise befriedigend und anerkennend in seinem an die Hospital-Inspection erstatteten Gutachten ausgesprochen, insbesondere aber hervorgehoben, daß der Meister in dieser Orgel ein Werk aufgestellt habe, wie es für seinen so mäßigen Preis von solcher Schönheit, Güte und Tüchtigkeit kaum zu erwarten war. Freitags, den 20ten Julius, fand Abends von 5 – 6 Uhr die Einweihung der Orgel statt; es wurde zuerst von der Cantorei eine Motette aufgeführt, worauf die Weihrede des Herrn Superintendenten Weinrich folgte, und alsdann Herr Grellmann mit vollem Werke zum nachfolgendem Choral „Sey Lob und Ehr dem höchstem Gut“ präludirte, von welchem Liede die drei ersten und die zwey letzten Verse gesungen wurden. Hierauf wurde der Segen gesprochen und zum Schluß „Nun danket alle Gott“ gesungen. Es ist übrigens sehr zu bedauern, daß man diesen wichtigen Act der Orgelweihe, eines so seltenen Festes, so kurz abfertigte, und ihn an einem Wochentage, wo die meisten Menschen zumal in der Erndte keine Zeit haben, vollzog. Man hatte mit Recht erwartet, daß man diese Feierlichkeit an einem Sonntage, wo dann der Nachmittags-Gottesdienst in der Stadtkirche dafür wegfallen konnte, Nachmittags um 1 oder 2 Uhr, und nicht blos mit einer Rede sondern auch mit einer Predigt, abhalten würde. Man muß sich in That sehr wundern, daß von der Geistlichkeit nicht einmal im Kreisblatte unter den kirchlichen Nachrichten eine dieser Orgel-Einweihung betreffende Bekanntmachung, wie es ja oft bey andern, selbst minder wichtigen, kirchlichen Angelegenheiten geschieht, erlaßen worden war, weßhalb denn auch die meisten Einwohner nichts davon wußten, und daher an diesem Abend noch nicht 200 Menschen in der Hospital-Kirche waren. Um wie viel feierlicher war dagegen die Einweihung der neu erbauten Orgel in der Gottesackerkirche am 8ten p.Trinit. den 1ten August 1852 (vid.pag.171). Nachträglich ist noch zu bemerken, daß die Nebenkosten bey dem Orgelbau für Zimmerarbeiten pp. 65Rtl. 24 Sgr. betragen, also für den ganzen Bau 545 Rtl 24 Sgr.
Am 22. und 23 September fand in unserer Stadt die Jahres-Versammlung des Provinzial-Vereins zur Gustav-Adolph-Stiftung statt. Dieselbe war von einigen 50 Abgeordneten und Vertretern der Zweigvereine unserer Provinz besucht, die in bereitwilligster Weise von hiesigen Mitgliedern und Freunden des Gustav-Adolph-Vereins als Gäste aufgenommen wurden. – Nachdem am 22ten um 4 Uhr Nachmittags eine Sitzung des Vorstandes des Hauptvereins im Gasthofe zum Schwan stattgehabt hatte, riefen um 6 Uhr die Glocken zum Abendgottesdienste in die mit Kränzen und Guirlanden festlich geschmückte Stadt-Kirche. Dieselbe war bald mit Andächtigen gefüllt und nach dem Gesange des Liedes: „O Jesu, Jesu, Gottes Sohn“, welches besonders gedruckt und an den Kirchthüren vertheilt worden war, hielt Herr Pastor Barthold aus Kösen eine herrliche, den Zweck und das Wesen und Gedeihen des Gustav-Adoph-Vereins behandelnde Predigt Nach Beendigung des Gottesdienstes fand noch eine Versammlung der Deputirten im Saale des Schwans statt. Am nächsten Tage um 8 ½ Uhr früh versammelten sich die Mitglieder des Vereins im Rathhause und begaben sich von hier aus in feyerlichen Aufzuge, unter dem Läuten der Glocken, Uneheliche), und 204 Personen gestorben.
Die Getreidepreis waren :
am 19ten März:
Weizen der Berliner Scheffel 2 Rtl. bis 2 Rtl. 6 Sgr. 6 Pf.
Roggen der Berliner Scheffel 1 Rtl. 11 Sgr. 3 Pf. 1 Rtl 15 Sgr.
Gerste der Berliner Scheffel 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf. 1 Rtl 7 Sgr. 6 Pf.
Hafer der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl.
am 8 ten October:
Weizen der Berliner Scheffel 2 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. bis 2 Rtl. 5 Sgr.
Roggen der Berliner Scheffel 1 Rtl. 15 Sgr. 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
Gerste der Berliner Scheffel 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. 1 Rtl. 5 Sgr.
Hafer der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6 Pf. 1 RTl.
Die Kartoffeln kosteten der Sack 1 Rtl. 5 Sgr. bis 1 Rtl. 15 Sgr.
Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt für diese Jahr 550 Rtl. Zuschuß, und die Armenkaße von Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 37 Rtl 23 Sgr. – einzuschalten.
Am 16ten April 1865, den 1.Osterfeiertage, früh halb 10 Uhr, entleibte sich im Hause des Gastwirt Oehlert der Heilgehülfe und Barbier Matthes durch einen Schnitt in die Arterien und Venen der linken Seite des Halses, und starb schnell in Folge der Verblutung.
1865
Am 3ten Januar feierte unser allgemein verehrter Organist und Lehrer der 3ten Mädchenklaße erster Bürgerschule Herr Carl Gottfried Grellmann sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum. Derselbe ist geboren den 22 ten Mai 1795 zu Neumannsdorf bey Döbeln; seine Bildung erhielt er auf dem Friedrichsstädter Schullehrer-Seminar zu Dresden unter Dinters trefflicher Leitung, wo er von Ostern 1811 bis Johannis 1814 verweilte. Noch in demselben Jahre wurde er zum Lehrer nach Dürrenberg designirt, welches Amt er am 3ten Januar 1815, dem Tage seiner feierlichen Einsetzung, antrat. Nach dem im Mai 1828 erfolgtem Abgang seines Amtsvorgängers und Landsmanns Johann Gottlieb Zieger, gebürtig aus Mochau bey Döbeln, als Organist an die Nikolaikirche nach Hamburg, wurde unser Jubilar zu deßen Nachfolger als Organist und vierter Knabenlehrer vom damaligen Magistrat hierher berufen und am 1 ten September 1828 vom Superintendent M.Starcke feierlich eingewiesen. In diesen beyden Aemtern hat nun unser würdiger Jubilar fast 37 Jahre hier in Delitzsch höchst segensreich gewirkt, und auch durch Privat-Unterricht, besonders musikalischen, sich sehr verdient gemacht. Wohl äußerst selten hat ein Lehrer die allgemeine Hochachtung der Aelteren und die Liebe der Kinder mit Recht in so hohem Grade beseßen, wie Herr Grellmann. Es konnte daher nicht fehlen, daß dieses Jubelfest die allgemeinste Theilnahme fand, und wirklich glänzend begangen wurde. Ueber die Feier deßelben verweise ich auf die angefügte Beylage. In No. 2 des Delitzscher Kreisblattes sprach hierauf der Jubilar in folgenden einfachen und herzlichen Worten seinen Dank aus: „Den hochverehrten geistlichen und weltlichen Behörden dieser Stadt, meinen theuren Herren Collegen, der Bürgerschaft und namentlich meinen vormaligen lieben Schülern und Schülerinnen, welche durch so vielfache Zeichen der Liebe und Verehrung den Tag meiner fünfzigjährigen Amtsjubelfeier mir auf eine so erquickende Weise verherrlicht haben, spreche ich hierdurch öffentlich nochmals meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank aus, mit dem innigsten Wunsche, daß der Höchste diese theure Stadt, welche die Bildner ihrer Jugend durch so große Beweise der Anerkennung in ihrem schweren Werk stärkte, in allen Beziehungen segnen möge.
Delitzsch den 4ten Januar 1865.
Grellmann.“
Möge Gott ihn, den gewissenhaften und treuen Arbeiter in seinem Weinberge noch lange, wie bisher, bey rüstiger geistiger und körperlicher Kraft erhalten, und in seinem segensreichen Berufe unter uns wirken laßen; das erhebende Bewußtseyn strengster Pflichterfüllung erheitere und beglücke sein Alter!
Am 31ten Januar früh um 2 Uhr starb nach langen Leiden der hiesige praktische Wundarzt und Geburtshelfer Friedrich August Rathmann. Dieser Mann verdient hier eine anerkennende Erwähnung, weil er in den beyden genannten Zweigen der Heilkunst in einem langen Zeitraum von fast 40 Jahren mit treuer Pflichterfüllung recht viel Gutes zum Wohle der Leidenden Menschheit gewirkt hat. Derselbe war hier geboren den 20ten Januar 1803; nach dem er zu Ostern 1817 die Stadtschule verlaßen hatte, und kein Gymnasium besuchen konnte, so kam er drei Jahre nach Leipzig zum Wundarzt Hayer, und genoß dann noch ein Jahr, besonders um sich die nöthigsten Kenntniße in der lateinischen Sprache zu erwerben, den Privatunterricht des damaligen Archidiaconus M.Morgenstern, eines wegen seiner Kenntniße und trefflichen Lehrgabe sehr geschätzten Pädagogen. Nach Ostern 1821 gieng er auf die Universität nach Halle um die Chirurgie zu studieren, besuchte deßhalb besonders Weinholds Vorlesungen und deßen chirurgische Klinik; hier wurde ihm das Glück zu Theil, da Weinhold seine geistige Befähigung und schnelle Auffassungsgabe richtig erkannte, im folgenden Jahre Aßistent in deßen Klinik zu werden. In dieser Stellung, welche er bis zu seinem Abgange versah, hatte er vielfach Gelegenheit unter Weinholds gründlicher Leitung sich praktisch zu einem tüchtigen Chirurgen auszubilden, was ihm für sein ganzen späteres Leben und Wirken großen Vortheil gebracht hat; denn er war kein Wundarzt vom gewöhnlichen Schlage, sondern zeichnete sich durch wißenschaftliche Bildung im Fache, besonnenen Fortschritt und vorzügliche Technik, besonders bey der Behandlung von Cupationen , Fracturen, eingeklemmten Brüchen u.s.w. aus. Nachdem im September 1824 erfolgtem Tode seines Vaters gieng er zu Michäelis von Halle ab, um die Verwaltung des väterlichen Grundstücks mit starkem Ackerbau und der Abdeckerei-Gerechtsame zu übernehmen. Im Junius 1825 machte derselbe sein Examen als Wundarzt bey dem Provincial-Medicinal-Collegio in Magdeburg, und erhielt die Censur „sehr gut“, und im Mai 1828 bey derselben Behörde das Examen als Geburtshelfer, in welchem er die Censur „sehr gut“ bekam. Um sich zu diesem letztern Examen gründlich vorzubereiten, gieng er vorher zwey Monate lang nach Halle, hörte täglich bey Niemeyer ein collegium privattismum über Geburtshülfe und besuchte auch deßen geburtshülfliche Klinik. Auch in diesem Fach hat er mit vielem Glück und großer Kunstfertigkeit prakticirt, so daß er mit Recht das größte Vertrauen genoß, und ebenso, wie früher der selige Dr. Stoehrer und der verstorbene Wundarzt Timmermann, lange Zeit der gesuchteste Geburtshelfer bey uns war. Auch als Schriftsteller hat er sich einmal versucht durch Mittheilungen eines rein praktischen Aufsatzes über einen seltenen von ihm mit Glück behandelten
Fall „Entbindung von Zwillingen bey einem Prolaphus vaginae et uteri completus,“ abgedruckt in der Berliner medicinischen Vereinszeitung, Jahrgang 1841, pag.159. Im Jahre 1859 fieng die Gesundheit dieses sonst so rüstigen, mit einer wahrhaft athletische Körperkonstitution beglückten Mannes an sehr zu leiden; er verfiel sichtlich, verlor auffallend an Fleisch und Kräften und litt an Brustbeklemmung, welche sich öfters während des Gehens bis zu einem höchst schmerzhaften Asthma steigerte, so daß er Minuten lang nicht von der Stelle konnte; die Ursache dieser Leiden war eine Uebernährung des Herzens mit Klappenfehlern; in Folge der angewendeten Arzneimittel trat manchmal eine periodische <erleichterung ein, welche aber niemals lange bestand, und so trat denn endlich nach langem Siechthum, während deßen er aber immer noch seinen Beruf möglichst betrieb, im Frühjahr 1864 das begleitende Symptom der meisten Herzkrankheiten, die Waßersucht ein, erst durch Anschwellung der Füße und dann durch Bauch-und Brustwaßersucht so wie allgemeine Verbreitung über den ganzen Körper, und führte seinen Tod am 31ten Januar herbey. Erwähnen muß ich noch, daß der Verstorbene unserer Gottesackerkirche am 1 ten October 1849 ein freilich nur kleines Kapital von 25Rtl. als Legat geschenkt hat, über deßen Verwendung die vom Schenkgeber getroffenen Bestimmungen in dieser Chronik pag.150 zu lesen sind. Damals wollte der Geber unbekannt bleiben.
Der im vorigen Jahre in Anregung gebrachte Verschönerungs-Verein trat in diesem Jahre in Wirksamkeit. Die Mitgliederzahl bestand aus 116 ordentlichen und 24 außerordentlichen Mitgliedern, welche einen jährlichen Beitrag von circa 180 Rtl. ausbrachten. Zum Vorsitzenden wurde erwählt der Kreisgerichts-Director Lampugnani, zum Schriftführer der Bürgermeister Hagedorn und zum Cassirer der Stadtverordneten-Vorsteher Sattler. Es waren Statuten entworfen worden und jeden ersten Mittwoch im Monat wurde vom Vorstand eine Sitzung im Sessionszimmer des Magistrats abgehalten.
Der hiesige Bahnhof hätte Mittwoch Abend den 8ten Februar leicht der Schauplatz eines größeren Unglücks werden können. Ein von Berlin nach Frankfurt gehender Extrazug mit ungeprägtem Silber entgleiste in der Nähe der Dübener Straße. Die Veranlassung dazu war ein Bruch eines Rades vom dritten Wagen des Zuges gewesen. Einzelne Strecken des Schienenstranges sind wie dünner Draht gebogen worden. Unglück ist dabei dem Personale der Eisenbahn und dem den Zug begleitenden Banquire???? Nicht begegnet, und sind diese Personen mit dem blosen Schreck davon gekommen. Die Schienenstränge waren bis Donnerstag Abend schon wieder in Ordnung.
Der Erlös des diesjährigen Holzschlages in der Spröde betrug 515 Rtl. 21 Sgr.
Durch Stadtverordneten-Beschluß vom 14ten Februar wurde die Errichtung der Gas-Anstalt definitiv beschlossen, da die erforderliche Flammenzahl gezeichnet war. Die Bauungsgelder sind auf 30,000 Rtl veranschlagt und ist die Ausführung der Anstalt unter Commission aus 2 Magistrats-Mitgliedern, 2 Stadtverordneten und dem Ingenieur bestehend, übertragen. Als Ingenieur wurde der Director der Leipziger Gas-Anstalt, Westernholz, gewählt, welcher jede Woche während des Baues zweimal hierher kam.
Am Sonntage, den 14ten Mai, fand in dem Communforste in der Spröde ein Waldbrand statt, über deßen Entstehung Nichts bekannt geworden ist. Nach ungefährer Schätzung sind 3 Morgen 20jähriges Holz niedergebrannt.
An des nach Teterow in Mecklenburg abgegangen Lehrers Dr. Höhnemanns Stelle trat zu Johannis der Lehrer der Naturwissenschaften Herrmann Wilhelm Günther aus Gladitz; an des nach Löbejün Ende Mai abgegangenen Lehrers Weber Stelle trat der Schulamts-Candidat Friedrich Bernhard Breder aus Niese im Fürstenthum Lippe-Detmold.
Am 2ten August starb der Lehrer an hiesiger Bürgerschule Albert Gelbke, an dessen Stelle der Schulamts-Candidat Gotthold Paul Rocke, aus Delitzsch gebürtig, trat.
Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt, wodurch die Einwohnerzahl bedeutend erhöhte, wurde die Stadt in die II.-Steuerstufe versetzt. Die von den hiesigen Gewerbtreibenden zu zahlende Gewerbsteuer beträgt dadurch jährlich circa 1,000 Rtl. mehr.
Der am 3 Iten December 1864 verstorbene hiesige Bürger und Kaufmann Christian Friedrich Schmidt hat durch letztwillige Verordnungen: 1.) der städtischen Armenkasse ein Legat von 1,000 Rtl ausgesetzt, dessen Zinsen alljährlich am 28ten Mai 2 bis 3 verarmten Familien, sogenannten verschämten Armen ausbezahlt werden sollen; 2.) dem Frauen — und Jungfrauen — Verein als Legat seiner verstorbenen Frau, geb. Spirling, 25 Rtl. überwiesen; 3.) dem Verein zur Bekleidung männlicher Confirmanten ebenfalls ein Legat von 25 Rtl. vermacht. Die Einzahlung dieser Legate durch die Erben des Verstorbenen ist am 19ten August erfolgt.
Seine Majistät haben bei Ihrer Anwesenheit in der Provinz Sachsen im Monat September dem Kreisgerichts-Director Lampugnani den Rothen Adler-Orden IV. zu verleihen und den Kreisphysikus Dr. Kanzler zum Sanitätsrath zu ernennen geruht.
Der Kreisgerichts-Rath Pazschke ist zum Director des Königl. Kreisgerichts in Sprottau in Schlesien ernannt worden.
Gestern, Sonntag, den &en October leuchtete Abends zum ersten Male das Gaslicht. Unsere sonst im albdunkel schlummernden Straßen strahlten im schönsten Glanze; auch mehrere Restaurations-Locale und Läden, die den Erlaubnißschein zum Brennen erhalten, waren durch Gas erleuchtet. Sämmtliche Straßen waren mit einer schaulustigen Menge angefüllt, die sich nach dem Marktplatze hinzog, wo ihrer ein recht hübsches Schauspiel wartete Am Balcone des Rathhauses brannten 3 große Sterne, aus unzähligen kleinen Gasflämmchen bestehend, während vom Stadt- Musikchor, welches sich auf dem Balcone aufgestellt hatte, einige Musikstücke vorgetragen wurden. An vielen Punkten sah man bengalische Flammen und Feuerwerke abbrennen und überall gab sich die freudige Erregung des Publikums kund. Nach einem dreimaligen Hoch auf den Director der Leipziger Gasbeleuchtungs-Anstalt, Herrn Westerholz, welchem die Inbetriebsetzung der Anstalt übertragen war, und der sich seit gestern hier befand, begab sich das Musikchor zum Herrn Magistrats-Assessor Duimchen und den Herrn Bürgermeister Hagedorn, deren Häuser ebenfalls durch Sterne geschmückt waren und brachte denselben unter dem Hochruf der Menge ein Ständchen. Unfälle sind bis jetzt in keiner Weise vorgekommen, und gebührt den Leitern und Arbeitern der Anstalt deshalb alle Anerkennung.
Am 26ten October dieses Jahres starb im 33ten Lebensjahre die Gattin des hiesigen Apothekers Carl Freyberg, Friderike geborene Meißner. Um ihr Andenken zu ehren hat der hinterlassene Gatte der hiesigen Armenanstalt laut Schenkungs-Urkunde, Delitzsch den 14ten März 1866 und Recognitions-Verhandlung des Königl. Kreisgerichts hierselbst vom 8ten April 1866 einen Obstgarten von circa 2 Morgen in der Nähe der Gertitzer Spitze geschenkt, mit der Bestimmung, daß alljährlich an dem Todestage der Frau Apotheker Freyberg der Pachtertrag dieses Gartens — zur Zeit 21 Rtl. unter fünfzig Armen vertheilt werde. Sollte es einmal räthlich oder nöthig sein, dieses Grundstück zu verkaufen, so soll doch der Erlös möglichst bald in Grund und Boden wieder angelegt werden, was der Schenkgeber hiermit ausdrücklich bedingt, und zugleich wünscht, daß sein Name wenigstens bei seinen Lebzeiten, nicht öffentlich genannt werde. Die Uebergabe ist den 30ten März 1866 erfolgt.
Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von: Pannicke Zimmermeister, Richter, Karl Heinrich, Bahnhofswärter, Böhme Julius, Gärtner, sämmtlich in der Leipziger Vorstadt, Bruder August, Maurer, Voigt Wilhelm, Maurermeister, Schulze Heinrich, Dachdecker, Felix Louis, Zimmermeister, Eulenberger, Fridrich August, Tischlermeister, Bruder Eduard, Cigarrenmacher, an der Dübener Straße, Fritzsche Wilhelm, Oeconom, in der Halleschen Straße, Rathmann August, Oeconom, in der Scheungasse, Richter Franz, Tischlermeister, am Pfortenplatz, Werner Ferdinand, Seilermeister, in der Leipziger Straße, und Wittig Albert, Boten- Fuhrmann, in der Ritterstraße. Sodann wurden von der Stadt-Commun die Gebäude von der Gas-Anstalt hinterm Bahnhofe an der Eilenburger Straße bestehend aus Wohnhaus, Fabrikgebäude mit eingebautem Kesselhause, Schuppen und Gasometer, neu erbaut. Endlich stellte der Mühlenbesitzer Herrmann Wittig in der Naundorfer Sandmark am Schenkenberger Wege seine Windmühle, welche bisher in der Nähe von Leipzig gestanden hatte, auf.
In diesem Jahre wurden 339 Kinder geboren (inc1.13 Todtgeborenen und 36 Uneheliche), dagegen sind 244 Personen gestorben.
Der Einrichtung der Gasbeleuchtung nahmen von Ende October an Mittwochs die Abend-Gottesdienste in der Hospitalkirche ihren Anfang Die Armenkasse erhielt in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. und 3 Sgr., und vom Kreis- Armenfond 550 Rtl.Zuschuß.
1866
Am llten Januar Abends nach 8 Uhr brach im Stallgebäude des Victualienhändlers Gommel in der Halleschen Straße Feuer aus. In wenigen Minuten stand das mit Holzkohle und sonst leicht entzündlichen Stoffen angefüllte Gebäude in hellen Flammen. Ein mit demselben anstoßenden Gebäude des Buchbinder Müller war ebenfalls bald vom Feuer ergriffen. Diese Feuersbrunst, welche bei dem heftig wehenden Winde ohne das schnelle Eingreifen der rasch herbeigeeilten Mannschaften wahrscheinlich einen bedeutendem Umfang und ein erhebliches Brandunglück zur Folge gehabt haben würde, ist durch die Anstrengungen der Löschmannschaften auf ihren eigentlichen Herd beschränkt und in kurzer Zeit gelöscht worden. Ganz besonders hat sich auch hier die freiwillige Feuerwehr ausgezeichnet, deren Mitglieder sich mit Selbstverleugnung der Gefahr aussetzten.
Als Folge des ebenerwähnten Feuers bildete sich im Januar dieses Jahres ein Verein, welcher sich die Aufgabe stellte, das Institut der Turner-Feuerwehr nach allen Richtungen hier zu kräftigen und sowohl durch Geld als durch Schutz —und Föderungsmittel aller Art zu unterstützen. Es kamen bis zum 12 ten Februar dieses Jahres durch freiwillige Beiträge unserer opferwilligen Bürgerschaft 162 Rtl. 27 Sgr. an die Kasse des Turner-Feuerwehr- Unterstützungs-Verein ein.
Wegen Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt und der dadurch entstandenen Vermehrung der Amts-Geschäfte wurde noch ein dritter unbesoldeter Magistrats-Assessor in der Person des Kaufmanns C.Louis Dittmar gewählt. Derselbe wurde in der Stadtverordneten-Sitzung am 23ten Februar durch den Bürgermeister eingeführt und vereidigt.
Für Waldstreu aus der Spröde wurden 15 Rtl und für verkaufte Hölzer pp.622 Rtl. 5 Sgr. gelöst.Das Schulgeld für sämmtliche Klassen an der Bürgerschule wurde von 2 Rt1 auf 3 Rtl. jährlich erhöht, wogegen an der Volksschule (am Gottesacker) der bisherige Schulgeldsatz von 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf jährlich unverändert blieb.
In den Morgenstunden des 19ten Mai früh um 4 und 5 Uhr trat ein sehr starker Frost ein, welcher die Baumblüthe total zerstörte und die Obsternte vernichtete, auch der Blüthe des Wintergetreides erheblichen Schaden zufügte. Die Folge davon war, daß in diesem Jahr die Kirschen — und Pflaumenplantagen nicht verpachtet werden konnten und das wenige Obst sehr theuer war.
In Folge des zwischen Preußen einerseits und Oesterreich andererseits wegen der getheilten Herrschaft in Schleswig-Holstein ausgebrochenen Krieges hatten wir am 16ten Mai die erste starke Einquartierung hier, Es rückten nämlich an diesem Tage des Mittags das bisher in Halle in Garnison gestandene 2 ten Bataillon und 2 Compagnien des Füselier-Bataillons vom 27ten Infantrier-Regiment nebst dem Regiments-Stabe und den beiden Bataillons-Stäben hier ein, welche des anderen Morgens weiter in die Richtung auf Eilenburg abmarschierten. Es lagen hier an diesem Tage hier zusammen im Quartier: circa 1,700 Mann. Es haben außerdem noch 2 Batterien vom 4ten Feld-Artillerie-Regiment, am 7 und 8. Juni das 2te und Füfelier-Bataillon des 8. Westphälischen Infantrie-Regiments Nr. 57, sowie am 9ten Juni 6 Compagnien vom 3ten Rheinischen Infantrie-Regiment Nr.29 und in dieser Zeit eine Division vom 7ten Armee-Corps sowie auch das General-Commando des &en Armee-Corps unter dem General Herwarth von Bitterfeld, dem nochmaligen Führer der Elb-Armee hier im Quartier gelegen. Die gesammte Einquartierung in der mobilen Zeit hat ungefähr 6,000 Mann betragen. Durchmarschiert sind außer vielen kleinen Commandos,das 12te Husaren-Regiment, 2 UlanenRegimenter (eins vom 7ten und eins vom 8ten Armeecorps) Munitions-und Proviant-Colonnen, sowie sehr viel Infanterie und Artellerie.
Im Mai kam in eine neudotirte Stelle der Schulamts-Candidat Herrmann Theodor Gießler, gebürtig aus Questenberg in der Grafschaft Stolberg- Stolberg welcher aber schon zu Michaelis wieder abging. An dessen Stelle trat der bisherige Lehrer in Rödgen b.D. Carl Gustav Herrmann Kiemstedt, gebürtig aus Wittenberg.
Das Schulbau-Kapital von 20,500 Rtl., welches die Stadt-Commun mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten der Provinz Sachsen vom 20.Januar 1860 laut Stadt-Obligation vom 1 Oten Februar 1860 aus der Sparkasse geliehen hatte, wurde von da ab aus den Ueberschüssen der Sparkasse nach und nach getilgt und verzinst, und zwar in diesem Jahre aus den Ueberschüssen des verflossenen Jahres der Rest mit 2,500 Rtl. Die ebenfalls aus den Ueberschüssen aus der Sparkasse bewirkte Verzinsung des Kapitals beträgt zusammen 2,720 Rtl, sodaß überhaupt von der Sparkasse an kapital und Zinsen 23,220 Rtl. gezahlt wurden..
Im Juni bildete sich wie anderwärts so auch hier ein Lokal-Verein zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, welcher sich zur Annahme von Geldbeiträgen und Gegenständen zu Lazareth Bedürfnissen bereit erklärte.
Am 21 ten Juni Mittags wurden von der hier untergebrachten, der Militär- Verwaltung gehörigen Ochsen, aus dem Gehöft des Oeconom Theodor Kühne vor dem Leipziger Thore 3 Stück durch eine fremde Person, angeblich für die in Leipzig stationirten Truppen, abgeholt. Bald stellte sich jedoch heraus, daß die Ochsen durch einen Unberechtigten in diebischer Absicht abgeholt waren. Nachgesandte berittene Militairpersonen holten in der Nähe von Eutritzsch den Dieb mit den Ochsen ein und wurde derselbe des Abends gebunden hier eingeführt.
Auf König Anordnung fand wie in der ganzen Monarchie so auch hier ein Bettag wegen glücklichen Ausgang des Krieges Mittwoch den 27ten Juni durch Vor — und Nachmittags — Gottesdienst statt
Beilage: Das Schulbau-Kapital 20,500 Rtl, Welches die Stadt-Commun mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten der provinz Sachsen vom 20ten Januar 1860 laut Stadt-Obligation vom lOten Februar 1860 aus der Sparkasse geliehen hatte, wurde in folgenden Summen aus den Ueberschüssen der Sparkasse getilgt und verzinst, und zwar:
im Jahr 1860 aus den Ueberschüssen des Jahres 1859 mit 3,000 Rd Kapital
1861 1860 3,000 Rt1und 700 Rd Zinsen
1862 1861 1,000 Rd Kapital und 580 Rd Zinsen
1863 1862 2,000 Rd Kapital und 540 Rt1 Zinsen
1864 1863 3,000 Rt1 Kapital und 460 Rd Zinsen
1865 1864 6,000 Rt1 Kapital und 340 Rt1 Zinsen
1866 1865 d.Rest 2,500Rt1 Kap.und 100Rt1 Zinsen
Summa 20 500 Rtl. Kap, u. 2,720 Rd Zinsen
Am 9ten Maerz erhielt der Verfaßer dieser Zeilen von der Hospital- Inspection ein Schreiben vom 6ten des Monats mit der Benachrichtigung, daß sein Gehalt als Hospital-Arzt, welches Amt derselbe bereits 18 volle Jahre für 25 Rtl. jährlich verwaltet hatte, mit Genehmigung der König!. Regierung in Merseburg von Anfang dieses Jahres an auf 50 Rtl. erhöhet worden sey. Diese Freude war ihm eine ganz unerwartete, und dies umso mehr, als er, zumal nach den sehr unangenehmen Vorfallen vor drei Jahren bey der Wiederbesetzung der Stadt-Armen-Arzt-Stelle, nicht im Entferntesten daran gedacht oder es gar gewagt hätte um eine Gehaltszulage zu bitten. In seinem Antworts-Schreiben vom lOten Maerz sprach daher derselbe der Hospital-Inspection für diese ehrenvolle Anerkennung treuer Pflichterfüllung seinen herzlichsten und verbindlichsten Dank aus. Es hatte sich ein Frauen-Verein zur Unterstützung zurückgebliebener Landwehr-Männer-Familien gebildet, welcher bis zum 13ten Juli an baarem Gelde 154 Rt19 Sgr. durch freiwillige Beiträge eingenommen hatte. Davon sind im Monat Juni 18 Frauen mit 18 Rd und im Monat Juli 51 Frauen mit 90 Rtl. 15 Sgr. unterstützt worden, mithin ausgegeben worden 104Rt115 Sgr. und blieben noch im Bestande 49 Rtl. 24 Sgr.
Der bereits auf voriger Seite erwähnte Hülfsverein zur Unterstützung der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger hat am 27ten Juni bis 3 August an freiwilligen Beiträgen im Delitzscher Kreise 4,190 Rtl. 11 Sgr. 4 Pf eingenommen, welche besonders zu dem bald auf Höheren Befehl im hiesigen Königlichen Schloß errichteten Lazareth verwendet wurden. Ein Theil genannter Summe wurde zurückbehalten, um damit später noch Landwehrmänner, welche durch die Strapazen des Krieges an ihrer Gesundheit gelitten haben, unterstützen zu können.
Am 28ten Juni früh um 2 Uhr brach in der Eilenburger Straße in den zusammengrenzenden Glasermeister Scheibenschen und Tischlermeister Rülkeschen Hintergebäuden Feuer aus und legte diese sowie einen Stall in Asche. Den rasch herbeigeeilten Mannschaften der Turner — und städtischen Feuerwehr gelang es bald, des Feuers Herr zu werden und die hart bedrohten, theils schon in Brand gerathenen Vorder-Gebäude zu retten.
Die Nachricht von dem glänzenden Siege unserer tapferen Armee über die vereinten österreichischen und sächsischen Truppen am 3ten Juli bei Königgrätz traf den Tag darauf früh um 10 Uhr hier ein und fand durch Anschläge hier sofortige Verbreitung. Viele Häuser haften geflaggt. An demselben Tage (4ter Juli) Abends um 6 Uhr fand in hiesiger Stadtkirche ein Dank-Gottesdienst statt, wobei der Herr Superintendent Weinrich die Predigt hielt. Um 9 Uhr war auf dem Markte Choralmusik und Aufzug der Turner-Feuerwehr.
Auf Höheren Befehl wurde unser Schloß, welches zur Zeit eine Strafanstalt für weibliche Gefangene ist, zu einem Reserve-Lazareth eingerichtet. Die Sträflinge wurden auf drei Monate in der Corrections-Anstalt zu Zeitz untergebracht und das nöthige Aufsichts-Personal mitgegeben. Am lOten nun trafen 2 Extrazüge mit Verwundeten Preußen, Sachsen und Oesterreicher, zusammen 274 Mann, hier ein. Der größte Theil derselben wurde einstweilen, da das Lazareth noch nicht vollständig eingerichtet war, von hiesigen Einwohnern freiwillig in Quartier und Pflege genommen und nur ein kleiner Theil, nämlich die Schwerverwundeten, wurden im Lazareth untergebracht. Von den hiesigen Ärzten übernahmen die Behandlung der verwundeten im Lazareth: der Königl. Kreisphysikus Dr. Kanzler, die practischen Aerzte und Wundärzte Dr. Buchholz und Dr. Laue, sowie der Kreischirurg Rudloff, welche ein Jeder ein monatliches Honorar von 50 Rt1 von dem Unterstützungsverein zur Pflege der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger erhielten. Außerdem wirkten noch mehrere noch angenommene Arztgehülfen zur Besorgung der Verbände u.s.w.mit, welche Jeder ebenfalls ein Honorar, und zwar monatlich 20 RtI erhielten. Uebrigens wurde von hiesigen Einwohnern sehr viel Chargie und Leinwand zu Verbandstücke dem hiesigen Lazareth geschenkt.
Gestorben sind von den Verwundeten: 1) der Musketier Wilhelm Schulenburg, vom 3ten Magdeburgischen Infantrie-Regiment Nr. 66, aus Wiebick, Kreis Gardelegen (beerdigt am 24ten Juli Abends 6 Uhr); 2.) der sächsische Reiter Carl Eduard Zothe aus Leipzig; dessen Leiche wurde am 25. Juli um 5 Uhr von seinem Vater nach Leipzig mittelst Wagen abgeholt. 3.) der österreichische Soldat Lattner aus Wien (beerdigt am 26. Juli Abends 6 Uhr); 4.) der österreichische Infantrist Anton Kördi aus Ungarn (beerdigt am 7.August Abends 6 Uhr); 5.) Christoph Müller aus Roggendorf in Böhmen, vom 73ten österreichischen Infantrie-Regiment (beerdigt am 20ten August); der Garde-Landwehrmann Georg Beitzel aus Bodendorf, Kreis Aarwider, Reg. Bezirk Coblenz (gestorben am 5.September); 7.) Daniel Bertachini vom30ten Infantrie-Regiment aus St Puinare bei Rowigo in Venetien (gestorben am Sten September).
Sämmtliche hier Beerdigte wurde mit allen ihnen, zukommende Ehrenbezeigungen zur Ruhe bestattet. Den Trauerzug eröffnete jedesmal ein Musikchor, dann folgte die Schützengilde und die Veteranen; hierauf folgte der reich mit Kränzen und den militärischen Abzeichen des Verstorbenen geschmückte Sarg, welcher von den Schützen getragen wurde. Hieran schlossen sich die Geistlichkeit, die Verwaltungsbeamten, die leichten verwundeten Preußen, Oesterreicher und Sachsen, Mitglieder des Magistrats und des Verpflegungs-Comites. Nach Beendigung der Bestattungsfeierlichkeit gaben die Schützen eine dreimalige Salve über des Kriegers Grab und zogen dann die Militairs unter den Klängen des Düppel- Marsches u.a. nach dem Lazareth zurück.
Verwundet sind: 1., der Musketier Karl Theodor Heyme am 3.Juli bei Gröpritz. Leicht verwundet der Gefreite vom 6ten Dragoner-Regiment Ernst Blosfeld (ein Schuhmacher) am 26. Juli im Gefecht bei Roßbrunn in Baiern; der Cigarren-Arbeiter Theiß, verwundet durch einen Schuß in den Arm, wodurch 2 Finger der einen Hand steif wurden; er erhielt vom Staat eine jährliche Pension von 120 Rtl.
Gestorben sind: der Füsilier Karl August Herrmann Sparmann (Sohn des hiesigen Schneiders Sparmann) von der 6.Kompanie 36. Infantrie-Regiments, am 30.Juli im Cantoimement Remlingen in Baiern, an einer Magenkrankheit und wahrscheinlich in Folge der Kriegsstrapazen. der Landwehrmann Friedrich Theodor Franke (Schuhmacher) ein Ehemann 31 Jahre alt, am 19.August an der Cholera hier gestorben, wohin er erst den Tag vorher aus Böhmen zurückgekehrt war. Den Krankheitsstoff hatte er jedenfalls mit aus Böhmen gebracht, wo diese schreckliche Krankheit unter unsern Truppen große Verherrungen anrichtete. Der Musketier Paschy (Sohn des Handarbeiters Paschy) vom 67ten Infantrie-Regiment, starb an der Cholera in Böhmen, wohin er erst wenige Tage vorher von Wittenberg commandiert worden war. Der Secon.Lieutn. Hillmar von Zedtwitz, welcher an den Folgen eines bey Koeniggraetz erhaltenen Schußes in die Brust im Lazareth zu Dresden später starb
Zum Besten der im Kriege verwundeten und erkrankten Krieger und der Hinterlassenen der Gefallenen wurden folgende Concerte veranstaltet:
vom Herrn Organist Grellmann am 12.Juli Abends 7 Uhr in Schleichers Saale, dessen Reinertrag 15 Rtl. 17 Sgr, 6 Pf. einbrachte; von der Turner-Feuerwehr-Kapelle, dessen Ertrag 12 Rtl. 20 Sgr.3 Pf. lieferte; vom Seminarist Voigtmann (seit dem lten October 1867 Organist an der Hauptkirche in Sangerhausen), welcher am 2. August ein Orgel-Concert in unserer Stadtkirche veranstaltete, dessen Reinertrag 12 Rtl. 13 Sgr. 6 Pf. betrug. Diese Summe wurde in einem Sparkassenbuch niedergelegt und dasselbe vom Herrn Superintendent Weinrich der Wittwe des am 19.August hierselbst verstorbenen Landwehr-Manns Franke als Unterstützung überreicht. Siehe die Beilage. Voigtmann ist 1847 hier geboren.
Da die asiatische Cholera in Leipzig und Halle bereits seit der Mitte des Juli stark aufgetreten war, so mußte man mit Grund fürchten, daß dieselbe nach siebzehnjähriger Abwesenheit auch in unserer Stadt wieder einmal ausbrechen würde. Es wurden daher Vorkehrungen getroffen, um wo möglich die drohende Gefahr abzuwenden; zu diesem Zweck ward eine Sanitäts-Commißion gebildet, welche am 26ten Julius ihre erste Sitzung hielt, und ferner noch am 13ten und 28ten August, am 24ten September, am 22ten October und am 16ten November deßhalb zusammen trat. Sie bestand aus dem Magistrats-Aßeßor Heinze als Vorsitzenden und den Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler, Dr Ideler, Dr. Laue, Apotheker Freyberg, Rector Giesel, Stadtverordneter Troitzsch und den Fabrikanten Schroeter und Starkloff. Da bekanntlich die Stuhlausleerungen der Cholerakranken und selbst solcher, die an dem geringerem Grad, der Cholerine leiden, die Träger des Ansteckungsstoffes sind, so wurde um diese unschädlich zu machen und mit Beseitigung der über riechenden Ausdünstungen zugleich den Keim der Cholera zu vernichten, die Desinfection Abtritte, Düngergruben und Nachtstühle mit Chlorkalk oder Eisenvitriol verordnet. Der Magistrat ließ die Desinfection der Abtritte und Düngergruben durch drei Arbeiter besorgen, und es wurden für den vom August bis October dazu in der Auflösung verwendeten Eisenvitriol so wie auch für Arbeitslohn an Kosten 110 Rtl. 22 Sgr. 4 Pf. aus der Kämmereikaße bezahlt Dieser wohlgemeinten Maßregel widersetzten sich anfänglich mehrere Hausbesitzer, fügten sich aber nach ergangener Androhung von Geldstrafe bis 3 Rtl. oder entsprechender Gefängnißstrafe. Ueber die Vorsichtsmaßregeln, welche Jeder zur Verhütung der Cholera in Hinsicht der Kleidung, Lebensweise und der Diät zu beobachten hat, wurden die nöthigen Belehrungen und Warnungen im Kreisblatt mitgetheilt. Am 18ten August erfolgte der Ausbruch der Epidemie, welche in der zweiten Hälfte des September ihren Höhepunkt und am 18ten October ihr Ende erreichte. Die Zahl der Erkrankten betrug 69, die der Gestorbenen 48.
Von diesen 69 Cholera-Kranken waren nach den Listen behandelt worden vom Kreisphysikus Dr. Kanzler 18, von welchen 12 starben, 2 vom Dr. Ideler, wovon 1 starb, 1 vom Dr. Buchholz, welcher starb, 38 vom Dr. Laue, von welchen 26 starben, 6 vom Dr. Rathmann, von denen 4 starben, und 4 von Kreischirurg Rudloff, welche sämmtlich starben. Im Vergleich mit der Cholera-Epidemie im Jahr 1849 war damals das Resultat in Betreff der Heilbarkeit der Krankheit ein günstigeres als jetzt, indem damals von 141 Kranken nur 42 starben. Der Verfaßer dieser Zeilen hatte in jener Epidemie allein 68 Kranke zu behandeln, von welchen nur 21 starben.
Was die Uebertragung der Cholera durch Ansteckung und Verschleppung betrifft, so war in der diesjährigen Epidemie besonders in zwey Fällen dieses bis zur Evidenz nachzuweisen. Gleich der erste Krankheitsfall am 18ten August bewies dies hinlänglich; es war nämlich der schon oben erwähnte Schumachermeister Friedrich Theodor Franke am genannten Tage gegen Abend hierher zurückgekehrt, wird in der Nacht von der Cholera befallen und starb am 19ten früh um 4 Uhr. Er war als Landwehrmann aus Böhmen gekommen, und hatte den Krankheitsstoff von dort mit hierher verschleppt, denn von nun an verbreitete sich die Krankheit bey uns immer mehr.
Der zweite, vom Verfasser dieser Zeilen selbst behandelte Fall ereignete sich im hiesigen Bürger-Hospital. Die Frau des Hausvaters Schumachermeister Weckerlee hatte nämlich schon seit längerer Zeit eine sechzehnjährige Tochter im Dorfe Stötteritz bey Leipzig bey einer Pflegemutter untergebracht, welche von der dort ebenfalls stark graßierenden Cholera ergriffen, von der Pflegetochter gewartet und am 23ten September gestorben war. Auf die Nachricht hiervon hatte nun die Frau Weckerlee nicht Eiligeres zu thun, als den 25 ten September nach Stötteritz zu reisen und ihre Tochter nebst deren Wäsche, Betten und Kleidungsstücken abzuholen und hierher zu bringen, wobey ich noch bemerken muß, daß in dem Sterbehause der Pflegemutter, so wie in dem Nachbarhause, welche beyde hoch liegen, einem Besitzer gehören und von lauter armen Familien bewohnt und überfüllt sind, bereits 18 Personen an der Cholera gestorben waren, mithin die Krankheit sehr contagiös war. Kaum war die Frau Weckerlee um 9 Uhr Abends im hiesigen Bürger-Hospital mit ihrer Tochter angekommen, so wird die letztere von der Cholera in sehr heftigem Grade befallen, so daß die geängstigte Mutter mich noch denselben Abend um halb 10 Uhr zu ihr ruft. Am anderen Tag war ihr Zustand schon besser, und am dritten den 27ten September war sie außer aller Gefahr und nach wenig Tagen wieder gesund. Am letztgenannten Tage kam aber Abends um 5 Uhr bey der Frau Weckerlee auch die Cholera in hohem Grade mit den heftigsten Wadenkrämpfen zum Ausbruch; die von mir verordneten Arzneymittel versagten ihre Wirkung und um 9 Uhr war die Kranke eine Leiche. Offenbar hat in diesem Falle zur Uebertragung des Ansteckungsstoffs und Erhöhung der Receptivität für denselben die große Angst und moralische Unruhe bey der Frau Weckerleee sehr viel mit beygetragen, denn sie wußte recht gut, daß kein Hospitalit einen anderen bey sich in der Anstalt, welche von 30 Personen bewohnt ist, beherberger darf; und daß sie, wenn die durch sie eingeschleppte contagiöse Krankheit sich in der Anstalt leicht möglicher Weise weiter verbreitet hätte, eine schwere Verantwortung vor der Hospital-Inspection gahabt haben würde. Die zu befürchtende Weiterverbreitung in der Anstalt habe ich durch strenge Desinfections-Maßregeln glücklich verhütet, wobey ich vorzüglich, wie in der Epidemie des Jahres 1849, den Chlorkalk in Gebrauch zog, welchem ich überhaupt vor dem Eisenvitriol unbedingt den Vorzug gebe, weil ich überzeugt bin, daß in allen den Mitteln, wo die Salzsäure Basis ist, eine große Kraft steckt die Contagien zu entkräften und zu zerstören; der Erfolg hat dies hinlänglich bestätigt. Endlich muß ich noch erwähnen, daß das im Jahr 1860 sehr zweckmäßig eingerichtete Leichenhaus (vid.pag.349) sich in der diesjährigen Epidemie als sehr nützlich und nothwendig bewährt hat; denn die Cholera-Leichen wurden nach 12 Stunden in daßelbe transportirt, und dann nach eingetretener Fäulniß von dort aus auf dem Gottesacker in der Stille beerdigt.
Für die durch den Krieg beschädigten Einwohner des Amtes Kaltennordheim im Weimarischen Lande wurde eine Collecte veranstaltet, welche 25 Rtl einbrachte. Der Lehrer Band an der höheren Bürgerschule wurde im Juli als erster Lehrer der höhern Töchterschule in Angermünde erwählt, und ging zu Michäelis dorthin ab. An seine Stelle trat hier der Candidat des höheren Schulamts Bahmann. Nachdem am 30ten August der Friede zwischen Preußen und Oesterreich zu Prag, und am 2Iten October der Friede zwischen Preußen und Sachsen in Berlin durch Verträge zum Abschluß gebracht und somit der Krieg in Deutschland überall beendigt war, befahl der König am 28ten October, die Feier des Friedensfestes in allen Kirchen seines Landes den llten November, am 24ten p.Trinit. durch einen festlichen Dankes-Gottesdienst zu begehen, was auch in unserer Stadt geschah, worüber der Leser wie über die ganze Feier auf die angefügten No.136 und 137 des Kreisblatts verwiesen wird.
Am 24ten November starb im hiesigen Bürger-Hospital der Drechslermeister Christian Gottlieb Wuerker, 81 Jahre alt. Er hatte in dieser Anstalt 33 Jahre gewohnt, war ein stiller, gutmüthiger Sonderling, auch in seiner äußern Erscheinung, lebte höchst einfach und sparsam, und hatte, wie man hörte, von seinen Aeltern ein kleines Vermögen von vielleicht 150 Rtl. geerbt. Wie groß war daher das Erstaunen, als man bey der nach seinem Tode von dem Hospital-Vorsteher Weidenhammer und dem Hausvater Weckerlei vorgenommenen Inventur seines guten Nachlaßes an Wäsche, Betten und Kleidungsstücken noch außerdem 337 Rtl. in lauter einfachen und Doppelthalern vorfand. Da nach den Statuten der Nachlaß eines jeden Hospitaliten der Anstalt zufällt, so erhielt dieselbe in diesem schon einmal 1696 hier vorgekommenen Falle eine ganz unerwartete, nicht unbedeutende Erbschaft. Der Verstorbene hatte, um noch etwas nebenbey zu verdienen, eine lange Reihe von Jahren in der Zeit der Aerndte bey benachbarten Rittergutsbesitzern und Bauern der Feldhüter und Obstwächter gemacht, und den dafür erhaltenen Lohn gesammelt, ohne ihn auszuleihen.
Wegen Mangels eines Klassenlokals und um für die Zukunft die nöthigen Klassenlokale zu gewinnen, wurde das Mädchen-Schulgebäude um ein Stockwerk übersetzt. Die Kosten dafür betrugen 3,000Rt1 und wurden mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten von Witzleben aus den Ueberschüssen der Sparkasse entnommen.
Neue Wohnhäuser wurden gebaut von dem Handarbeiter Heinrich Keller an der Dübener Straße, dem Mühlenbesitzer Louis Dittmar, dem Posthalter August Scharff und dem Maurergesellen Franz Edler an der Promenade links vor dem breiten Thore, dem Schiefer —und Dachdeckermeister Robert Uhlig und dem Schuhmachermeister Friedrich Kunze zwischen der Dübener und Eilenburger Straße, dem Viehkastrirer Karl Kunze in der Lindenstraße, dem Bahn- meister Wilhelm Kittel und dem Zimmermeister Ludwig Gieseler in der Bahnhofstraße und von dem Oekonom Wilhelm Fritzsche in der Halleschen Straße ein Hintergebäude als Wohnhaus.
In diesem Jahre sind 334 Kinder geboren (worin 14 Todtgeborene und 49 Uneheliche) und 347 Personen verstorben (worunter in den ersten fünf Lebensjahren 195 und im Alter von 60 bis 90 Jahr 57).
Die Getreidepreise betrugen.
am 3.März
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf
Roggen 1 Rd. 28 Sgr. 9 Pf 2 Rtl.
Gerste 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 18 Sgr. 9 Pf
Hafer 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf 1 Rd. 3 Sgr. 9 Pf
am 11.August
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 11 Sgr. 3 Pf bis 2 Rtl. 15 Sgr.
Roggen 2 Rtl. 5 Sgr. 2 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf.
Gerste 1 Rtl, 15 Sgr. 1 Rtl. 16 Sgr. 3 Pf
Hafer 1 Rtl. 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf
Die Kosten für die Unterhaltung der 108 Laternen an Gas betrugen diese Jahr 687 Rd. Die höhere Bürgerschule ward in diesem Jahre von 158 Schülern besucht. In diesem Jahre wurden 1,037 Rtl. 22 Sgr. 5 Pf für Instandhaltung der Spritzen und Löschgerätschaften verwendet; für den Neubau des Steigerhauses allein im Hofe des Mädchenschul-Gebäudes erhielt der Zimmermeister Gieseler 325 Rtl. Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Armen-Kaße für dieses Jahr wieder 550 Rtl. Zuschuß.
Der Communförster Karl Friedrich Pabst ward auf sein Ansuchen in diesem Jahre mit einer jährlichen Pension von 183 Rtl. pensionirt, und trat vom 1.November ab der bisherige Königliche Hülfs-Aufseher Ernst Gustav Herrmann Köring zu Dietendorf bei Zeitz an seine Stelle. Derselbe bezieht außer freier Wohnung und der Schankgerechtigkeit Nutzung des Grases und der Holzfrüchte, Holzdeput und Anweisegeld von 1 Sgr. pro Thaler ein jährliches Gehalt von 175 Rtl. An die Stelle des am 12ten Mai des Jahres verstorbenen Bauverwalters Riemenmeister Johann Christian Heinrich Peisker wurde der Gürtlermeister Karl Krause ( in der Halleschen Straße) angenommen und derselbe am 1.August verpflichtet.
Am 17ten November tobte ein heftiger Sturm aus Westen. (Barometer niedrig)
1867
Von Neujahr des Jahres ab wird die bisher in den Thoren unserer Stadt erhobene Pflastergeleits-Abgabe nicht mehr erhoben.
Zu Anfang dieses Jahres mußte der Kaufmann Johann Samuel Schumann das Amt eines Vorstehers der hiesigen Stadticirche und der damit verbundenen Kirchenlcaßen-Rendantur niederlegen, weil derselbe seit dem 6ten Julius vorigen Jahres in Concurs verfallen ist, und nach dem Gesetz keiner, der Bankrott gemacht hat, ein solches Amt ferner verwalten darf. Schumann ist übrigens ein naher Verwandter des Bürgermeisters Hagedorn, und hat dieses Amt seit dem lten Januar 1862 verwaltet. Daßelbe ist nun dem Kaufmann Ferdinand Zeising übertragen worden.
Nach Wegfall des Pflastergeleits wurden, und zwar das Breitethorhaus an den Schuhmachermeister Gottlob Kunze für 1,600 Rtl. (welcher dasselbe abbrechen ließ und ein neues schönes übersetztes Wohnhaus dahin erbaute), das Hallesche Thorhaus zum Abbruch an den Glasermeister Ferdinand Scheibe für 130 Rtl. im öffentlichen Bietungstermine meistbietend verkauft. Das Leipziger Thorhaus wurde vermiethet.
Dem Königl. Landrath von Rauchhaupt auf Storcicwitz und dem practischen Arzt Dr. Buchholz hierselbst wurde von Seiner Majistät dem König in Anerkennung der während des Feldzuges um die Pflege verwundeter oder erkrankter Krieger erworbenen Verdienste, der Kronen-Orden vierter Klasse verliehen.
Am Sonntage Judica (den 7. April) fand die Einweisung des Diaconus Blankmeister (bisher Hülfsprediger in Döbernitz) durch den Superintendenten Weinrich statt.
Von Neujahr dieses Jahres ab das Gehalt des seit dem 31.März 1860 bei der hiesigen städtischen Sparkasse angestellten Assistenten Friedrich Julius Braune von jährlich 240 Rt1 auf 300 Rtl. erhöht.
Am 10.Mai früh gegen 4 Uhr brach in der Dörfchenmühle in der dortigen Lohmühle Feuer aus und legte dieselbe, sowie die dabei befindliche Wasser- Mühle in kurzer Zeit in Asche. Den angestrengten Bemühungen der von allen Seiten herzugeeilten Löschmannschaflen gelang
es, das hart angrenzende Wohnhaus und die daneben stehende Scheune zu retten. Wie verlautet, war das Mühlengrundstück nicht versichert und ist demnach der entstandene Verlust nicht unerheblich. Auch bei dieser Gelegenheit hat sich die Turner-Feuerwehr ausgezeichnet.
Zu den Seite 389 aufgeführten Unterstützungsgeldern von 4,190 Rd 11 Sgr. 4 Pf kamen noch bis 26.Juni dieses Jahres hinzu 52 Rtl 17 Sgr. 10 Pf., sodaß die Gesammt- Einnahme betrug 4,242 Rtl 29 Sgr. 2 Pf. Hiervon wurden bis zu obigem Tage verausgabt an Zuschüssen zur Erhaltung des Lazareths, Unterstützungen an Verwundete und Wittwen von Gefallenen, Cigarren und Tabak pp. 1,370 Rtl. 11 Sgr. 8 Pf., sodaß ein Bestand verblieb von 2,872 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf, welcher auf hiesiger städtischer Sparkasse deponirt ist.
In den Morgenstunden des 23. Und 24. Mai früh gegen 5 Uhr hatten wir die um diese Zeit seltene Erscheinung eines nicht unbedeutenden Schneefalls; das Thermometer stand blos — 2 Reaumur.
Seit 1. August dieses Jahres wurde für hiesige Gas-Anstalt der Gastechniker Friedrich Bendert mit einem jährlichen gehalt von 500 Rtl. und freier Wohnung als Gas-Inspector angestellt und der bisherige Gasmeister Herrfurth entlassen, da des letztern Stelle unnöthig wurde.
Am 4. August ist unserer Feuerwehr ein großer Wunsch erfüllt worden. Sie empfing eine neue Zubringer-Spritze von Baldauf in Chemnitz, welche für den Preis von 308 Rtl. von der Kämmereikasse angekauft worden ist. Um diese Spritze zu probieren und zu übernehmen, war eine größere Uebung der gesammten Compagnie früh 1/4 6 Uhr angesetzt, der unsere städtischen Behörden und die Lösch-Deputation beiwohnten, und bei welcher die meist vorkommenden Exercitien ausgeführt wurden Nach diesen rückte die Compagnie nach dem Halleschen Thore zu der eigentlichen Probe der neuen Spritze. Bei Anlage von 100 Fuß Schlauch trieb die Spritze den Strahl bis auf das Dach des Halleschen Thurmes. Die Kraft des Strahls war ferner so stark, daß, als derselbe auf die Stadtmauer gerichtet wurde, von daher in wenigen Secunden ein Stück zusammenstürzte. Alles war so vollkommen mit der Leistung dieser Zubringer-Spritze zufrieden, daß solche unter der nöthigen Garantie von Herrn Baldauf übernommen und der Feuerwehr übergeben wurde, welche nun im Besitz zweier ausgezeichneter Werke ist Für die Hinterbliebenen der am 1.Juli des Jahres auf der Neuen Fundgrube bei Lugau inm Königreich Sachsen durch den Schacht-Einsturz verunglückten 102 Bergleute sind bei uns durch eine Collecte 101 Rtl. 17 Collecte für Lugau Sgr. 1 Pf. eingekommen, welche an das dortige Hülfs-Comite abgeliefert wurden.
Am 19. August brach in der im Königreich Sachsen gelegenen Gebirgsstadt Johanngeorgenstadt Feuer aus, welches einen großen Theil der Stadt in Asche legte. Für die Beschädigten wurde in unserer Stadt eine Collecte ausgebracht auf Veranlassung des Königl. Ministerii, welche einen Ertrag von 46 Rtl. 23 Sgr. 4 Pf ergab, der an das Königl. Landraths-Amt zur Weiterbeföderung abgeliefert wurde. Außerdem war hier selbst ein großes Vocal- und Instrumental-Concert (bei welchem sämmtliche hiesigen Gesangsvereine mitwirkten) unter Leitung des Cantor Thierbach veranstaltet worden, dessen Einnahme mit 42 Rtl. 3 Sgr. 6 Pf. direct dem Comite in Johanngeorgenstadt zugesandt wurde. Ferner waren durch die Redaction des hiesigen Kreisblattes an Beiträgen zusammen 118 Rtl. 22 Sgr. 9 Pf, sowie 5 Packete Sachen eingesammelt und ebenfalls dem Hülfs-Comite in Johanngeorgenstadt übersendet worden.
Am 19. September Nachts gegen 12 Uhr ertönte Feuerlärm in unserer Stadt. Im Locale der hiesigen Schuhmacher-Association im Hause des Schuhmachermeisters Wilhelm Brendecke in der Zscherne, welcher Lagerhalter der Association ist, war Feuer ausgebrochen, welches aber durch schnell herbeigeeilte Hülfe sofort gedämpft wurde. Trotzdem soll der verursachte Schaden in jenem Warelager ein sehr bedeutender sein, da durch die große Hitze ein Theil der Waaren unbrauchbar geworden ist. Nach einigen Tagen wurde der Brendecke wegen Verdachts der Brandstiftung durch das hiesige König]. Kreisgericht verhaftet und zur Untersuchung gezogen, später aber wieder entlassen, und freigesprochen.
Der Organist Grellmann erhielt für den Organistendienst in der Hospitalkirche von Michäelis diese Jahres ab jährlich 8 Rt1 aus der Hospitalkasse als Besoldung.
Am 21. September wurde der Neubau der Kirche nebst Pfarre-und Schulwohnung für die hiesige katholische Gemeinde gerichtet. Mit der Ausführung des Baues sind der I. Creisbaumeister Lipke, der Maurermeister Taneck und der Zinzenermeister Pannicke betraut. Die Kosten des Baues wurden durch Liebesgaben bestritten.
Sonntag den 6ten October früh 5 Uhr brach in der Scheune des Mühlenbesitzers Höhnemann in Gertitz Feuer aus, welches dasselbe mit den Erntevorräthen in kurzer Zeit einäscherte. Den angestrengtesten Bemühungen, besonders der hiesigen Turner-Feuerwehr gelang es das angrenzende Wohnhaus zu retten.
Am 15ten October Abends gegen 10 Uhr starb der Bürgermeister Carl Hagedorn im 50ten Lebensjahre. Derselbe war geboren in Nordhausen den löten Februar 1818, und war bisher Polizeysecretär in Roßla, von wo er als von den damaligen zwölf Stadtverordneten mit acht Stimmen erwählter Bürgermeister hierher kam, und am 2ten Januar 1850 in sein Amt eingeführt und verpflichtet wurde. Obgleich er nicht Jurist und überhaupt kein Gelehrter war, so besaß er doch eine gute geistige Befähigung und Bildung, wie auch eine bedeutende Geschäftsgewandheft. Aber in seiner Amtsverwaltung war er oft nachläßig, und, was die hauptsache ist, in dem städtischen Haushalte zum großen Unglück für unsere Stadt kein guter Finanzvvirth. Als der selige Bügermeister Securius am lten Januar 1850 sein Amt niederlegte, betrugen die Stadtschulden 18000 Rtl., und bey dem Tode des Bürgermeister Hagedorn nach ebenfalls achtzehn Amtsjahren circa 91000 Rtl. mithin 73000 Rd mehr, wovon allein beynahe 40000 Rtl. auf das gefährliche spekulative Unternehmen des Braunkohlenwerkes kommen, wobey der pp.Hagedorn besonders aber auch sein eignes Intereße mit im Auge hatte, indem er sich schon vorher, noch ehe daran zu denken war, daß das Werk in Betrieb kommen würde, von den zu hoffenden Gewinn- Ueberschüßen zehn Procent ausbedungen hatte, welche ihm aber die Königl. Regierung in Merseburg strich. Das bedeutende, auf das Kohlebergwerk verwendete Kapital, ist leider! ganz nutzlos verschwendet worden und unserer Commun für immer verloren gegangen; unserer Bürgerschaft und den übrigen Einwohnern ist zur Bezahlung der Zinsen dieses Kapitals seit dem lten April 1859 (vid.pag. 318) eine neue Communal-Steuer vom Magistrat auferlegt worden; das Kapital selbst ist aus der hiesigen städtischen Sparkaße, welche unser Rettungsanker in der Noth ist, geliehen worden. (vid.pag. 366). Sehr ist auch zu bedauern, daß, nachdem das ganze Unternehmen längst verunglückt und buchstäblich zu Wasser geworden ist, unsere Kämmerei-Kaße noch jetzt und in alle Zukunft jährlich mindestens 100 Rtl. sogenannte Auskohlungsgelder an mehrere Feldbesitzer zu bezahlen hat, weil der pp. Hagedorn vergeßen hatte in dem Contrackt mit den Feldbesitzern zu bemerken, daß, wenn das Kohlenwerk nicht in Betrieb käme, diese Gelder selbverständlich wegfielen. So ist auch noch dieses Unglück dazu gekommen.
Das zweite großartige von dem pp. Hagedorn angeregte und eifrigst betriebene Unternehmen war die Errichtung einer Gasbeleuchtungs-Anstalt im Jahre 1865, deren Baukosten 35000 Rtl. betragen, von welchen 30000 Rtl. bey der Leipziger Feuer-Versicherungs-Gesellschaft dazu geborgt wurden. Bis jetzt hat diese Anstalt der Commun noch sehr wenig reinen Gewinn eingebracht, zumal da immer noch Reparaturen und Baulichkeiten dabey vorgekommen sind, und manche kein Gas mehr brennen; wir wollen hoffen und wünschen, daß es in Zukunft beßer wird. Das dritte vom pp. Hagedorn ausgeführte Projekt ist die Einrichtung der Kellerräume unter dem Rathhause zu einer Rathskellerwirthschaft, welcher Bau 1000 Rtl. gekostet hat und im Sommer 1863 vom Maurermeister Voigt übernommen wurde. Der Pächter erhielt eine Wohnung in dem gleichzeitig an der Stelle des Marstall-Gebäudes auf dem Rathhaushofe erbauten Hintergebäude. Die gehegten Erwartungen von dem Ertrag der Kellerwirthschaft giengen aber nicht in Erfüllung, indem bis jetzt kein Pächter lange bestehen konnte, und der Pacht in der kurzen Zeit von vier Jahren von 220 Rtl. auf 80 Rtl. herab gesunken ist.
In Delitzsch ist übrigens diese Keller-Wirthschaft niemals im Rathhause selbst eingerichtet, sondern immer nur im Hause eines Bürgers, welcher sie pachtete, gewesen; von jeher hat man nur in kleinen Städten und Marktflecken diese Einrichtungen im Rathhause selbst gefunden. Es scheint ferner mit dem Ansehen eines solchen Hauses, in deßen Paterre-Räumen der Magistrat und in der ersten, zweiten und dritten Etage ein höheres Dicasterium (Gerichtshof) ihren Sitz haben, gar nicht recht vereinbat zu seyn, wenn in den Souterrains sich eine solche Kellerwirthschaft und Kneipe vorfindet. - Was unter der Verwaltung des Bürgermeisters Hagedorn zur Erweiterung unserer Schulen durch Neubaue und Vermehrung der Lehrkräfte geschehen ist, war unbedingt nothwendig; so wurde im Jahr 1857 die neue Knabenschule am Gerberplan mit einem Kostenaufwand von 20500 Rtl. erbauet; dieses Kapital wurde nebst 2720 Rtl. Zinsen in den sieben Jahren von 1860 bis 1866 aus den Ueberschüßen der städtischen Sparkasse mit Genehmigung des Herrn Oberpräsidenten von Witzleben nach und nach ganz getilgt. Ebenso wurde auch, um noch zwey geräumige Klaßen-Locale zu erhalten, im Jahre 1860 die Vorstadtschule mit einem Kostenaufwand von 1500 Rtl um ein Stockwerk übersetzt, so wie endlich noch ihm Jahre 1866 die Mädchenschule, um bey der stark zunehmenden Bevölkerung mehrere nöthige Klaßen-Locale zu gewinnen, mit einem dritten Stockwerk übersetzt, wofür die Kosten 3000 Rtl. betrugen, und ebenso aus den Ueberschüßen der Sparkasse entnommen wurden. In den 1854 und 55 wurde auch der Neu—und Umbau des Bürger-Hospitals ausgeführt, welcher 8000 Rtl. kostete, und im Jahre 1864 erhielt die schöne Kirche deßelben eine neue Orgel, worüber, wie über die Verbesserung der Schulen, jeder wahre Menschenfreund sich nun freuen kann, zumal da die Mittel dazu vorhanden waren, und keine Schulden deßhalb gemacht zu werden brauchten, denn unser Hospital hat deren keine, und in der Einrichtung deßelben ist nichts weiter zu wünschen übrig, als daß die Bewohner dieser trefflichen Anstalt noch das Brod bekommen, um das wir alle täglich Gott bitten, was aber wegen des jährlichen Zuschußes von 200 Rtl. zur Kinder-Bewahr-Anstalt bis jetzt leider noch nicht möglich geworden ist. Zieht man nun einen Vergleich zwischen der achtzehnjährigen Verwaltung des seligen Bürgermeister Securius und der ebenso langen seines Amts-Nachfolgers Hagedorn, so ergiebt sich von selbst, daß der erstere ein ausgezeichneter Finanzwirth war, daß zu seiner Zeit bey halb so viel Einkünften es doch in der Kämmerei-Kaße niemals an Gelde fehlte, daß er stets den Grundsatz befolgte seinen Mitbürgern alte Communal-Abgaben abzunehmen, aber keine neuen aufzulegen; als Beweise dafür müssen angeführt werden; daß im Jahre 1834 das Schutzgeld und vom lten Januar des Jahres 1848 das Schoß- und Wächter-Geld, welches letztere jährlich der Kämmerei-Kaße 386 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. einbrachte, für immer wegfielen; daß ferner die Stadt-Kriegsschuld von 7980 Rtl. , welche der pp. Securius bey seinem Amtsantritt vorfand, bis zum Jahre 1839 getilgt wurde; daß endlich im Jahre 1848 der 1474 Rtl. 24 Sgr. 2 Pf. betragende Kosten- Antheil unserer Stadt-Commun für die Erneuerung des Daches der Stadtkirche auf der Mittags-Seite mit Genehmigung der Königl. Regierung aus der Kämmerei-Kaße, weil Geld da war, entnommen werden konnte, wodurch den Einwohnern eine große Erleichterung gewährt wurde. Die drei Schöpfungen des seligen Securius, nämlich die Einzel-Verpachtung des Commun-Gutes, die Errichtung der Sparkaße. Beyde im Jahre 1848, und die Uebersetzung des Rathhauses mit noch zwey Stockwerken im Jahre 1849, sind noch heute die reichsten Segensquellen und Retter für unsere Commun. Von der Verwaltung des Bürgermeisters Hagedorn können solche erfreulichen Nachrichten leider nicht berichtet werden; wenn wir auf der einen Seite der Wahrheit gemäß das bereits erwähnte Gute, was er gewirket hat, gern anerkennen, so ist doch aber auf der andern Seite durchaus nicht zu leugnen, daß derselbe durch die von ihm eifrig betriebene Ausführung zweyer großartiger spekulativer Projecte, des verunglückten Braunkohlenwerkes und der bis jetzt noch wenig rentirenden Gasbeleuchtungs-Anstalt, eine sehr drückende Schuldenlast unserer Commun aufgebürdet und dadurch ihre Finanzen im Vergleich gegen ihren früheren blühenden Zustand zerrüttet hat, wovon die traurigen Folgen noch in das künftige Jahrhundert sich hinüber ziehen werden. Den Eingeborenen, welcher wahre Liebe zu seiner Vaterstadt hat, berührt dies schmerzlich, den Fremden in der Regel nicht. Möge unter der neuen Verwaltung Gottes reichster Segen als Folge weiser, dringend gebotener, Sparsamkeit recht bald wieder bey uns einkehren!
Am 24ten November erreichte bey hellem und trockenem Wetter das Barometer beynahen den Höchsten Stand, 28,10, und am lten December fiel es auf 27. Am 9ten und lOten war starker Schneefall, am 1 lten Thauwetter und Sturm, am 13ten, 14ten und 15ten tobte wieder heftiger Sturm.
Für die Kirschen an der neuen Straße bis bei Schleicher, sowie an der Leipziger-Brodauer Straße und am Döbernitzer Wege wurden in diesem Jahre 215 Rtl. , für die an der Dübener und Eilenburger Straße 45 Rtl. , am Schießplatze 17 Rtl. , am Gertitzer und Zschernitzer Wege 37 Rtl. 15 Sgr., von der Pflaumenplantage im Hain 62 Rt1 und für die Pflaumenplantage mit Grund und Boden an der Weintraube 123 Rtl. 2 Sgr. Pacht bezahlt.
Die höhere Bürgerschule wurde in diesem Jahre von 162 Schülern besucht.
Die diesjährige Ernte war eine gute Mittel-Ernte, doch sind die höheren Getreidepreise, welche wir schon einige Zeit haben, nicht gefallen, sondern sogar noch gestiegen, da in mehreren Gegenden, unter andern in Ostpreußen, Mißernte war. Bei uns gab es auch sehr viel Obst, besonders Aepfel, Birnen und Pflaumen. Der Scheffel Pflaumen kostete 1 Rtl. bis 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf.
Das Reformationsfest wurde, da es das 350 jährige Jubiläum war, auf Verordnung des Königl. Consistoriums zu Magdeburg Donnerstag am 31. October durch Vormittags—und Nachmittags-Gottesdienst festlich begangen. Mit dem Beginn des Geläutes der Glocken von der Stadtkirche früh 9 Uhr begaben sich vom Rathhause aus im festlichen Zuge die Geistlichkeit, die Magistrats- und Gerichtsbeamten, Gemeinde-Kirchenrath, sowie Stadtverordnete und Lehrer, unter Vorantritt der Knaben und Mädchen aus den ersten Klassen der hieseigen Schulen in die Stadtkirche, deren Portal mit Guirlanden geschmückt war. Die Jubelpredigt hielt an Stelle des inzwischen erkrankten Superintendent Weinrich der Diaconus Blankmeister. Als Kirchenmusik ward ein Psalm von Otto aufgeführt.
Die Stadt Delitzsch hatte bei der am 3.December vorgenommenen allgemeinen Volkszählung 7989 Einwohner. Die Häuserzahl (incl. Kirchen und Anstalten) betrug 645. Am 3. December früh fand man im Stadtgraben zwischen den Kastanienbäumen und dem Haßertschen Grundstück, Pfotenhauers Zwinger gegenüber, den Leichnam des Steinsetzermeisters Nuhahn aus der Grünstraße ertrunken liegend. Er war wahrscheinlich in der Frühe, um der Arbeit nachzugehen, wo es noch dunkel war, bei der sehr stürmischen Witterung dort hineingefallen. Er war den Spirituosen zugethan, doch vermuthet man eine Selbstentleibung nicht.
Am 30. December fand Seitens der Stadtverordneten-Versammlung die Bürgermeisterwahl Bürgermeister-Wahl statt; es wurde zum Bürgermeister hiesiger Stadt der Stadtrath, frührer Gerichts-Assessor Waldemar Born in Nordhausen gewählt. Der Vater desselben ist Pastor in Flemmingen bei Naumburg und der Großvater war Pastor in Brinnis. Siehe den Brief des Prediger Baltzer.
Das Vermögen der Stadtkirche Set. Petri et.Pauli betrug am Schlusse dieses Jahres 24,897 Rtl. 22 Sgr. 11 Pf ( incl. 1,075 Rtl. Meischnersches Legat und 7,375 Rtl. mit 25 % Kapitalisirter Werth der Erbzinsen), das des 1833 neu eingerichteten Pfarrkapitals 1,694 Rtl., der von Luckowennschen Legatenkasse 6,991 Rtl. 20 Sgr., der Archidiaconats-Vacanzkasse 123 Rtl. 7 Sgr. und der Diaconats-Vacanzkasse 278Rtl. 24 Sgr. 8 Pf.
Es sind in diesem Jahre 345 Kinder geboren (worunter 36 Uneheliche) und 214 Personen gestorben (worunter 2 über 90 Jahre).
Der Lehrer Wernicke (aus Eilenburg gebürtig) kam an die Vorstadtschule in eine neu dotirte Lehrerstelle.
Es wurden in diesem Jahre neu Wohnhäuser gebaut von dem Handarbeiter Franz Hönicke, dem Weichensteller Friedrich Klepzig, dem Steinhauer Friedrich Zwanzig, dem Zimmermann Friedrich Wilhelm Dietrich, dem Zimmermann Karl Zeising, dem Cigarrenmacher Wilhelm Letzel (genannt Heßler), sämmtlich in der Nähe des Bahnhofs, sowie von dem Schuhmachermeister Gottlob Kunze (am Breitenthore), dem Fabrikant Gustav Krieg in der Leipziger Vorstadt (Wohn-und Fabrikgebäude), dem Müllermeister Ferdinant Donath in der Halleschen Straße (Umbau eines Seitengebäudes des früheren Christian Friedrich Schmidtschen ausgrundstücks zu einem Wohnhause), dem Maurerpolier August Böttcher in der Grünstraße; endlich erbaute Bischöfliche Stuhl in Paderborn für hiesige kleine katholische Gemeinde eine Kirche nebst Pfarr- und Wohnhaus(vide S.402.), wozu im August der Grundstein unter besonderer Sicherheit gelegt worden ist.
Die Stadt-Commun kaufte, um die Straße von dem Galgthore bis zum Bahnhofe in eine gerade Richtung zu bringen und um die Straße an dieser Stelle breiter zu machen, von der Wittwe Dietrich das derselben gehörige, an der Ecke der Querstraße gelegene Wohnhaus laut Kaufs vom 18ten April 1867 für 1,525 Rtl. Das Haus wurde einstweilen vermiethet.
Die Stadt-Commun kaufte zur Anlegung einer Straße und zur Ablassung von Baustellen an Bauunternehmer laut Kaufs vom lten April des Jahres von dem Apotheker August Friedrich Ludwig Vorpahl in Halle dessen hierselbst belegenes Feldgrundstück von der Ziegelbreite auf der Sandmark von 3 Morgen Feld zwischen der Dübener-und Lindenstraße für 2200 Rtl. Aus dem Kreis-Armen-Fond erhielt die Armenkaße für dieses Jahr wieder 550 Rtl. Zuschuß.
1868
Dem Lehrer der neuem Sprachen an der hiesigen höheren Bürgerschule, Herrn Kayser, ist von dem Hr.Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medecinal- Angelegenheiten das Prädicat „Ober-Lehrer" beigelegt worden. In diesem Jahr sollte die hiesige höhere Bürgerschule zu einer Realschule I.Ordnung umgestaltet werden, allein da die Zinsen von dem vom Herrn Oberpräsidenten der Provinz Sachsen genehmigten Dotationsfond noch nicht zur Bestreitung der Kosten ausreichen, so wurde davon Abstand genommen und soll die Errichtung der Prima erst in zwei Jahren stattfinden, zu welcher Zeit der erwähnte Dotattionsfond die entsprechende Höhe haben wird. Der Letztere war aus den Gewinn-Überschüssen der Sparkasse vom Oberpräsidenten auf Höhe von 12,000 Rtl., genehmigt worden und da über 6,000 Rtl. pro 1867 wieder vorhanden waren, so kam man bei dem Oberpräsidenten dahin ein, daß diese 6,000 Rtl., welche über die statutenmäßige Höhe des Reserve-Fonds der Sparkasse vorhanden wären, ebenfalls zu dem Schul-Dotationsfond verwendet werden können, was genehmigt wurde. So wurde denn in diesem Jahre aus dem Reservefond der Sparkasse zur Kämmereikasse zur Bildung eines eigenen Schuldotationsfonds" 18,000 Rtl. überwiesen, deren Zinsen zur Schulunterhaltung verwendet werden sollen.
Vom Anfang dieses Jahres an haben folgende Lehrer Gehalts-Zulagen erhalten, nämlich- Diedicke, Bader und Beyer je 30 Rtl., Schubert und Klein je 25 Rtl., Breder 20 Rtl.; und außerdem Rocke und Kiemstedt je 20 Rtl. Gratifikation . Am 23ten März fand unter dem Vorsitze des Herrn Superintendenten Weinrich, den die Königliche Regierung mit der Stellvertretung des behinderten Departements-Rathes beauftragt hatte, der mündliche Theil der Prüfling der diesjährigen Abiturienten unserer höheren Bürgerschule statt, dem schon vor einigen Wochen der schriftliche Theil vorangegangen war. Auf Grund der schriftlichen und mündlichen Prüfung wurden sämmtliche fünf Schüler, die sich dem Examen unterzogen, fiir reif erklärt, und zwar erhielten zwei derselben das Prädicat „genügend bestanden", einer „gut bestanden", zwei derselben sogar die Censur „vorzüglich bestanden".
Am 2ten April Vormittags 11 Uhr fand die öffentliche Einführung des von der Königl. Regierung zu Merseburg bestätigten Bürgermeisters Born durch den Königl. Landrath von Rauchhaupt im hiesigen Rathhaussaale statt.
Am 14ten April verließ uns der Rector Giesel, Dirigent sämmtlicher hiesiger Schulen, um das Amt des Director der Realschule zu Leer in Ostfriesland in der Provinz Hannover zu übernehmen. Derselbe hat sich um die Gründung und Hebung unserer höheren Bürgerschule während seiner zehnjährigen Amtsführung große Verdienste erworben.
Im April war auf Ersuchen beim Ministerium des Cultus der Geheime Regierungs-und Schulrath Wiese aus Berlin hier anwesend, um die höhere Bürgerschule zu prüfen. In Folge dessen wurde dieselbe durch Ministerial- Rescript zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Qualification zum einjährigen Freiwilligen Militairdienst für berechtigt erklärt.(Militair-Ersatz-Instruction vom 26ten März 1868 §.154 Nr. 2£) Nachträglich ist hier noch zu bemerken, daß nach Abgang des Rector Giesel der Ober-Lehrer Kayser die Leitung der höhern Bürger- (Knaben) Schule erhalten hat und ihm auch die Dienstwohnung des Rectors Giesel überwiesen worden ist.
Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute in Neu-Iserlohn in Westphalen wurden auch hier freiwillige Gaben durch die Expedition des Kreisblattes eingesammelt und nach und nach in Summa 67 Rtl. an das Hülfs-Comite in Neu-Iserlohn abgesendet.
Seit dem März bis mit 11 ten Juli wurden für die Nothleidenden in Ostpreußen Beiträge gesammelt und nach und nach 511 Rtl. 4 Sgr. 3 P£ von dem hiesigen Hülfs-Comite an den Herrn Regierungs-Präsident Rothe in Merseburg zur Weiterbeförderung abgesendet.
Im Monat Juli wurde ein alter Mutter-Schwan, dem Fischerei-Pächter (Sattlermeister Ch. Rotntiger gehörig) von zwei Schülern der höhern Bürgerschule, einem Sohne des hiesigen Faktors Schimpf und einem Sohne des früher in Döbemitz, seit vorigem Jahre bei Lützen angestellten Schullehrers Böhmichen, mit großen starken Steinen geworfen, sodaß dem armen Thiere der obere Knochen des einen Flügels ganz zerschmettert wurde und er in Folge dieser Verwundung starb. Dieser ruchlose Frevel erregte allgemeine Entrüstung, die Sache kam deshalb beim Königl. Kreisgericht zur Verhandlung und wurden beide Knaben ein Jeder mit zwei Tagen Gefängniß bestraft. Die Eltern hatten dem Meister Ronniger Schadenersatz (mit 25 Rtl.) geleistet.Einige Wochen später, am 13ten August, sind von den auf dem Stadtgraben befindlichen jungen Schwänen vier und einige Tage später noch ein alter Schwan von ruchloser Hand vergiftet geworden. Die Thäter sind in diesem letztem Falle leider, trotzdem, daß der Fischereipächter, Sattlermeister Ronniger 10 Rtl. Belohnung auf die Entdeckung derselben gesetzt hatte, nicht ermittelt wurden.
Für die höhere Töchterschule, sowie 1.und 2 Bürgerschule wurde in der Person des Dr. phil.Friedrich Bartels in Göttingen ein Rector mit einem Gehalte von 500 Rtl. vom lten September angestellt und derselbe Montag den 14ten September in der Aula der ersten Bürgerschule durch den Superintendenten Weinrich eingeführt.
Sonnabend den 19. September Mittags zwischen 12 und 1 Uhr brannte ein kleines Wohnhaus im Gehöft des Kohlenhändlers und Hausbesitzers Friedrich Karl Paatz in der Grünstraße (Haus-Nr. 452) bis auf die Umfassungswände nieder. Durch den schadhaften Schornstein war das Feuer auf dem Oberboden herausgekommen. Leider ging dadurch fast die ganze Habe der darin wohnenden armen Müllerschen Familie verloren.
Die Handwerker-Fortbildungsschule wurde Sonntag den 18ten October für das Winterhalbjahr 1868/69 wieder eröffnet. Das Schulgeld beträgt monatlich für Lehrlinge 1 Sgr. 3 Pf., für alle anderen Theilnehmer aber Fortbildungsschule 3 Sgr.
Die am 27ten Mai des Jahres hier verstorbene verwittwete Frau Stadtschreiber Schlockwerder, Therese Pauline geb.Krieger, hat in ihrem Testamente vom 24ten Mai, publiciert loten Juni, der Armenkasse hiesiger Stadt ein Legat von 100 Thalern vermacht. Dasselbe wurde am 3 lten October zur Armenkasse gezahlt.
Nachdem der Neu — und Umbau des hiesigen Bürger-Hospitals zu Ende des August 1855 beendet war, befahl die Königl. Regierung bald nachher im September 1855, daß nunmehr das noch vorhandene Kapital-Vermögen dieser Anstalt, um daßelbe für alle Zukunft sicher zustellen und einen ähnlichen unglücklichen Vorfall, wie den zu Ende des Januar 1826 ganz unerwartet entdeckten (vid.pag 14), dadurch zu verhüten, in Feldgrundstücken sicher angelegt werden sollte. Demgemäß kaufte nun die Hospital-Inspection noch im October 1855 für die Anstalt von der verwittweten Frau Gastwirth Barth 2 1/2 Hufen Feld in Werbener Mark für den Preis von 12,000 Rtl. (vid.pag.253); ferner kaufte die Inspection im Januar 1863 von dem Maurermeister Meie die demselben gehörige, an den Hospitalgarten angrenzende, circa 2 Morgen enthaltende Wiese im Schloßgraben für 1000 Rtl., welche aber nur 2 1/2 Proc.rentirt, mithin zu theuer bezahlt ist; endlich kaufte die Inspection noch im September 1868 von dem Obersteuermann Wilhelm Kuehne 10 Morgen Feld in Rubach Mark für den Preis von 1800 RT1. (Weizenboden).
Am 26ten April wurde Vormittags um 11 Uhr plötzlich der Stadtsecretär Christian Gottfried Roenicke, 60 Jahre alt, verhaftet, angeblich wegen Urkundenfälschung und Unterschlagung amtlich empfangener Gelder. Diese Nachricht erregte im Publikum große Sensation und Verwunderung, weil der Stadtsecretär pp. Roenicke bisher bey Jedermann nur als ein ehrlicher Mann bekannt war. Vom Magistrat ward nun die weitere Untersuchung der ihm zur Last gelegten Verbrechen dem hiesigen Königl. Kreisgericht übergeben, in deßen Gefangenen-Anstalt der pp. Roenicke neun Wochen in Untersuchungshaft saß, und erst nach Ablauf dieser Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt, blieb aber noch von seinem Amte suspendirt . Am 7ten November kam zuletzt noch diese Sache bey dem Schwurgericht in Halle zur Untersuchung; aus der hier beygefügten Mittheilung der ganzen Verhandlung geht deutlich genug hervor, daß der pp. Roenicke bey den ihm angeschuldigten Vergehen durchaus keinen Betrug beabsichtigt hat, sondern vielmehr die schlaffe Verwaltung des vorigen Bürgermeisters Hagedorn durch mehrere Jahre lang unterlaßenen Revision und Controle und die dadurch entstandene Unordnung hauptsächlich die Schuld an dem den pp.Roenicke betroffenen Unfall trägt. Die Geschwornen sprachen daher den Letzteren in allen Punkten der Anklage frei.
Am 22ten p.Trinit. den 8ten November hielt der Herr Superintendent Weinrich, welcher vorn Consostorio nach Wollmersleben bey Magdeburg, einer sehr einträglichen Pfarrstelle berufen worden ist, seine Abschieds- Predigt, und am lOten verließ er unsere Stadt. E s ist sehr zu bedauern, daß dieser von Seiten seines Charakters wohlwollende, gefällige und gegen die Armen sehr wohlthätige Mann gleich in den ersten_durch den furchtbaren vierjährigen Streit wegen der zwangsweisen Einführung eines Gesangbuchs-Anfangs (vid.pag.332) das kirchliche Leben in unserer Gemeinde fast total zerstört, und sich durch sein schroffes Auftreten, dabey um die Liebe derselben gebracht hat. Diese niederschlagende und betrübende Erfahrunghat derselbe auch noch bey seiner Abschiedspredigt machen müßen, indem die Kirche selbst bey diesem Gottesdienst nur mittelmäßig besucht war. Im Eingange zu dieser Predigt sprach er noch in Bezug auf den unglücklichen Gesangbuchsstreit folgende Worte: „was er an der Gemeinde sich versündigt hätte, das bäte er möge sie ihm verzeihen und vergeben; was die Gemeinde an ihm verschuldet hätte, das wäre bey ihm vergeben und vergeßen, er bedaure nur, daß lautere Absichten verkannt worden wären." Die Kirchengemeinde wollte aber von diesen Absichten, welche sie mit vollem Recht nicht für rein hielt, durchaus nichts wißen, und verurtheilte auf das Entschiedenste seine Hartnäckigkeit und geistliche Herrschsucht. In seinen theologischen Ansichten und Grundsätzen war der Superintendent Weinrich ganz ein Anhänger der seit längerer Zeit von den höheren Kirchenbehörden so sehr begünstigten exklusiv altlutherischen Richtung und somit auch der sogenannten Blut-und Wunden-Theologie. Diese religiöse Anschauung findet aber heut zu Tage bey den wahren und denkenden Christen gar keinen Anklang und Beifall mehr, weil diese blos den Grundsatz allein ftir protestantisch halten, daß die religiösen Ueberzeugungen sich in stetigem Zusammenhang mit der gesammten Culturentwickelung zu entwickeln und weiter fortzubilden haben, und daß die christliche Moral das allein das ewig wahre und bleibende im Christenthum ist, welche Ansicht die größten und scharfsinnigsten Theologen unserer Zeit, Männer wie Schleiermacher, Tzschirner, Röhr, Schwarz, Krause und viele andere in Schriften (der selige Großmann in Leipzig sagt von Christo: „Christus ist die Sonne, um die sich in der sittlichen Welt Alles dreht.") und auf der Kanzel oft ausgesprochen haben. Das Predigen über dürre, unfruchtbare Dogmen läßt kalt und erbaut Niemand; die Hauptsache bleibt immer die Anwendung und Verwerthung der vortrefflichen Sittenlehren Christi und seines Beispiels im praktischen Leben, wie er es fordert. (Matth.7.20,21.)
Am 5ten November feierte unser berühmter Landsmann, der große Naturforscher Herr Geheimer-Medic.-Rath und Ritter Dr. medic. Und Prof. ord. Christian Gottfried Ehrenberg in Berlin sein fünfzigjähriges Doctor- Jubilaeum. Derselbe ist geboren zu Delitzsch den 19ten April 1795, studierte in Schulpforte, dann in Leipzig, wo er nach einem halben Jahre das theologische Studium, weil er kein Redner ist, verließ und zum medicinischen überging zuletzt in Berlin, und widmete sich ausschließlich den Naturwißenschaften, auf deren unendlichem Gebiete derselbe sich durch große Entdeckungen bleibende hohe Verdienste erworben, und dabey immer bey allem Reichthum seines Wissens eine höchst anspruchslose Bescheidenheit und Humanität sehr ausgezeichnet hat. In den Jahren 1820 bis 1826 machte er auf Kosten der Königl. Academie der Wißenschaften die große Reise nach Asien und Afrika mit seinem Freunde Dr. Hemprich, welcher letztere aber 1825 in Maßaua in Abyßinien starb. Bald nach seiner Zurückkunft im Frühjahr 1826 wurde derselbe vom verstorbenen König Friedrich Wilhelm III zum Profeßor ernannt, erhielt den rothen Adler-Orden dritter Klaße und 1000 Rtl. Geldgeschenk, wovon er aber in edler Uneigen- nützigkeit 500 Rtl. der damals noch in Schlesien in Glatz lebenden Mutter seines Freundes und Reisegefährten Hemprich schenkte. Die Berliner Museen hat er durch bedeutende Sendungen, als Früchte und Resultate seiner Reise, sehr bereichert. Im Jahre 1827 erschien von ihm eine kleine aber sehr intereßante Schrift „Beitrag zur Charakteristik der nordafrikanischen Wüsten". Im Jahre 1829 unternahm er noch eine zweyte Reise mit dem größten Naturforscher unserer Zeit Alexander von Humboldt und seinem Freunde Rose in den Caucasus, Altai und Ural bis nach Kiachta an der chinesischen Grnze; das Ural-Gebirge ist bekanntlich sehr reich an Edelsteinen und edlen Metallen, so daß nach seiner Versicherung das Gold in den Fuhrgeleisen sogar als Goldsand glänzend. Die Rückreise der genannten Herren erfolgte nach zehnmonatlicher Abwesenheit über Petersburg, wo derselben von dem Kaiser Nicolaus in einer Audienz ehrenvoll empfangen wurden und unser Ehrenberg den rußischen Annen-Orden zweiter Klaße erhielt. Im Jahre 1833 schrieb derselbe zur Feier des fünfzigjährigen Doctor- Jubilaeums des seligen Leibarztes und Staatsraths Hufeland die kleine sehr gehaltvolle Schrift de hanguinis globulorum uhu, und im Jahre 1843 erschien von ihm das große berühmte Werk „Verbreitung und Einfluß des mikroscopischen Lebens in Süd — und Nordamerika. Mit 4 colorirten Kupfern, in folio ! Von den vielen ihn jetzt bey seinem Jubilaeum zu Theil gewordenen Ehrenbezeugungen erwähnen wir nur, daß seine Majistät der König ihm den Stern zum rothen Adler-Orden zweiter Klaße mit Eichenlaub verliehen hat, daß das Berliner FestcomiM ihm seine eigene von Julius Moser in Marmor gearbeitete Portraitbüste überreicht hat, daß ferner die medicinische Facultät der Universität Berlin ihm das Jubel-Doctor-Diplom überbracht, und daß seine Vaterstadt ihm das Ehrenbürgerrecht in einer vom hiesigen Gas-Inspector Bendert sehr schön geschriebenen, mit paßenden gemalten Randverzierungen, unter denen besonders sein Geburtshaus am Halleschen Thore mit deßen Thurme bemerklich ist, versehenen Urkunde in roth-sammtner Kapsel übersendet hat. Von den zahlreichen Anerkennungs — und Glückwünschungs — Schreiben wird hier das von der König!. Akademie der Wißenschatlen dem hochverdienten Jubilar überreichte zum Verständniß des Ganzen noch beygeftigt, und zugleich bemerkt, daß im Jahre 1828 der Bericht über seine erste Reise unter dem Titel „Naturgeschichtliche Reisen in Nordafrika und Westasien," und 1838 sein großes Epoche machendes Werk „die Infußionsthierchen als vollkommne Organismen" erschienen. Möge dem ehrwürdigen Jubilar im Rückblick auf eine so ruhmvolle Vergangenheit ein recht heiterer Lebensabend bescherrt seyn!
Die dem Herrn Geh. Rath Dr. und Prof Ehrenberg überreichte große goldene Medaille zeigt auf der Vorderseite sein wohlgetroffenes Brustbild, und trägt auf der Rückseite folgende Innschrift: Christiano Godofredo Ehrenberg, Medicinae per L annos Doctori, naturae investigatori sagacissimo, Latentium indagatori adrnirabili. Die V mens. Nov. 1868. Durch Rescript des Cultus-Ministers vom 23ten October cr.0 28,441 sind der hiesigen höheren Bürgerschule die erweiterten Berechtigungen verliehen worden, durch welche dieselbe den Klassen Sexta bis Seeunda einer Realschule erster Ordnung gleichgestellt worden ist und werden nunmehr die Berechtigungen der Schüler schon durch den einjährigen erfolgreichen Aufenthalt in der Secunda zum einjährigen freiwilligen Militairdienst und zur Annahme als Postexpedinten-Anwärter berechtigt, während früher beide Berechtigungen nur durch Absolvirung des Abiturienten-Examen erworben werden konnten. Nachdem durch die Versetzung des bisherigen Strafanstalts-Directors von Valentini im Jahre 1866 die erledigte Stelle interimistisch, und zwar zuerst durch einen Herrn von Schlabberndorff und dann durch einen Grafen von Klinckowström verwaltet worden war, ist dieselbe seit lten November dieses Jahres dem bisherigen Straf- Anstalts-Director Nolte in Meringen in der Provinz Hannover definitiv übertragen worden.
Die Um — und Neupflasterung der Halleschen Straße begann am lten September und wurde bis zum Halleschen Thore hinaus Sonntag den 18ten October (bis auf einige noch nöthig gewordenen Nebenpflasterungen) vollendet. Die gesammten Kosten an Steinsetzerarbeiten, Fuhrlöhnen u.a. betrugen 559 Rtl. 5 Sgr.
Der Bürgermeister Born war, nachdem er kaum 3 Monate hier im Amt fungirte, zum Bürgermeister der Stadt Zeitz erwählt und von Seiner Majistät dem König als solcher bestätigt worden. Es wurde deshalb eine Neuwahl nöthig.In der Stadtverordneten-Sitzung am 20ten November wurde der Stadtrath Heinrich Bernhard Reiche aus Guben zum Bürgermeister hiesiger Stadt gewählt.
Laut Kaufs vom 9/17 September 1868 kaufte die Stadtcommun von dem Bischöflichen Stuhl zu Paderborn von dem dem letztern gehörigen, hierselbst gelegenen Grundstück zur Verbreiterung des von der Linden — zur Dübener Straße führenden Weges und zur Anlegung einer Straße vom Schäfergraben für 268 Rtl. 22 Sgr. 6 Pf.
An der Vorstadtschule sind wieder zwei neue Lehrer in den Personen des bisherigen Lehrers Christian Ruhmann zu Einbeck in der provinz Hannover und des Schulamts-Candidaten Hoppe aus Staritz bei Belgern angestellt worden. In diesem Jahre sind von dem Cigarrenfabrikant Schellenberg (an der Dübener Straße) und von dem Posamentier Eduard Pernitzsch (neben der katholischen Kirche) neue Wohnhäuser gebaut, und von dem Stadtmühlenbesitzer Maasch (welcher zu Johannis dieses Jahres die Stadtmühle von dem bisherigen Besitzer Schrödter erkauft hat) das gehende und treibende Zeug der Mühle, sowie das Gerinne und die daran grenzende Mauer ganz neu erbaut worden. Die Treibräder im Innern der Mühle sind von einer Eisengießerei gefertigt worden.
Die Getreidepreise in diesem Jahre waren:
am 29ten Februar
der berl. Scheffel Weizen 3 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf bis 4 Rtl.
Roggen 3 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf 3 Rtl, 5 Sgr.
Gerste 2 Rtl. 5 Sgr. 2 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf
Hafer 1 Rtl. 15 Sgr. 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf
am 29ten September
der berl. Scheffel Weizen 2 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf bis 2 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf
Roggen 2 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf 2 Rtl. 16 Sgr. 9 Pf
Gerste 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 28 SFJ. 9 Pf
Hafer 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf
Die von den Einnahmen der Stadt Delitzsch zu zahlenden jährlichen Steuern betragen zur Zeit:
5,533 Rtl. an Klassensteuer
1,828 Rtl. 1 Sgr. 6 Pf an Grundsteuer
1,727 Rtl. 9 Sgr. an Gebäudesteuer
3,926 Rtl. an Gewerbesteuer
13,014 Rd 10 Sgr. 6 Pf zusammen
Nach der in diesem Jahre aufgestellten Klassensteuer-Rolle beträgt die Einwohnerzahl 8,031 (worunter 282 Gefangene der hiesigen Königl. Strafanstalt und des Königl. Kreisgerichts). Es sind 4,992 Personen über 16 Jahre und 3 039 Personen unter 16 Jahre vorhanden
Der Witterungslauf zeigte in diesem Jahre viel Abweichendes und Merkwürdiges. Der Winter war gleich von Neujahr an bey fast durchgängig niedrigem Barometerstande milde, unbeständig, Regen und Schnee oft mit einander abwechselnd, noch den ganzen April anhaltende Näße, so daß man deßhalb für das Gedeihen der Wintersaaten fürchtete und für die Bestellung der Sommersaaten dadurch aufgehalten wurde. Aber vom lten Mai trat plötzlich das herrlichste und fruchtbarste Wetter ein, die Näße hörte auf, und in der ganzen Natur zeigte sich als ein wahres Wunder Gottes die gewaltigste Triebkraft, so daß nach nur wenigen Tagen die Bäume in schönster Blüthe standen und die Kornähren sichtbar waren. Es war übrigens ein großes Glück, daß die Erde so viel nachhaltige Winterfrucht erhalten hatte, denn von nun an trat den ganzen Sommer hindurch bis zum 17ten September anhaltende große Hitze und Dürre ein. Das Barometer stand während dieser ganzen Zeit gewöhnlich auf 28,4 — 6, und das Thermometer Nachmittags um 3 Uhr in der Sonne in der Regel auf + 36 — 40 Reaum., wodurch natürlich das Reifen der Früchte sehr befördert wurde; denn kaum war die recht gut ausgefallene Heuerndte, vom schönsten Wetter begünstigt, eingebracht, so nahm auch schon die Getreideerndte ihren Anfang, so daß, was wir noch nie erlebt haben, bereits am 26ten Junius bey Benndorf und selbst in beßerem Boden bey Beerendorf die ersten Kornmandeln standen. Das herrlich und sehr warme und trockne Wetter beförderte die Erndtearbeit außerordentlich, so daß bis zum Ende des Julius alle vier Getreidearten glücklich eingebracht waren. In jeder beziehung, sowohl im Körnerertrag als auch im Stroh, war der Roggen vorzüglich gerathen, der Weizen ausgezeichnet, auch die Obstfrüchte recht gut, minder gut, aber noch befriedigend der Hafer und die Gerste, weil bey diesen sich zum Theil die nachtheiligen Folgen der anhaltenden Dürre zeigten. Gewitter hatten wir in diesem Sommer blos am 19ten Julius Nachmittags um 3 und Abends um 11 Uhr mit starkem Regen, ferner am 29ten des Monats Nachmittags 3 Uhr, und am 1 lten August Abends, welche letztere beyde sich aber ohne Regen hier entladen; Das Barometer stand beyde Mal auf 27,8, das Thermometer zeigte Nachmittags in der Sonne + 40, der Wind kam aus Süden. Endlich bildeten sich in Folge großen Hitze bey Süd-Westwind am 19ten August gegen Abend in allen vier Weltgegenden schwere Gewitter, welche mit einem längst ersehnten starken Regen von 7-8 Uhr die ausgedorrten Fluren erquickten. Aber für die Kartoffeln, deren Knollenbildung vom Anfang des August an statt findet, kam dieser Regen leider um drei Wochen zu spät, daher diese in der Ausbildung sehr zurück blieben, zum Theil auch zweywüchsig wurden, und die Kartoffelerndte im Ganzen nur als eine mittelgute zu bezeichnen ist. In gleicher Weise litten auch durch den Mangel an Regen die Futterkräuter, was zur Folge hatte, daß seit Ende des Julius der Preis der Butter hoch stieg; das Stückchen kostete von da an 7 Sgr. und ist noch bis zum Ende des November gewöhnlich mit 6 Sgr. bezahlt worden. Die Obstemdte ist recht gut ausgefallen, der Wein vorzüglich gerathen. Noch ist zu bemerken, daß in Monaten Junius und Julius die Windrichtung von der Art war, daß die Fahne abwechselnd, aber nicht lange, entweder im Osten oder Norden stand, und sich bald vom Norden nach Westen, oder noch öfters von Osten nach Süden bewegte, mithin im Halbkreis zwischen N.W. und N.O. und S 0 stand. Von der Grummterndte ist endlich noch zu berichten, daß diese in Folge der Nachwirkungen der großen Dürre nur mittelmäßig im Ertrag gewesen ist.
Der Herbst war im Ganzem angenehm und milde und brachte noch manche schöne Tage; in der Mitte des September blüheten zum Erstaunen Kastanien und Erdbeeren noch einmal, von deren letztere im October zum zweiten Mal Früchte brachten; aber vom 15ten September trat eine besonders an den Morgen und Abenden auffallend merkliche Abkühlung ein. Am lten October, einem trüben Tage, deren wir ebenso, wie regnigte in diesem Monat mehrere hatten, zog Abends um 5 Uhr ein Zug wilder Gänse von Westen nach Osten über unsere Stadt weg. Am 20ten des Monats war früh von 2-3 Uhr ein Gewitter mit Regen, am 25ten tobte ein Sturm (Barometer 27,3), und am 26ten erfolgte ein Landregen. Der Wind kam den ganzen Herbst hindurch meistens aus Westen mit abwechselnder Neigung nach Norden und Süden; das Barometer war öfteren Schwankungen unterworfen. Im November gab es mehr trübe, kühle und regnigte Tage, als helle und schöne; am 4ten war ein Sturm, an mehreren andern dichte Nebel und Schneefall. Am 7ten December früh von 1 — 2 'A Uhr hatten wir die für diese Jahreszeit nur äußerst seltene Erscheinung eines starken Gewitters mit Regen; der Verfaßer dieser Zeilen weiß sich nur noch eines solches Falles in seinem Leben zu errinnem, nämlich am 2ten Advent im Jahre 1822 früh um 9 Uhr, wo während seines damaligen Aufenthalts als Student in Leipzig bey hellem Himmel ganz unerwartet ein ziemlich heftiger Donnerschlag, aber ohne Regen und Sturm, erfolgte. Dem jetzigem Gewitter gieng aber an dem durchweg trüben Sten December des Nachmittags eine ungewöhnlich schwüle Temperatur voraus (Thermometer + 16), welche den 6ten noch anhielt (Barometer 27,8) Hierauf brach nun am 7ten December bald nach Mitternacht ein furchtbarer Orkan aus Westen los, und wütete mit einer seit fast fünfzig Jahren (im Julius 1819) nicht dagewesenen Heftigkeit (Barometer 27,4), entwurzelte die stärksten Bäume, warf Planken um, deckte viele Dächer ab, fügte dem Dache unserer Stadtkirche bedeutenden Schaden zu, und hob auf dem langen maßiven Seitengebäude des Brauereibesitzers Offenhauer, welches derselbe erst in diesem Jahre zum Zwecke der Luftmalz-Bereitung erbaut hatte, das mit Steinpappe gedeckte Dach mit großer Gewalt in die Höfe und riß daßelbe mit sammt den Dachbalken und Brettern in Trümmern herunter. Nachmittags um 2 Uhr legte sich der Sturm, am ärgsten hatte er Vormittags von 9-12 Uhr getobt. Offenbar war derselbe eine Folge der in den letzten zwey Wochen vorher statt gefundenen schrecklichen, von Erdbeben begleiteten, vulkanischen Ausbrüche des Vesuv und Aetna. Bis zum Jahresschluß war sehr mildes Wetter.
Auch in diesem Jahre hat sich die alte Erfahrung wieder bestätigt, daß anhaltende gleichförmige Witterung, gleichviel ob sehr warm oder kalt, für die Gesundheit weit vortheilhafter ist, als häufiger Wechsel derselben; denn während der vier Sommermonate war der Gesundheitszustand, selbst unter den sauren und anstrengenden Arbeiten der Erndte, recht befriedigend, während dagegen im Frühjahr und Herbst alte an Schleim-Asthma Leidende; mehr aber noch junge der lungenschwindsucht verfallene Personen weit mehr zu leiden hatten; die letztere, in der Regel unheilbare Krankheit hat überhaupt seit etwa 20 Jahren unter unsern jungen Leuten, den Fabrik- besonders den Cigarren-Arbeitern in starker Progreßion zugenommen, und decimirt ihre Reihen gewaltig. Geboren wurden in diesem Jahre 350 Kinder (worunter 43 Uneheliche), und gestorben sind 257 Personen, worunter 158 Kinder. Am 22ten December Nachmittags wurde auf dem Thurm der neuen katholischen Kirche eine Glocke aufgezogen; dieselbe ist vom Glockengießer Ullrich in Apolda gegoßen, kostet 103 Rtl. und wiegt 2 Centner. Auch ist seit Anfang dieses Jahres als Lehrer an der katholischen Schule der Schulamts-Candidat Reuter aus Hildesheim angestellt.
Als ein Curiosum ist noch nachträglich zu erwähnen, daß, da erfahrungsmäßig in diesem wie in jedem Schaltjahr ein starker Maikäfer-Flug zu erwarten war, von den Behörden ein förmlicher Vertilgungskrieg gegen diese Bestien beschloßen wurde; sie wurden zu Millionen vertilgt, der Centner mit 15 Sgr. bezahlt, eingestampft, und als Dünger verwendet.
1869
Am 6ten Januar legte der Herr Bürgermeister Born sein Amt nieder und reiste noch an demselben Tage ab, um das Bürgermeister-Amt in Zeitz zu übernehmen. Das Urtheil unsers frühern Diaconus Baltzer, seit Anfang 1847 Predigers bey der Dißidenten-Gemeinde in Nordhausen, über ihn hat sich vollkommen bestätigt; um so mehr ist es zu bedauern, daß derselbe unsere Stadt nach nur neunmonatlicher Amtsverwaltung schon wieder verlaßen hat. Als sein Nachfolger wurde der von den Stadtverordnetenerwählte bisherige Stadtrath Reiche in Guben am 2 lten Januar Vormittags um 11 Uhr im hiesigen Rathhaussaale von dem Königl. Landrath Herrn von Rauchhaupt in sein Amt als Bürgermeister unserer Stadt eingeführt.
Seit dem Anfang dieses Jahres ist vom Magistrat im Einverständniß mit dem Schulvorstand und den Stadtverordneten das Schulgeld in der 2ten und 3ten Klaße der höhem Töchterschule und von der lten Klaße der Vorschulen um je 2 Rtl. pro Jahr erhöht worden, weil man das bisherige im Vergleich zu dem Aufwande mit Recht für zu gering befunden hat; sie hat 6 Klaßen.
Die seit Anfang des Jahres 1807 im Besitz der Familie Pfotenhuer befindlich gewesene privilegirte Löwenapotheke in der breiten Straße hat zu Michaelis 1868 der Apotheker Gustav Jonas aus Eilenburg von der Frau Wittwe Pfotenhauer für den Preis von 21000 Rtl. gekauft, und das Geschäft am lten Januar dieses Jahres übernommen. Am 29ten Januar Nachmittags um 4 Uhr wurde in der öffentlichen Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung der von derselben an des abgegangenen Herrn Fabrikant Duimchen Stelle zum unbesoldeten Magistrats-Aßeßor erwählte Herr Fabrikant Starckloff nach erfolgter Bestätigung der Königl. Regierung zu Merseburg von dem Herrn Bürgermeister Reiche in sein Amt eingeführt. In der am 15ten Februar gehaltenen ersten diesjährigen Sitzung des König!. Kreis-und Schwurgerichts zu Halle wurde der Nagelschmiede- meister und Pantoffelmacher Johann Carl Mohs aus Delitzsch wegen mit Beil und Messer versuchten Mordes an seiner von ihm geschiedenen Ehefrau zu zwölfjähriger Zuchthausstrafe und achtjähriger Stellung unter Polizey- Aufsicht verurtheilt. Am 26ten Februar wurde unter dem Vorsitze des Herrn Regierungs-und Schulraths Haupt aus Merseburg die mündliche Prüfling der sechs Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon zu Anfang dieses Monats stattgefunden hatte. Das Ergebniß war ein erfreuliches, da sämmtliche Schüler das Examen bestanden hatten, von denen vier wegen ihres künftigen Berufs es nicht brauchten. Einer erhielt die Censur „gut", die übrigen „genügend".
Um den sehr großen Schaden, welchen der furchtbare Weststurm am 7ten December vorigen Jahres den beiden Thurmstitzen unserer Stadtkirche und dem Dache derselben, besonders der südlichen zu drei Viertheilen dadurch vom Schiefer entblößten Seite, zufügte, zu repariren, wurde diese Arbeit dem hiesigen Schieferdeckermeister Robert Uhlich übertragen, der durch das milde Wetter begünstigt mit drei Gehülfen sein Werk ohne Unterbrechung betreiben und glücklich vollenden konnte, und zwar in der verhältnißmäßig kurzen Zeit vom Anfang des Februars bis zum Anfang des Aprils. Beym Beginn der Arbeit fand sich aber noch, daß auch die beyden Thurmknöpfe und Fahnen der reparatur bedürften, weßhalb dieselben am 9ten Februar abgenommen, und dem hiesigen Klempnermeister Hopfer zur Ausbeßerung und neuen Vergoldung übergeben wurden. Die bey der Abnahme im südlichen Thurmknopfe vorgefundenen in einer versiegelten Holzkapsel und blechernen Büchse verwahrten Schriftstücke von 1691 und 1819, wie auch die Münzen sind in der Hierbey angefügten Beylage zum Delitzscher Kreisblatte No. 19 vom 12ten Februar verzeichnet, und bey der am 2ten April statt gefundenen Aufsetzung der reparirten und neu vergoldeten Knöpfe und Fahnen wieder eingelegt worden.
Außerdem ist vom Magistrat noch ein Schriftstück vom 30ten Maerz mit beygefügt worden, welches die wichtigen neuesten unsere Stadt betreffenden Ereigniße, die am 21ten September 1857 erfolgte Grundsteinlegung zu dem neuen Bürgerschulgebäude am Gerberplan, die Vollendung deßelben im Junius 1858, und die seit dem bis zu Ostern 1868 nach und nach eingetretene Reorganisation der Schule, sowie auch die Kriegsereigniße des 1866 und die Feier des Friedensfestes am Ilten November registrirt. Alle diese Vorfälle sind übrigens nebst dem im Schriftstück nicht erwähnten vom Anfang des Julius 1855 bis zum Ende des October 1859 geführten, aber leider total ver- Unglückten Bau des Braunkohlenwerkes, wie auch die Cholera-Epidemie im Sommer 1866, unter den betreffenden Jahren in dieser Chronik auf das Vollständigste beschrieben. In dem Schriftstück des Magistrats folgen nun noch die Namen der Personen, durch welche die Kreis- und Stadtbehörden zur Zeit repräsentirt werden: I. Kreislandrath Herr von Rauchhaupt in Storkwitz; II. Magistrat, Bürgermeister Heinrich Bernhardt Reiche, Beigeordneter, Magistratsaßeßor Friedrich Gottlob Heinze, unbesoldete Magistratsaßeßoren Carl Freyberg, Louis Dittmar, Heinrich Starkloff; Stadtverordneten-Vorsteher Sanier; Stadtverordnete: Justizrath Hassen, Dr. med.Laue, Schoenbrodt, A.Schladitz, Rathmann, Wagner, Pannicke, Felix, Lindenhahn, Fuhrmann, Fleischer, Rose, Troitzsch, Platen, Hoffmann, Kunze, Rabe.
Subaltembeamte des Magistrats: Kämmerer Eduard Weidenhammer, Steuereinnehmer Robert Ufer, Sparkaßen-Rendant Carl Thaerigen, Aßistent Julius Braune, Armenkaßen-Rendant Friedrich Thaerigen, die Stelle des Stadtsecretärs ist jetzt unbesetzt.
Das geistliche Ministerium: die Stelle des Oberpfarrer und Superinten- denten ist jetzt vacant, Archidiaconus und Katechismusprediger Albert Goedicke, Diaconus und Hospitalprediger Blankmeister, Cantor Albin Thierbach, Organist Carl Gottfried Grellmann, Kirchner Baumgaertel, Kirchenvorsteher Ferdinand Zeising. Rectoren der städtischen Schulen: an der höheren Bürgerschule Oberlehrer Heinrich Kayser, an der höhern Mädchenschule, erster und zweiten Bürgerschule Dr. phil. Friedrich Banels. Die Kosten der Kirchendach-Reparatur betragen 1470 Rtl., welche aus dem Kirchenvermögen bezahlt wurden.
Am 5ten April hat sich der vor etwa vier Jahren von Schenkenberg hierher gezogene Gärtner Schroeter, welcher wegen mehrerer Diebstähle beym Kreisgericht in Haft und Untersuchung war, im Gefangniß erhängt. Desgleichen hat sich auch die Woche vorher im hiesigen Zuchthause eine Frau erhängt. Die Leichname beyder wurden an die Anatomie nach Halle abgeliefert. Schroeter war einsehr gefährlicher und verstockter welcher im Publikum im schlechtestem Rufe und Verdachte stand.
Am 27ten April hat der Kreisgerichts-Director Campugnani sein Amt niedergelegt, weil er in gleicher Eigenschaft an das Kreisgericht Goerlitz versetzt wurde. Tags vorher ward dem mit Recht allgemein verehrten, würdigen Manne ein zahlreich besuchtes Abschieds-Diner im Gasthof zum Schwan gegeben, und den 28ten verließ er unsere Stadt. Er war auch Deputirter zur zweiten Kammer, legte bey seinem Abgange sein Mandat für den hiesigen Kreis nieder, wurde aber bey der am 16ten Junius statt gefundenen Neuwahl eines Abgeordneten mit 193 gegen 120 Stimmen, welche letztere der Stadtgerichtsrath Klotz in Potsdam erhielt, wieder gewählt.
Bey dem am Sten November 1868 Abends zwischen 7 und 8 Uhr in der Wohnung des Buchbindermeister Bernstein in der Ritterstraße verübten Attentat des Nagelschmiedemeister Mohs gegen seine von ihm geschiedene Frau hat sich die Frau des ersteren in höchst lobenswerther Weise ausgezeichnet, und ist ihr deßhalb in Anerkennung ihrer mit eigner Lebensgefahr verknüpften Aufopferung bey Verhinderung des Mordversuchs, auf Befehl Seiner Majestät des Königs aus Staatsfonds eine Belohnung von 30 Rtl. bestimmt worden; dieselben wurden der Frau Bernstein, für ihre muthvolle und entschloßene Haltung, am 26ten Mai des Jahres aus der hiesigen Königl. Kreiskaße gezahlt.
Am 30ten Mai, den Iten post Trinitat., hielt der zum Oberpfarrer und Superintendenten vom Königl. Consistorii in Magdeburg designirte bisherige Gesandschafts-Prediger in Rom Herr Carl Friedrich Wilhelm Leipoldt seine Probepredigt, zu deren Abnahme der Superintendent Vicar Herr Pastor M.Krtieger aus Schenkenberg vom Consistorii beauftragt war. Bey der nachher erfolgten Anfrage hatte niemand etwas gegen seine Lehre und Wandel einzuwenden, seine Predigt war gediegen und durchdacht, sein Vortrag sicher und gewandt, nur hörte man nachher in der Gemeinde Besorgniße wegen seiner für unsere große Stadtkirche allerdings zu schwachen Stimme auszusprechen. Am 6ten Julius kam er, nachdem vorher seine Amtswohnung eine durchgreifende Reparatur erfahren hatte, hier mit seiner Gattin an und hielt am 18ten, den Sten nach Trink, nachdem er vorher vom genannten Superintendenten Vicar in sein Amt eingesetzt war, mit Beyfall seine Antrittspredigt als Oberpfarrer, bey welcher derselbe seine Stimme zur Freude der Kirchengemeinde schon mehr hob und besser verstanden ward, so daß man auch in dieser Hinsicht für die Zukunft das Beste von diesem achtungswerthen Mann erwarten kann.
Im Julius wurde von der Commun der an der Dübener Straße stehende Pulverthurm wegen der in seiner Nähe seit zehn Jahren erstandenen zahlreichen Bahnhofs — und anderen Wohngebäuden zum sofortigen Abbruch für das Meistgebot von 14 Rtl. 15 Sgr. an den Viehhändler Deutschbein verkauft. Früher hatte dieser Thurm noch bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der südlichen Stadtmauer in geringer Entfernung von der Malzdarre gestanden, und ward erst nach einem um diese Zeit entstandenen Brande derselben als ein der Stadt sehr gefährlicher Nachbar an den Ort verlegt, wo er sich bis jetzt befand.
Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von 483 Rtl, 15 Sgr. und die Pflaumenplantagen im Rosenthal für 5 Rd. verpachtet worden.Der Kreisgerichts-Director Campugnani hatte seit acht Jahren den im Hospitalgarten an der Schloßmauer gelegenen Weinberg für einen jährlichen Zins von 5 Rtl. 15 Sgr. erpachtet, und in denselben zur Verschönerung noch mindestens 100 Rtl. für Anlegung einer Treppe mit steinernen Stufen und Erbauung eines Gartenhauses verwendet. Bey seinem Abgange von hier erhielt derselbe seinem Antrage gemäß für diese Verbeßerungen als Entschädigung die billige Summe von 30 Rtl., welche der edle Mann aber in Folge eines Schreibens an den Magistrat vom 9ten Julius zu einem Legat für die Kinder-Bewahr- Anstalt bestimmte mit dem Bemerken, daß die Zinsen des kleinen bey der städtischen Sparkaße niedergelegten Kapitals in Zukunft als sein jährlicher Beitrag zur Weihnachts-Bescherung für arme Kinder mit verwendet werden sollten. Gleichzeitig hat derselbe auch noch der Armenkaße 10 Rtl. geschenkt. Den oben erwähnten Weinberg hat jetzt der Kreisrichter Rohland für den jährlichen Zins von 15 Rtl. vom Hospital erpachtet, und denselben zum Vergnügen auf seine Kosten noch mehr verschönert.
Am 26ten Julius Vormittags 11 Uhr verunglückte der Oeconom Wilhelm Fritzsche, 34 Jahre alt; er kam mit einem schwer mit Roggen beladenen Leiterwagen die Hallische Scheunen-Gaße sehr rasch herein gefahren, da er noch Nachmittags nach Eilenburg reisen wollte, und begieng die große Unvorsichtigkeit sich unmittelbar hinter der Wage auf die Deichsel zu setzen; beym schnellen Umbiegen um die Straßenecke nach der südlichen Scheunengaße trieb er zugleich die Pferde noch schärfer an, fiel in diesem Augenblick von der Deichsel herab, das eine Rad gieng ihm über den Unterleib, das andere über die Brust, so daß er förmlich gerädert wurde, das Bewußtsein gleich verlor, und nach wenigen Minuten starb. Ein Blutstrom aus dem Munde bewies, daß die Lungen höchst wahrscheinlich geborsten waren.
Der bisherige Kreisgerichtsdirector Hesse zu Habelschwerdt in Schlesien ist in gleicher Eigenschaft an des abgegangenen Campugnani Stelle an das hiesige Kreisgericht versetzt worden, und hat sein Amt am lten Julius angetreten. Am 22ten August prangte unsere Stadt in einem außerordentlichen Festschmucke, bestehend in zwei—und dreifarbigen Flaggen, Quirlanden, Kränzen pp., weil eine ziemlich große Anzahl Feuer-Wehrmänner und Deputirte des Sächsisch-Anhaltinischen Feuerwehr- verbandes eintrafen, um einmal in einer Conferenz, die um 11Uhr im Saale des Hotels zum Schwan abgehalten wurde, über die Angelegenheiten der freiwilligen Feuerwehren zu berathen und dann zum zweiten Male den Uebungen der hiesigen Feuerwehr beizuwohnen.
Diese fanden denn Nachmittags von 3 bis 5 Uhr auf dem Markte unter dem Zudrange eines sehr zahlreichen Publikums statt; unter diesen sind besonders die vielfachen Fahrübungen mit den Geräthen zu erwähnen, sodann ein wirklich imposanter, langdauernder Dauerlauf, der nach den Klängen einer gut rhytmisirten Musik erfolgte. Nach den schulmäßigen Uebungen folgte das Manöver eines Großfeuers an dem früher dem Magistrats-Aßeßor Meissner, jetzt dessen Schwiegersohn Dr. Laue gehörigen Hause, welcher daßelbe gegen 6 Rtl. Entschädigung der Feuerwehr zu diesem Zwecke zur Dispo- sition gestellt hatte. Die Geschwindigkeit, Präcision und Kraftanstrengung Der Mannschaften, wie auch die glückliche Ausführung der kühnsten Evolutionen übertraf wohl aller Erwartung, und gewiß ist das Gefühl der Sicherheit für unsere Stadt in den Herzen der Zuschauer um ein bedeutendes dadurch gesteigert worden. Der unermüdliche und aufopfernde Eifer der Herren Commandeure Schulze und Meyner, sowie ihrer ebenso gesamten muthvollen Mannschaften ist über alles Lob erhaben. Bey dem von 5 Uhr an erfolgenden Festzuge durch die Stadt empfingen die Feuerwehrmannschaften in den außerordentlichen Begrüßungen und Blumengaben die sichersten Beweise, daß das Institut der Feuerwehr sich der lebhaftesten Theilnahme der Bürgerschaft zu erfreuen hat Von auswärtigen Feuerwehren waren 17, worunter Halle, Eilenburg, Dueben, Jesstütz, Wittenberg, Zoerbig pp. durch Deputationen, im Ganzen etwa 180 Mann, vertreten. Das Mittagessen im Schwan, an welchen ca 100 Personen Theil nahmen, worunter auch der Freund und Förderer der Feuerwehren Herr General-Director von Huelsen aus Merseburg nebst anderen höheren Beamten sich befand, verlief in sehr heiterer Stimmung, desgleichen auch das Abends abgehaltene sehr zahlreich besuchte Concert, so wie der darauf folgende bis zum Morgen des Montags währende Ball. Vom 28ten August bis zum 9ten September lag wegen der bey Zoerbig, Bitterfeld und in Anhalt stattfindenden Divisions-Manöver ein Bataillon des Thüringischen Infanterir-Regiments No.96 mit dem Stabe hier im Quartier. Es bestand aus den Contingenten von Altenburg, beyde Reuß und Schwarzburg, und hatte ein 85 Mann starkes Musikchor, deßen Leistungen vortrefflich waren. In dem in der Ritterstraße gelegenen Hause des Fuhrmann Wittich erhing sich am Sten August früh zwischen 9 und 10 Uhr die junge Frau des Aßistent Ternau, welcher jetzt, da seit Anfang des Junius der Bau der Halle — Sorauer Eisenbahn hier in Angriff genommen, in deren Büreau angestellt ist. Dem sehr tüchtigen Lehrer der Naturwißenschaften der hiesigen höhern Bürgerschule ist zu Michäelis von dem Herrn Minister des Cultus pp. das Prädicat als „Oberlehrer" ertheilt worden. Herr Guenther hat diese Auszeichnung schon durch sein vorjähriges, in anatomischer, physiologischer und optischer Hinsicht sehr gut ausgearbeitetes Osterprogramm über das „menschliche Auge und die Gesichts-Wahrnehmungen" vollkommen verdient.
Im März erfuhr der Lehrer Bader, daß in Hoerde, einer Stadt von 9700 Ein- wohnern in der Provinz Westphalen, an der Bürgerschule eine Stelle mit 360 Rtl. Gehalt vacant sey. Er hielt sofort mit Beylegung seiner Zeugniße um die dieselbe an, ward nach einigen Wochen zu einer Probe berufen, wofür er Beyfall gefunden hafte, im Mai vom Magistrat erwählt, und reiste am 1 ten Junius von hier nach Hoerde ab. Kaum war er einen Monat dort, so hörte er, daß in dem benachbartem Witten, einer Stadt von 12300 Einwohnern, eine Stelle mit 400 Rtl. Gehalt an der höhem Bürgerschule sey; er meldet dies sogleich seinem hiesigen Freunde Breder, einem unserer besten Lehrer; derselbe säumte nicht zu Ende des Junius sich um die Stelle zu bewerben und erhielt nach nur drei Wochen vom dortigen Rector Dr. Zerlang die Nachricht, daß er in Berücksichtigung seiner vortrefflichen Zeugniße vom Eisleber Seminar und vom früheren Rector Giesel ohne Probe vom Magistrat zu Witten erwählt ist. Vier Wochen von seinem Abgange von hier, welcher am 1 ten October erfolgte, erhielt er ncoh eine besondere Zulage von 25 Rtl. für Ertheilung einer wöchentlichen Sing- stunde. Die durch den Herrn Baders Abgang erledigte Stelle erhielt der Lehrer Rocke, und die des Herrn Breder der bisherige Lehrer Wenzel in Kökern bey Zoerbig, gebürtig aus Bleicherode in Thüringen. Nachdem bereits im Jahre 1868 das Dach der Hospitalkirche mit einem Kostenaufwand von 24 Rtl. reparirt worden war, fügte der furchtbare Orkan am 7ten December deßelben Jahres auch dem Dache dieser Kirche eine bedeuten- deren Schaden zu, weßhalb im April und Mai dieses Jahres durch den von der Hospital-Inspection damit beauftragter Schieferdeckermeister Uhlich jun. eine Reparatur vorgenommen wurde, deren Kosten 89 Rtl. 21 Sgr. betragen und aus der Hospital-Kaße bezahlt wurden. Am 8ten Mai wurde noch in den Knopf des Kirchthurms, in welchem sich bey der Abnahme nichts vorfand, bey der Wiederaufsetzung eine vom Hospital-Vorsteher Weidenhammer verfaßte Urkunde mit Nachrichten über die Anstalt und einem Verzeichniß der jetzigen Inspections-Mitglieder und Beamten des Hospitals in einem wohl verwahrten Glas-Cylinder eingelegt; der Knopf war übrigens neu angestrichen und in der Mitte vergoldet worden.
Da die Hospital-Inspection schon seit längerer Zeit den Plan gefaßt hafte eine Erneuerung dieser schönen Kirche mit ihren herrlichen Gewölben im Innern vorzunehmen, was freilich zweckmäßiger schon früher vor Aufstellung der neuen Orgel im Jahre 1864 hätte geschehen sollen, so wurde nunmehr zur Ausführung dieser Restauration im Junius geschritten, und die Uebernahme und Leitung des Ganzen dem Zimmermeister Felix übertragen. Zuerst wurden nun die alten Stühle abgebrochen und das Holz verkauft, sodann die Steinplatten ausgehoben und der Fußboden durch Ausfüllung mit Kies und Sand um einen halben Fuß in der ganzen Kirche erhöhet, und hierauf die Steinplatten wieder eingelegt. Beyläufig sey hier noch bemerkt, daß die Kirche im Innern 67 Fuß lang, 25 Fuß tief und 30 Fuß hoch ist. Um die Gewölbe und Wände derselben abweißen zu können, wurden nunmehr von Zimmerleuten Gerüste aufgerichtet, auf denen der Maler Lohse mit drei Gehülfen diese Arbeit verrichtete und sehr gut ausführte, auch die Kanzel neu anstrich. Hierauf wurden nun mitten im Schiff der Kirche bis an das Altarstück die neuen Weiberstühle in 13 Reihen auf dem vorher gedieltem Fußboden aufgestellt, so daß noch zu beyden Seiten ein 5 Fuß breiter Gang übrig blieb. Da in Zukunft die Kirche im Winter geheizt werden soll, so wurde in jedem dieser beyden Gänge am Ende derselben im Winkel ein eiserner Ofen von der Größe und Höhe eines kleinen Tisches, um darin mit Gas zu Heizen, aufgestellt. Um das Eindringen der kalten Luft in die Kirche zu verhüten, wurde an der großen Kirchthüre im Innern noch ein Vorbau angebracht, welcher freilich den Uebelstand verursacht, daß bey voller Kirche die Entleerung derselben beiym Ausgange langsamer erfolgt, manchmal sogar ein Drängen entsteht. Da die Orgel während des Baues leider nicht gehörig verwahrt und verdeckt war, so war dieselbe durch Staub und Kalkfarbenflecke sehr verunreinigt, und mußte daher vom Herrn Orgelbauermeister Offenhauer sorgfältig gereinigt und alle Pfeifen deßhalb heraus genommen werden. Nach halbjähriger Unterbrechung des Gottesdienstes ward derselbe am 13ten October wieder eröffnet, wobey der Herr Superintendent Leipoldt die Predigt über Psalm 26, v.8 hielt. Die sämmtlichen Baukosten betragen nun 502 Rtl. 10 Sgr. mit Einschluß der Gasöfen und der Orgelreparatur.
Am 25ten October früh zwischen 8 und 9 Uhr hat sich der Postexpedient Wagner, 37 jahre alt, in seiner Wohnung in dem in der breiten Straße gelegenen Hause des Horndrechslermeister Pabst durch Vergiftung mit Strychnin das Leben genommen.Er hatte das Gift, 4 Gran deßelben, unter dem Vorwande seinen Hund damit tödten zu wollen, gegen Ausstellung des gesetzlichen Giftscheins in der Löwen-Apotheke selbst geholt. Wie man fast allgemein hört, soll der pp. Wagner das Lagerbier und die geistigen Getränke stark gemißbraucht, und deßhalb schon mehrmals von seinen Vorgesetzten ernste Warnungen und Verweise erhalten haben.
Für die Hinterlaßenen der am 2 ten August des Jahres früh gegen 6 Uhr in Folge einer Explosion von schlagenden Wettern und dadurch erfolgten Schacht-Einsturzes in den Burgkschen Steinkohlenwerken im Plauenschen Grunde bey Dresden verunglückten 276 Bergleute wurde von der Expedition des Kreisblattes in Delitzsch und der Umgegend eine Collecte veranstaltet, deren Ertrag bis zum Anfang des November 274 Rtl. 18 Sgr. einbrachte, desgleichen eine für die im August in Herzberg Abgebrannten, deren Ertrag 23 Rtl. 6 Sgr. lieferte; beyde Summen wurden an die betreffenden Hülfscomites nach Dresden und Herzberg gesendet. Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unsere Armenkaße auch im vorigem und in diesem Jahre wieder einen Zuschuß von je 550 Rtl.
Am l0ten November, dem Geburtstage unseres großen Reformators Dr. Martin Luther, wurde der von Seiner Majestät dem Könige in allen evangelischen Kirchen der Monarchie angeordnete außerordentliche Bettag, um den Segen Gottes für die glückliche Ausführung des jetzt angestrebten Verfaßungswerkes unserer evangelischen Kirche zu erflehen, auch bey uns feierlich begangen. Der Vormittags-Gottesdienst in der Stadtkirche war leider nur mittelmäßig besucht; dagegen war aber beim Abend-Gottesdienst um 6 Uhr die Hospitalkirche mit andächtigen Zuhörern ganz überfüllt; überhaupt wird diese freundliche Kirche seit ihrer Erneuerung sehr fleißig, weit mehr als früher, besucht. S.die Beilage No. 131 des Delitzscher Kreis- Blattes. In der Nacht vom 9 ten zum 10 ten November entleibte sich der Stadtmühlenbesitzer Maasch, 47 Jahre alt, in seinem Schlafzimmer eine Treppe hoch durch einen langen Schnitt mit dem Barbiermeßer in die Schlag-und Blutadern des Halses zu beyden Seiten. Derselbe war durch den starken Mißbrauch geistiger Getränke schon länger in eine stille Melancholie und Geistesschwäche verfallen, welche durch die in Folge des kostspieligen Neubaues des gangbaren Zeuges der Mühle entstandene bedeutende, sehr drückende Schuldenlast noch mehr gesteigert wurde.
Der am 18 ten August des Jahres hier verstorbene Rentier Herr Christian Zschieke, früher Gutsbesitzer in Brodau, hat durch Testament bestimmt: 1) daß ein Legat von 400 Rtl. der hiesigen Volksschule aus seinem Nachlaße gezahlt werden soll mit der Bedingung, daß die Zinsen zur Bekleidung armer Confirmanden verwendet werden sollen; 2) daß an die hiesige Kirche ein Legat von 50 Rtl. gezahlt werde zur Erhaltung seiner Grabstätte. Auch hat der pp. Zschieke vor vier Jahren der hiesigen Schützen-Compagnie neue Käppis und drei neue flache Meßing- Trommeln geschenkt, wofür der Kostenaufwand im Ganzen 212 Rtl. beträgt. Der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Bernhard Adolph Blanckmeister, der an des zu Michäelis 1866 als Pfarrer nach Hayna abgegangenen Diaconus Hofmann, welcher am 20ten post Trinit., 14ter October 1866 seine Abschiedspredigt hielt, Stelle trat, erhielt vor Kurzem den Ruf als Pfarrer nah Paupitsch und Benndorf. In Folge deßen hielt er den 21ten November am 26ten p.Trinit. (dem Todtenfeste,) früh in der Stadtkirche und Mittags in der Gottesackerkirche, beyde Mal vor einer sehr vollen Versammlung, seine Abschiedspredigt, und verließ dann am 24ten November unsere Stadt.
Der Mühlenbesitzer Wittig erbaute in diesem Jahre auf einem vom Rentier Wilhelm Kühne erkauften Gartenfleck vor der Pforte ein neues Wohnhaus, und der Cigarren-Arbeiter Friedrich Wilhelm Jentzsch ein dergleichen auf einer schon vor mehreren Jahren vom früheren Cigarrenfabrikant Haschert erkauften, zwischen der Eilenburger und Dübener Straße gelegenen Feldparcelle.
In Folge des erwähnten Feuers im Locale der Schuhmacher-Association und der schlechten Verwaltung derselben, sowie mangelhaften Buchführung, welche sich in Folge dessen herausstellte, hatte sich schon im vorigen Jahre die Schuhmacher-Association aufgelöst. Es wurde ein großer Theil der Mitglieder von den Gläubigern verklagt, zum Theil schweben diese Processe jetzt noch und Viele haben in Folge der eingetretenen exceutirischen Maaßregeln zahlen müssen. Es konnte nicht fehlen, daß hierbei manche Unschuldige mit dem Schuldigen leiden mußte. Wie man hört soll das Warenlager der Association bei der Aachener-Münchener— Feuerversicherungs-Gesellschaft mit 4,200 Rtl. versichert gewesen sein. Letztere hat sich geweigert die versicherte Summe zu zahlen, und hat auch im Proceßwege nicht dazu verurtheilt werden können, weil die Schuhmacher-Association den durch die Feuersbrunst angeblich erlittenen Verlust nicht genau und zuverlässig nachzuweisen im Stande gewesen ist.
Die Sache ist also faul. Als im Frühjahr des Jahres Vorarbeiten, Vermeßungen und Anfuhren von Baumaterialien zum Bau der Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn, und zwar zur Strecke von Eilenburg nach Delitzsch vollendet waren, wurde gleich vom Anfang des Julius an mit den Erdarbeiten vom Dorfe Hohenrode an bis Delitzsch begonnen, ebenso auch bald nachher mit den Maurerarbeiten. Die Bahn geht zwischen Bärendorf und Mannsfelds Windmühle in ziemlich gerader Linie nach unserer Stadt unmittelbar auf deren südlicher Seite vorüber nach Gertitz; der Bau derselben ist indeß bis zum December nur langsam fortgeschritten, der oberhalb der Eilenburger Straße beginnende und bis an die Leipziger Chaußee sich erstreckende ziemlich hohe Damm ist zwar fast fertig, dagegen von Brückenbauten nur der Durchgang unter der Eilenburger Straße und der auf den Loberwiesen, so wie der von Delitzsch nach Döbernitz vollendet; die Brücke über den Lober oberhalb der Elberitzmühle fehlt noch. Jeder Morgen Feld wird vom Bahn- Comite mit 600 Rd. bezahlt.
An die Stelle des am 8ten August des Jahres verstorbenen Friedrich Thaerigen ist der bisherige Kanzlist beym hiesigen Kreisgericht Heinrich Gelpke vom Magistrat als Registrator und Armenkaßen-Rendant erwählt undam 15ten December verpflichtet worden; Gehalt 240 Rtl. Wie in früheren Jahren, so fanden auch diesmal zu Weihnachten Christbescheerungen statt; in der im Seitengebäude des Hospitals befindlichen Kinder-Bewahr-Anstalt wurden am 23ten December Abends um 5 Uhr 42 arme Kinder mit Kleidungsstücken, kleinen Stollen pp. beschenkt; die Mittel dazu waren durch eine von der erst seit Michäelis hier angestellten, sehr tüchtigen Vorsteherinn, dem Fräulein Stemmer, einer Diaconißin aus Kaiserswerth, veranstalteten Collecte, welche 51 Rtl. einbrachte, beschafft worden; desgleichen empfingen Tags darauf die Hospitaliten nach vorgängigem Abendgebet, in welchem der Herr Superintendent Leipoldt eine herzliche Ansprache an dieselben richtete, die gewöhnliche auf dem Etat der Hospitalkaße stehende Christbescheerung bestehend aus großen Stollen und Pfefferkuchen; endlich hatte noch die Lehrerinn Fräulein Eppner am 20ten December durch freiwillige Beiträge eine Bescheerung für arme Kinder aus der Volksschule mit Kleidungsstücken und Büchern im Mädchen- Schulgebäude zu Stande gebracht.
Der Witterslauf war in diesem Jahre von dem des vorigen in mehrfacher Hinsicht sehr abweichend. Der Winter war bey fast durchweg hohem Barometerstande (Bar. 28,3 — 8) im Januar und niedrigerm unter 28 im Februar und März, bey vorwaltendem Süd-und Westwinde größten Theils milde; dichte Nebel, Regen, Schnee und Thauwetter wechselten oft einander; nur die Tage vom 14ten bis 25ten Januar machten hiervon eine Ausnahme, wo bey dem angegebenen sehr hohem Barometerstande und vorherrschendem Ostwinde das Thermometer früh um 7 Uhr nach Reaum. -5 — 11 zeigte. Dagegen war als eine wahre Seltenheit der April ungewöhnlich schön und warm, wodurch die Vegetation sehr befördert ward; der Barometerstand war mehr hoch, Süd-West und Süd-Ostwind vorherrschend. In der Nacht vom 15ten zum löten April war ein Nordlich von 17-2 Uhr sichtbar, und seit Mittags hatten Gewitter von Süden nach Norden herauf ziehend unsere Gegend einigermaßen gestreift. Der Mai war weit mehr rauh und kühl, als schön, die Windrichtung oft wechseld; trotz einiger Land-und Gewitterregen die Dürre anhaltend; Maikäfer und Raupen sehr wenig vorhanden. In der Nacht vom 13ten zum 14ten Mai war von 10 Uhr an wieder ein Nordlicht mit breiten roth und weißen bis an das Zenith reichenden Lichtstreifen sichtbar, welches von 12 Uhr nach den astronomischen Beobachtungen und Berichten in solcher Intensität und Ausströmung der Lichtstärke bis zum frühen Morgen wuchs, daß der ganze Himmel erhellt erschien, und selbst südlich stehende Fixsterne erbleichen mußten. Am 13ten war früh bey Nordwind dichter Nebel, das Barometer stand an diesem und demfolgendem Tage auf 28,2. Noch rauher und auffallend kühler als der Mai war der Junius, so daß Viele noch in den längsten Tagen einheizten. Land- und Gewitterregen fehlten auch in diesem Monat nicht; dennoch war in diesem Sommerhalbjahr in Folge der großen Dürre des vorigen Jahres der Waßerstand im Lober in ungewöhnlich seltner Weise bis zum Anfang des October außerordentlich niedrig. Die Heuerndte ist gut gewesen und glücklich eingebracht worden. Der Julius war bey oft wechselnder Windrichtung mit Ausnahme weniger Tage schön und warm; das Barometer stand hoch, auf 28,2 — 5; das Thermometer zeigte Nachmittags 3 Uhr + 30 — 36 Reaum. in der Sonne. Die Getraide-Erndte fand zur gewöhnlichen Zeit statt; der Roggen ist gut gerathen, noch beßer der Weizen, minder gut die Gerste und der Hafer. Am 2ten und lOten hatten wir einen Land-und Gewitterregen. Der August brachte gleich zum Anfang starke Gewitterregen, und war überhaupt größten Theils trübe, stürmisch, rauh und naßkalt; der Wind kam am meisten aus Nord-Westen.
Der September fing bey derselben Windrichtung gleich am lten dem Aegidius Tag früh mit Frost an, wie denn überhaupt die meisten Tage dieses Monats sehr kühl, trübe, regnigt und stürmisch waren. Am 12ten und 28ten hatten wir Gewitterregen und am 29ten Abends 7 % Uhr war ein Nordlicht (das dritte in diesem Jahre) von kurzer Dauer und matter Leuchtkraft bey hellem Himmel und dunstfreien Horizont sichtbar; der Stand des Barometer mehr niedrig. Die gute Grummterndte ward noch glücklich eingebracht. Der October war bey fast durchweg höhern Stande des Barometer und öfterem Ostwind noch rauher und naßkalter, als der September, überhaupt der ganze Herbst schlecht, weßhalb denn auch natürlich schon wegendes Mangels der Sommerhitze der Wein buchstäblich zu Eßig ward; die kalte Herbstwitterung brachte den Trauben den Tod. Vom Obst sind nur Kirschen und Birnen gut gerathen, weniger gut die Aepfel, am wenigsten die Pflaumen, von denen der große Scheffel bis 3 Rtl. im Preise stieg. Die Kartoffelerndte ist im Allgemeinen nur mittelmäßig ausgefallen, der große Scheffel kostete I Rtl., ausgesuchte I Rtl. 10 Sgr. Was von der Witterung des October gesagt ist, gilt noch in höherem Grade von der des November, deßen meiste Tage bey den öftern Schwankungen des Barometer, deßen bald höherem bald niederm Stande, so wie bey vorherrschendem Nordwest- und Ostwind sehr stürmisch, kalt und trübe waren, und abwechselnd Frost, dichte Nebel, Schnee und Regen brachten. Die Hauptursache dieser anomalen Witterung des ganzen Herbstes ist wohl darin zu finden, daß vom 29ten October an und den November hindurch im südlichen Deutschland, besonders in der Gegend von Frankfurt am Main und Darmstadt und vorzugsweise in dem zwischen diesen Städten gelegenen Heßischen Dorfe Groß-Gerau fast täglich Erdbeben statt fanden, welche oft in den Nächten so heftig wurden, daß sie in dem genannten Dorfe, als dem Mittelpunkte dieser furchtbaren Naturerscheinung, die Bewohner aus dem Schlafe weckten, und diese aus ihren Wohnungen wegen des zu befürchtenden Häuser-Einsturzes auf das freie Feld flüchten und dort campiren und frieren mußten. Diese Erderschütterungen hörten mit dem Anfang des December, (am 6ten Nebel, Barom.28,7) deßen Witterungslauf in der bisherigen Weise fortdauerte, auf, und kehrten noch einmal in der Nacht vom löten zum 17ten mit großer Heftigkeit zurück; an letzterem Tage tobte ein gewaltiger Orkan aus Westen, das Barometer, welches in der nacht 7 Linien gefallen war, stand früh um 8 Uhr äußerst niedrig, 27,1, und Abends 8 Uhr, 27,9. Dieser Sturm richtete an den Dächern Unheil an, fügte auch dem Thurme und dem Dache unserer Stadtkirche wieder einen neuen, wenn auch diesmal zum Glück nicht so bedeutenden Schaden zu; und entwurzelte auch eine hart an der Kohlthorbrücke auf der östlichen Seite der Chaußee stehende hohe und starke italienische Pappel, in welche vor etwa fünf Jahren ein gewaltiger Blitzstrahl geschlagen und die dicke Rinde derselben unten in der Höhe von fünf Fuß im halben Umfange des Baumes abgesprengt hatte.
Was den Gesundheitszustand betrifft, so herrschten von Mai bis September die Spitzpocken und Varioloiden (modificirte Menschenpocken) epidemisch, an letzteren starben drei Frauen. Von Anfang des Julius bis zum Jahresschluß aber graßirte in bösartiger Weise das Scharlachfieber epidemisch, und forderte unter den Kindern viele Opfer. Geboren wurden in diesem Jahre 331 (worunter 44 Uneheliche), und gestorben sind 241, worunter 146 Kinder. Es muß aber hierbey bemerkt werden, daß die Geborenen und Verstorbenen der kleinen Katholischen, jüdischen und freien Gemeinde, deren Mitgliederzahl vor zwey Jahren zusammen 233 Personen betrug, so wie auch der Strafanstalt, selbstverständlich, wie allemal, hierin nicht mit inbegriffen sind. Was den Witterungslauf betrifft, so war dieses Jahr wohl das regelwidrigste und wechselvollste, welches die jetzige Generation erlebt hat.
1870
Vom 1ten Januar des Jahres an haben nachbenannte Herren Lehrer folgende nach den Dienstjahren bemeßene Gehalts-Zulagen erhalten: 1) Schneider 40 Rtl. 2) Berger 15 Rtl. 3) Petermann 40 Rtl. 4) Hoffmann jun. 65 Rtl. 5) Beyer 30 Rtl. 6) Rocke 25 Rtl. 7) Thierbach 61 Rtl. 8) Jost 40 Rtl. 14)Klein 25 Rtl, 10) Schubert 25 Rtl. 11) Wenzel 25 Rtl. 12) Grellmann 68 Rtl. 13) Hofmann sen. 64 Rtl. 14) Kiemstedt 25 Rtl. 15) Diedecke 45 Rtl. 16) Ruhmann 20 Rtl. 17) Wernicke 25 Rtl.
Es betragen also die jetzigen Gehalte der genannten Herren mit Einschluß der betr. dem Werthe nach billig berechneten Amtswohnungen und der resp.Cantoren- und Organisten-Besoldungen nach dieser Reihenfolge: 1) 390 Rtl. 2) 340 Rtl. 3) 450 Rtl. 4) 365 Rtl. 5) 280 Rtl. 6) 225 Rtl. 7) 500 Rtl. 14)400 Rtl. 9) 275 Rtl. 10) 250 Rtl. 11) 225 Rd 12) 475 Rtl. 13) 400 Rtl. 14) 225 Rtl. 15) 325 Rtl. 16) 250 Rtl. 17) 225 Rd. Uebrigens darf auch bey uns seit einem Jahre kein Elementarlehrer unter 200 Rtl. angestellt werden. Für die am 6ten und 7ten Februar in Havelberg Abgebrannten, an welchem Brande an 700 Personen ihre Habe und Obdach verloren, wurde von der Expedition des Kreisblattes eine Collekte veranstaltet, deren Ertrag 86 Rtl. 6 Sgr, 9 Pf. betrug, und am 24ten Februar an den Magistrat in Havelberg eingesendet worden ist. Kleidungsstücke waren schon vorher abgeliefert. Mit den nach dem Schluß dieser Sammlung noch eingegangenen Beyträge hat der Gesammt-Ertrag derselben am Ende des Februar die Summe von 91 Rtl. und 29 Sgr. 9 Pf. ergeben, welche nach Havelberg gesandt wurden.
Am 29ten Maerz wurde unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs- und Schulraths Haupt aus Merseburg die mündliche Prüfung der Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten. Einer von den drei Schülern, welche sich diese Ostern der Abgangsprüfung unterzogen, konnte in Folge des sehr guten Ausfalls seiner schriftlichen Examenarbeiten und auf Grund der günstigen Zeugniße der Lehrer über seine Klaßenleistungen durch Dispensation von der mündlichen Prüfung ausgezeichnet werden; auch die beyden anderen Abiturienten bestanden das Examen. Censuren 1 gut, 2 genügend. Die Witterung des November und December des vorigen Jahres mit ihrem schroffen Wechsel dauerte im Januar des Jahres fast ganz in derselben Weise, und zwar in der ersten Hälfte deßelben bey vorherrschendem West—und Südwest—Winde und niedrigerm Barometerstande unter 28, dagegen in der zweiten Hälfte bey vorherrschenden Nordwest — und Ostwinde, höherem Barometerstande über 28, und mäßigem Frost, wie bisher fort. Die im südlichen Deutschland statt gefundenen pag.452 erwähnten Erderschütterungen kehrten im Januar bis zu deßen Ende noch mehrere Male in größerer und geringerer Stärke zum Schrecken der Einwohner zurück, ja sogar noch einige Mal im Februar und März.
Noch verdient als eine große Seltenheit erwähnt zu werden, daß im Laufe des Januar vier Nordlichter erschienen, und zwar am lten, 6ten, 20ten und 30ten, von denen das erste am Neujahrsabend von 11 bis 12 Uhr nach den übereinstimmenden astronomischen Zeitungsberichten als ein prachtvolles Phänomen, wie eine rote Feuersäule, sich zeigte, die andern drei aber minder glänzend waren Eine offenbare Folge davon trat denn gleich vom Anfang des Februar bis Mitte deßelben bey hohem Barometerstande (28,2 — 5) strenge Winterkälte ein; das Thermometer zeigte mehrmals früh 7 Uhr-15 Reaum. Scharfer Ostwind war vorherrschend. In der zweiten Hälfte des Februar schlug bey vorwaltendem Westwind die Kälte bedeutend ab; statt der kalten und hellen Tage der ersten Hälfte des Monats hatten wir wieder, wie im Januar, mildere, trübe und nebelvolle mit Schneefall bey niedrigem Barometerstand. An die Armen wurde von der Armen-Deputation 120 Tonnen ausgesiebte Knorpelkohle vertheilt. Die beyden letzten Tage des Februar und die drei ersten des Maerz waren sehr schön und milde, und man hoffte, daß der Winter, welcher diesmal schon zu Michäelis vorigen Jahres anfing, nun endlich Abschied nehmen würde; dennoch kehrte er noch einmal am 4ten Maerz zu uns zurück, und hielt bis zum Ende des Monats aus; die meisten Tage deßelben waren, obgleich bey mäßigem Frost und nur geringen Kältegraden, sehr trübe, naßkalt und rauh, auch durch anhaltende dichte Nebel, vielen Schneefall, Thauwetter und empfindlichen Nord — und Ostwind bezeichnet. Am 12ten Abends um 8 Uhr war ein Schneesturm (Barometer 27,4); der Stand des Barometers war häufigen Schwankungen unterworfen. Dieser ungewöhnlich lange anhaltende zum Theil harte Winter von der Dauer eines vollen halben Jahres hatte natürlich auch auf die Gesundheit der Menschen einen sehr nachtheiligen Einfluß und ward besonders Kindern und Brustkranken, noch mehr aber alten Personen verderblich; unter den letzteren war die Sterblichkeit sehr groß. Von Scharlach und Spitzpocken kamen nur noch vereinzelte Fälle vor; Catarrhe waren aber an der Tagesordnung. Noch ist zu bemerken, daß wegen der großen Näße die sehr gewünschte Bestllung des Feldes für die Sommersaaten leider noch nicht hat statt finden können.
Als der jetzige Besitzer der hiesigen Buchdruckerei Herr Bernhard Meyner diese nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1854 übernahm (S.pag.219), befand sie sich schon in einem recht gutem Zustande. Derselbe, ein Mann des besonnenen Fortschritts, vervollkommnete sie aber immer noch mehr durch Einführung zeitgemäßer Verbeßerungen. Da bey dem bedeutend vermehrten Geschäftsbetrieb die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten, so unternahm Herr Meyner zuerst im Jahre 1861 den Umbau des Wohnhauses, und führte dann 1862 mit vielem Kostenaufwand den totalen Neubau des langen in der kleinen Schloßgaße stehenden Seitengebäudes in höchst zweckmäßiger Weise aus, so daß die Officin die völlig ausreichenden Localitäten in den Parterre-Räumen des ganzen Grundstücks erhielt, und die obere Etage von dem Besitzer zur Wohnung benutzt wird. Zur schnelleren Förderung des Geschäftsbetriebes kaufte nun noch Herr Meyner im Mai 1870 auf der Leipziger Ostermeße für den Preis von vierzehnhundert Thalern aus der Fabrik von Klein, Forst und Bohn in Johannisberg am Rhein eine vortreffliche Schnelldruckpreße, welche vom Monteur Jacob Kempnich hier aufgestellt wurde, nur drei Mann zur Bedienung braucht, und deren erste Arbeit die No. 62 des Kreisblatts von 1870 war. Sie ist selbstverständlich ganz von Eisen, und wird durch ein etwa fünf Fuß im Durchmeßer haltendes Schwungrad, welches von einem Menschen gedreht wird, in Betrieb gesetzt. Am lten April legte der bisherige Lehrer an der höheren Bürgerschule Cand.Theol. Blindow nach nicht ganz zweyjähriger Wirksamkeit sein Amt nieder; derselbe war Ordinarius von Quinta, konnte aber leider, wie man oft hörte, bey aller Gelehrsamkeit doch keine Zucht und Ordnung in den Lehrstunden halten, weßhalb denn auch zu Michäelis vorigen Jahres dem um diese Zeit neu angestellten Lehrer, Cand.des höheren Schulamts, Carl Achten aus Breslau das Ordinariat dieser Klaße übertragen ward.
Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen 396 Rtl. verpachtet worden, und die Pflaumenplantage im Rosenthal für den Preis von 75 Rtl.
Die Witterung des April war in der ersten Hälfte deßelben bey höherem Juni Barometerstande und fast täglich wechselnder Windrichtung in der ganzen Windrose größten Theils angenehm und milde. Am Sten Abends von 8 — 9 Uhr war bei heiterm Himmel und hohem Barometerstande (28,6) ein prächtig glänzendes Nordlicht sichtbar, von welchem feuerrothe Strahlen bis in das Zenith stiegen; nach den astronomischen Berichten hatte daßelbe 30 Grade Breite, 55 Grade Höhe, und der Hauptstrahl allein, welcher bis zum Polarstern reichte, 3 Grade Breite. Die zweite Hälfte des April war bey vorherrschendem Nordost- und Nordwest-Wind weit mehr stürmisch, trübe und kalt als schön; besonders am 15ten und löten hatten wir Stürme mit Graupeln.(Thermfrüh — 8), (Barom. 28,4). In Folge des fast gänzlichen Mangels an Regen war während des ganzen April die Dürre sehr groß, welche noch im Mai fortdauerte, bis endlich noch zu rechter Zeit am lOten, 14ten, 16ten und 17ten Mai mehrere starke Gewitterregen die ausgedorrten Fluren erquickten, worauf wieder bey hohem Barometerstand und vorherrschenden Nordwestwind sehr schöne und warme Tage bis zum 22ten des Monats eintraten, denen aber wieder stürmische und sehr rauhe Tage bis zum 31ten , an diesem Abends mit einem Gewitterregen, folgten. Maikäfer und Raupen waren nicht vorhanden. Die Saaten standen gut, nur der Mangel an Futterkräutern war bedeutend, weßhalb die Marktpreise stiegen, die Kanne Butter bis zu dem enormen Preise von 1 Rtl., welcher aber bald wieder um 1/3 fiel. Die rauhe und unfreundliche Witterung hielt bey hohem Barometerstand (28 — 28,4) und vorherrschendem West und Nordwestwind noch bis zum 13 Junius an, worauf dann bey noch immer anhaltender Trockenheit herrlicher sehr warmes, die Heuerndte begünstigendes, Wetter bis zum 24ten folgte. Aber von diesem Tage an bis zum Ende des Junius regnete es bey empfindlicher Kühle viel bey Tag und Nacht, so daß leider ein großer Theil der wirklich schönen Heuerndte verloren gegangen ist. Der Waßerstand im Lober war während des ganzen Vierteljahrs sehr niedrig. In Hinsicht des Gesundheitszustandes ist noch zu erwähnen, daß im April vereinzelte Fälle von natürlichen Menschenpocken bey Erwachsenen vorkamen, welche tödlich endeten; überhaupt ist in diesem Frühjahr die Sterblichkeit, besonders unter den Schwindsüchtigen und Kindern, bedeutend gewesen; unter den letzteren herrschte auch der Keuchhusten. Am 4ten post Trinit.(d. 1 Oten Julius) hielt im Vormittags- Gottesdienst der Candidat Meinhardt aus Eisleben seine Antrittspredigt als Diaconus, nachdem er zuvor vom Oberpfarrer und Superintendent Vicar Leipoldt in sein Amt eingeführt war. Der Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer, welcher seit sieben Jahren, besonders im Winter und Frühjahr, in seiner Amtsverwaltung öfters durch Krankheit unterbrochen wurde und daher vertreten werden mußte, ist vom lten August des Jahres an mit einer Pension von 300 Rtl. emeritirt worden.
Als deßen Nachfolger in den genannten beyden Aemtern wurde der bisherige Stadt-Steuereinnehmer Robert Ufer, und als Nachfolger in deßen Amte der bisherige Sparkaßen-Aßistent Julius Braune vom lten October an angestellt. Am 4ten October hat sich die Frau des Handarbeiter Raetz in ihrer Wohnung in der Leipziger Vorstadt erhängt; deßgleichen auch an demselben Tage eine Frau im hiesigen Zuchthause. Die Witterung des Julius war bis zum 6ten trübe und kühl; am lten Abends um 5 und 7 Uhr hatten wir zwey Gewitter, und am 2ten noch ein starkes mit Graupeln um 6 Uhr Abends. Vom 6ten Julius an trat aber bey höherem Barometerstande ( 28,1 — 3 ) und vorherrschenden Nordwestwind und Südostwind sehr schönes warmes Wetter ein, (Thermometer + 33), am 13ten und 2 lten mit milden Landregen; der 28te und 29te, an welchem letzterem Tage früh ein sehr dichter Nebel war, brachte und Abneds um 4 und 10 Uhr starke Gewitterregen; die Roggenerndte wurde noch glücklich eingebracht; sie war im Ertrag in jeder Hinsicht gut. Das sehr schöne, warme Wetter des Julius (Thermometer +36) hielt bey niedrigem Barometerstande noch bis zum 9ten August an; von diesem Tage an trat aber eine bedeutende Abkühlung ein, und das Wetter war bis zum Ende des Monat sehr kühl, trübe, stürmisch und regnigt; auch hatten wir bey größten Theils niedrigen Barometerstande und vorherrschendem Nordwestwind und Nordostwind viele Regentage, und am 6ten, 8ten, lOten, 12ten und 19ten starke Gewitter, von denen das an dem schwülen Tage des 12te Abends von 5-7 Uhr sich durch seinen förmlich wolkenbruchartigen Regen auszeichnete, auch der Blitz im Dorfe Grabschütz in einem mit Stroh gedeckten Wirthschaftsgebäude zündete. In Folge der lange anhaltenden bedeutenden Näße wurde natürlich das Einbringen der Weitzen-, Gersten- und Hafererndte sehr erschwert und verzögert, indem die Feldbesitzer drei volle Wochen täglich mit dem Wenden und Aufstellen der Mandeln und Garben vollauf zu thun hatten, und trotz aller Arbeit und Mühe doch noch ein großer Theil dieser drei Fruchtarten durch Auswachsen verloren gieng. Es kann daher der Ertrag derselben nur als ein mittelmäßiger bezeichnet werden, zumal da der Weitzen schon im Frühjahr durch Auswintern sehr gelitten hatte und an vielen Stellen sehr dünn stand, und der große Scheffel deshalb bis 6 Rtl. 15 Sgr. stieg. Der Winter- Rübsen und Raps hat ebenfalls durch Auswintern so gewaltig gelitten, daß dieselben an vielen Orten haben umgepflügt werden müßen; die Erndte dieser Oelfrüchte ist mithin schlecht ausgefallen. An den kalten und stürmischen Tagen des 29ten und 30ten hat der Sturm von den Obstbäumen, welche dieses Jahr, besonders die Pflaumen, sehr voll hiengen, recht viel Früchte abgeworfen ; doch hängen noch viel.
Am 1ten September, dem Aegidius-Tage, war das Wetter sehr schön und angenehm, und wir hatten also nach der alten in den meisten Fällen bestätigten Wetter-Regel einen durchweg schönen September zu hoffen; allein trotzdem war die Witterung deßelben mit Ausnahme einiger warmen Tage zu Anfang und Ende des Monats bey oft wechselnder Windrichtung sehr kühl, trübe, nebligt und reg,nigt, am am Sten Morgens 2 Uhr auch ein Gewitterregen; der größere Theil der guten Grummterndte konnte, weil der Wind öfters wieder abtrocknete, noch mit genauer Noth eingebracht werden, der kleinere dagegen verdarb wegen der Naßkälte auf den Wiesen. In der Nacht am 24ten war von Abends 10 Uhr bis früh 4 Uhr ein prachtvolles Nordlicht sichtbar, von Farbe tief dunkelroth mit untermischten gelben Streifen, und sehr breitem Umfang; am folgenden Abend ward noch eins von derselben Stärke und Schönheit beobachtet . Das Barometer stand in der letzten Woche des Monats hoch, am 23ten und 30ten, 28,7. Noch ist zu bemerken, daß die Seite 452 erwähnten Erderschütterungen im Dorfe Groß- Gerau nach längerer Ruhe zu Anfang des Monats erst in geringerm Grade, dann aber vom 17ten an in bedeutenderer Stärke sich wiederholt haben.
Über den Gesundheitszustand ist zu berichten, daß normale Menschenpocken nicht mehr vorgekommen, auch für das verfloßene Vierteljahr.
Am 17ten October, Montags früh um 10 1/2 Uhr, entstand Feuerlärm; es brannte in der Hallischen Straße im Hofe des Gasthofsbesitzers Boehme zum goldenen Adler ein Stallgebäude, in welchem Braunkohlen, Reißholz, Stroh und Heu aufbewahrt wurden. Unsere trefflich organisirte und schon mehrfach bewährte Feuerwehr machte auch diesmal kurzen Proceß mit dem Feuer; nach Verlauf einer Viertelstunde war daßelbe gelöscht und die Gefahr vorüber. Die Entstehungsursache ist bis jetzt nicht entdeckt worden. Der Herr Kreisphysikus und Dr Kanzler hat im November unmittelbar vor seinem Wohnhause am Leipziger Thor ein Stück Stadtgraben von der Stadtkommun für den Preis von 78 Rtl. 15 Sgr. gekauft; die Linie wurde vom Brückenpfeiler bis an die aus der Holzstraße abgeleitete Schleuße gezogen, und der gewonnene Flächenraum beträgt 471 Quadrat Fuß; zum Schutz des Ufers hat der Besitzer nunmehr eine 5 Fuß hohe starke Mauer aus Bruchsteinen mit einem nicht unbedeutendem Kostenaufwand aufgeführt. Der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn ist in diesem Jahre in Folge des am löten Julius zwischen Frankreich und Deutschland plötzlich ausgebrochenen furchtbaren Krieges sehr ins Stocken gerathen, und die Actien dieser Bahn sind im December bis zum Jahresschluß nach und nach sogar bis auf 42 1/2 Rtl. gesunken. Von den Brücken sind die gleich oberhalb der Elberitz-Mühle befindliche maßive hoch gewölbte Loberbrücke und in geringer östlichen Entfernung davon wegen manchmal hohen Waßers eine ebenso schöne Flutbrücke erbaut, auch die beyden hohen Mauerpfeiler für den Durchgang der Berlin-Anhalter Eisenbahn vollendet worden, deßgleichen auch rechts von der Leipziger Chausee ein Güterschuppen und ein Waßerhaus. Dagegen sind aber die Erdarbeiten zu dem Damme zwischen den genannten Brücken und über diese hinaus noch sehr zurück; der Damm selbst ist hier an manchen Stellen 15 — 25 Fuß hoch, und giebt unserer Stadt von der südöstlichen Seite leider das Ansehen einer kleinen Festung; Gott gebe, daß dieser Damm bey einem Kriege in spätem Zeiten nicht einmal das Unglück für unsere Stadt wird. Aus der ursprünglich projectirten Eröffnung dieser Eisenbahn zum lten janura 1871 ist natürlich unter diesen Umständen bey dem Mangel an Eifer im Betrieb und wohl auch an Geld nichts geworden.
Die Witterung des October war in den ersten Tagen bey sehr hohem Stande des Barometer (28,4 — 8) hell und schön; bald fiel jedoch daßelbe bedeutend (bis 27,2.), der bisherige Ostwind ging in Nordwind und bald in Westwind über, worauf viele, trübe und kühle, auch regnigte Tage folgten. Am 24ten Abends von 6 bis 9 Uhr war bey hellem Himmel ein prachtvolles Nordlicht von sehr breitem Umfange nach Osten und Westen mit purpurrothen und gelben bis hoch an das Zenith aufsteigenden Strahlen sichtbar; am nächstfolgendem Abend wurde wieder ein solches, das neunte in diesem Jahre, bey trüberem Himmel, aber nicht so umfangreich und glänzend, wie das gestrige, von 6 1/2 - 8 Uhr beobachtet. Der Aberglaube des unwißenden großen Haufens erhielt durch diese Naturerscheinungen wegen des jetzigen blutigen Krieges mit Frankreich sehr reiche Nahrung Zu bemerken ist noch, daß die Kartoffelerndte recht gut ausgefallen ist, ebenso auch die Obsterndte, dagegen ist der Wein ganz mißrathen. Die Witterung des November war diesmal bey Anfangs höherem, dann größten Theils niedrigem Barometerstande und vorherrschendem Südwestwind und Westwind ungewöhnlich milde und schön; nur die letzten drei Tage deßelben waren bey hohem Barometerstand (B 28,4) und bey Nordwestwind trübe und kühl und voll dichten Nebels. Gleich vom Anfang des December trat starker Frost mit Schnee an mehreren Tagen ein bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (B. 28,1 — 5), das Thermometer fiel bis auf —10 Reaum früh 7 Uhr. Vom 13ten bis zum 20ten hatten wir bey niedrigerm Barometerstande und bey Westwind Thauwetter, worauf wieder vom letztgenannten Tage an bis zum 3 lten helles Wetter bey hohem Barometerstande und anhaltendem Ostwind und Nordostwind mit bedeutenden Kältegraden folgte; die beyden kältesten Tage waren der 24te und der 25te; an ersterem zeigte das Thermometer früh 7Uhr — 18, und Nachmittags 3 Uhr noch — 12; an letzterem früh 7 Uhr — 15. Zu erwähnen ist noch, daß die bereits verzeichneten Erderschütterungen in dem Heßischen Dorfe Groß-Gerau am 18ten des Monats in heftigem Grade wiedergekehrt sind. —
Der Gesundheitszustand war wie überhaupt dieses Jahr, im Ganzen genommen befriedigend; im letzten Vierteljahr waren Catarrhe nicht selten, so wie bey älteren Personen asthmatische Brustbeschwerden; auch kamen mehrere Fälle von maskirtem Scharlachfieber, wo der Ausschlag auf der Oberhaut gar nicht sich zeigte, sondern seine Rolle blos auf den Mandeln und den Schlingwerkzeugen abspielte, dann aber durch die nachfolgende Waßersucht sich manifestirte und mehrmals tödlich endete, zur Behandlung.
Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 392, worunter 51 Uneheliche, und gestorben sind 266, worunter 169 Kinder, so wie 2 Personen über 80, und 1 über 90 Jahre sind.
Der Gasthofbesitzer Becker erbaute in diesem Frühjahr und Sommer, nachdem er vorher einen großen Theil seines alten in der Zscherngaße gelegenen, bisher nur Stallungen enthaltenden, Seitengebäudes weggerißen hafte, an deßen Stelle ein sehr schönes maßives, unmittelbar an das Wohngebäude stoßendes, zweimal übersetztes, Wohnhaus, welches in jeder der bey den obern Etagen eine Fronte von 13 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten mögen nach ohngefährer Schätzung wohl mindestens 10000 Rtl. betragen. Desgleichen erbaute auch der Windmühlenbesitzer Dittmar, nachdem er sein vor fünf Jahren neu erbautes maßives an der Allee vor dem breiten Thor gelegenes Wohnhaus mit Zubehör an den praktischen
Arzt Dr. med. Rathmann für 5200 Rtl. verkauft, und das Grundstück seines verstorbenen Vaters in der breiten Straße übernommen hatte, nach Nieder- reißung des alten in der Mauergaße liegenden Seitengebäudes an deßen Stelle ein schönes maßives, einmal übersetztes, mit dem Wohngebäude in Verbindung gebrachtes Wohnhaus, das im obern Stock eine Fronte von 8 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten dürften wohl 4000 Rtl. betragen. — Nachdem in diesem Frühjahr von den städtischen Behörden wegen abermaliger Zunahme der Schülerzahl und theilweiser Halbtagsschule in der zweyten Bürgerschule die Erbauung eines neuen Volksschulgebäudes für die Knaben an Stelle der der Commun gehörigen, in der Bitterfelder Straße gelegenen, früher Rohrschen Scheune beschloßen worden war, wurde mit dem Verkauf der letzteren selbst zum Abbruch, jedoch mit Ausschluß der Umfaßungsmauern von Lehm, da solche mit zur Ausfüllung der in einen Spielplatz für die neue Schule umzuwandelnden Pferdetränke verwendet werden sollen, vorgeschritten. Es wurde dafür im Wege des Meistgebots die Summe von 500 Rtl. gelöst; Ersteher war der Gutsbesitzer Dorn aus Paupitzsch. Das auf dem Gehöft genannter Scheune stehende Stallgebäude erstand der Agent Winter von hier für die Summe von 40 Rtl. Das Einreißen der von der Scheune und dem Stallgebäude stehen gebliebenen Lehmwände wurde an den Mindestfordernden verdungen; der Drainirmeister Naumann übernahm diese Arbeit für 60 Rtl. Am lten Julius wurde nun der Bau angefangen; die Maurerarbeiten wurden vom Magistrat dem hiesigen Maurermeister Taneck und die Zimmerarbeiten von diesem dem Zimmermeister Berthold in Bitterfeld übertragen; auch wurde noch zur stetn Aufsicht der Bauführer Schlodensky aus Breslau mit 75 Rtl. monatlichen Gehalts angestellt. Nachdem zu Anfang des December die Maurerarbeiten beendet waren, wurde vom 7ten bis 20ten des Monats bey leider sehr ungünstigem Winterwetter das Dach aufgerichtet. Das Gebäude selbst, deßen innerer Ausbau natürlich erst im nächsten Jahre vollendet werden kann, ist ansehnlich und schön maßiv, zweimal übersetzt, und hat in jedem der beyden obern Stockwerke eine Fronte von 10 großen, hohen Fenstern nach der Straßenseite, ebenso auch nach der Hofseite.
Deutschland erhielt im Monat Julius ganz unerwartet zwey Kriegserklärungen; die erste gegen die geistige und religiöse Freiheit gerichtete, vom Papste Pius IX in Rom durch die am 18ten des Monats vom ökumenischen Concil im Vatikan proclamirte Unfehlbarkeitserklärung diese vergötterten Menschen; die zweyte vom Kaiser Napoleon und dem französischem Volke am 19ten des Monats wodurch die politische und nationale Freiheit Deutschlands sehr stark bedroht und gefährdet war. Beyden ist für diesen unerhörten Frevel die furchtbare Strafe auf dem Fuße nachgefolgt; denn, was die erstere betrifft, so wurde, nachdem der französische Kaiser zu Ende des August seine Truppen, welche als Söldner zur Schande Frankreichs den Papst wegen der Erhaltung seiner usurgirten weltlichen Herrschaft beschützen, aus dem Kirchenstaat abberufen mußte, bald nach deren Abzug am 20ten September Rom nach einer fünfstündigen Schlacht von den italienischen Truppen erobert, und dem Königreich Italien als deßen Hauptstadt und Residenz einverleibt, wofür der Papst den König von Italien und seiner Minister in den Bann that. Wie gleichgültig und lächerlich dieser von allen Vernüftigen mit Recht verspottete Act dem Könige Victor Emanuel war, bewies derselbe dadurch, daß er diese saubere Bulle, wie wir in den Zeitungen gelesen haben, bald nachher in den Regierungs-Amts-Blättern seinen Unterthanen bekannt machen ließ, worauf dann nach etwa zwey Monaten der Papst dieselbe wieder zurück nahm. Eine empfindlichere Blamage und Beschimpfung konnte diesem Antichrist (wie ihn unser Luther nennt) nicht widerfahren. Man muß sich nur darüber wundern, daß der Papst es wagen konnte im erleuchteten neunzehnten Jahrhundert ein solches Attentat auf das Christenthum und die gesunde Vernunft, wie das Unfehlbarkeits-Dogma ist, der erstaunten Welt zu bieten; offenbar war dieser schwache Mensch hierbey nur das blinde Werkzeug der Jesuiten, im Concil hatten 88 aufgeklärte, freisinnige Bischöfe dagegen gestimmt.- Was nun die zweite, nämlich die von Frankreich an Deutschland erfolgte, Kriegserklärung betrifft, so hat die Geschichte wohl keinen Fall der Art weiter aufzuweisen, daß eine solche in so widerrechtlicher, plumper Weise in die Welt geschleudert wurde, wie diese. Wie sehr übrigens Frankreich in dieser Hinsicht seit vier Jahrhunderten an Deutschland sich versündigt hat, beweist der hier beygefügte Aufsatz „Frankreichs Angriffskriege gegen Deutschland." Diesmal war die angebliche Veranlaßung dazu die spanische Thronkandidatur; nachdem nämlich die spanische Nation im September 1868 die Königin Isabella vertrieben hatte, wählten seitdem die Cortes als Volksvertreter verschiedene Candidaten für den Thron, wie den Herzog von Montgensier, den Prinzen von Asturien, den Herzog von Aosta, (welcher letztere nach den veränderten politischen Verhältnißen am Schluße dieses Jahres noch König von Spanien geworden ist); diese drei Candidaten waren aber theils dem Kaiser Napoleon, theils seiner Frau, welche ungebührlicher Weise auch Politik treibt, nicht angenehm und wurden abgelehnt. Man muß sich sehr darüber wundern, daß das spanische Volk bey seinem Nationalstolz sich diese rechtswidrige, unverschämte und demüthigende Bevormundung gefallen ließ und ruhig hingenommen hat. Hierauf wählte daßelbe im Junius des Jahres den Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, einen Verwandten unsers Königshauses. Auch dieser vierte Thronkandidat wurde von Napoleon, der gar keinen Rechtsgrund zur Einmischung in diese Angelegenheit hatte, abgelehnt; zugleich wurden in der ersten Hälfte des Julius deßhalb Verhandlungen mit unserm König angekündigt; der französische Gesandte in Berlin erhielt den Befehl sich nach Ems zu begeben, wo unser König um diese Zeit wegen des Gebrauchs einer Badecur verweilte. In zwey Audienzen erklärte der König dem Gesandten Benedetti, daß er sich bey dieser Sache aller Einwirkung auf die freie Selbstbestimmung des Prinzen Leopold enthalten habe, und sich deßhalb mit Frankreich nicht veruneinigen wolle. Bald nachher erfolgte denn auch von dem genannten Prinzen und deßen Vater die officielle Erklärung, daß der Prinz auf die angetragene Wahl verzichtet habe, was Benedetti auch in der zweiten Audienz mitgetheilt wurde, wodurch der Gegenstand des Streits beseitigt und die Sache somit erledigt war. Deßen ungeachtet verlangte dieser Diplomat noch, gewiß im Auftrage Napoleons, daß unser König darüber, daß auch in Zukunft kein Hohenzoller auf den spanischen Thron käme, eine besondere Urkunde ausstellen sollte. Es war offenbar darauf abgesehen unsern ehrwürdigen König durch diese empörende Forderung zu beleidigen, weßhalb derselbe aber auch, als Benedetti noch um eine dritte Audienz nachsuchte, diesem durch seinen General-Adjutanten, den Grafen Lehrndorf, sagen ließ, daß er nichts weiter mit ihm zu verhandeln habe, worauf die unter diesem elenden, grundlosen Vorwande frevelhaft herauf beschworne Kriegserklärung vom löten Julius am 19ten des Monats an den Grafen Bismark übergeben wurde. Diese war ursprünglich nur gegen Preußen gerichtet, und die französischen Gesandten an den süddeutschen Höfen waren sehr geschäftig diese unter allerhand trügerischen Versprechungen und Verlockungen vom Bunde mit Norddeutschland abzuziehen. Allein diese, belehrt durch die Geschichte der letzten vier Jahrhunderte, wußten recht gut, was sie von Frankreichs lügenhaften Vorspiegelungen zu halten hatten, und erklärten entschieden, daß sie sich nicht von der gemeinsamen Sache Deutschland trennen würden. So wurde nun dieser Krieg die Ursache zu der längst erstrebten festen Vereinigung aller deutschen Volksstämme, wie sie in der Geschichte bisher noch nicht bestanden hat. Unser König, welcher am 14ten Julius von Ems nach Berlin zurück reiste, erließ sogleich den Befehl zur Mobilmachung der gesammten norddeutschen Armee, und verordnete auch zugleich die Abhaltung eines Bettags am 27ten des Monats, um den Segen Gottes für unsere gerechte Sache zu erbitten. Ebenso wie bey uns wurde auch die Mobilmachung der süddeutschen Armeen eifrig betrieben, und auf den besonderen Antrag und Wunsch des Königs von Bayern übernahm unser als Feldherr bewährter Kronprinz den Oberbefehl über dieselben, und reiste in den letzten Tagen des Julius nach München. In raschem Fluge eilten nun die deutschen Armeen dem Rheine zu, und standen schon am lten August auf Frankreichs Boden. Bis zu diesem Tage waren die Franzosen nicht weiter gekommen, als bis Saarbrücken, und hatten diese offene, nur mit einer schwachen Garnison besetzte preußische Grenzstadt, mit Uebermacht angegriffen und besetzt, auch noch dazu ohne Noth brutaler Weise bombardirt und zum Theil in Brand gesteckt und mehrere Straßen eingeäschert; sie wurden aber schon am 6ten früh von den preußischen Generalen Steinmetz und von Goeben wieder daraus vertrieben, und am Nachmittag von denselben aus ihrer auf den Bergen auf Spicheren eingenommenen festen Stellung, welche mit Sturm genommen wurde, verjagt. Nun folgten vernichtende Schläge für die französischen Armeen in kurzer Zeit schnell aufeinander, von denen nur die entscheidensten hier erwähnt werden sollen. Schon zwey Tage vor dem Gefecht in und bey Saarbrücken am 4ten August schlug unser Kronprinz mit preußischen und bayrischen Armeecorps bey Weisenburg die französischen Armeen der Marschälle Mac Mahon und Canrobert total und vollständig; ebenso auch dieselben noch einmal am 6ten des Monats in der Schlacht bey Wörth, wo auch eine Württembergische und Badensche Division mit kämpfte; bey Weißenburg ist der Kampf besonders mörderisch und die Verluste sehr groß gewesen, weil diese Stadt, so wie auch die dabey liegenden, in der Kriegsgeschichte vom Jahre 1793 schon bekannten, Weißenburger Linien, welche mit dem daran stoßenden Geisberge gleichsam ein verschanztes Lager bilden, erstürmt werden mußten. Nun folgten die Schlachten vor Metz, am löten August bey Mars la Tour und Vionville so wie am 18ten des Monats bey Gravelotte und Rezonville; beyde, besonders die letztere, waren furchtbar; bey dieser führte unser König selbst den Oberbefehl; das 150000 Mann starke Corps des französischen Marschall Bazaine wurde gänzlich geschlagen, verlor an Todten, Verwundeten und Gefangenen 30000 Mann, und die noch übrigen 120000 Mann wurden, nachdem ihnen den Rückzug nach Paris durch die Armee des Prinzen Friedrich Carl, bey welcher auch unmittelbar neben den preußischen Garden das Königl. Sächsische Armeecorps tapfer mitkämpfte, abgeschnitten und versperrt war, in die Festung Metz hinein geworfen. Aus dieser versuchte nun der Marschall Bazaine am 3 lten August und lten September mit mehreren Corps durchzubrechen; aber alle diese Versuche wurden unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Carl vom General von Manteuffel in ruhmvollen Kämpfen, bekannt unter dem Namen der Schlacht bey Noiseville, blutig zurückgeschlagen. Hierauf folgte am lten und 2ten September die in der Geschichte ewig denkwürdige Katastrophe von Sedan; die Schlacht war hauptsächlich ein furchtbarer Artillerie-Kampf; die preußische, bayrische und sächsische Artellerie verbreiteten durch ihr mörderisches Feuer in den französischen Linien überall Tod und Vernichtung, und gaben dadurch den Beweis, daß sie der französischen Artellerie und deren neu erfundenen Mitrailleusen (Kugelspritzen) weit überlegen sind, besonders in der großen Treffsicherheit. Unser König war selbst in der Schlacht mit gegenwärtig, und da fand ganz unerwartet am 2ten September Nachmittags 1/2 2 Uhr das große Ereigniß statt, daß der Kaiser Napoleon, von deßen Gegenwart auf unserer Seite Niemand etwas wußte, weil er seine Sache als verloren und jeden ferneren Widerstand für unnütz hielt, sich unserm König als Gefangener übergab mit den Worten,, da ich nicht habe an der Spitze meiner Truppen sterben können, so übergebe ich meinen Degen Ew.Majestät." Die Begegnung und Unterredung beyder fand in Frtois, einem kleinem Schlößchen bey Sedan statt, und dauerte eine Viertelstunde. Gleichzeitig wurde auch die Capitulation mit dem General Wimpfen, welcher das Obercommando an des verwundeten Marschall Mac Mahon Stelle übernommen hatte, abgeschloßen, wodurch die französische Armee kriegsgefangen wurde. Unser edler, ritterlicher König behandelte den besiegten Kaiser, obgleich er den Krieg verschuldet hafte, dennoch großmüthig und wies ihm das herrliche Schloß Wilhelmshoehe bey Caßel zu seinem künftigen Aufenthalte an. In Paris hat sich nun eine provisorische Regierung gebildet, in welcher Taore und besonders der Advocat Gambetta, welcher wiederholt die Fortsetzung des Krieges bis aufs Meßer verlangt, die Hauptrolle spielen. Am 28ten September capitulirte Strassburg, nachdem die Stadt sehr durch ein mehrwöchentliches Bombardement gelitten hatte, und die Citadelle zerstört war; die Einnahme durch Sturm stand bevor, da im Wall bereits eine Bresche geschoßen war. Die Besatzung ist kriegsgefangen.
Nicht lange vorher war auch die Festung Laon gefallen; nach der am 9ten September abgeschloßenen Capitulation besetzte die vierte Compagnie des Sangerhäuser Jägerbataillons die Citadelle. Als der letzte Mann der französischen Mobilgarde diese verlaßen, sprengte der Feind vertragsbrüchig das Pulvermagazin in die Luft, wodurch eine furchtbare Zerstörung in der Citadelle und in der Stadt angerichtet ward, und 95 Jäger und über 300 Mobilgarden theils getödtet, theils verwundet wurden. Mittlerweile war in Paris von der neuen Regierung die Republik proclamirt worden, Nachdem der Marschall Bazaine am 7ten October noch einen letzten verzweifelten Versuch die Belagerungs-Armee vor Metz mit größter Gewalt zu durchbrechen unternommen hatte, aber auch diesmal wieder mit großem Verlust in die Festung zurück geworfen wurde, so mußte derselbe, da die Hungersnoth mit jedem Tage schrecklicher ward, indem man auf einen Zuwachs von 120000 Mann mehr nicht mit Proviant versehen war, nunmehr ernstlich an die Uebergabe denken; und so fiel denn am 70ten Tage der Be- Lagerung, den 27ten October, Metz, die stärkste, bisher noch niemals eroberte Festung Frankreichs durch Capitulation; in derselben fanden sich, wie in Strassburg, ungeheure Vorräthe von Kriegsmaterial aller Art vor, welche dem Sieger in die Hände fielen; die ganze Besatzung ward kriegsgefangen, und das starke Corps des Prinzen Friedrich Carl, mit Ausnahme von 25000, welche unter dem General von Kummer als Besatzung in Metz einrückten, zu anderweiten Zwecken an der Loire zu rechter Zeit verwendet. Außer den genannten vier Festungen sind noch bis zum Jahresschluß durch Bombardement und Capitulation folgende gefallen: Cuetzelstein, Lichtenberg, Lauterburg, Weissenburg, Marsal, Vitry, Toul, Soissons, Schlettstadt, Verdun, Neubreisach, Thionville, La Fere, Amiens, Montmedy, St. Quentin, Pfalzburg und Hagenau. In Bezug auf Metz ist noch zu erwähnen, daß die Versuche Mac Malions diese Festung zu entsetzen und Bazaine aus derselben zu befreien durch die Kämpfe bey Varennes am 29ten 30ten und 3 lten August, bey welchen unser König selbst mit gegenwärtig war, ganz vereitelt wurden, Mac Mahon über die Maaf3 zurück gedrängt wurde und sich mit großem Verlust nach Sedan zurück zog, wo ihn gleich nachher sein Schicksal ereilte. Nachdem am lOten October der prinz Albrecht und der bayrische General von der Tann eine feindliche Division der Loire-Armee bey Artenay geschlagen hatten, wurde am 17ten des Monats Orleans gestürmt. Leider mußte es der General von der Tann am 9ten November, weil er vom Feinde mit Uebermacht angegriffen wurde, wieder räumen, was aber im einem meisterhaften, wohlgeordnetem Rückzuge geschah, wobey er die sämmtlichen Angriffe des Feindes mit großem Verluste für denselben zurückwies, und erst hierauf den Abmarsch antrat. Später nach dem Eintreffen von Verstärkungen wurden der Bahnhof und die Vorstädte von Orleans am 4ten December vom Prinzen Friedrich Carl erstürmt, und die Stadt in der Nacht zum Sten wieder besetzt, und derselben eine Contribution von 600000 Franken auferlegt. Seit dem 19ten September ist Paris nun ringsum von mindestens 200000 Mann deutscher Truppen cernirt das Hauptquartier unsers Königs ist jetzt im Schloße zu Versailles. Der Krieg hat nun eine weitere Verbreitung dadurch erhalten, daß Gambetta, welcher jetzt der Dictator Frankreichs ist, den Volkskrieg anbefohlen hat, und Banden von Franctireurs (Freischützen), welche in Wäldern und Verstecken den sogenannten kleinen Krieg meuchelmörderisch führen, organisirt. Seit der Mitte des November hat er hierzu noch einen Bundesgenoßen an dem Bandenhauptmann Garibaldi von der Insel Caprera bekommen, welcher unberufener Weise mit italienischen, polnischen und spanischen Sturm- vögeln nach Frankreich gekommen ist, und sich mit seinen zusammen- gelaufenen Horden in den Wäldern und Gebirgen, besonders den Vogesen, herum treibt. Durch die gleich zu Anfang des Krieges verfügte Austreibung der Deutschen hat sich Frankreich vor der gebildeten Welt geschändet; ebenso sehr hat es sich aber auch durch die oft gehörte und gelesene prahlerische Aeußerung blamirt, daß es an der Spitze der Civilisation marschire; den schlagendsten Beweis vom Gegentheil hat es dadurch gegeben, daß es sich nicht schämte die barbarischen Afrikanischen Horden, wie die Turkos, Zuaven pp. diese wilde Bestien, gegen die hochgebildeten deutschen Truppen ins Feld zu führen, welche aber mit diesen schreckhaften Popanzen kurzen Proceß machten, ebenso mit den Banden Garibaldis, die am 27ten November bey Dyon und bey Pasques vom General von Werder förmlich auseinander gesprengt wurden, die Waffen und das Gepäck wegwarfen, und in wilder Flucht davon eilten. An demselben Tage wurde auch die französische Nord-Armee, trotz ihrer Ueberlegenheit, bey Amiens vom General von Manteuffel geschlagen, und am 23ten December noch einmal, worauf sie sich nach Arras zurück zog und dorthin verfolgt ward.
Die Beschießung der Außenwerke von Paris hat am 26ten des Monats begonnen. So stehen denn jetzt am Jahresschluß die Sachen in Hinsicht des Krieges. Die Franzosen haben, trotzdem daß sie überall durch feste Stellungen in Gebirgen und Wäldern, durch Wälle, Schützengräben, Gebäude und Verhaue sich zu decken wußten, bisher nicht eine einzige Schlacht gewonnen, dagegen die deutschen Truppen die glänzendsten Siege erkämpft, was der beste Beweis für die treffliche Führung und Kriegs- tüchtigkeit derselben ist; die sämmtlichen deutschen Armeen und Con- tingente haben in unvergleichlicher Tapferkeit mit einander gewetteifert.
Die Kriegsbeute, welche die deutschen Heere bis jetzt in den Schlachten und Festungen erobert haben ist unermeßlich; nach ohngefahrer Berechnung 6000 Kanonen verschiedenen Kalibers (in Metz und Strassburg allein 2477) über 600000 Gewehre (in Metz allein gegen 300000), ungeheure Vorräthe von andern Armaturstücken, Munition, Schießpulver und Bauholz, sehr viele Militärfahrzeuge, Pferde, Adler und Fahnen (von beyden letzteren in Metz allein 53). Das gesammte deutsche Volk brachte aber auch große Opfer; es wußte recht gut, daß diese im Verhältniß zu dem, was wir verloren hätten, wenn die Franzosen nach Deutshland kamen und uns ausgeplündert hätten, immer nur klein sind. Ueberall war man entrüstet über die schändliche Beleidigung unsers greisen Heldenkönigs; daher war die Begeisterung allgemein und mindestens ebenso groß, wo nicht noch größer, wie in den Jahren 1813, 14 und 15 Von den Universitäten und den obern Klaßen der Gymnasien und sonst noch traten Tausende freiwillig in die Armee, welcher ein herrlicher Geist beseelte. Das Volk zeigte seine Opferfreudigkeit und echt christliche Wohlthätigkeit im schönsten Lichte, indem es zunächst für die Unterstützung der Verwundeten sorgte; hier in Delitzsch und deßen nächster Umgegend waren zu diesem Zweck vom Anfang des August bis zum 6ten December bereits 4372 Rtl. eingegangen und an den Herrn Ober- präsidenten von Witzleben in Magdeburg vom Königl. Landraths-Amte eingesendet worden. Der ganze Delitzscher Kreis hatte schon in den beyden Monaten August und September 11323 Rtl. und 16 Sgr. collectirt. Die Zahl der Verwundeten ist sehr groß gewesen, noch weit größer aber die Zahl der gefangenen Franzosen, welche bis jetzt in noch nie vorgekommener Weise die ungeheure Ziffer von 430000 Mann beträgt, die alle in Deutschlands Festungen und großen Städten untergebracht sind. Nächst unsern Verwundeten erstreckte sich aber auch bey uns, wie im ganzen Volke die Fürsorge auf die Frauen und Kinder der einberufenen Wehrmänner, welche durch Collecten freiwilliger Beyträge und Steuerzu- schläge ansehnlich unterstützt wurden. Den 142 Kindern der letzterenwurde durch Bemühungen einiger Damen am 28ten December Nachmittags im Saale des Herrn Gatswirths Graul eine reichliche Christbescheerung bereitet, wozu die Mittel durch eine Lotterie-Collecte und andere freiwillige Bey- träge, im Betrag von zusammen 203 Rt1 und noch anderweite Liebesgaben beschafft wurden. Die Geschenke bestanden haupsächlich aus wollenen Kleidungsstücken aller Art und Schulbüchern nebst Tafeln, Wie überall, so wurden auch bey uns, sobald eine telegraphische Depesche eine Siegesnachricht brachte, die Straßen mit Flaggen in den preußischen und deutschen (schwarz, weiß und roth) Farben schön geschmückt, und bey Eingang großer Siegesnachrichten, wie von Gravelotte, Sedan und den Falle von Metz fand Abends eine glänzende Illumination statt, wobey auch von den Bürgern und den obern Knabenldaßen ein Umzug mit Fackeln abgehalten, und dabey "Heil Dir im Siegerkranz" und „die Wacht am Rhein" gesungen wurde. Der Fall von Metz wurde auch der Stadt durch das Läuten mit allen Glocken Abends um 6 Uhr sogleich verkündigt. —
Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weitzen 6 Rtl. 20 Sgr. Roggen 4 Rtl. 5 Sgr. Gerste 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. Kartoffeln 1 Rtl.
1871
Der pensionirte Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer ist am 29ten Januar nach längeren Leiden im 70ten Lebensjahr gestorben. Vid.pag. 460. Der Stadtgraben war das letzte Mal in den Jahren 1836 und 1837 geschlämmt worden. Da sich seit dieser Zeit in sehr großen Maßen der Schlamm wieder angehäuft hatte, so wurde zu Michäelis 1870 aus wohlbe- gründeten sanitäts-polizeylichen Rücksichten vom Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler beym Magistrat eine neue in diesem Winter vorzunehmende Reinigung des Stadtgrabens gutachtlich beantragt. Da dieser Antrag bey dem in der Nähe der Stadtmühle wohneneden Vermeßungs-Beamten Hundertmark aus unhaltbaren Gründen Widerspruch fand und derselbe sogar sich deßhalb an die Königl. Regierung zu Merseburg mit einer Beschwerde wendete, so wurder der Verfaßer dieser Zeilen, als der älteste hiesige praktische Arzt, welcher die letzte Schlämmung erlebt hat, vom Herrn Dr. Kanzler freundlichst ersucht in dieser Angelegenheit auch ein Gutachten abzugeben; ich that dies in der Mitte des October und wies in demselben ausführlich die Nichtigkeit der von dem pp. Hundertmark gegen die Schlämmung vorgebrachten Gründe nach, besonders auch, daß durch das Auswerfen des Schlammes keine Sumpfmiasmen, welche in seiner Familie die Erzeugung und Verbreitung des Wechselfiebers bewirken könnten, entwickelt würden, weiö selbstverständlich die Schlämmung nur im Winter stattfinden darf, und die Kälte die Effluvirn und Contagien zerstört; endlich bemerkte ich noch, daß es die höchste Zeit sey wieder einmal eine Reinigung unsers Stadtgrabens vorzunehmen, und nicht erst den sonst gewiß nicht mehr fernen Zeitpunkt abzuwarten, wo uns dann eine hartnäckige Wechselfieber- Epidemie, wie die in den Jahren 1832 — 38 hier herrschende dazu drängt. Hierauf genehmigte nun die Königl. Regierung die Schlämmung, welche vom Magistrat dem Drainirmeister Naumann für den südlichen Theil des Stadtgrabens übertragen ward, am 7ten November ihren Anfang nahm und den 28ten März 1871 beendet ward, Um von diesem südlichen Theil während des Schlämmens den Wasserzufluß aus dem Lober abzuhalten und doch der Stadtmühle noch zufließenzulassen, wurde dieselbe Vorrichtung getroffen wie im Jahre 1836 (S. pag. 56). Diese Reinigung kostete der Commun 731 Rtl, 14 Sgr. 6 Pf ; der Verkauf des Schlammes ertrug 488 Rd. 24 Sgr. Der Kreisgerichts-Director Hesse ist im December 1870 in gleicher Eigenschaft an das Kreisgericht Naumburg versetzt worden, und hat am Jahresschluß unsere Stadt verlaßen. An seine Stelle trat am 15ten März des Jahres der bisherige Staatsanwalt Thilo aus Glatz. Der Kreisgerichtsrath von Gansauge ist als Appelationsrath nach Posen versetzt und Anfangs April dorthin abgegangen.
Am 14ten März früh 6 1/2 Uhr entstand Feuerlärm; es brannte in der Kohlgaße in dem Gehöfte des Gärtner Dorn ein an deßen Wohnhaus unmittelbar angrenzendes übersetztes Stallgebäude zur Aufbewahrung von Holz, Kohlen und andern Dingen; das Feuer hatte schon die Balken im Giebel des Wohnhauses ergriffen; unsere vortreffliche Feuerwehr wurde aber auch diesmal sehr bald Herr des Feuers, denn nach einer halben Stunde war das Feuer gelöscht, worauf dieselbe mit ihrem Musikchor wieder in die Stadt einzog, Ueber die Entstehung des Feuers wurde nichts entdeckt. Als am 28ten Februar 11 1/2 Uhr Vormittags die Unterzeichnung der am 26ten des Monats zu Versailles zwischen dem Deutschen Reiche und Frankreich abgeschloßenen Friedens-Präliminarien bekannt wurde, äußerte sich auch bey uns die Freude über dieses glückliche Ereigniß laut und unverholen durch Glockengeläute, Aushängen sehr vieler deutscher und preußischer Flaggen in den Straßen, wie auch durch Schießen, welches aber sehr bald so arg ausartete, daß man wirklich hätte glauben können, es werde in den Straßen eine Schlacht geliefert, und man auch in der That seines Lebens nicht sicher war. Leider ließen die traurigen Folgen dieser Ungebühr nicht lange auf sich warten, denn um 1 Uhr erfuhr man, daß der Gehülfe des im Felde stehenden Buchhändlers Pabst, Adolph Sieg aus Eilenburg, 18 Jahre alt, von seinem guten Freunde dem Realschüler Pabst, einem Verwandten seines Pricipals, am großes Schutze der Kirschallee einen Schuß mit einem Papierpfropf in den Unterleib erhalten hatte, woran er in Folge eines Darmrißes den lten März starb.
Am 17ten März wurde unter dem Vorsitze des Herrn Regierungs- und Schulraths Dr. Betzenberger aus Merseburg die mündliche Prüfung der drei Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon drei Wochen früher statt gefunden hatte; zwei erhielten die Censur „gut", einer „genügend". Der Winter war sehr hart und anhaltend, die schon zu Anfang des December eingetretene strenge Kälte stieg im Januar noch höher bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (Barometer 28 — 28,3)das Thermometer zeigte am 2ten früh 7 Uhr — 22 Wenn auch die Kälte nachher um mehrere Grade abnahm, so blieb sie doch immer noch empfindlich genug, zumal da besonders die Armen die Holz — und Kohlennoth wegen des Mangels an Transportmitteln auf den Eisenbahnen bey deren Benutzung zu Kriegszwecken sehr drückte. Dichte und rauhe Nebel waren am lten , 4ten und 22ten Januar, und vielen Schneefall hatten wir, wie schon in den letzten Tagen des December, am llten, 12ten und vom 26ten bis 29ten Januar. Im Februar dauerte die Witterung ganz in derselben Weise bey den erwähnten höhern Kältegraden bis zum 15ten des Monats fort; von diesem Tage trat ununterbrochen bey Westwind Thauwetter ein, so daß wir am 20ten großes Waßer hatten (Barometer 27,17), welchem alsdann Schnee und Regen, milder Wind und am 28ten ein heftiger Sturm folgten. (Baromter 27,9). Die Witterung im Maerz war diesmal ungewöhnlich schön, bey vorherrschendem Südost- und Südwestwind fast durchgängig Frühlingswetter, der Barometerstand größten Theils hoch, gleich in der Nacht zum lten März war derselbe auffallend schnell um Linien gestiegen (28,8); das Thermomter in der Sonne zeigte gewöhnlich in den Nachmittagsstunden + 15 bis 30 Reaum; nur in den letzten Tagen vom 28ten bis 3 Iten ward das Wetter nach einem am 27ten Abends 10 Uhr statt gefundenen Gewitterregen kühl und windig, und brachte bey Norwestwind abwechselnd Regen, Graupeln und Schnee; es war dies der Uebergang zum Aprilwetter. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ebenso wie in dem ersten des vorigen Jahres keineswegs befriedigend; Lungen — und Luftröhren- Catarrhe kamen sehr häufig vor; schwindsüchtige und besonders alte Personen machte die strenge Kälte dieses Winters mürbe und brachte nicht wenigen derselben den Tod; auch hörte man öfters von Fällen erwachsener, besonders alter Leute auf dem Glatteis mit zum Theil sehr übeln Folgen.
Ueber den weitern Verlauf und das Ende des deutsch-französischen Krieges ist ferner zu berichten, daß die Beschießung der Forts von Paris in den letzten Tagen des vorigen Jahres ihren Anfang nahm; vom 27ten bis 29ten December wurde der befestigte Mont Aoron aus 76 Geschützen mit so gutem Erfolg bombardirt, daß derselbe schon am letztgenannten Tage durch Abtheilungen des Sächsischen Armee-Corps besetzt wurden. Seit Neujahr 1871 hat durch die bereits dreimonatliche strenge Absperrung von Paris die Hungersnoth in dieser Weltstadt einen furchtbar hohen Grad erreicht, daß deßhalb öftere Ausfälle, von denen der in der Nacht vom 13ten zum 14ten Januar aus der Stadt, so wie der am 19ten von dem Mont Valerien aus die heftigsten waren, unternommen, aber von den deutschen Truppen überall siegreich zurück geschlagen wurden. Auch von außen wurden sehr große Anstrengungen von den starken Armee-Corps der Generale Chancy und Bourbaki gemacht, um Paris, aber auch die wichtige Festung Belfort zu entsetzen; die Versuche zum Entsatz von Paris hat der Prinz Friedrich Carl durch seine siegreichen Kämpfe vom 6ten bis 12ten Januar, welche am letzten Tage mit der Eroberung der Stadt Le Mans endeten, gänzlich vereitelt, die Entsatz-Versuche auf Belfort aber sind durch den heldenmüthigen Widerstand des Generals von Werder vom 15ten — 17ten Januar durchaus vernichtet worden, trotzdem daß der Feind bedeutend stärker war. Auch die französische Nordarmaee unter dem General Taidherbe, welche Paris mit entsetzen sollte, wurde vom General von Goeben und Truppen des sächsischen Generals Graf Lippe am 19ten des Monats bey St. Quent in total geschlagen. Die Verluste an Todten und Verwundeten in diesen erbitterten Kämpfen waren allerdings bey unsern Truppen nicht unbedeutend, aber noch weit größer bey dem Feinde, welcher allein in der letzten Schlacht 6000 Todte und Verwundete so wie 9000 Gefangene, und bey Le Mans 20000 Gefangene und viele Gewehre, Kanonen, Munition, große Proviant-Vorräthe pp.verlor. Von Festungen haben nach vorgängigem kürzerem oder längerem Bombardement im Laufe des Januar noch folgende kapitulirt: Mezikes, Rocroy, Peronne und Longwy. Noch vor Abschluß eines Waffenstillstandes trat ein großes weltgeschichtliches Ereigniß ein; es hatte nämlich schon in der Mitte des December vorigen Jahres der jugendliche, talent — und geistvolle König Ludwig von Bayern, welcher gleich beim Anfang des Krieges durch seinen schnellen Beitritt zur gemeinsamen Sache Deutschlands sich das größte Verdienst erworben, bey sämmtlichen deutschen Fürsten und freien Städten den Antrag gestellt zur festen Begründung der Einheit Deutschlands an unsern ritterlichen König Wilhelm den Ruf um Erneuerung und Uebernahme der seit 64 Jahren ruhenden deutschen Kaiserwürde zu richten, und fand damit bey Allen Anklang und Zustimmung. In Folge dieses ergangenen Rufes erließ nun unser König aus dem Hauptquartier zu Versailles eine Proclamation an das Deutsche Volk am 17ten Januar, in welcher er es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet, diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten, und daß demgemäß er und seine Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen werden, und die Kaiserwürde in dem Bewußtseyn der Pflicht übernehmen, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, und die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu vertheidigen. Am Tage nach dieser Bekanntmachung, den 18ten Januar, fand nun im großen Saale des Schloßes ZU Versailles Vormittags die Vollziehung und Weihe dieses hochwichtigen Actes unter angemeßenen Fest- und Feierlichkeiten, Gottesdienst, Kirchenparade pp. statt, bey welchen viele deutsch Fürsten und Prinzen, Minister, der deutsche große General-Stab und von allen deutschen Truppen- Contingenten Deputationen mit ihren Fahnen gegenwärtig waren. Bald nachher reiste auch eine Deputation von 30 Reichstags-Abgeordneten, an der Spitze den berühmten Präsidenten Dr. Simson von Berlin nach Versailles und überbrachte dem Kaiser Wilhelm, welcher dieselbe sehr huldvoll empfing, den Dank, die Zustimmung und Glückwünsche der deutschen Volksvertreter zu dem frohen Ereigniß. Mittlerweile hatte sich in dem streng abgesperrten Paris, weil das Elend und die Hungersnoth täglich höher stieg, auch die Mehrzahl der Forts und die Stadt selbst durch die anhaltende Beschießung sehr gelitten hatten, und sogar bedeutende Feuersbrünste entstanden waren, das dringende Verlangen nach einem Waffenstillstande immer stärker ausgesprochen, zumal da zuletzt auch der Dictator Gambetta, das nahe und für ihn wahrscheinlich tragische Ende seiner Schreckens- herrschaft voraussehend, in einem Luftballon aus Paris geflüchtet war, um nimmer wiederzukehren; und so wurde nun am 28ten Januar von dem Reichskanzler Grafen Bismark und dem französischen Minister der aus- wärtigen Angelegenheiten Jules Favre die Kapitulation aller 16 Pariser Forts Zahlungen von 200 Millionen Franken ein dreiwöchentlicher Waffenstillstand zu Lande und zu Wasser unterzeichnet, welcher jedoch auf den südöstlichen Theil des Kriegsschauplatzes, die Gegend von Belfort, Dijon bis an die Schweizer Grenze sich nicht erstreckte. Die Pariser Armee, wenigstens 160000 Mann stark, blieb in der Stadt Kriegsgefangen; nach Ablieferung der Waffen durfte sich Paris mit Lebensmitteln verpflegen. Hierauf hat am 20ten des Monats die Besetzung von St. Denis und sämmtlichen Forts ohne alle Widersetzlichkeit und Störung stattgefunden. Hier in Delitzsch wurde dieses entscheidende, große Ereigniß am 29ten Abends um 5 Uhr auf einem Dankgottesdienste festlich gefeiert, worauf um 7Uhr Illummination und ein Auszug der Feuerwehr und aller Corporationen mit Fackeln stattfand. Nach Abschluß dieses zu Versailles unterzeichneten Waffenstillstandes wurde nun eine unterdeßen gesetzlich frei gewählte National-Versammlung (Constituante) 14 Tage später nach Bordeaux einberufen. Während dieser Zeit und der noch bewilligten Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 24ten Februar wurden nun ebenfalls zu Versailles zwischen dem Reichskanzler Herrn Grafen von Bismark, den Ministern der auswärtigen Angelegenheiten der Könige von Bayern und Württemberg sowie des Großherzogs von Baden, den Herren Grafen von Bray-Steinburg, Freiherrn von Waechter und Dolly, welche das deutsche Reich vertraten, einerseits, und dem Chef der Exekutivgewalt der französischen Republik Herrn Thiers und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Herrn Favre, welche Frankreich vertraten, die Friedens-Präliminarien verhandelt und festgestellt. Unterdeßen hatten die Kriegsoperationen auf dem südöstlichen Kriegsschauplatzeihren steten Fortgang; es handelte sich nur noch darum die schon mehrmals in den letzten Wochen vom General von Werder geschlagene Armee des General Bourbaki, deren Elend bey einer für die Franzosen empfindlichen Winterkälte sehr groß war (- 10 Reaum), unabläßig zu verfolgen und zu vernichten. Diese Aufgabe löste der unermüdete General von Manteuffel mit der tapfern von ihm kommandirten Südarmee in der glänzendsten Weise, indem er die noch immer 80000 Mann starke Armee Bourbalcis unter fortwährenden Kämpfen und großen ihr zugefügten Verlusten in das Grenzgebirge zurückdrängte, so daß dieselbe am 3 lten Januar bey Pontarlier in die neutrale Schweiz übertreten mußte, wo dann diese unwillkommenen Gäste von den Schweizer Truppen entwaffnet wurden. (Daßelbe Schicksal hatte schon einmal bey Sedan am 2ten September vorigen Jahres fast 15000 Franzosen betroffen, welche über die Grenze nach Belgien geworfen wurden) Unmittelbar nach diesem Vorfall hatte auch der Bandenführer Garibaldi, welcher sich gleichzeitig in Dijon in der Gefahr befand, umzingelt zu werden, diesem Schicksale nur durch die eiligste Flucht sich entzogen, und war unverrichteter Sache sogleich nach Caprera zurück- gekehrt; Dijon wurde nach leichtem Gefechte von unsern Truppen am lten Februar besetzt. Die Abgabe der Geschütze und Waffen der Armee von Paris hat am 7ten des Monats begonnen. Endlich hat auch die Festung Belfort nach Erstürmung zweyer starker auf felsigen Anhöhen gelegenen Forts am 8ten des Monats, wobey unsere Truppen nicht unbedeutende Verluste erlitten, am löten des Monats kapitulirt, und ist am 'Sten mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden Material übergeben und von unsern Truppen besetzt worden; dem Conunandanten Den Fert und der 12000 Mann starken Garnison ist in Anbetracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren bewilligt worden. Dieses Ereigniß beschleunigte zugleich den etwas verzögerten Abschluß der Friedens-Präliminarien, welcher nun am 26ten des Monats zu Versailles erfolgte, und die schuldenfreie Abtretung von Elsass außer Belfort, von Deutsch-Lothringen einschließlich Metz, eine Contribution von fünf Milliarden Franken, in drei Jahren zahlbar, und bis dahin Besetzung von Theilen Frankreichs außerhalb der neuen Grenzen enthielt. Außerdem wurde noch die Besetzung eines am rechten Ufer der Seine gelegenen Theiles von Paris durch die deutschen Truppen ausbedungen; die zur Occupation bestimmten Abtheilungen aller Waffen bestanden in der Stärke von 30000 Mann aus dem 6ten und 1 lten preußischen und dem ersten bayrischen Armeecorps, rückten am lten Maerz früh ein, wurden theils bey den Bürgern, theils in öffentlichen Gebäuden einquartiert, und verließen Paris wieder am 3ten Maerz Vormittags gemäß der Convention; das Wetter war sehr schön, und keine Störungen vorgefallen. Diese durchaus gerechte, °gleich nur zweytägige, Occupation von Paris war den Franzosen höchst empfindlich und unangenehm, zumal da die deutschen Truppen beym Abzug durch den großen Triumphbogen, in welchen die früheren Siege stolz eingemeiselt waren, marschirten, wodurch dieser seine Bedeutung verlor, gern wollten sie, um diese Demüthigung abzuwenden, lieber noch einige Millionen zahlen; allein unser Kaiser und Graf Bismark ließen sich durch kein derartiges Anerbieten dazu bewegen. Am lten Maerz war nun auch von der National- Versammlung in Bordeaux mit sehr großer Stimmenmehrheit der Friedensschluß angenommen worden, worauf ihn unser Kaiser und König am 2ten des Monats ratificirte. Hierauf hielt derselbe am 3ten und 7ten des Monats noch Heerschau und Paraden über preußische, bayrische, sächsische und württembergische Truppenkorps ab, und verlegte am letztgenannten Tage sein Hauptquartier nach Ferneres, von wo er nach 7 1/2 monatlicher Abwesenheit (seit dem 3 Iten 1870) am 15ten Maerz nach Deutschland zurückkehrte, überall mit Jubel empfangen und herzlichst begrüßt wurde, und mit seinen Begleitern Bismark und Moltke am 18ten des Monats in Berlin eintraf, Bald nachher erhob er den ersteren, den größten Staatsmann unserer Zeit, in den Fürstenstand, und den letzteren, den größten Feldherrn unserer Zeit, in den Grafenstand.
Als hier in Delitzsch am 28ten Februar Mittags die frohe Nachricht von der Unterzeichnung der Friedens-Präliminarien eintraf, äußerte sich die Freude darüber durch die bekannten Kundgebungen, von denen aber das Schießen zur zügelloßen Ungebühr dermaßen ausartete, daß nach Verlauf von kaum einer Stunde ein tödlicher Unglücksfall erfolgte, über welchen das Nähere pag.486 mitgetheilt ist. Hierauf wurde vom Magistrat das Schießen streng verboten. Wenige Tage nach der Annahme und Ratification der Friedens- Präliminarien begaben sich die Deligirten Deutschlands und Frankreichs nach Brüßel, um das Friedens-Instrument zum definitiven und formellen Abschluß zu bringen, was jedoch die französischen Unterhändler durch allerhand elende Ausflüchte und Winkelzüge Wochen lang zu erschweren suchten; dieselben hatten nämlich gehofft durch die am 18ten Maerz in Paris mit dem schrecklichsten Bürgerkrieg ausgebrochene furchtbare Revolution, welches das Gespenst der rothen Republik durch allerlei Greuel, Niederbrennen des vierten Theils von Paris pp. sich kennzeichnete, und erst am 29ten Mai Abends durch den Sieg der Versailler Truppen bekämpft wurde, günstigere Bedingungen zu erlangen besonders in Hinsicht der Contribution. Da gieng aber endlich auch dem Fürsten Bismark die Geduld aus; er verlegte nun den Sitz der Verhandlungen nach Frankfurt am Main, reiste am 4ten Mai selbst dorthin, wo auch auf sein Verlangen wenige Stunden später der französische Minister des Auswärtigen Favre eintraf Der Energie, dem richtigen Tact und der diplomatischen Gewandheit des Fürsten Bismark gelang es vom Sten Mai an die Verhandlungen bald in Fluß zu bringen, so daß bereits am Ißten Mai Nachmittags 2 Uhr der definitive formelle Abschluß des Frankfurter Friedens erfolgte und von Bismark und Favre unterzeichnet wurde. Von der Contribution war kein Groschen erlaßen, und für Deutschland noch ein vorteilhafterer Zahlungsmodus derselben erwirkt worden; Frankreich wurde dagegen um Belfort herum ein vergrößerter Festungs-Rajon bewilligt, wofür dieses in der Gegend von Metz und Thionville 12 deutsch redende Dörfer an Deutschland abtrat. Hierauf wurde der Friedens-Abschluß am 18ten Mai von der Versailler National-Versammlung einstimmig angenommen und am 20ten des Monats von unserm Kaiser und König ratificirt, worauf endlich am 24ten des Monats zu Frankfurt am Main die gegenseitige Auswechslung der Friedens-Urkunden zwischen Bismark und Favre erfolgte. Die Verluste der deutschen Armeen an Todten und Verwundeten in diesem blutigen Kriege betragen nach officieller Zusammenstellung 4990 Officiere und 112038 Unterofneiere und Soldaten, Der Delitzscher Kreis hat für die Verwundeten außer anderen bedeutenden Liebesgaben an Lebensmitteln pp. so wie für die Frauen und Kinder der einberufenen Landwehrmännern beinahe 30000 Rtl. zum Opfer gebracht. Einquartierung haben wir in Delitzsch wenig gehabt, nämlich am Sten und 6ten August vorigen Jahres 6 Compagnien vom Erfurter Landwehr-Regiment, und am 2ten April das Hallische Landwehrbataillon auf dem Marsch nach Torgau, von welchem 200 Mann am 21 ten April von dort zurück kehrten und einen Tag hier blieben, Verwundet sind aus unserer Stadt: 1) Grenadier Franz Bretschneider im Gefecht bey St. Privat la montagne am 18ten August 1870; Schuß durch das linke Schienbein; 2) Gefreiter Wilhelm Doemel im Gefecht bey Beaumont am 30ten August; Schuß durch die rechte Schulter und Arm; 3)Gefreiter Bruno Weidenhammer in der Schlacht bey Sedan am lten September, leichter Streifschuß am Unterleib; 4) Füs. Heinrich Wilhelm Haering im Gefecht bey Berneville den 18ten August, Schuß durch den rechten Unterschenkel; 5) Füs. Carl Friedrich Bauer im Gefecht bey Chautraine am 18ten August, Schuß am Kopf; 6) Hornist Friedrich Wilhelm Wagener im Gefecht bey Beaumont am 30ten August, Schuß durch die rechte Schulter; 7) Wehrmann Herrmann Hassen im Gefecht auf der Dorfstraße in Bougival am 2 Iten October, Schuß durchs Knie; 8) Musketier Carl Scholz auf Vorposten bey Ville d Aoray am 23ten November, Granatsplitter im Rücken; 9) Füs, Johann August Eschke im Gefecht bey Cotelles am 28ten November, Schuß durch den Oberschenkel; 10) Musketier August Franz Hoppe, im Gefecht bey Bavilliers am 13ten December; Schuß in den rechten Arm; 11) Kanonier Johann Friedrich Kuimmelberg, beym Bombardement auf Meziöres den 31ten December; Schuß durch das linke Schienbein. Auf den Schlachtfeldern sind geblieben: 1) Unterofficier Wilhelm Schmidt in der Schlacht bey Gravelotte den 18ten August, Schuß in den Kopf und in die Brust; 2) Füs. Christian Otto Cattermann in der Schlacht bey Sedan den lten September, Schüße in Brust und Hals. Uebrigens sind aus hiesigem Orte noch in Folge von Kriegs- Strapazen gestorben: 1) Wehrmann Louis Knopf, am 6ten April 1871 im Garnison-Lazareth zu Dessau an Nervenfieber; 2) Wehrmann Eugen Hassen, im Maerz in dem Lazareth zu Berlin am Typhus; 3) der Mützenmacher Ferdinand Sparmann, 51 Jahre alt am 7ten Mai an einem Blutsturtz während seiner Berufsthätigkeit im Hallischen Baracken-Lazareth In dem ihm von dem Oberbürgermeister von Voss und dem Stadtverord- Neten-Vorsteher Justizrath Gloeckner in der Hallischen Zeitung am 8ten Mai gewidmeten ehrenden Nachruf heißt es: "Derselbe hat länger denn 8 Monate hindurch mit ungewöhnlicher Sachkenntniß unermüdlicher Pflichttreue und liebender Sorgfalt die ihm anvertrauten Kranken und Verwundeten gepflegt, welche ihm mit uns ein dankbar ehrendes Andenken bewahren werden." In gleicher Weise hatte sich derselbe schon im Jahr 1866 als Krankenwärter im Lazareth auf hiesigem Schloße ausgezeichnet. —1\ ‚fit dem eisernen Kreutz 21er Klaße sind folgende Personen decorirt worden: 1) Wilhelm Meie, Premier-Lieutnant vom großen General-Stabe, betheiligt in diesem Kriege als Compagnieführer beym 52ten Infantrier-Regiment,(Vid.pag 370); 2) Carl Dietze, Second.Lieutnant im Magdeburger Füsel. Bataillon No.36, Sohn des hiesigen Kreisgerichts-Rath Dietze; 3) Georg Voerkel, Secondlieutnant im Rangerhöhung und Brandenburger Infanterie-Regiment Na 20, Sohn des verstorbenen Kreisgerichts-Rath Voerkel; 4) Bruno Weidenhammer, Unterofficier bey dem Garde-Artillerie-Regiment, Sohn des verstorbenen Kämmerers Weidenhammer; 5) Heinrich Weber, Sergeant bey dem Stabe der 33ten Infantrie-Brigade, Sohn des verstorbenen Wachtmeisters Weber. Im April ist dem bisherigen Kreisrichter Rohland der Character als Kreisgerichtsrath und dem Rechtsanwalt Weihe der Charakter als Justizrath verleihen worden. An die Stelle des Appellationsrath nach Posen versetzten Kreisgerichtsrath von Gansauge ist der Kreisrichter Huehne von Zörbig getreten. Am 19ten Mai früh um 3 Uhr ist der 52 Jahre alte Kaufmann Gustav Barth im Stadtgraben nicht weit vom großen Schutze ertrunken. Derselbe hatte am Abend vorher, dem Himmelfahrtsfeste, von 7 Uhr an in der blauen Taube an der 25jährigen Stiftungsfeier der Liedertafel Theil genommen, und war von dort erst kurz vor 3 Uhr allein nach Hause gegangen. Er betrieb ein kleines Geschäft mit Cigarren, war übrigens ein gutmüthiger Mann, aber periodisch dem Trunke ergeben, so daß man hier fast allgemein glaubt, daß der Verunglückte, da es in den jetzigen langen Tagen früh um diese Zeit schon ziemlich hell ist, im berauschten Zustande in den Stadtgraben hinein gestürzt, und unvermögend sich selbst zu helfen, ganz in der Nähe des Ufers ertrunken ist. Am lten Junius hat der Lehrer Wenzel, welcher zu Michäelis 1869 hier angestellt wurde, uns wieder verlaßen, um nach Witten in der Provinz Westphalen zu übersiedeln, und eine Stelle an der dortigen höhern Töchterschule mit 450 Rtl gehalt zu übernehmen; er hat diese Beförderung theils seinem sehr gutem Zeugniß vom Eisleber Seminar, theiils aber auch seinem Freunde dem Lehrer Breder auf deßen Empfehlung und Verwendung zu verdanken; der Gehalt des Letzteren ist bereits seit Ostern vorigen Jahres auf 550 Rtl. erhöht worden, und zwar 25 Rtl. ftir eine zweyte wöchentliche Singstunde, und 100 Rtl. für vier wöchentliche Unterrichtsstunden in der Handwerker- Fortbildungsschule.V.p.441. In Folge des durch Wenzels Abgang statt gefundenen Aufrückens jüngerer Lehrer wurde noch im Junius ein neuer Elementarlehrer in der Person des Lehrer Werner aus Riestedt bey Sangerhausen gebürtig angestellt, für jetzt an der Vorstadtschule, ferner die Friedens-Dankfest Lehrer Muehlner, vorher in Brehna, und Fischer, vorher in Zeitz an der Bürgerschule.
Am 2ten p. Trinit.den 18ten Junius, dem Jahrestage der Schlacht von Waterloo (1815), wurde bey uns das Friedens-Dankfest, nachdem daßelbe den Abend vorher mit allen Glocken von 6 Uhr an eine Stunde eingeläutet worden war, mit Vor—und Nachmittags-Gottesdienst feierlich begangen, und dabey in der Frühkirche nach der Predigt statt des angeordneten langweiligen, wenig erbauenden „Herr Gott dich loben wir" das herrliche Dankeslied unserer evangelischen Kirche „Nun danket alle Gott" mit Begleitung der Posaunen in erhebender Weise gesungen. Eine Illumination fand bey den jetzt längsten Tagen nicht statt, ebenso auch keine Aufzüge; die Straßen der Stadt waren aber mit sehr vielen deutschen und preußischen Flaggen auf das schönste geschmückt. Am 22 ten Junius in der Nacht früh 1 Uhr ereignete sich auf der Berliner-Anhaltischen Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz ein schrecklicher Unglücksfall mit einem Militärzuge, deßen ausführliche Beschreibung in dem hierbey angefügten Delitzscher Kreisblatt vom 24ten Junius mitgetheilt ist. Eine Zeitungsnachricht aus Leipzig vom 6ten Julius berichtet hierüber noch folgendes: „In Bezug auf die bey dem Unglück auf der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn verunglückten Soldaten können wir heute erfreulicher Weise mittheilen, daß von den ursprünglich in das Lazareth Aufgenommenen 43 an der Zahl, 16 bereits wieder zum Regiment haben entlaßen werden können. Gestorben ist nur ein Soldat, und die noch in Pflege befindlichen 26 Mann werden nach dem Ausspruche der Aerzte ebenfalls zum großen Theil in einigen Wochen und nur zum kleinen Theil in einigen Monaten das Lazareth geheilt verlaßen." Ein glänzendes Resultat!
Die Witterung dieses Frühjahrs war mit Ausnahme von höchstens vierzehn einzelnen schönen Tagen bey vorherrschendem Nordwestwind sehr rauh, stürmisch, naßkalt und regnigt, wirklich abscheulich; bis zum längsten Tage mußte eingeheizt werden; seit langen Jahren haben wir keinen so strengen Winter erlebt, welcher den Krieg gegen das Frühjahr bis zum Ende deßen so fortsetzte und es besiegte, wie diesen. Die ersten vier Tage des April waren sehr stürmisch mit vielem Schneefall;(Barometer 27,7), die Tage vom 13ten bis 17ten stürmische Regentage, am letzterem mit einem Gewitter; am 23ten Abends 6 1/2 Uhr entladete sich ein Gewitter mit Graupeln und starkem Regen, der die ganze Nacht über in einen Landregen übergieng; der 29te und 30te waren bey niederem Barometerstande ebenfalls Regentage. In gleicher Weise hielt das Wetter bey derselben vorherrschenden Windrichtung den ganzen Mai über an; wir hatten viele kalte und Regentage, der Himmel war, wie im April, größten Theils trübe und bewölkt. Ebenso höchst ungünstig und noch schlechter war die Witterung im Junius bis zum 29ten; an vielen Tagen regnete es stark; bedeutende , beynahe wolkenbruchartige Gewitterregen waren am 21ten Junius Vormittags und am 26ten Nachts 12Uhr, von welchen der letztere in einen Landregen übergieng, worauf wir dann am letzteren Tage in Folge der lange anhaltenden Näße sehr große Waßer hatten, welches das wenige bis jetzt geschnittene Heu theils verschlämmte, theils wegschwemmte; überhaupt ist durch die Ungunst des Wetters diesmal die Heuemdte um wenigstend 14Tage verzögert worden Zu bemerken ist noch, daß der 30te Junius einer von den äußerst wenigen schönen und hellen Tagen im ganzen Frühjahr war, trotzdem daß 100 Tage vorher am 23ten März den Morgen und Vormittag über ein sehr dichter Nebel, der einzige in diesem Monat, statt fand; denn nach den Wetterprophezeiungen der Oeconomen, welche aber nicht immer eintreffen, soll der hundertste Tag nach einem Märznebel allemal ein Regen- tag seyn. Die Hauptursache dieses so rauhen und überaus unfreundlichen Frühjahrs ist gewiß darin zu finden, daß, wie wir in den Zeitungen vor Kurzem gelesen haben, durch die gewaltig vorherrschenden Nord-West- Winde im April und Mai von der nördlichsten Spitze des Bothnischen Meerbusens große Eismaßen, sogenannte Eisberge, bis an die deutsche Ostseeküste getrieben worden sind, daselbst schmolzen und dadurch den Wärmestoff verzehrten, und viel Kälte verbreiteten. Dieser Umstand war auch schon im Jahre 1816 die Ursache des damaligen sehr rauhen und kalten Sommers. Welche schreckliche Verheerungen der letzte harte Winter im Pflanzenreiche angerichtet hat, das sehen wir jetzt erst recht deutlich; unzählige Kirsch,—Nuß- und Pflaumenbäume, wie auch die meisten Weinstöcke hat der Frost getödet, und die kleinere Zahl der noch übrig gebliebenen sind, was auch die vielen abgestorbenen verdorrten Aeste bezeugen, bereits halb todt, und bringen keine oder selten nur sehr wenige, durch das rauhe Frühjahr noch dazu verkümmerte Früchte, so daß von einer Verpachtung der Alleen gar nicht die Rede seyn kann. Blos die Apfelbäume scheinen etwas Ertrag zu versprechen, weil sie in der Blüthe nicht so viel litten.
Dagegen steht das Winter—und Sommer—Getraide ausgezeichnet schön, wozu die starke Schneedecke und die davon abhängige reiche Winterfrucht natürlich sehr viel beygetragen hat; auch hat daßelbe durch die viele Näße des Frühjahrs nicht gelitte, weil der Wind immer wieder bald abtrocknete, die kalte Witterung die diesmal sehr langen Halme abhärtete, und dadurch mit Hülfe des Windes das Lagern derselben größten Theils verhütete. Wenn Gott unsere Fluren noch vor Hagel und Schloßen, wie auch Wolkenbrüchen gnädig bewahrt, so haben wir eine reich gesegnete Getraide-Emdte zu erwarten. Auch der Klee ist sehr gut gerathen, und steht schön, jetzt im üppigsten Wuchse da, so daß an Futterkräutern durchaus kein Mangel ist. Was den Gesundheitszustand betrifft, so ist derselbe nicht befriedigend und die Sterblichkeit nicht unbedeutend; die natürlichen Menschenpocken, wie auch die modificirten sind epidemisch stark verbreitet, an den ersteren sind etwa einige zwanzig Erwachsene gestorben; auch die Lungenschwindsucht hat wieder so manches Opfer gefordert ebenso starben auch viele Kinder in den ersten Lebensjahren.Am lten Julius Nachmittags 4 Uhr ist der 12 '/2 Jahre alte Sohn des Schießhausbesitzers Rausch, Wilhelm Oskar auf der Bitterfelder Straße nahe der Offenhauerschen Brauerei von einem Leiterwagen des Oeconom Wachsmuth, geführt von deßen erwachsenen im Dienste des Vaters stehenden Sohne, überfahren worden; der Knabe war von der Deichsel herab gesprungen, in einem Strange mit einem Fuße hängen geblieben, so daß nun ein Vorder-und Hinterrad über seinen Unterleib hinweg giengen und er eine Stunde nachher starb Unbesonnenheit und Mangel an Vorsicht sind Ursache des Unglücks.
Auf den Beschluß des Magistrats und der Stadtverordneten wurde die im Jahre 1863 eingerichtete Kellerwirthschaft diese elende, gleich von vornherein als Spielhölle verrufene Kneipe, aus dem Rathhause mit Recht wieder entfernt, und soll in Zukunft der schöne Keller mit seinen bedeutenden Räumen, wie früher, blos zum Zwecke der Aufbewahrung von Victualien, Obst, Kartoffeln u. s.w. anderweit vermiethet werden; diese Veränderung erfolgte am lten Julius. In demselben Monat verkaufte die Stadt-Commun das Dietrichsche Wohnhaus, welches dieselbe am 18ten April 1867 (vid.pag.411) für 1525 Rtl. gekauft hatte, für 510 Rtl. an den Schmiedemeister Haschert mit der Bedingung des sofortigen Abbruchs, welcher den lten August statt fand Auch wurde in diesem Sommer die Grünstraße und die Quergaße planirt, der Bürgersteig daselbst gepflastert, und die Fahrbahn mit geklopften Bruchsteinen gut chaußirt; dies kostet 896 Rtl. 21 Sgr. 3 Pf In Bezug auf den bereits mitgetheilten Unglücksfall auf der Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz (vid.pag.502) ist noch zu bemerken, daß für die Angehörigen der verunglückten deutschen Soldaten in Leipzig 1300 Rtl. gesammelt worden sind, und daß die Direction der Berlin-Anhalter Eisenbahn dem Lazareth daselbst für die Verwundeten 800 Rtl. gesendet, und jeder Wittwe vorläufig 20 Rtl. geschenkt hat. Gestorben sind nur 3 Mann im Lazareth. In der hiesigen Strafanstalt befinden sich jetzt 245 weibliche Strafgefangene. Am lten November vorigen Jahres wurde, wie hiermit noch nachträglich bemerkt wird, der bisherige Direktor derselben Nolte (vid.pag.422) in derselben Eigenschaft nach Striegau in Schlesien, und der dortige Straf-Anstalts Direktor Heinrich Friedrich Haensler gleichzeitig hierher versetzt. Am 26ten August starb nach längeren Leiden der frühere Rector an hiesiger Bürgerschule, seit 1858 Lehrer an der höhern Bürgerschule Johann Gottlob Barthel, 68 Jahre, 12 Tage alt; er war 22 Jahre hier und in seinem Amt sehr treu und gewissenhaft. Am 30ten September Vormittags 10 Uhr fand in der Aula der hiesigen höheren Bürgerschule ein seltenes Fest statt. Der Senior unseres Lehrer- Collegiums, Herrn Organist Grellmann, welcher mit diesem Tage in den Ruhestand trat, war von Seiner Majestät dem König der Kronen-Orden vierter Klaße in Anerkennung seiner langen, musterhaften, fast 57 jährigen Amtsverwaltung verliehen worden. Zur Verherrlichung dieses Tages hatten sich die Herren Lehrer und die Schülerinnen der 1, 2 und 3 Mädchenldaße der höheren Töchterschule und der 1 und 2 Klaße der Bürgerschule versammelt. Nach Absinger eines der Feier entsprechenden Liedes begrüßte Herr Superintendent Leipoldt den Gefeierten in längerer Ansprache, welcher demselben auch im Auftrage der Königlichen Regierung den oben erwähnten Orden überreichte. Herr Rector Dr. phil. Barthels hielt dann im Namen des Lehrer-Collegiums eine ergreifende Rede, worauf noch Magistrats-Aßeßor Heinze, in Vertretung des Magistrats als Schulpatron, den Scheidendenden in kurzen bündigen Worten die ärmste Anerkennung und gleichzeitig sein Bedauern über den Verlust, welchen die Schule mit seinem Ausscheiden erleidet, aussprach. Mit der Absingung noch eines Liederverses schloß diese schöne Feier. Zu Thränen gerührt schied Herr Organist Grellmann aus seinem Wirkungskreise in Kirche und Schule Möge derselbe in dieser Feier, an welcher sich unsere Kinder betheiligten, die wärmste Anerkennung unser Aller finden, und noch lange möge er sich einer rüstigen Gesundheit wie bisher erfreuen, damit ihm vergönnt sei, auch die letzten Früchte seiner Thätigkeit zur vollen Reife gelangen zu sehen. Zu bemerken ist noch, daß derselbe vom lten October an mit einer anständigen wohlverdienten Pension von 315 Rtl und Beibehaltung seiner seiner ganzen Amtswohnung auf Erlaubenszeit vom Magistrat in den Ruhestand versetzt worden ist.
Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weizen 6 — 7 Ril. Roggen 4 RtL 22 'A Sgr. — 5 RtL Gerste 3 Rtl. 15 Sgr. — 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. — 2 Rtl. 10 Sgf. Kartoffeln 1 Ra 15 Sgr. — 2 Rtl. Raps 8 Rtl. 15 Sgr.
Der Apother und Magistrats-Aßeßor Freyberg hat am lten October ein vor seinem frühem am Gerberplan gelegenen, jetzt dem Magistrats-Aßeßor Heinz gehörigen, Hause liegendes Stück Garten von 22 Quadrat Ruthen Umfang von der Stadt-Commun für 300 Rtl. gekauft. Am 6ten August wurde auch in unserer Stadt ein Kriegerfest zu Ehren der glücklich aus dem Felde zurück gekehrten Krieger in glänzender und würdiger Weise festlich begangen; über den Verlauf der Festfeier verweise ich auf die hier beygefügte in der No.93 des Delitzscher Kreisblattes befindliche ausführliche Beschreibung derselben. Die Witterung im Julius war mit Ausnahme einiger schönen Tage nicht viel beßer als im Junius, sondern trübe, kühl und naßkalt, so daß man wegen des glücklichen Einbringens der Feldfrüchte große Besorgniße hatte, zumal wir am 3ten Abends um 6 Uhr ein Gewitter in Süd, ferner am 10ten des Monats nach schwüler Hitze (Thermometer + 32) Mittags zwey starke Gewitter in Ost und Nord-West mit vielem Regen, so wie am 1 lten bey Süd-Ost-Wind (Thermometer +33) von Abends 7 Uhr bis 8 'A Uhr viere schwere Gewitter rings umher mit den gewaltigsten Blitzen und Donnerschlägen und wolkenbruchartigen Regen hatten, worauf am 12ten nach erfolgter Abkühlung (Thermometer +15) sehr großes Waßer Abends eintrat, und zwey Tage anhielt. Am 20ten um 4 Uhr Nachmittags tobte ein Gewittersturm (Barometer 27,8) aus Nord-Westen, welche Windrichtung überhaupt noch vorherrschend war; hierauf folgten noch mehrere regtügte Tage, und am 27ten in der Nacht ein Landregen.
Da die Erndte bereits um fast zwey Wochen verspätigt war, so war es die höchste Zeit, daß schönes und trocknes Wetter eintrat, was denn auch vom 2ten August an bis zum Ende deßelben fast durchgängig der Fall war, so daß die Grtraide-Erndte glücklich eingebracht werden konnte; das Barometer stand bey abwechselnden Nord-West-Wind, Nord-Ost-Wind und Süd-Ost- Wind hoch (Barometer 28-28,4), das Thermometer stieg Nachmittags in der Sonne auf einige 30 Grad, am am 14ten sogar bis 38 Reaum. Die Emdte des Winter- und Sommergetraides ging nun begünstigt durch die schöne Witterung rasch hinter einander sehr gut von statten; der Ertrag der Feldfrüchte ist durchgängig als eine gute Mittel-Erndte zu bezeichnen, besonders im Stroh sehr lang Am 23ten August früh um 2 Uhr und Abends von 8 —9 Uhr entladeten sich zwey Gewitter mit starkem Regen, welcher für den auf den Schwaden hegenden Hafer zu rechter Zeit kam. In Folge der übrigens in diesem Monat anhaltenden Dürre erschien in der zweyten Hälfte deßelben plötzlich die Landplage der Feldmäuse, welche in zahlloser Menge sich schrecklich vermehrten, und noch zu Anfang des October derart zugenommen hatten, daß die Feldbesitzer sich genöthigt sahen zur Vertilgung derselben Giftpillen (Phosphor) anzuwenden. Das schöne, sehr warme und trockene Wetter des August ging auch in den September bey derselben wechselnden Windrichtung und demselben hohen Stande des Barometers und Thermometers über, und dauerte bis zum 18ten des Monats fort so daß die wirklich sehr reichliche Grummterndte glücklich eingebracht werden konnte; vom 18ten an aber trat aber plötzlich bey niedrigem Stande des Barometer und Thermometers sehr trübe, naßkalte stürmische Witterung ein und hielt an bis zum Ende. Die Kartoffelemdte ist im Ganzen nur als eine leidliche Mittelemdte zu bezeichnen, weil durch die anhaltende Dürre im August und September die Ausbildung der Knollen sehr gelitten hat, so daß man allgemein die Klage hört, daß dieselben, obgleich gesund, doch nicht gut sammeln. Die Obstemdte ist in Folge der bereits oben Seite 504 erwähnten Ursachen durch Wittertmgs-Einflüße ganz verloren gegangen, höchstens etwa Aepfel in geringer Zahl sind noch zu theuren Preisen zu erhalten; ebenso wurde als Seltenheit ein Schock Pflaumen mit 3 Sgr. 9 Pf bis 7 Sgr. 6 Pf. bezahlt Weintrauben sind gar nicht zu haben. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ziemlich befriedigend, und die Sterblichkeit, besonders im September, nicht bedeutend. Die Pocken- Epidemie erlosch in der Mitte des August; dagegen traten von diesem Zeitpunkt an bis zu Michäelis öfters Durchfälle auf; welche aber in der Regel leicht geheilt werden konnten. Im Leipziger Tageblatt vom 12ten October, abgedruckt auch im Delitzscher Kreisblatt vom 14ten October des Jahres heißt es: "Am 11 ten des Monats Mittags ereignete sich auf der Gerberstraße eine tragische Scene Ein Schüler der Delitzscher Realschule, Ferdinand Gustav Mafins aus Hohenleina, Sohn des dortigen ersten Lehrers, der sich vor einigen Tagen aus dem elterlichen Hause, in dem er sich während der Schulferien aufgehalten, unter Mitnahme eines Sparkaßenbuchs heimlich entfernt, und von dem Gelde 40 Rtl. in Delitzsch erhoben, sich aber dann nach Leipzig herein verfügt und in einem hiesigen Gasthofe Quartier genommen hatte, wurde von seinen Eltern, welche von dem Aufenthaltsorte ihres Sohnes Kenntniß erhalten hatten, hier aufgesucht. Der noch nicht ganz 20jährige Mensch fuhr eben in einer Droschke vor dem Gasthause vor, als er seinen Vater in Begleitung eines andern Mannes aus der Heimath erblickte. Noch in der Droschke sitzend, zog derselbe plötzlich einen geladenen Revolver aus der Tasche und feuerte zwey Schüße gegen seine Brust ab, ohne sich jedoch gefährlich zu verwunden. Keiner der beyden Kugeln drang ein, und sah sich der leichtsinnige junge Mensch bald darauf in den Händen der Polizey." Hierauf hat der Vater seinen verlornen Sohn sofort von unserer Realschule weggenommen, und ist dadurch der unvermeidlichen Exklusion deßelben zuvorgekommen. — Es ist sehr zu beklagen, daß seit dem zu Ostern 1868 erfolgten Abgange des trefflichen Rectors Giesel in unserer Realschule sich mehrere recht unangenehme Vorfälle und Exceße ereignet haben, welche einer solchen Anstalt keinen Segen und Vortheil bringen, sondern nur schaden können.
Am 18ten October früh um halb neun Uhr brach in dem Hause der Nagel- Schmieds-Wittwe Schmidt in der Holzgaße, unmittelbar neben der Wohnung des Verfaßers dieser Zeilen, im obern Stock Feuer aus Schnell herzugeeilter Hülfe gelang es sofort demselben Einhalt zu thun, und verbrannte nur ein Bett und einige andere Gegenstände, armen Leuten gehörig, welche zur Zeit nicht in ihrer Wohnung anwesend waren. Wie man hört, haben ohne Aufsicht allein zurückgelaßene Kinder mit Streichzündhölzchen gespielt, und das Bettstroh angebrannt.
Am 4ten November Mittags halb 12 Uhr ist der Hausbesitzer und Fuhrmann Gottlieb Ziecke 61Jahre 9 Monate alt, durch Ueberfahren verunglückt. Derselbe kam, wie gewöhnlich, um diese Zeit mit seinem schwer mit Braunkohle beladenen Kastenwagen von Bitterfeld gefahren, begieng aber dabey die große Unvorsichtigkeit sich unmittelbar hinter der Wage auf die Deichsel zu setzen und dazu noch auf diesem gefährlichem Sitze zu schlafen, in diesem Zustande fiel er nahe bey dem zwischen Delitzsch und Benndorf liegenden Bahnwärter-Häuschen vorwärts auf die Erde, so daß das Vorder- und Hinterrad in gerader Richtung über die rechte Seite seines Rückens gieng, das Schulterblatt und mehrere Rippen zerbrachen, und ein starker Blutstrom in Folge der geborstenen rechten Lunge aus dem Munde trat; der Tod erfolgte sogleich. Noch ist zu bemerken, daß der Verunglückte, wie man hört kein Trinker, sondern ein ganz ordentlicher Mann war. Im Monat August wurde ein dringend nothwendige Reparatur an der alten Orgel unserer Stadtkirche vorgenommen; dieselbe bestand in der Herausnahme särmntlicher Pfeifen, Reinigung derselben und Belederung der sehr defecten Bälge und Windladen. Herr Orgelbaumeister Offenhauer erhielt dafür 90 Rtl., welche aus dem Kirchenvermögen bezahlt wurden. Auch in diesem Jahre hat der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn keine sonderlichen Fortschritte gemacht; der hohe Bahndamm vor der Elberitz-Mühle ist noch in einer ziemlich langen Strecke nicht vollendet, und es müßen noch bedeutende Erdmaßen aufgeschüttet werden; die Zahl der bey den Erdarbeiter angestellten Arbeiter war in diesem Jahre überhaupt viel zu gering. Dagegen sind die Schwellen und Schienen von Eilenburg bis nahe an unsere Stadt, da wo die Bahn die Eilenburger Straße überschreitet, gelegt, und das sehr schöne, ansehnliche, zvveymal übersetzte maßive Bahnhofs- Gebäude, welches unmittelbar am Uebergange der Bahn über die Berlin- Anhalter westlich gelegen ist, noch im Spätherbst unter Dach und Fach
Beamten Wechsel gebracht worden Außerdem wurden noch im Laufe des Sommers und bis in den Herbst die Erdarbeiter am Bahnkörper durch die Feldmark Rubach und die Fluren und Gärten des Dorfes Gertitz in der Richtung nach Kyhna zu, aber leider nur mit geringen Kräften unternommen und langsam fortgeführt.
An die Stelle des bisherigen nach Teglitz abgegangenen Gasinspektor Friedrich Bendert ist vom 15ten Junius des Jahres an der Gastechniker Hugo Franke aus Fraustadt im Regierungs Bezirk Posin als Gasinspecktor hier angestellt worden. Deßgleichen ist auch an die Stelle des im Frühjahr verstorbenen Polizei-Sergeanten Tronicke der bisherige Marktmeister Ludwig August Steinborn aus Diersen als erster Polizei- Sergeant und Marktmeister für hiesige Stadt angestellt worden, und hat am 1ten September sein Amt angetreten. Die am lten December stattgefundene Volkszählung hat folgendes Resultat ergeben: es waren vorhanden 1) bewohnte Häuser 667, 2) Haushaltungen 1891, 3) wirkliche ortsangehörige Bevölkerung 8160, mithin 171 mehr als im Jahre 1867, wo unsere Stadt 7989 Einwohner hatte. Am 5ten December wurde die in der Bitterfelder Straße neu erbaute Bürger-Knabenschule feierlich eingeweiht. Das Haus selbst ist ein wahres Prachtgebäude, eine große Zierde unserer Stadt; die Klaßen- Lokale in demselben sind sehr geräumig, hell und in jeder Hinsicht zweckmäßig. Was den Act der Weihe selbst betrifft, so beziehe ich mich und verweise auf die hier beygefügte Beschreibung deßelben in den Nummern 146 und 147 des Delitzscher Kresblatts, welche sehr ausführlich ist. Die Baukosten laßen sich noch nicht bestimmen, sollen aber, wie man hört, mindestens 25000 Rtl. betragen Vid.pag.468. Am 15ten December kam vor der ersten Abtheilung des hiesigen Kreisgerichts die Untersuchung wider den Locomotivenführer Pius David Louis Sarpe aus Berlin, 34 Jahre alt, zur Verhandlung. Derselbe war angeklagt: am 22ten Junius zwischen Rackwitz und Zschortau fahrläßiger Weise den Transport auf der Eisenbahn (einen Militärzug, vid.pag.502) in Gefahr ge bracht und dadurch den Tod von Menschen verursacht zu haben. Die Hauptschuld des Locomotivführer Sarpe ist nach der Aussage und Erklärung von Sachverständigen darin begründet, daß derselbe, nachdem er die Trennung des Zuges von der Locomotive bemerkt hat, diese sofort anhielt, und nicht, wie es § 24 der Instruction der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft verlangt und bestimmt, so lange vorwärts gefahren ist, bis er die bestimmte Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Zug stand, oder doch so weit entfernt war,daß kein Zusammenstoß mit der Maschine mehr erfolgen konnte Die Verhandlung, welche eine große Zuhörerschaft herbeigezogen hatte, dauerte ohne Unterbrechung von 9 1/2Uhr des Morgens bis nach 6Uhr des Abends. Nachdem von der Staatsanwaltschaft 1Jahr Gefangniß und Aberkennung der Fähigkeit zum Eisenbahndienst, vom Vertheidiger Herrn Justizrath Hassen aber die Freisprechung beantragt wurde, erkannte der Gerichtshof unter theilweiser Annahme mildernder Umstände, wegen gemeingefährlichen Vergehens auf 6Monate Gefängniß. Eine viel zu milde und geringe Strafe für einen Verbrecher, der, wenn auch nur durch Fahrläßigkeit und Unbesonnenheit, den Tod von 22 braven Soldaten, deren leben die Kugeln auf Frankreichs Schlachtfeldern verschonten, verschuldet und auf seinem Gewißen hat; dieses letztere untrügliche Tribunal wird unaufhörlich ihn verurtheilen in Zeit und Ewigkeit. Außer den bereits erwähnten herrlichen Gebäuden, des Halle- Sorauer Bahnhofs-Gebäudes und des neuen nun vollendeten Schulgebäudes ist wegen des Krieges wenig gebaut worden. Das früher dem Schumacher Gneist gehörige sehr banfällige Haus in der Schloßgaße hat ein Subaltern- Beamter in der Strafanstalt, Namens Dehahn gekauft, niedergerißen und ein maßives übersetztes Wohnhaus dafür erbaut. Deßgleichen hat der Schumachermeister Gallwitz das Haus seines Schwiegervaters Weidenhahn in der Holzgaße sehr gut maßiv umgebauet.
Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unser Armenkaße auch im vorigen und in diesem Jahre einen Zuschuß von je 550 Rtl., wie dies bereits seit mehreren Jahren der Fall ist. Die trübe, kühle und regnigte Witterung der zweiten Hälfte des September hielt auch im October bey niedrigem Barometer und Thermometer-Stande und Südwestwind bis zum 12ten an; von da an hatten wir bey fast täglich wechselnden Windrichtungen in der ganzen Windrose und hohem Barometer (28,3-6) bis zum 22ten schöne und milde, helle Tage, von da an aber bis zum Ende des October bey demselben hohen Barometer und vorherrschendem Ost- und Nordost-Wind trübe und kühle Tage mit dichtem Nebel. Fast in derselben Weise gieng diese Witterung auch in den November über; die meisten Tage waren mäßig kalt, und sehr trübe wegen der häufigen dichten Nebel, Barometer und Windrichtung die zuletzt angegebene. Noch ist zu bemerken, daß am 9ten des Monats ein schönes Nordlicht sich zeigte, und am lOten, dem Geburtstage Luthers und Schillers, ein noch weit glänzenderes von Abends 9% bis 10 WW sichtbar war; das letztere zog sich vom direkten Norden bis zum direkten Westen, färbte des ganzen eingenommenen Himmelsstrich prächtig roth, und reichte bis nahe an das Zenith. Schnee fiel nur in den letzten Tagen des Monats. Der December brachte gleich vom Anfang an Licht, Frost, Schnee und mäßige Kälte, welche letztere bey Nordost- und Nordwest-Wind bald stieg (Barometer 28,1), so daß das Thermometer am 11 ten und 12ten früh 7Uhr — 14 Reaum zeigte bey Südwest-Wind Barometer 28,5, gleich nachher wieder abnahm und bey vorherrschendem Südwest-Wind und hohem Barometer nur in sehr mäßigen Graden, abwechselnd mit Thauwetter, bis zum Jahresschluß anhielt. Der Gesundheitszustand ist nicht befriedigend, die Sterblichkeit bedeutend gewesen; viele alte Personen sind gestorben in diesem Quartal, viele junge an der Schwindsucht, und eine große Zahl Kinder an der häutigen und Rachenbräune. Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 307, worunter 50 Uneheliche, und gestorben sind 283, worunter 165 Kinder, und 50 Personen vom 60ten bis zum 90ten Lebensjahre. Die Sterblichkeit beträgt bey uns seit 1858 nach statistischen Nachrichten 25 Procent.
1872
Vom 1ten Januar des Jahres an ist bey Uns, wie im ganzen Deutschen Reiche, einheitliches Maaß und Gewicht, nämlich das französische metrische Maaß- und Gewichts-System gesetzlich eingeführt worden. Schon im Jahre 1867 fanden in Berlin auf dem damaligen Norddeutschen Reichstage Verhandlungen deßhalb statt, welche aber durch den Krieg 1870 und 71 unterbrochen, und erst nach dem Frankfurter Frieden und der bereits während des Krieges erfolgten Einigung von ganz Deutschland auf dem Deutschen Reichstage im Sommer vorigen Jahres zum Abschluß gebracht wurden. Es ist diese Sache allerdings ein Fortschritt zum Beßeren; nur ist dabey zu bedauern, daß dadurch die Eitelkeit und der Dünkel der französischen, in moralischer und anderer Hinsicht sehr tief gesunkenen Nation, welche sich für die große der ganzen Welt hält, neue Nahrung erhält. Uebrigens wird diese neue Einrichtung, ehe das Volk sich daran gewöhnt, längere Zeit im Handel manchen noch viel Herzleid und Verdruß bereiten, vielleicht auch zu gehäßigen Denunciazionen Anlaß geben. Am 14ten Januar, dem 2ten Epiphanias-Sonntage hielt der General-Superintendent Dr. Möller aus Magdeburg hier Vor- und Nachmittags eine Kirchenvisitation ab, und nach der Frühpredigt des Superintendenten Leipoldt eine Rede am Altare. Tags darauf setzte Moeller, nachdem er vorher erst noch eine Predigt gehalten, unsern Superintendent in sein Ephoral-Amt ein, wozu alle Geistliche und Lehrer der Delitzscher Diöces einberufen waren; dieser letztere Gottesdienst dauerte von früh 10 Uhr bis Mittag 1 Uhr. Uebrigens war an beyden Tagen die Theilnahme unserer Kirchengemeinde äußerst gering, so daß Moeller die Ueberzeugung hat gewinnen und mitnehmen müßen, daß unser kirchliches Leben in Folge des viejährigen Anhangs- Streites (vid.pag.332) durch die Schuld der damaligen Kirchenbehörden und Geistlichen fast total zerstört worden ist. Moeller ist wie sein verstorbener Vater streng orthodox und eben auch kein sonderlicher Kanzelredner; seine Leistungen sind nur gewöhnlicher Art; von einem so hochgestellten Geistlichen erwartet und verlangt man weit mehr. Was unsern Superintendenten betrifft, so ist sehr zu bedauern, daß die Hoffnungen, die man vor fast drei Jahren bey seiner Probe und Amtsantritts (v.p.435) hegte, daß seine schwache Stimme mit der Zeit heller und Stärker werden würde, leider bis jetzt nicht in Erfiillung gegangen; sein Stimmorgan ist und bleibt für unsere große Stadtkirche, zumal bey schnellem Vortrag, zu schwach.
Bey dieser Gelegenheit muß ich hier, da einmal von kirchlichen Angelegen- heiten die Rede ist, daß neueste hochwichtige Tagesereigniß, nämlich den endlichen Sturz des Cultusminister von Muehler, erwähnen; dieser Mann, welcher zur Partei der Ultramontanen und Finsterlinge gehört, hat während seiner fast zehnjährigen Amtsführung unendlich viel Böses gestiftet, weßhalb denn auch seit dem Tage von Sedan über kein Ereigniß in ganz Deutschland die Freude so allgemein und groß gewesen ist, als über den Fall dieses Mannes, wodurch endlich Kirche und Schule von einem furchtbar schweren Alpdruck und geistiger Knechtschaft erlöst worden sind. Seine Stellung war schon längst erschüttert und unhaltbar, und jeder andere fein fühlende Mann hätte nach den vielen gewaltigen Angriffen und derben Wahrheiten, die er im Hause der Abgeordneten, z.B. vom Abg. Ziegler aus Breßlau mit dem Ausruf „fort mit dem Minister Muehler" anzuhören bekam, sogleich abgedankt; ihn aber rührte dies nicht. Endlich aber mußte er doch bey unserm ehrwürdigen Kaiser und König am 12ten Januar um seine Entlaßung , welche der Fürst Bismark und sämmtliche Minister in einer Sitzung befürworteten, ansuchen; hierauf entließ ihn der Kaiser am 17ten des Monats. In den Zeitungen erfuhr Muehler noch viel Hohn und Spott in Nachrufen, die ihn wahrlich nicht ehrten.
Nachdem noch in den letzten Tagen des Januar als Nachfolger Muehlers vom König der bisherige Geheime Ober-Justizrath Dr.jur.Falk zum Cultusminister erwählt war, brach unter der Leitung dieses freisinnigen und humanen Mannes in Preußen und somit auch in Deutschland eine neue Glück verheißende Zeitperiode für Kirche und Schule an. Die erstere erhielt ihre Freiheit durch die Anerkennung der gesetzlich fest begründeten Rechte und Selbständigkeit der Kirchengemeinden, welche diesen die Hierarchie des Oberkirchenraths und der Consistorien in der neuesten Zeit widerrechtlich entzogen hatten, völlig zurück; so entschied z.B. der neue Cultusminister in dem bereits seit einem halben Jahre in Reichenbach bey Breslau heftig entbrannten Gesangbuchsstreite, welcher mit unserm Delitzscher die größte Aeludichkeit hat (vid.pag.332), „daß das Gemeinde-Prinzip stets gewahrt werden müßte", womit diese Streitsache nun erledigt war, und die beyden höchst ehrenwerthen freisinnigen, treu zur Kirchengemeinde stehenden Geistlichen, die Pastoren König und Lauterbach, welche schon seit fünf Monaten vom Breslauer Consistorium von ihren Aemtern suspentirt waren, dieselben wieder erhielten; die amtliche Wiedereinsetzung derselben erfolgte jedoch erst am 16ten Julius Vormittags 11 Uhr durch den Superintendenten Rolffs aus Schweidnitz.Ein diesem in gewif3er Hinsicht ähnlicher Vorfall ereignete sich vor Kurzem in Berlin; es waren nämlich die beyden allgemein hochverehrten und geliebten Kanzelredner, der weise Jubilar Dr. Sydon und der r. Ciscon wegen ihrer am 12ten Januar des Jahres im Berliner Unions- Verein in einem öffentlichen Vortrage ausgesprochenen freimüthigen Ansichten über das Apostolische Glaubens-Bekenntniß auf Betrieb des streng orthodoxen Brandenburger Consistoriums, welches Sie schon mit der Amtssuspension belegte, zur Verantwortung vor den Ober-Consistorialrath und General-Superintendent der Residenz Berlin, den ProtDr.Theol. Brueckner, früher in Leipzig, vorgeladen. Nach erfolgter Vernehmung der beyden ehrwürdigen Geistlichen gab als Resultat derselben dieser treffliche, liberale und gelehrte Mann folgende Entscheidung: „daß das Apostolische Glaubens-Bekenntniß als Grundlage der kirchlichen Gemeinschaft und als historisches Zeugniß Glaubens im Reformations- Zeitalter aus dem Geiste der damaligen Zeit hervorgegangen sey, aber nicht die Absicht gehabt habe, die Geister für alle Zeiten an seinen Buchstaben zu binden; es sey vielmehr ein Gegenstand freier wißenschaftlicher Forschung und Untersuchung, worüber sich jeder sein subjecktives Urtheil bilden könne." Somit war auch diese verdrießliche Angelegenheit zur Ehre und Rechtfertigung der Angeklagten in rationeller Weise richtig entschieden und erledigt worden. Welcher vernünftige und denkende Menschglaubt wohl heute noch an die Fabel vom Sündenfall, (denn jede Religion, und auch die christliche, hat ihre Mythologie), an den Teufel, ferner an die Himmel- und Höllenfahrt Christi, so wie an die grob sinnliche Idee der Auferstehung des Fleisches, welches den Elementarstoffen verfällt? Welcher aufgeklärte Mann glaubt jetzt noch an die Schwängerung vom heiligen Geist, so wie an den Tritheismus, statt des allein mit der gesunden Vernunft überein stimmenden Monotheismus? Unser früherer mit Recht gefeierter vorzüglicher Kanzelredner Superintendent Foerster sprach sich in einer am 18ten p.Trinitat.1842 gehaltenen Predigt über die Person und Natur Jesu Christi sehr treffend also aus: „Ihm gebührt nicht das Prädikat Gottheit, sondern nur Göttlichkeit, göttlicher Wandel " Zwey ganz verschiedene Begriffe. —
Nachdem wir nun über die durch den neuen Cultusminister wieder erhaltenen Rechte und Selbständigkeit der Kirchengemeinden das Nöthige mitgetheilt haben, so wollen wir nun noch Einiges über die großen Errungenschaften der Schule durch das neue Schulaufsichts-Gesetz, wodurch dieselbe zu ihrem wahren Heil von der geistlichen Ireneetim ganz emancipirt worden ist, hinzufügen. Das Recht der Aufsicht über die Schule, besonders die Volksschule, und die BefugniI3 zu diesem Zweck Fachmänner als Kreis-Schulinspectoren anzustellen hat bereits seit der Reformation dem Staate allein zugestanden, und ist von demselben auch bis zu dem im Jahre 1840 erfolgten Tode des erleuchteten Cultusministers von Altenstein ungeschmälert ausgeübt worden. Erst unter deßen Nachfolgern Eichhorn, von Raumer und von Muehler; welche mit den Ultramontanen und Priestern sehr liebäugelten, ist dieses unzweifelhafte Recht dem Staate, ebenso wie den Kirchengemeinden ihre Rechte bisher, durch die Hierarchie auf schlaue Weise verkümmert und entzogen worden. Es wurde nun von der Staatsregierung dieses neue Schulaufsichts-Gesetz in der Mitte des Februar dem Abgeordneten-Hause zur Berathung vorgelegt, und, wie sich nicht anders erwarten ließ, trotz einiger ultramontanen und feudalen Gegner, von demselben mit großer Majorität angenommen. Hierauf wurde dieses Gesetz zu Ende des Monats dem Herren-Hause vorgelegt; da es allgemein bekannt war, daß deßhalb in diesem Hause noch schwere Kämpfe statt finden würden, überhaupt die Annahme daselbst immer noch zweifelhaft war, so machte der König, um dem Gesetze bey der Abstimmung darüber die Majorität zu sichern, von seinem Rechte Gebrauch, und wählte noch eine hinlängliche Anzahl Mitglieder (Pairs), aufgeklärte große Männer, wie Moltke, Roon u.m.A.in das Herrenhaus, wodann daßelbe am 7ten März mit einer Majorität von 125 gegen 76 Stimmen nach erbitterten Kämpfen angenommen wurde, und somit der Staat sein gutes Recht wieder erhielt. Um die Durchbringung dieses Gesetzes hat übrigens der jetzige Lenker von Deutschlands Schicksalen, der Reichskanzler Fürst Bismark sich das größte Verdienst erworben, indem derselbe allen Sitzungen beyder Häuser beywohnte, und die gewaltigen, oft unsinnigen Anstrengungen der Polen, Pietisten, Feudalen, Ultramontanen und Jesuiten in seinen glänzenden Reden mit schlagenden Gründen widerlegte, durch seine äußerst dialektische Gewandheit seine Gegner ad abhurdum demonstrirte und durch Blosstellung ihrer Unwißenheit ganz vernichtete. Die Freude über diesen neuen Sieg des Lichtes über die Finsterniß war in ganz Deutschland außerordentlich groß und herzlich, und aus allen Theilen deßelben erhielt der ausgezeichnete Staatslenker und gefeierte Mann des Volkes dafür von Behörden, Corporationen und Privatpersonen begeisterte Anerkennungs-Dankes- und Zustimmungs-Addreßen zu Tausenden in Telegrammen und Schreiben; eine solche, mit circa 600 Unterschriften bedeckte, erhielt derselbe, desgleichen auch der Cultusminister Dr Falk, in Folge einer hier am lten Maerz deßhalb stattgefundenen Versammlung von der hiesigen und der Bitterfelder Bürgerschaft gemeinschaftlich zugesendet. Am 4ten Maerz wurde unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs-und Schulraths Dr.Betzenberger aus merseburg die mündliche Prüfling der zwey Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon vom Sten bis 9ten Februar statt gefunden hatte; einer erhielt die Censur „gut", der andere „genügend". Da in den letzten vier Jahren in dieser Anstalt mehrere schwere disciplinarische Vergehen vorgekommen waren, (Vid.pag.413, 486, 512), so war es die höchste Zeit, daß endlich einmal, um die gesunkene Disciplin wieder zu heben, ein strenges Exempel statuirt wurde; es wurden daher der 14Jahr alte Sohn des Fleischermeister Kuhn, und der ebenso alte des Bäckermeister Riehl von hier, welche in einer Kneipe der Leipziger Vorstadt oft Hazard-Spiel getrieben hatten, zu Anfang des Maerz aus der Anstalt eddudirt.
In der Nacht vom 29ten zum 30ten Maerz hat sich die fast 47 Jahre alte Frau des Schmiedemeisters Riemay, welcher aus Schlesien hierher gekommen war, um an der Halle-Sorauer Eisenbahn Arbeit zu suchen, in ihrer Wohnung in der Leipziger Vorstadt erhängt; sie hinterläßt drei kleine Kinder, und soll, wie man hört, in einer höchst ungücklichen Ehe gelebt und großen Mangel gelitten haben. Ganz im Gegensatz zu den vorjährigem sehr hartem und strengen Winter ist der diesjährige ungewöhnlich milde; die gelinde Witterung des December gieng in den Januar über, und die meisten Tage deßelben waren bey vorherrschendem Südwind oder Südwestwind und mehr niedrigem als hohem Barometerstande sehr milde, hell und schön; Schnee, welcher aber schnell wieder schmolz, fiel wenig; dichte Nebel hatten wir besonders bey Südwind und Westwind vom 13ten bis 17ten früh, so wie am 22ten und 28ten; der 31te war ein wahrer Frühlingstag Ganz in derselben Weise, jedoch bey großen Theils höherem Barometerstande und mehr vorherrschendem Ostwind mit der abwechselnden Neigung der Fahne nach Nord oder Süd hielt das Wetter auch den ganzen Februar an; am 4ten des Monats war von Abends 6 Uhr an bis Mitternacht am nördlichen und nordöstlichen Himmel ein prachtvolles Nordlicht sichtbar, welches größten Theils lange und breite Gluth-roth glänzende Bündel und Strahlen, zum Theil auch einige ganz weiße Streifen bis an das Zenith aussendete, und von 9 Uhr an allmählich an Intensität abnahm: Der Maerz brachte bey der angegebenen Windrichtung und mehr hohem Barometer- und Thermometer- Stande (Barometer 28-28,5, Thermometer + 26 Reaum) in seiner ersten Hälfte fast durchgängig schöne Frühlingstage, aber auch zugleich eine bey uns sehr seltene Furcht und Schrecken erregende Naturerscheinung. Nachdem nämlich zufolge späteren Nachrichten der Vesuv am 4ten und Sten Maerz einen gewaltigen vulkanischen Ausbruch gemacht hatte, so wurden auch in dem größerem Theile Deutschlands die Nachwirkungen davon beobachtet, welche nicht lange auf sich warten ließen. Bey uns hier wurden am 6ten Maerz Nachmittags 8 Minuten vor 4 Uhr zwey schnell aufeinander folgende stark bemerkbare wellenförmige Erderschütterungen, jede von 6 Secunten Dauer, in der Richtung von Südwest nach Nordost wahrgenommen; das unterirdische Geräusch, welches im Parterre weniger auffallend, sich bis in die ersten und sogar in die höchsten Etagen der Häuser schnell fortpflanzte, und da besonders in den zitternden Fensterpfeilern am stärksten hörbar war, gleich dem Rollen eines rasch dahin fahrenden schwer beladenen Wagens. Unsere Thürrner haben, wie auch viele Personen in den Häusern, sehr deutlich Schwankungen beobachtet; es wankten Fußböden, ebenso auch Tische und auf denselben stehende Gegenstände; an den Wänden und Decken frei hängende Dinge, z.B. Kronleuchter, bewegten sich schwingend hin und her, und Pendeluhren blieben sogleich stehen. Der Schreck in unserer Stadt war so groß und allgemein, daß die Menschen aus den Häusern liefen, und truppweise auf den Straßen beysammen standen. Uebrigens war das Wetter an diesem Tage sehr schön und milde, der Himmel rein und ganz hell und unbewölkt, der Wind Ostwind, das Barometer stand auf 28,1., das Thermometer auf +22 Reaum um diese Zeit. Ein ähnliches Phänomen, aber von weit geringer Intensität und Stärke hatten wir schon einmal am 7ten Amins 1857 zu beobachten Gelegenheit (Vid.pag.280). In der zweiten Hälfte des Maerz waren die meisten Tage bey vorherrschendem Westwind und Nordwestwind und niedrigem Barometer-und Thermometer-Stande größten Theils trübe, kühl und nebligt, auch einige Mal durch Regen und Schneegestöber unangenehm, und am Abend des 19ten tobte von 8 bis 10 Uhr ein heftiger Orkan aus Westen (Barometer 27,5). Zu bemerken ist noch, daß die Feldmäuse, welche in dem letztem Herbste in zahlloser Menge vorhanden waren, und den Wintersaaten bedeutenden Schaden zufügten, erst in der Mitte des Januar von den Feldern verschwanden; mehrere Feldbesitzer mußten deßhalb im Maerz ihre mit Wintergetraide besäeten Aecker umpflügen.
Der Gesundheitszustand ist auch in diesem ersten Quartal durchaus nicht befriedigend gewesen, und gilt in dieser Hinsicht ganz das im letzten Quartal des vorigen Jahres darüber gesagte; zu bemerken ist aber noch, daß die Pocken-Epidemie, welche im August erloschen war, leider wieder aufgetreten ist und ihre Opfer forderte, weßhalb die Königl. Regierung zu Merseburg wiederholt Bekanntmachungen erließ wegen der Vaccination
Am 6ten April Nachmittags halb 2 Uhr brach in dem in der engen Kreuzgaße befindlichen Fabrikgebäude des Seifensiedenneisters Fuhrmann beym Sieden von Palmöl, Feuer aus, welches an den Fetten, Seifen pp. so reichliche Nahrung fand, daß binnen wenigen Minuten das ganze Gebäude in Flammen stand. Eine Möglichkeit das brennende Haus zu löschen, war schon nicht mehr, als die schnell herbeyeilende Feuerwehr an der Brandstelle erschien, und konnte es nur deren Aufgabe seyn die Nachbargebäude, welche bey der intensiven Hitze Feure fingen, zu schützen. Diese, der beschränkten Lage und leichten Bauart nach sehr schwierige Aufgabe ist glücklich gelöst worden, und haben sämmtliche Mannschaften ihre Schuldigkeit in höchstem Maaße gethan, und auf ihren gefahrvollen Posten mit Heldenmuth und wahrer Todesverachtung gearbeitet, so daß ihre Leistungen über alles Lob erhaben sind. Daß es bey Anfang der Löschoperationen an Waßer fehlte, lag theils daran, daß alle Pferde auswärts oder auf dem Felde waren, theils, daß nach einer vier Tage vorher statt gefundenen Uebung alle Schläuche des Trocknens wegen noch im Steigerhause aufgehangen waren, und sich noch nicht wieder bey den Spritzen befanden. Glücklicher Weise hat dieser Fehler, der hoffentlich nicht wieder vorkommen wird, keinen nachtheiligen Einfluß gehabt, denn, wenn auch die Spritzen zehn Minuten eher gegen das Feuer, welches durch einen Sprung des eisernen Keßels entstanden war, kämpften, so blieb doch das Endresultat, das Feuer auf die vier Mauern zu beschränken, ganz daßelbe; um 3 Uhr war schon die größte Gefahr vorüber. Das Gebäude erstand bald wieder aus der Asche.
Nachdem unser bisheriger, jetzt 77 Jahre alter, würdiger Organist und Lehrer Grellmann zu Ende des April vorigen Jahres theils in Folge von längerer häuslicher Noth und Kummer, theils aber auch in Folge von Altersschwäche plötzlich invalid geworden war und mithin unfähig zu fernerer Amtsverwaltung, so wurden seine beyden Aemter bis Michäelis stellvertretend durch die Lehrer der ersten und zweyten Bürgerschule verwaltet; im Junius suchte derselbe daher bey dem Magistrat um seine Versetzung in den Ruhestand an, welche am 30ten September auf die ehrenvollste Weise erfolgte.(Vid.pag.507). Bald nach Johannis machte der Magistrat als Patron in öffentlichen Blättern die Erledigung der Stelle bekannt mit der Aufforderung, daß sich qualificirte Bewerber deßhalb melden mögten. Unter mehreren eingegangenen Anhaltungsschreiben von Bewerbern wurden vier berücksichtigt, und diese letzteren zur Ablegung einer Orgel-und Schulprobe vorgeladen, aus welchen dann kurz vor Michäelis der bisherige Lehrer in Neuhaldensleben Max Schulle (der Namen thut nichts zur Sache) als Organist an der Stadtkirche und Lehrer der 3ten Mädchenklaße in der lten Bürgerschule erwählt und mit 350 Rtl. Gehalt, aber ohne freie Wohnung angestellt wurde. Sein Antritt verzögerte sich aber noch ein volles Halbjahr, so daß die Vacanz fast 11 Monate dauerte; denn erst am 2ten Osterfeiertage, den lten April 1873, trat er sein Amt in der Frühkirche und den 8ten des Monats in der Schule an. Obgleich derselbe kein Virtuos auf der Orgel ist, so spielt er doch in ähnlicher Weise wie sein Amtsvorgänger, den Choral einfach und regelrecht. Bey dieser Gelegenheit wunderten sich viele, daß der Magistrat die Organisten-Stelle dem Lehrer Jost nicht übertragen hatte, deßen vorzügliche künstlerische Leistungen auf der Orgel und dem Pianoforte unserm Publikum längst bekannt sind, und deßhalb auch seit vielen Jahren einer der gesuchtesten Musiklehrer im Orte ist, der ferner die 1852 neu gebaute Orgel in der Gottesackerkirche 14 Jahre unentgeldlich gespielt und erst seit 6 Jahren 25Rtl. Gehalt dafür erhalten hat, und dem der Magistrat auch seit Anfang vorigen Jahres zugleich das Organistenamt bey den Abend-Gottesdiensten in der Hospitalkirche übertrug; allein Herr Jost hatte absichtlich nicht um die Stelle angehalten, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil derselbe wegen der Pensionirung des Herrn Grellmann in baarem Gehalte um die Hälfte deßelben, um 50Rtl. gekürzt ist; dies kann sich wohl ein junger Lehrer leicht gefallen laßen, aber kein älterer, welcher bereits 26 Jahre im Amte ist. Dagegen hat Herr Jost seit der Einweihung der neuen Bürger-Knaben-Schule eine besonders expinirte Stellung erhalten, indem ihm nach Abgabe seines bisherigen Ordinariats der lten Klaße iter Bürgerschule nunmehr in allen fünf Knabenklaßen derselben ausschließlich der Unterricht in Mathematik, besonders der Geometrie und dem Rechnen übertragen worden ist, weil er in diesen Lehrfächern unter den sämmtlichen Lehren der lten und 2ten Bürgerschule unbedingt der tüchtigste und befähigste ist, welches Unheil über ihn schon früher ein competenter Richter, der uns unvergeßliche und unersetzliche Rector Giesel ausgesprochen hat.
Bey der starken Zunahme der Aufgaben war die Einstellung eines dritten Polizey-Sergeanten recht nothwendig geworden; es wurde daher nunmehr der Civilversorgungs-Berechtigte Unterofficier Blender aus Wittenberg als solcher und zugleich als Kastellan in der neuen Bürger- Knabenschule mit freier Wohnung in derselben angestellt; er trat sein Amt am 17ten April an; Gehalt 186Rtl. Am 20ten April Nachmittags fand man bey einer Waßer-Partie oberhalb der Elberitzmühle an einer Stelle, wo der Lober unmittelbar am Park des Ritterguts Döbemitz vorbey ffießt, im Waßer den in ein Stück Leinwand eingenäheten Leichnam eines neugeborenen Kindes männlichen Geschlechts. Nach der erfolgten Section und vorgenommenen hydro-statischen Lungenprobe erklärte der Herr Kreisphysikus Dr.Kanzler als Resultat, daß das Kind ein todtgeborenes sey, und wenigstens schon zwey Monate im Lober gelegen haben müße. — Ani 22ten April Abends fuhr ein dem Strumpfwaaren-Fabrikant Krieg gehörender mit Leipziger Meßgütern beladener Rollwagen beym Einfahren in die Kriegsche Fabrik gegen einen Thorpfeiler, welcher sogleich einstürzte, wodurch zwey dahinter stehende Arbeiter das Unglück hatten darunter zu kommen. Der Arbeiter Bergmann wurde sofort todt unter den Trümmern hervor gezogen, der andere, Thier, dagegen war nur betäubt und ist mit einigen Fleischwunden davon gekommen. Der erstere hinterläßt zehn Kinder. — Am 23ten April Abends wurde die fünfjährige Tochter des Cigarren-Arbeiters Fiedler von einem schwer beladenen, dem Rittergute Döbemitz gehörenden, Wagen vor dem Eckhause des Bäckereimeister Donath beym Einlenken in die Kohlgaße dergestalt überfahren, daß dieselbe nach wenigen Minuten starb Das Resultat der Section war, daß das Rad ihr über die Brust gegangen und dadurch die Lungen geborsten waren, mithin der Tod mit starker innerer Verblutung in Folge Zerreißung großer Blutgefäße schnell eintreten mußte. Wie man hört, soll der Döbemitzer Knecht nicht frei von Schuld seyn, weil derselbe bey dem Einlenken von der Eilenburger Straße in die Kohlgaße, wo doch der Raum wahrlich groß und breit genug ist, dennoch unvorsichtiger Weise an den Eckstein des Donathschen Hauses anfuhr. — Da seit mehreren Jahren ein großer Mangel an Volksschullehrern sich auffallend gezeigt hat, zumal da im vorigen Jahre aus unserer Provinz mindestens 70 Lehrer im Königreich Sachsen angestellt worden sind, so hat die Königl. Regierung beschloßen für den Regierungs-Bezirk Merseburg noch ein viertes Seminar mit 75 Stellen auf Staatskosten in Delitzsch erbauen zu laßen. Am 22ten und 23ten April waren deßhalb zwey Commißarien, die Schulräthe Wöpke von Magdeburg und Haupt von Merseburg, hier anwesend, um mit dem Magistrat wegen unentgeldlicher Ueberlaßung eines Bauplatzes von 8 Morgen zu verhandeln, welcher auch von den Stadtbehörden auf einer Commun-Feldbreite an der Dübener Straße gern bewilligt worden ist, da dieses nicht unbedeutende Opfer der Stadt Vortheil bringt.
Dem Rector Dr. phil.Bartels wurde im Mai als Unterstützung zu seiner Ostern vorigen Jahres errichteten Seminar- Präparanden-Anstalt auf Verordnung des Cultusministers Dr.jur.Falk von der Regierung in Merseburg, welche diese Sache befürwortet hatte, die gewiß sehr willkommene Summe von 400Rtl. für das Jahr 1872 ausgezahlt.
Seit dem lten Februar des Jahres ist die Communalsteuer von 75 auf 100 Procent erhöhet worden, mithin seit dem lten April 1859 um 70 Proc,ent nach und nach gestiegen (vid.pag.318); eine schreckliche Folge der damaligen verschwenderischen Finanzwirthschaft in der Communal- Verwaltung. Im Monat Mai wurden unsere sämmtlichen schönen Schulgebäude mit Blitzableitern, deren starke ableitende Drähte von Kupfer sind, versehen; dieselben sind vom hiesigen Klempnermeister Hopfer verfertigt, und kosten deßen Angabe 300 Rtl. Nachdem im vorigen Jahre glücklich beendigten Kriege mit Frankreich wurden nunmehr die zeither durch denselben sehr ins Stocken gerathenen Arbeiten an der Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn mit sehr großem Eifer und bedeutend vermehrten Arbeitskräften in diesem Jahre wieder in Angriff genommen, mit dem festen Vorsatz das große Werk bald zu vollenden. Da die ungewöhnlich milde Witterung dieses Winters es gestattete, so wurde schon zu Anfang des Februar mit den Erdarbeiten begonnen, um die noch immer vorhandene große Lücke auf dem an dieser Strecke von der Eilenburger Straße an, vor der Elberitzmühle und bis an den Durchgang nach Döbemitz 20 bis 25 Fuß hohen Bahndamme endlich auszufüllen, weßhalb noch ungeheure Erdmaßen in Bewegung gesetzt und aufgeschüttet werden mußten; zu Anfang des Mai war diese Arbeit beendet, deßgleichen auch die Verbindungsbahn für den Güter-Transport nach der Berlin-Anhalter Bahn. Mittlerweile war auch sehr fleißig unter der Leitung des Zimmermeister Ringsleben aus Crossen an der Vollendung und dem Ausbau des prächtigen, mit Schiefer gedeckten und mit zwey niedlichen achteckigen Thürmchen an der Ostseite gezierten Bahnhofsgebäudes gearbeitet worden; daßelbe enthält im Parterre und im ersten Stock schöne Wohnungen und Expeditions-Lokale für die Beamten, Post-und Telegraphen Büreau, ganz besonders aber im zweiten sehr hohen Stock, deßen Fronten nach Mittag und Mitternacht jede zwölf hohe Bogenfenster hat, elegante Wartesäle für die Reisenden und Restauration nebst der Wohnung für den Pachter derselben. Auf der ganzen Strecke von hier nach Halle wurde im Mai und Junius das Planum des Bahnkörpers völlig in Stand gesetzt, die Bahnwärter- Häuschen gebaut, Telegraphen aufgestellt und die Schwellen und die Schienen gelegt, so daß am 20ten Junius der Bau der Bahn vollendet war. Um dieses noch über alle Erwartung schnelle Zustandekommen deßelben hat sich der Abtheilungs-Ingenieur Pritzel in den drei letzten Monaten durch seine Energie und treffliche Leitung die größten Verdienste erworben. Hierauf fand nun die Abnahme und Uebergabe der Bahnstrecke Halle- Delitzsch-Eilenburg am 21ten Junius statt. Gegen 1/2 12 Uhr Mittags langte der erste Personen-Zug hier an, in welchem jedoch nur die Vertreter der Königl. Regierung, die Verwaltungskräfte der Bahn und die Spitzen des Halleschen und Delitzscher Kreises so wie der betr. Städte Platz fanden. Ein zahlreich versammeltes Publikum erwartete diesen Zug am Bahnhofsgebäude, welches von dem hier stationirten Bahnpersonal auf das Geschmackvollste decorirt und mit Fahnen und Flaggen reich verziert war. Nachdem nun noch am 29ten und 30ten Junius mehrere unentgeldlichen Probefahrten statt gefunden hatten, wurde die genannte Bahnstrecke am lten Julius unter der Leitung des Ober-Betriebs-Inspector Haag, dem Krieger Denkmal allgemeinen Verkehr eröffnet. Siehe die Karte.
Am 22ten Junius fand die feierliche Einweihung des schönen Denkmals in Zschortau statt, welches die Kreisstände den 19 am Jahrestage vorher auf der Eisenbahn verunglückten Soldaten haben errichten laßen. Auf die Feierlichkeit selbst verweise ich auf die beyliegende im Delitzscher Kreisblatt No.74 befindliche Beschreibung und die Abbildung.
Die Stadtverordneten haben im Junius dem Bürgermeister Reiche auf sein Ansuchen eine Gehaltszulage von 100Rtt aus der Sparkaße von Anfang dieses Jahres an bewilligt, so daß nunmehr sein fixer jährlicher Gehalt 1000Rt1 beträgt. Im April hatten wir bey vorherrschendem Nord-West-Wind und Nord-Ost-Wind und häufigen Schwankungen des bald hoch bald niedrig stehenden Barometers (Barometer 28,5 — 27,4)wenig schöne, sondern weit mehr trübe, kühle, nebligte und stürmische Tage, auch einige Mal Regen und am 29ten Abends 9 Uhr ein Gewitter ohne Regen, so wie am 30ten Abends 6 Uhr ein solches mit Regen, wobey der Blitz in einen Kuh-und Pferdestall des Rittergutes Storkwitz einschlug, jedoch ohne zu zünden, blos Menschen und Tiere betäubte, aber das auf dem Stallgebäude befindliche Thürmchen zum Theil im Holzwerk zertrümmerte. Der Mai brachte bey mehr niederm Barometerstande und vorherrschendem Süd- West-Wind und West-Wind mehr schöne und warme, als trübe und kühle, Tage, und sehr fruchtbare Witterung, indem wir am lOten, 14ten, 20ten und 22ten milde Landregen, so wie am 19ten von 4 bis Abends 9 Uhr, und am 21ten von 9 bis 10 1/2 Uhr Abends schwere Gewitter mit vielem Regen hatten. In dieser Weise gieng das Wetter auch in den Junius über, wo an den heißen und schwülen Tagen (Thermometer +31 N.M.3 Uhr) des 5ten in der Nacht früh ein Landregen und dann Abends 5 1/2 Uhr ein Gewitterregen, so wie des 9ten ebenfalls am Abend ein Gewitter, welches in der Nacht zum lOten in einen Landregen übergieng, statt fanden. Vom 14ten bis zum 27ten war aber bey hohem Barometer-und Thermometerstande und vorherrschendem Nord-West-Wind und Nord-Ost-Wind die Witterung so außerordentlich günstig, wie sie die Feldbesitzer zum glücklichen Einbringen der vortrefflichen, überaus reichen Heuemdte nicht beßer wünschen konnten. Am 27ten früh 9 Uhr und N.M.2 U. entladeten sich noch zwey Gewitter mit Regen und nachfolgender dreitägiger Abkühlung. Bey dieser sehr großen Fruchtbarkeit im Frühjahr konnte es denn auch nicht fehlen, daß sowohl das Winter- als auch das Sommer-Getraide vortrefflich steht und in jeder Hinsicht einen reichen Ertrag verspricht, besonders sind diesmal im Roggen die meisten Aehren sehr lang und mit großen Kämen dermaßen gefüllt, daß die Hülsen derselben aufplatzen; daßelbe gilt auch vom Weitzen, Gerste und Hafer, nur daß im letzteren zumal im Sandboden in manchen Feldbreiten denselben das Unkraut, der Hedderich arg überwuchert hat. Der Klee, welcher hier und da auf einzelnen Stellen ausgewintert erscheint, steht im Ganzen gut, und es ist überhaupt an Futterkräutern kein Mangel. Das im Maerz von einigen Feldbesitzern vorgenommene Umpflügen der mit Wintergetraide besäeten Feldstücke haben diese Herren alle Ursache gehabt zu bereuen. — In Bezug auf den Gesundheitszustand ist zu berichten, daß derselbe in der ersten Hälfte dieses Quartals noch immer nicht befriedigend und die Sterblichkeit nicht unbedeutend war, wozu besonders die Lungenschwindsucht und die immer wieder auftretenden Menschenpocken, natürliche sowohl als Varioloiden, ihr Contingent lieferten. Erst von der Mitte des Mai an und im Juni ward es in dieser beßer; Krankheiten und Sterblichkeit nahmen ab. Heber die Gründung der Kirchenbibliothek sagt Kirchenbibliothek unser gelehrter Chronist der selige Actuarius Lehmann in seiner 1839 im Druck erschienenen Geschichte des Baues der Stadtkirche zu Delitzsch Seite 10 folgendes: „Im Jahre 1717 ließ der Superintendent Strenge die südliche Kapelle am Thurme, vormals der Kalandherren, durch einen Boden theilen, und die obere Hälfte zu einem freundlichen Zimmer einrichten, in welchem er die Bücher aufstellte, die er von Fremden und Heimischen mit unermüdlichem Eifer für die Kirche erbat. Man gab natürlich nicht das Beste, doch einiges Gute, was denn auch von Zeit zu Zeit seine Liebhaber gefunden hat." Aus dem letztem Satze kann man deutlich durch die Zeilen lesen, daß, wie bekannt und mir auch mein unvergeßlicher Freund Lehmann mehrmals mündlich versichert hat, in früherer Zeit bey der damaligen sehr geringen Aufsicht über diese Bibliothek manche aus derselben Bücher geliehen aber wieder zurück zu geben vergeßen haben, wodurch noch manches recht gute Buch derselben verloren gegangen ist.
Aus diesem Grunde und weil die Bibliothek überhaupt fast gar nicht benutzt wird, und die Mäuse und Würmer ihr Zerstörungswerk an den Büchern seit vielen Jahren auf die schrecklichste Weise getrieben haben, faßte die Kirchen-Inspection schon in den vierziger und fünfziger Jahren den Beschluß dieselbe zu verkaufen, der aber beyde Mal nicht zur Ausführung kam. Endlich entschloß man sich in diesem Frühjahr den früher gefaßten Plan nunmehr konsequent durchzuführen, zu welchem Zweck folgende Herren zusammen traten: Magistrats-Aßeßor Heintze, früher Antiquar in Halle, Superintendent Leipoldt, Diaconus Meinhardt, Kirchenvorsteher Zeising und der Verfasser dieser Zeilen, der von dem Magistrat zur Theilnahme daran besonders ersucht worden war. Nachdem wir nun vom lten Mai an aller 14Tage Mittwochs Nachmittags von 3 bis 7 Uhr in der betr. Kapelle, im Ganzen viermal, uns versammelt hatten, war unsere Arbeit beendet; wir hatten sämmtliche Bücher durchgeselm und geprüft, und die der Aufbewahrung werthen, worunter noch manche recht gute und brauchbare, z.B. eine vollständige, wohl erhaltene Ausgabe von Luthers sämmtlichen Werken in zehn starken, schönen Folio-Bänden in Schweins- leder, wie auch mehrer alte Claßiker, Aristoteles, Flavius, Josephus sich befinden, in einem Schrank besonders aufgestellt, welche nach dem Beschluß des Magistrats bald nachher in der dritten Woche des Junius an die Bibliothek der Realschule als Geschenk abgeliefert wurden; die Zahl der Bände mag höchstens 200 betragen. Die übrigen circa 1600 Bände sind an einen Antiquar verkauft worden, welcher das darin noch vorhandene Gute heraus suchen, das Uebrige als Maculatur verwerthen mag. Derselbe, Namens Schilling, aus Leipzig, hat gegen baare Bezahlung von 60Rtl. diese Bücher erhalten, und am 15ten Julius auf einem großem, voll damit beladenen Leiterwagen, abgeholt. Diese 96Rtl. sind nun zum Kirchen- Baufond geschlagen worden. Auch die alten Schränke und Regale wurden zu Michäelis für 36Rtl. in der Auction verkauft. Am 9ten Julius wurde im Rosenthal früh Morgens von einem Manne beym Angeln im alten Lober zwischen der Schafbrücke und der Gerberwäsche der Leichnam eines neugebornen Knaben gefunden; dem armen Kinde war der Mund mit einem Tuche verbunden und an den Füßen Steine befestigt; es war aber bey dem jetzigen niedrigem Waßerstande an einem ausgestellten Fischnetz hängen geblieben. Nach dem von dem Herrn Kreisphysikus Dr.Kanzler als Resultat der Section abgegebenen Gutachten hatte es gelebt und geathmet.
Am 24ten und 25ten Julius wurde unsere Stadt zweymal nacheinander durch Feuerlärm erschreckt; das erste Mal sahen Abends % auf 10 Uhr vorübergehende Personen in der ersten Kohlthor-Scheunengaße, daß an der dem Zimmermeister Felix gehörenden Scheune, aus der in dem einem Thorflügel befindlichen kleinen Thüre aus einem noch unbedeutendem Loche Feuer heraus brannte; die schnell herbey geeilte Feuerwehr schlug sogleich die Thüre ein, riß das brennende Brett heraus und löschte das Feuer im Entstehen, wodurch gewiß ein großes Unglück verhütet wurde, zumal da auf der Scheuntenne noch ein voll mit Korn beladener Wagen stehen geblieben war. Bey dieser Gelegenheit fand man auch das corpus delicti, den Rest einer brennenden Cigarre, welche Jemand auf den Querbalken der Thüre gelegt hatte, aber wieder mitzunehmen vergaß; wer der strafbare Verbrecher seyn mag, ist bis jetzt nicht entdeckt worden. Im zweyten Falle am 25ten des Monats Mittags 1/2 2 Uhr brannte im Hofe des früher Parreidtschen, jetzt dem Rentier Schoenbrodt gehörenden, Hauses in der Schloßgaße ein Haufen Reißbunde, wodurch zunächst ein ganz nahes Stallgebäude des Nachbars bedroht war; auch in diesem Falle gelang es das Feuer, welches wie man hört, durch unvorsichtig hingeworfene noch glühende Asche verwahrlost seyn soll, gleich im Entstehen zu ersticken. — Feldbrand Am 23ten Julius Abends zwischen 10 und 11 Uhr sind durch ruchlose Hand acht dem Gutsbesitzer Boelune in Spröda gehörige Roggenmandeln auf den Communalländereien, unweit des Delitzscher Forsthauses, in Brand gesetzt worden. Boehme hat auf die Entdeckung des Verbrechers 10Rtl. Belohnung gesetzt, bis jetzt ist der Thäter nicht entdeckt. Die der Commun gehörenden Verpachtung der Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen von 248Rtl. verpachtet worden; dagegen hat eine Verpachtung der Pflaumen-Plantagen leider nicht statt finden können, weil die meisten Bäume in Folge des vorjährigen anhaltend strengen Winters durch den Frost getödet und eingegangen sind, und auf den übrigen fast gar keine Pflaumen hängen. Jahre werden vergehen, ehe dieser Schade wieder ausgeglichen wird.
Der Tag, an welchem vor zwey Jahren bey Sedan der Kaiser Napoleon als Gefangener seinen Degen unserm König Wilhelm übergab (Vid.pag.477) wurde auch bey uns, wie an vielen anderen Orten, festlich begangen. Am Vorabend den Iten September ward ein großer Zapfenstreich, und am andern Morgen den 2ten früh eine Reveille ausgeführt. Ferner wurde an diesem Tage von 9 bis 10 mit allen Glocken gelauten, worauf von 10 bis 11 Uhr ein liturgischer Gottesdienst in der Stadtkirche abgehalten ward, zu welchem sich die Behörden, Geistlichen und Lehrern mit den Schulkindern im Zuge nach der Kirche begaben, nach deßen Beendigung vom Balkon des Rathhauses ein Choral geblasen wurde. Von Nachmittags 2 Uhr an fand das Volksfest auf dem Schützenplatze beym herrlichsten Wetter statt, wohin im langen Festzuge mit Musikbegleitung sich die Schulen, Innungen und sehr viele Andere bewegten und in anständiger Heiterkeit die Freude dieses denkwürdigen Tages erhöheten. Als es dunkel geworden war, wurde daselbst noch ein schönes Feuerwerk abgebrannt, und dann auf einem nahe liegendem Feldstücke ein sogenanntes Freudenfeuer von der Feuerwehr, welche das Brennmaterial zu diesem, altes Holzwerk und dergl. in der ganzen Stadt gesammelt hatte, angezündet. An Speise und Trank fehlte es nicht. Da gleich vom Anfang des Julius an eine sehr große Dürre mit äußerst niedrigem Waßerstande eintrat und bis Michäelis anhielt, wodurch natürlich besonders die Futterkräuter, Rüben und Krautpflanzen förmlich verkümmer- ten, letztere auch noch dazu durch ekelhaften Raupenfraß litten und wie skeletirt dastanden, so stiegen bald die Preise sämintlicher Lebensmittel, vorzüglich der Butter, außerordentlich hoch; von letzterer kostet das Stückchen 8Sgr.; da nun die Bauern hierbey noch mit dem Gewicht betrogen und ein Stückchen statt 15 Loth oft nur 12 Loth höchstens 13 Loth wog, dabey auch noch oft beleidigende Redensarten ausstießen, wie z.B. „ wenn ihr keine Butter bezahlen könnt, so freßt Salz," so brach endlich am 28ten August früh auf dem Wochenmarkte auch bey uns, wie vorher schon in mehreren anderen Städten unserer Provinz, der lange verhaltene Zorn im Sturm los, und artete bald dermaßen in Thätlichkeiten aus, daß die Butterhändler und Bauerweiber die Flucht ergreifen mußten. Von nun an wurde eine strengere Marktpolizey ausgeübt; zu leichte nicht vollwichtige Butterstückchen wurden von den Polizey-Sergeanten zerschnitten, und die Verkäufer derselben noch außerdem mit Geldstrafen bis 2Rtl. belegt. Leider sind aber bis jetzt bis Anfang October die sehr hohen Preise von 7 1/2 bis 8Sgr. noch geblieben. Seit Freitag, den 27ten September, bewegt die hiesigen Gemüther ein an dem 81jährigen Schleifermeister Richter hier in seiner Parterre-Wohnung im Milchgäßchen versuchter Raubmord. Demselben war in den letzten Wochen zu verschiedenen Malen Nachts seine ganze Baarschaft geraubt worden, worüber derselbe in seiner bekannten heitern Laune sich in einem Inserat im hiesigen Kreisblatt so äußerte, daß er seine wenigen Sparpfennige gern hinnehmen ließe, nur sollte man ihm nicht an das Leben gehen. Leider wäre es bey dem letzten Einbruch doch bald um das Leben geschehen gewesen. Am Donnerstag Abend hatte sich der pp. Richter, wie gewöhnlich, gegen 7 Uhr zu Bett begeben. Bey dem tobenden Sturme mag er nicht bald eingeschlafen seyn, so daß er nach 2 Uhr noch wach gewesen und in seiner Stube ein Fenster klirren hörte. Um nach der Ursache zu suchen, steht er auf, zündet Licht an und durchsucht seine Wohnung, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu merken. Endlich entschließt er sich die Stubenthür zu öffnen, um der Sache auf den Grund zu kommen, und bemerkt hier, fest an den Küchenofen gedrückt, einen jungen Mann, welcher ihm, ehe er sichs versieht, mit einem Hackemeßer, das Richter Tags vorher geschliffen und in der Hausflur aufbewahrt hatte, einen Schlag auf die Hand versetzt, so daß er die Lampe fallen läßt; gleich darauf erhält Richter mehrer Schläge auf den Kopf, worauf Beyde sich faßen. Hierbey versuchte Richter mit Aufbietung aller Kräfte in den Besitz des Hackemeßers zu gelangen, was ihm auch gelingt, und versetzte damit dem frechen Eindringling einen derben Hieb an den Kopf Letzterer damit noch nicht zufrieden, versucht nochmals das Hackemeßer zu ergreifen, greift dabey aber in die ziemlich scharfe Schneide und verwundet sich dermaßen an der linken Hand zwischen dem Mittel- und Zeigefinger, daß er baldigst von einem weiterem Kampfe absteht und die Flucht ergreift. Morgen war diese ganze schreckliche Geschichte ruchbar und verhaftete man den etwa 22 Jahre alten Cigarrenarbeiter Ranscht, Sohn des verstorbenen Polizey-Sergeanten, als der That verdächtig. Wohl einsehend, daß ihm langes Leugnen nicht helfen würde, indem die erhal- tenen Wunden der sicherste Beweis sind, und auch seine auf dem Kampfplatze zurückgelaßenen Mütze für das Verbrechen sprach, gestand derselbe nicht nur diese That ein, sondern machte auch noch das Geständniß, daß er dem pp.Richter früher auch deßen Baarschaft gestohlen habe. Da derselbe schon einmal wegen Diebstahl, Desertion vom Militär und wegen versuchter Körperverletzung einer Person mit 3 Jahr Zuchthausstrafe belegt worden ist, so dürfte ihn wohl für dieses Verbrechen eine strenge Strafe erwarten. Als Coriosum seyen noch die Motive zu dieser schrecklichen That erwähnt. Der Verbrecher hat hier, wie man allgemein hört, ein Liebesverhältniß mit einer Tochter des Schumachermeister
H. Schnittspan; um sich galant zu zeigen, hat er von der ersten Eroberung, die er bey Richter gemacht, seiner Auserwälten ein Präsent (wohl in gol- denen Ohrringen pp.bestehend) gemacht; und sollte der jetzige Kaßen- bestand des Richter zu einem Geburtstagsgeschenke für dieselbe verwendet werden. Eine starke Verrechnung!
In den ersten Tagen des Julius war das Wetter trübe, kühl und windig; am 3ten hatten wir Vormittags von 10 bis 11 Uhr und Abends um 6 Uhr bey Nord-West-Wind Gewitterregen. Vom Sten an trat bey oft wechselnder Windrichtung und mehr hohem Barometerstand sehr schönes, warmes Wetter ein und am lOten früh um 3 Uhr wieder ein Gewitterregen; drei Tage vorher am 7ten war auch Abends von 10 bis 11 Uhr ein schönes Nordlicht sichtbar. Am 14ten früh von 1 — 1 1/2 Uhr folgte auf den vorigen schwülen Tag ein starker Gewitterregen und am löten früh ein Landregen_ Von der zweyten Hälfte des Monats an bis zum Ende deßelben war das Wetter anhaltend schön und sehr heiß, wodurch das glückliche Einbringen des Wintergetraides sehr gefördert ward. Das Thermometer stieg an manchen Tagen N.M.3 U. in der Sonne von +33 bis auf +37 Reaum. Barometer 28- 28,3. Am schwülen 29ten war früh 8 V2 Uhr ein Gewitterregen. Die gleich vom Anfang des Monats beginnende und wegen Mangels an starken Landregen anhaltende große Dürre gieng bey mehr hohen Barometerstande und vorherrschendem Nord-Wset-Wind und Nord-Ost-Wind auch in den ganzen August über, so daß ein empfindlicher Mangel an Futterkräutern entstand und die Preise der Lebensmittel, besonders der Butter sehr hoch stiegen; wir hatten überhaupt im August mehr trübe und kühle, als schöne und warme Tage und nur zwey Gewitterregen; das erstere südöstlich stehende starke, wobey der Blitz in Schladitz, Podelwitz und Göbschelwitz einschlug und zündete, fand mit vielem Regen bey Süd- Wind (Barometer 27,9) am 7ten des Monats Abends von 6 —7 Uhr, und das zweyte minder heftige Gewitter am 27ten des Monats Abends von 5— 1/26 Uhr statt. Die Emdte des Sommergetraides wurde, durch die Witterung sehr begünstigt, ebenfalls glücklich in die Scheunen gebracht. Uebrigens ist bey allen vier Getraidearten der Ertrag, sowohl was die Körner als das Stroh betrifft, recht reichlich ausgefallen. Der September war in seiner ersten Hälfte schön und sogar sehr heiß; das Thermometer stand gewöhnlich auf +30 bis +37, am Sten stieg es sogar N.M.3 U. in der Sonne bis auf +40 Reaum., und das Barometer stand auf 28 — 28,3. Die große Düne und sehr niedriger Waßerstand hielten ferner an, in Folge davon die Grummterndte natürlich sehr dürftig und gering ausfiel; die Windrichtung war theils Süd-West theils West-Wind und am 14ten Mittag von 1 — 2Uhr entladete sich bey Nord-West-Wind ein starkes Gewitter mit vielem Regen. Die zvveyte Hälfte des September war bey vorherrschendem West-Wind und niedrigem Stande des Barometer und Thermometer fast durchgängig trübe, sehr kühl, rauh und windig, am 27ten sogar stürmisch; in der Nacht vom 28ten zum 29ten erfolgte bey Windstille ein schöner Landregen. Die Kartoffel-Erndte, welche diesmal zwey Wochen früher begonnen hat, ist trotz aller Befürchtungen bey der großen Trockenheit wider Erwarten sowohl im Ertrag als auch in der Größe der Knollen ganz befriedigend und gut ausgefallen; beßer als im vorigen Jahre. Dagegen ist die Obsterndte gering gewesen; Birnen und Aepfel, von denen noch der oft heftige Wind viele vor der Reife abwart sind nur leidlich gerathen und theuer im Preise. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal keineswegs befriedigend und die Sterblichkeit bedeutend, wozu die besonders unter den Kindern epidemisch herrschenden Masern und Scharlach mit ihren Nachkrankheiten nicht wenig beytrugen. Außerdem kamen noch Diarrhöm, gastritische und galligte Fieber, vereinzelt auch Neßelfriesel zur Behandlung mit glücklichem Ausgang. Die Menschenpocken und Varioloiden waren erloschen. Die Getraidepreise waren zu Michäelis in Folge von Mittheilungen aus amtlicher Quelle und nach (100 Pfund) berechnet folgende: Weizen 3Rtl. 235gr. bis 3Rtl. 27Sgr., Roggen 2 Rtl. 23Sgr. bis 2Rtl. 27Sgr., Gerste 2 Rtl. 20Sgr. bis 2Rtl. 24Sgb, Hafer 2Rtl. 2Sgr. bis 2Rtl. 5Sgr., Kartoffeln 20Sgr. Seit dem Anfang dieses Jahres wird in der Provinz Sachsen im Getraide-Handel nur nach dem Gewicht, der Centner zu 100 Pfund, ge- und verkauft. An die Stelle des zu Beamten Wechsel Ende Junius wieder abgegangenen Pilizey-Sergeant Blender (Vid.pag. 528) ist als dritter Polizey-Sergeant Friedrich Michel erwählt worden; derselbe ist gebürtig aus Wittstock, kam vom Militär aus Flavelberg und trat hier sein Amt am 15ten Julius an, ging aber schon am 15ten October zum Eisenbahndienst ab.
Nachdem der Midicinalrath und Director der Irren- und Pflegeanstalt Thonberg bey Leipzig Herr Dr.medi Eduard Wilhelm Guentz bereits im Jahre 1852 (vid.pag 208) in Erfüllung eines letzten Wunsches seiner verstorbenen Gattin Amalie Auguste geb.Mueller 100RTI. dem Magistrat übergeben hat und mit der Bestimmung die Zinsen hiervon an ein unbescholdenes Mädchen hiesiger Stadt auszuzahlen, hat Derselbe zur Vergrößerung dieser Stiftung am 7ten November abermals 200Rtl. dem Magistrat übersendet. Der Cigarrenarbeiter Georg Franz Ernst Ranscht aus Delitzsch ist wegen verübten Diebstahls und versuchten Raubmordes beym hiesigen Schleifermeister Richter vom Königl. Kreis-und Schwurgericht in Halle in der Sitzung am löten November zu zehnjähriger Zuchthausstrafe, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Stellung unter Polizeyaufsicht verurtheilt worden. Siehe die Beilage zum Delitzscher Kreisblatt vom 21ten November. Am lten October ging der hiesige Strafanstalts-Prediger Goeldner als Pastor nach Ragösen bey Brandenburg ab; an seine Stelle trat an demselben Tage der bisherige Strafanstalts-Prediger Emil Albertus von Spandau. Auch in diesem Jahre ist wegen der anhaltenden, immer noch steigenden Theuerung aller Lebensbedürfniße, so wie der Baumaterialien und hohen Arbeitslöhne wenig gebaut worden. Der Bäckermeister Teubner, welchem sein Schwiegervater der Schmiedemeister Haschert die Baustelle des Dietrichschen Hauses überließ, hat auf derselben ein sehr schönes maßives zweimal übersetztes Wohnhaus erbaut und zu Michäelis bezogen. Deßgleichen hat auch der Zimmermeister Felix auf seinem Grundstück in der Leipziger Vorstadt unmittelbar neben Kriegs Fabrik ein Maßives zweymal übersetztes Wohnhaus erbaut. Ferner hat die Stadtcommun an den Kaufmann Mittelstrass von dem zwischen der Pflaumen-Plantage und der Bahnhof-Straße gelegenen Feldplan (No.452 der Karte an 11 Morgen 54 Quadrat-Ruthen) eine Parcelle von 76,56 Quadrat-Ruthen für 459 Rtl. 10Sgr. 9Pfennig verkauft. Der neue Besitzer hat für jetzt erst ein maßives Stallgebäude gebauet, und gedenkt dann im nächsten Jahr auf dieser Baustelle ein Wohnhaus zu erbauen. Nachträglich muß hier noch in Bezug auf das herrliche Bahnhofsgebäude der Halle- Sorau-Gubener Eisenbahn (vid.pag.530) erwähnt werden, daß der Zimmermeister Ringsleben aus Croßen sich unbestritten um den Riß so wie um den Bau deßelben, deßen Kosten 62000 Rtl.betragen, die größten Verdienste erworben hat. Laut Bekanntmachung des Magistrats vom 29ten November des Jahres betragen die Schulgelder an unserer höheren Schulgelderhöhung Bürgerschule vom lten Januar kommenden Jahres ab: a, II Vorschulklaße 7Rtl. b, I Vorschulklaße 10Rtl., c, Sexta 14I111., d, Quinta 16Rtl., e, Quarta 18Rtl., f, Tertia 20Rtl., g, Secunda 22Rtl. — Deßgleichen ist auch von diesem Zeitpunkt an in der ersten Bürgerschule in deren beyden ersten Klaßen das Schulgeld monatlich von 7 1/2 Sgr. auf 10 Sgr. erhöhet worden Die Zahl der Schüler und Schülerinnen beträgt jetzt seit Michäelis in den hiesigen Schulen: 198 in der höheren Bürgerschule (incl. 51 in der Vorschule), 674 (inc1.9 von auswärts) in der ersten Bürgerschule, 530 in der zweiten Bürgerschule, 81 in der höheren Töchterschule, 38 in der Vorschule zu derselben, im Ganzen also 1521. Da man schon seit längerer Zeit bemerkt hatte, daß die Gasflammen in den Straßenlaternen nicht mehr so hell, sondern matter als früher brannten, so glaubten sachverständige Techniker die Ursache davon in dem durch den zu engen Durchmeßer der Gasröhren des Hauptstranges bedingten geringem Zufluß von Gas zu finden, was sich auch später bestätigte. Es wurden daher, um diesen Uebelstand zu beseitigen, im Laufe dieses Sommers statt der bisherigen vierzölligen nunmehr sechs Zoll im Durchmeßer haltende eiserne Gasröhren von der Gasbereitungs-Anstalt an entlang der Lindenstraße, dem Steinweg, der breiten Straße, über den Markt, durch die Hallesche Gaße bis an das Thor gelegt, was der Stadt-Commun einen Kostenaufwand von 2354 Rtl verursachte, welche lediglich der Direktor der Leipziger Gasbeleuchtungs-Anstalt Herr Westerholz durch die ursprüng- liche fehlerhafte Anlage und Berechnung offenbar verschuldet hat. Vid.pag.385. Nach dieser kostspieligen Reparatur leuchteten die Gas- flammen in Folge des durch die weiteren Röhren vermehrten Zuflußes von Gas intensiv stärker und heller. Die Stadt-Commun hat von dem Kaufmann Ferdinand Mueller aus Leipzig das von demselben in der Subhastation Die Commun kauft erstandene Wohnhaus des Cigarrenarbeiters Carl Bernhardt in der Bitterfelder Straße für 3150 Rtl. erkauft, und ist nun seit dem lten October des Jahres im Besitz deßelben. Sie hat es zu dem Zwecke gekauft, um es auf den Wunsch der Königl. Regierung miethweise zu Wohnungen für die Lehrer des zum April künftigen Jahres hier zu errichtenden Königl. Schullehrer-Seminars zu überlaßen, wofür die Regierung jährlich 250Rtl. Miethzins zahlt. Außerdem überläßt die Stathcommun der Regierung noch zu Seminarzwecken bis dahin, wo der Bau des Königl. Seminar-Gebäude vollendet ist, die ganze zweite obere Etage des neuerbauten Knaben- Schulgebäudes für den Miethzins von jährlich 350Rtl. Nachdem die während des Krieges mit Frankreich von unserm Volke gebrachten bedeutenden patriotischen Leistungen und Opfer den einzelnen Kreisen aus der französischen Milliarden-Contribution von der Regierung wieder zurück erstattet worden sind, hat die letztere zugleich bestimmt, daß diese Summen blos im Ganzen zu guten Zwecken für jeden Kreis verwendet werden dürfen. Es haben daher dem gemäß, zumal da die neue Kreisordnung am lten Januar 1874 eingeführt wird und von da an in Wirksamkeit tritt, die Stände des Delitzscher Kreises zum Zweck eines Ständehauses das an dem Markte gelegene, sehr schöne und geräumige Wohnhaus, in welchem seit 1850 im Parterre das Landraths-Amt sich befindet, so wie das in der Schloß gaße liegende ebenfalls maßive, an das erstere von hinten unmittelbar angrenzende Wohnhaus im December des Jahres von den Erben des Kauf- manns und Conditor Krause für den Preis von 11500 Rtl. gekauft. Die Witterung des October war bey vorherrschendem Süd-West-Wind und abwechselnd höhern und niedrigem Stande des Barometer und Thermometer mehr hell und schön als trübe und kühl; Landregen hatten wir am Sten, lOten bey Nord-West-Wind, am 12ten ferner am 1 6ten, in den Nächten am 25ten und 26ten, so wie am 29ten; dichte Nebel erschienen früh am 14ten, 15ten, am 23ten, 24ten und 25ten mit nachfolgendem hellen und schönen Wetter. Bey derselben Windrichtung und mehr niedrigem Barometer ging die Witterung in ähnlicher Weise in den November über nur mit dem Unterschied, daß wir in diesem Monat größten Theils trübe, kühle und stürmische Tage mit dichten Nebeln und Landregen bey Tag und Nacht und besonders merkwürdige Naturerscheinungen aufzeichnen konnten; so wurde am 7ten des Nachts % 12Uhr hier am südlichem Himmel ein prächtiges Meteor beobachtet, welches fast lothrecht sehr schnell niederfallend mit blaßgrünem Lichte so hell leuchtete, wie ohngefahr das erste Viertel des Mondscheins, so daß es deutliche Schatten gab. (Barometer 28,4, Thermometer +10). Am 13ten hatten wir vielen Schnee, welcher gleich wieder schmolz, und einen gewaltigen Orkan aus Nord-Osten, der an den Ostseeküsten, besonders in Stralsund, Greifswald, Kiel und Eckernförde durch die in Folge des Anstauens der Sturmfluthen bewirkten Ueberschwemmungen schreckliche Verheerungen angerichtet hat. (Barometer 27,6). In der Nacht vom 27ten zum 28ten schon von Abends 1/27Uhr bis 11Uhr Nachts bot sich uns ein herrliches Schauspiel in dem Fallen von Tausenden von Sternschnuppen dar, und zwar am ganzen Himmelsgewölbe, vorzüglich im Westen; die größeren Meteore zeigten einen längern oder kürzeren Schweif, der jedoch stets sehr bald wieder erlosch. Dieselben konnten blos durch die Einwirkung der Gravitation der Erdathmosphäre losgerißene Partikeln vom Bielaschen Cometen seyn, der aber schon einige Monate früher die Erdbahn durchkreuzt hatte, und deßen Umlaufszeit um die Sonne 7Jahre beträgt.
Ein von den Profeßoren der Astronomie, Galle in Breslau, Foerster in Berlin und besonders Klinkerfuess in Göttingen gefürchteter Zusammenstoß unserer Erde mit dem Bielaschen Cometen konnte daher, Gott sey Dank, nicht statt finden; ein solcher hätte aber auch ohnfehlbar durch eine schreckliche Katastrophe bey den Weltkörpern und ihren Bewohnern den Untergang bereitet. Errare humanum! Die Witterung im December war der des November ähnlich, nur milder, die Windrichtung ziemlich dieselbe (S.W.W. und W.W.) der Stand des Barometer meistens niedrig unter 28.; sehr wenig Schnee und gelinder Frost; nebligte, kühle, stürmische (vom 9ten bis 1 lten Barometer 27,4 — 2), und Regentage wechselten mit wahren Frühlingstagen (24 — 3 lten Barometer 28,3 — 1). Da konnte es denn freilich nicht befremden, daß bey der für diese Jahreszeit so ungewöhnlich milden Witterung die Vegetation zum zweyten Mal erwachte, die Knospen an Bäumen und Sträuchern ausschwollen und trieben, und Erdbeeren, Kornblumen, Veilchen pp., wie vor 20Jahren im Freien blüheten. Uebrigens hat die Erde nach der großen Dürre im Sommer seit der Mitte des October durch die öftem Landregen bey Tag und Nacht bis Weihnachten die reichlichste Winterfrucht erhalten, was auch die Wintersaaten beweisen, über deren vortrefflichen Stand, so wie auch über das gänzliche Verschwinden der Feldmäuse aus allen Provinzen die erfreulichsten Nachrichten eingehen. Was den Gesundheitszustand betrifft, so gilt das im 3ten Quartal darüber Gesagte auch für dieses mit dem Beisatz, daß alte Leute von Schlaganfällen und Lungenentzündungen mit manchesmal tödlichem Ausgange befallen wurden, die Zahl der Schwindsüchtigen zunahm und viele Kinder an der häutigen und Rachenbräune starben. Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchengemeinde 371, worunter 40 Uneheliche, und gestorben 279, worunter 165 Kinder und 35 Personen vom 60ten bis zum 90ten Lebensjahr.
Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unsere Armen-Kaße auch in diesem Jahre 550 Rd Zuschuß. Die vom Magistrat in der Stadt veranstaltete Hauscollecte für die durch die Sturmfluthen Ueberschwemmten an den Ostseeküsten ergab vom lten bis 14ten December, wo sie geschloßen wurde, einen Ertrag von 249Rtl. 26Sgr. 9Pf Die zu demselben Zwecke von dem Buchbinder Meyner durch die Expedition des Delitzscher Kreisblattes besorgte Collecte in der Stadt und auf dem Lande lieferte einen Ertrag von 342 Rtl. 13 Sgr. Unser Bürger- Hospital hat in diesem Jahre von zwey Hospitaliten außer ihren guten Nachläßen an Betten und Kleidungsstücken an baarem Gelde erhalten, 1, von der am 7ten Januar verstorbenen 85Jahre alten Maurers-Wittwe Boettcher ein Sparkaßenbuch mit 76 Rtl. 2, von dem am 9ten December verstorbenen 64Jahre alten Schneidermeister Winkler 200 Rtl., mit welcher Summe sich derselbe in eine heitzbare Stube dieser treflichen Anstalt eingekauft hatte. Da er schon seit Jahren sehr kränklich war und besonders an einer eingewurzelten habituellen Diarrhoe litt, so starb er schon nach einem Aufenthalt von 4 '/2 Monaten trotz aller sorgfältigen Pflege und Behandlung. Die Arzneymittel-Rechnung ftir die Kranken des Hospitals betrug überhaupt in diesem Jahre die bedeutende Summe von 69Rtl. 9Sgr. — Die bereits seit mehreren Jahren üblichen Weihnachts-Bescheerungen im Bürger-Hospital und in der Kinder-Bewahr-Anstalt haben auch diesmal statt gefunden; die letztere Anstalt erhält auch aus der Hospital-Kaße seit Anfang dieses Jahres noch 100 Rtl. Zuschuß, mithin aus derselben nunmehr jährlich 300 Rtl. Unsere Commun hat im Jahre 1870, 144 Rtl., 1871, 162 Rtl. und 1872, 352Rtl. 15Sgr. von der Berlin-Anhalter Eisenbahn-Gesellschaft als jährliche Steuer erhalten.
1873
An die Stelle der am lten Januar nach Gera abgegangenen Lehrer Wilhelm Fischer, (5ter Lehrer an der I"Bürger-Mädchen-Schule) und Ernst Muehlner (3ten Lehrer an der II" Bürger-Schule) sind eingetreten: an Fischers Stelle, August Schnelle, seither Lehrer in Enbeck und an Muehlners Stelle Felix Scheer, bisher Lehrer in Wettin. Ferner hat am 23ten Januar der bisherige Rector Dr. phil.Bartels, nachdem ihm aus nahe liegenden Gründen die Wiederbesetzungs-Kosten im Betrag von 31 Rtl. auf sein dringendes Gesuch von den Stadtverordneten, aber nur mit einer sehr geringen Majorität bey der Abstimmung, erlaßen worden sind, unsere Stadt verlaßen, und ist als Rector zweyer Bürgerschulen nach Gera abgegangen. An seiner Stelle wurde der vom Magistrat am 29ten November 1872 gewählte Ernst August Niebecker, geboren am llten Maerz 1838 im Städtchen Morungen bey Goettingen, seit Ostern vorigen Jahres Rector zu Ellrich am Harz, am 24ten Januar des Jahres Vormittags 11Uhr vom Superintendent Leipoldt in sein Amt eingeführt. Heim Dr. Gerhard Rohlfs, der berühmte Afrika-Reisende, geboren zu Vegesack 1832, hielt nachdem er vor Kurzem in Eilenburg und früher in Torgau Vorträge über einige seiner Reisen gehalten hatt, am 2 Iten Februar Abends auch bey uns im Saale der Stadt Leipzig vor einem Zu- hörerkreis von mindestens 500Personen einen anderthalbstündigen sehr intereßanten Vortrag über seine Reiseerlebniße in Afrika, besonders über seinen Aufenthalt in Fez und Marocco, mit sehr großem Beifall.
Am 6ten Maerz ist am Eingange zum Gottesacker statt des alten defect gewordenen hölzernen Thores ein sehr schönes neues von unserm geschickten Schlossermeister F.W.Bier solid und geschmackvoll gearbei- tetes eisernes Gitterthor angebracht worden, ebenso auch eine dergleichen Gitterthüre an dem rechter Seits neben dem Thore befindlichen Eingange; die Kosten für beyde Stücke betragen 260 Rtl. und wurden bezahlt aus Dr.Gerbers Legat. Am ersten Maerz in der Nacht zwischen 12 Uhr bis 1Uhr hat sich der bisher unbescholtene Hospitalit, Webermeister Wilsdorf, 63 Jahre alt, welcher bereits seit längerer Zeit an einem veralteten Leberleiden mit organischem Fehler und hartnäckiger Gelbsucht litt, in einem Anfall von Melancholie aus Lebensüberdruß in der männlichen Krankenstube des Bürger-Hospitals erhängt Ein seltenes Fest beging am 24ten Maerz die hiesige Weber-Innung. Drei Meister derselben, Hesse, Koeltzsch und Schoenbrodt, welche vor 50Jahren zusammen ihr Meisterstück gemacht, feierten heute, alle drei noch in ziemlicher Rüstigkeit, das 50jährige Jubiläum. Eine Deputation der Innung überreichte den Jubilaren je eine Urkunde und ein auf die Feier des Tages bezügliches Geschenk. Später versammelten sich die übrigen Mitmeister und eine solenne Festlichkeit im heiterem Familienkreise vereinigte dieselben mit den Jubilaren in einigen recht vergnügen Stunden. Bey dieser Gelegenheit muß von dem Jubilar Schoenbrodt noch ehrenvoll und dankbar erwähnt werden, daß er bey seinen Mitbürgern wegen seiner höheren Bildung und strengen Rechtlichkeit stets als ein wahrer Vertrauenmann in hoher Achtung gestanden, und 21Jahre lang als Stadtverordneter, besonders als Mitglied des Curatoriums der städtischen Sparkaße, seiner Vaterstadt sehr treu, redlich und gewißenhaft gedient hat. An die Stelle des wieder abgegangenen Polizey-Sergeanten Michel (vid.pag 540) ist der bisherige Weichensteller Carl Gottlieb Lehmann, gebürtig aus Zöckritz bey Torgau, bisher in letzterem Orte stationirt, seit
dem 8ten Maerz gegen ein jährliches erhöhtes Gehalt von 230 Rtl. als dritter Polizey-Sergeant angenommen und verpflichtet worden.
Laut Kaufs vom lOten Maerz hat die Stadtcommun Delitzsch das dem Handarbeiter Mange gehörige, an der Eilenburger Straße gelegene Wohnhaus No.471 in Folge Verbreiterung der letzteren Straße durch Anlage einer Verbindungsbahn von dem Güter-Bahnhofe der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn nach dem Güter-Schuppen der Berlin-Anhaltischen bis dicht vor das Mangesche Haus, Behufs Abbruchs für 950 Rtl. erkauft. Zu dieser Kaufsumme haben der Delitzscher Kreis 300 Rtl. und die Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn 450 Rtl. beygetragen. Der ganze diesmalige Winter war äußerst milde. Die Witterung des December gieng ganz in derselben Weise und bey derselben Windrichtung (S W W und S.W.) in den Januar über; die Mehrzahl der Tage war mehr trübe, feucht, nebligt und regnigt, als hell und schön; der Stand des Barometer war in der ersten Hälfte dieses Monats höher (27,11-28,3), in der zweiten dagegen, besonders an den beyden sehr stürmischen Tagen des 19ten und 20ten auffallend schnell niedrig (27,3, und 26,11); gelinder Frost und Schnee trat bey Ost-Wind und hohem Barometer (28,2 — 4) vom 26ten bis 3 Iten des Monats ein, wo das Thermometer früh 7Uhr auf 0 bis-5 fiel. Im Februar war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und schnellen Barometer- Schwankungen die Witterung ebenso beschaffen; in Bezug auf die letzteren muß besonders erwähnt werden, daß an den beyden sehr nebligten tagen des 18ten und 19ten das Barometer die höchste Scala (28,8) erreichte, was seit vielen Jahren nicht der Fall gewesen ist; in den beyden letzten Tagen des Monats stand es auf 27,4. Schnee, welcher am 8ten, 13ten, 24ten und besonders stark am 25ten fiel, schmolz recht bald wieder. Im Maerz hielt das Wetter ganz in der bisherigen trüben und rauhen Weise mit Ausnahme des lten, 2ten und lOten an; die Windrichtung war sehr wechselnd, der Süd- Ost-Wind jedoch vorherrschend; dichter Nebel hatten wir früh am 3ten, 9ten, 18ten 20ten 22ten und 25ten; Schnee fiel stark am 14ten und 20ten, schmolz aber gleich, weil im ganzen Maerz der Frost fehlte bey mehr niedrigem Barometerstand, Vom 24ten an trat endlich bey höherm Stande des Barometer das herrlichste Frühlingswetter ein und dauerte fort bis zum Ende des Maerz. In den Nachmittagsstunden dieser schönen Tage stand das Thermometer auf +20-25 in der Sonne. Die Vegetation erwachte nun wie mit einem Zauberschlage; die Wintersaaten stehen sehr gut. Der Gesundheitszustand war auch in diesem Quartale noch immer nicht befriedigend; zur Behandlung kamen besonders Lungenkatarrhe, gastritisch- katarrhalische Fieber, Abdominal-Typhus mit öfters tödlichem Ausgange bey Erwachsenen, und Scharlach. Die Sterblichkeit war nicht unbedeutend vorzüglich unter den Kindern, welche in Folge des krankhaften Zahnens starben. Da die Schlämmung des nördlichen und östlichen Theiles wegen des sehr milden und schlaffen letzten Winters in diesem nicht unternommen werden konnte, so machte man nun erst am 25ten Maerz des Jahres den Anfang damit, und beendigte das Unternehmen am 3ten Mai. Daßelbe wurde zum Glück durch die fast durchgängig kalte und rauhe Witterung und den anhaltenden scharfen Ostwind außerordentlich begünstigt und gefördert, so daß bis jetzt keine Spur und Entstehung von Wechselfieber sich zeigte. Der Unternehmer Drainirmeister Foerster aus Laue griff die Sache sehr scharf an und erhielt für diese Reinigung von der Commun 600Rtl. baar. Geld und die Ueberlaßung des Schlammes. Von Seiten der Stadt wurden im Auftrage der Königl.Regierung die Localitäten des dem Cigarrenarbeiter Schellenberg gehörigen an der Dübener Straße gelegenen Hauses zu Wohnungen für die Lehrer des hier neu zu errichtenden Schullehrer- Seminars gemiethet, und erhält derselbe dafür außer seiner freien Wohnung, welche er darin behält, jährlich 200 Rtl. Miethzins. Am 29ten April war nun der Consitorial- und Schulrath Woepke aus Magdeburg in unserer Stadt und nahm mit dem Bürgermeister die Localitäten der Seminar- Lehrer so wie auch die Räumlichkeiten im neuen Schulgebäude, welche bis nach Beendigung des Seminarbaus von der König!. Regierung gemiethet worden sind, in Augenschein; es dürfte daher in kurzer Zeit die Eröffnung des Seminars erfolgen. (Vid.pag. 529 und 543, und 557) Schon seit zwey Jahren hatte es sich herausgestellt, daß auf dem Gottesacker ungeachtet der seit 25Jahren mehrere Male geschehenen Vergrößerungen deßelben durch Hinzunahme von Grundstückstheilen des ehemaligen Commun-Gutes und durch Ankauf des Gürtlermeister August Krauseschen Scheuengartens in kurzer Zeit Beerdigungen nicht mehr statt finden können, und wurde deßhalb als Nothbehelf vor Jahresfrist vom Magistrat bekannt gemacht, daß die nach der vorgeschriebenen Zeit verfallenen und anderweit nicht wieder gelösten Gräber weiter vergeben würden. Es ist daher laut Punkation vom 12ten April des Jahres Seitens der städtischen Behörden zur Anlegung eines neuen Friedhofes von dem Müllermeister David Thormann hier ein Feldstück von 15Morgen rechts der Bitterfelder Straße, hinter der Offenhauerschen Brauerei gelegen, für den Preis 2700 Rtl. (der Morgen zu 180Rtl.) angekauft, und der nicht benutzte Theil dieses Feldes dem pp.Thormann gegen einen jährlichen Pachtzins von 7Rtl. für den Morgen in Pacht gegeben worden. An den Futtermauern und Pfeilern der zweiten über den Lober führenden Brücke an der „blauen Taube" vor dem Halleschen Thore war eine Reparatur dringend nöthig, welche man von Seiten der Stadt ausführen ließ. Da nach alten Nachrichten der Fiskus die Brücke hergestellt und reparirt hat, wie auch aus der in der nördlichen Brückenwand angebrachten Steintafel mit der Inschrift: F.W.IV. hervorgehen dürfte, so beantragte der Magistrat bey Straßenbau-Fiscus die Erstattung der ganzen auf oben erwähnte Reparatur verwendeten Kosten mit 49 Rd. 26 Sgr. 6 Pf. Der Straßenbau-Fiscus verweigerte es aber, dieselben zu bezahlen und anerkannte nur nach mehrfach geführter Correspondenz seine Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die stattgehabte Reparatur an den Pfeilern der Brücke mit 31 Rtl. , wogegen er die Ersetzung der Kosten für die Reparatur an den Futtermauern ablehnte. Letztere betrugen 18 Rtl. 26 Sgr. 6 Pf Und wurden im April an den Maurermeister Voigt aus der Kämmereikaße bezahlt. Früher in sächsischer Zeit und später noch bis zu der im Jahre 1862 erfolgten Vereinigung der Amtsvorstadt Grünstraße mit der Stadt stand die nördliche Häuserreihe des Brückendammes unter der Jurisdiction des Amtes, die südliche dagegen unter der des Rathes. Der dritte ordentliche Lehrer an der höheren Bürgerschule Carl Achten ging am lten April als solcher an die Realschule erster Ordnung zu Sprottau in Schlesien, und trat an seine Stelle der bisherige, seit drei Jahren hier angestellte, vierte ordentliche Lehrer Dr. Schroeder. An deßen Stelle wurde vom Magistrat der bisherige Lehrer an der höheren Knabenschule zu Finsterwalde Carl Eduard Emil Hanow, geboren den 3 lten Maerz 1839 zu Cobsens, welcher seine Studien in Halle absolvirt hat, gewählt. — An der Bürger-Knabenschule ging der bisherige fünfte Lehrer Carl Werner am lten April hier ab, um sich in Leipzig ganz der Musik zu widmen, und wurde vom 15ten April ab in seine Stelle der bisherige Lehrer Friedrich Gloeckner in Gerbstaedt, geboren am 6ten Maerz 1851 zu Züllsdorf bey Torgau, angenommen. An die Stelle des am lten April nach Hoerde in Westphalen abgegangenen Lehrers Carl Ruhmann trat Mitte Aprils der bisherige Lehrer in Ellrich Carl Wilhelm Buerner, geboren den 15ten December 1841 zu Kindelbrueck, und auf dem Schullehrer-Seminar zu Erfurt gebildet. Für den am lten April nach Huenxerwalde bey Wesel abgegangenen Lehrer August Grueneberg ist der bisherige Seminarist in Weißenfels Robert Meister, geboren in Delitzsch, ein Sohn des hiesigen Buchhalters Meister, als Lehrer erwählt worden.
Vom Anfang dieses Jahres an haben nachbenannte Herren Lehrer an unserer höheren Bürgerschule bedeutende Gehalts-Zulagen erhalten, worüber die hier beygefügte von dem Kämmerer Ufer gefertigte tabellarisch Uebersicht die vollständigst Auskunft giebt. Die alte war unmittelbar defect geworden, daß die Paßage mit Fuhrwerk über dieselbe gefährlich wurde, und man mithin auf einen baldigen Neubau bedacht seyn mußte. Es wurde daher im April und Mai an deren Stelle eine neue solide steinerne Brücke mit zwey Bogen erbaut; den Bau übernahm und leitete der Maurermeister Voigt, und die Kosten betrugen 250 Rd. Der landwirtschaftliche Verein des Kreises Delitzsch und Bitterfeld veranstaltete am 14ten Mai auf dem Schießplatze eine Thierschau, überhaupt eine landwirthschafiliche Ausstellung, welche sehr besucht war, und die im Jahre 1860 hier abgehaltene noch übertraf. (Siehe den hier beygefügten Bericht im Delitzscher Kreisblatt No. 57). An den Maurermeister Voigt wurden im Mai für Reparatur der Thorpfeiler am südlichen Eingange des Gottesackers, so wie die Erneuerung des Putzes der Südseite der Mauer 44 Rtl. 25 Sgr. 6 Pf. Kosten bezahlt.
Deßgleichen sind auch statt der alten oben an den Pfeilern befindlich gewesenen Holztafeln vom Jahre 1826, welche durch die Witterung sehr gelitten hatten, sehr schöne neue von weißen Marmorplatten mit denselben schönen Worten aus Tiedges Ostermorgen „Laßt die Hügel uns umwandern" pp.an derselben Stelle wieder angebracht worden; sie sind von dem hiesigen Bildhauer Zwanzig sehr sauber verfertigt, und kosten 13 Rtl. Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen 253 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Am 28ten Mai Nachmittags 4 1/2 Uhr verstarb plötzlich bey Gelegenheit eines Spazierganges mit seinen Schülern auf dem Wege von der Dörfchenmühle nach Rödgen an einem Herzschlage der Cantor Moritz Albin Thierbach, 53Jahre alt. Er war seit dem 3ten November 1853 hier angestellt, und hatte zugleich als Lehrer das Ordinariat der zweyten, später seit 1858 bis Ostern 1861 das Ordinariat der ersten Knabenklaße I Bürgerschule zu verwalten. Er besaß gute mußikalische Kenntniße, war ein vorzüglicher Sänger, ein Baßist mit einer umfangreichen, kraftvollen Stimme, aber kein Orgel- und Choral- spieler, in dem er den Choral mitunter dadurch verdarb, daß er die Melodien und Harmonien durch unnütze Verzierungen störte, und die regelrechte Einfachheit und edle Reinheit des Chorals verloren ging Als Dirigent wäre ihm mehr Energie und Ausdauer zu wünschen gewesen, so wie auch der richtige Tact die Mitglieder unter einen Hut zu bringen, weßhalb mehrerer von ihm angekündigte Concerte nicht zur Aufführung kamen, und die Cantorei im Jahre 1865 sich auflöste. Als Lehrer ist ihm nachzurühmen, daß er brauchbar war, besonders ein geübter Rechner, und gute Diciplin hielt.
Die Witterung in diesem ganzen Frühjahr war mit Ausnahme weniger Tage sehr trübe, rauh, naßkalt und windig; Nord-West-Wind war vorherrschend; das Thermometer stand in der Regel niedrig, der Stand des Barometer hielt sich bey öfteren schnellen Schwankungen auf der mittleren Höhe. An fruchtbaren Land-und Gewitter-Regen fehlte es nicht; die letzteren bildeten sich schnell nach einem einzigen heißen Tage bey sehr raschem wechselnder Windrichtung in der ganzen Windrose in Zeit von einer Stunde. Die Gewitter im Junius häufig größten Theils schwer mit gewaltigen Schlägen, starken Regengüßen und Graupeln; die schwersten waren die am 6tem Junius gegen Abend in Süd-Osten nach Leipzig und Eilenburg sich entladenes Gewitter, ganz besonders und noch mehr aber die nach wenigen schwülen Tagen bey uns am 23ten Junius entstandenen Gewitter; das erste stand im Nord-Westen und dauerte von Nachmittags % 2 Uhr bis 3 Uhr, das zweyte gleich nachher von da an bis gegen 5 Uhr, dieses stand im Nord-Osten. Beyde zeichneten sich durch ihre vielen furchtbaren Blitze, gewaltigen Donnerschlägen und strömenden Regengüße mit großen Graupeln aus. In den Dörfern Groß-Kyhna und Zschortau schlug der Blitz ein, desgleichen in der hiesigen Königl. Telegraphen- Anstalt, wo derselbe die Apparate so zerstörte, daß diese 24 Stunden unbrauchbar waren. In Folge der großen Fruchtbarkeit stehen alle Feldfrüchte recht gut, und versprechen einen reichen Ertrag. Die Heuerndte ist ganz gut ausgefallen, nur das unsichere regnigte und trübe Wetter um etwa 14 Tage verspätigt, aber doch noch glücklich eingebracht worden, Feldmäuse, Raupen und Maikäfer gab es natürlich auch äußerst wenig. — Der Gesundheitszustand war sehr ungünstig, die Sterblichkeit groß; es gab viel Schwindsüchtige, ferner zeigten sich der Abdominaltyphus, versatile Nervenfieber und Schlagflüße mit schnell tödlichem Ausgange.
Am lten Julius trat der bisherige Stadtmusikus Franz Hofrnann mit einer jährlichen Pension von 25 Rtl. freiwillig in den Ruhestand; sein Nachfolger wurde der vom Magistrat erwählte Stadtmusikdirector Bergmann aus Wittenberg, welcher an demselben Tage sein Amt antrat.
Nachdem am 18ten und 19ten Julius die Prüfungen der angemeldeten 21 Präparanden in der Aula der ersten Bürgerschule vom Herrn Consitorial- und Schulrath Woepke aus Magdeburg, dem Regierungs- und Schulrath Betzenberger aus Merseburg, so wie den mittlerweile hierher berufenen Lehrer-Seminar-Director Trinius aus Cammin, dem Musikdirector Kuntze aus Aschersieben, Hülfslehrer Schroeder und dem noch besonders dazu bestimmten ersten Seminar-Lehrer Jaenecke aus Halberstadt abgehalten worden waren, ergab sich als Resultat derselben folgendes: Zufrieden war die Prüflings-Commißion mit der Mehrzahl blos im Zeichnen und im Pianoforte-Spiel, aber in allen übrigen Lehrgegenständen, besonders der deutschen Sprache, gar nicht, weil die Leistungen selbst nicht den geringsten Anforderungen genügten, was man zum Theil dem dürftigen Unterricht zuschrieb. In Folge deßen ließ man bey dieser ersten Aufnahme-Prüfung große Milde und Nachsicht vorwalten; 5 Präparanden wurden unbedingt aufgenommen, 10 nur unter Bedingung, und 6 fielen durch; letzteren wurde jedoch gestattet an den Unterrichtsstunden Antheil zu nehmen. Am 22ten Julius Vormittags um 11 Uhr erfolgte nun die feierliche Eröffnung des Königl. evangelischen Schullehrer-Seminars. Siehe über diesen hochwichtigen Act die Beilagen. —
Die der Commun gehörige Plantagen der Pflaumen im Hain und Rosenthal ist in diesem Jahre für 28 Rtl. meistbietend verpachtet worden. Das von der Stadt-Commun angekaufte Mangesche Wohnhaus wurde im öffentlichen Termine zum Abbruch — jedoch mit Ausnahme der stehen bleibenden westlich gelegenen und an das Gehöft des Nachbars, Hausbesitzers August Thieme, angrenzenden 7 Fuß hohen Wand, welche derselbe nebst dem darunter befindlichen Grund und Boden im Wege der freiwilligen Offerte für 20 Rtl. zu seinem Gehörte käuflich erhielt — von dem Bau-Unternehmer Edler für die Hebamme Mietzsch meistbietend für 132 Rtl. erstanden, und erhielt den Zuschlag. Die pp. Mietzsch will sich von dem gewonnenem Baumaterial ein Miethaus auf ihrem Gehöft erbauen.
Die Feier des Tages von Sedan ist diesmal am 2ten September fast ebenso, wie im vorigen Jahre, begangen worden, wobey der Herr Bürgermeister Reiche eine kurze, aber gehaltvolle Rede auf dem Marktplatze hielt. Siehe die Beilage. Bey dieser Gelegenheit muß noch erwähnt werden, daß schon einige Wochen früher bey unserer Schützen-Compagnie sich eine zweite, nach ihrer Uniform „Jopenschützen" benannte, Abtheilung in der Stärke von etwa 40 Mann gebildet hat, welche in Verbindung mit der ersten an diesem Tage an der Sedanfeier zum ersten Male mit ausrückte; der Commandeur beyder Abtheilungen ist jetzt der geachtete Zimmermeister Felix. Am 20ten September starb der seit dem Iten April 1852 angestellte StadtsecretärChristian Gottfried Roenicke, fast 65 Jahre alt. Im Jahre 1868 kam derselbe leider in eine sehr unangenehme Untersuchung, in welcher er aber unschuldig befunden und gänzlich frei gesprochen wurde. Bey der nach her bald erfolgten Entlaßung aus seinem Amte erhielt er, wie billig, eine jährliche Pension von 150 Rtl. aus der Kämmerei-Kaße. Die Witterung war in den ersten drei Wochen des Julius bey mehr hohem Barometerstande (28-28,4) und vorherrschendem West und Nord-West-Wind trübe, kühl und windig; am 13ten, 16ten, 19ten und 21ten hatten wir in den Nächten Landregen, und am 15ten nach einem voraus gegangenen sehr schwülen Tage (Th. +28) ein starkes Gewitter aus Süd-West mit Regen von 1-3 Uhr Morgens. Vom 22ten des Monats an trat aber plötzlich sehr große Hitze ein. (Thermometer +30 — 34 N.M.3Uhr in der Sonne), in folge davon den 20ten sich in Ost, Süd und West drei starke Gewitter bildeten und Abends von 5 bis 6 Uhr mit heftigen Schlägen und vielem Regen sich entladeten, welchen am 30ten früh von 6 bis 7 Uhr noch ebenso ein solches folgte. Die gewaltige Hitze hielt nun bey demselben hohen Barometer- und Thermometerstande den ganzen August hindurch fast ununterbrochen an; die Windrichtung war in der ersten Hälfte des Monats die bisherige, in der zweiten dagegen der Süd-Wind mit der Neigung der Fahne nach West oder Ost vorherrschend. Gewitterregen hatten wir am 9ten Abends um 5 Uhr, am 1 lten um 1 Uhr Mittags und am 27ten früh um 8 Uhr, ferner Landregen am 12ten und 13ten Vormittags. Da aber diese Regen fast sämmtlich nicht von Bedeutung waren, so konnte es nicht fehlen, daß bey der großen Hitze nunmehr Dürre eintrat und der Waßerstand in den Flüßen und Bächen sehr niedrig ward; denn von den eben erwähnten fünf Regen war nur der Gewitterregen am 9ten Abends stark, und kam besonders zur höchsten Zeit den Kartoffeln zu Gute wegen der ICnollenbildung. Im September trat wieder plötzlich ein bedeutender Abfall und Umschlag in der Witterung ein, denn gleich vom Anfang an war dieselbe fast durchgängig bey wieder vorherrschendem West- und Nord-West-Wind trübe, kühl, naßkalt und regnigt, und zwar bey niedrigem Barometerstande bis zum 20ten, (Barometer 27,9); Gewitterregen fanden bis dahin statt am 2ten, vier am 16ten und einer am 17ten; vom 20ten an war das Wetter bey durchweg bey hohem Stande des Barometer (28-28,5) trübe, sehr kühl. Rauh und windig, ohne Regen. Was nun die Erndte betrifft, so ist dieselbe trotz der im Frühjahr bey dem damaligen gutem Stande der Saaten gehegten Hoffnungen doch nur als eine mittelmäßige in allen vier Getraidearten zu bezeichnen; der Grund davon liegt in dem anhaltend rauhen und naßkaltem Frühjahr und der nachfolgenden großen Dürre. Die Grummterndte war gut, ist aber durch die anhaltende Näße, in welcher es im September zwey Wochen lang iegen mußte, zum Theil leider verdorben. Dagegen sind Rüben und besonders die Kartoffeln sowohl in Quantität als Qualität gut gerathen, die Obstemdte aber wieder nicht gut ausgefallen und das Obst theuer. Die Getraidepreise waren zu Michäelis, nach dem Centner zu 100 Pfund berechnet, folgende: Weitzen 4 Rtl. 14 Sgr. 6 Pf , Roggen 3 Rtl. 24 Sgr., Gerste 3 Rtl. 18 Sgr., Hafer 3 Rtl, Kartoffeln 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf. — Der Gesundheitszustand war in der ersten Hälfte dieses Quartals etwas beßer als im vorher gehenden, jedoch immer noch nicht befriedigend, wurde es aber völlig in der zweiten Hälfte, wo Krankheiten und Todesfälle bedeutend abnahmen. Von der Cholera sind wir, Gott sey Dank, verschont geblieben; da dieselbe jedoch in der Provinz Sachsen an mehreren Orten heftig aufgetrat, und besonders seit Anfang des Julius in Magdeburg durch Maßen-Erkrankungen und viele Todesfälle schreckliche Verheerungen anrichtete, so hielt auch unsere Sanitäts- Commißion am 18ten Julius und 21ten August Sitzungen, und ordnete zur Abwehr der Krankheit die schon 1866 angewendeteten Maaßregeln an (vid.pag.393); als Desinfections-Mittel wurde diesmal statt des Eisenvitriols die stärker wirkende Carbolsäure gebraucht.
Die durch den am 4ten Februar des Jahres in der Charite zu Berlin erfolgten Tod des zweiten Lehrers der hiesigen höheren Bürgerschule Bahmann erledigte Stelle ist dem Dr.phil. Karl August Bruno Holtheuer, geboren 1844 zu Wettenburg bey Naumburg, bisher Lehrer der höheren Bürgerschule zu Naumburg, verliehen worden und hat derselbe am 13ten October sein Amt angetreten; derselbe ist auf dem Domgymnasium zu Naumburg und der Universität zu Halle gebildet. Die Stadtcommun erstand am 25ten September in der nothwendigen Subhastation das bisher den Seilermeister Thierschen Erben gehörige Wohnhaus in der Bitterfelder Straße für 1840 Rtl. zu dem Zwecke, um daßelbe später wegen Verengung der Paßage und wegen Ungleichheit der Straße an dieser Stelle, zum Abbrch verkaufen zu können, bis dahin aber zu vermiethen. Die durch den vor vier Jahren hier angestellten, am lten October nach Minden abgegangenen Dr. phil. Schroeder erledigte dritte Lhererstelle an der höheren Bürgerschule ist dem bisherigen Lehrer Hanow verliehen worden, und die durch deßen Beförderung in die dritte Stelle erledigte vierte Stelle ist dem bisherigen Hülfslehrer Dr. phil.Rinne aus Halberstadt, geboren zu Halle, übertragen worden. Am 12ten November fand im hiesigen Seminare unter dem Vorsitz des Consitorialrath Woepke die Nachprüfung 10 Seminaristen statt, die bey der im Julius stattgehabten Prüfling nur bedingungsweise aufgenommen waren. Das Resultat der Prüfung war, daß sämmtliche Eximinanden bestanden und aufgenommen wurden. Ueber die Leistungen und die Einrichtung der jungen Anstalt, welche einer Revision unterzogen worden, hat sich, wie wir aus guter Quelle erfahren, der Herr Consistorial- rath äußerst befriedigt und belobend ausgesprochen. Mit bloßem Auge kann man den angekündigten Cometen gegen 4 Uhr des Morgens im Osten sehen. Größer als jeder andere Stern, hat er die Gestalt einer Feuerkugel, keinen Schweif und einen glänzenden rothen Schein. Am 21ten November Abends 7 1/4 Uhr starb in Folge von Altersschwäche der Maurermeister Johann Gottfried Samuel Rose im 86ten Lebensjahre. Er war geboren zu Delitzsch den lten Mai 1788, und einer unserer besten und achtungswerthesten Bürger, der auch in seinem Berufsfache ein geschmackvoller Baumeister mit Recht geschätzt wurde. Dieser Mann verdient hier noch ganz besonders deßhalb eine dankbare Erwähnung, weil er, als bey einem starken Gewitter am ICnen Mai 1820 Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr ein Blitzstrahl in die nördliche Thurmspitze der Stadtkirche eingeschlagen hatte, von da auf dem Forste des Kirchdaches hingefahren war mit Hinterlaßung von Spuren geschmolzenen Bleches, und dann auf dem Dache über dem Altarstück ein Dohlennest angezündet hatte, der Retter unserer Stadtkirche wurde. Der muthvolle und entschloßene Mann kletterte, wie er mir selbst erzählt hat, in Gegenwart mehrerer Bürger, indem er einen mit Waßer gefüllten Hut an der Krämpe zwischen den Zähnen festhielt, an dem oben schon glimmenden Dachsparren, hinter welchen das brennende Nest sich befand, bis unter den Forst hinauf und löschte mit dem Hute voll Waßer das Feuer im Entstehen, und erwarb sich so das größte Verdienst. (S.pag.8) Der Blitz hat schon früher einmal im Jahre 1475 in unsere Stadtkirche geschlagen, jedoch ohne zu zünden. (S. Lehmann Chronik der Stadt Delitzsch Th. Lpag.65). Außerdem wurde dieselbe auch am 24ten September 1711 bey dem Feuer in der großen Schloßgaße, welches sechs Häuser gänzlich zerstörte, vom Flugfeuer entzündet, welches aber auch gleich im Entstehen gelöscht wurde. Möge das herrliche gothische Bauwerk, wie bisher, auch ferner unter Gottes Obhut und Schutze stehn, und einst einmal in seinem Baustyl rein restaurirt werden.
Das Bürger-Hospital mit der Kinderbewahr-Anstalt wurde in der Zeit von Mitte des October äußerlich neu abgeputzt, auch zum Theil die Fenster mit Oelfarbe angestrichen. Die Arbeiten hatte der Maurermeister Voigt übernommen und erhielt dafür 234 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. Der dritte Lehrer an der erster Bürger-Knaben-Schule Carl Wemecke ging am lten September nach Gera; seine Stelle wurde dem bisherigen vierten Lehrer an derselben Schule Julius Klein, letztere Stelle aber dem bisherigen fünften Lehrer Friedrich Gloeclmer, und die dadurch offen gewordene fünfte Lehrerstelle dem bisherigen Lehrer in Eisleben Otto Krebs verliehen, welcher sein Amt hier am lten October antrat Am 29ten November feierte der Verfaßer dieser Zeilen sein fünfzigjähriges Doctor-Jubiläum. Da demselben Alles, was Aufsehen erregt, durchaus zuwider ist, so hatte er schon am 1ten Julius des Jahres in einem deßhalb an seinen hochverehrten Freund Herrn Kreisphysilcus Dr.Kanzler gerichteten, persönlich übergebenen, Schreiben bestimmt sich dahin ausgesprochen, daß er alle bey solchen Jubiläen üblichen Auszeichnungen, wie Ständgen und Zweckeßen, Titel und Orden mit der eingravierten Zahl 50 auf das Entschiedenste ablehnen würde und müßte, weil diese in seinen Augen am Rande des Grabes gar keinen Werth haben, indem besonders durch die letzteren nicht das wahre Verdienst, sondern offenbar blos die 50 Jahre decorirt werden, was man doch nur Gott zu verdanken hat. Der Herr Dr. Kanzler unterließ nun die officielle Anzeige an die Regierung zu Merseburg, machte dagegen auf meinen ausdrücklichen Wunsch der Hochlöbl. Medicinischen Facultät zu Berlin eine Anzeige von meinem nahen Jubiläum mit der ergebensten Bitte um die Zusendung des Jubel-Doctor-Diploms, welches denn auch in der nobelsten Form und typographischer Schönheit nebst einem herzlichstem Glückwünschungsschreiben des Decans, Herrn Geheimen- Medicinal-Raths Dr.und Prof Ord.Bardeleben zur großen Freude des Jubilars, welcher auf diese hohe Ehre und Auszeichnung den größten Werth legt, am Jubelfesttage früh um 8 Uhr hier eintraf. Noch ist zu bemerken, daß der Jubilar seine gründliche wißenschaftliche Bildung in den Jahren von Ostern 1815 bis Ostern 1824 in der Fürstenschule zu Pforte und auf den Universitäten zu Leipzig und Berlin erhalten hat; in der letzteren, wo besonders der berühmte, treffliche Staatsrath und Leibarzt Dr.Hufeland, der Freund seines Vaters, sein großer Gönner und Wohlthäter war und ihm freie Collegia verschaffte, promovirte er am 29ten November 1823; seine Dissertatio in auguralis handelte de Angina membranacea. Außerdem hat der Jubilar im Jahre 1838 zvvey Aufsätze über zwey seltene praktische Fälle in das Hufelandsche Journal der praktischen Heilkunde geliefert (S.C.86 und 87), welche der Herausgeber deßelben, Geheime Medicinalrath Dr.und Prof Ohann sogleich abdrucken ließ und ihm dafiir 16 Rtl. Honorar sendete; diese waren: 1, Geschichte eines glücklich geheilten Phoas-Absceßes, und 2, Beobachtung eines Lepra tuberculosa ex causa atrabilaria. Ueber meine ärztliche und sonstige Wirksamkeit in meiner lieben Vaterstadt siehe diese Chronik pag.93, 140, 142, 154, 179, 191, 329, 358, 389, 392, 484, 567. Der Wille den leidenden Mitmenschen zu helfen und auch außerdem auch Gutes zu wirten, ist bey mir immer der beste gewesen. Leider bin ich seit dem Jahre 1848 ohne mein Verschulden in mannigfache Streitigkeiten und Kämpfe verwickelt gewesen, von welchen der vierjährige Anfangsstreit der schwerste war.
Nach der im Jahre 1868 erfolgten Pensionierung des Stadtsecretär Roenicke (S.pag. 415u.559), wurde der frühere Kanzlist Eduard Braune, dem seit einigen Jahren mehrere Ritterguts-Herrschaftliche Polizey-Verwaltungen zur Besorgung übertragen worden waren, zum Nachfolger Roenickes vom Magistrat erwählt, jedoch die ersten Jahre, weil der pp. Braune die erwähnten ländlichen Polizey-Verwaltungen nicht gern aufgeben konnte oder mogte, interimistisch, später aber erst in diesem Jahre definitiv angestellt, weil durch die zum lten Januar 1874 statt findende Einführung der neuen Kreisordnung diese Verwaltungen wegfallen. — An der Stelle des am lten October wieder abgegangenen dritten Polizey-Sergeant Lehmann, welcher auch kaum ein Jahr in diesem Amte verblieb, ist der Polizey- Sergeant Bermig aus Zeitz, vorher Sergeant im schleßwig-holsteinischen Dragoner-Regiment, seit dem 15ten October angestellt mit 230 Rtl. jährlichem Gehalt. Der Herbst war höchst unfreundlich; die Witterung des October war mit Ausnahme des lten und 2ten, des 13ten so wie vom 26ten bis 28ten bey mehr höhern als niedrigem Barometerstande und vorherrschendem West Wind mit wechselnder Neigung bald nach Nord bald nach Süd, trübe, kühl, rauh und regnigt; am 2ten hatten wir früh um 3 Uhr und am 4ten Nachmittags um 3 Uhr Gewitterregen, so wie am 31 ten einen Landregen; am 18ten dichter Nebel. Ganz in derselben Weise dauerte die Witterung im November bey dem bisherigen mehr höherem Barometerstande und der angegebenen Windrichtung fort; Die Mehrzahl der Tage war sehr trübe, feucht und rauh, besonders der 4te, 6te, der 19te, 20te, 2 lte und 22te mit ihren dichten und starken Nebeln zuletzt mit Regen; am letzteren Tage tobte und wüthete zugleich ein furchtbarer Orkan aus Westen bey äußerst niedrigem Barometerstande; es sank in wenigen Stunden um 13 Linien sehr schnell von 28 auf 26,11. Nach den Zeitungsberichten hat dieser gewaltige Weststurm auf dem Meere, besonders in der Ostsee, vielen Schiffen, Menschen und Thieren den Untergang bereitet. Auch im December war der Witterungslauf von dem des November wenig verschieden; nur war der Stand des Barometers in der ersten Hälfte und der letzten Woche des December anhaltend sehr hoch(Barometer 28,3- 28-8). Die Windrichtung war dieselbe; am 3ten und 4ten Nebel, wie auch vom 12ten bis 15ten; Schnee, welcher aber wieder gleich schmolz, fiel am 6ten und 28ten; gelinder Frost trat nur in den Nächten zum 2ten und 8ten, so wie an den drei letzten Tagen des Monats ein (Th. —3 bis 7Reaum.früh 7 Uhr). Am 16ten stürmte und regnete es stark, und am 17ten und am 24ten tobte beyde Male ein sehr heftiger Orkan aus Nord-Westen (Barom. 27,8). Diese beyden Stürme waren wahrscheinlich die Folgen von den im südlichen Deutschland in der Gegend von Darmstadt vom 20ten bis 23ten des Monats statt gefundenen Erdbeben. Dieselbe schreckliche Naturerscheinung wurde in dieser Gegend schon vor vier Jahren ganz um dieselbe Zeit beobachtet (S.pag.452), und auch bey uns im Maerz 1872 (S.pag.524) sehr stark bemerkt. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartale nicht befriedigend, zumal da unter den Kindern der Keuchhusten und das krankhafte Zahnen viele Opfer forderten, auch viele alte Leute in folge der ungünstigen Witterung an Schlagfluß, Herz- und Lungenlähmung mit Tode abgingen, es starben überhaupt im ganzen Jahre in unserer evangelischen Kirchengemeinde 300 Personen, worunter 170 Kinder in den ersten 5Jahren, und 53 Alte über 60Jahre. Geboren wurden 416 Kinder, mithin 176 mehr, als Personen gestorben. Vor hundert Jahren waren 79 geboren und 146 gestorben.
Von der Ziegelbreite auf der südöstlichen an die Elisabeth-Straße grenzenden Seite wurde eine Baustelle von 87,40 Quadrat-Ruthen zu dem Preise von 7Rtl. für die Quadrat-Ruthe, also für zusammen 611 Rtl. 24 Sgr. — Pf An die Productiv-Genoßenschaft der Cigarrenarbeiter zur Erbauung eines Wohn- und Fabrik-Gebäudes verkauft am lten Julius. In diesem Jahre sind an neuen Wohnhäusern erbaut worden: 1, von dem Bahnmeister Wilhelm Kittel ein neues Wohnhaus in der Bahnhofs-Straße; 2, von dem Fuhrmann Gottfried Richter, welcher aus einer Scheune ein neues Wohnhaus einrichtete, und nun in der Grünstraße drei Wohnhäuser besitzt; 3, von der Productiv-Genoßenschafl der Cigarren-Arbeiter ein Wohn- und Fabrik-Gebäude in der Elisabeth-Straße; 4, vom Zimmermeister Pannicke an der Leipziger Chaussee, und 5, vom Brauereibesitzer Ferdinand Offenhauer ein Wohnhaus in der Lindenstraße. Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn Gesellschaft erhielt unsere Commun 360 Rtl. als jährliche Steuer, und die Armenkaße vom Kreis-Armen-Fond zum letzten Male 550 Rtl. Am 3 lten December legte der Verfaßer dieser Zeilen wegen bedeutender Abnahme seiner Kräfte das Amt als praktischer Arzt nach einer fünfzigjährigen Amtsthätigkeit, so wie auch das zugleich seit dem 16ten Maerz 1848 von ihm mit verwaltete Amt als Arzt am hiesigen Bürger- Hospital gänzlich nieder.(Vid.pag.563) Die letztere Stelle, um welche sich fast die sämmtlichen hiesigen Aerzte beworben haben, ist bis heute, den 9ten Februar, noch nicht wieder besetzt, und wird seit Neujahr 1874 von dem Herrn Kreisphysikus Dr.Kanzler interimistisch verwaltet.
1874
An die Stelle des bisherigen Strafanstalts-Directors Friedrich Haensler, welcher den lten Januar von hier abgegangen und nach Leipzig gezogen ist, trat zu derselben Zeit der bisherige Strafanstalts-Director Carl Rabe in Ebersbach, Provinz Naßau. — An die Stelle des am lten Februar nach Langensalza versetzten Obersteuer-Controleurs Theodor Raettig trat der bisherige Ober-Grenz-Controleur Otto Puls aus Wandsbeck. — An die Stelle des am lten Februar aus seinem Amte ausgeschiedenen Magistrats- Registrators und Armenkaßen-Rendanten Heinrich Gelpke (Vid.pag.448) trat der bisherige Expedient beym Rechtsanwalt Herrmann in Eilenburg, Julius Knoll. — Die am Sonntage nach Neujahr, den 4ten Januar, nach der neuen Kirchenordnung, welche den Gemeinden bedeutende Rechte einräumt, neu gewählten Mitglieder des Gemeinde-Kirchenraths, die Herren Bürgermeister Reiche, Magistrats-Aßeßor Starckloff, Kreisrichter Huehne, Tischlermeister Troitzsch, Fabrikant Wagner, Lehrer Petermann, Kaufmann Rose, Zimmermeister Felix und Kaufmann Zeising wurden am 3ten Sonntage post Epiph. den 25ten Januar während des Haupt-Gottesdienstes in der Stadtkirche durch Herrn Superintendent Leipoldt feierlich in ihr Amt eingeführt und verpflichtet. Die erste Amtshandlung deßelben in seiner Sitzung am folgenden Tage war eine Beschlußfaßung über ein an unsern frühem Herrn Superintendenten Förster, seit 1856 Pastor in Langen- weddingen, welcher am lten Februar sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum feierte, abzusendentes Glückwünschungsschreiben. Dieser um Delitzsch hochverdiente Mann war als Kanzelredner, Gelehrter und Mensch gleich groß und edel; seine fast sechzehnjährige Amtswirksamkeit unter uns war die Zeit der höchsten Blüthe unsers kirchlichen Lebens.
Am 19ten Februar ist über die Wiederbesetzung der vacanen Hospital-Arzt Stelle (vid.pag.567) von der Hospital-Inspection entschieden worden, daß der Herr Kreisphysikus Dr.Kanzler, welcher bereits seit dem Jahre 1865 die wenigen chirurgischen Fälle gegen ein jährliches Honorar von 10 Rtl. nach dem Tode des Wundarzt Rathmann zu behandeln hatte, als eigentlicher Hospital-Arzt erwählt wurde und gegen ein jährliches Honorar von 40 Rtl, mit der Behandlung der innerlich Kranken beauftragt worden ist, dagegen dem Herrn Dr. Laue gegen ein jährliches Honorar von 20 Rtl. die Behandlung der chirurgischen Fälle übertragen und zugleich die Stellvertretung des Herrn Dr.Kanzler in Behinderungsfällen deßelben zur Pflicht gemacht worden ist. Die Stadtverordneten haben im Februar dem Herrn Bürgermeister Reiche wieder (vid.pag.532) eine Gehaltszulage von 200 Rtl., ferner dem Magistrats-Aßeßor Heintze eine dergl. von 100 Rtl. und dem Herrn Kämmerer Ufer, Stadt-Steuereinnehmer Braune und Stadtsecretär Braune eine dergl. von 50 Rtl. vom Anfang dieses Jahres an bewilligt. Auf den Antrag des Rendanten Thaerigen wurde im Februar für die städtische Sparkaße noch ein großer eiserner Schrank, zur sichern Aufbewahrung von Acten, Kaßenbüchern und Documenten, aus der Fabrik von Kaestner in Leipzig für den Preis von 600 Rtl. angekauft.
Der Zuschlag zur Communalsteuer ist vom Maerz dieses Jahr an, da der jetzt günstigere Zustand der Finanzen unserer Commun es gestattet, von 100 Procent bis auf 75 von dem Magistrat und den Stadtverordneten ermäßigt worden. Der ganze diemalige Winter hätte im Witterungslaufe mit dem vorjährigen die größte Aehnlichkeit; er war sehr milde und hohe Kältegrade kamen gar nicht vor. Im Januar wechselten bei vorherrrschendem West- Wind mit öfterer Neigung der Fahne bald nach Nord bald nach Süd, so wie bey mehr hohem als niedrigem Barometerstande, schöne, helle und angenehme Tage mit trüben, naßkalten, stürmischen und regnigten ab; Schnee, welcher gleich wieder schmolz fiel am 27ten, 29ten und 30ten. Das eben gesagte gilt ganz von der Witterung des Februar; Nebel hatten wir in diesem Monat früh am Sten, 6ten (Barom. 28,4), am 17ten (Barom.27,8), am 20ten am 20ten Abends und am 22ten früh. Am 8ten tobte Nachmittags ein Gewittersturm (Barom.27,7) mit nachfolgendem Schneegestöber aus Nord- West; Schnee fiel außerdem noch am 9ten und 26ten. Die Kälte war sehr unbedeutend; das Thermometer zeigte blos am lOten und 12ten des Monats früh um 7 Uhr —6 und am llten —10Reaum. Ziemlich in derselben Weise aber bey vorherrschendem rauhem, scharfen Nord-West-Wind gieng die Witterung des Februar in den Maerz über; wir hatten weit mehr trübe, kühle, regnigte und windige Tage, als in den letzten Wochen; die Kälte war gering, denn an wenigen Tagen in der ersten Hälfte des Monats zeigte das Thermometer früh um 7 Uhr nur —2 bis 5 Reaum. Nebel wurden früh am 7ten und 13ten beobachtet; am 19ten war es sehr stürmisch, und am 20ten wüthetete ein Orkan aus West (Barom.27,7). Schnee, theils mit, theils ohne Regen fiel am 1 lten, 12ten 14ten, 15ten, und 21ten; am 18ten hatten wir einen Landregen, und die letzten vier Tage des Monats waren wieder, nach drey vorher gegangenen schönen, regnigt, naßkalt und stürmisch. Uebrigens hat die Erde in diesen drey Monaten sehr viel Winterfrucht erhalten, was auch der vorzüglich gute Stand der Wintersaaten beweist, denen die wenigen schwachen Nachtfröste natürlich auch nichts schaden konnten. — Daß bey diesem abnormen, oft schnell und schroff wechselnden Witterungslaufe der Gesundheitszustand mehr oder weniger leiden mußte, liegt klar am Tage; am meisten litten dadurch, zumal in Folge des öfteren rauhem und scharfen Nord-West-Wind mitunter auch Ost-Wind, die Schwindsüchtigen und alte an Schleimasthma leidende Personen; an diesen beyden Krankheitsgattungen giengen viele mit dem Tode ab.; unter den Kinder traten Gehirn-und Lungenentzündungen, so wie auch häutige Bräune mit öfters tödlichem Ausgange auf; außerdem wurden Lungen- und Luftröhren-Katarrhe und rheumatische Leiden häufig beobachtet. Am 22ten April Abends kurz vor 7 Uhr ereignete sich beym Neubau des hiesigen Schützenhauses ein lediglich durch Mangel an gehöriger Vorsicht verschuldeter sehr beklagenswerther Unglücksfall. Der Maurergeselle Thier, welcher hier den Bauführer machte, war seiner Anordnung zufolge mit dem Maurergesellen Sonntag beschäftigt unter einem frisch gemauerten Kellergewölbe die Rüstungen wegzunehmen. Kaum war die letzte Stütze fortgenommen, so brach die ganze Wölbung zusammen und begrub die beyden Genannten unter ihren Trümmern.Alle sogleich geleistete Hülfe war vergeblich. Thier war allgemein als ein starker Säufer bekannt, Sonntag dagegen als ein ordentlichr Mann.
Am 4ten Mai Vormittags verflog sich bey der Verfolgung eines kleinen Vogels ein Lerchenfalke(Falco hubbuteo) mit einer Flügelbreite von 31 Zoll durch die geöffneten Perronthüren der Halle-Sorau-Gubener Bahn, und flog mit einer solchen Heftigkeit gegen eine an der entgegen gesetzten Seite befindlichen Fensterscheiben, daß er todt zu Boden fiel. Besagter Falke ist ein ausgezeichnetes Exemplar. Die Scheibe blieb bey dem Attentat auf dieselbe unversehrt. Der hiesigen Präparanten-Anstalt ist von der Königl. Regierung zur Beschaffung von Lehrmitteln und zu Remunerationen für die Lehrer eine Summe von 180 Rtl. überwiesen worden. In der Sitzung des Kreisgerichts am 17ten April erhielt eine unverehelichte Handarbeiterin, die durch Fahrläßigkeit einen Brand im Wohnhause der Nagelschmieds-Wittwe Schmidt in der Holzgaße veranlaßt hatte, eine Woche Gefängniß. Das Feuer war übrigens bald gelöscht worden. (vid.pag.513). Der Kaufmann Haertel, welcher im vorigen Jahre das am breiten Thore liegende, der Wittwe des Kaufmanns Schmidt gehörige bedeutende Hausgrundstück käuflich erwarb, kaufte laut Stadtverordneten-Beschluß vom 3ten Maerz des Jahres von der Commun 153 Quadrat Stadtmauer zu dem Zweck, um nach Abbruch derselben mit Zunahme eines unmittelbar angrenzenden von der Wittwe Schmidt ebenfalls erkauften Stückes Zwinger ein vom Ufer des Stadtgrabens aufsteigendes, maßives übersetztes Gebäude mit sehr geräumigen Kellern und bedeutenden Lagerräumen darauf aufzuführen, welches auch in der Mitte des Juni solid und glücklich vollendet wurde.- Im Februar wurde auch das alte Mittelgebäude des Schützenhauses, der letzte Ueberrest des früheren, abgebrochenen, und von dem jetzigen Besitzer Gastwirth Rausch ein neues maßives, aber in größeren Dimensionen erbaut, welches nur allein in beyden Stocks den großen, hohen Saal enthält; der Bau gieng bis auf den erwähnten sehr beklagenswerthen Unglücksfall glücklich zu Ende und ward so sehr gefördert, daß die Einweihung des schönen, mit Gallerien ringsum versehenen, geschmackvoll decorierten Saales schon am 24ten Mai, dem ersten Pfingstfeiertage Nachmittags, statt finden konnte. Die Locale des bisherigen, im Jahre 1842 erbauten Saales sind nun zu Stuben, Kammern pp. für den Wirth umgeändert worden. Die diesjährigen Süß- und Sauerkirschen auf den städtischen Anpflanzungen sind in dem am 19ten Junius abgehaltenen Termine für das Meistgebot von 394 Rft 15Sgr. verpachtet worden. An die Stelle des am lten April nach an eine dortige Schule abgegangenen Lherers Schnelle ist an demselben Tage der Lehrer Gotthold Rosinski von Guettland, Kreis Danzig, getreten. Ebenso ist an die Stelle des am 23ten April nach Gera abgegangenen Lehrers und Organisten Schulte der Lehrer Herrmann Baatz, bisher in Friesack, vom lten Junius ab getreten, die Organistenstelle aber dem hiesigen Lehrer Kiemstedt mit übertragen worden; auch ist dem letzteren vom lten Julius ab der bisher vom Organisten Jost an der Hospitalkirche versehene, von demselben aber wegen seiner langem Kränklichkeit freiwillig aufgegebener, Organistendienst zugleich übertragen worden. Schulle spielt den Choral in viel zu schnellem Tempo und ohne Zwischenspiele; dies ist durchaus nicht correct; als Lehrer war er gut.
Die Witterung dieses Frühjahres war die Fortsetzung der des Winters, trübe, rauh, naßkalt; die Windrichtung fast jeden Tag mehrmals wechselnd, doch war West-Wind und Nord-West-Wind vorherrschend; der Stand des Barometers und Thermometers weit mehr niedrig als hoch. Am 13ten April hatten wir nach zwey vorher gehenden sehr warmen Tagen von 5-6Uhr Abends ein sehr schweres Gewitter aus Süden mit einem heftigen Orkan, gewaltigen Blitzen und Donnerschlägen und starkem Regen. Die Mehrzahl der Tage des Monats war trübe, rauh und windig, den lten sogar stürmisch, den 30ten fiel Regen und Schnee. In gleicher Weise hielt die Witterung den ganzen Mai an, Land-und Gewitterregen mit Graupeln und Schnee kamen öfters vor; die Windrichtung blieb dieselbe.Ebenso war es auch im Junius nur mit dem Unterschied, daß in diesem Monat die Kälte noch empfindlicher war, besonders früh und Abends, im Mai; wir mußten daher bis zum längsten Tage einheizen. Am 2ten JunMs so wie auch am 3ten bildeten sich nach zwey voraus gegangenen heißen Tagen (Barometer 28,3, Thermometer +30) zwey schwere Gewitter, wovon das erstere am 2ten von Nachmittags 3 bis 5 Uhr, das zweyte am 3ten von nachmittags 4 bis 5 Uhr dauerten und durch strömende Regengüße sich auszeichnete, das erstere auch noch durch gewaltige Blitze und Donnerschläge; im Dorfe Klitzschmar erschlug der Blitz den Gutsbesitzer Riegel in seiner Schlafkammer; ferner schlug der Blitz in Kertitz in eine Pappel, in Schenkenberg in das Thürmchen des Schloßes und in Paupitsch in den Gasthof, jedoch ohne zu zünden. In Folge der sehr fruchtbaren Witterung stehen alle Feldfrüchte recht gut; die Heuemdte ist reichlich ausgefallen und glücklich eingebracht worden. Aber die Obstemdte hat durch den Nachtfrost in den Morgenstunden des 29ten April bey scharfem Nord-Wind durch Zerstörung und Tödtung der Baumblüthe schrecklich gelitten, so daß der Ertrag der Obstbäume, besonders der Pflaumen, sehr dürftig ausfallen wird. Raupen, Maikäfer und Feldmäuse gab es fast gar nicht. — Trotz der so ungünstigen, unbeständigen Witterung war der Gesundheitszustand befriedigend und die Sterblichkeit gering.
Nur katarrhalische und rheumatische Leiden kamen zur Behandlung. Das hiesige Königl. Schullehrer-Seminar hat am 24ten und 25ten Junius seine zweite Aufnahme-Prüfung erhalten. Von den 30 Präparanden, die sich um Zulaßung zu derselben gemeldet hatten, konnten 3 nicht zugelaßen werden, weil sie noch nicht das vorschriftsmäßige Alter erreicht haben. Von den übrigen 27 sind 24 aufgenommen. Unter diesen sind 19 längere oder kürzere Zeit in der hiesigen Präparanden-Anstalt vorgebildet worden. Das Seminar zählt nun im zweiten Jahre seines Bestehens 48 Zöglinge. Am 7ten Julius wurde der zum Cantor an der Stadtkirche und zweyten Lehrer an der ersten Knaben-Bürgerschule an des dem 28ten Mai vorigen Jahres verstorbenen Cantor Thierbach Stelle gewählte Herr Lehrer Haupt aus Bromberg durch den Herrn Superintendent Leipoldt in Beysein von Vertretern des Magistrats und Schulvorstandes feierlich in sein neues Schulamt eingeführt, und am 12ten, den 6ten post Trinit trat er sein Kirchenamt an. In den ersten Tagen des Julius erschien Abends rechts an den obern Sternen des großen Bären ein in seiner Größe und Lichtstärke nicht sehr auffallender und daher die allgemeine Aufmerksamkeit wenig auf sich lenkender Comet; dann gieng derselbe immer tiefer nach dem nördlichen Horizont, und war vom 17ten an nicht mehr sichtbar.
Am 19ten und 20ten Julius hielt die hiesige Schützengilde ein Schützenfest ab, zu welchem Abtheilungen der Schützengilden von Eilenburg, Düben, Wittenberg, Gräfenhainichen, Bitterfeld und Zörbig am 19ten früh eintrafen, die meisten der fremden Gäste aber an demselben Tage spät Abends wieder abreisten. Am 20ten Julius Nachmittags 4 Uhr entstand auf einem Roggenfelde hinter Offenhauers Brauerei durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters Feuer Ohngefähr vier Mandeln Getraide wurden ein Raub der Flammen; nur schnell hinzu eilender Hülfe (darunter Mannschaften der Feuerwehr) gelang es weiterer Gefahr vorzubeugen. Die Feier des Tages von Sedan am 2ten September ist ganz ebenso, wie in den beyden letzten Jahren, sehr festlich begangen worden, nur mit dem Unterschied, daß diesmal zugleich ein Schuh und Kinderfest verbunden wurde, um in den Kindern schon früh patriotischen Sinn und die Liebe zum König und Vaterland zu erwirken; es war zu diesem Zweck von der Bürgerschaft eine Collecte veranstaltet worden, welche etwas über 200 Rtl. einbrachte, wovon die Kinder mit Kuchen und Bier bewirthet wurden. Ueberhaupt nimmt dieses Volksfest bey uns, wie in ganz Deutschland, immer mehr den Character eines wahren Nationalfestes an. Auch das Wetter war an diesem Tage sehr schön und warm. Schon seit längerer Zeit war der Magistrat darauf bedacht gewesen, die alte, krumme wegen ihrer steilen Auffahrt für Pferde und Wagen, besonders schwer beladene, wie die Landsberger Bruchsteinfuhren, recht gefährliche Hospitalbrücke abzubrechen und eine neue zu bauen. Anfangs des Junius erfolgte der Abbruch, und zu Michäelis war der Bau der neuen, breiten, maßiven, gerade gelegten mit 2 Bogen vollendet; er kostete mit dem schönen eisernen Geländer und den Pflasterarbeiten im Ganzen 1349 Rtl. 5 Sgr. Von dieser Summe erhielt der Steinsetzer F.Hinniger 42 Rtl. 20 Sgr. 8 Pf für Pflasterarbeiten zur Auspflasterung der Rinne von der neuen Hospitalbrücke bis an die blaue Taube; ferner E.Kohl in Landsberg 29 Rtl. 25 Sgr. für 4 Lowry hierzu verwendete Pflastersteine; sodann 1036 Rtl. 19 Sgr. 1 Pf der Maurermeister W.Voigt für Erd- und Maurerarbeiten so wie Lieferung der Materialien beym Bau der Fluthbrücke am Hospitale; hierzu sind 19733 Stück scharf gebrannte Mauersteine (das Tausend zu 15 Rtl.) verwendet worden; endlich bekam der Schloßermeister F.W.Bier für ein eisernes 72 Fuß langes, 2264 Pfund schweres Geländer an dießer Brücke 240 Rd. Der Thurm unserer Gottesackerkirche, welcher im Jahre 1829, um die damals dieser Kirche geschenkte Glocke in sich aufnehmen und tragen zu können, durchgreifend und gründlich reparirt wurde, war im Laufe der Zeit sehr defect geworden; bey näherer Untersuchung deßelben ergab sich auch, daß besonders die auf der westlichen Seite des Thurmes eingesetzten starken lciefernen Säulen großen Theils faul, brüchig und mürbe geworden waren, und man also zumal beym Lauten das Schlimmste, den Einsturtz, fürchten mußte. Man fing daher gleich zu Anfang des August an den Thurm abzutragen, und das dadurch im Kirchdache entstandene große Loch mit Brettern gut zu verschlagen, damit das Wetter, weder Regen, noch Schnee und Sturm dem Kirchboden oder der Orgel keinen Schaden zufügen kann; der Bau des neuen Thurms soll erst im künftigen Frühjahr statt finden. Bey der Abnahme des alten Thurmknopfes fand man in demselben die beyliegende abgedruckte Urkunde und einige Münzen.
Zu den berühmten Männern, welche ihrer Vaterstadt Delitzsch alle Ehre machen und zur Zierde gereichen, gehört auch der am 18ten September des Jahres als Lehrer und Organist an der Haupkirche in Sangerhausen verstorbene Richard Julius Voigtmann. Dieser junge, talentvolle Mann hatte sich in einem Zeitraum von nur sechs Jahren als musikalischer Schriftsteller, Componist, Orgel- und Pianoforte-Virtuos einen großen Ruf und Namen erworben; alle seine Arbeiten und Leistungen haben von competenten Fachmännern durchweg die günstigsten Recensionen und Kritiken erhalten; sein früher, hauptsächlich in Folge übermäßiger, aufreibender geistiger Anstrengung; an der Lungen- und Luftröhren-Schwindsucht erfolgter Tod ist ein bedeutender Verlust für die Kunst. Derselbe wurde geboren Sonntags den 21ten Februar 1847 früh um 1 Uhr. Sein Vater war der hiesige Webermeister Friedrich Traugott Voigtmann, die Mutter die jüngste Tochter des Bauergutsbesitzer Hoenemann im Dorfe Laue, Rosine. Diese wenigen Notizen nebst den in der angefügten Beylage befindlichen mögen hier genügen, weil die Voigtmanns Leben und Wirken, so wie sein Verhältniß als Pflegesohn zu mir, dem Verfaßer dieser Zeilen, betreffenden in meinem zweyten Familien-Actenstück von mir bereits ausführlich und wahrheitsgetreu mitgetheilt sind. Er verlebte in meinem Hause eine sehr glückliche Jugend, was er auch dankbar anerkannte und sehr zu schätzen wußte. Eine große Freude war es für ihn, daß er zu Pfingsten 1863 Gelegenheit hatte in der Gesellschaft seines treuen Freundes eine Reise nach Dresden und in die sächsische Schweiz machen zu können; sein Freund Herr Offenhauer hatte nämlich das Jahr vorher in die Kirche des bey Pirna liegenden Dorfes Rosenthal eine schöne neue zweymanualige Orgel gebaut, welche er noch einmal revidiren wollte; die Aufnahme Beider daselbst war sehr anständig und gastfrei.
Auf das rauhe und sehr unfreundliche im Frühjahr folgte im Witterungslauf ein sehr schroffer Wechsel und Umschlag; denn gleich vom Anfang des Julius an trat bey dem noch immer anhaltendenWest und Nord-West-Wind aber hohem Barometerstande (B.28,1-28,4) wie auch Thermometerstande (Th. +30-34 N.M. in der Sonne) große Hitze und Dürre ein, auch der gänzliche Mangel an Landregen viel mit beytrug, denn die zwey sehr schweren Gewitter mit starkem Regen am 4ten Julius früh von 7 % Uhr bis 9 Uhr und das am 8ten Julius früh von 7-8 Uhr konnten diese nicht ersetzen: Im August hatten wir bey derselben Windrichtung aber mehr niederm als hohem Stande des Barometers weit mehr trübe, kühle und stürmische Tage, als helle und milde gehabt. Am 8ten Abends um 6 Uhr ein unbedeutender Gewitterregen. Die große Dürre dauerte fort, und der Waßerstand in den Bächen und Flüßen war so äußerst niedrig, wie ihn die ältesten Leute nicht erlebt haben. Die Witterung in der ersten Hälfte des September hatte in jeder Hinsicht die größte Aehnlichkeit mit der des August; die Mehrzahl der Tage war trübe und rauh bey Nord-West-Wind; in der zweyten Hälfte des September hatten wir bey wechselnden West-Wind und Süd-West-Wind so wie auch Süd-Ost-Wind desgleichem hohem Barometer-und Thermometerstande durchweg sehr schöne und warme Herbsttage; die große Dürre hielt aber ferner an; in Folge davon hatten die Feldmäuse in schrecklicher Weise wieder sich vermehrt. Was die Erndte betrifft, so ist zu bemerken, daß die Roggen-und Weizenerndte als eine gute zu bezeichnen ist, weil das Wintergetraide durch die sehr fruchtbare Witterung des Frühjahres in seinem Wachsthum schon gesichert war; dagegen kann man die Gersten-und Haferernte wie auch die Kartoffelerndte wegen der schon zu Anfang des Julius aufgetretenen anhaltenden Dürre nur als mittelmäßig gelten laßen; doch ist in Bezug auf die letztere ausdrücklich zu erwähnen, daß im Allgemeinen der Ertrag der Kartoffeln weit beßer ausgefallen ist, als man ursprünglich nicht ohne Grund befürchtete. Die Grummeterndte war befriedigend, aber die der Futterkräuter sehr dürftig, weshalb auch der Preis der Butter, das Stück 9 bis 10 Sgr. so enorm hoch gestiegen ist. Ueberhaupt ist die seit dem Jahre 1845 eingetretene, in der Geschichte beyspiellose Theuerung aller Lebensbedürfniße, diese große Calamität immer noch da, und nicht abzusehn, wenn sie aufhören wird. Trotzdem hat im Gegensatz dazu die Vergnügungssucht und der schreckliche Copus, besonders des weiblichen Geschlechts, gewaltig überhand genommen; eine Zeit der Heimsuchung wird zumal bey der so tief gesunkenen Religiosität und Moralität nicht ausbleiben. —
Die Getraidepreise waren zu Michäelis in Halle nach dem Centner berechnet folgende: Weizen 3 Rtl. 14 Sgr.2 Pf. Roggen 3, 4, 1, Gerste 3, 10, 6, Hafer 3, 10, 6, Kartoffeln 1, 6, 3, Obst ist wenig gewachsen und sehr theuer.
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht befriedigend und die Sterblichkeit bedeutend. Zur Behandlung kamen besonders Durchfalle, Ruhren, Cholerine, Cholera, katarrhalische und rheumatische Leiden; alte starben nicht wenige am Schlagfluß oder Marasmus senilis, und von den Schwindsüchtigen, welche sehr durch den Witterungswechsel täglich litten, ebenfalls viele. Am 6ten October Nachmittags um 2 1/2 Uhr erschoß sich auf dem nach Gertitz führenden Wiesenwege ein seither hier in Arbeit gewesener Schneidergeselle Kultscher aus Limbach. Mittelst eines Terzerols hatte sich derselbe in den Mund geschoßen, in Folge deßen der Kopf derartig zersplittert war, daß der Tod sofort eintrat Von der furchtbaren Wirkung des Schußes zeugt das ganz verbogenen Terzerol, wie auch der Umstand, daß die Nase und ein Stück Oberkiefer des Erschoßenen ohngefähr 30 Schritte von der Unglücksstätte aufgefunden wurde. Veranlaßung zu diesem Schritte soll, wie man sagt eine gerichtliche Vorladung sein, welche demselben wegen Betheiligung an der am 26ten September Abends hier statt gefundenen erschrecklichen Schlägerei zugeschickt worden ist. Seit dem lten October, wo das Gesetz wegen Einführung der Civilehe in Kraft getreten ist, ist auch bey uns ein Standes-Amt errichtet worden, wozu im Parterre des Rathhauses ein besonderes Zimmer zweckmäßig eingerichtet worden ist. Die Standesbeamten sind der Herr Bürgermeister Reiche und als deßen Stellvertreter der Herr Magistrats-Aßeßor Heintze und der Stadtsecretär Braune. Im September wurden auch bey uns, wie an unzähligen anderen Orten, noch sehr viele kirchliche Trauungen vollzogen. An die Stelle des am Iten October nach Dresden abgegangenen Lehrers Krebs ist der bisherige Seminarist zu Elsterwerda Herrmann Paul Eicke, Sohn des Lehrers Eicke in Großkyhna, und an die Stelle des am lten October nach Gera abgegangenen Lehrers Rosinski, der aus Leimbach gebürtige Lehrer Friedrich Julius Voigt, am lten October von Stolzenhein bey Schönewalde hier getreten. Vom 17ten November vorigen Jahres ist noch folgende wichtige Notiz hier zu verzeichnen: An diesem Tage erhielt unser vieljähriger berühmter Landtags- und Reichstags-Deputirter, der Herr Kreisrichter Herrmann Schulze in Potsdam, geboren zu Delitzsch den 29ten August 1808, der alte Freund des Verfaßers dieser Zeilen, wegen seiner großen Verdienste in der Volkswohlfahrt durch Gründung von Aßociationen und besonders Vorschußkaßen und eines neuen für diese Fälle geschaffenen Rechtes von der Juristen-Facultät der Universität Heidelberg das Diplom als Doctor Juris honoris causa. Schulze hält blos an dem Prinzip der Selbsthülfe fest, und mag von Lasalle, Liebknecht, Bebel pp. Nichts wißen.
Die Wünsche und Hoffnungen, welche die hiesigen Lehrer bezüglich der Einführung einer neuen Gehaltsscala hegten, sind nun in Erfüllung gegangen, und werden dieselben nach dreimal erfolgter Erhöhung in einem Zeitraum von nur fünf Jahren jetzt hoffentlich auf lange Zeit zufrieden gestellt seyn. Durch die am lten Januar kommenden Jahres hier eintretende neue Scala, welche mit einem Minimalsatze von 300 Rtl. beginnt und von 5 zu 5 Jahren um 50 Rtl. bis zum Maximum von 600 rsp. 650 RT1. steigt, werden die Delitzscher Lehrer den günstiger situirten Collegen unseres Regierungsbezirkes gleich gestellt. Die einstimmige Bewilligung der in der That sehr bedeutenden Erhöhung des Schuletats von Seiten des Magistrats und der Stadtverordneten ist gewiß ein erfreuliches Zeichen, daß in den Vertretern unserer Stadt diejenigen Männer vereinigt sind, die eine richtige Würdigung des Lehrerberufs und ein Verständniß für die Bedürfniße der Schule mit Opferwilligkeit verbinden. Besonderes Verdienst um das Gedeihen unseres Schulwesens hat sich der Herr Bürgermeister Reiche erworben, der die Bildung der Jugend als einen der wichtigsten Gegenstände seiner Fürsorge erkennt; er hat daher, so lange er an der Spitze unseres Magistrats steht, schon viel für die Verbeßerung der äußeren Stellung der Lehrer gethan, und auch die jetzt vorliegende Erhöhung der Gehaltsscala ist vorzugsweise sein Werk. Mögen die großen Opfer, welche wir der Schule bringen, nicht unbelohnt bleiben, und diese thatsächliche Anerkennung der Bedeutung des Lehrerstandes nicht nur unserer Gemeindevertretung zur Ehre, sondern auch den Lehrern zu einem neuem Antrieb und Sporn zu treuer und gewißenhafter Pflichterfüllung und somit der Schule zum Segen gereichen; denn dann ist das, was für dieselbe gethan wird, eine Aussaat für die Ewigkeit. —
Seit vorige Ostern ist in unserer Nachbarstadt Delitzsch ein Musterseminar für Zöglinge, die sich dem Lehrerstand zu widmen gedenken, errichtet worden. Um nun die jungen Seminaristen mit der exactesten Ausführung des höheren Kirchengesangs näher bekannt zu machen, hat der treffliche Herr Seminar-Director Trinius dem Cultusminister Dr. Falk in Berlin den Wunsch zu erkennen gegeben, einer Motette in der Leipziger Thomaskirche beyzuwohnen, welcher Vorschlag höchsten Orts bereitwilligst genehmigt wurde. Am 14ten November reiste nun unter Leitung ihres Directors das Zöglingspersonal des Delitzscher Seminars, zugleich in Begleitung mehrerer Oberlehrer und des Musikdirectors Kuntze auf Kosten des Staats, nachdem deren Ankunft bereits vorige Woche dem Herrn Profeßor Richter gemeldet worden, nach Leipzig. Am Berliner Bahnhof wurde das Seminar vom Herrn Commißionsrath Kahnt hier empfangen, zur Stadt geleitet und nach kurzer Restauration in der Centralhalle wurden verschiedene Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt, als dann zur Anhörung der Motette geschritten. Zu diesem Zwecke waren vom Herrn Prof Richter gewählt worden: 1, Sanctus und Benedictus aus der 16stimmigen Mißa von Ed. Grell;(zum ersten Male); 2, Psalm 22:Mein Gott, warum hast Du mich verlaßen pp. 8stimmige Motette von Mendelssohn. Wie groß die Anziehungskraft des jetzigen Thomanerchors ist, ging auch gestern wieder aus dem zahlreichen Besuch der Kirche, die von Zuhörern angefüllt war, hervor. Die fremdem Gäste, resp.deren Director und das übrige Lehrerpersonal waren vom Herrn Profeßor Richter freundlich begrüßt worden, und die wahrhaft meisterhafte Ausführung der beyden complicirten Kunstgesänge hinterließ einen tiefen und sichtbaren Eindruck auf alle Zuhörer. Nach Beendigung der Motette unternahmen die Delitzscher Gäste, 47 Köpfe stark., einen Spatziergang in das Rosenthal und darauf einen Ausflug per Pferdebahn nach Connewitz, wozu das schöne Wetter besonders geeignet war. Die Rückkehr nach Delitzsch erfolgte mit dem Dampfzug Abends 6 Uhr. Sämmtliche Gäste waren von dem erbauenden Kunstgenuß in der Thomaskirche und den intereßanten Erlebnißen des übrigen Tages auf das Höchste befriedigt und schieden mit dankbarer Anerkennung von dem ihnen in wenig Stunden so lieb gewordenen Leipzig, in der Hoffnung, daß sich dieser Besuch von Zeit zu Zeit wiederholen werde. (Aus dem Leipziger Tageblatt.) —
Dem Candidat des höheren Schulamts Christian Julius Gustav Haacke, geboren den 9ten Januar 1847 zu Rogaetz in der Provinz Sachsen, gebildet auf dem Domgymnasium zu Magdeburg und der Universität Halle, welcher seit dem fiten October 1873, zugleich zur Absolvirung seines Probejahres, an der hiesigen höheren Bürgerschule beschäftigt war, ist seit dem lten October dieses Jahres die 6te ordentliche Lehrerstelle an derselben Anstalt mit einem Gehalt von 600 Rtl. definitiv verliehen worden. Neubauten von Wohnhäusern und bedeutenden Etablißements haben in diesem Jahre nur einige statt gefunden Ein neues Wohnhaus ist von dem Factor Karl Kiessler gebaut worden in der Angerstraße. Sodann haben die Gebrüder Bruno und Rudolph Schaaf Söhne des frühern Hotel-Besitzers zum Schwan die, wie man allgemein hört, das Schicksal durch eine reiche Heirath beglückt haben soll, an der Leipziger Chaußee ein Wohnhaus, so wie eine große Dampfmahlmühle zu bauen angefangen, ersteres noch bis zum Winter ganz unter Dach, von letzterem Gebäude jedoch nur den einen Flügel unter Dach gebracht.
Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft in Berlin hat im verfloßnem Jahre 1874 an Communal-Einkommen-Steuer 330 Rtl. zur Steuereinnahme gezahlt. Der Witterungslauf im October war mehr gleichförmig; wir hatten in diesem Monate bey vorherrschendem West und Süd-West-Wind und höherem Barometer- wie auch Thermometerstande (in der Sonne Nachmittags +24 bis 30 R.) größten Theils sehr schöne und warme Herbsttage; da diese nun bereits seit der Mitte des September eingetreten waren und bis zur letzten Woche des October anhielten, sowar dies gewiß die Ursache, daß wider alle Erwartung die Weinerndte bey uns recht gut und in Süddeutschland sogar vorzüglich in der Qualität, der Entwicklung des Zuckerstoffs ausfiel. — Im November war das Wetter bey vorwaltendem Nord-Ost und Nord-West-Wind, geringen Kältegraden und gelindem Frost, so wie in der ersten Hälfte des Monats sehr hohem Barometerstande (am 8ten 28,6, am ten dichter Nebel, dann hell Barom.28,4) trübe, rauh mit Regen, Nebeln und Schnee, welcher aber bald wieder schmolz, abwechselnd; in der zweyten Hälfte des Monats war der Stand des Barometer bedeutend niedriger und blieb es auch im December, in welchen die Witterung ziemlich in derselben Weise bey mitunter wechselnder Windrichtung nach Nord-Ost und Süd-Ost überging. Wir hatten nur wenige und schwache Fröste, am 9ten in der Nacht einen heftigen Weststurm mit Regen(Barometer 27); am 12ten fiel bey Süd-Ost-Wind Schnee(Barom.27,2); ferner fiel Schnee vom 15ten bis 18ten, und besonders sehr stark bey Nord-West-Wind vom 20ten bis 24ten des Monats (Thermometer früh-5, dann Nachmittags-2). Am 25ten und 26ten zogen mehrere Züge wilde Gänse in der Höhe von Nord-Ost nach Süd-West vorüber; dies deutet in der Regel auf Kälte.
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht viel beßer als im vorigen; denn, wenn auch die Cholera, Ruhr und die Durchfälle aufgehört hatten, so kamen doch immer noch viele asthmatische, katarrhische und rheumatische Leiden besonders in Folge der sehr rauhen, schroff wechselnden Witterung des November und December, welche vorzüglich den an der Lungen- und Kehlkopfsschwindsucht Leidenden verderblich ward, zur Behandlung; die Sterblichkeit war nicht gering. In der nächsten Umgegend herrschten die Masern epidemisch. — In diesem ganzen Jahre starben in unserer evangelischen Kirchengemeinde 222 Personen, worunter 120 Kinder in den ersten 6 Jahren, 47 Alte über 60 Jahre. Geboren wurden 364 Kinder, mithin 142 mehr, als Personen verstorben. Vor 100 Jahren sind gewesen 130 Geborne und 118 Verstoorbene. — Die Einwohnerzahl beträgt nach der für das künftige Jahr aufgestellten Klaßensteuer-Rolle 8170. Nachdem bereits seit dem Julius 1855 bis zum Ende des Jahres 1859 auf dem Betrieb des damaligen Bürgermeisters Hagedorn von der hiesigen Commun die Anlage eines Braunkohlenwerkes im Rosenthal mit Verschwendung und einem Verlust von fast 40000 Rtl. unternommen worden, das Unternehmen aber in diesem Zeitraum wegen der Durchbohrung der Braunkohle nicht zu bewältigenden Waßerfluth und des Triebsandes viermal total verunglückt ist; so hat sich dennoch jetzt eine Anzahl wohlhabender Bürger und Landleute vereinigt zu dem Zweck das Werk vielleicht noch in Gang zu bringen. In geringer Entfernung von den Halleschen Scheunen linker Seits der Straße fingen nun die Bergleute, deren Arbeiten der Bergrath Peter aus Halle leitete, zu Anfang des April an zu bohren, eine Locomobile wurde in Leipzig gemiethet.(S.d.Statut).
1875
Der Communal-Zuschlag für das Jahr 1875 ist auf den Antrag und Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung zur Grund-und Gebäudesteuer auf 33 1/3 Procent, zur Klaßen-und Einkommensteuer auf 100 Procent festgesetzt. Am 2ten Februar Abends 5 Uhr fand in der Sitzung der Stadtverordneten die Einführung der beyden neu gewählten unbesoldeten Magistrats-Aßeßoren, des Agent Sattler und des Fabrikant Schroeter durch den Bürgermeister Reiche statt. Am 9ten Februar Abends 9 Uhr starb der Director der hiesigen Königl. Strafanstalt Johann Carl Rabe, 59 Jahre alt.
Am 7ten Maerz, dem Sonntag Laetare, wurde am breiten Thor im Stadtgaben in der Nähe des im vorigen Jahre vom Kaufmann Haertel neu erbauten Lagergebäudes der Leichnam eines neugebornen Mädchens aufgefunden, um deßen Hals eine Schnur gelegt war. Als Resultat der am folgenden Tage angestellten Section und vorgenommenen Lungenprobe erklärte der Herr Kreisphysilcus Dr.Kanzler, daß das Kind unbedingt gelebt habe, zuerst erdroßelt und dann in den Stadtgraben geworfen worden sey, in welchem es aber mindestens vier Wochen unter dem Eise gelegen haben müße, nach deßen Schmelzen daßelbe aber durch die Fäulniß an die Oberfläche empor gehoben ward. Am Gymnasium zu Bielefeld ist die Beförderung des Dr. phil.Friedrich Holzweissig zum Oberlehrer genehmigt worden. Dieser junge, talentvolle Mann verdient schon als unser Landsmann, noch weit mehr aber wegen seiner vortrefflichen geistigen Begabung, Bildung und Leistungen hier eine rühmliche Anerkennung und Auszeichnung.
Derselbe wurde geboren in der Amtsvorstädtischen, unmittelbar an die Stadt Delitzsch angrenzenden und seit dem 15ten October 1862 auf Königl. Befehl mit ihr factisch für immer vereinigten Gemeinde Grünstraße, den 27ten October 1846, wo sein Vater, den er aber als Knabe von acht Jahren schon wieder verlor, ein rechtschaffner, schlichter Handarbeiter war. Nach dem Tode deßelben lebte die Mutter, eine verständige sehr fleißige Frau, mit ihrem Sohne hauptsächlich von Cigarren-Arbeit, heirahtete aber später einen Lohgerbergesellen, der jedoch das sich Bahn brechende Genie seines begabten Stiefsohnes nicht begriff; und daher wenig Intereße für denselben hatte. Nach vollendetem fünften Jahre besuchte er nun die hiesige Bürgerschule, wo die betreffenden Lehrer in den Claßen die sehr guten Fähigkeiten dieses Schülers bald richtig erkannten, und ganz besonders der damalige Cantor Thierbach sich des armen Knaben von seinem neunten Jahre an vorzüglich annahm, durch Ertheilung von Privat-Unterricht in den Elementen der lateinischen, griechischen und französischen Sprache ihm nachhalf, und es auch bey unserm damaligen ausgezeichnetem Rector Giesel noch bewirkte, daß er in der höheren Bürgerschule an den Unterrichtsstunden in den eben erwähnten Sprachen unentgeldlich mit Antheil nehmen konnte. Ebenso verschaffte ihm der Cantor Thierbach durch seine Fürsprache bey mehreren hiesigen und auswärtigen edlen Menschenfreunden Unterstützung an baarem Gelde. Zu Ostern 1861 gieng er nun wohl vorbereitet auf das Gymnasium zu Wittenberg, ward gut aufgenommen und erhielt seinen Platz in der zweiten Ordnung von Obertertia. Sehr bald erwarb er sich die volle Zufriedenheit seiner Lehrer, erhielt auch durch deren Empfehlung und Verwendung Stipendien und Familien- Freitische. Zu Ostern 1866 verließ er nach sehr gute bestandener Abiturienten-Prüfung das Gymnasium zu Wittenberg mit dem Zeugnis der Reife, und begab sich auf die Universität nach Halle, um daselbst Theologie
und Philologie zu studieren. Auch hier erwarb er sich bald durch seine moralischen und intellectuellen Vorzüge Freunde und Gönner, welche ihn mit Stipentien und Freitischen unterstützten; auch erhielt er das bekannte, für Theologen und Juristen gegründete, Delitzscher Dr. Schulzesche Stipentium auf drei Jahre, jedes Jahr 50 Thaler. Von Ostern 1869 an bis Michael 1870 absolvirte nun dieser hoffnungsvolle junge Mann, welcher mit vollem Recht zu den Zierden seiner Vaterstadt gehört, in schneller Aufeinanderfolge seine theologischen und philologischen Examina bey den betreffenden Prüfungs-Commißionen, promovirte auch am 8ten Julius 1870 bey der philosophischen Facultät in Halle zum Dr philosophiae, und ist auch noch als Schriftsteller in einem Werke über Kirchengeschichte aufgetreten. Er gehört übrigens der liberalen Richtung an, und hat auch in seinen Predigten wegen ihrer Klarheit blühenden Styles und schönen Vortrags viel Beyfall geerndtet. Michael 1869 bis Michäel 1871 war derselbe am Gymnasium zu Stendal mit 600 Rtl. Gehalt angestellt; von Michael 1871 aber wurde er als Lehrer an das Gymnasium zu Bielefeld mit 800 Rtl. Gehalt, der seit einem Jahre auf 1100 Rtl. erhöht worden ist, berufen, wo auch jetzt seine Beförderung zum Oberlehrer im März erfolgte. Möge Gott nur dem Herrn Dr.H., der im letzten Herbst an einem Halsübel mit Bildung von Drüsen, Absceßen sehr leidend war, stets eine recht dauerhafte Gesundheit verleihen; dies ist der herzlichste Wunsch des Verfaßers dieser Zeilen.
Ein treuer Arbeiter im Weinberge des Herrn ist zum ewigen Frieden eingegangen. Unser früherer allgemein hochverehrter Herr Superintendent und Oberpfarrer Carl Friedrich Foerster ist am 12ten Maerz früh gegen 1 Uhr als Pfarrer in Langenweddingen im 76ten Lebensjahre verstorben. Derselbe wurde geboren im Dorfe Dabrun bey Wittenberg, wo sein Vater Pfarrer war, den lten October 1799. Den Elementar-Unterricht in der christlichen Religion und den beyden alten Sprachen ertheilte ihm sein Vater, welcher ihn auch zu Ostern 1813 auf die Fürstenschule nach Grimma, deren Rector damals der berühmte Philolog M. Sturz war, brachte. Hier erwarb sich F. eine gründliche, literarische altklaßische Bildung, welche ihn auch später noch im Umgange mit andern Gelehrten stets auszeichnete. Zu Ostern 1818 verließ er Grimma und bezog die Universität zu Halle, um Theologie zu studieren. Nach vollendeten dreijährigen Cursus verwaltete er 2 Jahre eine Hauslehrerstelle, während welcher Zeit er zugleich seine beyden theologischen Examina mit Auszeichnung bestand. Hierauf wurde derselbe am lten Februar 1824 als Pastor Substitutus in Schmiedeberg angestellt, erhielt aber schon 1826 das Pfarramt in Zwethau bey Torgau., von wo aus 1838 seine Berufung als Superintendent und Oberpfarrer nach Lützen erfolgte, und dann besonders auf seines Gönners, des Bischofs Draesecke Empfehlung am 7ten Februar 1841 seine Versetzung nach Delitzsch in gleicher Eigenschaft statt fand. Seine lange Amtswirksamkeit unter uns war der Glanzpunkt und die höchste Blüthe unseres nach seinem Scheiden von uns leider nur zu bald verwelkten und erstorbenen kirchlichen Lebens. Da er im Alter von der Verwaltung des lästigen, von ihm fast 20 Jahre lang verwalteten Ephoral-Amtes gern befreit zu seyn wünschte, so versetzte ihn das Magdeburger Consistorium am lten September 1856 auf die sehr einträgliche Pfarrstelle nach Langenweddingen. Hier nahm er in seinen letzten sechs Lebensjahren im Gefühl der Abnahme seiner Kräfte noch einen Hülfsprediger an, feierte unter großer Theilnahme von Nahe und Fern am lten Februar 1874 sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum, bey welcher Gelegenheit ihm von Sr.Majestät dem Kaiser der Königl. Kronen-Orden dritter Klaße verliehen wurde, und starb an Altersschwäche am 12ten Maerz 1875. Foerster war ein sehr liberaler, freisinniger Theolog, frei von jeder exclusiven und extremen Richtung, sein Wahlspruch war „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." Seine Predigten zeichneten sich durch Originalität, Reiz der Neuheit, Klarheit, meisterhafte Benutzung des Textes und der Zeitverhältniße, und strenge logische Disposition sehr vortheilhaft aus; sie waren sehr lehrreich und in einer edlen populären Sprache verfaßt, und wirkten überhaupt durch den Verstand auf das Herz, mithin auf Bildung des Geistes so wie auf moralische Veredelung; hierzu kam noch die Action und Declamation dieses vortrefflichen Kanzelredners, welche nichts zu wünschen übrig ließen, und sein starkes wohlklingendes Stimmorgan, welches unsere große Stadtkirche vollständig ausfüllte. Ueber die Person und Natur Jesu Christi sprach er sich in einer am 18ten p.Trin, 1842 gehaltenen Predigt als strenger Monotheist dahin aus „daß uns der Glaube an die göttliche Natur deßelben für die Bedürfniße unseres Geistes und Herzens unentbehrlich sey."
Die Witterung war im Januar bey vorherrschendem West und Süd-West- Wind mehr hohem als niederm Barometerstande gewöhnlich trübe, milde, regnigt mit Schnee vermischt, welcher bald gleich wieder schmolz; kältere Tage bis —5 und —10 Reaum. Früh waren nur der 2te, 27te, 30te und 3 lte; vom 22ten bis 26ten hatten wir Gewitterstürme mit Schnee, und am letzterem Tage tobte aus Nord-West ein heftiger Orkan. (Barom. 27,9, und stieg den 27ten auf 28,5, worauf es am 3 lten die Höhe von 28,7 erreichte) Am 6ten und 7ten war dichter Nebel (Barom.28,3). Im Februar fiel gleich vom 2ten an bis zum 12ten bey gelinden Kältegraden und vorherrschendem Nord-Ost und Nord-West-Wind fast täglich vieler Schnee bey hohem Barometerstande; bey diesem und bey Süd-West-Wind traten aber nun vom 13ten an höhere Kältegrade ein(Therm. —10 und 14 früh 7Uhr), welche vom 16ten an, wo früh dichter Nebel und Abends Thauwetter war, bey der veränderten Windrichtung nach Nord-West, deßgleichen am 17ten, dem Quartalstage, nach Nord-Ost bis zum Ende des Februar anhielten, und die Strenge des Winters recht fühlbar machten. Im Maerz blieb die Windrichtung dieselbe, ebenso auch der hohe Barometerstand derselbe, bey diesem nur mit dem Unterschied, daß öfters auffallend bedeutende Schwankungen beobachtet wurden, wie z.B. vom 18ten bis 20ten; am ersteren Tage stand das Barometer bey Ost-Wind auf 28,6, und am letzteren bey West-Wind mit einem gewaltigen Schneesturm Nachmittags 2 Uhr auf 27,7. Sehr dichte Nebel hatten wir am 4ten, Sten, 6ten, 17ten, 25ten und 3Iten, Sturm auch am l0ten; Schnee fiel vom 19ten bis 22ten so wie am 29ten; schön waren blos die Tage vom 13ten bis mit 16ten. Die Kälte stieg an einigen Tagen früh 7 Uhr auf —7Reaum. Uebrigens hat die Erde Winterfrucht genug erhalten. — Der Gesundheitszustand war höchst ungünstig und die Sterblichkeit bedeutend; katarrhalische und rheumatische Leiden, Entzündungen der Hals- und Brustorgane kamen oft vor, so wie auch besonders schnell tödliche Anfälle von Gehirn-, Herz-und Lungenschlag bey alten und jungen Personen.
Die hiesige Schützengilde schaffte sich einen Leichenwagen an, welcher vom Herrn Wagenfabrikant J.Bomilciel in Eilenburg für den Preis von 320 Rtl. gefertigt, und am 14ten Maerz des Jahres hier der Schützengilde überliefert wurde, welche denselben von nun an zur Verfügung des Publikums bey Beerdigungen stellte gegen eine nach den verschiedenen Begräbniß-Klaßen bestimmte Gebühren-Taxe für Benutzung des Wagens, die in der I Klaße 10 Rtl., in der II, 8 Rtl., in der III. 6 Rtl. beträgt. Am Abend des 26ten September vorigen Jahres hatte von 8 bis 9 Uhr auf dem Roßplatze ein Aufruhr mit Schlägerei statt gefunden, deßen Verlauf und gerechte Bestrafung in der hier angefügten Beylage des Delitzscher Kreisblattes vom 17ten April des Jahres wahrheitsgetreu mitgetheilt ist. 5.5.580. Nachdem bereits seit Anfang der Jahre 1870 und 1873 die sämmtlichen Lehrer unserer Stadtschulen angemeßene Gehaltszulagen bekommen hatten, deßen ungeachtet aber immer wieder neue Klagen über die Unauskömmlichkeit ihrer Stellungen im Leben laut wurden, so entschloß en sich nunmehr der Magistrat und die Stadtverordneten zur Einführung einer neuen Gehaltsscala, nach welcher die Erhöhung der Gehalte der Lehrer mit größter Liberalität und in so bedeutendem, man mögte fast sagen überreichem Maaße vom Anfang des Jahres an bewilligt worden sind, daß diese Herren nunmehr gewiß auf eine lange Reihe von Jahren hoffentlich vollkommen zufrieden gestellt seyn werden. Die beyliegende vom Herrn Kämmerer Ufer geferigte tabellarische Uebersicht giebt hierüber die vollständigste Uebersicht.
Die Stadtcommun kauft laut Kaufs vom 16ten Februar 1875 mit dem Besitzrecht vom lten April des Jahres ab von dem Handarbeiter August Thieme das demselben gehörige, hierselbst am Ende der Grünstraße gelegene Wohnhaus(das frühere Gemeindehaus der Amtsvorstadt Grünstraße) für den Preis von 700 Rtl , und zwar zu dem Zweck, um später durch Abbruch deßelben eine breitere Paßage von der Eilenburger Landstraße nach der Grünstraße zu gewinnen. Am 1 lten und 12ten Mai wurde hier die Feier des 25jährigen Jubiläums des hiesigen Vorschuß- Vereins wie des Genoßenschaftswesens überhaupt in der „Stadt Leipzig" festlich begangen. S.d.Beilage zu pag. 594. Da in Folge einer Verordnung sämmtliche geistliche Stellen der Monarchie, deren jährliche Einkünfte noch nicht volle 600 Rtl. betragen, von den Gemeinden bis auf diesen Minimalsatz erhöhet werden müßen, so erhalten nunmehr auch unsere des erstenDiaconen vom Anfang vorigen Jahres an dem entsprechende Gehaltszulagen, und zwar der Archidiaconus 27 Rtl und der Diaconus 50 Rtl. zur Erffillung dieses Minimalsatzes aus der Kirchenkaße. Auch erhält von Anfang dieses Jahres an der erste Kirchenvorsteher als Rendant der Kirchenkaße eine Gehaltszulage von 40 Rtl. jährlich. In Folge der am 4ten, Sten, l0ten und 11ten Junius statt gefundenen starken Gewitterregen war der Lober bedeutend angeschwollen und wurde bey dieser Gelegenheit ein seltener
Fang gemacht. Im Teiche an der Elberitzmühle waren die Garnsäcke zum Fischfangen aufgestellt, leider hatten sich trotz des vielen Waßers nur einige kleine Fische in denselben gefangen, dagegen fand man in einem der Garnsäcke eine Schildkröte vor. Dieselbe ist der hiesigen Bürgerschule, Herrn Rector Niebecker, übergeben worden. Vor Kurzem wurde von Bitterfeld aus über einen gleichen Fang berichtet, über welchen man derzeit sehr staunte; nachträglich stellte sich jedoch heraus, daß dieselbe einem Privatmann entflohen war; jedenfalls ist dies bey der hierselbst gefangenen Schildkröte auch der Fall. Die diesjährigen Süß- und Sauer-Kirschen auf den hiesigen städtischen Alleen sind im Junius zu folgenden Preisen verpachtet worden: I, am Schießplatze nördlich von Thormanns Besitzung Chaußee an bis an die Schenkenberger Flur, an den Oebster Grosch für 15 Rtl. 10 Sgr.; II, am Zschernitzer Wege an den Oebster Pabsch für 60 Rtl.; III, am Groß-Kyhnäer Wege; am Gertitzer Schulwege, Gertitzer Wege, Queringer Wege an den Oebster Hoffmann von Bitterfeld für 30 Rtl, 10 Sgr.; IV, am Lißäer Wege, an der Leipziger Chaußee bis an die Brodauer Grenze am Pfeffermühlenwege an den Oebster Grosch für 304 Rtl.; V, an der Eilenburger Straße bis an den von Döbernitz nach Beerendorf führenden Communicationsweg an den Gas-Inspector Jenke für 23 Rt!,; VI, an der Dübener Straße bis an den Fluthgraben in Verbindung mit dem Wege an der Pflaumen-Plantage und am Werbener Wege an den Oebster Prause für 31 Rtl. Die Totalsumme des Pachtertrages beträgt mithin 463 Rtl. 20 Sgr. Die Witterung im April war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und bey sehr schwankenden, bald höherem bald niederm Barometerstande weit mehr trübe, kühl und rauh, als hell und milde; am 6ten Abends von 8-9 Uhr und am 28ten von 2-3 Uhr Nachmittags hatten wir Gewitterregen; am 12ten früh war Nebel, und am 15ten fiel Schnee und Regen. Dieselbe unfreundliche und rauhe Witterung hielt den ganzen Mai hindurch an bey beständigen Barometer-Schwank- ungen und fast täglich veränderter Windrichtung in der ganzen Windrose. Landregen hatten wir am lten, 8ten, lOten früh, Nachmittags von 2-4 Uhr an demselben auch einen starken Gewitterregen, ferner in den Nächten des 11ten und 23ten Mai Landregen. — Die Nachwirkungen der seit einem Jahre anhaltenden großen Dürre hatten den Feldfrüchten in ihrem Wachsthum und Gedeihen sehr geschadet, auch die Preise der Lebensmittel, des Fleisches, der Eier, der Butter pp. auf der Höhe erhalten; um so erfreulicher war es und Gott zu danken, daß gleich vom Anfang des Junius an mit dem Eintritt der heißen Tage(Thermometer +28-30) sich bey West und Nord-West-Wind sehr starke und schwere Gewitter bildeten, welche unsere verdorrten Fluren erquickten. Solche Gewitter hatten wir nach vorhergehender drückender Schwüle am 4ten Junius Abends von 8-9 1/2 Uhr und am Sten früh von -10 Uhr, welche beyde mit gewaltigen Donnerschlägen und strömenden Regen sich entladeten. Weitere Gewitter folgten noch am lOten Abends von 4 1/2 - 5 Uhr, am 1 lten um 2 Uhr Nachmittags; am 15ten Abends von 4-5 tobte ein heftiger Gewittersturm, aber ohne Regen. (Thermometer +25).
Außerdem hatten wir in diesem Monat noch sechs Landregen, am 6ten, 14ten, 18ten, 20ten, 24ten, 25ten; sie kamen sämmtlich in den Frühstunden in der Nacht, und waren besonders die beyden am 20ten und 25ten sehr stark. Der Barometerstand war in diesem Monat größten Theils niedrig. Bey solchem reichen Waßersegen wurde die Vegetation, die sehr zurück gekommen war, dadurch wie mit einem Zauberschlage neu belebt, was man besonders auf den Wiesen und Feldern sehen konnte; die außerordentliche Fruchtbarkeit hatte in acht Tagen das Versäumte nachgeholt. Die Heuerndte, obgleich um 14 Tage verspätigt, ist gut ausgefallen und glücklich eingebracht worden; die Kornähre, die den lten Mai erscheinen soll, zeigte sich erst den löten; trotzdem ist der Stand der Saaten so schön, daß die Erndte nur wenig Tage später beginnen wird. Uns hat also der merkwürdige Witterungslauf des Junius nur reichen Segen gebracht, wofür wir der Vorsehung nur danken müßen, während er in anderen Theilen der Provinz Sachsen, namentlich in Thüringen, besonders in der Naumburger Gegend sehr große Verheerungen durch Wolkenbrüche, Waßerfluthen und Hagelschlag angerichtet hat. — Was in dem Bericht über den Gesund- heitszustand des ersten Quartals Seite 592 gesagt ist, gilt ganz auch für dieses zvveyte, wobey noch zu bemerken ist, daß auch die Masern epidemisch auftraten und manches Opfer forderten, auch Diarrhörn sich zeigten, und die Zahl der an der Lungen-und Kehlkopfs-Schwindsucht Leidenden, besonders unter den jungen Fabrikarbeitern immer größer ward. Ueberhaupt war die Sterblichkeit bedeutend; sie betrug in den beyden Quartalen zusammen 180 Tode. Am lOten Juni fand man in der großen Spröde einen unbekannten Mann im Alter von 30-40 Jahren erhängt.
Am 17ten Julius Nachmittags 3 % Uhr entlud sich über unserer Stadt und einem kleinen Theil der Stadtflur eine Gewitterwolke bey sonst ganz heitern
Himmel, welcher sehr bedeutende Waßermaßen entströmten; zum Glück dauerte dieser Regenguß, welcher übrigens stark mit großen Graupeln vermischt war, nur etwa zehn Minuten. Ohne daß Jemand eine Ahnung davon hatte, erfolgte plötzlich ein Donnerschlag, der einzig heftige während des ganzen Wetters, welcher gewiß die große Mehrzahl der Mitbürger mehr oder weniger in Schrecken setzte. (Barom.27,10 Therm.+28. Ost-Wind). Hierbey schlug der Blitz in die vor einigen Tagen erst fertig gewordene riesige Dampfmühlen-Eße, an welcher man noch mit Anbringen des Blitzableiters beschäftigt war. Trotzdem noch die Fangstange fehlte, fuhr der Blitz an dem theilweise angebrachten Blitzableiter herunter, betäubte einen in der Nähe befindlichen Arbeiter, während ein anderer ein Stück hinweg geschleudert wurde. Auf dem noch herum liegenden Drahte vom Blitzableiter sah man kurze Zeit eine Flamme, die jedoch bald verschwand, ohne weiteren Schaden anzurichten. — An demselben Tage wurde Nach- mittags 4 Uhr der Koßath Ziesche auf der Seelhauser Feldmark durch den Blitz erschlagen. Derselbe hatte sich bey dem heftigen Regen hinter eine Roggenmandel geflüchtet. Dort schlug der Blitz ein und zündete sofort. Die Magd des Gutsbesitzers Boost zu Seelhausen hatte ebenfalls hinter derselben Mandel Schutz gesucht, ist aber durch den Blitzstrahl nur gelähmt worden Die der Commun gehörige Pflaumen-Plantage im Rosenthal und Hain ist im Julius für den Preis von 75 Rtl. an den Oebster Pabsch, und die Nußbaum-Allee auf der Südseite der Stadt für 1 Rtl. 10 Sgr. an den Oebster Edler verpachtet worden. Am 29ten Julius wurde der neu gewählte der Stadtverordneten-Versammlung durch den Bürgermeister Reiche in sein neues Amt als unbesoldeter Aßeßor eingeführt. Am 26ten Julius ereignete sich früh auf der Berlin-Anhalter Eisenbahn ein sehr beklagenswerther Unglücksfall. Der Handarbeiter Geissler, 74 Jahre alt, zur Zeit Kutscher bey Cigarren-Fabrikant, welcher mit einem mit 2 Pferden bespannten Wagen die Benndorfer Starße entlang fuhr, wurde von dem 7 Uhr 11 Minuten hier abgehenden Zuge bey Bude 7 an der Delitzsch- Bitterfelder Straße überfahren und sofort getödet; desgleichen blieb eines der Pferde auf der Stelle todt, während das andere trotz arger Verletzungen noch lebt. Wie man hört, trifft den Beamten keinerlei Schuld. Während derselbe die nördliche Barriere geschloßen, fuhr der pp. Geissler in das Terrain der südlichen Barriere, wodurch es dem Bahnwärter unmöglich wurde auch diese Seite zu schließen. Derselbe soll alle Kräfte aufgeboten haben, die Pferde rückwärts zu dirigiren, was ihm bey der Schnelligkeit, mit welcher der Zug heranbrauste, leider nicht gelang, und derselbe nur Mühe hatte, sein Leben in Sicherheit zu bringen. Am 3ten August feierte der Bauverwalter und Gürtlermeister Carl Krause sein Fünfzigjähriges Schützen-Jubelfest. Die Schützen-Compagnie holte den Jubilar aus seiner Wohnung Vormittags ab, und fahle ihn in der Mitte seiner beyden Söhne gehend, welche ebenfalls Schützen sind, auf das Schützenhaus. Hier war Mittags ein Festmahl veranstaltet und Abends ein Ball, und der Jubilar wurde hierbey zugleich von der Compagnie zum Lieutnant erwählt; Nachmittags wurde noch ein Festschießen abgehalten.
Am 13ten August Vormittags 11 Uhr starb nach längeren Leiden im 88ten Lebensjahre der beym Publikum sehr beliebte als verpflichteter Provisor in der Freybergschen Adlerapotheke angstellte Apotheker Carl Gerns. Derselbe kam aus seiner Vaterstadt Halle hierher, und trat im Jahre 1818 in die genannte Officin ein. Hier erwarb er sich bald durch Pflichtreue, Gewißenhaftigkeit und gründliche Kenntniße das volle Vertrauen seines Principals, des Vater Freyberg, mit welchem er schon von Halle her näher befreundet war, in deßen Hause er aber auch mit vollem Recht als Familienmitglied, Hausfreund und treuer Diener betrachtet und hochgeehrt wurde. Ebenso ward er auch durch seine Gefälligkeit, Heiterkeit joviales Wesen und wahrhaft liebenswürdige Humanität ein großer Liebling des Publikums, und es ist allgemein bekannt, daß derselbe durch diese schönen Eigenschaften in dem langen Zeitraum eines halben Jahrhunderts wesentlich zur Hebung und zum Flor des Geschäfts in der Adlerapotheke viel beygetragen hat. Als nach dem im Jahre 1855 erfolgten Tode des Vater Freyberg deßen Sohn die Ofticin übernahm blieb das alte freundschaftliche Verhältniß ganz daßelbe; der Sohn behandelte den alten Gern stets höchst achtungsvoll wie seinen zweyten Vater, wie er ihn als solchen auch heute noch betrauert und seiner stets mit dankbarer Liebe gedenken wird. Bis zu seinem 77ten Lebensjahre erfreuete sich dieser alte Mann bey seiner festen Körperkonstitution fast durchgängig einer ungetrübten Gesundheit; erst von diesem Jahre an, wo ihn ein sehr heftiger Schlaganfall betraf, welcher aber wider Erwarten glücklich beseitigt wurde, machte das hohe Alter seine Rechte geltend; die letzten zehn Jahre kehrten diese Anfälle mehrmals wieder und zerrütteten seine Geisteskräfte immer mehr, wodurch er, zumal bey seiner großen Lebenslust und Todesfurcht, seiner Umgebung in den letzten Monaten höchst unangenehm wurde, was aber mit christlicher Geduld ertragen ward.
Am 23ten August in der Nacht um 12 1/2 Uhr starb in Folge von Altersschwäche nach längeren Leiden der Webermeister und Schnittwaarenhändler Friedrich August Schoenbrodt, 75 Jahre und 6 Monate alt. Er war allgemein verehrt als einer unserer würdigsten Bürger wegen seines vortrefflichen Characters, Bescheidenheit, Uneigennützigkeit, überhaupt hohen sittlichen Werthes, so wie wahrer Gottesfurcht und reinsten Strebens nach Licht und Wahrheit. (Vid.pag.548) Seine brave, ihm gleichgesinnte Gattin, mit welcher er in einem langen Zeitraum von fast fünfzig Jahren in einer sehr glücklichen Ehe lebte, die aber schon seit längerer Zeit an Asthma leidend fortwährend kränkelte, ist ihrem Gatten bald nachher am 29ten August Abends 7 1/2 Uhr im 74ten Lebensjahre in die Ewigkeit gefolgt. — Die Festfeier des Tages von Sedan wurde am 2ten September unter sehr großer Theilnahme ganz in derselben Weise, wie in den letzten drei Jahren, begangen, worauf ich um Wiederholungen zu vermeiden hiermit verweise. Auch das Wetter begünstigte dieselbe. — Zum Zwecke der Anlage und des Betriebs der Braunkohlengrube „Gemeinsinn" hatte nun die bereits am 23ten December 1873 gegründete Delitzscher Braunkohlen-Actien-Gesellschaft von dem Maurermeister Voigt von dem zu seiner Ziegelei gehörigen Grundstück 2 1/2 Morgen Feld für den Preis (pro Quadrat Ruthe 3 Rtl. 22 Sgr. 4 1/3 Pf. ) in Summa für 1685 Rtl. erkauft. Da die Bohrversuche das Vorhandensein eines abbauwerthen Kohlenlagers nachwiesen, so wurden nun die Arbeiten am Werke selbst nach Ausführung der nothwendigsten Baulichkeiten mit bald mehr, bald weniger günstigem Erfolge fleißig fortgesetzt.
Nachdem nunmehr bis zum Monat Mai dieses Jahres das Actien-Kapital im Betrage von 26000 Rtl. verbraucht worden war, so beschloß die Gesellschaft in einer General-Versammlung am 17ten Maerz und 3ten Mai des Jahres das Actien-Kapital auf 65000 Rtl. zu erhöhen. Da die Aussichten auf einen glücklichen Erfolg sich immer günstiger gestalteten, so fanden sie auch ihre Abnehmer. Der Bau des Kohlenwerkes selbst hatte im Laufe des Sommers seinen glücklichen Fortgang mit Ausnahme eines einzigen Unfalls im Junius, wo das Waßer mit Triebsand in den, wie man allgemein hört, sehr dauerhaft und solid gebauten Schacht einbrach, aber bald wieder bewältigt wurde. Unter der bisherigen einsichtvollen Leitung des Herrn Bergrath Peter wurden endlich im August die Arbeiten der Bergleute von einem so gesegneten Erfolg begleitet, daß zur allgemeinen Freude vom lten September an der Verkauf von Förderkohle beginnen konnte, welche auch raschen Absatz in Stadt und Land fand, und besonders in den Brantweinbrennereien für recht brauchbar befinden wurde. Seine Majestät der Kaiser und König hat dem Justizrath Weise hier im August dem rothen Adler-Orden vierter Klaße verliehen. Die Durchschnitts-Getraidepreise waren im Monat September im hiesigen Orte nach dem Centner berechnet, folgende: für 1Centner Weizen 9 Mark,99 Pf , Roggen 8 M.70 Pf , Gerste 9 M, 46 Pf , Hafer 7 M.87 Pf Kartoffeln 2 M. 22 Pf — Die Witterung des Monat Julius war bey mehr hohem als niedern Barometer- und Thermometerstande(Bar.28-28,4.Therm. +30-32) und bey fast täglich veränderter Windrichtung aus allen vier Weltgegenden weit mehr schön und heiß, als trübe und kühl. Gewitter hatten wir am 2ten Abends von 8-9 Uhr, ebenso am 7ten nach großer Hitze und Schwüle und bey Nord-West-Wind ferner am 10ten Nachmittags um 2 Uhr, so wie endlich das bereits pag.598 erwähnte sehr starke Gewitter am 17ten des Monats Nachmittags 3 % Uhr. Am 24ten war ein bedeutender Landregen. Fast in derselben Weise ging in den Monat August der Witterungslauf über, nur mit dem Unterschied, daß dieser noch heißer war als der Julius, das Thermometer erreichte an mehreren Nachmittagen in der Sonne die Höhe von 36-38 Graden R. In Folge der anhaltenden großen Hitze und Schwüle bildeten sich nun schnell nach einander mehrere starke Gewitter, wie am 12ten früh von 8 — % 9 Uhr mit Regen und großen Graupeln; ferner ein noch schwereres Gewitter mit vielem Regen am 13ten früh von 5 1/2 - 6 'A, bey welchem der Blitz in das Wohnhaus des Rentiers Tornau einschlug und zündete(in der Leipziger Vorstadt), dann am südlichen Giebel herunter fuhr, ein Fenster zertrümmerte und sich, seine Spur durch Abwerfen von Forststeinen, Kalk und Hinterlaßung einiger Löcher kennzeichnend, einen Weg nach dem Erdgeschoß bahnte, wo er den Aussagen der Augenzeugen nach, in Gestalt einer Kugel, welche zu platzen schien, verschwand. Durch sofortige Hülfe wurde weiteres Unglück verhütet. Ferner erfolgte noch nach mehreren sehr heißen Tagen den 18ten Nachmittags von 4-5 Uhr bey Nord-Wind die Entladung von einigen Gewittern durch Sturm mit etwas Regen. — Gleich mit dem Anfang des September, wo wir am lten früh um 5 und um 9 Uhr noch zwey Gewitterregen hatten, trat ein bedeutender Abfall und Umschwung in der Temperatur ein; die größere Mehrzahl der Tage war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und West-Wind bey weitem mehr trübe, kalt und windig, als schön; die wenigen sehr warmen Tage waren vom 8ten bis mit 12ten, und vom 17ten bis mit 19ten bey hohem Barometerstand.
Was nun die Emdte betrifft, so wird dieselbe, besonders in Hinsicht des Roggens, Hafers und der Kartoffeln, allgemein als eine gute Mittel-Erndte bezeichnet; auch der Ertrag der Grummtemdte ist befriedigend gewesen, und wie auch das Getraide, von der Witterung begünstigt, glücklich eingebracht worden. Obst von allen Sorten ist sehr viel gewachsen, besonders Pflaumen, (der große Scheffel kostet 3 Rt1), und der Wein ist vorzüglich gerathen. Dagegen war wegen der noch immer anhaltenden Dürre und des durch diese bedingten niedrigen Waßerstandes der Ertrag der Futterkräuter nur dürftig, und ist in Folge davon der Preis der Butter eben so hoch, wie im vorigen Jahre um diese Zeit, das Stück 8-10 Sgr. — Der Gesundheitszustand ist im Vergleich gegen die beyden ersten Quartaledieses Jahres recht befriedigend gewesen; die Krankheiten und die Sterblichkeiten haben bedeutend abgenommen, es kamen nur leichte katarrhalische und rheumatische Beschwerden so wie gelinde Diarrhoeen zur Behandlung. Der bisherige Archidiaconus Albert Goedicke hielt am 19ten September, den 17ten p.Trinit. in der Frühkirche seine Abschiedspredigt, und ging als Pastor der reformirten Kirche nach Aschersleben. Sein Amt wird bis auf Weiteres durch den Hülfsprediger Man aus Zeitz verwaltet. Merseburg den 4ten October. In einer an sämmtliche Kreisschulinspectoren des Regierungsbezirk Merseburg gerichteten Verfügung der hiesigen Königlichen Regierung straft dieselbe das Verfahren des Schuldirectors Bartels!!! zu Gera, der ohne irgend eine Ermächtigung der preußischen Behörden in die Schulen des Regierungsbezirks eindringe und den Unterricht revidire, um Lehrer für auswärtige Schulen unter glänzenden Versprechungen(!) anzuwerben! Sämmtliche Lehrer werden zugleich angewiesen, dem Genannten den Zutritt in die Schulen des Regierungsbezirks zu untersagen und von dem Erscheinen deßelben sofort durch die Localinspectoren und Kreisschulinspectoren unter Angabe der näheren Umstände der Königlichen Regierung Anzeige zu machen. (Bartels war hier vom September 1868 bis zum Januar 1873 Rector der beyden Bürgerschulen und hat nach seinem Abgange dieses saubere Werbegeschäft in Delitzsch zwey Jahre lang auf die aergste und dreisteste Weise betrieben.) Am löten October, Sonnabends Vormittags, als der Thürmer Rehfeld auf dem breiten Thurme die l0te Stunde anschlug, fiel während des Anschlagens der sieben Pfund schwere Hammer auf das Straßenpflaster herunter, ohne jedoch zum Glück Jemanden zu beschädigen, was bey der an einem Markttage um diese Zeit durch das breite Thor statt findenden starken Paßage von Menschen und Fuhrwerken leicht möglich war. Den neuen Hammer, welcher von Stahl ist und acht Pfund wiegt, hat der einzige Sohn und Gehülfe seines Vaters, des Büchsenschäfters Scherell, recht gut gefertigt und am 19ten October abgeliefert; der Ton der Glocke ist seitdem auch heller. Der Sicherheit wegen hat der Verfertiger des neuen Stahl-Hammers denselben noch an einer Kette befestigt, an welcher er, wenn er wieder abfiele, gleich unterhalb der Glocke hängen bleiben würde. Die sämmtlichen Kosten der Reparatur betragen 5 Rtl. An die Stelle des am Iten November zum Militär abgegangenen Registrators und Armen-Kaßen-Rendanten Knoll ist der vom Magistrat gewählte bisherige Polizey-Expedient Oskar Gundermann in Weimar, Sohn des Buchbindermeister Gundermann in Eilenburg, getreten und am 2ten November verpflichtet worden; sein Gehalt beträgt 300 Rtl.jährlich.
Neue Wohnhäuser sind in diesem Jahre erbaut worden: 1, eins vom selbständigen Maurer Friedrich Mueller in der Halleschen Vorstadt in der Nähe von Lindenhahns Mühle; 2, eines vom Zimmermeister Wilhelm Beyer in Quering an der Straße nach Gertitz vor dem Halleschen Thore; 3, eins vom Bauunternehmer Gottlieb Dietze in der Wiesenstraße, und 4, eins vom Spediteur Hugo Franke an der Ecke der Dübener und Bahnhofsstraße. — Zu bemerken ist noch, daß die pag.584 erwähnte, im vorigen Jahre von den Gebrüdern Schaaf neu erbaute sehr große Dampfmahlmühle im Laufes dieses Jahres ausgebaut und im starkem Betriebe ist. Das herrliche, von dem geschmackvollem Wohnhause getrennt stehende, viermal übersetzte Fabrikgebäude, ein stattliches Bauwerk mit seinem an hundert Fuß hohem Dampfschornsteine, hat nach Morgen und Abend in jedem Stockwerk eine Fronte von vierzehn Fenstern, und von Mitternacht nach Mittag eine von sechs Fenstern. — Der Gemeinde-Kirchenrath hat am 2ten November beschloßen wegen des seit Michäelis im Wiederaufbau begriffenen Thurmes unserer Gottesackerkirche(vid.pag.577) eine Umlage von je einem einmonatlichem Beitrage der Klaßensteuer und Einkommenssteuer und einem Drittel des monatlichen Betrages der Grundsteuer für die Jahre 1875 und 1876 zu erheben. Die Mitglieder der hiesigen Kirchengemeinde werden aufgefordert die für das laufende Jahr fälligen Zuschläge dieser Umlage im Monat November an den Herrn Stadt- Steuereinnehmer Braune einzuzahlen. Hierbey muß noch bemerkt werden, daß das Kapital-Vermögen der Gottesackerldrche nur in 1000 Rtl. besteht, von deren jährlichen 45 Rtl. Zinsen die Kosten dieses Thurmbaues, welche auf 1300 Rtl. veranschlagt seyn sollen, natürlich nicht gedeckt werden können. Im October wurde vom Seminar in einem Hause am Pfortenplatze eine Uebungs-Schule für 80 bis 100 Kinder eingerichtet, in welcher Seminaristen unter Anleitung ihrer Lehrer den Unterricht ertheilen. Das Schulgeld dafür beträgt für jedes Kind nur 1 Rtl. jährlich; es wird daher diese Schule von Kindern armer Bürger und Einwohner fleißig besucht; eröffnet wurde sie am 18ten October.
Am 20ten December Vormittags 'A 10 Uhr brach in einem Seitengebäude der Offenhauerschen Brauerei auf bis jetzt nicht ermittelte Weise Feuer aus. Schnell herbei geeilter Hülfe gelang es das Feuer auf den Entstehungs- herd zu beschränken, so daß blos das Dach niederbrannte. Von allen Seiten wurde die ungemeine Thätigkeit unserer trefflichen Feuerwehr lobend anerkannt, und ist es namentlich auch derselben zu verdanken, daß weitererunabsehbarer Schaden verhütet wurde; nach Verlauf einer Stunde war alle Gefahr vorüber. In Folge davon erhielt am 22ten December der
Commandeur unserer freiwilligen Turner-Feuerwehr Herr Gustav Schulze folgendes höchst ehrende Dankschreiben: Ew. Wohlgeboren erlauben wir uns ergebenst, Ihnen beiliegend in Anerkennung der außerordentlichen Dienste, welche die Turner-Feuerwehr bey dem am 20ten des Monats statt gehabten Brandunglück uns geleistet und uns dadurch vor unberechenbarem Schaden behütet hat, zur freien Verfügung für obiges Institut 100 Reichsmark mit der Bitte um gefällige Annahme zu überreichen. Haben Sie die Güte allen Mitgliedern der Feuerwehr unsern innigsten Dank zu überbringen. Ihre dankbar ergebenen Offenhauer und Tiemann. - Die am lten December statt gefundene Volkszählung hat folgendes Resultat ergeben: 1)bewohnte Häuser 670, 2) unbewohnte(incl. 5 Kirchen) 10 3) Einwohner- zahl 3912 männliche, 4323 weibliche, in Summa 8235, mithin 75 mehr als im Jahre 1871. 4) Haushaltungen 1987. Dem Religionsbekenntniß nach waren vorhanden: ungetauft 2, Altkatholiken 2, Deutschkatholiken 11, Dißidenten 31, Juden 92, Katholiken 122, Summa 260. Die übrigen sind evangelische, überhaupt Protestanten.
Der Commandeur der Turner-Feuerwehr hat am 30ten December noch nachstehendes Dankschreiben erhalten: Im Auftrage der Aachener- und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft überweise ich einliegend der Turner-Feuerwehr als Gratification für ausgezeichnete Hülfeleistung bey Dämpfung des am 20ten des Monats bei Herren Offenhauer und Tiemann hier statt gefundenen Brandes 100 Mark, mit der Bitte um gefällige Annahme. Mit aller Hochachtung Rudolph Tiemann, Agent der Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft. Schon im November vorigen Jahres wurde der Herr Kreisrichter Dr.jur. Schulze-Delitzsch von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog von Sachsen-Weimar bey deßen damaliger Anwesenheit in Berlin zu einer Audienz berufen, um demselben einen Vortrag über die Gründung von Aßociationen und Vorschuß-Kaßen zu halten; jetzt im December des Jahres ist der Herr pp. Schulze in derselben Angelegenheit von Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen von Preußen zu einer Audienz eingeladen worden; beyde Fürsten haben für diese Sache sich sehr intereßirt. Die Witterung des Herbstes, dieser in der Regel so angenehmen und gleichförmig milden Jahreszeit war diesmal fast durchweg bey mehr niederm als hohem Barometerstande und vorherrschendem West-Wind und Nord-West-Wind mitunter auch Ost-Wind mit Ausnahme sehr weniger Tage rauh, nebligt, naßkalt und windig im October; Landregen hatten wir am 8ten, 11ten, 13ten, 15ten, 16ten, 17ten, 2 lten und 23ten des Monats; dichte Nebel waren am 19ten, 20ten, 22ten und 28ten; am letzteren Tage zog Nachmittags um 4Uhr bey Ost-Wind ein Zug wilder Gänse über die Stadt weg von Norden nach Süden. Dies ist gewöhnlich ein Vorbote eines strengen, frühzeitig eintretenden Winters. Schnee fiel am 21ten früh, und schmolz gleich wieder.
Fast in der selben Weise und bei stürmischen West-Wind vielem Regen und größten Theils sehr niedrigem Barometerstande gieng die Witterung in den November über; als besonders rauhe, sehr trübe, durch starken Regen und heftige Orkanartige Stürme(Gewitterstürme) bemerkbare Tage sind zu erwähnen der 8te und lOte (Barom.27,1) ferner der 1 lte(Barom. 27, Thermom. +7bey Süd-West-Wind) der 12te und 14te; Landregen hatten wir täglich vom 18ten bis 23ten des Monats(Barom. 27,3 —8) am 18ten mit Sturm; am 24ten und 26ten und 27ten des Monats war starker Schneefall bei Ost-Wind und gelindem Frost; Barom.28 Therm. früh —5). Im December erfolgte gleich vom lten des Monats an ein bedeutender Umschlag im Witterungslaufe, und der Winter trat bey Ost und Nord-Ost-Wind und mehrtägigem maßenhaften Schneefalle, welcher besonders auf der Strecke von Bitterfeld über Delitzsch bis Leipzig am stärksten gewesen seyn soll, und die Communicationen auf den Eisenbahnen und Landstraßen sehr erschwerte, mit strenger und empfindlicher Kälte ein, welche am 7ten früh am schrecklichsten war (Therm.früh 7Uhr —21 R. Barom. 28,3), den 8ten und 9ten aber schon von der außerordentlichen Höhe auf— 6R. abfiel, und nur noch einmal am lOten des Monats auf— 15 früh um 7 Uhr stieg (Barom.28,2). Hierauf fiel am 1 lten und 12ten wieder Schnee, worauf bey West und Süd-West-Wind bey abwechseln trüber, milden und hellen Tagen vom 13ten an bis zum Ende des Monats fast täglich stärkeres oder schwächeres Thauwetter eintrat, welches bey Unterbrechung durch mäßigen Frost die großen Schneemaßen nur langsam schmelzen konnte, wodurch zum Glück Ueberschwemmungen verhütet wurden, und die schöne unersetzliche Winterfrucht dem sehr ausgetrockneten Erdboden für die nächste Ernde nicht verloren gieng.
Was den frühzeitigen Eintritt des Winters mit seinen hohen Kältegraden am 7ten und 15ten December betrifft, so ist der Grund dieser Erscheinung wahrscheinlich darin zu finden, daß vom 3ten bis 6ten December nach den Zeitungs-Berichten in Italien in der Umgegend von Neapel und dem Vesuv starke und heftige Erderschütterungen statt gefunden haben, deren Folgen auch wir erfahren mußten. In Bezug auf den Gesundheitszustand muß bemerkt werden, daß im Vergleich gegen das letzte Quartal die Zahl der Kranken, besonders der an rheumatischen Beschwerden und hartnäckigen Katarrhen(Grippe) leidenden sehr zugenommen hatte, und die Sterblichkeit vorzüglich unter alten Personen, die ohnehin schon an Asthma litten, so wie unter Schwindsüchtigen, und von der häutigen Bräune ergriffenen Kindern wirklich recht groß war, worüber man sich freilich als die Folgen der oben geschilderten rauhen, naßkalten, nebligten und stürmischen Witterung bey öfteren Nord-Ost und Nord-West-Wind nicht wundern darf — Zufolge der Nachrichten aus den Kirchenbüchern der evangelischen Kirchengemeinde der Stadt Delitzsch mit den eingepfarrten Dörfern Gertitz, Kertitz und Werben wurden kirchlich getrauet 63 Paar, 324 kirchlich beerdigt, und 316 Kinder getauft. Unter den Verstorbenen befanden sich 179 Kinder unter 5 Jahren und 58 alte Personen über 60 Jahre. Nach den Berichten des hiesigen Standesamtes, zu deßen Bezirk aber die drei eingepfarrten Dörfer nicht gehörten, betrug die Zahl der ehelich verbundenen Paare 94, der Gebornen 334 und der Verstorbenen 324. — Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn- Gesellschaft erhielt unsere Commun auch in diesem Jahre 360 Rtl. als jährliche Steuer.
Der Lehrer Robert Meister ging am lten October ab, um eine ähnliche Stelle an einer Privatschule in Berlin anzunehemen. Seine Stelle wurde dem Lehrer Otto Gloeckner in Hettstedt übertragen. — Im vorigem und in diesem Jahre wurden beim Königl. Schullehrer-Seminar neu angestellt: der Gymnasialehrer Dr.philop.Julius Hirt aus Sondershausen, am lten Julius 1874; ferner in diesem Jahre der Seminarlehrer Herrmann Gattermann, welcher am 4ten August von Osterburg, der Seminar-Hülfslehrer Wilhelm Wohlrabe, welcher den löten August von Leipzig, und der Seminarlehrer August Hummel, welcher den lten December von Halle hierher kam. — Der Neubau des Thurmes unserer Gottesackerkirche, deßen Riß und Zeichnung von dem Kreisbaumeister Russel gefertigt worden ist, begann, nachdem die den Bauen günstige Witterung dieses schönen Sommers ungenutzt verstrichen war, leider erst am lten October, von welcher Zeit an das Wetter den ganzen Herbst über mit Ausnahme sehr weniger Tage sehr rauh, regnigt, naßkalt und stürmisch, mithin dem Baue höchst ungünstig war. Es wurde nun von dem Unternehmer des Baues, dem Maurermeister Hofmann in Zschepen die Giebelmauer in der Höhe vom Dachsims an und in der Stärke 1 1/2 Fuß bis zu zwey Drittheilen ihrer Höhe aufgemauert, und zur Erhellung des dunkeln Kirchbodens zwey ziemlich hohe Kirchfenster in derselben angebracht. Da der Zimmermeister Felix das Bauholz in der gehörigen Stärke noch nicht hatte bekommen können, der Winter auch am 7ten December sehr hart eintrat, so mußte der Thurmbau bis zum bis nächsten Frühjahr verschoben werden.
Nach der Versicherung des Sparkaßen-Rendanten Thaerigen sind für den Bau der neuen Volksschule in der Bitterfelder Straße, welcher 31500 Rtl. kostet, in dem Zeitraum vom lten Julius 1870 bis zum Schluß des Jahres 1875 aus den Ueberschüßen der städtischen Sparkaße bereits 21000 Rtl. bezahlt worden, so daß darauf nur noch 10500 Rtl. zu bezahlen sind. — Bis zum Jahre 1848 stand unser kirchliches Leben in der höchsten Blüthe, wozu schon unsere früheren, noch in gesegnetem Andenken fortlebenden unser kirchliches Geistlichen, zumal der Archidiaconus M.Morgenstern und der Diaconus Meusel sehr viel beytrugen. Ganz besonders brach aber eine neue herrliche aera an, als nach dem Tode des sehr schwach und dürftig begabten Superintendent Rudel der Superintendent und Oberpfarrer Foerster von Lützen in gleicher Eigenschaft hierher versetzt wurde(vid.pag.590). Die Vormittags-Gottesdienste waren nun überfüllt, aus der Nähe und Ferne kamen oft Fremde hierher, um diesen ausgezeichneten Kanzelredner zu hören; der Cymbel in der Frühkirche brachte jährlich 90 bis 100 Rtl. und darüber ein. Als im Jahre 1845 in der evangelischen Kirche die Bewegungen, veranlaßte durch die bekannten Versammlungen an der Pfingstmittwoch zu Cöthen und gehalten von Geistlichen der extremsten Richtung, wie Uhlich in Magdeburg, Wislicenus in Halle u.a.in der Gestalt der sogenannten freien Gemeinden auftraten; als ferner um dieselbe Zeit auch in der katholischen Kirche der Drang nach zeitgemäßen Reformen sich zeigte und Männer, wie Czersky in Schneidemühl und Ronge in Oberschlesien mit dem Papste brachen und von demselben ganz unabhängige Gemeinden bildeten, da wirkte Foerster besonders in seinen Predigten durch weise Belehrung und Warnung vor Ausschreitungen und kühnem Verneinen der freien Gemeinden kräftig, konnte es aber doch nicht verhüten, daß im hiesigem Orte eine kleine freie Gemeinde entstand, weil der damalige Diaconus Baltzer den Ansichten und Grundsätzen der freien Gemeinden huldigte, sein Amt am Ißten Januar 1847 hier niederlegte, und als Prediger zur freien Gemeinde in Nordhausen übertrat. (Vid.pag 120). Die hiesige derartige Gemeinde war vom Anfang an nicht lebensfähig, verlief sich bald im Sande, weil auch unlautere Elemente unter derselben waren, und wurde wegen des begründeten Verdachts der Verfolgung demokratischer Tendenzen und Zwecke von der Königl. Regierung zu Merseburg im April 1852 aufgelöst. (Vid.pag 168). Weiter ist unter den ferneren Störungen des kirchlichen Lebens und Friedens zu erwähnen die im Jahre 1851 beabsichtigte und vom Superintendent Foerster empfohlene neue Kirchenverfaßung, welche vom Magistrat als Patron so wie von der ganzen Gemeinde wegen eines einzigen Paragraphen, die Controle des Kirchenbesuchs und des Genußes des Abendmahls betreffend, nicht anerkannt und entschieden mit Recht abgelehnt wurde; (Vid.pag 152 und 157). Die Gemeinde war empört über diesen Paragraphen, weil offenbar hierarchische Tendenzen des evangelischen Kirchenrathes und des Consistoriums in demselben enthalten waren; es erschienen deßhalb auch vier volle Wochen lang im hiesigen Nachrichtsblatte verschiedene, zum Theil sehr heftige und scharfe Aufsätze sowohl vom Superintendent, als auch vom Magistrat und einigen Gelehrten, der Dr.Pfotenhauer und den Rechtsanwälten Hasset und Weise; die Sache blieb liegen. Ein ähnlicher Vorfall, welcher auch eine Zeitlang auf das kirchliche Leben störend einwirkte, war der zu Michäelis 1852 vom Superintendent Foerster lediglich auf den Vorschlag des Archidiaconus Heineken, welcher diese Neuerung von dem ebenso, wie der Eisenacher, verhaßten Berner Kirchentag im September mitgebracht hatte, ohne vorherige Anfragen bey der Kirchengemeinde angeordnete Wegfall der Choralzwischenspiele, wodurch der Choralgesang schrecklich verdorben und verstümmelt wird. Die darüber sehr erbitterte Bürgerschaft ersuchte mich diese Sache in die Hand zu nehmen und auszufechten, was ich auch mit glücklichem Erfolge that.(Vid. Pag.191, 193 u.194). Der Superintendent Foerster war übrigens in diesen beyden eben mitgetheilten Fällen so einsichtsvoll und gerecht zu rechter Zeit nachzugeben und dadurch seine Uebereilung zu bekennen, was ihm zur Ehre gereicht. Ein anderes durch böses Beyspiel das kirchliche Leben schädigendes Ereigniß ward unerwartet im October 1851 hier bekannt. Der oben erwähnte Archidiaconus Heineken hatte in einer bey dem Kreisgericht zu Erfurt gegen seinen des Amts verlustig gegangen Vorgänger Diaconus Schreiber in Thamsbrück anhängigen Untersuchung an den Staatsanwalt zu Erfurt einen Brief geschrieben, in welchen er den Schreiber als den schwersten Verbrecher mit den Worten brandmarkt „er habe eine schauerliche Vergangenheit hinter sich." Der Staatsanwalt benutzt natürlich dieses Zeugniß gegen den Angeklagten, welcher daßelbe aber für eine Verläumdung erklärt, und den Archidiaconus Heineken in einem an ihn gereichten gedrucktem offnem Sendschreiben öffentlich als einen Verleumder prostituirt, und ihn erklärt, daß er wegen eines so argen Verstoßes gegen das achte Gebot sein geistliches Amt niederlegen müßte. Zugleich setzt Schreiber ihm klar auseinander, daß er Verbrechen, die in den Worten „schauerliche Vergan- genheit" liegen, als da sind die gröbsten, Diebstahl, Raub, Mord und Brandstiftung niemals begangen habe; zugleich bedrohte er ihn mit Klage. Ob es dazu noch gekommen ist, oder diese Sache später gütlich abgemacht worden ist, darüber hat man keine bestimmte Auskunft erhalten können. Uebrigens wurde diese unerquickliche Angelegenheit damals auch im Nachrichtsbaltte lebhaft und frei besprochen
Bis zu des Superintendent Foersters Abgange war die Frühkirche noch immer fleißig besucht; er übte durch seine bis an das Ende gediegenen, streng logisch geordneten und durchdachten Predigten, so wie durch seine imponirende Persönlichkeit und exemplarischen Lebenswandel eine große Anziehungskraft auf die Gemeindeglieder aus. Nach seinen am Sten September 1856 erfolgten Scheiden von uns (vid.pag 263 u.264) ward zu seinem Nachfolger der Superintendent und Oberpfarrer Oscar Weinrich aus Lützen, ein strenger Orthodox vom reinsten Waßer, vom Consistorii bestimmt, welcher am 22ten März, dem Sonntag Caetare 1857(ein greller Widerspruch auf seine nachherige Wirksamkeit) sein Amt antrat. Mit dem Antritt dieses Mannes zog ein finsterer Geist in dieses Haus ein, und er begann nun nach vorher von ihm mit Beyhülfe vier anderer exklusiv streng orthodoxer Geistlichen erfolgter Fabrikation dieses verhaßten Anfangs, die zwangsweise Einführung deßelben vom ersten Advent 1858 an, wodurch unser kirchliches Leben dermaßen zerstört wurde, daß es seitdem bis jetzt noch an einem langen Siechthum, wie ein Schwindsüchtiger leidet. Über den furchtbaren, gleich nachher heftig entbrannten vierjährigen Kampf verweise ich den Leser auf die gedrängte Mittheilung von pag 332 bis pag.347. Die Geistlichen Urheber dieses Unglücks sind längst fort, aber die traurigen Folgen ihrer hierarchischen Gelüste, leere Kirchen, sind geblieben. Superintendent Weinrich verließ uns am löten November 68(pag.416). Man hoffte nun auf beßere kirchliche Zustände, zumal da die Ankunft eines neuen Superintendent bevorstand; allein wie sehr sind wir getäuscht worden! Der vom Consistorio zum Nachfolger Weinrichs bestimmte bisherige Gesandtschafts-Prediger Carl Friedrich Wilhelm Leipoldt in Rom ist zwar, wie man hört, ein gelehrter Theolog, aber kein Kanzelredner und paßt nicht für unsere Gemeinde, von welcher er sich gleich von Anfang an als feiner Aristokrat ganz zurückgezogen und reservirt hält; dazu kommt noch, daß seine Vorträge breit und schwülstig sind und ihm auf der Kanzel die edle Gabe der allgemein verständlichen und alle Stände befriedigenden Popularität ganz fehlt, und daß derselbe auch wegen seines stets bedeckten, heiseren Stimmorgans, welches für unsere sehr große Stadtkirche viel zu schwach ist, von den meisten, besonders alten Personen, nicht verstanden wird, worüber man mit Recht allgemein klagt.(Vid.pag.518 u.519)Zum Unglück verlor unsere Kirche im September 1871 ihren ehrwürdigen Organisten und vortrefflichen Choralspieler Grellmann durch Versetzung in den Ruhestand wegen Altersschwäche, und am 28ten Mai 1873 den sehr tüchtigen Cantor und vorzüglichen Sänger Thierbach durch einen plötzlichen Tod (vid.pag.507,554); beyde sind uns nicht wieder ersetzt worden. An Grellmanns Stelle trat am lten April 1873 der bisherige Lehrer in Neuhaldensleben Max Schuhe, welcher aber schon am 23ten April 1874 nach Gera als Lehrer abgieng; im Anfang gab er sich Mühe beym Orgelspiel, die letzten Monate aber wurde er nachläßig, ließ die Zwischenspiele weg und jagte im Choral.(vid.pag.527). Nach seinem Abgange bot nun der Magistrat das Organistenamt dem Lehrer Jost an, der bereits seit 22 Jahren seinen entschiedenen Beruf zum Organisten in unserer Gottesackerkirche hinlänglich bewiesen hatte, aber leider! Jetzt wegen längerer Krankheit diesen Antrag ablehnen mußte. Hierauf bot der Magistrat das Organistenamt dem Lehrer Kimstedt an, der es annahm, aber auch die Zwischenspiele wegläßt und den Choral in dem jagendsten Tempo spielt, so daß die wenigsten mitsingen können, und man nur den kläglichen Gesang der Chorschüler grell durchstechen hört.(Vid.pag.191,193 u.194) Gute Zwischenspiel dürfen nur drei bis vier etwas gehaltene Accorde lang seyn, und müßen den Sinn der Verszeile und wo möglich des ganzen Liederverses ausdrücken; dies ist aber nur Sache denkender und phantasiereicher Organisten, deren es aber nicht viel giebt; die Gegner der Zwischenspiele können also entweder keine machen, und diese mögen sie aus Hentschels Choralbuche abspielen, oder sie wollen keine machen, um so bald wie möglich wieder nach Hause zu eilen.
Delitzsch hat seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts das seltene Glück gehabt eine Reihe sehr tüchtiger Organisten, Männer wie Vogel, Frießner, Riße, Zieger und Grellmann, zu besitzen. Was nun die Besetzung der Cantorstelle betrifft, so hat auch über dieser, wie über jener ein wahrer Unstern gewaltet; nachdem vom Magistrat der vorzüglichste unter den Bewerbern, ein gewißer Zander aus Berlin, zum Cantor erwählt war, derselbe auch die Stelle angenommen hatte, fiel es diesem Manne ein, dieselbe dem Magistrat zum großem Verdruß des Patrons noch vor seinem Antritte wieder aufzukündigen, mußte aber auch dafür von Rechtswegen die Besetzungskosten wieder erstatten. Hierauf wurde vom Magistrat der bisherige Lehrer Haupt in Bromberg zum Cantor erwählt (vid.pag.575) es ist sehr zu bedauern, daß dieser Mann kein exacter Sänger ist, und kein schönes Stimmorgan besitzt, und in dieser Hinsicht den beyden Vorgängern Golz und Thierbach bedeutend nachsteht; eine am Erndtefest 1874 von ihm gesungene Arie hat dies hinlänglich bewiesen; er fängt auch keinen Liedervers und keine Abtheilung der Liturgie an, und der Organist, mit dem er einig ist, muß deßhalb in diesen Fällen, was hier niemals üblig gewesen ist, sogleich mit dem vollem Werke einsetzen, um zugleich auch den nicht erbaulichen Gesang der Chorschüler zu verdecken; unser Kirchengesang ist so tief auf Null herab gesunken. Faßt man nun die hier wahrheitsgetreu mitgetheilten, seit 30 Jahrer nach und nach entstandenen Uebelstände und Ursachen unter einem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte zusammen, so darf man sich wahrlich nicht wundern, daß das Resultat ein so nieder- schlagendes ist, nämlich eine durch alle Stände verbreitete Gleichgültigkeit gegen das Christenthum und die Kirche, so wie eine Störung des kirchlichen Lebens und Friedens und ein tiefer Verfall der Sittlichkeit, zumal in unserm Zeitalter, deßen Grundcharacter der grobe Materialismus, Vergnügungs- sucht und Jagen nach schnellen Reichthum, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht ist. Gott helfe, daß es bald beßer wird!
Am Schluße dieses Bandes der Delitzscher Stadt-Chronik ist es Pflicht noch besonders einiger hervor ragender Männer zu gedenken, welche als Eingeborne unserer Stadt in ihren verschiedenen auswärtigen Aemtern und Berufskreisen sich ausgezeichnet haben, und deßhalb ihrer Vaterstadt zur wahren Ehre und Zierde gereichen. Unter denselben steht oben an: der bereits vor 17 Jahren zur Ruhe eingegangene Dr.Theol. Christian Friedrich Gottfried Teuscher in Mellingen, über deßen Thaten, und segensreiches Leben und Wirken als Geheimer Kirchenrath, Ephorus und vorzüglicher Kanzelredner ich auf den trefflichen, vom Herrn Pastor Kamprath in Olbersleben verfaßten, und in dem hier beyliegendem Weimarschen Kirchen-und Schulblatt, 10 Heft 1865, abgedruckten Bericht, hiermit verweise. Der Verfaßer dieser Zeilen hafte das Glück den Superintendent Teuscher im Sommer des Jahres 1828 in unserer Stadtkirche einmal früh predigen zu hören, und kann nur das Urtheil fallen, daß derselbe mit unserm unvergeßlichem Superintendent Foerster die größte Aehnlichkeit hat, und diesem völlig gleich und ebenbürtig zur Seite gestellt werden kann. Der zweyte der ehrenwerthen Männer ist der Mechanikus und Opticus Emil Stoehrer in Leipzig; derselbe wurde geboren in Delitzsch im Sommer des Kriegsjahres 1813; sein Vater Dr. med.Stoehrer war hier ein sehr geschätzter praktischer Arzt und vorzüglicher Geburtshelfer, starb aber leider, erst 46 Jahre alt, kurz vor Ende des Jahres 1813 an dem Kriegstyphus. Die Wittwe heirathete später den Steuerrevisor, nachherigen Kreissteuereinnehmer Voigt, an welchen der Knabe einen guten Stiefvater erhielt. Nachdem derselbe vom fünften Jahre an die Stadtschule besucht, auch Privat-Unterricht genoßen hatte, wurde er zu Ostern 1827 auf die Fürstenschule nach Pforte gebracht; weil ihm aber die gelehrten Studien nicht zusagten, so verließ er die Schulpforte schon zu Ostern 1828 wieder, und folgte seiner Neigung zum Mechanikus, wozu derselbe schon frühzeitig entschiedene Anlagen zeigte. Zu diesem Zwecke brachte ihn nun sein Stiefvater nach Leipzig zum Mechanicus und Opticus Wiessner in die Lehre, deßen Zufriedenheit er sich bald erwarb. Nach beendigter Lehrzeit besuchte er von 1833 an auswärtige derartige große Fabriken, war besonders lagere Zeit in Hamburg in Condition, und kehrte 1840 zu seinem alten braven Lehrherrn nach Leipzig zurück. Hier verheirathete er sich etwas später mit einer Tochter deßelben und übernahm nachher, da er von seinen Aeltern ein bedeutendes Vermögen geerbt hatte, das Fabrikgeschäft seines nunmehrigen Schwiegervaters Wiessner. Als ein sehr geschickter Mann in seinem Fache bald erkannt stieg Stoehrers Ruf nun von Jahr zu Jahr; von der Königl. Sächsischen Landesregierung wurde derselbe in den sechziger Jahren mit der Einrichtung von Telegraphenlinien an Eisenbahnen beauftragt, weshalb er sich damals längere Zeit in Dresden aufhielt, und auch nach vollführtem Auftrage daselbst blieb, wo er jetzt noch lebt und thätig wirkt. 1876. Der dritte jener achtungswerthen Männer ist der Königl. Preußische Oberrechnungsrath Carl Schoenbrodt in Potsdam; derselbe wurde den 3ten September 1795 in Delitzsch, wo sein Vater Webermeister war, geboren. Er besuchte die Stadtschule und kam zu Ostern 1809 in die Expedition des im Sommer 1813 verstorbenen Bürgermeisters und Patrimonialrichters Schulze. Im Jahre 1815 trat er als ein bereits recht brauchbarer Kanzlist bey der Regierung in Merseburg ein, von wo derselbe als Diätar wegen seiner Tüchtigkeit 1820 in das Büreau des Provinzial-Steuer-Directors Sack nach Magdeburg versetzt wurde. Von hier erfolgte 1825 seine Beförderung als Rechnungsrath an die Oberrechnungskammer in Potsdam, wo sein hoher Gönner der Finanzminister von Ladenberg ihn besonders schätzte und begünstigte, und seine Ernennung zum Oberrechnungsrath bewirkte. Sein Gehalt stieg daselbst von anfänglich 1000 Rtl. bis auf 1500 Rtl. nach und nach; bey seiner Versetzung in den Ruhestand erhielt er eine jährliche Pension von 800 Rtl. vom Jahre 1855 an. Er ist auch Verfaßer einer Sammlung K.Preuß.Finanz-Zoll-und Steuer-Gesetze, die zu Potsdam 1836 und 1838 erschienen ist.
Teil 2 von 1876 bis 1952
Einleitung
Nachdem der bisher in Gebrauch gewesene letzte Band der Delitzscher Stadt-Chronik, welcher mit dem Jahre 1816 anfängt, nunmehr mit dem Ende des Jahres 1875, also nach sechzig Jahren seinen Abschluß gefunden hat, so wollen wir nun die Führung dieser Stadt-Chronik mit möglichster Treue und Gewissenhaftigkeit, wie bisher fortsetzen, und unsern Nachkommen die Begebenheiten und Ereignisse in chronologischer Reihenfolge mit paßender Anknüpfung an die Landesgeschichte, ganz im Geiste des unvergeßlichen Begründers der Delitzscher Stadt-Chronik, des um seine Vaterstadt hochverdienten, gründlich gelehrten Actuarius Lehmann, mittheilen. (S. dessen Nekrolog im letzten Bande)
Dr. Ideler
1876
Justizrath Hasserts Tod
Leider müssen wir diesen neuen Band mit der Todesanzeige eines verdienstvollen Mannes beginnen. Am 13ten Januar 1876 Abends um 6 Uhr starb nach kurzem Krankenlager der Königl. Preuß. Justizrath, Notar und Rechtsanwalt Carl Ferdinand Benjamin Hassert, im 71ten Lebensjahre. Derselbe war geboren zu Elsterwerda den 5ten November 1805, wo sein Vater Gerichts-Actuar war, und später 1816 bey der damaligen Reorganisation der Gerichtsbehörden (Umwandlung der sächsischen in preußische), von Elsterwerda nach Schlieben als Gerichtsamtmann versetzt wurde, zu welcher Zeit dieser seinen 10 Jahre alten Sohn auf das Gymnasium nach Luckau in der Niederlausitz schickte. Nach der spätern Versetzung seines Vaters von Schlieben nach Seyda, wo derselbe als Gerichtsamtmann verstorben ist, besuchte der junge Hassert das Gymnasium zu Wittenberg und bezog hierauf 1825 die Universität zu Halle, um Jura zu studieren, und hat diese Studien später noch auf der Universität zu Berlin beendigt.
Im Sommer des Jahres 1834 kam derselbe nach Delitzsch, um sich hier als Rechtsanwalt niederzulaßen. Er erwarb sich hier und in weitem Umkreise bald sehr großes Vertrauen und eine starke juristische Praxis; in seinem bedeutendem amtlichen Wirkungskreise war er treu und gewißenhaft und stritt stets nur für Recht und Wahrheit. Auch bey unserer Bürgerschaft stand er in hohen Ansehen; denn schon im Jahre 1839 wurde derselbe am 20ten October von dieser zum Stadtverordneten und gleich nachher zum Vorsteher der Versammlung erwählt; diese Ehre wurde ihm noch zweymal im October 1849 und 1850 zu Theil. Im Jahre 1842 erbaute er sich ein stattliches und geräumiges Wohnhaus nebst Seitengebäuden auf einem Platze am Kohlthore, wo bis zum Jahre 1836 eine Strohscheune stand.
Seine Erholung war der Gartenbau und Obstkultur, ganz besonders aber auch die Musik, er war ein geübter Pianoforte-Spieler, wovon derselbe einen glänzenden Beweis am 17ten September 1851 in einem von unsern tüchtigen Organist und Lehrer Jost im Saale des Hotels zum Schwan veranstalteten Concerte gegeben hat; es wurde nämlich an diesem Abend zum Besten des Orgelbaues in unserer Gottesackerkirche die Oper Hans Heiling von Marschner auf zwei Flügeln, wo der nun vollendete mit seiner Gattin, einer Tochter des Stadtmusikus Engelmann in Querfurth, vierhändig spielte, mit großem Beyfall aufgeführt; zu einem solchen präcisem Spiele auf zwey Flügeln können natürlich nur vier geübte Virtuosen von dem Dirigenten benutzt werden.
Krank ist der J. R. Hassert während seines fast 42jährigen hiesigen Aufenthalts fast niemals gewesen, bis die letzte Woche seines Lebens ein durch Erkältung entstandenes rheumatisches Fieber ihn auf das Krankenlager brachte, und ein sanfter Tod das Leben des würdigen Greises endete.
Ordensverleihung
Seine Majestät der Kaiser und König hat im Januar dem Kanzleirath Ansinn bey Gelegenheit seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums den rothen Adlerorden vierter Klaße mit der Zahl 50 verliehen.
Lehrerwechsel
Von der hiesigen Bürgerschule gingen am ersten Januar d. J. ab: der Lehrer Paul Freyberg nach Acken an der Elbe, und der Lehrer Ernst Gloeckner nach Bernburg.
Die erstere Stelle wird durch einen Schulamts-Präparanden versehen, während an die Stelle des gg. Gloeckner der Lehrer Friedrich Lahmeyer aus Brodau am 1ten Januar eingetreten ist.
Witterung vom Januar bis Ende März
Die Witterung im Januar war bis zum 4ten d. M. bey W.W. trübe, milde und feucht; von da an aber trat bey höherem Barometerstande (Bar. 28,3-6) und N.W. wie auch N.O.W. strenge Kälte ein, welche bis zum 10ten von –4° Reaum. bis auf –13° R. stieg, von da an bis zum 18ten allmählig wieder abfiel, den 19ten in Thauwetter überging und dann bey sehr gelindem Frost und milder Atmosphäre bis zum Ende des Januar bey W.W. und S.W.W. anhielt. Schnee fiel am 6ten und 18ten; dichte Nebel hatten wir in den Tagen vom 11ten bis 17ten bey N.O. und N.W.W. und hohem Barometerstand; Barom 28,3-6; ebenso dichte und rauhe Nebel waren auch am 22ten, 25ten, 29ten, 30ten und 31ten bey demselben anhaltend hohen Barometerstand bis 28,7 und derselben Windrichtung.
Im Februar waren die ersten drei Tage schön und milde, vom 4ten an fiel das Barometer schnell von seiner bisherigen Höhe auf 27,8 und es erfolgte nun bey N.O. und N.W.W. und geringen Kältegraden bis mit dem 8ten und am 10ten ein starker maßenhafter Schneefall worauf vom 14ten bis zum 17ten anhaltendes Thauwetter eintrat, so daß wir am 17ten und 18ten großes Waßer hatten, indem der Loberbach die sämtlichen in seinem Verlauf liegenden Wiesen überschwemmte. Zudem regnete es noch am 19ten, 21ten, 22ten, 26ten, 27ten, 28ten und 29ten; am letzteren Tage war es ein Landregen mit Schnee, an den ersteren stürmische Aprilwetter mit oft und schnell wechselnder Windrichtung (Bar. 27,6-8).
Der Maerz war diesmal bey vorherrschenden W. und N.W.W. durch seine ungewöhnliche Härte, sehr stürmisches und rauhes Wetter, mit Ausnahme von nur vier hellen und milden Tagen d. 1ten, 28ten, 30ten und 31ten, der drückendste Wintermonat für Menschen und Thiere. Schon am 2ten war von 3 Viertel auf 4 Uhr bis 4 U. ein starkes Gewitter mit gewaltigem Regen und Graupeln, und am 6ten und 7ten Abends von ½ 5 bis 5 U. entluden sich wieder schwere Gewitter mit vielem Regen und Sturm (Barom. 27,5); am 8ten fiel Schnee, und in der Nacht zum 9ten tobte ein heftiger Orkan aus S.W. (Barom. 27), welcher am 10ten und 11ten zwar nachließ, aber am 12ten mit desto mehr Wuth wiederkehrte (Barom. 27,2), und von Abends 9 U. an in den schrecklichsten Orkan mit den fürchterlichsten Windstößen ausartete, und dermaßen wüthete bis gegen morgen, sodaß durch das entfesselte Element an Gebäuden und Bäumen viel Schaden angerichtet wurde. Im Rosenthale waren Planken und Stackete in ziemlicher Länge umgestürzt, die Schaafbrücke beschädigt, ferner 9 sehr starke italienische Pappeln und an der Stadtmühle eine starke Birke von der Gewalt des Sturmes ganz entwurzelt worden; daßelbe Schicksal betraf noch 5 alte italienische auf dem Abhang des Gottesackers nach Abend stehende Pappeln und eine am Kohlthor, außerdem waren Tausende von Ziegeln von den Dächern herab geworfen und zertrümmert worden. Noch muß erwähnt werden, daß am 16ten Abends von ½ 6 bis 6 U. ein Schneesturm stattfand, und daß am 20ten, 22ten und 26ten Schnee fiel, welcher bald wieder schmolz (Bar. 27,6-8).
Uebrigens hat unsere Stadtcommun auch in dem ihr gehörigen Antheil der Spröde bedeutenden Schaden durch die erwähnten Stürme und Orkane erlitten, indem über tausend entwurzelte Bäume als Windfall am Boden liegen.
Gesundheitszustand
Trotz der abnormen Witterung und des öfteren schroffen Wechsels derselben war in diesem Quartal der Gesundheitszustand befriedigend und demgemäß auch die Sterblichkeit nicht groß. Wegen leichter katarrhalischer und rheumatischer Beschwerden konsultieren Viele keinen Arzt und überlassen die Heilung der Natur und der Diät. Am Schlagfluß starben plötzlich einige sehr alte Personen.
Beamtenwechsel
Am 1ten April legte der bisherige Kirchenkaßen-Rendant der hiesigen Stadtkirche Kaufmann Zeising, welcher dieses Amt seit dem 1ten Januar 1867 verwaltet hatte, daßelbe freiwillig nieder; sein Nachfolger wurde der von der Kirchen-Inspection dazu erwählte unbesoldete Magistrats-Assessor und Agent Sattler.
Einsetzung der Diakonen
Nach dem Abgange des Archidiaconus Goedicke nach Aschersleben am 19ten September v. J. und deßen Vicarius, Hülfsprediger Marr nach Pratau bey Wittenberg, wurde unser bisheriger Diaconus Meinhardt vom Magistrat zum Archidiaconus und Katechismusprediger und der Predigtsamts-Kandidat Franz Kunze aus Büschdorf bey Halle zum Diaconus und Hospitalprediger erwählt; beyde Herren wurden vom Superint. Leipoldt am Sonntag Judica in der Frühkirche in ihre neuen Aemter eingesetzt, am 2ten April; Diaconus Kunze hielt die Antrittspredigt. Leider war auch bey dieser Feierlichkeit der Gottesdienst nur schwach besucht, besonders fehlten die Männer auf den Chören, welche fast ganz leer waren; ein neuer Beweis von dem so tief gesunkenen kirchlichem Leben und religiösem Indifferentismus in unserer Gemeinde, woran theils der haltbrechende Viele ganz zu Grunde richtende und schnell verderbende Uebersturz unserer Zeit im Jagen nach Reichtum, theils aber auch die Geistlichen und Kirchendiener die Schuld tragen. (Siehe den Schluß des vorigen Jahres).
Möge Gott helfen, daß es auch in dieser Hinsicht bald besser werde; dann, altes Delitzsch, treu und bieder, wirst Du wie ehemals beglückt, wenn deiner Väter Tugend wieder, ihr Fleiß und Gottesfurcht Dich schmückt.
Tod des Dr. med. Kuehne
Am 3ten April Abends um 7 Uhr starb zu Magdeburg nach kurzem Krankenlager ein junger hoffnungsvoller Mann, der praktische Arzt Dr. medic. Oskar Kuehne im bald vollendeten 29ten Lebensjahre am Petechial-Typhus.
Er war der einzige Sohn des jetzt 80 Jahre alten hiesigen Kaufmanns und Oeconomen Wilhelm Kuehne und hier im Jahre 1847 geboren. Seine literarische Bildung erhielt derselbe auf dem Gymnasium zu Wittenberg, welches er nach sechs Jahren verließ, und hierauf die Universität zu Königsberg bezog, um Medicin zu studieren; vier Jahre später besuchte er noch die Universität zu Berlin um seine academischen Studien zu beenden und zugleich die examina, Promotion und cursus in Königsberg zu absolvieren.
Seine Doctor-Disputation ist leider in der deutschen Sprache geschrieben, was seine Schwäche in den alten Sprachen beweist. Nachdem dieses Alles glücklich überstanden war, ließ er sich vor etwa drei Jahren in Magdeburg als praktischer Arzt nieder, wo er bald nachher eine Stelle als Aßistenz-Arzt am Stadtkrankenhaus erhielt, und auch vom Petechialtyphus angesteckt wurde. Die Ursache dieses gefährlichen, viele Opfer fordernden Typhus liegt in den furchtbaren in diesem Frühjahr in Magdeburg und der Umgegend, besonders Schönebeck, wo derselbe noch stark graßiert, von der Elbe und Saale angerichteten Ueberschwemmungen, aus denen nach Verlauf der Wäßer aus dem zurück gelaßenem Schlamme, faulenden thierischen Stoffen, todten Fischen pp. sich miasmatisch-contagiöse Effluvien entwickeln, welche die Atmosphäre meilenweit verpesten und das Brunnenwaßer verderben, wodurch natürlich ausbrechende Nervenfieber sehr bald einen fauligen, ansteckenden Character erhalten.
Bürger-Jubiläum
Bey dieser Gelegenheit muß noch erwähnt werden, daß der Vater des verstorbenen Herrn Dr. medic. Kuehne vor einigen Tagen sein fünfzigjähriges Bürgerjubiläum in aller Stille begangen hat. Derselbe war im April 1826 Bürger unserer Stadt geworden, und hat sich in diesem langen Zeitraum Achtung und Verdienste um die Stadt erworben, und war auch während mehrerer Jahre Stadtverordneten-Vorsteher; möge der 80jährige Greis nach so mancher Noth nur noch Freude erleben!
Lindenanpflanzung (84 Stück)
Unser Verschönerungs-Verein hat im April auf der Promenade hinter dem Schloße eine sehr schöne Lindenpflanzung angelegt. Die Bäume sind schön und kräftig gewachsen, mit starken Baumpfählen versehen und durch Dornen vor Beschädigung gesichert. Es ist hier in kurzer Zeit eine Anlage geschaffen, die noch unsern späten Nachkommen zu Gute kommen und sie erfreuen wird. Unsere sämtlichen Mitbürger werden dringend gebeten den Schutz dieser neuen Anpflanzung als Ehrensache zu betrachten und etwaige Baumfrevler unnachsichtlich der Polizei-Behörde anzuzeigen.
Selbstmord
Am 24ten April ereignete sich bey uns der hier noch niemals vorgekommene Fall eines Selbstmords von einem 12jährigen Schulknaben. Der Sachverhalt ist folgender:
Nachdem vor wenigen Monaten der Gutsbesitzer Holzweissig im Dorfe Rackwitz nebst seiner Frau, beyde wohlhabende Landleute, verstorben waren, beschloß der Vormund im richtigen Einverständnis mit den übrigen Verwandten diesen Sohn Osswald Holzweissig, weil er in seiner Schulbildung und Kenntnißen noch außerordentlich zurück und sehr dürftig beschlagen war, und die Mittel zu diesem löblichen Zweck in reichem Maaße vorhanden sind, nunmehr auf unsere höhere Bürger- oder Realschule zu bringen, was auch zu Ostern d. J. geschah; auch ward derselbe in einer guten Pension bey der Fleischermeister-Wittwe Schroeter untergebracht. Obgleich er bereits 12 Jahre alt war, konnte er doch bey seiner Aufnahme in unsere sehr gute Realschule seinen Platz nur in der Sexta erhalten. Da bestrafte ihn der betreffende Klaßenlehrer nach mehreren fruchtlosen Warnungen einmal mit Degradation, worüber dieser Knabe sich gegen seine Mitschüler so erbittert äußerte, daß er sich deshalb erhängen würde, was er denn auch am 24ten d. M. Nachmittags um 4 Uhr im Hofe seines Wirths that.
Dieser Fall bleibt ein psychologisches Räthsel, weil doch in diesem Alter die Liebe zum Leben, besonders bey begüterten, bekanntlich am größten ist. Bey diesem schrecklichem, offenbar prämeditierten Falle mag wohl beleidigter Stolz und gekränkter Ehrgeiz mit im Spiele und die Motive zur schnellen Ausführung der That gewesen sein, wie man hört, soll auch sein Vater ein überspannter Mann gewesen und somit eine erbliche Anlage vorhanden seyn; auch soll derselbe in keiner glücklichen Ehe gelebt haben.
Collecte für Schönebeck
Die vom Buchdruckereibesitzer Herrn Meyner veranstaltete Collecte für die Ueberschwemmten in Schönebeck und der Umgegend hat bis zum Anfang des Mai den reichen Ertrag von 605 Thalern 1 Sgr. 11 Pf. eingebracht.
Rangerhöhung
Im Monat Mai wurden die bisherigen Herren Kreisrichter Neubert und Grobe zu Kreisgerichts-Räthen ernannt.
Todesfall
Am 7ten Junius starb nach längerer Krankheit der Marktmeister und erste Polizei-Sergeant Steinborn, 35 Jahre alt: er war sehr brauchbar und treu.
Feuersbrunst
Am 19ten Junius Abends um halb 6 Uhr brannten in den vor dem breitem Thore an der Kohlgaße liegenden Scheunen in der dritten Reihe vier derselben ganz ab; die fünfte hart angränzende, deren Giebel schon das Feuer ergriffen hat, wurde noch durch die angestrengten Bemühungen unserer braven Feuerwehr gerettet.
Die Ursache der Entstehung dieses Feuers, welches in der zweiten nach Morgen zu liegenden Scheune entstanden seyn soll, ist bis jetzt nicht entdeckt worden; laut einer Bekanntmachung des Magistrats im Kreisblatt hat einer der abgebrannten Besitzer 50 rtl. Belohnung auf die Entdeckung und die Bestrafung des Verbrechers gesetzt.
Tod des Geheimen Medicinalraths und Professor Dr. med. Ehrenberg in Berlin
Am 27ten Junius früh halb 1 Uhr ist nach langem Leiden der Geheime Medicinalrath und Profeßor Dr. Christian Gottfried Ehrenberg zu Berlin an der Waßersucht und in Folge von Altersschwäche im 82ten Lebensjahre verstorben; er war in Delitzsch am 19ten April 1795 geboren. Seine Lebensbeschreibung befindet sich in dieser Chronik im vorigen Bande verzeichnet.
Witterung von April bis Junius
Die winterliche Witterung des Maerz ging fast in derselben Weise bei mehr höherm als niederm Barometerstande und vorherrschenden N.W. und N.O.W. in den April über; wir hatten weit mehr trübe, kühle, rauhe und windige Tage, als helle und schöne; dichte Nebel waren am 2ten, 4ten und 6ten bemerkbar; Schnee fiel am 13ten; ein schweres Gewitter entladete sich am 17ten Abends von 9 – ½ 10 Uhr mit gewaltigen Blitzen und Donnerschlägen und starkem Regen (B. 27,9); Tagsdarauf den 18ten folgte Vormittags ein Landregen (B. 27,6); am 22ten war wieder ein starker Landregen. Ganz in derselben Weise bey ebenderselben noch anhaltender scharfen Windrichtung und ebenso höhern Barometerstand (28,1-5) ging der Witterungslauf in den Mai über, es war an vielen Tagen deßelben empfindlich rauh und kalt, so daß derselbe wahrscheinlich nicht den Namen des Wonnemonats verdient; am 17ten früh um 4 Uhr trat sogar noch ein sehr starker , trockener Frost ein bey N.O.W. (B. 28,2), welcher die herrliche Baumblüthe der Kirschen, Pflaumen und Nüße total vernichtete und viele dieser Bäume tödtete. Gewitter traten auf am 1ten, das eine um ½ 3 Uhr Nachmittags ohne Regen, das zweite stärkere um 4 U. mit Regen aus N.O., am 25ten um 2 ¼ - 3 U. ein Gewitter aus N.O., ferner am 26ten Abends von ½ 6 – 6 U. aus W., den 27ten um 2 U., und den 31ten um ½ 6 U. Abends ein Gewittersturm aus N.W. mit wenig Regen. Nachdem nun der Witterungslauf des April und Mai in der bisherigen rauhen, schroffwechselnden Weise bis zur Mitte des Junius angehalten hatte, erfolgte endlich vom 18ten d. M. an entschiedene Wendung zum Beßern, indem die Tage desselben trotz der zwar mildern Fortdauer des N.W. u. N.O.W. heller, freundlicher und wärmer wurden (Therm +25 – 30). Zwei starke Gewitter bildeten und entladeten sich mit schönem Regen am 8ten früh von 7 – 8 und 10 – 11 U. bey N.W. u. N.O.W., sodann am 9ten früh um 7 und Mittags um 12 Uhr.
Bey dem letzteren schweren Gewitter schlug der Blitz im Dorfe Zschortau an zwey Stellen ein. Zunächst von der Thurmspitze ausgehend verletzte derselbe das Schieferdach des Thurmes erheblich, durchschlug einen starken Strebepfeiler, ist auch sichtbar in das Innere der Kirche eingedrungen, doch ohne etwas zu zerstören. In einem Gehöft drang der Schlag, vom Giebel des Wohnhauses ausgehend, durch die Oberstube in die Wohnstube und traf den am Fenster sitzenden Besitzer an Brust und Gliedern, doch ohne ihn zu tödten; die neben ihm sitzende Großmutter und ein kleines Kind blieben unbeschädigt.
Am 12ten Landregen.
Endlich hatten wir noch zwey Gewitter im Junius, das eine am 16ten von 2 ½ - 3 U., das zweyte am 30ten von 1 – ½ 2 U. mit starkem Regen und heftigen Schlägen aus N.W. nach O. Dieses letztere war sehr schwer und hat besonders in unserer Nachbarstadt Landsberg viel Unheil angerichtet, indem der Blitz die Frau des Hausbesitzers Gröner, welche vor dem Herde stehend die Speisen kochte, daselbst erschlug, ferner den 22 Jahre alten Sohn des Hausbesitzers Baumgarten in seinem ebenfalls am Fuße des Kapellenbergs gelegenen Hause in der Stube tödtete, und deßen 18 Jahre alte Tochter auf längere Zeit betäubte. Das einzige Gute, was die höchst ungünstige, rauhe Witterung dieses ganzen Frühjahrs uns gebracht hat, ist die durch dieselbe bewirkte gründliche Vertilgung der Maikäfer, dieses gefräßigen Ungeziefers, von denen wir bekanntlich in jedem Schaltjahre eine starken Flug zum großen Schaden der Bäume zu erwarten haben. Da wir in diesem Frühjahr vom 22ten April bis zum 12ten Junius, mithin über 7 Wochen, keinen Landregen erhielten und auch die frühern Gewitter mehrmals wenig oder keinen Regen mitgebracht hatten, auch der scharfe N. und O.W. sehr austrocknete, so war im Mai und Junius große Dürre auf Wiesen und Feldern entstanden, in deren Folge die Früchte auf denselben in ihrer Ausbildung zurück waren um wenigstens zwey Wochen gegen andere Jahre. Da kamen zur höchsten Zeit in der ersten Hälfte des Junius die fruchtbringenden Gewitterregen, erquickten die verdorrten Fluren, und in wenig Tagen standen wie mit einem Zauberschlage durch ein Wunder Gottes die Feldfrüchte, besonders das Wintergetreide, neu verjüngt in reicher Fülle da. Verschwunden waren alle Besorgniße wegen einer Mißernte; auch die Heuernte, obgleich um 14 Tage verspätet, ist ziemlich gut ausgefallen und seit den letzten Tagen des Junius glücklich eingebracht worden.
Gesundheitszustand
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht so befriedigend, demgemäß aber auch die Sterblichkeit größer, als im letztem Quartal. Es kamen rheumatische und katarrhalische Leiden zur Behandlung, ferner Spitzpocken und Rachenbräune, an der letzteren starben viele Kinder. Die Zahl der Gebornen betrug 83, die der Gestorbenen 67.
Beamtenwechsel
An die Stelle des seit dem 1ten April mit einer jährlichen Pension von 540 Mark in den Ruhestand versetzten Polizey-Sergeanten Uhlig ward der bisher bey der Eisenbahn in Leipzig beschäftigt gewesene Albert Heidemann mit einem jährlichen Gehalt von 810 Mark(incl. freier Wohnung) angestellt.
Neuer Lehrer und Lehrerin
An der höheren Töchterschule sind seit dem 15ten April d. J. die Stelle eines wißenschaftlich gebildeten Lehrers und einer Elementarlehrerin neu begründet worden. Erstere ist interimistisch dem von hier gebürtigen Candidaten des höheren Schulamts Louis Rose, geboren 1854, Sohn des hiesigen Maurermeisters Rose, bisher Student der neuern Sprache in Goettingen, mit einem Jahrgehalt von 1900 Mark verliehen, die letztere Stelle dem Fräulein Auguste Ottilie Kuehn aus Berlin, geboren daselbst den 4ten August 1851, mit einem jährlichen Gehalt von 900 Mark übertragen worden.
Lehrer-Wechsel
Der Lehrer Otto Gloeckner II ging am 1ten April von hier ab, um in Weißenfels eine Lehrerstelle anzunehmen, seine Stelle erhielt der Lehrer Robert Großstück, bisher in Alsleben, welcher am 1ten Julius sein Amt antrat. Der Lehrer Lahmeyer, welcher am 1ten Januar in des nach Bernburg abgegangenen Lehrers Ernst Gloeckner I Stelle eingetreten war, wurde krank und ist am 1ten Juli ausgeschieden; seine Stelle wurde dem bisherigen Seminaristen Otto Bach, geb. zu Teuchern d. 10ten November 1855, gebildet auf dem hiesigen Schullehrer-Seminar, am 1ten Julius verliehen.
Neue Lehrer-Stelle
An der zweyten Bürgerschule wurde eine neue Lehrerstelle begründet und dieselbe dem bisherigen Seminaristen in Eisleben Trinkaus verliehen und am 1ten Mai übergeben, wo er sein Amt antrat.
Neuer Gottesacker
Da das vom Müllermeister David Thormann im Jahre 1873 zur Anlegung eines neuen Begräbnisplatzes verkaufte Feldareal von 15 Morgen rechts der Bitterfelder Chaußee hinter Offenhauers Brauerei wegen des Widerspruches des Brauereibesitzers Offenhauer nicht zu dem angegebenen Zwecke verwendet werden konnte; so traten die städtischen Behörden mit der Hospital-Inspection in Unterhandlung, und es überließ in Folge deßen die Hospital-Verwaltung von ihrem zwischen der Dübener und Beerendorfer Straße gelegenen Ackerplan von 18 Morgen 150 Quadratruten eine Fläche von 10 Morgen an die Stadt-Commun ab, wogegen diese die obigen ihr gehörigen, von Thormann erworbenen 15 Morgen dem Hospital tausch-resp. kaufweise abtrat.
Das Hospital zahlte an die Stadt-Commun, da ersteres 5 Morgen mehr erhielt, noch 2700 Mark baar heraus.
Verpachtung der Kirschen
Die diesjährigen sehr wenigen Süß- und Sauerkirschen auf den Commun-Alleen wurden für zusammen 75 Mark verpachtet. Der starke Frost am 17ten Mai früh um 4 Uhr hatte leider in Verbindung mit dem sehr scharfen N.O.W. die herrliche Baumblüthe total zerstört.
Geschenk an das Bürgerhospital
Am 15ten Julius hat der Verfaßer dieser Zeilen dem Bürger-Hospital seiner theuren Vaterstadt zum Andenken an seine fast sechsundzwanzigjährige ärztliche Amtswirksamkeit in dieser trefflichen Anstalt sein anatom. chirurg. Besteck zum Geschenk darzubringen sich erlaubt, und zu diesem Zweck nach vorheriger Anzeige bey der Wohllöbl. Hospital-Inspection dem Hausvater Schnittspahn heute übergeben. In demselben befinden sich folgende Instrumente: 1) eine große Blattsäge, 2) eine Pincette, 3) ein starkes Knorpelmeßer, 4 u. 5) zwey Bistouries, 6 u. 7) zwey Scallpells, 8 u. 9) zwey Nerven-Messer, 10) eine Lancette, 11) eine Scheere, 12) ein Arterienhaken, 13) ein Tubulus, 14 u. 15) zwey Muskelhaken, 16) eine Hohlsonde, 17 u. 18) zwey kleinere Haftnadeln, 19 u. 20) zwey größere Haftnadeln.
Der Werth des Ganzen beträgt 24 Mark (8 rtl.)
Todesfall
Am 21ten Julius ist der seit Neujahr 1854 hier angestellte und seit Anfang dieses Jahres mit 150 rtl. jährlicher Pension in den Ruhestand versetzte zweyte Polizey-Sergeant Uhlig nach kurzer Krankheit im 58ten Lebensjahre verstorben.
Verpachtung der Pflaumen
Die Pflaumen-Nutzung im Rosenthal wurde für 31 Mark verpachtet.
Todesfall
Am 8ten August starb der seit Michäelis 1868 emeritierte frühere Tertius Friedrich August Lorenz im 80ten Lebensjahre.
Selbstmord
Am 21ten August früh um 5 Uhr hat sich der Handarbeiter Barth, nachdem er die ganze Nacht vorher auf dem Tanzboden in der Grünstraße zugebracht, in seiner Wohnung im Hause der Nagelschmiedswittwe Schmidt in der Holzgaße, erhängt; derselbe war 35 Jahre alt, ein roher, höchst leidenschaftlicher, zügelloser Mensch, welcher seine Frau oft schrecklich mißhandelte.
Verkauf eines Stücks Stadtmauer
Dem Rohlederhändler August Jacob wurde Behufs Umbaues eines Schuppens zu einer Niederlage ein Stück Stadtmauer nebst Grund und Boden, zwischen dem Breiten Thor und der Pforte gelegen, in einer Ausdehnung von 91 und 2/3 Fuss (Quadratfuss d.A.) für den Preis von 75 Pf. pro Fuss, also für 68 Mark, 75 Pf eigentsächlich überlaßen.
Sedanfest
Die Feier des Sedanfestes wurde am 2ten September in der von den geistlichen und weltlichen Behörden angeordneten Weise mit einem Actus in den Schulen, liturgischem Gottesdienst, Auszug der Schützen und der Landwehr-Veteranen begangen, übrigens war die Theilnahme gegen die letzten Jahre auffallend gering, woran einen großen Theil der Schuld die bereits so lange anhaltende beyspiellose Theuerung aller Lebensmittel, z.B. das Stück Butter 8 Sgr.( Silbergroschen d.A.), trägt.
Die Leipziger Kaisertage
Am 5ten September Nachmittags ¾ 4 Uhr ging unser allgemein hochverehrter Deutscher Helden-Kaiser und König Wilhelm auf der Anhalter Eisenbahn von Berlin kommend hier durch nach Leipzig, um am 6ten und 7ten d. M. über das 12te deutsche (Königl. Sächsische) Armeecorps eine Parade und Revue abzuhalten.
Der Empfang des Kaisers war sehr glänzend und ist in dem hier beyliegenden Unterhaltungsblatte No. 36 ausführlich mitgetheilt worden.
Am 7ten September früh 8 ¼ Uhr fuhr der deutsche Kaiser Wilhelm, der König von Sachsen, ebenso alle andern in Leipzig anwesenden Fürsten, Generäle pp. meist in offenen Hofwagen, die beyden erstern in einem zusammen, über den Thonberg, Probsthayda pp. um das große Corpsmanöver des Königl. Sächs. Armeecorps, welches auf den zwischen Magdeborn und Güldengoßa gelegenen Feldern stattfand, abzuhalten. Sämtliche Uebungen wurden präcis ausgeführt.; jede Waffe löste ihre Aufgaben in bester Weise. Um 12 Uhr kehrte der Hof mit der Suite nach Leipzig zurück, und um 5 Uhr fand im Schützenhause ein großes militärisches Dejeuner dinatoire statt. Um 7 Uhr erfolgte die Abreise des Kaisers nach Merseburg; er verabschiedete sich auf das herzlichste. Hierüber sowie über seinen Empfang in Merseburg und die daselbst statt gefundene Parade und Revue des vierten Armeecorps am 8ten d. M. siehe den Bericht in der Beilage d. Unterhalt. Blatts.
Am Sonntag d. 10ten d. M. besuchte der Kaiser das ihm zu Ehren Nachmittags um 3 Uhr in der Domkirche vom Domorganist Engel unter Mitwirkung des Gesangvereins von Halle gegebene große Orgelconcert, welches sehr gut ausfiel; die Kirche war mit Zuhörern gefüllt. Am 12ten hielt früh um 8 Uhr der Kaiser mit dem König von Sachsen in Begleitung eines zahlreichen Gefolges von Fürsten, Generälen pp. das große lebhafte Corpsmanöver des 4ten und 12ten (Königl. Sächs.) Armeecorps ab, wobey das letztere über die Saale ging, einen Angriff auf das erstere machte und daßelbe nach Merseburg hin zurück drängte. Den Tag darauf reisten die Fürsten in ihre Residenzen, und die Truppen gingen in ihre Garnisonen.
Ordens-Verleihung
Der Seminar-Director Trinius hat den rothen Adler-Orden vierter Klaße vom Kaiser erhalten.
Witterung von Julius bis September
Der Witterungslauf des Julius hatte mit dem der zweyten Hälfte des Junius die größte Aehnlichkeit, sowohl was die vorherrschende Windrichtung, (N.W.W. u. W.W.) als auch den mehr höhern als niedern Barometerstand betrifft (B. 28-28,4). Die Mehrzahl der Tage war recht schön, einige sogar schon sehr heiß, wie der 7te, 14te, 25te und 31te (Th. +35).
In Folge davon bildeten sich starke Gewitter, wie am 1ten von 1 – ½ 2 Uhr Mittags und von 5 – 6 U. Abends, desgleichen ein sehr schweres am 7ten Abends von 5 – 6 U. welches sich mit heftigem Sturm und starkem Regen entladete, und wo der Blitz den mit dem Austhüren beschäftigten Windmueller Francke in Gertitz an der linken Seite traf, wo auch mehrere große verbrannte Stellen seiner Kleider dieses zeigten, und seine längere Zeit anhaltende Betäubung dies ebenfalls bewies.
In der Nacht vom 10ten zum 11ten war ein Landregen, am Abend des 19ten von 4 U. an ein Sturm, am 27ten von 3 bis 5 U. nach großer Hitze ein Gewitter ohne Regen, und am 29ten früh nach zwey schwülen Tagen von 8 – ½ 9 U. ein Gewitterregen.
Im August blieb die Windrichtung und der Barometerstand derselbe wie im Julius; dagegen stieg das Thermometer an den Nachmittagen in der Sonne von +35 – 40 Grad Reaum., besonders am 8ten dann vom 10ten bis zum 16ten, am 15ten und 21ten sogar auf 40 Grad; die Hitze, eine fast afrikanische, war wirklich sehr drückend, die Luft zu schwül und bey dem noch dazu in den letzten Wochen stattgefundenen Regenmangel trat als Folge von beyden nun große Dürre ein, welche die Preise der Lebensmittel sehr steigerte, besonders die der Butter.
Nach drei Wochen lang vorangegangenen schönen und hellen Tagen trat nun vom 22ten an ein Umschwung im Wetter ein, denn an demselben Abend erfolgte von ¼ auf 7 bis ½ 7 U. ein starkes Gewitter mit dem lange ersehnten Regen, die Schwüle und große Hitze ließ bedeutend nach und machte einer starken Abkühlung, trüben und windigen Wetter bis an das Ende d. M. Platz; der 28te und 29te waren besonders trübe und kühl, und brachten Landregen bey Tage und Nacht; d. 31te war sehr kühl und windig. B 27,6 Th. +10 W.W.
Es war der Vorbote u. Uebergang zum September.
Die Witterung des September war mit Ausnahme sehr weniger Tage gleich vom 1ten (Argidius) an bey meist niedrigem Barometerstand (Bar. 27,0-6) sehr kühl, trübe, regnigt und stürmisch; wir hatten an diesem Tage einen heftigen Gewitterregen von ¾ 10 – ½ 11 U. an, der dann als Landregen fortdauerte bis Nachmittags 2 U.; und welchem noch Abends um 5 U. ein Gewitter ohne Regen nachfolgte. Die bisherige Windrichtung ging auch mehrmals, besonders in der Mitte dieses Monats von N.W. nach N. und N.O. über. Am 6ten hatten wir von 3 – ½ 4 U. Gewitterregen in O. u. W., am 8ten Landregen den ganzen Tag (B. 27,6), ebenso am 15ten u. 16ten, (B. 27,8), ferner am 25ten Regen in der Nacht, endlich am 26ten, 27ten und 28ten Landregen, wie dann überhaupt die meisten übrigen Tage dieses Monats früh nebligt, dann feucht und regnigt waren, wodurch auch natürlich die Feldarbeit zur Bestellung für die Wintersaaten recht aufgehalten wurde. Aus dieser Mittheilung über den diesmaligen Witterungslauf des September geht nun aber auch hervor, daß die alte Wetterprophezeiung der Jäger "wie der Hirsch auf die Brunft geht, so kommt er wieder zurück" in Bezug auf den Argidius Tag sich, wie gewöhnlich auch nach meinen vieljährigen Beobachtungen von Neuem jetzt bestätigt hat.
Ernte- und Getreidefrüchte
Was die Ernte betrifft, so ist die des Roggens und Hafers nur als eine Mittelernte, dagegen die des Weizens und der Gerste als eine gute zu bezeichnen, auch die Kartoffeln haben einen ziemlich guten Ertrag geliefert. Der Centner Roggen kostet jetzt 9 Mark 50 Pf., Weizen 10 M. 75 Pf., Gerste 8 M. 17 Pf., Hafer 8 M. 58 Pf., Kartoffeln 3 M. 12 Pf.
Gesundheitszustand
Die Krankheiten im dritten Quartal d. J. waren nicht unbedeutend und die Sterblichkeit nicht so gering besonders unter Kindern, Schwindsüchtigen und alten Personen in Folge des vom Ende des August an plötzlich eintretenden und den ganzen September anhaltenden ungewöhnlich schroffen Wechsels der Witterung.
Katarrhalische, rheumatische und gastrische Leiden, so wie Ruhren, Durchfälle und Brechdurchfälle kamen zur Behandlung. Die Zahl der Geborenen betrug 94, die der Gestorbenen 84.
Drei Selbstmorde
Am 29ten September hat sich in der Nacht der Bäckergeselle Adalbert Hoyer, 24 Jahre alt, Sohn des Scharfrichterei-Besitzers Hoyer, in deßen Geschäftslocale erhängt; er war den Tag vorher aus der Fremde zurück gekehrt. Deßgleichen hat sich am 8ten October in der Nacht der Seilergeselle Carl Goettsching aus Niederoßig, 23 Jahre alt, in dem Viaduct der Halle-Sorauer Eisenbahn, durch welchen der Fußsteig von Delitzsch nach Döbernitz führt, mit einem mit einer Rehposte geladenen Doppelterzerol erschoßen.
Die kleine Kugel war von der Herzgrube aus durch den linken Flügel der Leber, das Sonnen-Nervengeflecht, den Magen und das Zwerchfell in die linke Seite der Brusthöhle gedrungen, und auf dem Gelenkköpfchen der fünften Rippe neben dem Körper des betreffenden Brustwirbels aufgeschlagen und liegengeblieben, gleich vorher aber auch noch die linke Herzkammer tödlich verwundet.
Endlich hat sich noch in derselben Nacht der Nagelschmiedtgeselle Adam Dietz, 24 Jahre alt, in der Grünstraße im Hause 462 gehängt.
Roehers Legat
Der am 26ten Februar dieses Jahres hier verstorbene frühere Gutsbesitzer in Groskyhna und seit etwa fünf Jahren Bürger und Hausbesitzer in Delitzsch, Herr Johann Gottfried Roeher, 82 Jahre 4 Monat 13 Tage alt, hat in seinem Testamente von seinem bedeutenden Vermögen auch unserer Gottesackerkirche ein sehr ansehnliches Legat im Betrag von drei Tausend Thalern (neun Tausend Mark) vermacht, welches an den hiesigen Gemeinde-Kirchenrath von den Erben ausgezahlt worden ist am 10ten September zur Kirchenkaße, wofür aber dieser bis jetzt (d. 12ten Decembr.) noch nicht daran gedacht hat dem edlen Stifter dieses bedeutenden Legats im Namen der Gemeinde den gebührenden und schuldigsten Dank in unserm Kreisblatte abzustatten, und dadurch zugleich andere Wohlthäter anzufeuern diesem hochherzigen Beyspiel zu folgen. Unser kirchliches Leben und die Moral sind tief gesunken.
Thurmbau d. Gottesackerkirche
Da der Neubau des Thurmes unserer Gottesackerkirche leider sich bis zum 1ten October verzögerte (S. pag. 577 und 611 des vorigen Bandes), mithin an eine Vollendung des Baues in dem Jahre 1875 nicht zu denken war, so mußte derselbe zumal bey dem anhaltend schlechten Herbstwetter zu Anfang des December eingestellt werden; daßelbe erfolgte auch wegen der unvermeidlichen Störungen durch den Bau mit dem Gottesdienste, welcher von Michäelis 1875 an in der Hospitalkirche abgehalten wurde bis zum Todtenfeste 1876 am 26ten November, an welchem Tage die Wiederöffnung der Gottesackerkirche stattfand. Der Thurmbau war bereits d. 26ten August mit Aufsetzung des Knopfes und Kreuzes durch den geschickten Schieferdeckermeister Robert Uhlig Nachmittags um 3 Uhr glücklich vollendet. Dieser neue Thurm ist sehr solid gebaut, eine schöne achteckige Spitzsäule mit Durchsichten ragt 50 Fuß über den Forst empor und ist eine große Zierde unserer Stadt und besonders der Kirche; der Herr Kreisbaumeister Russel, welcher den Bau gewißenhaft kontroliert und sorgfältig geleitet, hat sich hierdurch ein wahres Verdienst und großes Lob erworben. Die Baukosten waren zu 1300 rtl. veranschlagt, betragen aber 1500 Thaler. Da nun die Kirche während des Baues sehr durch Bauschutt verunreinigt worden war und die Orgel von dem Kalkstaub trotz ihrer sehr guten Verwahrung bedeutend gelitten hatte, so mußte vor der Wiedereröffnung des Gottesdienstes erst eine durchgreifende Reinigung der Kirche und Orgel vorgenommen werden.
Die Reparatur der letzteren ward unserm geschickten Orgelbaumeister Herrn Offenhauer übertragen, welcher das Werk großen Theils auseinander nehmen, besonders die Windladen und die Pfeifen gründlich reinigen mußte, und bey dieser Gelegenheit noch eine sehr zweckmäßige Verbeßerung in der 4fachen Mixtur anbrachte, nämlich in den beyden Octaven einen starken 3fachen Cornet. Die Kosten dieser Reparatur betragen 50 rtl.
Untersuchung gegen den Kämmerer Ufer wegen Kaßen-Defecte
Schon seit längerer Zeit circulierten in der Stadt sehr schlechte Gerüchte über die höchst gewißenlose und nachläßige Verwaltung des Kämmerer und Hospitalvorsteher Ufer wegen Kaßen-Defecte in den beyden ihm anvertrauten Kassen; diese Gerüchte bestätigten sich immer mehr, zumal da derselbe sogar nicht einmal durch mehrmals vom Magistrat ihm dictirte und erhobene Ordnungsstrafen bis zu 5 rtl. zur Feststellung der jährlichen Rechnung über Einnahme und Ausgabe, womit er schon über zwey Jahre im Rückstand war um den Betrug zu verdecken, gezwungen werden konnte.
Endlich zog unser allgemein verehrter Herr Landrath v. Rauchhaupt den Verbrecher zur strengen Rechenschaft und Untersuchung am 15ten und 16ten Junius; das Resultat derselben constatierte das Ufer sehr große Schuld, daß dieser ungerechte Haushalter nämlich in der Kämmerei-Kaße einen Defect von 3400 rtl. und in der Hospital-Kaße einen Defect von 300 rtl. zurück gelaßen und gemacht hatte. Hierauf ließ der Herr Landrath v. Rauchhaupt den Ufer sogleich verhaften und an das Königl. Kreisgericht zur Fortsetzung der Untersuchung abgeben, von wo derselbe am 30ten September an das Königl. Kreisgericht in Halle abgeliefert wurde, um in der Mitte des November vom dortigen Schwurgericht abgeurteilt zu werden. Aber was geschah nun? Das Kreisgericht und der Staatsanwalt hielten in der Sitzung am 15ten November ihren Spruch "Er ist schuldig" aufrecht, und die Geschwornen – sprachen ihn frei. Diese Freisprechung hat aber gar keinen Werth, denn sie lautete: "Ufer ist wegen Geldunterschlagung und falscher Buchführung schuldig, da er aber nicht weiß, wo das Geld hingekommen ist, so ist er deshalb frei zu sprechen."
An diese von Ufer auscalculierte Schwindelei glaubt hier kein vernünftiger Mensch, sie beweist aber auch von neuem, daß Schwurgerichte, die nicht aus lauter Juristen bestehen, nichts taugen.
Ufer ist nun in Disciplinar-Untersuchung genommen.
Großer Concurs der Gebrüder Schaaf
In den Jahren 1874 bis 1876 unternahmen die Gebrüder Schaaf, Söhne des hiesigen Hotelbesitzers zum Schwan, welcher im vorigen Jahre starb, auf einem großen Feldgrundstück unmittelbar am Anfang der Leipziger Straße nach Abend zu den coloßalen Bau einer Dampfmühle mit einem elegantem Wohnhaus und einer großartigen Fontaine und Kunstgarten. Alle Welt wunderte sich im Laufe des Baues, welcher von vielen Sachverständigen über 100000 rtl. abgeschätzt wurde, wo die bedeutenden Mittel zu demselben herkämen; einige sprachen von einer reichen Frau, andere von einem bedeutendem hohem Lotterie-Gewinn oder Erbschaft. Endlich als der Bau fast vollendet und das Werk mit 8 Gängen schon in Betrieb war, verbreitete sich in der Stadt am 31ten Julius Nachmittags sehr schnell die Nachricht, daß auf Andringen der Gläubiger bey den Gebrüdern Schaaf in der Dampfmühle vom Kreisgericht versiegelt worden sey, weil dieselben ihre Zahlungen an diesem Tage eingestellt hätten, und somit der Banqurott ausgebrochen war. Nun war das Räthsel gelöst; jeder erfuhr nun, daß diese Herren mit großen Schulden gebaut hatten, und die Bauhandwerker großen Theils, wie man oft genug hörte, noch nicht bezahlt worden seyen. Um die dringendsten Schulden zu tilgen, borgten die Gebrüder Schaaf bey der hiesigen Stadt-Sparkasse nunmehr bald nachher ein Kapital von 45000 rtl. auf die erste Hypothek des ganzen Häusercomplexes der Dampfmühle, Wohnhaus, das große, umfangreiche Fabrikgebäude pp. Trotzdem wurde bald nachher der Concurs eröffnet am 11ten October, und mit dem gerichtlichen Verkauf von Luxusgegenständen, schönen Pferden und Wagen, andern Thieren, vielem Federvieh, ausländischen Gewächsen der Anfang gemacht. Ob sich die Gebäude beym Verkauf gut anbringen laßen werden, muß erst noch die Zeit lehren, weil solche große nur sehr wenige und reiche benutzen können, und viel Kosten erst noch auf die Einrichtung verwenden müßen.
Beamten-Wechsel
An die Stelle des verstorbenen Polizey-Sergeanten Steinborn ist als erster Polizey-Sergeant und Marktmeister der bisherige Schutzmann Kliche in Berlin vom 1ten November an hier angestellt worden.
Witterung vom October bis zum Ende d. December
Die Witterung im ganzen Herbst war diesmal höchst unfreundlich und rauh; mit Ausnahme sehr weniger Tage im October waren die meisten bei fast täglichen Barometer-Schwankungen und schnell wechselnden Windrichtungen, besonders nach N.W. und N.O., sehr kühl, trübe und windig; am 1ten hatten wir einen starken Landregen, am 21ten, 22ten und 23ten gelinden Frost, und vom 25ten bis mit 29ten bey N.O. und O.W. wie auch hohem Barometerstand dichte Nebel. Ganz in derselben Weise ging die Witterung in den November über, derselbe brachte uns am 2ten und 3ten Landregen sowie vom 4ten bis mit 9ten Schnee und Thauwetter, dann Nebel, worauf am 12ten ein sehr kalter, heller Tag (bey N.W. früh um 7 U. Therm. –10) folgte, am 13ten aber Thauwetter und Glatteis eintrat. Die übrigen Tage des November waren größten Theils, wie schon im October, durch trübes, rauhes, nebligtes und regnigtes Wetter bey vorherrschendem N.O. und O.W. bezeichnet. Im December endlich hatten wir besonders in der ersten Hälfte deßelben in den meisten Nächten Landregen, dann vom 15ten bis mit 19ten Nebel, am 22ten und 23ten zugleich mit Frost und Schnee, dann vom 24ten bis zum 28ten sehr kalte Tage mit Schnee, an welchen das Barom. schnell von 27,9 auf 28,5 stieg, und das Thermom. von –7 auf –14 fiel. Am 28ten Mittags trat Thauwetter ein, dauerte den 29ten fort, und beschloß bei S.W. (B. 27,7) das Jahr.
Krankheiten
In Folge dieses anomalen Witterungslaufes war aber auch die Zahl der Kranken bedeutend und die Sterblichkeit zumal unter den Kindern und Alten Leuten nicht gering. Zur Behandlung kamen hauptsächlich Brustkranke, Schwindsüchtige, Lungen- und Luftröhrenentzündungen, häutige und Rachenbräune, letztere beyde bey den Kindern.
Kirchliche Nachrichten: Nach dem Neujahrszettel sind in der evangelischen Gemeinde geboren 364, und gestorben 222 in diesem Jahre. Nach den Berichten des hiesigen Standes-Amtes sind in der Stadt Delitzsch 362 geboren und 262 gestorben in diesem Jahre.
Neue Baue
Neue Wohnhäuser sind gebaut worden im Jahre 1876:
1) vom Fuhrmann Andreas Lengemann in der Mauergaße,
2) vom Zigarrenarbeiter Christoph Renner in der Wiesenstraße,
und 3) vom Bierverleger Carl Wolf in der Quergaße.
Gehalts-Erhöhungen
Da der frühere Gutsbesitzer in Großkyhna und seit fünf Jahren Bürger und Hausbesitzer in Delitzsch Herr Johann Gottfried Roeher unserer Gottesackerkirche ein bedeutendes Legat von drei Tausend Thalern vermacht hat, so hat der Gemeinde-Kirchenrath beschloßen von den Zinsen dieses Kapitals die seit 1817 mit dem Archidiaconat combinierte Katechismusprediger Stelle in ihrem Gehalt um Einhundert Thaler zu erhöhen, so daß der jetzige Inhaber derselben, Herr Archidiaconus Meinhardt und deßen Nachfolger nunmehr Achthundert Thaler Fixum beziehen; ferner hat der Gemeinde-Kirchenrath beschloßen die Stelle des Organisten an dieser Kirche, für welches Amt der jetzige Inhaber Herr Lehrer Jost nur fünfundzwanzig Thaler bisher erhielt, auf fünfzig zu erhöhen; beyde Gehaltszulagen treten übrigens schon von Michäelis d. J. an in Kraft.
Der Herr Magistrats-Aßeßor und Polizey-Anwalt Heintze, welcher sein Amt am 9ten August 1853 hier antrat, ist zu Michäelis d. J. von den Stadtverordneten wieder auf zwölf Jahre einstimmig wohlverdienter Weise gewählt worden.
Berichtigung:
Die Katechismus-Prediger-Stelle war von 1817 an bis 1841 mit dem Diaconate combiniert, von da aber wurde dieselbe für immer mit dem Archidiaconate verbunden. (s. d. Jahr 1841)
Ruchlose Tödtung von jungen Schwänen
Im October sind, wie im Julius 1868, drey junge Schwäne, dem Fischpachter Prautsch gehörig, vergiftet und auf der Schloßwiese todt gefunden worden. Die Verbrecher sind leider nicht entdeckt; man hat Schuljungens in sehr starkem Verdacht.
1877
Zur Situation im Orient
Unter dem Wechsel theils mehr, theils leider weniger glücklicher Auspizien sind wir aus dem alten in das neue Jahr übergegangen. In der Politik ist die Orientalische Frage, über welche die sechs Europäischen Großmächte Oesterreich, Rußland, England, das Deutsche Reich, Frankreich und Italien durch ihre Gesandten mit der türkischen Regierung ein halbes Jahr lang erfolglos verhandelt haben, noch immer eine brennende geblieben. Die Großmächte verlangen nichts weiter von der Türkei, als daß diese die dort wohnenden Christen, welche bisher ganz rechtlos dastanden und zu hunderten von fanatischen Muselmännern ermordet wurden, in der Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte ohne Unterschied der Religionspartei und Confession kräftig schützen, wie es in allen civilisierten Staaten der Fall ist. Rußland wird jedenfalls, um diesen Greueln ein Ende zu machen, zum nächsten Frühjahr der Türkey den Krieg erklären, und dadurch hoffentlich die usurpierte Existenz dieses schon seit längerer Zeit in einem innern starken Auflösungs- und Verwesungsproceße begriffenen Staates in Europa vernichten, denn gelöst muß diese Frage doch werden.
Im deutschen Reich
In Deutschland sieht es jetzt auch nicht zum Besten aus; Handel und Gewerbe stocken seit Jahr und Tag gewaltig und der Credit ist tief gesunken;
Schwindelei und Betrug sind an der Tagesordnung und in Folge davon bedeutende boshafte Banquerotte befördert durch den Actien und Börsen-Schwindel, welche so wie die unbeschränkte Gewerbefreiheit oft noch durch heillose Gesetze und Intriquen zum großen Nachtheil der armen Gläubiger und Handwerker pp. begünstigt werden, so daß hier das alte Sprüchwort eintrifft "Die kleinen Diebe fängt man, aber die großen läßt man laufen." Die Sucht schnell reich zu werden, ob mit Recht oder Unrecht, ist fast allgemein.
Weil nun bey der anhaltenden Geschäftsstockung viele große und kleinere Fabrikanten und Industrielle ihre sehr großen maßenhaft aufgehäuften Vorräthe von Fabrikaten nicht mehr so wie früher absetzen konnten, so waren sie gezwungen die Zahl ihrer, durch zu hohe Löhne verwöhnten Arbeiter wenigstens um die Hälfte zu vermindern, wobey, wie sich leicht denken läßt, daß Los der Entlassung doch gewiß nur die minder Brauchbaren traf. Die Tausende dadurch brodlos gewordenen Arbeiter überschwemmten nun seit Anfang des vorigen Jahres als Bettler und Vagabunden ganz Deutschland, und belästigten mit ihren oft frechem Betragen und unverschämten Forderungen bis jetzt noch die Städte und besonders die Dörfer. Das war Waßer auf den Communisten und Socialisten ihre Mühle, deren es auch bey uns einige gibt; hier hat aber bey den letzten Wahlen im Januar zum Reichstage und Abgeordneten-Hause die liberale Partei unsern allgemein verehrten Herrn Landrath von Rauchhaupt und ebenso den Herrn Kreis-Gerichtsdirector Thilo mit großer Majorität wieder gewählt. Ueber unsere Stadt ist noch zu bemerken, daß trotz aller Klagen über Noth und schlechte Zeiten die Vergnügungssucht, der Luxus, das den Wohlstand, die Gesundheit und das häusliche Glück total zerstörende Wirtshaus- und Kneipenleben noch immer fortdauert, und Ausbrüche von Rohheit und Auflehnung gegen die Sittlichkeit, besonders bei der männlichen Jugend immer häufiger beobachtet werden.
Schwere Diebstähle
Endlich sind auch in den letzten Monaten mehrere schwere Einbruchs-Diebstähle verübt worden:
1) bey dem Zeugschmiedt Fritsche am Kirchhof in der Nacht vom 1ten 2ten December (Geld und Wertsachen);
2) in den Zwinger-Salon der Frau Dr. Gerber, in der Nacht vom 24ten-25ten December 1876 (Zerschlagung zweier schöner Spiegel im Salon, und empörende Verunreinigung deßelben);
3) bey dem Kürschnermeister Seiffert in der Breiten Straße am 5. Januar 1877 Abends zwischen 6-7 Uhr; (Diebstahl von Pelzwaaren aus dem Schaufenster nach Eindrückung einer Glasscheibe);
4) in die Scheune des Maurermeister Voigt in der Nacht vom 24ten zum 25ten Januar 1877 (ein halber Wispel Weizen).
Von diesen 4 Diebstählen ist bis jetzt, den 16ten Februar, nur der dritte entdeckt wurden und zwar noch an demselben Abend auf frischer That, der Thäter ist die höchst übel berüchtigte und abgefeimte Diebin und Betrügerin, die Frau des Handarbeiters Pampel, welche wegen Diebstahls bereits fünf Jahre in unserm Zuchthaus gesessen hat und erst vor 1 ½ Jahren aus demselben entlaßen worden ist.
Epizöotie von Lungenseuche und Rinderpest.
Am Schluß dieses Artikels muß noch erwähnt werden, daß in unserer nächsten Umgebung in einigen Dörfern und Rittergütern, besonders in Schenkenberg und Storkwitz die Lungenseuche und Rinderpest, letztere durch kranke Thiere aus Rußland und Polen hier eingeschleppt im vorigen Jahre heftig aufgetreten ist, besonders in den genannten Rittergütern, und deren Viehbestand sehr großen Schaden zugefügt hat, weshalb auch die Butter immer noch sehr theuer blieb. Da diese Krankheiten ansteckend (contagiös) sind, so mußten die betreffenden Gehöfte gesetzlich abgesperrt und viele kranke Thiere getödet werden, um die weitere Verbreitung zu verhüten, was durch strenge Ausführung zweckmäßiger Maaßregeln gelungen ist. Seit der Mitte des Januar ist die Sperre wieder aufgehoben, mithin diese Epizöotie als verloschen erklärt.
Unglücksfall
Der Zeitungs-Colporteur Paul aus Eilenburg, welcher am 30ten Januar in Geschäften hier war, verunglückte an diesem Tage um halb zwey Uhr, wo er des Müllermeister Werners Windmühle verließ, in den gehenden Mühlruthen und erhielt zuerst einen Streifschlag an die rechte Seite des Stirnbeins mit einem tiefen Eindruck deßelben und zerbrochenen Knochenstücken; sodann empfing er noch einen sehr heftigen Schlag auf den linken Fuß, welcher einen starken Bruch des Schienbeins ziemlich in der Mitte verursachte. Mangel an Vorsicht und Kurzsichtigkeit sollen die Ursachen des Unglücks seyn. Der Kranke liegt nun schon 18 Tage im Stadt-Krankenhaus; der Ausgang ist ungewiß.
Neues Auftreten der Rinderpest
Da neuerdings wider Erwarten besonders im Königreich Sachsen in den Grenzdörfern bey Leipzig und auch in der Dresdner Gegend die Rinderpest mit Heftigkeit wieder aufgetreten ist, so macht der Magistrat höherer Anordnung zu Folge bekannt im Kreisblatte vom 19ten Februar, daß die Viehbesitzer ihren Viehbestand streng zu überwachen haben, und bey der geringsten Beobachtung verdächtiger Symptome der Krankheit diese zur Anzeige bringen, und sich den bereits angeordneten oder noch anzuordnenden Absperrungs-Maaßregeln nicht zu widersetzen, bey Vermeidung einer Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahre, nach Umständen auch bis zu zwey Jahren. Um die weitere Verbreitung der Seuche zu verhüten, sind auch die jetzt fallenden Vieh- und Jahrmärkte, wie Düben, Eilenburg verboten worden.
Am 21ten Februar erhielt aber das Königl. Landraths-Amt von der Hochlöbl. Regierung in Merseburg folgendes Telegramm zur Beruhigung: "Weder in Thallwitz, als an anderen Orten der Umgegend Rinderpest!"
Eisenbahnsteuer
Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn-Gesellschaft erhielt unsere Commun für das Jahr 1876 als Eisenbahn-Steuer 1837 M 50 Pf.
Braunkohlenwerk. Das hiesige Braunkohlenwerk hat fast im ganzen vorigen Jahre eine guten Fortgang gehabt und viel Förderkohle verkauft; nur in der Mitte des Sommers fand eine zeitweise Unterbrechung statt, weil eine starke Waßerfluth in den Schacht dermaßen durchgebrochen war, daß indemselben ein Erdfall und auf der Oberfläche des an der Mitternachtsseite der Landstraße liegenden, mit Kartoffeln bepflanzten, Communfeldes ein sehr großes Loch entstanden war, wofür die Delitzscher Braunkohlen-Actien-Gesellschaft Entschädigung leisten mußte. Der Bergw. Dir. Peter ist seit Johannis v. J. abgegangen, an seine Stelle trat der Obersteiger Balkow aus Stummsdorf. Um Knorpelkohle zu erhalten, muß erst noch ein neuer Schacht erbaut werden; wir sind noch nicht am glücklichen Ziel.
Unglücksfälle
Am 28ten Februar verunglückte der fast zweyjährige Sohn des Zigarrenarbeiters Carl Lebrun im Rauche durch Erstickung; das Kind war nämlich leider in der Wohnung eingeschloßen im Bette gelaßen worden, das Feuer im Ofen hatte das hinter demselben liegende Holz ergriffen und dieses einen ganz in der Nähe hängenden Rock entzündet, und die Stube mit Qualm angefüllt; es ist mithin dieser Fall eine Tödtung durch Fahrläßigkeit. Ferner verunglückte am 3ten Maerz der 5 Jahre 8 Monate alte Pflegesohn des Schuhmachermeister Erdmann Schneider durch eine heftigen Sturz von der Höhe einer Treppe herab, auf welcher er von oben nach unten sehend ausgleitete und am Boden auf das Stirnbein gewaltig aufschlug, deßen Zerschmetterung in mehrere Knochenbruchstücke, Zerreißung der Gehirnhäute, Austritt von Blut in das Gehirn und somit auf der Stelle den Tod zur Folge hatte. Ein offene Wunde an der rechten Seite des Stirnbeins war zwar nicht vorhanden, aber der bedeutende Blutstrom aus Mund und Nase bewies hinlänglich, welche gefährliche Zerstörungen dieser Sturz in der Schädelhöhle verursacht hatte.
Feier d. 80ten Geburtstages d. Kaisers
Der 22te März, der Tag an welchem unser ehrwürdiger hochverehrter Kaiser Wilhelm sein achtzigstes Lebensjahr vollendete, ist auch bey uns festlich und feyerlich begangen worden. Schon am Vorabend um 8 Uhr führte der Veteranen- und Landwehr-Verein einen solennen Zapfenstreich und am nächsten Morgen eine dergleichen Reveille auf. Um 10 Uhr Vormittags wurde in der Stadtkirche vom Herrn Superintendent Leipoldt ein Festgottesdienst abgehalten, und von 11 Uhr an fanden im Königlichen Schullehrer-Seminar und den Bürgerschulen Redeactus mit Gesang und Gebet statt. Möge Gott den noch sehr rüstigen Heldenkaiser zum Segen des Deutschen Vaterlandes noch lange so erhalten!
Bestrafung
Von den erwähnten schweren Diebstählen sind die Thäter entdeckt und von dem Königl. Kreis- und Schwurgericht zu Halle in den Sitzungen vom 24ten und 26ten Maerz 1877 bestraft worden. Die beiden ersten sind bis jetzt noch nicht entdeckt.
Witterung vom Januar bis Ende des Maerz
Der Witterungslauf des ersten Quartals war im Januar bey fast täglichen Schwankungen des Barometers und deßen in der ersten Hälfte deßelben mehr niederem (27,3 – 27,8), in der zweiten dagegen mehr höherem Stande (28 – 28,5), so wie auch bey vorherrschenden N.W.W. und S.W.W. trübe und rauh, nebligt, regnigt u. stürmisch; am 31ten Tag und Nacht tobte ein heftiger Orkan (Bar 27,4). Frost gering, Schnee, welcher gleich schmolz, wenig. Im Februar hielt das Wetter in der bisherigen Weise an; es regnete besonders viel, so daß wir am 9ten großes Waßer hatten; am 10ten und 11ten Landregen, auf welche Abends bis in die Nacht Sturm folgte. Am 25ten und 26ten wüthete wieder ein Orkan (Bar 27,3), worauf am 27ten sehr gelinder Frost (Therm. früh 0) und starker Schneefall eintrat. Der Barometerstand und die Windrichtung wie im Januar. Das letztere gilt auch ebenso wie das oben vom Witterungslauf Gesagte für den Maerz. In den drei ersten Tagen deßelben und dann bloß noch am 10ten hatten wir früh 3-5 Grad Kälte bey N.W.W. u. O.W.; die Mehrzahl der übrigen ziemlich gleich denen im Januar und Februar, und besonders durch dichte Nebel, Schnee, Regen und stürmisches naßkaltes Wetter bezeichnet. Am 30ten hatten wir früh einen Nebelregen bey N.W.W. und dann Nachmittags bey S.W. von 2-3 Uhr u. von 5-6 Uhr zwey starke Gewitterregen.
Krankheiten
Was von den herrschenden Krankheiten im letzten Quartalsbericht gesagt ist, gilt ganz auch von diesem Quartal, in welchem auch öfters Diarrhöen durch Erkältung entstanden sind und zur Behandlung kamen.
Gedenktafel
Am 19ten April wurde am Hause des Brauereibesitzers Fritzsche in der Halleschen Straße über der Eingangsthüre eine weiße Marmortafel zum Andenken an unsern daselbst gebornen Ehrenbürger, den großen Naturforscher Dr. und Prof. Christian Gottfried Ehrenberg, angebracht. S. die Beilage des Delitzscher Kreisblatts.
Sparkassenrendant
Am 17ten April ist als Nachfolger des zum 1ten Julius in den Ruhestand wegen Altersschwäche tretenden Sparkaßen-Rendanten Thaerigen der bisherige Buchhalter Scheibe in Berlin, ein Sohn des hiesigen Glasermeister Scheibe, erwählt worden.
Jubelfeste
Am 22ten April feierte der hiesige Herr Postmeister Hein sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Nachdem ihm in den Morgenstunden ein Ständgen gebracht worden war, erschien zuerst der Herr Oberpost-Director und Geheimer Rath Braune von Halle, und überbrachte dem würdigen Jubilar im Namen und Auftrag Sr. Majestät des Kaisers den ihm verliehenen rothen Adlerorden vierter Klaße mit den herzlichsten Glückwünschen. Nach dem Vormittags-Gottesdienst statteten noch der Herr Landrath v. Rauchhaupt, Deputationen des Kreisgerichts und des Magistrats, die Postbeamten und viele Freunde und Bekannte dem sehr gerührten Jubilar ihre aufrichtigsten und besten Glückwünsche ab. Am Tage darauf, den 23ten April, feierte auch der hiesige Gürtlermeister und Raths-Bauverwalter Krause sen. sein fünfzigjähriges Bürgerjubiläum, bey welcher Gelegenheit Deputierte des Rathes und der Stadtverordneten und viele seine Mitbürger demselben ihre herzlichsten Glück- u. Segenswünsche darbrachten.
Lehrerwechsel
a) an der höheren Bürgerschule
Der Lehrer Dr. philos. Bruno Moltheuer ging am 1ten April ab, um eine Stelle an der Realschule in Aschersleben anzunehmen. An seine Stelle trat der bisherige ordentliche Lehrer Gustav Haacke. An deßen Stelle wurde der Cand. theol. et. philol., bisher im Convict des grauen Klosters Gymnasiums zu Magdeburg, Friedrich Matthies angenommen.
b) an den Volksschulen
Die beyden Lehrer an den hiesigen Bürgerschulen: Hugo Trinkaus und Julius Voigt gingen am 1ten April ab, ersterer um eine Lehrerstelle in Gablenz bey Chemnitz im Königreich Sachsen anzutreten, letzterer, um in Eilenburg die Müller-Profeßion zu erlernen. Beyde Stellen sind noch unbesetzt.
Beamtenwechsel
Der Polizey-Sergeant Kliche, welchem seine Stelle nach abgelaufener sechsmonatiger Probezeit wieder gekündigt worden war, schied am 25ten April aus seiner Stellung, um in Stadtlohn, Kreis Ahaus in Westphalen, in den Königl. Steuer-Dienst einzutreten.
Todesfall
Am 6ten Mai starb nach kurzem Krankenlager in Folge eines Schlaganfalles der seit dem 1ten Julius 1874 emeritierte Stadtmusikus Franz Hofmann im fast vollendeten 67ten Lebensjahre. Sein Musikchor war ebenso, wie bey seinem am 29ten Julius 1838 im 73ten Lebensjahre verstorbenen Vater, deßen Amtsnachfolger er wurde, im besten Stande und zeichnete sich stets besonders beym Blasen der Choräle, durch Reinheit und Sicherheit aus; kurz, er bildete seine Gehülfen und Lehrlinge sehr gründlich aus, von denen mehrere später als Hauptboisten bei dem Militär oder als Kammermusiker ihr Glück gemacht haben.
Grellmanns Tod
Am 15ten Mai starb nach vierzehntätigem Krankenlager unser treuverdienter, ehrwürdiger Organist und Lehrer Herr Carl Gottfried Grellmann im fast vollendeten 82ten Lebensjahre. Kirche und Schule hat einen großen Verlust erlitten, besonders erstere, was die Gemeinde an jedem Sonn- und Festtage schmerzlich empfindet und bitter beklagt, weil bey dem kläglichem Chorgesang und erbärmlichem Orgelspiel im jagendstem Tempo mit dem Wegfall der Zwischenspiele der Choral so sehr verstümmelt wird, daß fast Niemand mehr mitsingen kann, weshalb viele den Gottesdienst vermeiden.
Grellmann war ein ausgezeichneter, regelrechter und ausdrucksvoller Choralspieler, welcher den Gesang der Kirchengemeinde richtig zu leiten verstand, dies war sein größter Verdienst. Auch bildete derselbe viele junge Leute durch seinen gründlichen Unterricht im Pianoforte- und Orgelspiel zu ihrem künftigen Beruf als Lehrer und Organisten mit bestem Erfolge aus, und der Verfaßer dieser Zeilen ruft ihm deshalb noch für das, was er durch zehnjährigen musikalischen Unterricht an seinem vor drei Jahren leider viel zu früh verstorbenen Pflegesohn, den Lehrer und Organisten R. J. Voigtmann in Sangerhausen gethan hat, den innigsten Dank über das Grab nach. Grellmanns Andenken wird bey uns in Segen bleiben. Friede seiner Asche!
Beamtenwechsel
Am 16ten Mai wurde der Stadtsteuer-Einnehmer Julius Braune als Hospital-Vorsteher, welches Amt derselbe schon seit Ufers Verhaftung zur vollen Zufriedenheit der Behörde interimistisch verwaltet hatte, von der Hospital-Inspection feierlich verpflichtet.
Todesfall
Am 29ten Mai starb hier im Hause seiner Aeltern, wo er sich Krankheitshalber schon längere Zeit aufhielt, der Kaiserliche Postsecretär Julius Adolph Poerschmann, bisher in Halle angestellt, im 29ten Lebensjahre an der Lungenschwindsucht. Er war ein Sohn des Fleischermeister Poerschmann, und ein moralisch guter junger Mann, ein sehr begabter, kenntnisreicher und brauchbarer Postbeamter, ein Zögling unserer Realschule, deßen früher Tod allgemein beklagt wird.
Storchennest
Als Seltenheit verdient hier aufgezeichnet zu werden, daß seit Anfang des Mai zwey Störche ein Nest auf der östlichen Giebelspitze der alten, einzigen noch vorhandenen, am Gerberplan isoliert gelegenen dem Oeconom Baer gehörigen Strohscheune zu bauen anfingen und den Bau zu Stande brachten, worüber besonders die vielen Spatziergänger auf der Allee sich freueten, weil selbst die ältesten Leute im Orte sich eines ähnlichen Falles nicht zu erinnern wißen. Man fürchtete, daß diese Thiere durch das in diese Zeit vom 22ten bis mit 27ten Mai fallende große Scheibenschießen der Schützen-Compagnie gestört und verscheucht werden mögten, was aber nicht der Fall war. Leider lauerte ein anderer furchtbarer Feind im Hintergrunde, welcher höchstwahrscheinlich seine Wohnung in der Scheune selbst hatte, ein Marder. Dieses besonders dem Federvieh so gefährliche Raubthier, an dem nichts weiter gut ist, als sein Fell, hatte durch das Aussaufen der Eier die armen Störche aus ihrem friedlichen Wohnsitz vertrieben; seit den ersten Tagen des Junius haben sie das Nest ganz verlaßen, und sind seitdem zum allgemeinen Bedauern nicht mehr sichtbar.
Schloßthurm
Während der Zeit vom 1ten Mai bis zum 9ten Junius wurde das ganze Dach unsers schönen Schloßthurms von dem hiesigen Schieferdeckermeister Robert Uhlich neu mit Schiefer gedeckt; die Kosten dieser bedeutenden, nothwendigen Reparatur betragen 300 Thaler. – Die letzte starke Dachreparatur dieses Thurmes fand im Sommer 1825 statt, und wurde von dem später im September 1832 durch einen Sturz vom Dach unserer Stadtkirche verunglückten Schieferdeckermeister Schindler aus Bitterfeld verrichtet. (S. den vorigen Band dieser Chronik)
Verpachtung der Kirschen und Pflaumen
Die der Commun gehörigen Kirschalleen wurden für die Summe von 1234 Mark 50 Vl verpachtet, und die Pflaumenplantagen für den Preis von 126 Mark.
Witterung vom April bis Ende des Junius
Der Witterungslauf im zweiten Quartal war im April und Mai, was die Temperatur, die Windrichtung, den Stand des Barometers und Thermometers betrifft, ganz die Fortsetzzung deßelben aus dem ersten Quartal; nun ist noch zu bemerken, daß in Folge des schon voraus gegangenen und noch fortdauernden Mangels an Schnee und Winterfrucht und vielem Wind (W. W. u. N. W. W.) viel Trockenheit und große Dürre entstand, wodurch natürlich zumal bey den größten Theils sehr rauhen und kalten Tagen und trüben Himmel die Vegetation sehr zurück gehalten, aber auch die Entwicklung der Maikäfer total zerstört wird. Der einzige Regen, welchen wir in im April und Mai hatten, war am 10ten Mai Mittag um 1 Uhr ein nur mäßiger Gewitterregen aus N. W. Starke Nachtfröste, die den Baumblüten hätten den Tod bringen können, sind in diesem Frühjahr nicht vorgekommen. Vom 1ten Junius an trat nun sehr schönes, warmes den ganzen Monat über anhaltendes Wetter ein bey meist W. W. und S. W. W. und B 28 – 28,3 u. Th. + 20 – 25 im Schatten; die Vegatation holte jetzt das Versäumte in etwa zehn bis zwölf Tagen nach, besonders auf den Wiesen und bey dem Wintergetraide, wozu ein starker Gewitterregen am 6 ten d. M Abends von 7 – 7 ½ Uhr, und später ein Nebelregen, am 27ten viel beitrugen. Die Heuernte ist übrigens recht gut ausgefallen, und bei schönem Wetter eingebracht.
Krankheiten
Der Krankheitszustand war in diesem Quartal befriedigend, und die Sterblichkeit nicht so bedeutend; es traten auf Halsentzündungen, katarrhalische und rheumatische Leiden, gastritische Fieber u. Diarrhöen. Die Todesfälle betrafen alte Leute, Schwindsüchtige u. kleine Kinder.
Kindermord
Am 1ten Julius hat im Hause des Schankwirths Schumachermeister Zieprich die daselbst dienende Auguste Machlet ein lebensfähiges Kind geboren, und durch Erstickung getödet, was die am folgenden Tage vom Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler unternommene Section durch die hydrostatische Lungenprobe völlig bestätigt hat.
Selbstmord
In der Nacht vom 13ten zum 14ten hat sich der 20 Jahre alte Uhrmachergehülfe Carl Rudolph Brueckner, Sohn des hiesigen Steuereinnehmer Brueckner, in dem Hause des Uhrmachers Rose erschoßen.
Beamtenwechsel
Am 1ten Julius ist an die Stelle des in den Ruhestand versetzten Sparkaßen-Rendanten Thaerigen der bisherige Buchhalter in Berlin Scheibe, ein Sohn des hiesigen Glasermeisters Scheibe, getreten.
Restauration des Schultzeschen Denkmals
Das schöne Denkmal, welches dem großen Wohlthäter unserer Stadt und besonders der Gottesackerkirche Dr. jur. Christian Schultze seine zweite Gattin, eine geborene Tischer, an der Abendseite dieser Kirche bald nach seinem Tode von Sandstein hat errichten laßen, hatte im Laufe der Jahre sehr gelitten. Besonders war dies der Fall, als d. 15ten Mai 1755 ein gewaltiger Blitzstrahl den Giebel der Kirche, auf welcher damals noch kein Thurm stand, zerstörend traf; da das Denkmal ganz vergoldet war, wovon man noch in neuerer Zeit die Spuren am obern Simse sehen konnte, so schwärzte das electrische Feuer die ganze Vergoldung, sprengte auch von den beyden obern Engeln und den beyden untern lebensgroßen Figuren, der Religion und Gerechtigkeit, zum Theil Arme und Füße ab, welche Trümmer lange unten lagen, bis sie endlich abhanden kamen. Endlich sind nun diese bedeutenden Schäden von unserm Bildhauer Herrn Zwanzig im Junius und Julius d. J. gründlich und sauber repariert worden, die Kosten betragen (nichts eingetragen)
Berichtigung
In Bezug auf den oben voriger Seite mitgetheilten Kindermord muß noch bemerkt werden, daß die Auguste Machlet aus Sangerhausen, 24 Jahre alt, weil sie behauptet zum ersten Male und ohne den Beistand einer Hebamme geboren zu haben, und während des Geburtsactes im Zustande der Bewußtlosigkeit sich befunden zu haben, vom Königl. Kreisgericht frei gesprochen worden in deßen Sitzung am 1ten August.
Lehrerwechsel
Die beyden am 1ten April erledigten Stellen der Lehrer Voigt und Trinkaus sind am 1ten Julius durch Friedrich Keil, bisher Lehrer in Gelsdorf bei Güterbog, und Gotthold Schiller, bisher hier Seminarist, neu besetzt worden.
Feuersbrunst
Am 2ten August früh kurz vor 2 Uhr wurden wir durch Feuerlärm verschreckt; es brannte in der Leipziger Vorstadt der auf einem dem Oeconom Scharf gehörigen, gemietheten Platze ganz isoliert stehende Holzschuppen des Zimmermeisters Bertholdt; an das Löschen war gar nicht zu denken, denn, als unsere sehr schnell herbey geeilte Feuerwehr ankam, stand der ganze Schuppen mit seinem bedeutenden Bauholz-Vorräthen in gewaltigen Flammen. Wie man hörte, war auch im Publikum das Gerücht stark verbreitet, daß der gg. Bertholdt um dieselbe Zeit sehr mit der Regulierung seiner angeblich zerrütteten Finanzen beschäftigt sein, und in Folge einer Klage von einem Gläubiger wegen einer nicht geringen Schuldforderung die Execution und Auspfändung vom Kreisgericht gegen ihn verfügt sein sollte.
Durchreise des Kaisers Wilhelm
Am 10ten August ging unser ehrwürdiger Deutscher Kaiser und König auf der Reise von Gastein kommend Nachmittags um 2 Uhr im strengsten Incongnito auf der Berlin-Anhalter Bahn hier durch nach Potsdam. – Desgleichen war auch an demselben Tage der neue Regierungs-Präsident von Merseburg, Herr v. Diest, hier anwesend., und hielt mit dem Herrn Landrath v. Rauchhaupt eine Revision beym Magistrat; mit dem Resultat war er zufrieden.
Der bisherige Chronist Dr. medicinae August Ferdinand Ideler ist am 21. August 1877 verstorben.
Derselbe hat sich nicht nur durch sein selbstloses Wirken in hiesiger Stadt als Arzt und Chronist, sondern auch dadurch ein bleibendes Gedenken verdient, daß er der hiesigen Gottesackerkirche die Summe von 3000 M hinterlassen hat mit der Bestimmung (hinterlassen hat), daß diese Summe zur Anschaffung einer Thurmuhr mit 1200 M verwendet werden soll und daß die Zinsen der verbleibenden 600 T. – 1800 M für Aufziehen und Stellen der Uhr verwendet werden sollen. Dr. Ideler hat ein Alter von beinahe 76 Jahren erreicht. Sein Grab – ohne Denkstein – befindet sich linker Hand dicht am Portal des Schultzischen Epitaphiums der Marienkirche.
Orkan
Am 27. August Mittags gegen 12 Uhr zog ein furchtbares Unwetter über unsere Stadt. Der Regen fiel wolkenbruchartig hernieder begleitet von einem Storme, welcher die Bedachungen der Häuser mit sich fortführte, Fenster zertrümmerte und Bäume wie Strohhalme zerknickte. Die schönsten Zierden unseres Schützenplatzes, drei Linden, welche hunderte von Jahren hier auch allen Angriffen widerstanden hatten, wurden entwurzelt. Ebenso entstand in der städtischen Forst durch Windbruch bedeutender Schaden.
Sterbefall
Am Sonntage, dem 25. November, also am Todt