Abschuss eines Bombenflugzeuges am 10.04.1945 - Kurz vor dem Start

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Kurz vor dem Start

Mit gemischten Gefühlen bestieg die Crew ihre Maschine. Ihnen war klar, dass der Krieg seinem Ende zuging und sie hatten Angst, dieses Ende nicht mehr zu erleben. Jedes Besatzungsmitglied nahm seinen für ihn vorgesehenen Platz ein. Der Pilot nahm den linken oberen Platz im Cockpit ein, rechts von ihm saß der Bordingenieur und bediente die sich auf der Mittelkonsole befindenden Gashebel.

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Abbildung 9: Von hier aus wurde die Halifax gesteuert. Der Pilot saß oben rechts, der Navigator stehend links und darunter der als "Sparks" bezeichnete Funker (Foto AWM)

Im unteren Teil der Kanzel saßen der Funker und im vorderen Teil der Navigator sowie der "Bomb Aimer" (Bombenschütze). Seine Hauptaufgabe war, die Bomben mithilfe eines Zielgerätes an der vorgesehenen Stelle abzuwerfen, bei Höhen zwischen 18.000 und 28.000 Fuß (5.500 bis 8.500 Meter) und einer Geschwindigkeit von 380 km/h.

12Bomb Aimer Halifax III
Abbildung 10: Der Bombenschütze einer Halifax in Position liegend vor dem Start (Foto AWM)

Bei dieser modifizierten Maschine war er je nach Erfordernissen auch für den Abwurf von "Window", Zielmarkierern oder Stabbrandbomben zuständig. Etwa in der Mitte des Flugzeuges befand sich auf der Oberseite der "Mid Upper Turret" (oberer Geschützturm). Der MG-Schütze bediente vier MG's in dieser Plexiglaskuppel. Am Heck des Flugzeuges war der "Rear Turret" (hinterer Geschützturm) eingebaut vom Typ "Boulton-Paul". Der Heckschütze bediente ebenfalls vier MG's, die einzige wirkungsvolle Abwehrbewaffnung des Bombers. Wie bereits erwähnt wurde diesen Stammbesatzungen ein zusätzliches Crewmitglied zugeteilt, das für alle "Special Duties" (Sonderaufgaben) verantwortlich war und die entsprechenden Geräte bediente. Sein Platz war direkt über der Bombenbucht, wo sich auch der größte Teil der elektronischen Ausrüstung befand. Dieser SDO (Special Duties Operator) hatte in der Regel sehr wenig Kontakt mit dem Rest der Crew. Deshalb ist er beispielsweise auch nicht auf dem Foto zu sehen, das die Crews am Vorabend eines jeden Angriffes von sich machen ließen.

Folgende Besatzungsmitglieder nahmen am Einsatz der NA-240 in der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 teil:

Ball, Alfred Desmond John; geb. 11.04.1924 in Perth, Australien; Angehöriger der RAAF; Pilot Officer (Leutnant); Kapitän und Pilot des Flugzeuges; am 10.04.1945 im Einsatz getötet – er starb einen Tag vor seinem 21. Geburtstag.

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Abbildung 11: Alfred Desmond John Ball, der Kapitän der bei Zaasch abgeschossenen Halifax (Foto AWM)

Frank, Murray; geb. 10.11.1919 in Melbourne (Australien); Angehöriger der RAAF; Flying Officer (Oberleutnant); Bombenschütze; war zu Beginn des Krieges Pilot eines Jagdflugzeuges vom Typ "Spitfire"; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Evans, Neil Vernon; geb. 14.02.1923 in Victoria (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel); Navigator; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Taylor, Ronald Reginald; geb. 26.12.1919 in Punchbowl (Australien); Angehöriger der RAAF; Warrant Officer (Stabsfeldwebel); Funker; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Tait, John Mickle; geb. 06.03.1925 in Melbourne (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel); MG-Schütze im oberen Geschützturm; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Hibberd, Maxwell James; geb. 06.03.1925 in Brisbane (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel), nach seiner Demobilisierung zum Warrant Officer (Stabsfeldwebel) befördert; Heckschütze; einziger Überlebender des Abschusses des Bombers NA-240 am 10.04.1945, er war wie John Mickle Tait MG-Schütze und hatte auch mit ihm am gleichen Tag Geburtstag; ab 10.04.1945 "Prisoner of War" (Kriegsgefangener) in Deutschland; gestorben 13.03.1988.

Brookes, Frederick; geb. 26.02.1919 in England; Angehöriger der RAF; Sergeant (Unteroffizier); Bordingenieur; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Heggarty, John; geb. 13.08.1922 in Cheshire (Großbritannien); Angehöriger der Freiwilligen-Reserve der RAF; Pilot Officer (Oberleutnant); Offizier für besondere Aufgaben; er sprach fließend deutsch und war aufgrund seiner Kenntnisse und Aufgaben als 8. und zusätzliches Crew-Mitglied bei diesem Einsatz dabei; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Die Crew hatte ein Durchschnittsalter von 22,5 Jahren! Das entsprach durchaus dem der anderen Besatzungen. Ein Besatzungsmitglied, das älter als 25 Jahre war galt als große Ausnahme. Verantwortlich dafür waren die außerordentlich hohen Verluste, sodass es kaum Besatzungen mit großer Erfahrung gab.

Gegen 19:00 Uhr rollte die Halifax NA-240 zur Startbahn und erhielt genau um 19:10 Uhr die Startfreigabe von ihrem Stützpunkt in Foulsham. Genau zwei Minuten später folgte ihr die Halifax unter Captain Frazer.

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Abbildung 12: Besatzung der Halifax NA-240 im Dezember 1944: stehend von links: Tait, Brooks, Taylor und Hibberd; sitzend von links: Frank, Ball und Evans; Heggarty ist nicht auf dem Foto (Foto Sammlung Familie Hibberd)

Wenn die beiden Halifax-Bomber auch keine Bombenladungen wie die Hauptbomberflotte trugen, so waren sie doch mit ihrer elektronischen Ausrüstung, der Abwehrbewaffnung und dem Flugzeugbenzin bis zur höchstzulässigen Grenze beladen.

Da die Angriffe der RAF fast nur nachts erfolgten, waren auch die Startbahnen kaum beleuchtet. Im Schritttempo rollten die schwer beladenen Flugzeuge zur Startbahn. Dort wurden die Motoren kurz "hochgejagt" und das Heckrad eingerastet. Dann wurden durch den Piloten alle vier Motoren langsam auf höchste Drehzahlen gebracht. Es musste darauf geachtet werden, dass alle Motoren synchron liefen, sonst konnte es vorkommen, dass die Maschine bereits beim Start von der Bahn abkam, sich überschlug oder gar in andere parkende Flugzeuge krachte. Diese Art von Unfällen kam recht oft vor, hatten doch die meisten Piloten nur wenige Stunden Flugerfahrung. Nachdem alle vier Motoren gleichmäßig auf Vollgas liefen, löste der Pilot die Radbremsen vollständig und der "Vogel" begann langsam zu rollen. Da die englischen Flugplätze oftmals unter Nebel standen, hatte der Pilot seine Augen starr auf die Instrumente gerichtet, während der neben ihm sitzende Bordingenieur die Leistung aller vier Motoren bewachte und beim Start laut die Geschwindigkeit ausrief. Nachdem drei Viertel des Weges auf der Rollbahn zurückgelegt waren, rief er "100", dann "105" und "110" (gemeint sind mph = Meilen pro Stunde) aus. Bei 120 mph (195 km/h) musste der "Vogel" in die Luft. Der Copilot fährt sofort das Fahrwerk ein, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Die Geschwindigkeit erhöht sich langsam, die Klappen werden eingefahren. Das Flugzeug steigt schwerfällig bis zur Abflughöhe, wobei der Pilot sich nur nach den Instrumenten richten kann. Während des blinden Steigens schaut jedes Besatzungsmitglied ins Leere, immer mit der Angst lebend, dass plötzlich ein anderes Flugzeug auftaucht und ein Zusammenstoß unvermeidlich ist. Jeder war bis aufs äußerste gespannt und wartete darauf, den weißen Vorhang zu durchbrechen, um sich dann mit den anderen Flugzeugen zu einer Formation zu versammeln. Einige schafften das nicht immer. Sie verirrten sich hoffnungslos und fanden nie die Formation. Aber die NA-240 bewältigte diese Aufgabe an diesem Abend ohne Zwischenfälle.

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Abbildung 13: Die Instrumententafel des Piloten einer Halifax III (Foto AWM)