Häuserbuch der Stadt Delitzsch - I.2. Die territoriale und politische Zugehörigkeit
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Die territoriale und politische Zugehörigkeit
Das Gebiet des späteren Landes Sachsen und der Stadt Delitzsch lag zur Zeit der Gründung des Ersten Reiches (Königswahl Heinrich I. 919) außerhalb der östlichen Reichsgrenze, die von Saale und Elbe gebildet wurde. Die Errichtung der Burg Meissen durch König Heinrich I. im Jahre 929 bildete den Grundstein der deutschen Herrschaft im Sorbenland und des späteren sächsischen Staates. In der Herrschaft über die Mark Meissen lösten sich Markgrafen aus verschiedenen Geschlechtern ab. Vom Jahre 1123 an blieben die Markgrafen aus dem Hause Wettin in dauerndem Besitz der Mark. Sie benannten sich nach ihrer Stammburg Wettin bei Halle an der Saale. Seit dem 10. Jahrhundert verbanden sie ihre eigenen Reichslehngüter um Wettin mit dem Gebiet um Zörbig, Brehna, Eilenburg, Torgau und Belgern zu einer großen Einheit. Um das Jahr 1000 wurde Eilenburg als Hauptburgort ihr neuer Verwaltungsmittelpunkt. 997 ging die Grafschaft im slawischen Gau Siusili, zu dem das Gebiet um Delitzsch gehörte, auf den Wettiner Grafen Friedrich von Eilenburg über. Der Wettiner Heinrich von *Eilenburg hielt im Jahre 1089 als Markgraf der Ostmark Einzug auf dem Burgberg Meissen. Unter dem Markgrafen Konrad dem Großen (1098-1157) wurden Teile des späteren Landes Sachsen erblich vereinigt. Es handelte sich fast ausschließlich um slawische Gebiete östlich der Saale. Unter anderem gehörte dazu der Gau Siusili, der in etwa dem heutigen Kreis Delitzsch entspricht. Der Besitz Konrad`s umfaßte neben dem Wettiner Stammsitz bei Halle das Osterland (Gebiet Delitzsch, Eilenburg), die Mark Meissen, das Pleißenland und Burgwarde wie Zörbig, Eilenburg, Petersberg, Landsberg, Brehna, Merseburg, Leipzig, Grimma, Meissen usw. Die Wettinischen Markgrafen behaupteten sich gegen das Reich, in dem sie die reichslehnbare Markgrafschaft Meissen mit ihrem Allodialbesitz (Eigenbesitz) vereinigten. Schon um 1250 waren die Wettiner die mächtigsten Herrschaftsinhaber im sächsischen Raum. Unter Kaiser Friedrich Barbarossa (1152 - 1190) war die Reichsgewalt noch einmal so erstarkt, daß im thüringisch-sächsischen Raum reichsunmittelbare Territorien im Egerland, Vogtland und Pleißenland aufgebaut werden konnten. Altenburg, Chemnitz und Zwickau waren damals Reichsstädte. Dieses Reichsterritorium war nicht verlehnt. Neben den Vögten, die die Reichsgebiete verwalteten und sie später vereinnahmten, versuchten Burggrafen als dem Reich unterstellte Befehlshaber auf Reichsburgen eigene Territorien aufzubauen. In die gleiche Richtung gingen die Bestrebungen der Bischöfe von Meissen, Merseburg und Naumburg. Alle diese selbständig neben den Markgrafen stehenden und zur Landesherrschaft strebenden Gewalten wurden im Verlauf der Entwicklung von den Wettinern ausgeschaltet und deren Ländereien in das wettinische Territorium integriert. Das Gebiet des späteren Amtes und der Stadt Delitzsch gehörte bis zum Jahr 1291 zum Territorium der Wettiner, kam bis 1328 an die Brandenburger, danach bis 1347 an die Herzöge von Braunschweig und danach wieder an die Markgrafen von Meißen. Der Name Sachsen, der ursprünglich 1356 nur das Herzogtum Wittenberg mit der Kurwürde, d. h. dem Königswahlrecht, bezeichnete, übertrug sich 1425 mit der Belehnung des Markgrafen Friedrich dem Streitbaren von Meissen durch Kaiser Siegmund auf das Gesamtterritorium und verdrängte die alte Territorialbezeichnung Meissen. Bis 1424 gehörte das Gebiet um Delitzsch, Eilenburg und Leipzig zur Osterländischen Linie der Wettiner, zur Mark Landsberg. 1485 erfolgte die einschneidende Teilung der Wettinischen Länder in die ernestinische und die albertinische Linie. Die Grenze verlief erstmalig durch den östlichen Kreis Delitzsch. Der westliche Hauptteil gehörte mit den Städten Leipzig, Merseburg, Landsberg, Taucha, Rötha und Delitzsch zur albertinischen Linie. 1547 änderten sich die Verhältnisse mit der Wittenberger Kapitulation. Jetzt kam auch der östliche Teil des Kreises zur albertinischen Linie, dem späteren Kurfürstentum Sachsen. Als 1656 der Kurfürst Johann Georg I. starb, entstanden vier albertinische Länder:
a. ) Das Kurfürstentum Sachsen,
b. ) das Herzogtum Sachsen-Weißenfels,
c. ) das Herzogtum Sachsen-Merseburg und das
d. ) Herzogtum Sachsen-Naumburg-Zeitz.
Das Gebiet um Delitzsch gehörte zu Sachsen-Merseburg. Dieses Herzogtum umfaßte das Stift Merseburg, die Städte und Ämter Delitzsch, Zörbig, Bitterfeld mit Brehna, Doberlugk, Spremberg und Finsterwalde (Niederlausitz). Wie verworren die Verhältnisse nach der politisch unklugen Teilung waren, zeigen folgende Ausführungen. In einem Rezeß von 1657 wurde festgelegt, daß Delitzsch in geistlichen Angelegenheiten an das Konsistorium zu Leipzig, in rechtlichen an die Entscheidung des Oberhof- und Appellationsgerichts gewiesen, in militärischer Beziehung aber fast ganz vom Kurfürsten in Dresden abhängig war. Die schriftsässigen Rittergüter des Amts gehörten ebenfalls zu Kurfürstentum, wurden jedoch 1660 dem Merseburger Herzog überlassen. Diese für das Delitzscher Gebiet maßgebliche Linie umfasste Christian I. , Christian II. , Moritz Wilhelm und Heinrich (1657-1738). Nach dem Tode Heinrichs erlosch diese albertinische Seitenlinie im Mannesstamm. Damit fiel das Herzogtum an das Kurfürstentum zurück. 1746 war das Gesamtgebiet wieder vereinigt. Der Zeitraum zwischen 1738 und 1815 brachte keine wesentlichen territorialen Veränderungen für das Gebiet um Delitzsch. Im Jahre 1814 wurde dieses Gebiet wie folgt beschrieben: "Delitzsch, Dölitzsch, ein Amt im Leipziger Kreise, welches vom Amte Zörbig Zörbig durch den südlichen Theil des Amtes Bitterfeld getrennt wird, gegen Morgen an die Ämter Düben und Eilenburg, gegen Mittag an das Kreisamt Leipzig und das stiftische Amt Schkeuditz, gegen Abend an Westfalen und gegen Mitternacht an den Wittenberger Kreis bei Bitterfeld gränzet. Es ist von Morgen gegen Abend drei Meilen lang und von Mittag gegen Mitternacht 2 1/2 Meilen breit, und enthält außer 2 Städten, 18 alte schriftsässige Rittergüter mit 53 Dörfern und Dorfantheilen, 2 neu schriftsässige Rittergüter mit 5 Dörfern und Dorfantheilen, 19 amtssässige Rittergüter mit 23 Dörfern, und 45 unmittelbare Amtsdörfer; überhaupt also 126 Dörfer, 1 Vorwerk und 3 wüste Marken. " Die napoleonische Zeit brachte auch hier viele Wirren mit sich. Obwohl sich schon vor der Völkerschlacht junge Sachsen als Freiwillige in einigen Freikorps am Kampf gegen Napoleon beteiligt hatten, gingen größere Truppenteile erst vor oder im Verlauf der Völkerschlacht bei Leipzig zu den Verbündeten über. Auch das sächsische Korps mit dem Namen "Banner der freiwilligen Sachsen", dessen Formierung mit dem Aufruf vom 31. Oktober 1813 begann, konnte nicht verhindern, daß das Königreich Sachsen von den Verbündeten als Besiegter behandelt wurde. Immerhin hatten der König Friedrich August I. und seine Minister im Frühjahr 1813 Angebote der Verbündeten abgelehnt. Liberal-patriotischen Kräften gelang es schnell, trotz Reparationsleistungen den schwer angeschlagenen sächsischen Staat zu reorganisieren. Diese Projekte wurden immer wieder vom Widerstand Steins behindert, der das Ziel verfolgte, Sachsen in Preußen aufgehen zu lassen. Sächsische Politiker stimmten einer Anlehnung an Preußen in Form einer Personalunion zu, lehnten aber eine Teilung des Landes ab. In diesem Sinn formulierte ein Reformer am 12. Juli 1814 "Über unser Schicksal ist kein Zweifel, Sachsen wird ungeteilt preusisch, mit Beibehaltung der Verfassung. Ich sehe die Veränderung der Dynastie nicht als Unglück an, jede Teilung aber als schändliche Schmach. " In Wien kam es aber dann doch im Zusammenhang mit einer Neugestaltung der Landkarte Europas, die in einen obskuren Länderschacher ausartete, zur Teilung Sachsens. Es ist für diesen Vorgang symptomatisch, daß für die Entscheidung, ob Leipzig sächsisch bleiben oder preußisch werden sollte, allein die Tatsache der Vergabe der polnischen Stadt Thorn an Rußland oder Preußen entschied. Da Preußen Thorn bekam, verzichtete es auf Leipzig. Die abschließenden Verhandlungen mit dem sächsischen König, fanden im März 1815 in Preßburg statt. Der Sächsische König weigerte sich hartnäckig der Teilung zuzustimmen, mußte aber letztendlich dem Druck Metternichs, Talleyrands und Wellingtons nachgeben und den Vertrag unterzeichnen. Mit diesem Schriftzug sank Sachsen endgültig in die politische Bedeutungslosigkeit und wurde Mitglied des gleichzeitig gegründeten Deutschen Bundes. Fast zwei Drittel des kursächsischen Territoriums mit dem Gebiet um Delitzsch und der knappen Hälfte der Gesamtbevölkerung kam an das Königreich Preußen. Alte historisch gewachsene Zusammenhänge wurden zerrissen, wirtschaftliche Bindungen willkürlich zerstört. Bei der sächsischen Bevölkerung fanden die Festlegungen des Wiener Kongresses im allgemeinen keine Zustimmung. Die nach dem Oktober 1813 mit Energie betriebenen polizeilichen Maßregeln gegen jedwedes Aufbegehren sowie die wirtschaftliche und soziale Zerrüttung führten jedoch dazu, daß die Landesteilung insgesamt ohne größere Widerstände hingenommen wurde. Dietrich von Miltitz schrieb 1814 Stein: "Die Sachsen werden die Entscheidung ihres Schicksals mit Ergebung tragen. " Die "Mußpreußen", wie man die Bewohner des nördlichen Landesteils nannte, ordneten sich zähneknirschend unter, im Königreich Sachsen wuchs die Erbitterung gegen den expansiven nördlichen Nachbarn bis zur Gründung des Norddeutschen Bundes weiter an. Das sächsische Königreich blieb von 1871 - 1918 Bundesstaat im Deutschen Reich. 1918 wurde es innerhalb der Weimarer Republik wie die anderen Bundesstaaten Freistaat (1918 - 1933). Zurück zum Gebiet um Delitzsch. In Preußen wurden die alten und neuen Gebietsteile durch Verordnungen vom 20. April 1814 in zehn, später in acht Provinzen umgewandelt. Jede Provinz untergliederte sich in Regierungsbezirke und diese in landrätliche Kreise. Die Provinz Sachsen setzte sich aus drei Regierungsbezirken, Magdeburg, Merseburg und Erfurt, zusammen. An der Spitze eines Bezirkes stand eine kollegialisch organisierte Regierung. Diese unterstand dem Oberpräsidenten der Provinz. Das Gebiet um Delitzsch nannte sich somit insgesamt: Königreich Preußen, Provinz Sachsen mit der Provinzregierung in Magdeburg, Regierungsbezirk Merseburg und wie heute Kreis Delitzsch. Die sächsische Ämterbezeichnung war weggefallen. Zudem wurden die neuen Kreise wesentlich größer als die sächsischen Ämter gestaltet. Nach 1918 wandelte sich auch Preußen in einen Freistaat. Die Verwaltungsstruktur und die Bezeichnungen blieben bis 1944 bestehen. Die preußische Provinz Sachsen wurde am 1. Juli 1944 aufgelöst, um die Verwaltungsorganisation den sogenannten "Reichsverteidigungsbezirken" anzugleichen. Dabei wurden die Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg in die selbständigen Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg umgewandelt. Der dritte Regierungsbezirk der Provinz Sachsen, der Regierungsbezirk Erfurt wurde dem Reichsstatthalter von Thüringen unterstellt. Im Mai 1945 wurde das Land Anhalt mit den 1944 geschaffenen Provinzen Halle - Merseburg und Magdeburg im ehemaligen Freistaat Preußen auf Befehl des Marschalls Shukow zur "Provinz Sachsen" vereinigt. Mit dem Beschluß des Landtages vom 3. Dezember 1946 wurde die Provinz Sachsen in "Provinz Sachsen - Anhalt" umbenannt. Sie war verwaltungsmäßig in die Bezirksverwaltungen Magdeburg, Merseburg und Dessau gegliedert. Mit dem Gesetz vom 29. Januar 1947 wurden diese Bezirksverwaltungen mit Wirkung vom 30. Juni 1947 wieder aufgelöst und mit dem Befehl Nr. 180 der sowjetischen Militärischen Administration Deutschlands (SMAD) vom 21. Juli 1947 wurde auf Grund des im Zusammenhang mit der Auflösung des Preußischen Staates gefaßten Beschlusses die Provinz in das Land "Sachsen - Anhalt" umbenannt. Das Gebiet um Delitzsch gehörte bis zur Verwaltungsreform 1952, die die Bezirke einführte, fünf Jahre zum "Land Sachsen - Anhalt". Die Landesregierung saß in Halle. Zum Landkreis Delitzsch gehörten genau 140 Gemeinden. Die Gesamtfläche betrug 76004 ha. Am 29. 10. 1946 bewohnten 118 858 Einwohner den Kreis. Städte im Kreis waren Delitzsch, Eilenburg und Landsberg. Die Kreisstadt war Delitzsch. Mit dem Wiederaufbau der Industrie und der Festigung der Herrschaft der SED in der DDR wurde im Sommer 1952 die Veränderung der administrativ - territorialen Struktur der Republik mit der Bildung der Bezirke und Neubildung der Kreise in Angriff genommen und mit einer Entscheidung der Volkskammer am 23. Juli 1952 verwirklicht. Für die drei neuen Kreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau stellte die Bezirkseinteilung trotz ihrer Fragwürdigkeit eine glückliche Anbindung an alte sächsische Traditionen dar. Die durch den deutsch - deutschen Einigungsvertrag getroffene Entscheidung der Wiedereinführung der Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und der mit der Kommunalwahl im Mai 1990 durchgeführten Volksabstimmung der Einwohner des Kreises Delitzsch für eine Zugehörigkeit zum neu entstehenden Freistaat Sachsen, bestätigt die historische Bindung.