Abschuss eines Bombenflugzeuges am 10.04.1945

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Einleitung

Auch wenn die Stadt Delitzsch während des 2. Weltkrieges niemals einem direkten Bombenangriff der Alliierten ausgesetzt war, gingen diese Angriffe doch nicht spurlos an den Einwohnern vorbei. So wurde in dem Zeitraum vom 13. August 1940 bis zum 14. April 1945 für das Gebiet um Delitzsch etwa 220 Mal der Luftalarm ausgelöst. Meist überflogen die Bomberströme der englischen Royal Air Force und die amerikanische Luftflotte den Raum über Delitzsch, um dann hauptsächlich Städte wie Leipzig und Berlin anzugreifen. Allerdings wurde durch einzeln abgeworfene Bomben und Sprengmittel materieller Schaden angerichtet. Bei ihren Angriffen verloren die Alliierten viele Bomber, die durch FLAK oder deutsche Jagdflieger abgeschossen wurden. Der Abschuss einer dieser Bomber in der Nähe von Zaasch ist der Anlass für diesen Beitrag.

Die Thematik der Bombardierung deutscher Städte durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg ist bis heute ein umstrittenes Problem. Die Rechtfertigung, dass diese Bombardements entscheidend dazu beitrugen, den Krieg schneller zu beenden, um weiteres Leid zu verhindern, entsprach sicher nicht den Tatsachen. Denn kriegsentscheidend war dieser Terror (von den Briten als "Moral Bombing" bezeichnet) nachweisbar nicht; er hat den Kriegsverlauf noch nicht einmal nennenswert beeinflusst. Er erzeugte lediglich grenzenlosen Hass, der den unsäglichen Krieg noch verschärfte. Nüchtern und objektiv betrachtet kommt man nicht umhin festzustellen, dass der alliierte Bombenterror auf deutsche Städte, und damit auf wehrlose Kinder, Frauen und Alte, moralisch verwerflich und vielleicht sogar ein Kriegsverbrechen war. Andererseits darf man aber auch nicht aus den Augen verlieren, dass deutsche Bomber als erste den Terror gegen die Zivilbevölkerung des Feindes entfacht haben: Guernica im spanischen Bürgerkrieg, Warschau, Rotterdam und Coventry sollen hier als Beispiele genannt werden. Insgesamt warfen alliierte Bomber 1.996.036 Tonnen Bomben auf Deutschland ab. Im Vergleich dazu warfen die deutschen Bomber "nur" 71.172 Tonnen Bomben ab. Das heißt, die Alliierten setzten die 28fache Menge an Bomben ein, von denen 55,8 % vorsätzlich auf Städte und nichtmilitärische Ziele fielen.

Der vorliegende Beitrag hat nicht die Aufgabe, zu klären, ob die Luftangriffe der Engländer auf Deutschland während des Zweiten Weltkrieges und die systematische Zerstörung deutscher Städte trotz aller von Deutschen begangenen Verbrechen berechtigt waren. Es geht lediglich um die Dokumentation eines vergleichsweise kleinen Ereignisses in unserer Delitzscher Heimatgeschichte: den Abschuss eines Bombers der Royal Air Force im Landkreis Delitzsch, wenige Tage vor Ende des Krieges. Die jungen Menschen, die hierbei ihr Leben ließen, waren ebenso wenig schuldig an diesem Krieg, wie die vielen Zivilisten, die bei Luftangriffen völlig unbeteiligt einen grauenhaften Tod starben.


"Unglücklicherweise kehrte das Flugzeug nicht zurück…"

Diesen Satz schrieb am 14. April 1945 der Kommandierende Offizier der 462. Squadron der RAAF (Royal Australian Air Force) an die Angehörigen der Besatzungsmitglieder eines Bombers vom Typ Halifax. Zu diesem Zeitpunkt war das tatsächliche Schicksal dieser Besatzung allerdings noch nicht bekannt. Es war lediglich eine "kleine Episode" am Rande eines mörderischen Krieges.

"Der Mut und die Haltung ihres Sohnes wird für mich und die Squadron ständig ein Vorbild sein." – Auch dieser Satz wurde mit Sicherheit während des Zweiten Weltkrieges an Hunderttausende von Angehörigen gefallener oder vermisster Soldaten in allen beteiligten Staaten geschrieben.

Um es vorwegzunehmen, der Bomber um den es hier geht, wurde bei einem Luftangriff auf Leipzig durch deutsche Flak in der Nähe von Delitzsch abgeschossen. Es starben Menschen, deren Aufgabe es war, anderen Menschen das Leben zu nehmen.

Nach über 60 Jahren gelang es endlich, das Schicksal dieses Bombers und seiner Besatzung aufzuklären. Es begann damit, dass sich Ende 2004 eine Australierin an das Stadtarchiv Delitzsch wandte und um Unterstützung bat. Ihr Vater war der einzige Überlebende einer australischen Crew, die am 10. April 1945 mit einem Bomber des Typs Halifax über Delitzsch abgeschossen wurde. In der Folgezeit entwickelte sich ein reger Austausch von Informationen und Anfragen, an denen neben Archiven auch zuständige Institutionen in Großbritannien, Australien, Kanada und den USA beteiligt waren. Für die Australierin Jamie Hibberd bedeutete das die restlose Aufklärung aller Umstände eines einschneidenden Lebensabschnittes ihres mittlerweile verstorbenen Vaters, für das Stadtarchiv ein zusätzliches Kapitel in der Regionalgeschichte. Zu diesem Zeitpunkt war zwar bekannt, dass im Kreis Delitzsch während des Zweiten Weltkrieges etwa 20 Flugzeuge abgeschossen worden waren. Von diesem Flugzeug waren jedoch keine Einzelheiten bekannt. Wo also mit der Suche beginnen? Durch Zufall wurde schließlich ein Protokoll der Gemeindevertretung Zaasch vom 05.08.1945 entdeckt.

27Abb. 1 - Gemeinderatssitzung Zaasch 1945 ber den Verkauf eines Flugzeuges
Abbildung 1: Protokoll der Gemeindevertretung Zaasch vom 05.08.1945 (Kopie Kreisarchiv Nordsachsen, Außenstelle Eilenburg)

Es wurde auf dieser Sitzung beschlossen, dass ein Flugzeug an das Leichtmetallwerk Rackwitz verkauft werden solle und der Abtransport innerhalb der nächsten 14 Tage zu erfolgen habe. Dieser Satz löste eine "Flut von Recherchen" aus. Es stellte sich heraus, dass ein Bomber tatsächlich bei Zaasch abgestürzt war. Die Gemeinde wollte die zerstörte Halifax als Altmetall verkaufen, um die Gemeindekasse aufzubessern. Augenzeugen berichteten nach Aufrufen in der Lokalpresse und im Internet von Wrackteilen, die brennend vom Himmel fielen. Andere hatten ein Flugzeug bei Zwochau abstürzen sehen. Die Palette der Vermutungen reichte schließlich bis nach Brehna. Aber wer kann schon behaupten, dass er die Entfernung zu einem brennenden abstürzenden Flugzeug in völliger Dunkelheit richtig einschätzen könnte? Im Ergebnis der Nachforschungen gelang es, die Umstände des Abschusses der Halifax und aller Besatzungsmitglieder weitestgehend aufzuklären.

Um den ganzen Zusammenhang zu verstehen, wird in dem Beitrag auch auf technische Informationen, taktische Vorgehensweisen bei Bombenangriffen und sonstige ergänzende Erläuterungen zurückgegriffen.


Vorbereitung auf den Einsatz 

10. April 1945, 16:30 Uhr Ortszeit:

Maxwell James Hibberd, ein gut ausgebildeter Rear Gunner (Heckschütze), bereitet sich auf seinen nächsten Einsatz vor. Noch weiß er nicht, worin das Ziel und die Aufgaben dieses Einsatzes bestehen. Die Bombercrews erhielten erst unmittelbar vor dem Start im sogenannten Briefing den Einsatzbefehl. Die für die RAF (Royal Air Force) typische Geheimhaltung war ihm bewusst. Deshalb schweiften seine Gedanken an seine etwa 15.000 km entfernte Heimat Australien ab. Der Krieg war fast zu Ende und er freute sich mit seinen Kameraden auf das Wiedersehen mit Freunden und Verwandten.

9Rear Turret einer Halifax III der 462 Squ
Abbildung 2: Rear Turret (hinterer Geschützturm) der Halifax (Foto Australian War Memorial, im Folgenden "AWM" abgekürzt)


Der Rear Gunner hatte während des Einsatzes seinen Platz im Rear Turret (hinterer Geschützturm). Er enthielt 4 Browning-Maschinengewehre 0.303 (7,69 mm). Es war eine kalte und einsame Stelle am Ende des Flugzeuges und dazu noch sehr gefährdet. Der Heckschütze bildete die Hauptverteidigung für die Bomber; aber als die deutschen Nachtjäger ihre Taktik änderten und von hinten angriffen, befand sich der Heckschütze in der direkten Feuerlinie. Es kam häufig vor, dass Bomber relativ unbeschädigt vom Einsatz zurückkehrten mit Ausnahme des vernichteten hinteren Geschützturmes. Um die Sicht zu verbessern, entfernten die Schützen oftmals die Schalttafel vor sich und waren nun der Kälte und dem Wind schutzlos ausgeliefert. Mit den Augen zum Feind gerichtet, waren diese professionellen Schützen die Retter vieler Bomberbesatzungen. Hier saß der Schütze oftmals 6 bis 11 Stunden, Arme und Beine zusammengepresst, in der Plexiglaskuppel. Er war vollkommen vom Rest der Besatzung getrennt und sah während des Fluges die "Welt rückwärts ablaufen".

4Crew einer Halifax der 462 Squ. mit Kampfuniformen
Abbildung 3: Eine Mannschaft der 462. Squadron der RAAF in ihren Spezialuniformen vor dem Start (Foto AWM)

Wie jedes Crewmitglied trug auch Hibberd für große Höhen eine Sauerstoffmaske und Kopfhörer für das Bordsprechgerät. Wegen der offenen Geschützstellungen benötigten die sogenannten Air Gunner (MG-Schützen) spezielle Kleidung, um den herrschenden Bedingungen trotzen zu können. Über einem wollenen Unterzeug trug jeder einen elektrisch beheizten Overall. Dann folgte die Uniform, über die eine mit Schaffell gefütterte Fliegerkombination gezogen wurde. Die Männer trugen hohe Schaffellstiefel, grellgelbe Schwimmwesten, Fallschirme und dicke, elektrisch beheizte Handschuhe. Den Kopf schützte eine warme Mütze oder Haube. Derart bekleidet konnte man sich kaum noch bewegen, sodass besonders die schwere Schutzkleidung von vielen Besatzungen nur während der Einsatzphasen unter Flak-Bedrohung an- und danach wieder abgelegt wurde. Bei der Ausführung von Tätigkeiten wie Erster Hilfe und Reparaturen an den Geräten mussten die Handschuhe abgesetzt werden. Hier zählte jede Sekunde, da die Luft im Flugzeug eisig kalt war. In Einsatzhöhen betrug die Temperatur zwischen -40 und -50° C. Erfrierungen waren häufig und nicht selten verloren Besatzungsmitglieder Gliedmaßen.

Hibberd war einer von 20.000 Australiern, die im Zweiten Weltkrieg ihren Dienst beim britischen Bomber Command leisteten. Das Bomber Command war innerhalb der RAF das Oberkommando der britischen Bomberverbände und koordinierte die nächtlichen Flächenangriffe auf deutsche Städte. Das britische Bomber Command bestand aus mehreren Bomber-Gruppen, die die größte taktische Einheit bildeten. Die Bomber-Gruppe wiederum bestand aus 8 bis 24 Squadronen (Staffeln). Zwei bis drei Squadronen bildeten ein Wing. Eine Squadron zählte 6 bis 18 Flugzeuge. Nebenbei bemerkt verlor das Bomber Command allein bei den Angriffen auf die Stadt Leipzig 196 Bomber.

Australien gehörte ebenso wie Kanada und Neuseeland zum Britischen Commonwealth, dessen Staatsoberhaupt der britische König war. Im Kriegsfall hatten diese Länder ein festgelegtes Kontingent an Soldaten zu stellen. So wurde auch Hibberd in Australien für die RAAF (Royal Australien Air Force) rekrutiert und für den Krieg ausgebildet:

17Abb. 3 - Maxwell James Hibberd Anfang 1945 2
Abbildung 4: Maxwell James Hibberd Anfang 1944 (Foto Sammlung der Familie Hibberd)

Hibberd wurde am 22.04.1943 für die Dauer des Krieges einberufen, an der Schule für Funker und Luftschützen ausgebildet und vom 01.03.1944 bis 15.02.1945 in New York, San Francisco und schließlich in Lichfield (England) bei der 27. OTU (Ausbildungseinheit) und der 1652. HCU (Schwere Ausbildungseinheit für Maschinengewehrschützen) in Marston Moor bei Yorkshire zum Heckschützen qualifiziert. Nachdem er mit seinen Kameraden schon seit März 1944 der englischen RAF angegliedert war, wurde er am 16. Februar 1945 zur 462. Squadron der 100. Bomber-Gruppe des britischen Bomber Command versetzt.

Nach ihrer Ausbildung wurden die Crews aus verschiedenen Ländern bestimmten Squadronen (Staffeln) unterstellt und flogen unter dem Oberkommando der RAF (Royal Air Force Großbritannien). So bestanden die 1. – 299. Squadron aus Crews der regulären RAF; die 400. – 445. Squadron aus Crews der RCAF (Royal Canadian Air Force) und die 450. – 467. Squadron aus Crews der RAAF (Royal Australian Air Force).

 Die 462. Squadron setzte sich zum größten Teil aus Australiern zusammen und verfügte über einen der besten schweren Bomber des Zweiten Weltkrieges: die Handley Page Halifax. Von Mitte August bis 29. Dezember 1944 wurde sie im englischen Driffield formiert und war der 4. Bomber-Gruppe unterstellt. Ab Januar 1945 kam sie dann zur 100. Bomber-Gruppe als "ABC Jamming Squadron", eine Art Vorläufer der heutigen "elektronischen Kriegführung". Diese Squadron hatte eine Besonderheit: Sie war die einzige australische Squadron, die der 100. Bomber-Gruppe angehörte. Hauptaufgabe der 100. Bomber-Gruppe war es, Special Duties (Spezialaufgaben) durchzuführen. Sie vereinte die unterschiedlichsten Flugzeugtypen unter ihrem Kommando, operierte von acht Flugplätzen aus und verfügte im Durchschnitt über 260 einsatzbereite Flugzeuge. Sie sollten die großen Bomberströme beim Angriff auf deutsche Städte begleiten, führen und unterstützen sowie feindliche Jagdflugzeuge und Flakstellungen auskundschaften, ausschalten oder ihre Wirkungsweise stören.

Die Basis der 462. Squadron war der Flugplatz "RAF Foulsham", eine Militärbasis 30 km nordwestlich von Norwich im Bezirk Norfolk, Ostengland. Es war ein für diese Zeit sehr modern eingerichteter Flugplatz. Er verfügte über das als FIDO bezeichnete System, welches die Seiten der Startbahnen beleuchtete und eine große Hilfe bei Starts und Landungen im Nebel, bei schlechter Sicht oder in der Dunkelheit war. Der Flugplatz hatte drei Startbahnen aus Asphalt, drei aus festgestampften Holzspänen und 37 befestigte Rollbahnen.

Anfangs flog die 462. Squadron die sinnigerweise sogenannten "Spoof Raids" (Ulkangriffe), d. h., sie warfen die als Windows bezeichneten (deutsch: Düppel) Stanniolstreifen ab. Diese gehörten zum passiven Täuschen und bestanden aus "Wolken" von Aluminiumstreifen, die das Radar des Feindes verwirren und umlenken sollten, indem sie diesem ein um das Vielfache des Flugzeuges größeres Ziel boten. Nachdem die Squadron genug Erfahrungen gesammelt hatte, wurde sie im März 1945 mit zusätzlicher elektronischer Störausrüstung wie ABC, Carpet, GEE, Piperacks, Fishpond und H2S ausgerüstet.

Hibberd bereitete sich weiter auf seinen Einsatz vor. Vieles war bereits Routine, seit er seinen ersten Einsatz am 16. Februar 1945 geflogen war. Er und seine restliche Crew (insgesamt acht Mann) waren ein eingeschworenes Team und hatten sich nicht nur angefreundet, sondern fühlten sich als eine Art Familie. Nur so konnten sie die psychischen Anspannungen vor jedem Einsatz ertragen. Die bevorstehende Todesgefahr schweißte sie zusammen. Denn rein statistisch gesehen war die Möglichkeit der unbeschadeten Rückkehr geringer als ihr Tod oder die Gefangennahme auf feindlichem Territorium. Allein das Bomber Command der RAF büßte im 2. Weltkrieg 7.120 Bomber, 47.000 Besatzungsmitglieder und 1.600 Mann Bodenpersonal ein. Gegen 18:00 Uhr waren die persönlichen Vorbereitungen von Hibberds Crew abgeschlossen. Gemeinsam begaben sie sich zu ihrer Halifax, um letzte Überprüfungen des Flugzeuges und aller Geräte vorzunehmen.

5Halifax Z5-N der 462 Squ
Abbildung 5: Halifax Mk III der 462. Squadron (Foto AWM)


Technik und Ausrüstung

Die gesamte 462. Squadron war mit diesem schweren Bomber ausgerüstet, dessen genaue Typenbezeichnung Handley Page HP61 Halifax Mk. III lautete. Der Code der 462. Squadron war Z5. Dieser Code wurde auch auf den Rumpf gemalt; danach folgte das Identifizierungszeichen des Flugzeuges, in diesem Fall V (Victor). Das Rufzeichen lautete also: Z5-V. Dieser Bombertyp gehörte zum Serien-Nummern-Bereich NA-218 – NA-263. Dieser Bereich umfasste 46 Halifax Mk.III. und war Teil einer Lieferung von 360 Bombern des Typs HP61 Halifax Mk. III/A. Geliefert wurden diese Typen von der Firma " Rootes Securities Ltd. (Speke)" zwischen dem 2. Dezember 1944 und dem 30. Januar 1945. Mit 2091 Stück wurde die Mk.III die meistgebaute Halifax-Variante. Später wurden die Flugzeuge noch mit H2S-Radargeräten versehen. 6178 Halifax wurden von Handley Page in Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen hergestellt. Das Bomber-Kommando verwendete die Halifax bis zum Kriegsende; sie bildeten etwa 40 % der britischen „Viermot-Bomber“; ihr letzter Einsatz erfolgte beim Luftangriff auf Wangerooge am 25. April 1945.

Diese schweren Bomber der 462. Squadron waren modifiziert, d. h., aufgrund ihrer bereits genannten Aufgaben wichen sie in ihrem Aufbau teilweise von anderen Halifax-Bombern ab. Sie hatten zu diesem Zweck umfangreiche elektronische Instrumente an Bord, die fast die gesamte Nutzlast der Flugzeuge in Anspruch nahm. Deshalb flogen sie in der Regel auch keinen Bombenangriff sondern kehrten nach Erreichen des Zieles auf vorgegebenen Routen zu ihrer Basis zurück.

Technische Daten

Motoren 4 x 1.675 hp Bristol Hercules XVI:

4 x 1.600 PS (4 x 1.232 KW)

Höchstgeschwindigkeit in 9.000 ft (2.740m):

290 mph (467 km/h)

Reisegeschwindigkeit in 20.000 ft (6.100m):

225 mph (362 km/h)

Dienstflughöhe:

20.000 ft (6.100m):

Reichweite:

1.770 miles (2.848 km)

Bewaffnung:

8 x .303in Browning MG’s (8 x 7,69mm)

Leergewicht:

38.300 lb (14.295 kg)

Höchstgewicht:

65.000 lb (24.260 kg) bei 13.000 lb (4.852 kg) Bombenladung und 1.986 gallons (9.029 Liter) Kraftstoff

Spannweite:

104 ft 2 in (31,71m)

Länge:

71 ft 7 in (21,66m)

Höhe:

20 ft 9 in (6,12m)

Kraftstoff-Kapazität normal:

1.986 gallons (9.029 Liter);

Zusatztanks in der Bombenbucht:

702 gallons (3.191 Liter)

Kraftstoff-Kapazität möglich:

2.688 gallons (12.220 Liter)

28Abbildung 4 - Seitenansicht einer Halifax der 462. Squadron
Abbildung 6: Seitenansicht einer Halifax der 462. Squadron (siehe gelbe Streifen am Leitwerk und Kennung "Z5")

Zur Identifizierung hatten die Halifax der 100. Bomber-Gruppe drei gelbe senkrechte Streifen am Seitenleitwerk. Zwar galt der schwere Bomber Lancaster als das bessere Flugzeug, aber wer erst einmal mit der Halifax geflogen war, schwor auf sie. Die Lancaster hatte zwar eine größere Reichweite und konnte eine größere Bombenlast an Bord nehmen; aber die Halifax flog in großen Höhen schneller, war beim Angriff besser manövrierbar und war stabiler konstruiert. Der obere und hintere Geschützturm waren mit je vier Browning-MG’s 0.303 in (7,69 mm), Mark II, ausgerüstet, dem Standard-MG der meisten britischen Bomber im Zweiten Weltkrieg. Als Bewaffnung führten sie meistens neben den acht Maschinengewehren nur zwei kleinere 500 lb (etwa 227 kg) schwere Bomben mit sich oder an deren Stelle einige Brandbomben. Das hing hauptsächlich von ihren Aufgaben ab.

Die bauliche Abweichung bestand vor allem darin, dass sie eine andere, kleinere Bombenabwurfbucht hatten, da ein Großteil des Platzes für das Bodenradar H2S verwendet wurde. Dazu hingen unterhalb der Halifax sogenannte "Blasen". In die Bombenschächte wurden eine Anzahl Störgeräte eingebaut. Damit sollte das feindliche Radar gestört oder sogar völlig neutralisiert werden. Das geschah durch die unterschiedlichsten Methoden. Folgende Einrichtungen und Geräte standen den Flugzeugen der 462. Squadron hauptsächlich dabei zur Verfügung:

ABC-Einrichtungen: Diese Einrichtung arbeitete mit aktiven elektronischen Gegenmaßnahmen. Die Abkürzung bedeutete zunächst nichts weiter als eine Täuschung der deutschen Luftabwehr. Bald wurde aber aus dieser Bezeichnung ein neues Wort kreiert: "Airborne Cigar" (fliegende Zigarre). Diese Einrichtung bestand aus drei auf unterschiedlichsten Frequenzen arbeitenden Sendern. Damit sollten die Frequenzen der deutschen Jägerleitführung überlagert werden, sodass die Jäger ihre Ziele nicht fanden. Die mit ABC ausgerüsteten Bomber wurden in Intervallen neben und unter dem Hauptbomberstrom platziert. Allerdings verringerte die ABC-Ausrüstung die Nutzlast der Bomber. Für die Bedienung dieser und anderer Geräte wurde den Crews ein hoch qualifiziertes 8. Besatzungsmitglied zugeteilt. Das war der sogenannte Special Duties Operator (SDO). Dessen genaue Tätigkeit wurde über lange Zeit geheim gehalten. Es gab auch Flugzeuge, denen noch ein 9. Besatzungsmitglied zugeteilt wurde. Das war ein meist perfekt die deutsche Sprache und sogar verschiedene deutsche Dialekte beherrschender Offizier. Dessen Aufgabe war es, die Befehle der deutschen Jägerleitführung "abzuändern" und die deutschen Jagdflugzeuge fehlzuleiten. Wenn auch das eigentliche Ziel nicht immer erreicht wurde, so stiftete es doch Verwirrung. Die Besatzung von acht oder neun Mann galt ausschließlich für diese Spezialflugzeuge. Sie nutzten jede Menge verschiedener Taktiken, nicht nur um das Radar zu stören, sondern auch um die Nachtjägerkontrolle wirkungslos zu machen. Auf deren Frequenzen wurden z. B. Geräusche gesendet, indem man Mikrofone im Bereich der Motoren anbrachte und deren "Sound" auf diesen Frequenzen übertrug. Sie wurden auch als "Scherz-Nachtjäger-Kontrollierer" bezeichnet, weil sie den deutschen Nachtjägern unkorrekte oder sinnlose Instruktionen gaben, damit diese ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr durchführen konnten. Selbst wenn die deutschen Jägerpiloten von diesen Dingen wussten, konnten sie nichts dagegen unternehmen.

H2S-Gerät (Navigation): Das H2S war ein Radarsystem, das in Bombern der britischen Royal Air Force eingesetzt wurde. Es diente der Zielfindung unter schlechten Sichtbedingungen, wie schlechtem Wetter und bei Nachteinsätzen. Das H2S spielte auch bei den zwischen November 1943 und März 1944 durchgeführten Angriffen auf Berlin eine wichtige Rolle. Man hoffte, mit dem H2S die zahlreichen Flüsse und Seen der Stadt als Navigationshilfe nutzen zu können. Mit den ursprünglichen Einstellungen des H2S gelang das jedoch nicht. Erst mit dem H2S Mark III, das offene von bebauten Flächen unterscheiden konnte, wurden gezielte Bombenabwürfe möglich. Das System wurde anfangs als "BN" für "Blind Navigation" bezeichnet.

Fishpond: Ein erfolgreiches Konzept, das auf dem im gefährdeten Heckbereich eingebauten H2S-Bodenradar basierte, das mittels eines Zusatzbildschirms und einiger Modifikationen im Nahbereich hinter oder unter dem Flugzeug manövrierende Nachtjäger erkennen konnte. Diese Modifikation wurde im Bomber Command großflächig bis Mitte Herbst 1944 eingeführt. Die Flugzeugverluste waren dadurch nicht mehr so hoch.

GEE (Navigation): Das GEE (engl. Abkürzung für "Grid" = Gitternetz) war ein britisches Funknavigations-System und eine Bombenzielhilfe während des Zweiten Weltkriegs. GEE-Sendeanlagen sendeten zeitlich genau abgestimmte Impulse. Die Navigatoren der Flugzeuge, die das GEE-System verwendeten, wie z. B. die schweren Bomber der RAF, beobachteten auf einem Oszilloskop den Zeitpunkt des Signalempfangs. Wenn die Impulse, die von zwei unterschiedlichen Stationen aus gesendet wurden, gleichzeitig eintrafen, bedeutete dies, dass das Flugzeug von beiden Stationen gleich weit entfernt war. Der Navigator konnte daraufhin auf einer Karte eine Linie ziehen, welche die möglichen Positionen innerhalb der entsprechenden Distanz zu den Sendern darstellte. Durch ein weiteres Signal von einer dritten Station entstand eine weitere Kurve, anhand derer die Position des Flugzeuges am Kreuzungspunkt der beiden Kurven bestimmt werden konnte. Eine technische Weiterentwicklung bildete später das wesentlich präzisere Gerät "OBOE".

Carpet: Ein weiterentwickeltes Funkstörgerät der 100. Bomber-Gruppe, das vor allem den Morsefunk stören konnte. Außerdem konnte es auf die verschiedenen Frequenzen des deutschen Würzburg-Gerätes reagieren und dieses stören bzw. durcheinanderbringen oder völlig wirkungslos machen. Es legte sich wie ein "Teppich”, wie Carpet auf englisch heißt, über die Frequenzen und erzeugte eine Art "Stille”.

Piperack: Ein Störsender, den die die Bomberströme anführenden Flugzeuge trugen. Er erzeugte eine Art Kegel, der den folgenden Flugzeugen Schutz vor feindlichem Radar bot. Dadurch konnte die Zahl der tatsächlich angreifenden Bomber verschleiert werden.

Window: Aluminiumstreifen, die vor Angriffen massenweise durch dafür ausgerüstete Bomber abgeworfen wurden und das feindliche Radar verwirrten und radargesteuerte Flak wirkungslos machten. Es wurde ein Bomberstrom vorgetäuscht, der in Wahrheit in dieser Größe nicht vorhanden war. Die deutschen Jägerleiteinrichtungen konnten die Jäger nicht mehr gegen Ziele einsetzen.

Target Indicators (Zielmarkierer): Mit diesen "TI's" markierten die Bomber die Ziele für den Hauptbomberstrom. Das waren Bombenbehälter, die Brandbomben mit unterschiedlichen Farben enthielten.

Aus dem Operation Records Book der 462. Squadron geht hervor, dass die NA-240 mit den hier erläuterten Geräten am Abend des 10.04.1945 ausgerüstet war.

29Electronic Warfare 1944-45
Abbildung 7: Beispiel für den elektronischen "Schutz" eines britischen Bombenangriffs

(1) Bomber, die "Windows" (Stanniolstreifen) abwarfen

(2) Bomber mit Geräten vom Typ "Mandrel"

(3) Jagdflugzeuge "Mosquito", über dem Bomberstrom kreuzend

(4) Jagdflugzeuge "Mosquito", neben den Bombern patrouillierend

(5) Bomber mit "ABC-Ausrüstung"

(6) Bomber mit Geräten vom Typ "Carpet/Jostle/DINA" und "Piperack"

(7) Bomber mit Geräten vom Typ "ELINT" und "Piperack"

(8) Bomber mit Geräten vom Typ "Carpet/Jostle/DINA" und "Piperack"

(9) Bomber mit Geräten vom Typ "ELINT" und "Piperack"

Die Abbildung zeigt ein typisches Beispiel, wie die Einsatzflugzeuge der 462. Squadron bei einem Bombenangriff die Bomber-Hauptströme schützten. Je nach Aufgabenstellung konnten die Bomber der 100. Bomber-Gruppe auch noch mit anderen Einrichtungen ausgestattet werden. Dazu gehörte z. B. auch das "ELINT" (Elektronische Intelligenz). Es diente der Gewinnung von Informationen über den Standort, die Bewegung, den Einsatz und die Aktivitäten von Radarquellen. Es wurden Flugzeuge mit verschiedensten Empfängern ausgerüstet, die gewonnene Daten direkt für taktische Selbstschutzmaßnahmen (zum Beispiel Ausweichmanöver) und Elektronische Gegenmaßnahmen nutzten. "Jostle" war ein Bestandteil der ABC-Ausrüstung und arbeitete auf verschiedenen Frequenzen. "Mandrel" und "DINA" störten die deutschen Frühwarnsysteme "Wassermann", "Mammut" und "Freya", die in den Jagdflugzeugen eingebaut waren.


Einsatz der Halifax NA-240 am 10. April 1945

Kurz vor dem Start wurde der Crew der NA-240 das Einsatzziel mitgeteilt und notwendige Unterlagen wie Karten, Flugkoordinaten und Zeitpläne übergeben. Für den 10. April 1945 hatte die Crew der Halifax NA-240 zusammen mit einer zweiten Halifax mit der Seriennummer PN-426 unter Captain Frazer einen Spezialauftrag erhalten. Sie sollten eine sogenannte "Protective Patrol" (Schutzpatrouille) für den Hauptbomber-Verband der 5. Bomber-Gruppe fliegen. Seit 1943 galt die 5. Bomber-Gruppe als Eliteverband der RAF. In dieser Nacht hatte sie den Auftrag, den Verschiebebahnhof und die Gleise in Leipzig-Wahren zu bombardieren. Da die Bomber generell gegen angreifende Jagdflugzeuge nur geringe Überlebenschancen hatten, wurden sie ständig durch Flugzeuge aus der 100. Bomber-Gruppe begleitet und geschützt. Die 100. Bomber-Gruppe trug die Zusatzbezeichnung "Special Duties" (Sonderaufgaben). Da diese Bomber-Gruppe hauptsächlich "Windows" zur Täuschung einsetzte, bekam sie den Spitznamen "Special Window Force".

14UK1913
Abbildung 8: Eine Halifax der 462. Squadron während des Fluges (Foto AWM)

Zur Verwirrung bei der Aufklärung des Schicksals der NA-240 trug bei, dass am 10./11. April 1945 zeitgleich mehrere Bombenangriffe geflogen wurden. So fand am 10. April ein Tagesangriff auf die Bahnhöfe Mockau und Engelsdorf statt. 230 Flugzeuge - 134 Bomber vom Typ Lancaster, 90 vom Typ Halifax und sechs Mosquitos – waren für diesen Angriff auf Leipzig vorgesehen. Hierbei gingen eine Lancaster und eine Halifax verloren. Die restlichen Maschinen kehrten noch vor Mitternacht auf ihre englischen Flughäfen zurück. In der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 starteten zwischen 18:00 Uhr und 19:30 Uhr englische Bomber zu Angriffen auf Berlin, Plauen und Leipzig-Wahren. Insgesamt 594 Flugzeuge waren am 10. und 11. April an den Angriffen beteiligt. Sieben Lancaster, eine Mosquito und eine Halifax wurden vernichtet. Die restlichen Flugzeuge kehrten am 11. April zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr zurück. Die 462. Squadron entsandte zehn Flugzeuge zu diesen Nachtangriffen. Acht Halifax begleiteten den Angriff auf Plauen, zwei wurden mit besonderen Aufgaben nach Leipzig-Wahren geschickt. Diese beiden Maschinen, die NA-240 und die PN-426, sollten an der Spitze dieses Kampfverbandes der 5. Bomber-Gruppe fliegen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den Angriff absichern. Im Logbuch der RAF wurden sie als "RCM" geführt, der Abkürzung für "Radio Counter Measures" (elektronische Gegenmaßnahmen). Es nahmen also tatsächlich 97 Flugzeuge statt der bisher in der Literatur angegebenen 95 an dem Angriff auf Leipzig teil (76 Lancaster, 19 Mosquitos und zwei RCM-Halifax).


Kurz vor dem Start

Mit gemischten Gefühlen bestieg die Crew ihre Maschine. Ihnen war klar, dass der Krieg seinem Ende zuging und sie hatten Angst, dieses Ende nicht mehr zu erleben. Jedes Besatzungsmitglied nahm seinen für ihn vorgesehenen Platz ein. Der Pilot nahm den linken oberen Platz im Cockpit ein, rechts von ihm saß der Bordingenieur und bediente die sich auf der Mittelkonsole befindenden Gashebel.

15Aerodrome
Abbildung 9: Von hier aus wurde die Halifax gesteuert. Der Pilot saß oben rechts, der Navigator stehend links und darunter der als "Sparks" bezeichnete Funker (Foto AWM)

Im unteren Teil der Kanzel saßen der Funker und im vorderen Teil der Navigator sowie der "Bomb Aimer" (Bombenschütze). Seine Hauptaufgabe war, die Bomben mithilfe eines Zielgerätes an der vorgesehenen Stelle abzuwerfen, bei Höhen zwischen 18.000 und 28.000 Fuß (5.500 bis 8.500 Meter) und einer Geschwindigkeit von 380 km/h.

12Bomb Aimer Halifax III
Abbildung 10: Der Bombenschütze einer Halifax in Position liegend vor dem Start (Foto AWM)

Bei dieser modifizierten Maschine war er je nach Erfordernissen auch für den Abwurf von "Window", Zielmarkierern oder Stabbrandbomben zuständig. Etwa in der Mitte des Flugzeuges befand sich auf der Oberseite der "Mid Upper Turret" (oberer Geschützturm). Der MG-Schütze bediente vier MG's in dieser Plexiglaskuppel. Am Heck des Flugzeuges war der "Rear Turret" (hinterer Geschützturm) eingebaut vom Typ "Boulton-Paul". Der Heckschütze bediente ebenfalls vier MG's, die einzige wirkungsvolle Abwehrbewaffnung des Bombers. Wie bereits erwähnt wurde diesen Stammbesatzungen ein zusätzliches Crewmitglied zugeteilt, das für alle "Special Duties" (Sonderaufgaben) verantwortlich war und die entsprechenden Geräte bediente. Sein Platz war direkt über der Bombenbucht, wo sich auch der größte Teil der elektronischen Ausrüstung befand. Dieser SDO (Special Duties Operator) hatte in der Regel sehr wenig Kontakt mit dem Rest der Crew. Deshalb ist er beispielsweise auch nicht auf dem Foto zu sehen, das die Crews am Vorabend eines jeden Angriffes von sich machen ließen.

Folgende Besatzungsmitglieder nahmen am Einsatz der NA-240 in der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 teil:

Ball, Alfred Desmond John; geb. 11.04.1924 in Perth, Australien; Angehöriger der RAAF; Pilot Officer (Leutnant); Kapitän und Pilot des Flugzeuges; am 10.04.1945 im Einsatz getötet – er starb einen Tag vor seinem 21. Geburtstag.

2Pilot Alfred Desmond John Ball AWM
Abbildung 11: Alfred Desmond John Ball, der Kapitän der bei Zaasch abgeschossenen Halifax (Foto AWM)

Frank, Murray; geb. 10.11.1919 in Melbourne (Australien); Angehöriger der RAAF; Flying Officer (Oberleutnant); Bombenschütze; war zu Beginn des Krieges Pilot eines Jagdflugzeuges vom Typ "Spitfire"; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Evans, Neil Vernon; geb. 14.02.1923 in Victoria (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel); Navigator; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Taylor, Ronald Reginald; geb. 26.12.1919 in Punchbowl (Australien); Angehöriger der RAAF; Warrant Officer (Stabsfeldwebel); Funker; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Tait, John Mickle; geb. 06.03.1925 in Melbourne (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel); MG-Schütze im oberen Geschützturm; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Hibberd, Maxwell James; geb. 06.03.1925 in Brisbane (Australien); Angehöriger der RAAF; Flight Sergeant (Feldwebel), nach seiner Demobilisierung zum Warrant Officer (Stabsfeldwebel) befördert; Heckschütze; einziger Überlebender des Abschusses des Bombers NA-240 am 10.04.1945, er war wie John Mickle Tait MG-Schütze und hatte auch mit ihm am gleichen Tag Geburtstag; ab 10.04.1945 "Prisoner of War" (Kriegsgefangener) in Deutschland; gestorben 13.03.1988.

Brookes, Frederick; geb. 26.02.1919 in England; Angehöriger der RAF; Sergeant (Unteroffizier); Bordingenieur; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Heggarty, John; geb. 13.08.1922 in Cheshire (Großbritannien); Angehöriger der Freiwilligen-Reserve der RAF; Pilot Officer (Oberleutnant); Offizier für besondere Aufgaben; er sprach fließend deutsch und war aufgrund seiner Kenntnisse und Aufgaben als 8. und zusätzliches Crew-Mitglied bei diesem Einsatz dabei; am 10.04.1945 im Einsatz getötet.

Die Crew hatte ein Durchschnittsalter von 22,5 Jahren! Das entsprach durchaus dem der anderen Besatzungen. Ein Besatzungsmitglied, das älter als 25 Jahre war galt als große Ausnahme. Verantwortlich dafür waren die außerordentlich hohen Verluste, sodass es kaum Besatzungen mit großer Erfahrung gab.

Gegen 19:00 Uhr rollte die Halifax NA-240 zur Startbahn und erhielt genau um 19:10 Uhr die Startfreigabe von ihrem Stützpunkt in Foulsham. Genau zwei Minuten später folgte ihr die Halifax unter Captain Frazer.

18Crew Z5-V Halifax  2 2
Abbildung 12: Besatzung der Halifax NA-240 im Dezember 1944: stehend von links: Tait, Brooks, Taylor und Hibberd; sitzend von links: Frank, Ball und Evans; Heggarty ist nicht auf dem Foto (Foto Sammlung Familie Hibberd)

Wenn die beiden Halifax-Bomber auch keine Bombenladungen wie die Hauptbomberflotte trugen, so waren sie doch mit ihrer elektronischen Ausrüstung, der Abwehrbewaffnung und dem Flugzeugbenzin bis zur höchstzulässigen Grenze beladen.

Da die Angriffe der RAF fast nur nachts erfolgten, waren auch die Startbahnen kaum beleuchtet. Im Schritttempo rollten die schwer beladenen Flugzeuge zur Startbahn. Dort wurden die Motoren kurz "hochgejagt" und das Heckrad eingerastet. Dann wurden durch den Piloten alle vier Motoren langsam auf höchste Drehzahlen gebracht. Es musste darauf geachtet werden, dass alle Motoren synchron liefen, sonst konnte es vorkommen, dass die Maschine bereits beim Start von der Bahn abkam, sich überschlug oder gar in andere parkende Flugzeuge krachte. Diese Art von Unfällen kam recht oft vor, hatten doch die meisten Piloten nur wenige Stunden Flugerfahrung. Nachdem alle vier Motoren gleichmäßig auf Vollgas liefen, löste der Pilot die Radbremsen vollständig und der "Vogel" begann langsam zu rollen. Da die englischen Flugplätze oftmals unter Nebel standen, hatte der Pilot seine Augen starr auf die Instrumente gerichtet, während der neben ihm sitzende Bordingenieur die Leistung aller vier Motoren bewachte und beim Start laut die Geschwindigkeit ausrief. Nachdem drei Viertel des Weges auf der Rollbahn zurückgelegt waren, rief er "100", dann "105" und "110" (gemeint sind mph = Meilen pro Stunde) aus. Bei 120 mph (195 km/h) musste der "Vogel" in die Luft. Der Copilot fährt sofort das Fahrwerk ein, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Die Geschwindigkeit erhöht sich langsam, die Klappen werden eingefahren. Das Flugzeug steigt schwerfällig bis zur Abflughöhe, wobei der Pilot sich nur nach den Instrumenten richten kann. Während des blinden Steigens schaut jedes Besatzungsmitglied ins Leere, immer mit der Angst lebend, dass plötzlich ein anderes Flugzeug auftaucht und ein Zusammenstoß unvermeidlich ist. Jeder war bis aufs äußerste gespannt und wartete darauf, den weißen Vorhang zu durchbrechen, um sich dann mit den anderen Flugzeugen zu einer Formation zu versammeln. Einige schafften das nicht immer. Sie verirrten sich hoffnungslos und fanden nie die Formation. Aber die NA-240 bewältigte diese Aufgabe an diesem Abend ohne Zwischenfälle.

10Pilots Panel Halifax AWM
Abbildung 13: Die Instrumententafel des Piloten einer Halifax III (Foto AWM)

 


Flug Richtung Leipzig

Die NA-240 drehte nach dem Start in Richtung des 2. Kontrollpunktes an der Ostküste Südenglands ab. Dort versammelte sich der Bomberstrom der 5. Bomber-Gruppe und formierte sich zum Abflug nach Leipzig. Dort befand sich ein für viele Bombenangriffe benutzter Sammelpunkt der Flugzeuge, bevor sie den Formationsflug zum Angriffsziel begannen, aber auch wenn sie zurückkehrten und von dort ihre Ausgangsbasis wieder anflogen. Dabei starteten die Bomber so schnell wie möglich von vielen Flugplätzen, um in kürzester Frist Richtung Ziel zu fliegen. Das wurde natürlich umso schwieriger, je mehr Flugzeuge an einem Angriff beteiligt waren. Eine große Anzahl von Bombern ging auch bei dieser Formierung verloren.

Es ist anzunehmen, dass sich die NA-240 über dem Sammelpunkt befehlsgemäß an die Spitze setzte und vorausflog. Der nächste Kontrollpunkt lag dann in Frankreich, etwa 25 km südlich von Arras und 18 km westlich von Cambrai. Hier waren bereits 515 km Flugstrecke absolviert. Der Weg führte dann in östlicher Richtung über Belgien zum 4. Kontrollpunkt in Deutschland (etwa 5 km östlich von Mendig und 20 km westlich von Koblenz). Es folgte der 5. Kontrollpunkt 20 km westlich von Sangerhausen und 10 km südlich von Stollberg im Harz. Der 6. Kontrollpunkt und gleichzeitig der für das weitere Schicksal der NA-240 entscheidende Ort befand sich direkt über Zörbig, etwa 22 km westlich von Sandersdorf. Würde man die bis dahin zurückgelegte Flugroute auf der Karte mit einem Lineal verlängern, so würde diese gedachte Route genau nach Berlin führen. Das könnte durchaus eins der vielen Täuschungsmanöver der RAF gewesen sein. Solche Täuschungsangriffe flog die RAF öfter, da Berlin als Reichshauptstadt Vorrang vor allen anderen Städten hatte und die deutschen Nachtjäger zum Schutz sofort dorthin beordert worden sind. Drehten die englischen Bomber dann plötzlich ab, konnten die deutschen Jäger nicht mehr die neue Flugroute anfliegen. Dazu reichte der Treibstoff nicht.

Bei Zörbig flog der Bomberstrom der Engländer eine abrupte Kurve von 90° in Richtung Süden. Das war genau die Richtung nach Leipzig-Wahren, dem Angriffsziel und gleichzeitig 7. Kontrollpunkt. Die Bomberflotte erreichte dann auch ohne weitere Zwischenfälle Leipzig und es gelang ihr, den Verschiebebahnhof in Wahren total zu zerstören. Es handelte sich um den letzten schweren Bombenangriff auf Leipzig. Die "Stunde 0" (geplante Abwurfzeit) war mit 22:48 Uhr vorgegeben.

24Abb. 9a - Kreiskarte Delitzsch 1950 - Flugroute beim Angriff auf Leipzig 2
Abbildung 14: Flugroute beim letzten Angriff auf Leipzig

Die Strecke zwischen dem 6. und 7. Kontrollpunkt (zwischen Zörbig und Leipzig) lag zum größten Teil im Luftraum des damaligen Landkreises Delitzsch. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in den Navigationsunterlagen bei englischen Bombenangriffen auf Leipzig der Zwillingsturm der Delitzscher Stadtkirche als Orientierungspunkt angegeben war. Auch sonst konnten die Engländer auf zuverlässige Navigationshilfen zurückgreifen. So wurde dem Stadtarchiv Delitzsch durch das "Imperial War Museum" London ein topografischer Kartenausschnitt des Raumes Halle-Leipzig von 1944 zur Verfügung gestellt. Darauf waren selbst die kleinsten Ortschaften mit erstaunlich genauen Koordinaten eingetragen.

Die Crew der NA-240 konnte aber den Angriff auf Leipzig nicht mehr erleben. Ihr Flugzeug wurde in der Nähe von Zörbig abgeschossen. Der Bomberstrom setzte währenddessen seinen Weg unbeirrt fort. Nach der Bombardierung des Wahrener Bahnhofs drehte er in Richtung Südwesten ab zum 8. Kontrollpunkt acht km südlich von Lützen und zehn km nördlich von Hohenmölsen. Der 9. Kontrollpunkt lag bei Frankenroda, 10 km südlich von Treffurt. Der 10. Kontrollpunkt entsprach denselben Koordinaten wie der 4. Kontrollpunkt. Der übrige Weg entsprach ab hier der Strecke des Hinfluges. Die mit der NA-240 gestartete Halifax PN-426 landete um 02:27 Uhr in Foulsham, während die NA-240 vorerst vermisst blieb.


Was geschah mit der NA-240?

Insgesamt hatte die Gruppe auf dem Hinflug nach Leipzig eine Strecke von etwa 1.220 km zurückgelegt, der Rückflugweg betrug 1.198 km. Also hatten die unbeschädigten Flugzeuge auf ihrem Flug eine Strecke von 2.418 km absolviert.

Bisher wurde angenommen oder besser gesagt spekuliert, dass die NA-240 bis kurz vor Leipzig flog, dann umdrehte und auf dem Rückflug in der Nähe von Benndorf durch Flak abgeschossen wurde. Unterlagen über die Flugroute standen damals nicht zur Verfügung und Augenzeugen, die sich nach einem Aufruf in der LVZ meldeten, machten recht unterschiedliche Angaben. So rechneten wir uns aus, dass die NA-240 nach ihrer Beschädigung in Richtung Westen nach Halle abdrehen wollte, um die zu diesem Zeitpunkt sich bereits dort befindenden amerikanischen Truppen zu erreichen. Da sie aber zu schwer beschädigt war, wäre sie dann bei Zaasch abgestürzt. Ein weiterer Grund für unsere Vermutung waren die fehlerhaften Angaben des einzigen Überlebenden des Absturzes, Maxwell Hibberd. Er gab die Abschussstelle mit "nordöstlich von Delitzsch" an. Seinen Irrtum kann man damit erklären, dass es dunkel war, er keine direkte Sprechfunkverbindung zu seinen Kameraden hatte und außerdem "verkehrt herum" mit dem Rücken in Flugrichtung flog. Außerdem stand er nach dem Abschuss unter Stress, schließlich war er der einzige Überlebende seiner Crew.

 Mittlerweile stehen aber originale Unterlagen des Australischen Nationalarchives zur Verfügung. Darunter auch das "Operation Records Book" der 462. Squadron der RAAF. Hier sind alle Einsätze genauestens dokumentiert und erläutert. So begleiteten in der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 Flugzeuge der 462. Squadron Bombenangriffe auf Plauen, Berlin und Leipzig. Die NA-240 war der 5. Bomber-Gruppe zugeteilt und flog nach denselben Koordinaten bis zum 6. Kontrollpunkt bei Zörbig. Das lässt nur den Schluss zu, dass sie auf diesem Streckenabschnitt abgeschossen wurde. Bekanntermaßen befand sich bei Zörbig eine Flak-Batterie. Hibberd stellte laut seinen Aufzeichnungen fest, dass die Maschine gegen 22:00 Uhr mehrere Treffer durch Flak erhielt. Unmittelbar danach stürzte die Maschine über Zaasch ab. Zaasch befand sich etwa 4 bis 5 km östlich der vorgegebenen Flugroute. Geschwindigkeit, Flughöhe, Beschädigung und letztlich die Aussagen von Hibberd unterstützen diese Tatsache.

Es ist allerdings davon auszugehen, dass Hibberd in seinem Bericht unbewusst mit 22:00 Uhr die falsche Zeit angegeben hat. Laut Operation Records Book flogen an erster Stelle bei dem Bombenangriff auf Leipzig Pfadfinder der 8. Bomber-Gruppe und markierten das Ziel in Leipzig. Acht Mosquitos der 109. und 105. Squadron markierten aus einer Höhe von 30.000 Fuß (mehr als 9.000 Meter) mit gelben Zielindikatoren den Wahrener Bahnhof für die angreifenden 66 Lancaster. Das war genau 22:48 Uhr. Die NA-240 und die Bomber folgten erst nach den Pfadfindern. Deshalb dürfte die Uhrzeit des Abschusses nicht gegen 22:00 Uhr sondern erst 23:00 Uhr gewesen sein. Das würde dann auch eher den Vorgaben des Flugplanes entsprechen.

Dadurch ist eindeutig nachgewiesen, dass die NA-240 niemals in die Nähe von Leipzig gelangte, sondern bereits auf dem Hinflug abgeschossen wurde. Da der letzte Teil der Anflugroute von Zörbig über Brehna, vorbei an Klitschmar, Zwochau, Wiedemar und Freiroda nach Leipzig führte, können hier auch die unterschiedlichen Augenzeugenberichte in einen Zusammenhang gebracht werden. Die Augenzeugen gaben an, bei Brehna, Serbitz, Delitzsch und Zwochau ein brennendes Flugzeug ausgemacht zu haben. Diese Orte lagen alle direkt auf oder neben der Flugroute. Gerade bei Dunkelheit ist es aber schwer, die Entfernung eines brennenden Flugzeugs auszumachen, zumal jegliche Bezugspunkte fehlten. Ergänzt werden soll an dieser Stelle, dass in dieser Nacht vom 10. zum 11. April sieben Lancaster der 5. Bomber-Gruppe abgeschossen wurden.

Das Operation Records Book enthält detaillierte Angaben zu allen durchgeführten Aufgaben der 462. Squadron, zu personellen Zusammensetzungen, Bewaffnungen sowie Ausrüstungen und ist eine Art Logbuch für alle Einsätze. Unter dem 10.04.1945 ist auf der Seite 322 folgendes registriert:


"Flugzeugtyp: Halifax III, NA-240 unter Captain Ball und weiteren 7 Crew-Mitgliedern

Startzeit: in Foulsham um 19:10 Uhr

Zeit der Rückkehr: vermisst

Details des Feindfluges: Das Flugzeug startete zu einer Schutzpatrouille zusammen mit der Hauptbombergruppe nach Leipzig – kehrte von der Operation nicht zurück. Es gibt keine Nachrichten seit ihrem Start und die Crew wird als vermisst gemeldet."

Am 11. April 1945 schrieb der Kommandierende Offizier der 462. Squadron, Scharrer, an das Luftfahrtministerium in London folgende Meldung:


"Die Halifax III, Nummer NA-240, geführt und geflogen von Pilot Officer Ball, war zu einer Patrouille nach Leipzig in der Nacht vom 10. zum 11.04.1945 eingesetzt. Das Flugzeug startete um 19:10 Uhr und führte 7.000 Schuss 0.303-Munition sowie zwei 500-lb-Bomben Mk. 4 mit sich. Außerdem hatte es 2.460 Gallonen Treibstoff für eine Flugzeit von 10 Stunden bei sich. Es wurde nichts von dem Flugzeug gehört."

In einem weiteren Schreiben wurde dann ergänzt:


"Es handelte sich um die Operation 51. Die Halifax III mit der Seriennummer NA-240 und dem Rufzeichen Z5-V mit Motoren vom Typ Hercules XVI kehrte von der Operation nach Leipzig nicht zurück. Alle werden vermisst. Zu ihrer Ausrüstung gehörte:

    2x 500-lb-Bomben vom Typ GP MK. 4
    H2S-Radar
    GEE-Navigation
    ABC-Ausrüstung
    Pipe Rack
    Fishpond
    Carpet"

Es folgen die Anschriften der nächsten Angehörigen der Crew.

Im Tagebuch der 462. Squadron Foulsham ist auf der Seite 68 unter dem 10.04.1945 folgender Eintrag zu finden:


"10 Flugzeuge wurden für die Operation aufgeboten, 3 für Radar-Störmaßnahmen und der Rest für ein Täuschungsmanöver mit Windows (Düppel). Die 3 RCM-Halifax (RCM=Radar Counter Measures) flogen an der Spitze des Hauptbomberstroms bis kurz vor Leipzig. Sie sollten die feindlichen Jäger nach Berlin locken, wo englische Jäger schon warteten. Dadurch sollte die Hauptgruppe freien Flug bis Leipzig haben. Zwei Flugzeuge, die NA-240 und PN-426 operierten mit der 5. Bomber-Gruppe zusammen. Unglücklicherweise kehrte das Flugzeug NA-240 unter Captain Ball von der Operation nicht zurück. Heute erhielten wir einen Bericht vom Oberkommando, dass die letzte Nacht eine der erfolgreichsten Operationen war, an der die 100. Bomber-Gruppe je teilgenommen hatte."

Die 462. Squadron war die einzige innerhalb des britischen Bomber Command, die die Zahl ihrer Einsätze im April 1945 gegenüber dem Vormonat noch erhöhen konnte.

Die folgenden Angaben basieren auf Aussagen und Briefen von Hibberd und entsprechenden Protokollen der englischen bzw. australischen Geheimdienste. Teilweise Widersprüche oder Ungenauigkeiten sind auf Hibberds Nichtkenntnis der deutschen Sprache und die Tatsache, dass er nach dem Abschuss unter Schock stand und schwer verletzt war, zurückzuführen.


"Gegen 22:00 Uhr wurde das Flugzeug im Nordosten von Leipzig durch die Flak getroffen. Innerhalb weniger Sekunden erhielt das Flugzeug drei Treffer: im Steuerbordflügel, in der Rumpfmitte und direkt neben der Kanzel des Heckschützen."

Hibberd konnte den Blitz des Einschlages noch erkennen. Der Einschlag erfolgte in etwa 14.000 Fuß (4.270 Meter) Höhe. Das Flugzeug wurde herumgeschleudert. Fast automatisch gelang ihm der Ausstieg aus der beschädigten Kanzel. In voller Panik bemerkte er, dass Flammen, Funken und glühende Metallteile des brennenden Flügels an ihm vorbeiströmten. Es entstand eine Situation, in der der natürliche Drang zu überleben stärker als die Panik war. Er fiel hinaus in den Luftstrom und nach einigen Schwierigkeiten mit dem verrutschten Fallschirm gelang es ihm, diesen aufzureißen. Mit einem gewaltigen Stoß bremste ihn der Fallschirm ab, dann wurde es "Nacht" um ihn. Er war ohnmächtig geworden und konnte sich später an vieles nicht mehr erinnern.

In der Morgendämmerung des 11. April erwachte er gegen 5:00 Uhr und bemerkte, dass er in einem Weizenfeld lag. Sein Fallschirm war immer noch angeschnallt. Ängstlich und verwundet versteckte er sich bis zum Abend in einem Strohhaufen. Von seinem Flugzeug und seinen Kameraden war nichts zu sehen. Aber mit seinen Verletzungen konnte er auf keinen Fall hier liegen bleiben. Schließlich ging er einfach los. Vor Schmerzen und mit nur noch einem Stiefel bekleidet schleppte er sich immer weiter. Er litt unter Blutverlust durch eine Kopfverletzung und Verletzungen an Oberschenkel und Knöchel. Als er an einem Bauernhaus ankam, bekam er durch den Bauer und seine Tochter medizinische Hilfe. Wir vermuten heute, dass es sich um den Bauern Krone aus Zaasch handelte. Leider blieb die spätere Suche nach ihm oder seiner Tochter, um sie als Augenzeugen zu befragen, ergebnislos. Der Bauer Krone wurde 1947 durch die "Vermissten-Nachforschungs- & Untersuchungsstelle Nr. 4 der RAF" als Zeuge befragt.

Der Bauer informierte dann die Polizei. Etwas anderes dürfte ihm auch gar nicht übriggeblieben sein, denn das Verstecken abgeschossener Flieger wurde schwerstens bestraft.

Die folgenden Angaben beruhen auf privaten Aufzeichnungen und Briefen sowie späteren Aussagen von Hibberd.

Am Abend des 11. April gegen 23:00 Uhr erschienen dann uniformierte Personen und nahmen ihn mit nach "Delitch" ins SS-Quartier. Die Angehörigen, die Hibberds Briefe und Aufzeichnungen nach dessen Tod 1988 fanden und erstmals Einzelheiten über den Abschuss der Maschine erfuhren, zweifeln diese Aussagen allerdings selbst an. Sie vermuten, dass Hibberd die deutschen Uniformen nicht unterscheiden konnte. Er berichtete zwar immer von der SS, aber wahrscheinlich gehörten für ihn alle Deutschen mit Uniform zur SS. Auch das SS-Hauptquartier kann nur die lokale Polizeiwache gewesen sein. In Delitzsch befand sich die Polizeiwache im Rathaus. In einem Brief ans australische Kriegsrentenamt sagte Hibberd aus, dass der verhaftende Offizier am Bauernhof viel schrie und eine Waffe herumschwenkte. Auch in Delitzsch schrie er wiederholt Hibberd an, weil der es ablehnte, die Fragen zu beantworten. Die deutschen Offiziere waren sehr verärgert. Er dachte, dass er erschossen werde. Vom Schicksal der anderen Besatzungsmitglieder hat Hibberd bis ans Ende seines Lebens nichts erfahren. Das erklärt auch die verschiedenen Aussagen, die er nach Kriegsende gegenüber der Air Force und den Geheimdiensten machte. Die Zeit vom 11.04.1945 bis 13.04.1945 verbrachte Hibberd in einer der Gefängniszellen im Delitzscher Rathaus.

 Am 13.04.1945 marschierte er unter Bewachung zum Delitzscher Flugplatz (gemeint ist damit der ehemalige Militärflugplatz bei Spröda). Hier wurde er wieder befragt, ob er einer Jagdfliegermannschaft oder Bombermannschaft angehört hatte. Es ist zu vermuten, dass es auch hier sprachliche Barrieren gab. Außerdem hatten Bomber vom Typ Lancaster und Halifax normalerweise sieben Crew-Mitglieder an Bord. Hibberds Crew bestand aber aus acht Mitgliedern. So waren die deutschen Behörden verwirrt, weil sie bereits sieben Besatzungsmitglieder an der Absturzstelle in Zaasch gefunden hatten.

Am 14.04.1945 wurde Hibberd von Spröda in das Oflag Colditz gebracht. Dabei handelte es sich um ein Gefangenenlager für Offiziere der westlichen Alliierten. Dort blieb er aber nur eine Nacht und schlief im äußeren Burghof. Wahrscheinlich hatten die deutschen Behörden angenommen, dass er ein Offizier war. Als sich der Irrtum herausstellte, wurde er unter Bewachung zu Fuß in das Stalag Oschatz (Stammlager für Kriegsgefangene) verlegt. An der Verlegung waren auch andere Kriegsgefangene beteiligt. Begleitet wurden sie von zwei Wachen. Einer war älter und schon im Ersten Weltkrieg Kriegsgefangener in Großbritannien. Er beherrschte auch die englische Sprache und schützte seine Gefangenen vor einem jüngeren Wachmann, der ziemlich aggressiv war. Hibberd wusste aber nicht, zu welcher Truppe diese beiden Wachen gehörten.

In einer Stadt verwendete der ältere Bewacher sogar seine Pistole, um die Gefangenen vor einigen Zivilisten zu schützen, die sich an den "Terrorfliegern" rächen wollten. Der Wachmann besorgte auch Nahrung von Zivilisten auf dem Marsch.


Der Krieg ist vorbei

Im Oschatzer Rathaus wurde er zunächst drei Tage verhört und sogar geschlagen. Dann kam er zur englischen Abteilung des Stalag IVG - vom 15. bis 18.04.1945. Unklar ist, was in den letzten beiden Kriegswochen geschah. Dieser Zeitraum war in der Gegend um Oschatz von Chaos geprägt. Ab 21.04.1945 war Oschatz Niemandsland, da die deutschen Truppen abzogen und die Alliierten den Ort noch nicht besetzt hatten. Ende April bis Anfang Mai wurden die Gefangenen von ihren Bewachern nervös entlang der Elbe hin und her getrieben. Die Angaben über den Zeitraum gibt Hibberd in seinen Aufzeichnungen nur ungenau an. Am 25.04.1945 trafen sich in Torgau Russen und Amerikaner an der Elbe. Erst am 26.04.1945 besetzten die Amerikaner Oschatz. Die direkt in Oschatz untergebrachten Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter plünderten die Stadt. Bis zum 06.05.1945 wurde Oschatz zu einem riesigen Umgruppierungsgebiet amerikanischer und sowjetischer Truppen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die deutschen Bewacher mit ihren Gefangenen nicht wussten, was sie tun sollen.

Schließlich stießen die Gefangenen in den Wirren des Krieges Anfang Mai 1945 auf amerikanische Truppen: "Die Amis befreiten uns; sechs von uns flüchteten während eines Eilmarsches, die Deutschen trieben uns an der Elbe herum, da sie wussten, dass sie von den Alliierten eingekreist waren. Die Amis befanden sich einige Meilen vor uns und so liefen wir einfach los". Hibberd und fünf Gefangene schafften es schließlich ohne Verluste, die amerikanische Einheit zu erreichen. Allerdings kann diesen Aufzeichnungen nicht entnommen werden, welcher Ort sich dort in der Nähe befand. Für Hibberd war zwar der Krieg vorbei, sein Leidensweg aber noch nicht zu Ende. Er wurde weiter wie ein Kriegsgefangener behandelt. Am 10.05.1945 wurde er nach Brüssel gebracht und am 11.05.1945 nach Brighton in England ausgeschifft. Das war eine in solchen Fällen übliche Sicherheitsmaßnahme. Schließlich wurden befreite Kriegsgefangene durch die Geheimdienste befragt, um sicher zu gehen, dass sie dem Feind nicht irgendwelche geheimen Informationen gegeben hatten.

Am 12.05.1945 wurde er in Brighton durch den Geheimdienst erstmals verhört. Am 29.06.1945 brachte ihn das Schiff "Andes" nach Australien, wo er nach Umwegen am 28.07.1945 ankam. Dort wurde er in ein Hospital gebracht, in dem seine vielen Wunden ausheilen sollten. Die Rehabilitation dauerte bis zum 18.02.1946. In dieser Zeit fanden noch mehrere Verhöre statt.

In einem Brief an seine Schwägerin aus Brüssel vom 11.05.1945 schrieb er:


"Ich habe keine Ahnung, wo der Rest von der Mannschaft ist, aber hoffe ernsthaft, dass sie ausstiegen, lebendig und jetzt sicher sind wie ich selbst. Was für ein Albtraum, aber ich nehme an, Krieg ist Krieg, und, nachdem dieser Schaden gemacht wurde, hassen sie uns sicher"

(damit meinte er die Deutschen im Allgemeinen und nachdem er erstmals Eindrücke von den Auswirkungen der Bombardements erhalten hatte).

Nach seiner Ankunft in Brighton in Großbritannien am 12.05.1945 wurde er in Bezug auf seine Kriegsgefangenschaft befragt:


"…ich glaube, dass der Rest der Mannschaft getötet wurde, als das Flugzeug nahe des Zielbereichs zerschmetterte…" und "…wahrscheinlich war die Mannschaft außerstande, wegen der speziellen Ausrüstung auszusteigen".

Am 15.06.1945 gab er folgende Erklärung ab:


"Verfolgte alles - sah des Kapitäns, des Bombenschützen und des Funkers Ausweise in SS-Hauptquartier in Delitzsch, auch eine von den Erkennungsmarken".

Sofort bei seiner Ankunft in Australien im Juli 1945 wurde er bei Verhören in Sydney angewiesen, dass er mit niemandem über den Vorfall reden darf; weder über seine eigenen Erfahrungen noch über das Schicksal der Mannschaft.

Bei einem dieser Verhöre durch einen australischen Geheimdienstoffizier am 28.07.1945 gab er zu Protokoll:


"Ich wurde in das SS-Quartier nach Delitzsch gebracht, wo ich die Ausweise des Kapitäns, des Bombenschützen und des Funkers sah und die Erkennungsmarke des Navigators. Keine von diesen waren angebrannt oder verschmort auf irgendeine Weise. Ich weiß nicht, was damit geschah. Ich bin der Meinung, dass die folgenden Mitglieder ermordet wurden: F/O Ball, A.D.J. F/O Frank, W/O Taylor R.R. und FISgt Evans N. V. Ich kann über das Schicksal des Ingenieurs, des mittleren Schützen oder des Special Operators nicht sicher sein, weil ich nichts sah, das zu ihnen gehörte. Wenn sie gefangen worden wären, wäre die Mannschaft wahrscheinlich in derselben Umgebung wie ich gewesen und zu irgendeiner Zeit oder einem Ort hätte ich sie gesehen oder von ihnen gehört. Es war eine andere Mannschaft in derselben Nacht abgeschossen wurden und sie wurden zur selben Stelle wie ich gebracht, und ich fragte sie, ob sie noch andere Australier gesehen hätten, und sie sagten Nein. Ich bin der Meinung, dass die Mannschaft wie oben angegeben ermordet wurde, als sie das Flugzeug verlassen hatten. Ich hätte sie gesehen oder von ihnen gehört und wenn sie das Flugzeug nicht verlassen hätten, sie wären so schlimm verbrannt gewesen, dass nichts übrig geblieben wäre von den Personalausweisen, als das Flugzeug brannte."

In den Unterlagen des Australischen Nationalarchivs ist ein Telegramm vom 28.08.1945 aufbewahrt vom RAAF-Hauptquartier an die Medizinische Einheit, bei der sich Hibberd aufgrund seiner Verletzungen befand. Es stellte die Diskrepanzen in seinen Erklärungen fest und ordnete an, dass er im Krankenhaus erneut verhört wird. Das RAAF-Hauptquartier befahl ihm wiederholt, die Mordbehauptungen den Verwandten oder Angehörigen gegenüber nicht zu erwähnen.

Am 30.08.45 wurde Hibberd wiederum verhört. Diesem Protokoll ist auch ein Schreiben des Vernehmungsoffiziers beigefügt. Bezogen auf das Verhör im Delitzscher "SS-Quartier" ist zu lesen:


"Ich wurde befragt, ob ich in einem Bomber oder Jagdflugzeug war und auch wo der Rest der Mannschaft sei. Ich beantwortete diese Fragen nicht, sondern ich gab nur meine Nummer, Rang und Namen an. Jedoch sah ich während meiner Befragung die Ausweise von F/O A.D.-J. Ball; F/O Murray, Frank und W/O Taylor, R. R., die unbeschädigt auf dem Tisch lagen. Und da war auch die runde Erkennungsmarke von F/Sgt Evans, N. V."

Im Begleitbrief des Vernehmungsoffiziers steht dessen Vermutung, dass Hibberds Angaben über den Tod der Mannschaft bloße Annahme gewesen seien. Es wurde wiederholt angeordnet, dass Hibberd nicht weiter über seine Erlebnisse spricht.

Was war aber mit der Halifax NA-240 in der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 tatsächlich geschehen? Nach den schweren Flaktreffern konnte die Maschine nicht mehr gesteuert werden. Innerhalb kürzester Zeit verlor sie an Höhe und explodierte über dem Dorf. Außer Hibberd hatten noch zwei andere Besatzungsmitglieder versucht, mit dem Fallschirm abzuspringen. Aber es gelang ihnen nicht mehr. Sie wurden später, durch den Aufprall zerquetscht, auf der Dorfstraße von Zaasch aufgefunden (siehe Abbildung 15, Punkte 3 und 4) . Die anderen fünf Besatzungsmitglieder schlugen mit dem Flugzeug am Nordrand des Dorfes auf (Punkt 1), nachdem bereits Teile des Flugzeuges über dem Grundstück des Guts der Familie Horn einschlugen (Punkt 5). Ein Motor durchschlug das Dach der Scheune. Diese Scheune ist im Jahre 2006 abgerissen worden. Bis dahin war im Dach noch das durch den Motor verursachte Loch zu sehen. Die ehemalige Eigentümerin hatte bereits 1946 Zaasch verlassen (Punkt 2). Auch über ihre Angehörigen konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.

19Abb. 6 - Lageplan der Gemeinde Zaasch mit der Absturzstelle der Halifax NA-240
Abbildung 15: Lageplan der Gemeinde Zaasch mit der Absturzstelle der Halifax NA-240

Zunächst stellte sich heraus, dass drei Mitglieder der Crew auf dem Friedhof in Zaasch gelegen haben. Im Friedhofsbuch waren aber keine Namen eingetragen. Auch die Kirchenbücher der gesamten Region (Zaasch, Lissa, Kölsa, Zschernitz, Kyhna, Zwochau, Grabschütz und Pohritzsch) verzeichneten keine Einträge. Selbst die zuständigen Standesämter konnten keine Eintragungen finden, obwohl es üblich war, dass auch Sterbefälle von Soldaten feindlicher Armeen beurkundet wurden. Wo waren also die restlichen Crew-Mitglieder? In der Zaascher Kirchenchronik waren die Gräber von drei Soldaten dokumentiert. Allerdings waren keine Namen eingetragen, nur die Angaben "Grab A, B, C". Sie wurden ohne Sarg am Eingang des Zaascher Friedhofs begraben. Es ist zu vermuten, dass die zuständigen deutschen Behörden sich keine Mühe mit der Identifizierung der Leichen gaben. Immerhin standen die amerikanischen Truppen zu diesem Zeitpunkt schon bei Halle. Es gab wichtigere Dinge zu erledigen. Bereits am 20.April 1945 besetzten die Amerikaner Delitzsch.

Im Rahmen der Nachforschungen erhielten wir aus London vom Imperial War Museum die Mitteilung, dass sieben Mitglieder der Mannschaft am 2. Oktober 1947 auf dem Friedhof der Gemeinde Zaasch exhumiert wurden. Es handelt sich hierbei um den Bericht der Berliner Außenstelle der Vermissten-Nachforschungs- und Untersuchungsstelle Nr. 4 der RAF:


"Bericht vom 14.10.1947


Teilnehmer:

Fl/Lt Ian R. MACINTYRE, Geheimdienstoffizier
S/Ldr J.W.WILLIS RICHARDS, Kommandierender Offizier
Capt. D. GOWERS, Offizier
Russischer Verbindungsoffizier (Name unbekannt)

Platz des Absturzes: Karte Zaasch M52/E1437

Bestattungsort: Karte Zaasch M52/E1437

Bericht: sieben Opfer entdeckt, drei schwer verbrannt, vier in zerquetschtem Zustand. Deutsche Beamte untersuchten die Körper und entfernten alle Papiere und persönlichen Gegenstände. Am Tag nach dem Absturz wurden die sieben Leichen in einem gemeinsamen Grab an der Nordwestecke des Friedhofes beerdigt. Sie wurden ohne Särge und ohne Zeremoniell begraben. Die Gräber befanden sich in guter Verfassung und waren mit einem einfachen Kreuz ohne Inschrift gekennzeichnet.

Die Exhumierung wurde am 30. September 1947 durchgeführt. Die sieben Körper wurden identifiziert durch verschiedene Schriftstücke, Erkennungsmarken, Papiere und Rangabzeichen und erhielten in Berlin jeder eine Grabnummer. Sie wurden am 2. Oktober 1947 im Berlin Kriegsfriedhof wieder beerdigt.

Ein Zeuge des Absturzes wurde verhört - Herr Krone, ein Bauer aus Zaasch. Das gesamte Wrack wurde durch deutsche Beamte an einen unbekannten Ort gebracht."


Die Briten haben in den Jahren nach dem Krieg alle ihre gefallenen Soldaten exhumiert, identifiziert und auf zentralen Kriegsfriedhöfen zur letzten Ruhe gebettet. Die Crew der Halifax NA-240 wurde auf dem "BERLIN 1939-1945 WAR CEMETERY" in Berlin-Charlottenburg beigesetzt. Die meisten der hier bestatteten Soldaten sind bei Luftangriffen auf Berlin oder ostdeutsche Städte getötet wurden. Jeder von ihnen erhielt ein Grab mit einem Gedenkstein. Die Kriegsfriedhöfe werden durch die Commonwealth War Graves Commission (CWGC) betreut.

21Abb. 12 - Jamie Hibberd legt auf dem Berliner 2
Abbildung 16: Jamie Hibberd legt auf dem Berliner Kriegsgräberfriedhof Blumen auf die Gräber der Crew der NA-240

Die Angaben der genauen Lage des Absturzes entstammen der Karte GSGS 4416, Maßstab 1/100.000, Spalte Q6MR 147.378 - zu lesen als Koordinaten 14,7 und 37,8. Den Notizen zu dem Protokoll ist noch zu entnehmen, dass die deutschen Beamten ihre Aufgabe beim Entfernen der persönlichen Papiere und Gegenstände nicht gerade gewissenhaft ausführten. Der Bauer Krone gab bei dem Verhör 1947 das falsche Datum des Absturzes an - den 12. April 1945. Er hat bestimmt das Datum verwechselt, schließlich fand das Verhör erst zwei Jahre nach dem Absturz statt.

Bei ihrem Aufenthalt in Deutschland im Jahre 2005 besuchte Jamie Hibberd die Gräber der ehemaligen Kameraden ihres Vaters auf dem Berliner Kriegsfriedhof und legte dort symbolisch Mohnblüten an jedes Grab. Sie war überzeugt, dass das auch im Sinne ihres Vaters gewesen wäre. Der Druck, jahrelang nicht über das eigene Schicksal sprechen zu dürfen, lastete schwer auf ihrem Vater. Über seine Erlebnisse in der Zeit als Kriegsgefangener ist so gut wie nichts bekannt.

Im Jahr 1979 erlitt Hibberd die erste von mehreren Herzattacken. Ein Arzt, der ihn im Krankenhaus behandelte, behandelte auch Vietnam-Veteranen. Er war überzeugt, dass Hibberd dieselben Nachkriegssymptome trug. Jedoch ist er nie wegen dieser "Kriegs-Neurose" behandelt worden. Dafür wurde er von britischen Offizieren immer wieder angewiesen, nicht über seine Zeit als Kriegsgefangener zu reden und der Kontakt mit Verwandten seiner Crew wurde ihm verboten.

In den letzten Jahren vor seinem Tod führte jede Erwähnung des Krieges und jede Frage nach Details zu Zornesausbrüchen. Außerdem litt er an Gemütsschwankungen und Albträumen, die sich mit zunehmendem Alter verschlimmerten. Am 13. März 1988 verstarb er im Alter von 63 Jahren. In Gesprächen mit ehemaligen Freunden und Kameraden ihres Vaters erfuhr Jamie Hibberd, dass ihr Vater nach dem Krieg nicht mehr wiederzuerkennen war. Aus einem lebenslustigen jungen Mann war ein psychisches Wrack geworden.

Jamie Hibberd brachte bei ihrem Besuch in Deutschland eine von der australischen Regierung legitimierte Bronzetafel mit. Auf dieser Tafel sind die Namen der in Zaasch umgekommenen Besatzungsmitglieder der Halifax NA-240 eingeprägt. Diese Tafel überreichte sie der Gemeinde Zaasch, wo sie heute zum Gedenken an die Opfer des 2. Weltkrieges in der Kirche angebracht ist.

 25Messingtafel Hibberd 2


In Memory of

The Crew of Halifax III NA240 Z5-V which crashed near Delitzsch on 10 April 1945

RAAF 462 Squadron, 100 Group, Bomber Command

 Flying Officer Alfred Desmond John BALL, RAAF 427182, Pilot, who died age 20

Flight Sergeant Neil Vernon EVANS, RAAF 436113, Navigator, who died age 22

Flying Officer Murray FRANK, RAAF 409532, Bomb Aimer, who died age 25

Flight Sergeant John Mickle TAIT, RAAF 430788, Mid-Upper Gunner, who died age 20

Warrant Officer Ronald Reginald TAYLOR, RAAF 432346, Wireless Operator, who died age 25

Sergeant Frederick BROOKES, RAF 546437, Flight Engineer, who died

Flying Officer John HEGGARTY, RAFVR 179888, Special Duties Operator who died

Remembered with honour at the BERLIN 1939-1945 WAR CEMETERY, Graves 4.Z.7-13

And

Flight Sergeant Maxwell James HIBBERD, RAAF 435342, Rear Gunner, POW age 20

Commemorated in perpetuity by the Hibberd Family, Australia

Abbildung 17: Inschrift auf der Bronzetafel, die Jamie Hibberd zum Gedenken an die Toten der NA-240 der Gemeinde Zaasch überreichte; die Tafel befindet sich heute in der dortigen Kirche

 


Literatur

Bowman, Martin W. & Cushing, Tom: Confounding the Reich: The Operational History of 100 Group (Bomber Support) RAF; Verlag: P.Stephens, Februar 1996.

Bowman, Martin W.: 100 Group (Bomber Support): RAF Bomber Command in World War II; Verlag: PEN & SWORD BOOKS (NCR), December 2006.

Chorley, W. R.: RAF Bomber Command Losses; Volume 4: 1943; 3. Auflage; Midland Publishing; Hinckley (England) 2005.

Ders.: RAF Bomber Command Losses; Volume 5: 1944; 3. Auflage; Midland Publishing; Hinckley (England) 2005.

Ders.: RAF Bomber Command Losses; Volume 6: 1945; 3. Auflage; Midland Publishing; Hinckley (England) 2004.

Delve, Ken: RAF Bomber Command 1936-1968: An Operational and Historical Record; Verlag: PEN & SWORD BOOKS (NCR), 1969.

Friedrich, Jörg: Der Brand: Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945; Verlag: List Tb.; Auflage: 1, Oktober 2004.

Herington, John: Air War Against Germany and Italy 1939-1945. Australian War Memorial, 1962.

Herington, John: Air War Over Europe 1944-45. Australian War Memorial, 1963.

Kane-Maguire, Leon; Lax, Mark: To See the Dawn Again: a History of 462 Squadron, RAAF 1942-2008; Verlag: Mark Lax, August 2008.

McGindle, Ted: Pimpernel Squadron – An Anectodal History Of 462 Squadron R.A.A.F., August 1944-May 1945; 2. Auflage; Wangaratta (Australien) 2000.

Messenger, Charles: Bomber Harris and the Strategic Bombing Offensive 1939-1945. Arms and Armour Press, 1984.

Middlebrook, Martin and Everitt, Chris: The Bomber Command War Diaries, An Operational Reference Book, 1939-1945; Viking Press, 1985.

Middlebrook, Martin: The Nuremberg Raid; William Morrow & Co Inc, 1974.

Stanley, Peter: Bomber Command. Hodder & Stoughton (Aust.) Pty Ltd, 1985.

Storr, Alan: 462 Squadron RAAF Second World War Fatalities; Compilation from the collections of the Australian War Memorial & National Archives of Australia; Canberra 2006.

Streetly, Martin: Confound and Destroy: 100 Group and the Bomber Support Campaign; Verlag: Jane's Pub.Co., März 1986.

 


Quellen

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Homepage zur Geschichte der 462. Squadron der RAAF, Copyright E.M.A. Hibberd, http://www.462squadron.com  Stand: 05.03.2014.

Informationen zum Flugplan und Flugkoordinaten des Bombenangriffs auf Leipzig am 10./11.04.1945, zusammengestellt auf der Grundlage verschiedener Quellen durch Eddie Fell (verstorben 2009), Moderator eines Internetforums über die "Halifax".

Kreisarchiv Nordsachsen, Außenstelle Eilenburg: Bestand Gemeinde Zaasch, Nr. 3, Protokollbuch der Gemeinderatssitzungen vom 05.08.1945.

National Archives of Australia: Overseas Headquarters, RAAF, London, Staff Duties Branch; Formation, organisation and movement of No 462 (B) [bomber] Squadron - RAAF [flew Halifax bombers in Middle East, later at Driffield, UK for pathfinder training - disbandoned 24/9/1945 [0.6cm], Series number A2217; Location Canberra; 62 Seiten, http://www.naa.gov.au

National Archives of Australia: No 462 Squadron - Loss of aircraft Halifax III "V" NA240 10/11 April 1945 - Captain Pilot Officer Ball, A D [0.5cm]; Series number A11385, Control symbol 1714/18/P1, Contents date range 1945 - 1945, 52 Seiten,  http://www.naa.gov.au

National Archives of Australia: No 462 Squadron - Summary of Operations [1cm], Control symbol 1/2/AIR; Location Canberra; 87 Seiten, http://www.naa.gov.au

National Archives of Australia: Unit history of number 462 Squadron - October 1942 to September 1945, Series number A9186, Location Canberra; 818 Seiten,  http://www.naa.gov.au

Stadtarchiv Delitzsch: Sammlung zum Thema.


Nachweis der Abbildungen

Die Abbildungen 2, 3, 5, 8, 9, 10, 11, und 13 mit freundlicher Genehmigung der Australian War Memorial (Australische Kriegsgedenkstätte), GPO Box 345, Canberra ACT 2601, Australien, Internetseite: http://www.awm.gov.au

die Abbildungen 4 und 12 mit freundlicher Genehmigung der Familie Hibberd aus Australien, siehe auch folgende Internetseite: http://www.462squadron.com

die Abbildung 1 mit Genehmigung des Kreisarchivs Nordsachsen, Außenstelle Eilenburg;