Delitzscher Stadtchronik 1207-1990 - Teil VIII - 1933-1945
Beitragsseiten
Delitzscher Stadtchronik - 1933-1945
(Quelle: Delitzscher Stadtchronik, verfasst von der Arbeitsgruppe Stadtchronik; Teil VIII, 1933-1945; hrsg. von der Stadtverwaltung Delitzsch 1996.)
Vorwort
Chronisten, die sich mit der Aufzeichnung der örtlichen Geschichte unserer Heimatstadt beschäftigen, können nicht darauf verzichten, die Geschehnisse im größeren Bereich zu berücksichtigen. Was in der Hauptstadt für das ganze Land beschlossen und in Gang gesetzt wurde, bildete die Grundlage für das örtliche Geschehen. Wir gehen davon aus, daß es bei der Betrachtung der hier aufgezeigten Ereignisse in Delitzsch seit 1933 manchem Betrachter schwerfallen könnte, die Hitlersche Kriegspolitik, die Judenverfolgung und deren Vernichtung vom ersten Tage der Herrschaft der NSDAP in ihren Grundzügen zu erkennen, zumal die Kriegspolitik unter einem Nebelvorhang von Friedensbeteuerungen und Angeboten von Nichtangriffspakten getarnt war. Diejenigen, die nicht Zeitzeugen der Ereignisse von 1933 - 1945 waren, haben uns oft die Frage gestellt, wie es möglich war, daß das deutsche Volk Hitler und seiner Partei in den furchtbarsten aller bisherigen Kriege folgen konnte. Es wird manchen geben, der aus der vorliegenden Chronik herausliest, daß in den Jahren bis zur Entfesselung des II. Weltkrieges vieles die Zustimmung der Bevölkerung fand, so die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Häuser- und Siedlungsbau und anderes. Aber wir halten es für unsere Pflicht, aus der. Gesamtschau des vorliegenden Materials den Blick zu lenken auf jene Diktatur, die jegliche humanistische Merkmale einer Nation verriet, das eigene Volk in raffinierter Weise täuschte, in einen nationalen Rausch versetzte, an dessen Ende über 50 Millionen Tote, unzählige Verwundete und Krüppel, heimatlos Gewordene und unermeßliches Leid des eigenen Volkes und der anderen Völker stand, daß der Fluch der Völker schwer auf Deutschland lastete.
1933
1933 Januar
Silvester / Neujahr kommt es zwischen den Angehörigen der NSDAP und der KPD zu einer schweren Schlägerei in der Halleschen Straße und in Poßdorf zu einer schweren Straßenschlacht mit 20 Verletzten, darunter vier Schwerverletzten. Die Kleingartensparte am Kertitzer Weg (Rosental) wird auf Grund der 3. Notverordnung vom 30. 09. 1931 mit einem Reichsdarlehen von 5.000 Reichsmark errichtet (96 Kleingärten). „Die Anlage ist hauptsächlich für Arbeitslose und Kurzarbeiter, zumal für solche mit großen Familien, errichtet worden, um denen ihr Los etwas zu erleichtern und die Nahrungsgrundlage zu verbessern." Vorbereitung des 75jährigen Jubiläums der Oberrealschule durch die „Vereinigung ehemaliger Oberrealschüler". Das Wohlfahrtsamt zahlt Fürsorgeunterstützung an
1059 männliche Wohlfahrtserwerbslose,
134 weibliche Wohlfahrtserwerbslose,
75 Zusatzempfänger zur Arbeitslosenunterstützung,
158 Fürsorgeempfänger als nichtanerkannte Wohlfahrtsempfänger
112 Armenfürsorgeempfänger in Höhe von wöchentlich rund 17.000 Reichsmark.
Arbeitslose in Delitzsch: Stand 01. 01. 1933:
3660 Arbeitsuchende (Vormonat 3448)
374 die Arbeitslosenunterstützung erhalten (Vormonat 270)
537 die Krisenunterstützung erhalten (Vormonat 474)
72jähriges Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr (Branddirektor Mietzsch). Der Schmiedemeister Hermann Mietzsch, wohnhaft in der Töpfergasse 9, war eine bekannte, geachtete Persönlichkeit der Stadt Delitzsch. In Delitzsch wird ein „Notwerk der Deutschen Jugend" gebildet. Ziele: Geistige und körperliche Fortbildung; Betreuung in vier Stunden; Verabfolgung eines kräftigen Mittagessens; zwei Stunden geistige Betätigung, zwei Stunden Sport. In Delitzsch gibt es etwa 400 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 Jahren, die keine Arbeit haben. Am 18. Januar begeht man die Reichsgründungsfeier durch die Krieger- und Militärvereine gemeinsam mit „Vaterländischen Verbänden". In Delitzsch besteht ein „Hausfrauenverein", Vorsitzende ist die Frau des Generaldirektors der Zuckerfabrik Aumüller. Am 24. Januar erfolgt die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers und seines Stellvertreters. Entsprechend der Wahlergebnisse, die KPD erhielt 4514 Stimmen, die NSDAP 4069, wird der Stadtverordnete Simon (KPD) zum Vorsteher gewählt. Bei der Wahl des Stellvertreters erfolgt wegen Stimmengleichheit ein Losentscheid. Stellvertreter wird der Stadtverordnete Dubielzig (KPD) gegenüber dem Stadtverordneten Scharruhn (bürgerlich). Arbeitsuchende am 26. 01.: 3889 (Vormonat 3660) Arbeitslosenunterstützungsempfänger: 506 (374) Krisenunterstützungsempfänger: 600 (537) Kältewelle in Deutschland, die Temperatur sinkt auf über 20° unter null, in Schlesien 32 o minus. Erster Bürgermeister in Delitzsch: Böttcher Beschlüsse des Magistrats: Arbeitsbeschaffungsprogramm, Aufnahme einer Anleihe von 100.000 Reichsmark. Vorgesehene Arbeiten: Kanalisation der Gutenberg- und Fuststraße; Bau eines Haupt- und Schmutzwasserkanals nach der Kläranlage; Bau eines Klärbeckens im Rosental und in der Halleschen Straße. Am 31. Januar erfolgt eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz, Teilnehmer 350 Personen, als Protest gegen die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.
1933 Februar
Am 2. Februar findet eine Kundgebung der NSDAP unter starker Beteiligung des „Stahlhelm" im Schützenhaus statt. Nach einem Fackelumzug und Ummarsch durch die Stadt wird in der Versammlung die Zustimmung zur „Nationalen Regierung unter Leitung Adolf Hitlers" zum Ausdruck gebracht Eine Demonstration der Gewerkschaften am 07. 02. wird auf Anraten des Regierungspräsidenten verboten. Trotz des Verbotes versammeln sich 900 Personen auf dem Schützenhausplatz. In der Breiten Straße wird der Zug durch die Polizei, verstärkt durch Landjäger, aufgelöst. Stand der Arbeitslosigkeit in Delitzsch am 10. 02.:
Arbeitsuchende |
4036 (3889) |
Empfänger von Arbeitslosenunterstützung |
574 (506) |
Krisenunterstützung |
651 (600) |
Der Mandolinensolist Gustav Exner tritt mehrfach im deutschen Rundfunk auf. Gustav Exner war langjähriger Leiter des Delitzscher Mandolinenorchesters. Die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung erfolgt am 15. 02.. Die Mitglieder bleiben im Amte bis zur Neuwahl. Im Raum Poßdorf findet eine Gefechtsübung zweier Reichswehrbataillone statt. Man veröffentlicht die Namen der Kandidaten für die Kreistags- und Stadtverordnetenwahlen. Folgende Listen wurden aufgestellt:
- Nationalsozialistische Liste
- zwei bürgerliche Listen (eine davon „Bürgerliche Mitte")
- eine Sozialdemokratische Liste
- eine Kommunistische Liste.
Mitte März soll auf dem Gelände des ReichsbahnAusbesserungswerkes der „Freiwillige Arbeitsdienst" seinen Anfang nehmen. Stand der Arbeitslosigkeit am 25. 02.:
Arbeitsuchende |
4028 (4036) |
Arbeitslosenunterstützung |
646 (574) |
Krisenunterstützung |
697 (651) |
Im Februar finden eine Vielzahl von Wahlveranstaltungen statt, u. a. Mittelstandskundgebung, Kundgebung der „Eisernen Front", der NSDAP, des Stahlhelm, der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand veröffentlicht die „Delitzscher Zeitung" das folgende: „Entsprechend der Anordnungen des Reichsministers und Reichskommissars für das preußische Innenministerium Göring sind auch in unserer Stadt und den Landorten des Kreises Durchsuchungen bei Funktionären der KPD und SPD vorgenommen worden. Es wurden verschiedene Plakate und Flugblätter beschlagnahmt. Die gesamte Polizei und die Landjägerei im Kreise ist analog der Anordnungen Görings noch in der Nacht in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Ein besonderer Streifendienst zum Schutze der ordnungsliebenden Bevölkerung wurde eingerichtet." Auf Grund dieser Anordnungen der NS-Führung erfolgte auch in Delitzsch die systematische Ausschaltung der politischen Gegner der NSDAP. Jegliche Oppositionelle, sofern sie sich öffentlich äußerten, unterlagen den Verfolgungen der NSDAP und des von der Partei beherrschten Staatsapparates. Das richtete sich vor allem gegen die führenden Persönlichkeiten der Kommunistischen sowie der Sozialdemokratischen Partei, der Jugendorganisationen, den „Kampfbund gegen den Faschismus", aber auch gegen Personen aus dem religiösen Bereich, sofern sie sich nicht den Zielen der Führung von Staat und Regierung unterwarfen. Aus Unterlagen über den antifaschistischen Widerstandskampf im Kreise Delitzsch von 1933 - 1942 (Archivnr. 35 der SEDKreisleitung Delitzsch) geht hervor, daß man nach dem Reichstagsbrand und auch in den folgenden Jahren Inhaftierungen im Rathauskeller, Zuführungen zum Polizeipräsidium Halle, Inhaftierungen in Konzentrationslagern, vor allem KZ Lichtenburg nördlich von Torgau, Einzelpersönlichkeiten auch in Buchenwald, in Sachsenburg und in Sachsenhausen vornahm. Meist wurden die Inhaftierten nach einer bestimmten Zeit wieder freigelassen in der Annahme, daß die Abschreckungsmaßnahmen ihren Zweck erfüllt hatten. Trotzdem gab es noch über Jahre hinweg illegale Organisationsformen des antifaschistischen Widerstandes. In den erwähnten Unterlagen sind über 30 Personen genannt, die den Polizeiaktionen der NSDAP unterlagen. Genannt werden 23 Mitglieder der KPD, darunter Franz Neubauer, Karl Fischer, Otto Herrmann, Werner Standke, 4 Mitglieder der SPD, darunter Richard Hampe und Fritz Schwahn, 4 Mitglieder des KJVD (Komm. Jugendverband) und 3 Mitglieder des „Kampfbundes gegen den. Faschismus". Im KZ Sachsenhausen wurde der Kommunist Willi Grübsch aus Wiedemar 1944 ermordet. Weiterhin sind drei aus Delitzsch stammende Angehörige der KPD umgebracht worden. Es wird angenommen, daß sich die Zahl der Personen, die in Kreis und Stadt Delitzsch unter den Repressalien der NS-Führung zu leiden hatten, auf über 100 erstreckt.
1933 März
Vom Landrat werden auf Veranlassung der Regierung eine Anzahl SS- und SA-Leute als Hilfspolizei zur Verstärkung der regulären Polizeikräfte verpflichtet. Die Ausrüstung besteht aus: Gummiknüppel, Pistole, evtl. Karabiner. Der Einsatz soll nur in besonderen Fällen erfolgen. Ergebnisse der Reichstagswahl vom 05. 03. in Delitzsch:
Wahlbeteiligung |
93,5 % |
|
Wahlberechtigte: |
11.030 |
Nationalsozialisten: |
4069 |
|
Sozialdemokraten: |
1523 |
Kommunistische Partei: |
2893 |
|
Zentrum: |
214 |
Schwarz-Weiß-Rot: |
1045 |
|
Deutsche Reichspartei: |
165 |
Christlich-Soziale: |
158 |
|
Staatspartei: |
157 |
Dt. Bauernpartei: |
6 |
|
|
|
ungültig: |
83 |
|
|
|
Im Ergebnis der Wahl der Stadtverordneten ergibt sich folgende Sitzverteilung: 12 NSDAP 3 SPD 6 KPD 4 Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 1 Bürgerliche Mitte Gewählte Stadtverordnete:
NSDAP: |
Spangenberg |
Aßmann |
Platen |
Darre |
SPD: |
Hampe |
Schwahn |
Sachse |
|
KPD: |
Simon |
Dubielzig |
Pohle, Gotthold |
|
Kampffront |
|
|
|
|
S-W-R: |
Scharruhn |
Franke |
Moeller |
Schulze |
Bürgerl. Mitte: |
Richter |
|
|
|
Es findet eine Siegesfeier der nationalsozialistischen Formationen des Kreises Delitzsch statt. Die nationalsozialistische Führung im Stadtparlament legt dem 1. Bürgermeister Böttcher nahe, in den Ruhestand zu gehen. Böttcher sucht deshalb beim Regierungspräsidenten um einen Urlaub von vier Wochen nach. Seine Vertretung übernimmt der z. Bürgermeister Dr. Baumgardt. Die Stadträte Hampe und Kotze werden durch den Bürgermeister von ihren Amtsgeschäften beurlaubt. Der Stadtrat Gebhardt legt sein Amt freiwillig nieder. Der Ortsgruppenführer der NSDAP Städter wird zum Verbindungsmann zwischen dem Bürgermeister und der NSDAP benannt. Die Abgeordnetenmandate der KPD wurden durch die Staatsführung aberkannt, demnach 1. Sitzung der Stadtverordneten ohne KPD. Ob die Mandate der SPD bestätigt werden, ist fraglich (Gleichschaltungsgesetz). Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: |
3886 (4023) |
Arbeitslosenunterstützung: |
590 (627) |
Krisenunterstützung: |
777 (737) |
Sexualmord an einem neunjährigen Knaben in Delitzsch. Der Täter wird gefaßt und später hingerichtet.
1933 April
Der angeordnete Boykott der jüdischen Geschäfte am 01. 04. hat auch in Delitzsch mit dem Glockenschlage 10 Uhr mit voller Wucht eingesetzt. Vor den Geschäften stehen 2 oder 3 SA- oder SS-Leute, deren einer ein Plakat trägt mit der Aufschrift: „Abwehrkampf! Kauft nicht bei Juden, Deutschlands Feinden!" Auf den Straßen, besonders gegenüber den Geschäften von Schade und Füllgrabe (Eilenburger Straße) und von Jakobsohn (Markt), haben sich zahlreiche Schaulustige angesammelt. Bei der Reichsbahn und in der Zuckerfabrik werden Betriebszellen der NSDAP gebildet. Die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation" (NSBO) ist eine Einrichtung gegen die bisherigen Gewerkschaften. In Delitzsch wird der „Nationale Beamtenbund" gebildet. Erste Sitzung des Kreistages (ausgeschlossen wurden die gewählten Abgeordneten der KPD, damit 2/3-Mehrheit der NSDAP). Durch Zuruf wird der neue Kreisausschuß gewählt, ferner erfolgt die Wahl verschiedener Ausschüsse, Amtsvorsteher, Schiedsmänner, Vorstand der Kreissparkasse. Man bildet den „Nationalsozialistischen Lehrerbund" des Kreises Delitzsch. Der „Deutsche Lehrerverein" besteht nicht mehr. Der Lehrer Fritz Schwahn (SPD) schied aus dem Kreislehrerrat aus. Die neu gewählten Stadtverordneten führen ihre erste Sitzung durch. Redner sind: Der zweite Bürgermeister Dr. Baumgardt und Pfarrer Siebert. Gewählt wird durch Zuruf der Stadtverordnete Spangenberg zum Vorsteher. Zunächst erfolgt die Verpflichtung der Stadtverordneten. Nicht eingeladen werden die 6 Vertreter der KPD. Die Stadträte Hampe, Kotze und Gebhardt sind ihrer Ämter enthoben, der 1. Bürgermeister Böttcher ist beurlaubt. Es erfolgt die Wahl des Büros: Stadtverordnetenvorsteher, 1. und 2. Schriftführer. Als beamteter Protokollführer wird der Magistratssekretär Engeleiter bestimmt. Man wählt den Verfassungsausschuß und den neuen Magistrat:
Bürgermeister: |
Dr. Baumgardt |
Unbesoldete Stadträte: |
Kläning - Stadtverordneter |
Der Bankdirektor der Stadtsparkasse wird wegen Verdachts auf Verfehlungen festgenommen. Arbeitsmarkt Mitte April:
Arbeitsuchende: |
3376 (3886) |
Arbeitslosenunterstützung: |
339 (590) |
Krisenunterstützung: |
633 (777) |
In der Walzenmühle wird ein Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes eingerichtet. Bei freier Verpflegung und Unterkunft zahlt man den Arbeitsdienstlern 30 Pfennig Taschengeld pro Tag. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers pflanzt die NSDAP hinter dem Schulze-Delitzsch-Denkmal auf dem Marienplatz eine „AdolfHitler-Eiche". Auf dem Gelände des Schlosses wird ein Arbeitslager für Mädchen eingerichtet. Arbeitsmarkt Ende April:
Arbeitsuchende: |
3173 (3376) |
Arbeitslosenunterstützung: |
299 (339) |
Krisenunterstützung: |
630 (633) |
Die Delitzscher Zeitung berichtet über eine Gedächtnisfeier für Schulze-Delitzsch anläßlich seines 50. Todestages. Auf der Grundlage der Gleichschaltungsgesetze wird in Delitzsch das Gleichschaltungsprogramm allseitig durchgeführt, d. h. es erfolgt die Auflösung von Organisationen (Gewerkschaften) und Neubildungen (NSBO) oder es werden die Leitungen von Vereinigungen abgesetzt und durch Parteigänger der NSDAP ersetzt (Beispiele: Handwerkervereinigung, Siedlerverband, Kaninchenzüchterverein, Motorradklub, Verein für Einheitskurzschrift u. a.).
1933 Mai
Der 1. Mai wurde zum „Tag der nationalen Arbeit" bestimmt. In Delitzsch findet eine Kundgebung auf dem Markt statt: Anhören der Rundfunkübertragung mit der Rede des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda" Dr. Goebbels, Festgottesdienst, Festumzug von 6-7000 Teilnehmern, Vergnügungen, am Abend Illumination. Im Raw Delitzsch werden im Mai 1933 25 Arbeiter, in den Jahren 1934 und 1935 sechs Arbeiter wegen „Verdachts staatsfeindlicher Einstellung" entlassen. Die meisten Entlassenen waren Mitglieder der KPD und SPD und durch ihre politische und gewerkschaftliche Arbeit bekannt. Der frühere bekannte sozialdemokratische Abgeordnete Fritz Schwahn, von Beruf Lehrer, wird beurlaubt. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: |
3226 (3173) |
Arbeitslosenunterstützung: |
247 (299) |
Krisenunterstützung: |
600 (630) |
In der Delitzscher Zeitung wird eine Bekanntmachung über die Einführung der Arbeitsdienstpflicht veröffentlicht. Dadurch wurde die Arbeitslosigkeit wesentlich vermindert. Die straffe militärische Organisation diente zugleich der vormilitärischen Ausbildung. Mit der Einführung des „Erbhofrechts" werden die bäuerlichen Betriebe entschuldet, die Bauern zu Erbhofbauern. Damit gewinnen die Nationalsozialisten viele Sympathien auf dem Lande. Bei Arbeiten an der Kläranlage wird ein vorgeschichtliches Gräberfeld gefunden. Gefäßreste, Scherben und Urnen lassen den Schluß zu, daß die Funde aus der Zeit 400 - 1 v. Chr. stammen. Man beginnt mit dem obligatorischen Luftschutzunterricht an den Schulen. An der damaligen Mittelschule werden neben dem theoretischen Unterricht auch praktische Übungen mit Gasmasken unter Einsatz von Reizgasen durchgeführt. Es wird die Delitzscher Abwasserverwertungsgenossenschaft gegründet. Man sieht vor, die Felder mit Leipziger Abwässern zu berieseln, um höhere Ernteerträge zu erzielen. In der Folge ergibt sich aus dieser Maßnahme, daß das Wasser des Lobers verunreinigt wird, wodurch der Fischbestand zugrundegeht und das Loberwasser nicht mehr als Badewasser des Elbritzbades verwendet werden kann. Ein Vers des Spottliedes von Fritz Schmucker:
Wir werden berieselt von Leipzig,
Wir kriegen, was Leipzig verdaut,
Und der Erfolg, der zeigt sich:
Wir haben jetzt solches Kraut!
Und das Kraut, das kriegen die Brüder
In Leipzig und die machen es kleen,
Und in andrer Gestalt krieg'n wir's wieder,
Oh Delitzsch, wie bist du so schön!
Die Stadtverordneten beschließen ein Dienstverfahren gegen den 1. Bürgermeister Böttcher zwecks Versetzung in den Ruhestand. In der Delitzscher Zeitung wird diese Maßnahme mit „Verletzung seiner Pflichten" begründet. Im Mai festigen die Nationalsozialisten durch eine Reihe weiterer Maßnahmen ihre Macht. In Preußen wird am 26. April die „Geheime Staatspolizei" (Gestapo) gebildet. Die Gewerkschaften werden „gleichgeschaltet". Man gründet das Reichsluftfahrtministerium (Göring) und führt die Militärgerichtsbarkeit wieder ein.
1933 Juni
Folgende Straßen und Plätze werden umbenannt:
Marienplatz |
nunmehr Adolf-Hitler-Platz |
Nordplatz |
nunmehr Horst-Wessel-Platz |
Dübener Straße |
nunmehr Hermann-Göring-Straße |
Verbindungsweg zwischen dem Schulze-Delitzsch-Ring und dem Rosental |
|
Die Mittelschule führt ihre 75-Jahrfeier durch. Die Feier ist verbunden mit einem festlichen Elternabend sowie einem Wiedersehenstreffen ehemaliger Schüler. Die Schüler führen zwei Theaterstücke auf und finden großen Beifall der Zuschauer. In Delitzsch findet ein „Fest der Jugend" statt. Höhepunkte sind eine Sonnenwendfeier, ein Fackelzug und zahlreiche Sportveranstaltungen. Eine Volkszählung in Delitzsch vom 16. Juni ergibt:
16547 Einwohner
8085 männliche Einwohner
8462 weibliche Einwohner
1356 bewohnte Grundstücke
4972 selbständige Haushaltungen.
1933 Juli
Im Kassenraum der Kreissparkasse findet eine schlichte Feier aus Anlaß des 75. Jahrestages ihrer Gründung statt. Es spricht der Landrat Meister. Der Bürgermeister Böttcher wird pensioniert. In Zukunft gibt es nur noch einen Bürgermeister. Eingerichtet wird eine Oberinspektorstelle. Im Bauamt wird ein Tiefbautechniker eingestellt. Im Stadtparlament gibt es jetzt nur noch eine Fraktion: Die vier auf der Liste der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot gewählten Stadtverordneten geben eine Erklärung ab, nach der sie die Aufnahme als Hospitanten in die NSDAP beantragt haben. Für den weiblichen Arbeitsdienst sind im Schloß Räume eingerichtet worden. Im Schloß ist auch der Gruppenstab des Arbeitsdienstes für die Kreise Delitzsch und Bitterfeld eingezogen. Es wird ein Beschluß zur Übertragung der Trägerschaft für eine Stadtrandsiedlung am Elektrizitätswerk gefaßt. Die Volkszählung vom 16. Juni ergab für den Kreis: Einwohnerzahl: 85236 männlich: 42172 weiblich: 43064 „Um mitzuhelfen an dem großen Einheitswerk unseres Kanzlers Adolf Hitler, hat nun auch der Männergesangsverein „Anion" den Beschluß gefaßt, dem „Deutschen Sängerbund" beizutreten" (Zitat aus der Delitzscher Zeitung). Der Freiwillige Arbeitsdienst Delitzsch hat eine Handballmannschaft gebildet. Die Glaubensbewegung „Deutsche Christen" verkündet ihre Ziele und Aufgaben. Sprecher: cand.theol. Schimpf, Delitzsch, Rektor Cimutta, Eilenburg, Pfarrer Hohlwein, Eilenburg. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: |
2905 (3001) |
Arbeitslosenunterstützung: |
184 (219) |
Krisenunterstützung: |
524 (572) |
Festsitzung der „Delitzscher Angestellten Front". Es erfolgt die Eingliederung in die „Deutsche Arbeitsfront". Durch eine Anordnung des Reichsministers Dr. Frick wird der Hitlergruß zum „Deutschen Gruß". Beamte, Angestellte und Arbeiter werden verpflichtet, den „Deutschen Gruß" zu erweisen. Zitiert aus dem handgeschriebenen Text der Chronik der Stadtverwaltung: „Gleichschaltung. Es setzt nunmehr ein in deutschen Landen bisher noch nie erlebtes und fast unerhört zu nennendes Gleichschaltungswerk ein. Die politischen Parteien, die Gewerkschaften, Vaterlandsverbände, Militärvereine, Innungen, Sportvereine, Lehrervereine u. a., natürlich auch die hiesige Freiwillige Feuerwehr, deren Führer schon seit 1925 Schlossermeister Herrmann Mietzsch ist, alles wird gleichgeschaltet und der Hitlerbewegung eingereiht, auch die Kulturverbände, Schriftsteller, Bühnenkünstler und sogar auf kirchlichem Gebiet finden Einheitsbestrebungen statt. So bildet sich die „Vereinigung der Deutschen Christen", der sich allerdings innerhalb der evangelischen Kirche der „Notbund" entgegenstellt." Kirchenwahlen finden in Delitzsch nicht statt. Der Gemeindekirchenrat wird gebildet aus vier Mann der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" und vier Vertretern des bisherigen Gemeindekirchenrates. In den Gemeindekirchenrat werden eine Reihe von Funktionären der NSDAP, so der Ortsgruppenleiter und spätere Kreisleiter, gewählt. Gebildet wird ein „Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes". Ihr Führer: Dr. Bindemagel.
1933 August
Die Gastwirte des Kreises Delitzsch gründen den Kreisverband Delitzsch im „Reichseinheitsverband des Deutschen Gaststättengewerbes". Die neugebildete „Arbeitsfront" (Zusammenfassung aller arbeitenden Menschen - Arbeiter, Angestellte, Unternehmer etc.) veranstaltet in Delitzsch eine Kundgebung mit Aufmarsch, Umzug und Fahnenweihe. Etwa 120 kommunistische Schutzhäftlinge aus verschiedenen Orten des Kreises Merseburg werden in das Konzentrationslager Lichtenburg überführt. Die vier Wagen, die am 07. August in den Mittagsstunden durch Delitzsch fahren, erregen beträchtliches Aufsehen. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: 2710 (2905)
Arbeitslosenunterstützung 184 (184)
Krisenunterstützung: 586 (524)
Die Bildung des „Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps" (NSKK) in Delitzsch wird vorbereitet. Aus einer Anordnung des Regierungspräsidenten: „Sämtliche Betriebe erhöhen gegenüber dem Stand vom 1. Mai 1933 sofort ihre Belegschaften um 15 %, andernfalls werden Staatskommissare zur Beschaffung von Arbeitsplätzen eingesetzt." Man bildet in Delitzsch eine Ortsgruppe der „weiblichen Angestellten in der Deutschen Arbeitsfront". Es wird nunmehr die Ortsgruppe des NSKK gebildet. Der „Nationalsozialistische Lehrerbund" (NSLB) führt eine Kreistagung durch. Hauptthema: „Der deutsche Lehrer als Bannerträger des Nationalsozialismus". Der Magistratssekretär Engeleiter wird wegen Verfehlungen im Amt von den Dienstgeschäften suspendiert.
1933 September
75-Jahrfeier der Oberrealschule Delitzsch. Durch die aufopferungsvolle Arbeit des Vorbereitungskomitees weilen über 400 ehemalige Schüler in Delitzsch, um an den Veranstaltungen teilzunehmen: Besichtigung der Schulräume; Wiedersehensfeier im Schützenhof; Festakt in der Stadtkirche (Redner sind: Der Direktor Dr. Letz, der ehemalige Schüler Dr. J. Freyberg, Pfarrer Sichert, Bürgermeister Dr. Baumgardt, Landrat Meister, Stellvertreter des Kreisleiters der NSDAP Schimpff.) Gefallenenehrung; Festaufführung des OS-Orchesters im Schützenhof, Tanz. Der Landrat untersagt dem Mitglied des Kreisausschusses, Kreisleiter der NSDAP Kläning, die Ausübung seiner Amtsverrichtungen wegen Gefährdung der Staatsautorität. Der Gauleiter der NSDAP Jordan beurlaubt Kläning von seinem Amt als Kreisleiter. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: |
2092 (2510) |
Arbeitslosenunterstützung: |
192 (184) |
Krisenunterstützung: |
499 (586) |
Die Stadtverordneten beschließen: Zur Arbeitsbeschaffung werden 55000 RM zur Verfügung gestellt; Im Schloß wird ein Jugendheim eingerichtet; Bau neuer Baracken an der Eilenburger Chaussee für Obdachlose; Am Stadtrand West werden weitere 32 Siedlerstellen vorgesehen. Im Rahmen der „Deutschen Arbeitsfront" erfolgt die Bildung des „Büro- und Behördenangestellten-Verbandes".
1933 Oktober
Am 01. Oktober findet der erste „Eintopfsonntag" statt. Der eingesparte Betrag soll restlos an das „Winterhilfswerk" abgeführt werden. In Delitzsch begeht man den „Tag des Deutschen Bauern" in Verbindung mit dem Erntedankfest (Umzüge mit Erntewagen). Man gründet eine Arbeitsgruppe der Kaninchenzüchter. Die Böhme AG - Schokoladenwerk - hat ihre Fabrik erweitert, 160 Arbeitskräfte werden neu eingestellt. Im Stadtverordnetensaal findet die konstituierende Versammlung der Arbeitsgemeinschaft „Winterhilfswerk, Kampf gegen Hunger und Kälte" statt. Man will Nahrungsmittel und Naturalien, Brennmaterial, Bekleidungsstücke und Geld sammeln. Die neue Siedlung am Elektrizitätswerk erhält den Namen „FranzSeldte-Siedlung" (Franz Seldte: Gründer des Stahlhelm, Arbeitsminister), die heutige Friedenssiedlung. Das Reichsbahn-Ausbesserungswerk begeht seinen 25. Gründungstag. Werkdirektor ist z. Zt. Herr Petzold. Die Belegschaftsstärke beläuft sich auf 864 Personen. Der Oberbaurat Wegener, der bisherige Direktor des RAW Delitzsch, wird Werkdirektor in Hannover. Im Reichsarbeitsdienstlager Walzenmühle sind zur Zeit 217 Freiwillige untergebracht. Arbeitsmarkt:
Arbeitsuchende: |
1620 (2092) |
Arbeitslosenunterstützung: |
123 (192) |
Krisenunterstützung: |
399 (499) |
Der Finanzbericht der Stadt weist für das erste Halbjahr einen Überschuß von 100.000 RM aus (erstmalig seit Jahren ein Überschuß!). Ursache: Scharfe Sparmaßnahmen. Aber am Jahresende ein Defizit von 186.000 RM. Es beginnt eine „Werbewoche des Deutschen Handwerks" Vorsitzender des Innungsausschusses: Schlossermeister Hans Biehl. Der ehemalige Sparkassendirektor wird wegen fortgesetzte gewinnsüchtiger Untreue zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Im Alter von 83 Jahren verstirbt der Baumschulengründer und -besitzer Eduard Pönicke. Es erfolgt die Konstituierung der „Deutschen Stenografenschaft e. V, -•, Ortsgruppe Delitzsch". Ortsgruppenleiter ist der Kaufmann Stitz. Damit erfolgt der Zusammenschluß der Delitzscher Stenografen. Der Verein hat zahlreiche hervorragende Stenografen hervorgebracht. Einer von ihnen war Herr Walter Weber, der über 200 Silben pro Minute zu schreiben in der Lage war, der sich auch als Stenografielehrer auszeichnete. Im Oktober finden zahlreiche Wahlveranstaltungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Reichstagswahl vom 12. November statt.
1933 November
Die bisherige Lindenstraße wird in „Albert-Böhme-Straße" umbenannt. Das geschieht in Anerkennung der Förderung der heimischen 1 Wirtschaft durch den Generaldirektor der Böhme AG. Zur Neuwahl des Reichstages und der damit verbundenen Volksabstimmung wird folgende Frage gestellt: „Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen?" (Ja oder Nein) Ergebnisse der Wahl vom 12. November in Delitzsch:
Wahlberechtigte: 11200 (außerdem 262 Stimmscheinwähler)
1.) Reichstagswahl = |
9856 stimmen für die NSDAP |
|
|
1221 ungültige Stimmen |
|
2.) Volksabstimmung= |
abgegebene Stimmen: |
11155 |
|
mit Ja stimmen: |
9982 |
|
mit Nein stimmen |
852 |
|
ungültig: |
321 |
(In Deutschland stimmen drei Millionen gegen den Austritt aus dem Völkerbund, zwei Millionen Nichtwähler.) Die „Warmbadeanstalt" wird in „Eisenmoorbad" umbenannt. Es werden Moorbäder verabreicht. Moorboden ist ausreichend in guter Qualität vorhanden. „Die Delitzscher Moorerde ist nicht nur ein ausgezeichnetes Mittel gegen Rheuma, Gicht oder Ischias, sondern auch bei Frauenleiden und sogar bei spinaler Kinderlähmung sind hervorragende Erfolge erzielt worden.". Die Berufsschule begeht ihre 75-Jahrfeier. Direktor ist Gewerbeoberlehrer Wendenburg. Die Berufsschule wurde am 14. 11. 1858 durch den damaligen Direktor der Höheren Bürgerschule'Giesel ins Leben gerufen. Giesel war zugleich dem Magistrat gegenüber für das gesamte Schulwesen der Stadt verantwortlich. Aus der „Fortbildungsschule", deren Besuch freiwillig war, wurde im Jahre 1907 eine Pflichtschule. Weitere Leiter waren Rektor Wiener, Rektor Pasch, Gewerbeoberlehrer Scharruhn, Rektor Hansjürgens und seit 1930 Gewerbeoberlehrer Wendenburg. Zur Erinnerung an den 450. Geburtstag Dr. Martin Luthers am 10. November wird der 19. November als „Luthertag" bestimmt. Der Tag wird in Delitzsch festlich begangen mit Gottesdiensten, Blasen der „Schwedischen Reitersignale" vom Breiten Turm und mit einer Festaufführung des Stückes „Der Tag von Worms". Der ehemalige Kreisleiter der NSDAP Kläning wird in den Ruhestand versetzt. Bei Schachtarbeiten in der „Franz-Seldte-Siedlung" werden vorgeschichtliche Funde gemacht. Der Standartenführer der SA Dr. von Saal ist „Sonderbeauftragter" beim Landrat. Aufgabe: Fühlung halten mit dem Landrat" ständiges Bindeglied zwischen Verwaltung und SA. Die Katholische Kirchengemeinde begeht den 75. Jahrestag ihrer Gründung. Sie erfolgte 1858 für die beiden Kreise Delitzsch und Bitterfeld. Im Jahre 1908 wurde dann der Kreis Bitterfeld von der Gemeinde abgetrennt.
1933 Dezember
Kältewelle. Das Thermometer sinkt auf minus 17 Grad. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird in Delitzsch ein Ortsausschuß gebildet. Mitglieder sind: Der Bürgermeister Dr. Baumgardt; der Ortsgruppenleiter der NSDAP Städter; der Generaldirektor der Zuckerfabrik Aumüller; der Direktor Krüger der Böhme AG; der Reichsbahnrat Petzold vom RAW; der Schlossermeister Biehl, Innungsausschuß; die Herren Hoyer, Damann, Rauchhaus" Schulz. Der Bürgermeister Dr. Baumgardt wendet sich zum Jahreswechsel an die Bürger der Stadt mit dem Wunsch der stärkeren Mitarbeit bei der Lösung der Probleme. Er gibt eine Bilanz des Erreichten und einen Ausblick auf die Vorhaben im Jahre 1934. Daraus u. a.: Zerrüttete Finanzlage: Ungedeckter Fehlbetrag aus dem Jahre 1932 von 150.840 RM plus Defizit 1933 in Höhe von 186.000 RM. Vorrang = Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Senkung der Wohlfahrtsleistungen. Am 1. März gab es 1482 Wohlfahrtserwerbslose" wöchentlicher Aufwand = 14400 RM. (Wohlfahrtserwerbslose sind solche" die keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten, weil sie „ausgesteuert" sind. Die Wohlfahrtsunterstützung ist noch niedriger als die Arbeitslosenunterstützung.) Vorhaben zur Arbeitsbeschaffung:
- Ausbau der Kanalisation
- Straßenbauten und -instandsetzungen
- Ausbau des Viktoriabades (Stiftung Böhme)
- Notstandsarbeiten
- Erweiterung der Grünlanlagen
1933 Zusammenfassung des Jahres
In der Weimarer Republik nahmen die gesellschaftlichen Probleme" wirtschaftliche Schwierigkeiten mit unerhört hoher Arbeitslosigkeit, damit Perspektivlosigkeit für Millionen von Menschen" immer mehr zu. Die formale Demokratie des Weimarer Staates war unfähig" mit den schwierigen Problemen fertig zu werden. Oft wechselnde Präsidialkabinette regierten mit "Notverordnungen". Mit frappierender Deutlichkeit wurden die Schwächen des parlamentarisch-demokratischen Systems sichtbar: im Schoße dieser Ordnung wuchs unter Ausnutzung der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Einfluß der Nationalsozialisten an. Man gewann an Stimmen und Parlamentssitzen und konnte bei der Einflußnahme auf das politische Denken der Menschen ganz legal aktiv werden. Der Ruf nach einem „starken Mann" wurde laut unter dem Aspekt: So kann es nicht weitergehen! Als einen solchen „starken Mann" sah man den Führer der Nationalsozialisten Adolf Hitler. Die Arbeitslosigkeit traf auch die Stadt Delitzsch mit voller Wucht. Bei einer Einwohnerzahl von 16.547 Personen, darunter 8.085 männliche" belief sich die Zahl der Arbeitslosen Anfang des Jahres 1933 auf 4.571. Das Wohlfahrtsamt der Stadtverwaltung zahlte damals wöchentlich rund 17.000 RM an Fürsorgeunterstützung an 1.538 Fürsorgeempfänger. Der Roßplatz war der Treffpunkt der Arbeitslosen" die Breite Straße und die Eilenburger Straße waren voll von Bettlern und Almosen erbittenden Menschen. Unter diesen Bedingungen war das Leben in der Arbeiterwohnsitzgemeinde Delitzsch von schweren Sorgen vieler Bürger überschattet. Die Stadt hatte Schulden. Das gesellschaftliche Leben war durch ständige Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der rivalisierenden politischen Kräfte gekennzeichnet. Ich erinnere mich an Hungerdemonstrationen in den Straßen der Stadt" an Straßenschlachten und Polizeiaktionen der Delitzscher Polizei und der Überfallkommandos aus Halle" die wir Jungen natürlich beobachteten. Freilich gab es Bemühungen der Stadtverwaltung - so die Schaffung der Kleingartensparte Rosental (01. 01. 1933) und das Arbeitsbeschaffungsprogramm vom 26. 01. 1933 auf Grund einer Anleihe von 100.000 RM - aber die Situation spitzte sich wie in Deutschland so auch in Delitzsch immer mehr zu. Schließlich wurde Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Es begann die 12jährige Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland, an deren Ende Millionen von Menschenopfern durch die Entfesselung des II. Weltkrieges zu verzeichnen waren" ein zerstörtes Land" Besatzungstruppen der Siegermächte und der Fluch der Völker gegen das deutsche Volk. Auch in Delitzsch feierten die Nationalsozialisten Ihren „Sieg". Zunächst sah das zentrale Geschehen noch so aus, als würden die bisherigen demokratisch-parlamentarischen Gepflogenheiten beibehalten. Der Reichstag wurde aufgelöst, man schrieb Neuwahlen für den 5. März 1933 aus. Bis dahin gab es Verordnungen des Reichspräsidenten und des Kabinetts Hitler. Sie richteten sich zunächst gegen die politischen Gegner, deren Demonstrationen wurden verboten, eine „Hilfspolizei" durch die Einheiten der nationalsozialistischen Verbände SA und SS sowie des „Stahlhelm" - einer militaristischen Organisation - wurde gebildet. Aber die Demokratie wurde bald zu Grabe getragen. Mit dem Reichstagsbrand, der als Fanal eines Umsturzversuches deklariert wurde, erfolgte die vorbereitete Verhaftung von Oppositionellen. Mit dem „Ermächtigungsgesetz" gab der Reichspräsident freie Bahn für die Aufhebung der verfassungsmäßigen Grundrechte, der Weg für die absolute Herrschaft der Nationalsozialisten war frei. Alle diese Maßnahmen fanden ihre Widerspiegelung in Delitzsch. Bei der Neuwahl der Stadtverordneten wurden die 6 Mandate der KDP gestrichen, die SPD wurde ausgebootet, und schließlich ging auch die „Kampffront Schwarz-WeißRot" in das Lager der NSDAP über. 1933 beginnend wurden jegliche Organisationen, Verbände und Vereine „gleichgeschaltet", das heißt, sie gingen in die Organisationsformen der NSDAP über. Systematisch ging der Ausbau der Macht vor sich. Man bildete die „Geheime Staatspolizei" (Gestapo) und führte das Gleichschaltungsprogramm mit aller Konsequenz durch. Politische Gegner wurden rigoros ausgeschaltet. Aufmärsche, Demonstrationen, Kundgebungen, Gemeinschaftsempfänge der Reden der politischen Führer waren an der Tagesordnung, um die Bevölkerung für die Ziele der Nationalsozialisten zu gewinnen Die Jugend hatte man schnell hinter sich, es gab Mittel und Methoden, um an die Abenteuerlust, das Romantische, Geländespiele, Fahrten, Wanderungen, Sport anzuknüpfen. Im Verlaufe des Jahres ging die Arbeitslosigkeit in Delitzsch deutlich zurück, wobei die Bildung des Arbeitsdienstes, der Bau der Autobahnen und - zwar noch nicht offen sichtbar - die Aufrüstung bedeutsam waren. Im Mai 1933 begann man bereits mit dem obligatorischen Luftschutzunterricht an den Schulen, man bildete das „Reichsluftfahrtministerium" unter Führung Görings, die militärischen Ziele der NS-Führung zeichneten sich ab. Eine geschickte Massenpropaganda mit psychologisch und rhetorisch geschulten Rednern verfehlte ihre Wirkung nicht. So konnte man schließlich, der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung gewiß, eine „Volksbefragung" durchführen, um die Abrüstungskonferenz zu verlassen und aus dem „Völkerbund" auszutreten, womit der Weg für die „Wiedergewinnung der Wehrhoheit" und für die Aufrüstung vorbereitet wurde, die sich nach einem 4-Jahrplan vollzog. Große Zustimmung fanden in Delitzsch die Bemühungen der Stadtverwaltung mit dem klugen und umsichtigen Bürgermeister Dr. Rudolf Baumgardt, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Wohnsiedlungen zu errichten und die Stadt zu verschönern. Man pflegte bewußt die Traditionen des mittelalterlichen Erbes der Altstadt und war bestrebt, aus Delitzsch „Bad Delitzsch" zu machen, indem man die heilkräftige Moorerde aus den Loberwiesen für Heilzwecke nutzte. Die Erfolge der Maßnahmen der Stadtverwaltung buchten natürlich die NS-Führer für sich unter dem Aspekt der alten Weisheit: „Der Erfolg hat viele Väter!". Die Bürger der Stadt hatten das Gefühlt, daß es vorwärts geht. Freilich kam dann später die Ernüchterung, als auch die Stadt Delitzsch im 11. Weltkrieg große Blutopfer für die abenteuerliche Politik der NS-Führung zu zollen hatte.
1934
1934 Januar
Die Berufsbezeichnungen „Rittergutsbesitzer" und „Gutsbesitzer" werden durch „Landwirt" ersetzt. Die Schokoladenfabrik „Böhme-AG" vergrößert den Betrieb durch einen „Erweiterungsbau" und einen „Kakaospeicher". Man kann auf eine erfolgreiche Bilanz des Jahres 1933 verweisen. Im Kreis Delitzsch werden 80.000 Morgen Land durch die Delitzscher Wasserverwertungsgenossenschaft unter Nutzung Leipziger Abwässer berieselt bzw. beregnet. Gemäß Anordnung des „Reichsstandes des Handwerks" wird der in Delitzsch seit 1857 bestehende Gewerbeverein aufgelöst. Freunde und Verehrer von Schulze-Delitzsch hatten ihn gegründet. Am Moorbad führt man Erneuerungsarbeiten durch. Der Eingang und die Einfriedung werden verschönt im Hinblick auf das Ziel: „Delitzsch als Badeort". Zur Durchführung des „Reichserbhofgesetzes" wird in Delitzsch beim Amtsgericht ein „Anerbengericht" eröffnet, dessen Aufgabe darin besteht, zu prüfen und anzuerkennen, wer „Erbhofbesitzer" werden kann. Um den Wohnungsbau zu fördern, stellt die Stadt für die Herstellung eines Wohnhauses für mindestens vier Familien städtischen Grund und Boden kostenlos zur Verfügung. „Brauner Sonntag" in Delitzsch. Es erfolgt ein Aufmarsch von 2000 Angehörigen der NSDAP: Sprecher u. a. Gauleiter Jordan. Auf dem Marktplatz findet ein Aufmarsch der „Deutschen Arbeitsfront" statt. 3000 Teilnehmer; Gegenstand der Veranstaltung: „Dankkundgebung für das Arbeitsgesetz". Der Delitzscher Arbeitsdienst führt Planierungsarbeiten bei Scholitz, Loberregulierungen von Zschepen bis Delitzsch, Begradigung des Neulandgrabens bei Spröda durch. Aus Anlaß der Machtergreifung des Nationalsozialismus vor einem Jahr findet in Delitzsch eine Gedenkfeier statt. Nach einer besonderen Feier in den Schulen ist dann schulfrei. Superintendent Fries gestaltet den Dankgottesdienst zu einer „erhabenen Feierstunde". Der Polizeikommissar Göpel wird aus dem Polizeidienst entlassen, Polizeimeister Tuschling wird mit der Führung der Geschäfte beauftragt.
1934 Februar
Der Magistrat nimmt zur Erneuerung und zum Umbau des Wasserwerkes ein Darlehen von 300.000 RM auf. Es erfolgt die Auflösung des „Bürgervereins", der seit 91 Jahren bestand. „Die Auflösung liegt ganz in der Linie des NS-Programms zur Schaffung einer wahren Volksgemeinschaft" (Zitat der Delitzscher Zeitung). Der Erste Bürgermeister Böttcher wird endgültig in den Ruhestand versetzt. Generaldirektor Böhme stellt weitere 2500 RM zum Ausbau der Parkanlagen, zum Bau eines Trinkpavillons und zur Beschaffung von Bänken zur Verfügung. Es findet die erste Gemeinderatssitzung nach der Auflösung der Stadtverordnetenversammlung statt. Kommunale Politik erfolgt nunmehr nach dem Führerprinzip, d. h. der Bürgermeister trifft die letzte Entscheidung, der Gemeinderat hat beratende Funktion. Man bildet eine Ortsgruppe „Kraft durch Freude", deren Ziele u. a. darin bestehen, Erholungsreisen für wenig Geld zu ermöglichen. Die Preise auf dem Wochenmarkt betragen: Rindfleisch (Schmorfleisch) 80 Pfg., Schweinefleisch 80 Pfg. bis 1,00 RM das Pfund. Der neu gebildete Gemeinderat tagt nicht öffentlich. Er setzt sich aus bisherigen Stadtverordneten, dem Rangältesten Führer der SA oder SS und dem obersten örtlichen Führer der NSDAP zusammen. Aus einem Bericht des Bürgermeisters Dr. Baumgardt vom 16. Februar geht hervor: Anlagen in Delitzsch:
Auf dem Marienfriedhof wurden Umwandlungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt, jetzt sind dort Grünanlagen vorhanden; Die Warmbadeanstalt wurde an einen Privatunternehmer verpachtet; das Moorbad wurde eröffnet, die Moorerde besitzt eine vorzügliche Qualität; Parkanlagen am Moorbad sind im Entstehen (finanzielle Stiftungen des Generaldirektors Böhme). An der Eilenburger Chaussee baut die Stadt z. Zt. 14 Obdachlosenwohnungen. Entstanden ist die „Franz-Seldte-Siedlung" (heute Friedenssiedlung) am Elektrizitätswerk. In der Walzenmühle wurde das Arbeitsdienstlager eingerichtet, im Schloß das Lager für den weiblichen Arbeitsdienst Weitere Informationen: Die Freiwilligen Feuerwehr hat eine Stärke von 96 Mann. Das Wohlfahrtsamt betreut gegenwärtig:
159 Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene
121 Kleinrentner
235 Sozialrentner
867 Wohlfahrtserwerbslose
106 Pflegekinder
120 sonstige Hilfsbedürftige
Nach der neuen Gemeindeordnung werden in Delitzsch bestehen:
1 besoldeter Bürgermeister, 1 besoldeter Beigeordneter
5 ehrenamtliche Beigeordnete
12 Ratsherren
Generaldirektor Böhme spendet erneut 3000 RM für die Anlagen am Viktoriabad, das Anbringen von Blumenkästen und die Erweiterung des Parks mit dem Ziel der Errichtung eines Rosariums. Der Superintendent Fries, Mitglied des „Pfarrnotverbandes", hat entgegen der Verordnung vom 04. 01. 1934 der Gemeinde einige Worte über die „Not der evangelischen Kirche" gesagt. Er wird auf Verfügung des Reichsbischofs von der Führung der Superintendur abgesetzt, Pfarrer Schraepler aus Schenkenberg übernimmt die Geschäfte. Die Einwohnerzahl in Delitzsch beträgt 16.479 Personen. Der Stellvertreter des Kreisleiter der NSDAP Schimpff wird endgültig zum Kreisleiter bestimmt.
1934 März
In Delitzsch findet ein „Kreisbauemtag" statt, das Hauptthema: Das Reichserbhofgesetz. Die Delitzscher Zeitung meldet den Rückgang der Wohlfahrtserwerbslosen von 1761 am 31. 12. 1933 auf 1249 am 28. 02. 1934. An der Mittelschule erfolgt eine Bannerweihe in Verbindung mit einem Elternabend und einem Theaterspiel der Schüler „Schills Offiziere". Die Ergebnisse des Winterhilfswerkes belaufen sich in Delitzsch auf:
Straßensammlungen |
= |
2279 RM |
Sozialopfer |
= |
22669 RM |
Eintopfsonntag |
= |
1752 RM |
ferner Kleider- und Naturalienspenden. Die Schutzstaffel (SS) umfaßt in Delitzsch 216 Personen. Nachdem vor einigen Jahren die Platanen in der Eilenburger Straße entfernt werden mußten, will man eine Neupflanzung mit Ahornbäumen vornehmen. Die Fahrbahn im Ostteil der Straße wird um 80 cm verbreitert, der Fahrradweg verschwindet. Auf Anordnung des Preußischen Ministerpräsidenten und der übrigen Staatsminister entfallen die bisherigen Höflichkeitsformen am Ende von Schriftstücken. Jetzt nur noch „Heil Hitler!". Wohlfahrtserwerbslose am 15. März noch 450. In Delitzsch finden die ersten Luftschutzveranstaltungen statt. Die Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung lautet: „Der Luftschutz ist eine Lebensfrage des Deutschen Volkes!". Ein Jahr Deutscher Arbeitsdienst in Delitzsch. Es findet ein Festakt in der Walzenmühle statt. Aus einem Bericht: „Nur derjenige wird in Zukunft einen berechtigten Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz haben, der nach seiner Dienstzeit im Freiwilligen Arbeitsdienst den Arbeitspaß erhalten hat". Der Haushaltsplan der Stadt Delitzsch weist mit 2.321.720 RMgegenüber dem Vorjahr 78.520 RM weniger auf. Grundsatz: Strengste Sparsamkeit! Aus der Delitzscher Zeitung:
Eisenmoorbad Delitzsch im Kommen! Auffindung einer kräftigen Eisenquelle. Es sind Bestrebungen im Gange, der Stadt Delitzsch den Namen „Bad Delitzsch" zu verschaffen. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt: „Epochemachende Auffindung einer heilkräftigen Eisenquelle in Delitzsch. Es wurden Gutachten der Universitäten Leipzig und Halle erbeten. Ergebnis: Besonders heilkräftig."
1934 April
Die SS führt eine „rassische Schulung" durch. Es wird dazu aufgefordert, eine Ahnentafel anzulegen. „Die SS müsse sich als rassische Elitetruppe des deutschen Volkes mit dem deutschen Bauern verbunden fühlen." Die Aufstellung von Ahnentafeln wird auch in der Schule propagiert und durchgeführt. Die nationalsozialistische Rassentheorie ist Gegenstand des Unterrichts. Schädelmessungen werden vorgenommen und die Merkmale der verschiedenen Rassen gelehrt. Es gibt Bestrebungen der Stadtverwaltung, in Delitzsch einen Zentralbahnhof zu schaffen. Die Angelegenheit ist Sache der Deutschen Reichsbahn. Die Stadt setzt auch noch 1935 ihre Bemühungen in dieser Richtung fort, ohne jedoch Erfolg zu haben. Eine Untersuchung der Delitzscher Moorerde durch das Hygieneinstitut der Universität Leipzig ergibt, daß die Moorerde ausgezeichnete Bestandteile enthält und alle Vorbedingungen für die Wirkung bei Rheuma, Gicht, Ischias und Frauenleiden erfüllt. Am Schloß werden folgende Veränderungen vorgenommen: Ausbau des Schloßgrabens zu einer Promenade, die beiden Mauern rechts und links vom Schloßgraben werden entfernt, um Zugang zum Schloß von der Promenade aus zu schaffen. Im Innern des Schlosses wird die alte Schloßkapelle zu einem Jugendheim ausgebaut. Man beginnt in Delitzsch mit dem 1. Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend. Arthur Kampf erhält die Amtsbezeichnung „Obergartenmeister". Arthur Kampf hat wesentlichen Anteil an der in den 30er Jahren durchgeführten Erweiterung und Verschönerung der Park- und Grünanlagen in Delitzsch. Nach seinen Ideen und Vorschlägen wird auch der neue Parkteil (Albert-Böhme-Park) gestaltet. Von ihm stammt auch die Idee, den Durchbruch der Mauern des Schloßgrabens in Form eines Torbogens zu machen, weil damit das Gesamtbild besser in das mittelalterliche Gepräge hineinpasse. Bürgermeister Dr. Baumgardt erklärt vor dem Gemeinderat: „Es muß uns gelingen, in absehbarer Zeit unsere Stadt erwerbslosenfrei zu bekommen". Handlungsgrundlagen für die Stadtverordneten sind: Eiserne Sparsamkeit, reale Vernunft, sachliche Erfahrung. Ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm wird erörtert: Straßenbauten, Bau von Siedlungen, für 1934 sind 160.000 RM vorgesehen. Zwischen Hainstraße und Schachtweg wird für Siedler billiges Bauland (0,80 RM/m2) abgegeben. In der Dübener Straße soll eine Großtankstelle erachtet werden (Fa. Schumann), 1,50 RM/m2 für das Bauland. Erweiterung der Straßenbeleuchtung in der Eilenburger Straße, Tannenbergstraße und Auguste-Viktoria-Ring. Der Feuerbestattungsverein Delitzsch stiftet 1000 RM als Grundstock zur Errichtung eines Krematoriums. Das Krematorium wurde nicht errichtet. Das Heimatmuseum, das bisher dem Delitzscher Museumsverein gehörte, wird in den Besitz des Kreises als vorgeschichtliche Abteilung und der Stadt als weiterer Teil übergeben. Mittelschullehrer Horn behält weiter beide Teile des Museums als Sachkundiger in der Hand. Die Gründung des Heimatmuseums erfolgte durch den Delitzscher Museumsverein, der 1899 von heimattreuen Männern ins Leben gerufen wurde. Die Ziele: Gründung und Erhaltung sowie Vermehrung eines Altertumsmuseums, Aufklärung der geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Entwicklung der Stadt und des vormaligen kursächsischen Amtes Delitzsch, Sorge für die Erhaltung der Altertümer. Maßgeblichen Anteil an der Gründung des Heimatmuseums hat der verdienstvolle Lehrer und Chronist der Stadt Delitzsch Oskar Reime. Er sah in der Gründung und dem Ausbau des Museums einen Teil seiner Lebensaufgabe.
1934 Mai
Der 1. Mai wird als Nationalfeiertag auch in Delitzsch festlich begangen. -Illumination; Schwedensignale vom Breiten Turm; Aufmärsche; Umzug der Betriebe unter Führung ihres Betriebsführers; Anhören der Rundfunkübertragung der Rede Adolf Hitlers. Bürgermeister Dr. Baumgardt übergibt das Jugendheim im Schloß. Im Schützenhof veranstaltet die Ortsgruppe für das Deutschtum im Ausland (VDA) eine Kundgebung. Es geht um die Zurückgliederung des Saarlandes an Deutschland im Jahre 1935. Einer der Redner ist der Mittelschullehrer Otto Porath. In Delitzsch gründet man einen SA-Marine-Sturm. Im Elberitzbad wird eine sportgerechte 50-m-Bahn, ein Planschbecken für die Kleinsten, eine durch einen Zaun abgetrennte Abteilung für Nichtschwimmer geschaffen. Rund um die Wasserfläche werden Steinplatten verlegt, eine Rasenfläche, Zellen, Geländer, Brauseanlagen und andere Aufbauten werden erneuert. Die Zahl der Gemeinderäte wird auf 12 festgelegt und vom Landrat bestätigt. Auffällig ist, daß in der Presse in verstärktem Maße Veröffentlichungen in militärischer Hinsicht erfolgen. Man beschäftigt sich beispielsweise mit dem Rüstungsaufwand in den westlichen Ländern und mit Luftschutzfragen. Im Hinblick auf die Ziele der NSDAP kann das als Merkmal der Aufrüstung Deutschlands betrachtet werden.
1934 Juni
Vor allem auf leichten Böden ist bei Gerste und Roggen eine Mißernte zu erwarten. Endlich, am 09. Juni regnet es nach lang anhaltender Trockenheit ergiebig. Nachdem der Polizeimeister Tuschling in den Ruhestand getreten ist, wird Polizeimeister Faust neuer Führer der Delitzscher Polizei. Die Leipziger Berieselungsanlage für den Kreis Delitzsch wird in Betrieb genommen. Täglich werden 30.000 m³ Abwässer in den Kreis Delitzsch geleitet. Man pflanzt anläßlich des 100. Geburtstages Bismarcks „zwei Bismarckeichen", eine im Stadtpark, die andere am Drei-Männer-Weg. Eröffnung der „Reichsschwimmwoche" in Delitzsch am 18. Juni. Eine bedeutende Rolle für den Schwimmsport und das Erlernen des Schwimmens spielt der Schwimmclub „Neptun". Bei Wettkämpfen gegen eine Wolfener Mannschaft erzielt man den Sieg. Im Anschluß an die Wettkämpfe finden weitere Schwimmveranstaltungen der Mädchen, Frauen und Männer (Wasserball) sowie eine Schwimmstunde für Nichtschwimmer statt. Neue Straßennamen werden festgelegt: „General-Maercker-Straße" (heute Friedrich-Ebert-Straße), von der Dübener zur Beerendorfer Straße vor dem Friedhof; „Karl-Hagedorn-Straße" (früherer Bürgermeister) in der FranzSeldte-Siedlung (Friedenssiedlung). Im Gau Halle-Merseburg wird auf Anordnung des Gauleiters der NSDAP die einjährige Arbeitsdienstpflicht eingeführt. Im Magistratsbeschlußbuch ist ausgewiesen, daß man der Errichtung eines Flugplatzes im Raum Spröda nicht zustimmt.
1934 Juli
Wegen des „Röhm-Putsches" herrscht in Delitzsch große Unruhe. Es werden eine Reihe von Treueerklärungen verschiedener Verbände für Adolf Hitler veröffentlicht. Gemäß „Delitzscher Zeitung" seien im Gau Halle-Merseburg, zu dem Delitzsch gehört, erschossen worden:
19 höhere SA-Führer
31 SA-Führer und SA-Angehörige
3 SS-Führer
13 SA-Führer und Zivilpersonen, die bei der Verhaftung Widerstand, leisteten
3 weitere begingen Selbstmord
5 SA-Führer wurden wegen Beteiligung erschossen und
3 SS-Angehörige wegen schändlicher Mißhandlung von Schutz-häftlingen.
Aus der Sitzung der Ratsherren vom 08. Juli: Man nimmt den Neubau einer Berufsschule in Aussicht. Es bleibt beim Vorhaben. Die Berufsschule wird erst im Jahr 1951/52 erbaut. Die Böhme-AG will ein 14-Familienhaus in der Bitterfelder Straße erbauen. Es wird der Bau einer SA-Siedlung erörtert. Zum Ausbau der Kuranlagen am Viktoriabad stellt Generaldirektor Böhme erneut 1000 RM zur Verfügung; insgesamt hat er zum Bau dieser Anlagen 10.000 RM gestiftet. Von der Kirchengemeinde hat die Stadt einige Gärten des Hennig-Schrödter-Hauses erworben und dem Kurpark zugefügt. Man wendet sich gegen die Geschäftswelt, weil diese dazu übergegangen ist, Auslagen vor dem Schaufenster feilzubieten. Es wird ein Gemeinschaftsempfang für eine Rede Adolf Hitlers angeordnet. In dieser Rede setzt sich Hitler mit den Ereignissen um den „Röhm-Putsch" auseinander, indem er sich bemüht, die „Liquidierungen" als für das Reich notwendig zu begründen. Die Tankstelle Schumann in der Dübener Straße wird eröffnet. Im Magistratsbeschluß ist vermerkt, daß an zehn Sonntagen Kurkonzerte stattfinden sollen. Die Kosten trägt die Böhme-Stiftung. Im Juli herrscht erneut eine ungewöhnliche Trockenheit.
1934 August
In der Stadtkirche findet aus Anlaß des Ablebens Hindenburgs ein Trauergottesdienst statt, an dem die NS-Verbände, Militärverbände und alle Behörden teilnehmen. Der Eid der Soldaten lautet:
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."
Die Fahnen werden auf Halbmast gesetzt, alle NS-Angehörigen, Beamten und Würdenträger tragen für 14 Tage einen Trauerflor am linken Oberarm. In der Stadtkirche findet eine Gedenkfeier in Erinnerung an die Mobilmachung des I. Weltkrieges statt, in der „Kriegergedächtniskirche" (Marienkirche) eint: Kranzniederlegung. Zur Bautätigkeit in Delitzsch: Im Bau sind 20 Obdachlosensiedlungen in der Fuststraße; 10 Kleinsiedlerstellen sind bereits errichtet, in den folgenden Jahren sollen weitere 20 Stellen erbaut werden. In der Karl-Hagedorn-Straße entstehen 14 kleine Wohnhäuser. In der Franz-Seldte-Siedlung (Friedenssiedlung/64 Heimstätten) sind die ersten Häuser bezogen worden. Im Kurpark ist eine Liegehalle im Entstehen. Der Lober im Kurpark wird gründlich gereinigt. Im Herbst wird der 2. Teil des Kurparkes neu bepflanzt. Die Gefängnismauer am Schloß wird abgerissen, ein neuer Verbindungsweg angelegt. Das frühere Jugendheim am Kyhnaer Weg wird zum „Amtswalterheim". Von der Kömerstraße aus wird ein Durchbruch zur Grünstraße durch den Abbruch des Hauses Grünstraße 26 geschaffen. Vier Baulücken (Bitterfelder Straße, Bismarckstraße/Feldstraße) werden geschlossen; Bauten in der Damaschkestraße. Vorgesehen sind 20 Eisenbahnersiedlungen in der Dübener Straße. Aus Anlaß der Beisetzung Hindenburgs findet eine Trauerparade durch die Formationen der NSDAP, den Kyfthäuserbund und die Polizei statt. Eine Kundgebung des Handwerks, der Deutschen Arbeitsfront, des Beamtenbundes und anderer Organisationen wird im Hinblick auf eine Volksabstimmung über die Vereinigung des Amtes des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers durchgeführt Anordnung des Bürgermeisters Dr. Baumgardt vom 16. August:
„Die Eigenart der Propaganda zu der am 19. August bevorstehenden Volksabstimmung bedingt, daß in allen deutschen Betrieben Kurzansprachen gehalten und kurze Entschließungen gefaßt werden. Eine solche Kurzansprache soll für die Stadtverwaltung morgen, Freitag, den 17. August 1934, um 17.15 Uhr, im Rathaus, Sitzungssaal stattfinden. Es werden hiermit sämtliche Arbeiter der Stirn und der Faust der Stadtverwaltung eingeladen."
Ergebnisse der Volksabstimmung vom 19. August über die Vereinigung des Amtes des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers in der Person „Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler in Delitzsch:
Wahlbeteiligung: |
96,57 |
% |
Stimmberechtigt: |
10897 |
|
Jastimmen: |
9805 |
|
Neinstimmen: |
962 |
|
ungültig: |
256 |
|
Am 23. August werden die Beamten auf den „Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler vereidigt. Die „Saarland-Treuestaffel" kreuzt die Stadt Delitzsch. Ziele: Entscheidung der Bevölkerung des Saarlandes für den Anschluß an Deutschland. Es finden Saarkundgebungen statt eine Saarplakette wird ausgegeben, es erfolgt ein Aufruf an die Saardeutschen, sich für die Abstimmung anzumelden. In der Zeitung erscheinen verstärkt Artikel militärischen Inhalts. Hier einige Schlagzeilen:
„Das neue Jagdgeschwader Richthofen"
„Die ersten Flakartillerie-Manöver"
„Der Führer bei den Manövern des Vl. Armeekorps"
„Nürnberg: Die Ankunft der Panzerwagen"
„Luftparade", „Wieder deutsche U-Boote"
„Torpedoboote im Herbststurm"
1934 September
Nachdem nunmehr auch die jenseits des Lobers gelegene Hälfte des städtischen Kurparks fertiggestellt wurde, ist diese für die Öffentlichkeit zugänglich. Hinter der Badeanstalt führt eine Brücke über den Lober. Im nächsten Sommer werden im Kurpark 3000 Rosen „ihre Blüten öffnen". Heute stellt der Rosengarten ein Kleinod der Stadt Delitzsch dar. Die bisherigen 31 Handwerkerinnungen des Kreises werden am 17. September aufgelöst. 19 neu geschaffene Pflichtinnungen schließen sich der Kreishandwerkerschaft an. „Tag des Deutschen Volkstums" im Schützenhaus bei einem „Fest der Deutschen Schule". Sprecher sind VDA-Kreisführer Porath, Schulrat Sämisch und Direktor der Berufsschule Spangenberg. Verdunkelungsübung in Delitzsch. Losung: „Delitzsch unter der Tarnkappe". Es herrscht völlige Finsternis. In der Oskar-Reime-Straße wird eine Quelle gefunden, die einen hohen Eisengehalt (Stahlquelle) hat. Die Quelle soll gefaßt werden, und es soll ein Trinktempel errichtet werden. Der Chemiker Mischen, der das Wasser untersucht, stellt den starken Eisengehalt fest.
1934 Oktober
Die Bäckerinnung Delitzsch und Umgebung begeht am 07. Oktober ihr 500jähriges Bestehen mit einer Fahnenweihe und einer Festveranstaltung. Redner sind der Bürgermeister Dr. Baumgardt, Innungsobermeister Rehn und der Gewerbeoberlehrer Scharruhn. Einführung des „Landjahres" für Jugendliche. Jugendliche, die keine Lehrstelle erhalten haben, sollen acht Monate in bäuerlichen Betrieben arbeiten. Es soll eine Erziehungsmaßnahme des Staates für Jugendliche sein, deren Eltern nicht den Geldbeutel haben, um ihren Kindern einen längeren ununterbrochenen Aufenthalt in der gesunden Luft auf dem Lande angedeihen zu lassen. Der in diesem Jahr auf Betreiben der Reichsbahn-Hauptverwaltung gegründete „Reichsbahn-Turn-und Sportverein" (RTSV) tritt erstmalig mit einer größeren Veranstaltung ah die Öffentlichkeit. Das erste Segelflugzeug der Abteilung Segelflug des RTSV wird feierlich getauft. Am Ende des Werkstättenweges, mit der einen Seite direkt am Werkstättenteich gelegen, ist ein Sportplatz im Bau, der so angelegt worden ist, daß fast alle Arten des Sportes betrieben werden können. Eine Schießhalle ist gebaut worden. Mitten im Werksgelände hat man einen Tennisplatz geschaffen. Die Nachrichtenschar des Bannes 301 der Hitlerjugend führt mit Winkerflaggen eine Übung über den Dächern von Delitzsch durch. Kraftfahrzeugbestand im Kreise Delitzsch 1934: 2248 Motorräder, 742 Personenwagen, 225 LKW. Fischzug im Stadtgraben:
869 Pfund Karpfen, 124 1/2 Pfund Schleie, 2111/2 Pfund Hechte, 15 Pfund Barsche, 273 Pfund Weißfische, 1 Pfund Aal, Die Stadtverwaltung läßt eine Verbindung zwischen dem DietzeGarten und dem Stadtpark schaffen. Die Parkstraße wird mit Pyramidenpappeln bepflanzt, eine Stiftung der Fa. Poenicke. Die auf der Hermann-Göring-Straße angepflanzten Ulmen gehen nach und nach ein. An ihrer Stelle pflanzt man Kugelahorn, eine Spende des Generaldirektor Böhme. Am Lober, südlich der Sorauer Bahn, wird eine Bisamratte erlegt; weitere Tiere sollen sich dort im Lober befinden. Für jede erlegte Ratte zahlt man eine Belohnung. In Delitzsch soll eine NSKOV (Nationalsozialistische KriegsopferVersorgung) - Siedlung entstehen. Ort: Delitzsch-Ost; Preis für die einzelne Siedlerstelle 5000 RM. Neue Straßen: Saarstraße - Verbindungsstraße zwischen Tannenbergstraße und Securiusstraße (heute Humboldtstraße); Muchowstraße - Weg längs der neuen Obdachlosensiedlung an der Fuststraße (heute: Uferstraße); Lönsstraße - in der Eisenbahnersiedlung in Delitzsch-Ost Am 31. Oktober findet eine Kundgebung der „Deutschen Arbeitsfront" statt unter der Parole: „Marschieren und zupacken!"
1934 November
Die Fabrikstraße wird vollständig erneuert. Man hat sie verbreitert, Schlaglöcher beseitigt, auf beiden Seiten Kugelakazien angepflanzt. Die Kosten trägt die Zuckerfabrik. Zwischen der Eilenburger und der Bismarckstraße entsteht ein neuer Verkehrsweg, die heutige Querstraße. Die Stadtverwaltung verlangt erneut in einem Schreiben an die Reichsbahndirektion die Zusammenlegung der Bahnhöfe. Im „Astoria-Film-Theater" (Hallesche Straße, ehemals Capitol) werden Filme der beliebten Komiker „Pat und Patachon" gezeigt. Die Wohnbevölkerung gemäß der Volkszählung vom 16. 06. 1933 in Delitzsch beträgt: 16.476,
|
|
davon: evangelische Christen: |
14.952 |
katholische Christen: |
671 |
Israeliten: |
24 |
Sonstige: |
827 |
andere Christen: |
2 |
1934 Dezember
Baumaßnahmen: Der Straßendurchbruch Querstraße wird ausgebaut. Es erfolgt ein Straßendurchbruch vom Horst-Wessel-Platz (Nordplatz) zur Securiusstraße. Der Vorplatz des Berliner Bahnhofes wird durch Grün- und Rosenanpflanzungen verschönt. Es erfolgt die Einweihung der ersten Eisenbahnersiedlung am Werbener Weg mit 10 Doppelhäusern. Am klaren Sternenhimmel beobachtet man am 11. Dezember südlich von Delitzsch einen Meteor, der in Richtung von West nach Ost seine Bahn zieht. In seinem schönen grünen Licht ist eine Gaswolke als Schweif zu erkennen. Kurz vor dem Erlöschen zerplatzt er dann in zahllose große und kleine Stücke. Im Kreise Delitzsch untergebrachte Saarkinder verlassen wieder unsere Stadt. Mit solchen Maßnahmen will man die Entscheidung der Deutschen an der Saar im Jahre 1935 unterstützen, sich für Deutschland zu entscheiden. Man wendet sich entschieden gegen den von Frankreich propagierten „Status quo". Am 31. Dezember wendet sich der Bürgermeister Dr. Baumgardt an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Delitzsch: „Das Jahr 1934 hat unserer Stadt mancherlei Erfolge und Anerkennung gebracht. Mit frischem Mut sind Private wie Geschäftsleute darangegangen, ihre Heimat zu verschönern und die ortsansässige Wirtschaft zu beleben. Allen, welche die Stadtverwaltung unterstützten, in ihren Plänen förderten und der Gesamtheit damit dienten, sage ich den herzlichen Dank. Noch liegen viele Aufgaben vor uns, die im Interesse der Entwicklung unserer Gemeinde gelöst, allerlei Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen. Ich erbitte dazu die Mitarbeit aller, die sich ihrer Heimat in Treue verbunden fühlen. Ich weiß, daß wir alle dasselbe Ziel vor Augen haben: aus unserer Stadt eine Stätte der Arbeit, der Freude und einer echten deutschen Volksgemeinschaft zu machen. Mit der Hoffnung auf solchen Erfolg wünsche ich Delitzsch's Bürgern und Bürgerinnen ein glückliches und gesegnetes Neues Jahr." Persönlichkeiten des Jahres 1934 sind:
Meister |
Landrat |
Dr. Baumgardt |
Bürgermeister |
Schimpff |
Kreisleiter NSDAP |
Koch |
Ortsgruppenleiter |
Mietzsch |
Branddirektor |
Biehl |
Kreishandwerksmeister |
Böhme, Albert |
Generaldirektor Böhme AG |
Aumüller |
Generaldirektor Zuckerfabrik |
Petzold |
Werkdirektor RAW |
Sämisch |
Schulrat |
|
|
1934 Zusammenfassung des Jahres
Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus hatte sich die politische Situation völlig verändert. Die parlamentarische Demokratie war abgelöst von der Alleinherrschaft der NSDAP. 1934 setzte man die „Gleichschaltung" aller Verbände und Organisationen fort und gewann auch die Zustimmung der Religionsgemeinschaften, wie die Treueerklärung evangelischer Bischöfe zu Hitler vom 27. Januar 1934 beweist. Die Hoheitsrechte der Länder gingen auf das Reich über, die Länderparlamente wurden aufgelöst, das „Führerprinzip" wurde durchgesetzt. In Delitzsch wurde der Bürgermeister als Führerpersönlichkeit der Erst- und Letztverantwortliche, die Stadtverordnetenversammlung wurde aufgelöst, an ihre Stelle trat der „Gemeinderat" mit beratender Funktion, in dem die NSDAP bestimmte. Die Nationalsozialisten entwickelten in allen ihren Organisationen eine rege Betriebsamkeit. Aufmärsche, Demonstrationen, Kundgebungen und Maßnahmen aller Art für die verschiedenen Schichten und Berufsgruppen, die der Zuwendung der Bevölkerung zur nationalsozialistischen Idee dienen sollten, waren an der Tagesordnung. Häufig waren Kundgebungen mit dem Anhören von Reden Hitlers oder des Reichspropagandaministers Goebbels in Gemeinschaftsempfängen verbunden. Als der Vizekanzler v. Papen im Juni 1934 gegen das NSDAP-Monopol eintrat sowie Maßnahmen gegen die SA forderte, war sein Rücktritt aus dem Kabinett fällig; er wurde als Gesandter nach Wien „abgeschoben". Im Juni/Juli gab es dann den „Röhm-Putsch". Röhm als Stabschef der SA wollte die SA bewaffnen und ihren Einfluß stärken. Das widersprach den Vorstellungen Hitlers und der Reichswehrführung als „alleiniger Waffenträger". Röhm und seine engsten Anhänger wurden erschossen, jegliche oppositionelle Regung gegen Hitler wurde rigoros unterbunden mit der Begründung einer erforderlichen „Reichsnotwehr". Die Machtkonzentration in der Hand Adolf Hitlers wurde absolut, als nach dem Tod des Reichspräsidenten v. Hindenburg auch die Funktion des Staatsoberhauptes durch Hitler übernommen wurde. In Delitzsch ging die Arbeitslosigkeit im Verlaufe des Jahres 1934 immer mehr zurück. Der Haushalt der Stadt wurde auch durch den Rückgang der Aufwendungen des Fürsorgeamtes merklich entlastet, obwohl die Stadt nach wie vor verschuldet war und um den Abbau der Fehlbeträge im Haushalt kämpfte. Der sehr rührige und kluge Bürgermeister Dr. Baumgardt hatte großen Anteil an der Verbesserung der sozialen Verhältnisse sowie an der Verschönerung der Stadt Delitzsch. Man erschloß die Delitzscher Moorerde, aus der Wannbadeanstalt wurde das Moorbad Delitzsch, man fand eine heilkräftige Quelle, die „Stahlquelle". Der Generaldirektor der Schokoladefabrik, Albert Böhme, trug durch zahlreiche großzügige finanzielle Spenden zur Verwirklichung der Ideen des Bürgermeisters Dr. Baumgardt bei, unsere Heimatstadt immer schöner zu gestalten. Am Moorbad, am Schloß, im Stadtpark, am Wallgraben und rings um die Altstadt schuf mau Ordnung, baute und gestaltete nach den Plänen des Obergartenmeisters Artur Kampf die Grünanlagen, so daß Delitzsch tatsächlich verdiente, „Bad Delitzsch" zu werden. Bemerkenswert ist, daß der Magistrat gemäß Beschlußprotokolle dem Bau eines Flugplatzes nicht zustimmte, was ja bekanntlich in den folgenden Jahren unter dem Regime des Bürgermeisters Dr. Frey erfolgte. Insgesamt läßt sich 1934 eine Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Menschen in Delitzsch registrieren, auch eine wachsende Zuwendung zu den Plänen und Maßnahmen der örtlichen Führung. Dazu trugen viele Baumaßnahmen bei, u. a. der Aufbau von Wohnsiedlungen, der Straßen- und Häuserbau, was sowohl für die Arbeitsbeschaffung bedeutsam war, aber was auch die Wohnverhältnisse merklich verbesserte. Die Maßnahmen zur Gewinnung der Jugend für die Idee des Nationalsozialismus und die Nutzung jugendgemäßer Methoden der ideologischen Erziehung zeigten Wirkung. Man ging nach dem Grundsatz vor: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft! In den Schulen waren die Lehrer im NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) vereinigt, oppositionelle Lehrer, wie der Sozialdemokrat Fritz Schwahn, waren aus dem Schuldienst entfernt. Gelehrt wurden jetzt auch die Grundsätze der NSRassentheorie. Wer blaue Augen und blonde Haare hatte, war stolz, weil er glaubte, zur wertvollen Nordischen Rasse zu gehören. Die Schüler wurden aufgefordert, Ahnenforschung zu betreiben. Eine erhebliche Rolle spielte die beginnende Wehrerziehung und dabei der Luftschutz. Für den aufmerksamen Beobachter wurde sichtbar, daß die militärischen Anstrengungen wie Flugzeug-, Panzer-, U-Bootbau im Reich zunahmen. Eine systematische propagandistische Beeinflussung zur Stärkung des Wehrwillens war zu verzeichnen. Es zeichnete sich ab, daß man sich darauf vorbereitete, politische Ziele auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.
1935
1935 Januar
In Delitzsch wird das Abstimmungsergebnis im Saarland vom 13. Januar mit Begeisterung aufgenommen (Flaggen, Feiern in den Schulen, Glockenläuten, Illumination, Fackelumzug). Ergebnisse:
Abstimmungsberechtigte |
= |
539.511 |
abgestimmt haben |
= |
528.005 |
für Deutschland |
= |
477.119 |
für Frankreich |
= |
2.124 |
für Statuts quo |
= |
46.513 |
Anfang 1935 sind 69 Wohnungen im Bau, von denen 59 bereits im Rohbau fertiggestellt sind.
1935 Februar
Der Studienrat Dr. Eckstädt, der seit 1919 an der Oberrealschule tätig war, wird Anstaltsgeistlicher und Studienrat am Pädagogikum und Waisenhaus Züllichau. Er war bei Schülern und Eltern sehr beliebt, sein Weggang wird allgemein bedauert. In der Oskar-Reime-Straße werden weitere Bohrungen durch Schlossermeister Polter, Chemiker Dr. Mischon und Stadtbauinspektor Kratsch veranlaßt. Man findet unweit der zuerst gefundenen Quelle eine Stahlquelle, die mehr Eisengehalt als die Helenenquelle in Bad Pyrmont enthält. Es ist dies nun der „Neue Heiligbrunnen". Ein Liter der Quelle enthält nach Analysen des Lebensmittelchemikers Dr. Mischon:
13,0 Milligramm Eisen
41,4 Milligramm doppelkohlensaures Eisenoxidal
269,0 Milligramm Kochsalz.
Der Brunnen erzielt gute Wirkungen bei Blutarmut, Erschöpfungszuständen nach verschiedensten Krankheiten, Unterleibsleiden der Frauen, bei vielen nervösen Störungen, auch bei fettleibigen Gichtkranken. Infolge des außerordentlich hohen Kochsalzgehaltes reguliert der Brunnen die Bildung von Verdauungssäften, steigert die Verdauung und fördert den Stuhlgang bei Darmträgheit. Beschluß der Stadtverwaltung: Errichtung eines einfachen Baues für den neuen Heiligbmnnen. Damit verbunden ist, daß die Straßen verbessert werden müssen. Man ist der Ansicht, daß sich Delitzsch mit diesem Neuen Heiligbrunnen ein Schmuckstück für das Stadtbild zulegen wird. Die Stadt hat Wiesen an der Parkstraße käuflich erworben, um eine spätere Erweiterung des Stadtparks vornehmen zu können. Die Stahlquelle wird künftig auch als Tafelwasser abgefüllt und versendet. Die Abfüllung und den Versand übernimmt die Brauerei Dietrich aus der Elisabethstraße.
1935 März
Das Saarland gehört nunmehr zu Deutschland. Die Sirenen der Stadt heulen, überall Fahnenschmuck, für kurze Zeit Verkehrsruhe und in den Betrieben Stillstand der Maschinen. Ein großes Kirchenereignis ist der Besuch des Bischofs Peter in der Stadt.
1935 April
Der „Beauftragte der NSDAP" ist der Kreisleiter Schimpff. Seine Aufgabe ist, bei bestimmten Entscheidungen der Gemeinde mitzuwirken, u. a. auch bei der Besetzung von Ämtern - Bürgermeister, Stadträte, Beamte. Der Generaldirektor der Zuckerfabrik, Robert Aumüller, stiftet zur Verschönerung des Stadtbildes für den Stadtgraben je ein Paar Brautenten, Mandarinenten, Knäckenten und Knickenten. Aus dem Dankschreiben des Bürgermeisters Dr. Baumgardt: " ...hoffentlich gelingt es unseren gemeinsamen Bemühungen, die Stadt Delitzsch zu einer kleinen Perle im Kreise der mitteldeutschen Städte zu gestalten." Es erfolgt die „Lossprechung" der Lehrlinge sowie die Aufnahme der Jungmeister in die „Kreishandwerkerschaft". Damit sollen die alten Handwerkertraditionen neu belebt werden. Die Einwohnerzahl in Delitzsch betrug am 31. März 16.912. Schlagzeile der Delitzscher Zeitung:
„Die Frauenschaft wirbt für das deutsche Ei!" - Die NS-Frauenschaft veranstaltet am Sonntagnachmittag um 4 Uhr einen kleinen Propagandamarsch für „das deutsche Ei" mit anschließender Ostereiersuche für die Kinder. Ehestandsdarlehen haben sich auf die Eheschließungen fördernd aus-gewirkt, ein Anstieg ist zu verzeichnen. Wohlfahrtserwerbslose, Zusatzunterstützungsempfänger und sonstige Hilfsbedürftige:
01. Januar = 578
01. März = 571
31. März = 485
Pfarrer Siebart verläßt am 16. April. Delitzsch und geht nach HalleTrotha. Sein Weggang wird allgemein bedauert. In einer Versammlung der Einwohner der Grünstraße in der Gaststätte „Goldene Kugel" (Volksmund: Die Kuller) beschäftigt man sich mit der Vorbereitung des Brunnen- und Heimatfestes am 25. und 26. Mai. Bis 1862 war die Gemeinde Grünstraße, zu der auch die Häuser im Rosental u. a. gehörten, eine selbständige Gemeinde. Zum Heimatfest soll der alte Brauch des „Pfingstbieres" neu belebt werden. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" kreuzt am 18. April über dem Kreis Delitzsch. Delitzsch wirbt für Moorbad und Stahlquelle. Aus einer Werbeschrift:
„Ein neuer Heiligbrunnen spendet heute die Delitzscher Stahlquelle, ein wohlschmeckendes und erfrischendes Kur- und Tafelgetränk und ein Heilmittel bei Rheumatismus,. Gicht, Blutarmut, Mattigkeit, Nervosität, Magen- und Darmkrankheiten. Das überreiche Moorvorkommen in der Loberniederung der Stadt wird ferner zu Heilzwecken mit Erfolg im Delitzscher Viktoriabad verabreicht." Seit dem 29. April führt der Lober schmutziges Wasser mit sich, das offenbar im Oberlauf von unbefugter Seite eingelassen worden ist. Infolgedessen ist ein starkes Fischsterben eingetreten. Als Ursache wird die Ableitung von Rieselwasser in den Lober bei Hohenossig angegeben.
1935 Mai
Vorhaben der Gemeindepolitik: Straßenbau- und ausbesserungprogramm mit einem Kostenaufwand von 94.000 RM: Ausbau der Securiusstraße; Ausbau der Muchowstraße (heute Uferstraße) samt Kanalisation; Kaiser-Wilhelm-Ring (heute Am Wallgraben) und General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) mit Kanalisation; Freiherr-von-Stein-Straße und Gertitzer Straße mit Kanalisation, Ausbau der Saarstraße, Leberstraße, Roonstraße, Albert-Böhme-Straße, Langemarckstraße (heute Schulze-Delitzsch-Straße) und Hagedornstraße. Vorflutregulierung am Schulze-Delitzsch-Ring und dem Schloß. Auf „lange Sicht" will man am Rosental ein „Stahlbad" errichten. (Daraus wurde nichts!) Man plant die weitere Errichtung von Obdachlosensiedlungen. 889 Erbhöfe des Anerbengerichtsbezirkes Delitzsch werden als „erbhoffähig" in das gerichtliche Register eingetragen. Arbeitslosenunterstützung nach dem Stand vom 28. Februar: 294 Personen, 100 Personen erhalten „Krisenfürsorge". Der Breite Turm wird im Mai ausgebessert. Die West- und Ostseite wird mit silbergrauem Schwarzatalschiefer neu eingedeckt. Vor sechs Jahren fand die letzte Dachreparatur statt. Der Sportverein „Concordia" besteht am 10. Mai 25 Jahre. Auf dem Sportgelände an der Elberitzmühle findet aus diesem Anlaß ein grosses Sportfest statt. Die 1. Herren der Fußballsektion kämpft um den Aufstieg in die Bezirksklasse. In einer Jubiläumsveranstaltung im Schützenhaus sprechen der Vereinsführer Otto Braunsdorf, Pfarrer Suckert, ein sportbegeisterter und in Delitzsch sehr geachteter und beliebter Geistlicher, Vertreter der Partei und der Behörden sowie der anderen Delitzscher Sportvereine. Am Ehrenmal für die 17 gefallenen Sportler des Vereins hält Pfarrer Suckert am Sonntag die Gedenkansprache. Erneut geht es um die Verunreinigung des Leberwassers durch die Berieselung mit Leipziger Abwässern. Der Kreis Bitterfeld, der ebenfalls unter der Verseuchung des Lobers zu leiden hat, setzt sich im „Bitterfelder Tageblatt" mit der Lage auseinander und weist der Rieselfeldgenossenschaft die Schuld zu. Am 12. Mai findet das erste Kurkonzert am Viktoriabad statt. In der Folgezeit werden diese Kurkonzerte jeden Sonntag und Mittwoch abwechselnd am Viktoriabad und am Neuen Heiligbrunnen durchgeführt. Der Museumsverein besucht das Geiseltalmuseum in Halle, um sich mit den vorgeschichtlichen Funden vertraut zu machen und sich weiterzubilden. Die Delitzscher Rieselfeldgenossenschaft wehrt sich gegen die Vorwürfe zur Verunreinigung des Lobers durch Rieselabwässer: „Was die Einleitung von Abwasser in den Leber anbelangt, so handelt es sich um eine von unbefugter Seite getroffene Maßnahme, wogegen die Genossenschaft längst die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat. Daß von der Einleitung des Abwassers der Lober bis weit in den Kreis Bitterfeld hinein verseucht sein soll, ist eine große Lüge. Von einem Fischbestand im Lober ist den dafür zuständigen Stellen bisher nichts bekannt geworden..." Da waren die „zuständigen Stellen" bestimmt nicht gut orientiert, denn wir haben als Kinder viele Fische im Lober beobachtet und auch gefangen. In Delitzsch sind von 1000 Einwohnern 235 Kinder; Berlin hatte vergleichsweise 134 Kinder auf 1000 Einwohner. Zum Anhören einer Hitlerrede aus Anlaß der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht sind überall Gemeinschaftsempfänge organisiert, so auch in Delitzsch. Am 23. Mai wird das Wehrgesetz veröffentlicht. Vor dem Gasthof „Zur grünen Linde" stand einst eine Linde. Darüber schreibt am 21. Mai der Vater des früheren Besitzers Wilhelm Zeidler aus Schladitz bei Zwochau:
„1869, den 23. Mai abends 9 Uhr, fing die alte Linde in Delitzsch, vor dem Gasthofe meines Sohnes stehend, an zu brennen. Sie war sehr alt, schien auch einzugehen und war inwendig hohl. ... Vermutlich durch Kinder war der Brand entstanden. Die Linde wurde dann gefällt. Der Gasthof meines Sohnes hatte durch diese Linde den Namen „Gasthof zur grünen Linde" bekommen." Überblick über geschaffene Wohnsiedlungen in Delitzsch: 1934 Franz-Seldte-Siedlung (heute Friedenssiedlung) am Westrand der Stadt mit 60 Wohnungen; In der Muchowstraße (heute Uferstraße) 20 Siedlerstellen für unverschuldet Obdachlose, 1935 sollen hier weitere 20 Siedlerstellen geschaffen werden. Eisenbahnersiedlung zwischen Werbener Weg und Dübener Landstraße mit 10 Doppelhäusern. In der Hagedorn- und General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) sind die Häuser im Bau. Geplant ist eine Siedlung des NSKOV im Osten der Stadt; im Volksmund Frontkämpfersiedlung. Geplant ist eine Eisenbahnersiedlung an der Hermann-Löns-Straße mit 53 Wohnungen.
Das Heimat- und Brunnenfest am 25. und 26. Mai 1935 - Der historische Hintergrund
Bereits in der Besiedlung unseres Gebietes durch die Sorben-Wenden soll sich in Delitzsch, so die Legende, eine Kult- und Opferstätte mit einer geweihten Quelle, dem Heiligbrunnen, befunden haben. Als das Thüringer Reich im Jahre 531 unter dem Ansturm der Franken und Sachsen in der Schlacht bei Burgscheidungen zusammengebrochen war, sickerten in das fast menschenleere Gebiet die Sorben-Wenden von Osten her ein und drangen bis zur Saale vor. Hugo Martin, der sich ausführlich mit diesem Problem beschäftigt hat, vertrat die Ansicht, daß der Heiligbrunnen wahrscheinlich in die slawische, vielleicht sogar in die germanische Zeit unseres Gebietes zurückreicht. Urkundlich wird der Heiligbrunnen erstmalig im Jahre 1406 erwähnt. „Der Rat der Stadt Delitzsch kaufte 1406 eine große Wiese bei den heiligen Born von Offa von Slivin." (Heimatbilder, Beilage zum Delitzscher Tageblatt 1910 - 1914, S. 315) Nach der Sage wurden beim Heiligbrunnen Opferfeste gefeiert, zu denen der Fürst von seinem Sitze Gruna erschien. (Hugo Martin) „Über Jahrhunderte hinweg klang immer wieder aus sorbischwendischer Epoche her die Sage von der geweihten und heilkräftigen Quelle." (Aus der Rede des Bürgermeisters Dr. Baumgardt zur Brunnenweihe im Jahre 1935.) Tatsache ist, daß die Heilwirkung des Quellwassers in der Vergangenheit in Anspruch genommen wurde. „1735. Am 15. Juni trifft der 71jährige Herzog Heinrich von Merseburg mit seiner Gemahlin Elisabeth in Delitzsch ein, um hier die Brunnenkur zu gebrauchen." Erwiesen ist auch, daß die Quelle am alten Heiligbrunnen im Stadtpark geflossen ist. Die Quelle war gefaßt aus einem Rohr lief das klare Wasser ununterbrochen. Kinder haben oft daraus getrunken. Später, als das Wasser nicht mehr floß, konnte man neben dem Wasserbecken des alten Heiligbrunnen beobachten, daß Wasser aus dem Erdreich quoll und den Boden rötlich färbte, was auf den Eisengehalt des Wassers schließen läßt.
Der Neue Heiligbrunnen
In der Nähe der Oskar-Reime-Straße wurde durch Zufall eine eisenhaltige Quelle entdeckt. Eine Familie ließ im Garten einen Brunnen bohren und das Wasser von dem Delitzscher Lebensmittelchemiker Dr. Mischon untersuchen, der einen auffällig starken Eisengehalt feststellte und die Stadtverwaltung informierte. Man ließ dann auf städtischem Gelände an der Oskar-Reime-Straße bohren und traf auch nach mehreren Versuchen die Ader des heilkräftigen Wassers. Analysen ergaben, daß die Quelle den Vergleich mit Heilquellen bedeutender und bekannter Heilbäder nicht zu scheuen brauchte, so daß die Möglichkeit ihrer Nutzung für Heilzwecke möglich war. Die Stadtverwaltung veranlaßte, daß die Quelle in einem Brunnenhäuschen an ein Pumpwerk angeschlossen wurde, die Nutzung des heilkräftigen Wassers konnte erfolgen. Die Firma Dietrich in der Elisabethstraße übernahm das Abfüllen des Brunnens, so daß er auch als Heil- und Tafelwasser zum Versand gebracht werden konnte.
Das Moorbad
Für die Entwicklung der Stadt Delitzsch war das Auffinden eines ungemein heilkräftigen Moorbodens in der Loberaue von Bedeutung. Zum „Neuen Heiligbrunnen" kam hinzu, daß nun im Viktoriabad, der im Volksmunde bekannten „Warmbadeanstalt", Moorbäder für Heilzwecke verabreicht werden konnten. In einer Werbeschrift hieß es: „Delitzsch hat ein Eisenmoorbad und eine Stahlquelle als städtische Einrichtungen. Bei Gicht, Ischias, Rheuma, Frauenleiden heilen Moorbäder im städtischen Moorbad, im Viktoriabad. Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" ist ein vorzügliches Kur- und Tafelwasser. Trinken Sie den heilsprudelnden Quell und Sie sind gesund." Auf Grund dieser günstigen durch die Natur geschaffenen Bedingungen erschien die Vorstellung, aus Delitzsch „Bad Delitzsch" mit einem geregelten Kurbetrieb zu machen, berechtigt.
Die Nutzung historischer Traditionen und die Veränderung der Umweltbedingungen
Man war sich im Rathaus wohl bewußt, daß die Verwirklichung solch hochgesteckter Ziele die Schaffung günstiger Umweltbedingunge erforderte. Ein wesentlicher Faktor war die kluge und sinnvolle Gestaltung der Park- und Grünanlagen in Verbindung mit der Nutzung und Ausgestaltung der historischen mittelalterlichen Wehranlagen. Es kam die Losung auf: „Delitzsch, Stadt der mittelalterlichen Wehranlagen und neuzeitli chen Parks, Moorbad und Stahlquelle!" Mit großer Energie und lebhafter Anteilnahme und Mitarbeit der heimatverbundenen Bevölkerung ging man daran, die Parkanlagen am Moorbad, am Brunnenhaus in der Oskar-Reime-Straße, am Schlo und rings um den Wallgraben auszugestalten und zu verschönern. Viel hat dabei in rastloser Arbeit der Stadtobergartenmeister Kampf beigetragen. Delitzsch wurde immer mehr zu einer ansehenswerten Stadt, überall regte sich das Bestreben, unsere Heimatstadt immer schöner zu gestalten, wobei das Ziel, im Mai 1935 ein Heimat- und Brunnenfest zu veranstalten, außerordentlich aktivierend wirkte. Als Heimatfreund und hochherziger Gönner und Förderer der Bemühungen der Stadtverwaltung erwies sich Albert Böhme, Generaldirektor der Schokoladefabrik Böhme AG, der sowohl durch,' seine Spenden von etwa 15.000 RM zur Ausgestaltung des Geländes um das Moorbad, sowie weitere Spenden zum Bau des Brunnenhäuschens und mit einer Stiftung von 50.000 RM für den neuen Parkteil als auch durch sein gesamtes heimatliches Engagement maßgeblich half, die hohen Ziele des Bürgermeisters Dr. Baumgardt zu verwirklichen. Ihm zu Ehren wurden der neue Teil des Parkgis „Albert-Böhme-Park" und die Lindenstraße „Albert-Böhme-Straße" benannt. Der Chronist der Stadtverwaltung schrieb zum Heimat- und Brunnenfest selbst folgendes: „Am 25. Und 26. Mai erlebte Delitzsch ein Heimatfest, wie es ein solches seit Jahrzehnten nicht erlebt hat, ein Heimat- und Brunnenfest, denn mit dem Heimatfest war die Einweihung der neu entdeckten Stahlquelle, dem „Neuen Heiligbrunnen" verbunden. Am Sonnabend Mittag waren die Vorbereitungen getroffen. Auf dem Roßplatz waren 20 Fahnenmasten errichtet. Für die Abendbeleuchtung war eine Lichterkette mit 600 Lampen gespannt. Das Heimatfest nahm seinen Anfang am Sonnabend Mittag 12 Uhr mit dem Einzug des Türmers auf den Breiten Turm, während die Stadtsoldaten das Breite Tor besetzten und die Schwedensignale ertönten. Um 15. Uhr fand die Errichtung des Maibaumes der „Gemeinde Grünstraße" in feierlicher Weise statt. Mit Eintritt der Dunkelheit begann die Beleuchtung der Zwingergärten, Bestrahlung der historischen Gebäude, gegen 21 Uhr. Konzert, Tanz usw. beschlossen die Sonnabendfeierlichkeit. Der Sonntag wurde mit einem Gesangskonzert der Sängervereinigung im Stadtpark eröffnet. Um 10 Uhr wurden die Ehrengäste vom Bürgermeister Dr. Baumgardt im Rathaus empfangen. Hierauf ging es im feierlichen Zuge zum Neuen Heiligbrunnen, der seine Weihe erhielt. Eine eigens dazu vom Musikdirektor Straube komponierte Hymne, deren Text von Bürgermeister Dr. Baumgardt stammt, wurde vorgetragen, junge Mädchen schmückten den Brunnen mit Tannengewinden. Der Kreisleiter, Landrat und Bürgermeister hielten Ansprachen. Um 16 Uhr begann der Abmarsch des großen historischen Festzuges, der durch die Bitterfelder Straße zum Roßplatz und durch das Rosental nach dem Neuen Heiligbrunnen führte, wo der Herzog Heinrich durch den Bürgermeister empfangen wurde. Von hier ging es weiter: Schulze-Delitzsch-Ring, Pfortenstraße, Marktplatz, Hallesche Straße, Ritterstraße, Holzstraße ... fast durch die gesamte Stadt. Der Festzug mit seinen 60 Gruppen bildete natürlich das größte Interesse. An der Ausgestaltung dieses imposanten Umzuges haben sich alle Handwerksinnungen, die hier ansässige Industrie und das Gewerbe, sämtliche Vereine und Verbände beteiligt. 200 Jahre heimatlicher Geschichte sind, zu neuem Leben erweckt, an uns vorübergegangen. Da erschienen Landsknechte in den Straßen Delitzsch's, schwedische Dragoner zu Pferde konnten bestaunt werden. Der Herzogszug aus dem Jahre 1735 war nachgebildet worden. Delitzscher Schützen aus dem gleichen Jahre, Bürgergarde des Jahres 1848, Gruppen der alten Armee usw. marschierten auf. Recht interessant war auch die Gruppe „Im Wandel der Zeiten". Hier sahen wir die erste Eisenbahn, die Delitzsch durchfuhr, und den Schienenzepp, der unsere Stadt in Kürze durchrasen wird, naturgetreu nachgebildet. Unsere heimische Schokoladenindustrie führte uns durch schmackhafte Bilder in die Geheimnisse ihrer Künste ein. Alle Innungen waren durch historische Gruppen vertreten." Die zur Brunnenweihe vorgetragene Hymne, Text von Bürgermeister Dr. Baumgardt, Vertonung durch den gebürtigen Delitzscher, Musikdirektor Willy Straube, hat folgenden Wortlaut:
In unserer Mutter Erde gar tief und im stillen
sprudelt der Quell von Geheimnis gelenkt,
bis er vom forschenden Geist und vom Willen
menschlicher Kraft ward den Menschen geschenkt.
Rausche nun, Brunnen! Rinne nun, Quelle!
Lange die Erde umfangen dich hat.
Ströme vom Dunkel zur sonnigen Helle
als ein Geschenk unserer Heimatstadt.
Trage die Kräfte der Erde ins Freie, heile,
erquicke, erfrische, erneue!
Wir schenken dir Blumen und binden dir Kränze,
damit sich der Frühling der Erde vermählt.
Sei drum ein Wasser vom ewigen Lenze,
das noch den Alten zum Jünglinge stählt!
Zeuge von Delitzsch und kund` es dem Land,
hier ist die alte und heilige Stelle,
wo schon der serbische Opferstein stand.
Trage die Kräfte der Erde ins Freie,
heile erquicke, erfrische, erneue!
Die Stiftungsurkunde des Generaldirektor Albert Böhme hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Um meiner aufrichtigen Freude und herzlichen Anteilnahme an dem großen Aufschwung, den die Stadt nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler unter Ihrer zielbewußten und tatkräftigen Führung in Gemeinschaft mit den städtischen Körperschaften genommen hat, sichtbar Ausdruck zu geben und meine innige Verbundenheit mit der Stadt, auf deren Boden mein Lebenswerk erwuchs, besonders zu betonen, um die Delitzscher Einwohnerschaft noch sinnfälliger auf die Schönheiten ihrer engeren Heimat hinzuweisen und den werktätigen Volksgenossen die Möglichkeit natumaher Entspannung nach des Tages Arbeit in den schönen Anlagen der Stadt zu verschaffen, um die Entwicklung von Delitzsch zum Kurort zu fördern und den auswärtigen Gästen außer den Kur- und Heilmitteln der segenspendenden Erde eine neue Stätte der Erholung und damit der Genesung zu schenken sowie zur bleibenden. Erinnerung an die Weihe der Delitzscher Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" am 26. Mai 1935überwies ich Ihnen zum heutigen Tage eine Stiftung von 50.000 RM. Diese Stiftung ist bestimmt, um den Ring der Delitzscher Grünanlagen zwischen dem Stadtpark und dem Naturpark am Stahlbrunnen zu schließen. In diesen neuen Anlagen soll sich inmitten gartenkünstlerischer Gestaltung ein Brunnenmonument erheben, das die segnende Kraft der Natur versinnbildlicht. Um gleichzeitig der deutschen Künstlerschaft zu dienen, bitte ich, für deutsche Bildhauer und Gartenkünstler ein Preisausschreiben, dessen Art und Umfang ich Ihnen anheimstelle, zu veranstalten. Möge meine Stiftung der Stadt Delitzsch allzeit zu Ruhm und Segen gedeihen!" Auf Grund dieser Stiftung erfolgte dann nach dem Heimatfest die Erweiterung des Parkgeländes in der Loberaue und die Errichtung des von dem Leipziger Bildhauer Alf. Brumme geschaffenen Monuments, die ,;Genesung". Man kann sagen, daß das Erschließen der Heilmöglichkeiten durch Moorbad und Stahlquelle, die Erweiterung und Verschönerung der Park- und Grünanlagen und die bewußte Pflege des historischen Erbgutes, besonders in Form des unschätzbaren Wertes der mittelalterlichen Wehranlagen, sehr positiv auf das Heimatgefühl und auch den Stolz der Bürger auf ihre schöne Stadt wirkten. Nicht zuletzt wird das durch die rege Anteilnahme der Einwohner, ihrem eigenen Bemühen zur Pflege und dem Schmuck ihrer Wohnstätten bewiesen.
Epilog
Leider wurde diese für die Stadt Delitzsch so erfolgversprechende Entwicklung nicht fortgesetzt, wofür es eine Reihe von Gründen gab. Als man im November 1935 den Bürgermeister Dr. Baumgardt nicht wieder als 1. Bürgermeister bestätigte und er nach Bayern ging, um dort als Syndikus in einem Wirtschaftsunternehmen tätig zu sein, fehlte der große Initiator. Der neue Bürgermeister Dr. Frey hatte nicht jene Heimatbeziehung, er hatte andere Aufgaben, die den Zielen der NSDAP im Hinblick auf militärische Ambitionen entsprachen. Die Aggressionen, der IL Weltkrieg, taten ein übriges, um das friedliche Werk in Delitzsch, das mit solch hoher Hingabe und Leidenschaft in Angriff genommen war, zu beenden. Die Stahlquelle und das Brunnenhäuschen gibt es nicht mehr. Das Viktoriabad mit seinen heilkräftigen Moorbädern ist verfallen, geblieben ist die Erinnerung. Vielleicht gibt es einmal Möglichkeiten und verständnisvolle Stadtväter, die sich dieser damals so verheißungsvollen Sache annehmen, denn sicher ist, daß das heilkräftige Wasser im Innern der Erde nicht versiegt ist, und es ist auch sicher, daß das Moorvorkommen in mächtigen Lagern in der Loberaue „für mehr als 100 Jahre reicht", wie der Bürgermeister Dr. Baumgardt damals sagte.
1935 Juni
Am 1. und 2. Juni findet ein Kreisappell der NSDAP statt mit dem Aufmarsch aller Formationen, wie z. B. Politische Leiter, SA, SS, HJ. BDM, Frauenschaft. Appell der 1500 Arbeitsmänner des Arbeitsdienstes. In Delitzsch bestehen z. Zt. zwei Lichtspieltheater; das Ring-Theater auf dem Markt (gegründet 1910) und das Astoria-Theater in der Halleschen Straße (später Capitol, gegründet 1911). Das Thermometer steigt am 12. Juni auf 35° im Schatten. In der Kreishandwerkerschaft sind 1850 selbständige Handwerker erfaßt. In Delitzsch werden am 17. Juni die Flaggen auf Halbmast gesetzt, nachdem bei einer Explosion im Sprengstoffwerk Reinsdorf bei Wittenberg 60 Arbeiter tödlich verunglücken. Zum Lober: Die Wasserverwertungsgenossenschaft behauptet, alle erdenklichen Sicherheiten im Berieselungsgelände getroffen zu haben, um ein Abfließen. des Rieselwassers in den Lober zu vermeiden. „Es läßt sich jedoch nicht umgehen, daß die Abwässer der kleineren Ortschaften, die der Lober berührt, hineingeleitet werden, wie das überall in derartigen Flußläufen üblich ist. Der Geruch des Wassers, z. B. an der Elberitzmühle, ist zur Zeit vollkommen einwandfrei. Auch unser Freibad dort wird mit gesundem Wasser beliefert." Die Tatsachen waren anders! Auch der Einbau eines Kies- und Koksfilters war vergeblich! (A. Schirmer Der „Kreisverband der Feuerwehren" ist mit einem „Fliegeralarm" und einer Luftschutzübung verbunden. Ende Juni findet der traditionelle Peter-und-Paul-Markt, verbunden mit einem Kurkonzert und mit Illumination der historischen Gebäude, statt. Die Kartoffelpreise werden auf 6,70 bis 7,50 RM pro 50 kg festgelegt. Höchstpreis für ein Pfund ist 11 Rpf. 3200 „Pimpfe" befinden sich im Freizeitlager. Der Sinn und die Aufgabe der Jungvolklager besteht darin, zur Kameradschaft, zum Nationalsozialismus in der Lagergemeinschaft zu erziehen. Aus einem Gedicht:
„Unser Wille wird hart,
unsere Faust wird stark,
das Schwert zu schwingen,
um Deutschland zu ringen
zu ewiger Freiheit."
Der Kassenabschluß für das Rechnungsjahr 1934 der Stadt ergibt Mehrausgaben in Höhe von 168.718,90 RM. Arbeitsverhältnisse der Stadt am 12. Juli: Wohlfahrtserwerbslose, Zusatzunterstützungsempfänger und sonstige Hilfsbedürftige = 354 Personen Der Bürgermeister erklärt in einer Zuschrift für die Delitzscher Zeitung zum Delitzscher Freibad an der Elberitzmühle: ... die Wasserverhältnisse sind gegenüber dem Vorjahr erheblich schlechter geworden. Der Einnahmerückgang rührt von der Verschlammung des Lobers her. Die Verschlechterung der Delitzscher Freibadeverhältnisse ist nicht von der Stadt zu verantworten. Es bleibt nur die Frage der Speisung des Elberitzbades durch dazu erbaute Brunnen. Das erfordert einen Kostenaufwand von mindestens 3000 RM. Bei Brunnenspeisung muß das Elberitzbad womöglich völlig ausbetoniert werden." Am 22. Juli erfolgt der erste Spatenstich zur „Frontkämpfersiedlung" (Friedenssiedlung) an der Halleschen Landstraße. Es sollen 42 Siedlungen zu je 1250 m2 entstehen. Das Arbeitsdienstlager in der Walzenmühle wird aufgelöst. Es erfolgt die Übersiedlung nach Hohenprießnitz. Die Delitzscher Zeitung berichtet am 28. Juli darüber, daß auch in Delitzsch der „Kampf gegen das Judentum" geführt wird. Vor der Post in der Eilenburger Straße wurde ein Schaukasten angebracht, in dem der „Stürmer", das Organ des Frankenführers Julius Streicher, ausgehängt und wöchentlich erneuert wird. Das Reichsbürgergesetz und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" machen die Juden zu Bürgem zweiter Klasse . Damit ist die Basis zur Judenverfolgung geschaffen. In Delitzsch sind jüdische Familien seßhaft, so u. a. die Kaufleute Salomon Markt 8, Pinkus Dübener Straße und Jacobsohn Breite Straße 1 sowie die Lebensmittelhändler Schade und Füllgrube Eilenburger Straße 9. Die Familie Jacobsohn gehörte, zu denen, die jährlich für je fünf Jungen und Mädchen die völlige Einkleidung zur Konfirmation übernahmen. Die Empfehlung gab dazu der Kirchenrat der evangelischen Kirche.
1935 August
Der Turnverein von 1845 begeht am 08. August seinen 90. Geburtstag, 600 Turner streiten um den Eichenkranz. Der Stenograf Walter Weber erreicht im Leistungsschreiben bei 220 Silben/Minute das Prädikat „Hervorragend". Der „Fliegende Frankfurter", ein. Schnellzug, durchfährt am 13. August mit einem Tempo von 120 - 130 km/h Delitzsch, was zahlreiche Schaulustige an der Strecke beobachten. Gemäß der Anordnung des Innenministers wird die Delitzscher Loge „Wilhelm zur Liebe und Treue" aufgelöst, das Vermögen wird eingezogen. Die SA beendet nach einem Gepäckmarsch (10 kg Gepäck) über zehn Kilometer mit Schießen, weltanschauliche Schulung, 1000-mQuerfeldeinlauf und Propagandaumzug den „Reichswettkampf der SA". Zitat aus der Delitzscher Zeitung vom 21. August: „Im ganzen Reich führt die Hitlerjugend Freizeitlager durch. Die jungen Arbeiter der Stirn und der Faust kommen hier zusammen, um sich unter sachkundiger Führung zu erholen und für ihren Beruf vorzubereiten." Zu Naturdenkmälern werden erklärt: Die Lindenallee am Schulze-Delitzsch-Ring nördlich des Schlosses, an der 81 im Jahre 1876 gepflanzte Bäume stehen. Die alten Linden am Kaiser-Wilhelm-Ring, vom Roßplatz bis zur Stadtmühle, die teilweise schon 200 Jahre stehen. Eine Linde in der Nähe des Viktoriabades, die 200 Jahre alt ist. Eine Schwarzpappel und eine Hainbuche im Rosental. Am 28. August findet eine Schulung der Vertrauensleute der Deutschen Arbeitsfront statt. In solchen häufig stattfindenden Schulungen geht es vor allem um Probleme der nationalsozialistischen Weltanschauung, um die Begründung der Rassentheorie und um den Kampf gegen das Judentum. Der Schulrat Sämisch beendet am 31. August seine Tätigkeit und geht in den Ruhestand.
1935 September
Im RAW erfolgt am 01. September die feierliche Einweihung eines Ehrenmals für die gefallenen Werksangehörigen des I. Weltkrieges. Aus der Sitzung des Gemeinderates vom 11. September: Hauptamtlich tätig sind der Bürgermeister und der 1. Beigeordnete. Ehrenamtlich sind vier Beigeordnete tätig sowie 15 Gemeinderäte. Man beschließt die Verleihung des Titels „Stadtältester". Die Kursaison 1935 wird am 30. September beendet. Die Stahlquelle wird am 01. Oktober geschlossen und soll am 01. April 1936 wieder geöffnet werden. Am Brunnenpark hat man die in den Park einschneidenden Gärten angekauft und störende Zäune entfernt Der Durchbruch durch die Schloßumwallung ist fertig. Die Vorbereitungen für den neuen Parkteil sind in vollem Gange, ausgeschrieben sind Wettbewerbe zur Parkgestaltung und zum Brunnenmonument, das die „Genesung" darstellen soll. Zitat aus der Delitzscher Zeitung: „Im nächsten Jahre wird auch dieser neue Parkteil wohl der Öffentlichkeit schon zugänglich sein, dann sind die Ringanlagen durch den Brunnenpark und den neuen Park mit dem alten Stadtpark zu einem wundervollen und großen Spaziergange verbunden, und die Stadt Delitzsch verfügt über Grünanlagen wie kaum eine andere Stadt gleicher Größe." In Delitzsch flaggt man entsprechend zentraler Weisungen nur noch die Hakenkreuzflagge. An den Schulen begeht man den „Tag des Deutschen Volkstums", es geht um das Deutschtum im Ausland.
1935 Oktober
In Delitzsch führt der Bund Deutscher Mädel am 1. Oktober ein großes Sportfest durch. In den NS-Jugendverbänden spielt der Sport eine große Rolle, zunehmend wird er als Mittel zur Wehrertüchtigung erklärt. Im Kreis Delitzsch gibt es z. Zt. 3753 bäuerliche Betriebe:
0,5- |
2,0 ha |
= |
1150 |
2,0- |
5,0 ha |
= |
86 |
5,0- |
20,0 ha |
= |
1231 |
20,0- |
50,0 ha |
= |
677 |
50,0- |
100,0 ha |
= |
133 |
über |
100,0 ha |
= |
76 |
Die Schulgemeinde Oberrealschule kommt zusammen, um über die „Schülerauslese in geistiger, körperlicher, charakterlicher und völkischer Hinsicht" zu beraten. Man eröffnet das Winterhilfswerk. Aus der Rede Hitlers: „Machtmäßig ist der Klassenkampf in Deutschland beseitigt, d. h., es ist niemand mehr da, der ihn zu führen in der Lage wäre." Im Osten der Stadt begeht man am 14. Oktober das Richtfest der Frontkämpfersiedlung (heute Ostsiedlung). 30 Siedlungshäuser werden errichtet. Die Arbeiten für den neuen Parkteil zwischen Rosental und Stadtpark und die Ausführung des Brunnenmonuments werden in Angriff genommen. Grundlage ist die Stiftung von Albert Böhme in Höhe von 50.000 RM. Gesamtfläche: 48.000 m2. Das Monument aus neinweißem Laaser Marmor ist 3 W m hoch auf einem Sockel von 1 m. Sein Schöpfer ist der Leipziger Bildhauer Alf. Brumme. Die Parkgestaltung übernimmt die Fa. Poenicke, Delitzsch. Der Gesangsverein „Anion" begeht am 17. Oktober sein 50jähriges Stiftungsfest. Gegründet wurde der Männergesangsverein am 31. Oktober 1885 durch 18 Turner des Turnvereins von 1845. Ein Mitglied war der Heimatforscher Oskar Reime, zu den Gründern gehörte der Baumeister Max Zerner. Es besteht eine Patenschaft mit dem Pfälzer Weinort Alsterweiler und dem Weinbauort Niernstein in Rheinhessen. Losung zum „Fest der deutschen Traube und des Weines": Jeder Volksgenosse trinkt Patenwein!" Auf Grund der neuen Gemeindeordnung werden durch den „Beauftragten der NSDAP", den Kreisleiter, die 15 neuen Ratsherren berufen. Im Heimatmuseum richtet man ein: Vorgeschichtliche Abteilung - neue Vitrinen, reichliches Bildmaterial; Neugestaltung des kirchlichen und des Kaminzimmers im 1. Stockwerk, den ehemaligen Räumen der Herzoginwitwe Christiane; im 3. Stockwerk Stadtgeschichte, Waffensammlung, Innungswesen, Bauernkultur, Winterfütterungsgeräte, Sammlung heimischer Insekten. Die Fa. Poenicke stiftet zur Verschönerung des Brunnenparkes:
250 Ligustrum vulgare im Rosental
80 Ziersträucher im Rosental
500 Ziersträucher als Deckung bei Gärtnerei Naujokat
8 Taxus baccata für das Brunnenbecken
6 Pinus montana am Eingang zum Park. Zur bäuerlichen Berufsausbildung richtet man in Delitzsch eine „Bäuerliche Werkschule" ein. Die Schulden im Kreis Delitzsch belaufen sich auf 2.034.000 RM.
1935 November
Superintendent Fries, der 1934 von seinen Dienstpflichten entbunden worden war, übernimmt am 01. November wieder die Superintendenturgeschäfte. Gemäß einer Verordnung des Innenministers kommen für Delitzsch 17 Polizeivollzugsbeamte in Betracht, bei etwa 17.000 Einwohnern auf 1000 Einwohner ein Beamter. Im Kreis Delitzsch gibt es gegenwärtig 3759 Kraftfahrzeuge, davon:
8 Kraftomnibusse 269 Lastkraftwagen
6 Feuerlöschwagen 1 Straßenreinigungsmaschine
133 Zugmaschinen
Der Beauftragte der NSDAP, Kreisleiter Schimpff, schlägt als neuen Bürgermeister Dr. Wilfried Frey vor. Er wird am 14. November 1935 in sein Amt eingeführt. Dr. Frey gehört der NSDAP seit dem 01. Juli 1931 an, war zuletzt in der Stadtverwaltung Halle tätig, ist Mitglied der Gauleitung Halle/Merseburg der NSDAP. Die Stadtverwaltung soll nun wie folgt aussehen: Bürgermeister - Dr. Frey, 1. Beigeordneter - Dr. Baumgardt vier ehrenamtliche Beigeordnete, 15 Ratsherren. Am 14. November überreicht der Landrat Meister in der feierlichen Einführung Dr. Frey die Anstellungsurkunde. Dem Bürgermeister Dr. Frey werden drei Hauptaufgaben gestellt:
1. Die Sorge um die Finanzen;
2. Veränderung der ungünstigen Steuerentwicklung;
3. Die endgültige Beseitigung der Arbeitslosigkeit.
Er trägt die volle Verantwortung entsprechend des Führerprinzips, vertritt allein die Gemeinde, ist der Vorgesetzte aller Beamten, Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung. Neben Reden der Offiziellen spricht Stadtrat Kiehler dem bisherigen Bürgermeister Dr. Baumgardt den Dank für seine vorbildliche Arbeit in bewegten Worten aus. Dr. Baumgardt nimmt die Funktion des Beigeordneten nicht wahr, er geht nach Bayern, um dort in einem Unternehmen als Syndikus tätig zu sein. In der historischen „Gemeinde Grünstraße" pflanzt man eine Linde. Es wird eine Urkunde in einem Behälter in das Pflanzloch gelegt. Der Lindenspruch, verfaßt von Friedrich Horn, lautet:
Linde Du, grüne!
Linde Du, blühe!
Recke zum Himmel kräftige Äste,
Strecke die Wurzeln in heiliges Land! Herzblätter treibe,
Blütenduft steige,
Vogellied schalle in Zweigen,
Kinder vereine zum Reigen!
Väter einst pflanzten,
Kinder umtanzten
Heiliger Linde grünenden Stamm,
Zukunft wird lehren,
Was wir begehren:
Pfingstbier mit Tanz um den Lindenbaum.
Es ist die Auflösung des „Stahlhelm" vollzogen worden. Den Stahlhelmern, die die militärischen Traditionen pflegen wollen, wird empfohlen, in den „Reichskriegerbund Kyffhäuser" einzutreten. Man beginnt mit der Verkabelung durch das Elektrizitätswerk, damit verschwinden die Oberleitungen und Lichtmaste zunächst in der Halleschen Straße, der Ritterstraße, der Breiten Straße, Eilenburger und Bitterfelder Straße. Berufs- und soziale Struktur in Delitzsch am 25. November: Erwerbspersonen = 7396 von etwa 17.000 Einwohnern
Arbeiter |
= |
59,7 % |
Angestellte |
= |
13,9 & |
Beamte und Soldaten |
= |
5,6 % |
Beschäftigte in Industrie und Handwerk |
= |
51,1 % |
Beschäftigte in Handel und Verkehr |
= |
31,1 % |
|
|
|
Vor zwei Jahren wurde die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" gegründet. Die Zielstellung lautet: „Mithelfen, um dem schaffenden Menschen die Kraft zu geben für den schweren Existenzkampf. Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude bahnt den Weg in die neue nationalsozialistische Weltanschauung!"
1935 Dezember
Struktur des Kreises Delitzsch:
Fläche |
= |
760 km |
Bevölkerungsdichte |
= |
105 Einwohner/m² |
(Reichsdurchschnitt 140) |
||
Landwirtschaftliche Nutzfläche |
= |
86,0 % |
Ackerland |
= |
77,0% |
Wiesen und Forsten |
= |
8,0% |
(Reichsdurchschnitt 27 %, Provinz Sachsen 22 %) |
||
Oed- und Umland |
= |
0,5% |
|
|
|
Die Loge im Hotel zum Schwan wird am 16. Dezember zur Besichtigung freigegeben. Der Redner Oßwald aus Halle behauptet, die Loge sei ein Produkt des Judentums, das sei „das Judentum in allen seinen Verkleidungen und verschiedenen Formen. Die Logen dienten der Entrassung der intellektuellen Schichten". Die NSDAP führt am 18. Dezember im Café Bismarck eine Sitzung mit den Vereinsführern der etwa 120 Vereine, Fachschaften und Kameradschaften durch. Das Ziel ist, die Vereine näher an die nationalsozialistische Bewegung heranzuführen. Im Schokoladenwerk Böhme AG erhalten etwa 700 Gefolgschaftsmitglieder eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 18.000 RM. Das ist seit 30 Jahren in diesem Werk Tradition. Das 1894 durch die Gebrüder Böhme gegründete Unternehmen entwickelte sich aus den kleinsten Anfängen zu einem für die Stadt Delitzsch bedeutenden Industriebetrieb. Von 1933 an stieg die Anzahl der Beschäftigten von 413 auf 591 und schließlich auf 700 an, die hier Arbeit und Brot fanden. Für die Stadt Delitzsch war das Unternehmen wegen des Mangels an größeren Industriebetrieben einer der wichtigsten Steuerzahler.
1935 Zusammenfassung des Jahres
Im Jahre 1935 festigte die NSDAP ihre diktatorische Herrschaft weiter. Mit dem Abstimmungssieg an der Saar für Deutschland am 13. 01. 1935 wurde ein bedeutender Erfolg erzielt, nachdem die NS-Führung mit zielstrebigen propagandistischen Aktionen darauf hingearbeitet hatte. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt und der Hervorhebung von vielfältigen Aktionen zum Abbau der Bestimmungen des Versailler Vertrages, u. a. der Wiederherstellung der Wehrhoheit, wurden die nationalen Gefühle der Bevölkerung wesentlich beeinflußt. Die Machtkonzentration der Regierung Hitlers vollzog sich weiter, föderalistische Tendenzen wurden durch das Reichsstatthaltergesetz beseitigt. Der Kampf gegen das Judentum verstärkte sich weiter. Man verlangte den Nachweis der arischen Abstammung und setzte die Politik der Ausschaltung, ja der Vernichtung des Judentums fort. Politische Gegner wurden verhaftet, auch kirchliche Einrichtungen, die sich gegen die NSDAP-Ideologie wandten, verfielen der Verfolgung, so die Anhänger der Bekenntniskirche. Der Aufbau der Wehrmacht vollzog sich in raschem Tempo, im Februar 1935 beschloß man den Aufbau der Luftwaffe, im März das Gesetz über die Errichtung der Wehrmacht und im Mai 1935 wurde die Militärdienstpflicht sowie die Einrichtung des Generalstabes des Heeres verkündet. Alle diese Maßnahmen waren mit Angeboten zu Nichtangriffspakten verbunden. Militärische Traditionen, die Betonung des Preußentums und die Zuwendung zu germanischen geschichtlichen Überlieferungen wurden in den Dienst der Erziehung der Jugend und der Beeinflussung des nationalen Denkens der Bevölkerung gestellt. In der Delitzscher Zeitung gab es kaum Bemerkungen über Konzentrationslager, nur zweimal erschienen kurze Notizen über die Errichtung des KZ Sachsenhausen und des KZ Buchenwald. Im Herbst 1935 verkündete man in Nürnberg die antisemitischen Gesetze. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Bau von Wohnsiedlungen zu günsti gen Bedingungen verfehlten ihre Wirkung auf die Bevölkerung der Stadt Delitzsch nicht. So wurde auch die NSDAP durch den überwiegenden Teil der Bevölkerung akzeptiert, zumal auch oppositionelle Tendenzen rigoros unterdrückt wurden. Vor allem war aber das Denken der Menschen auf die Veränderungen in Delitzsch gerichtet. Die Einrichtung des Moorbades in Verbindung mit der umfassenden Verschönerung und Pflege der Grünanlagen wurden sehr begrüßt. Das Heimatgefühl und der Stolz auf das mittelalterliche Erbe Delitzsch's verstärkten sich und interessierten mehr als die große Politik. Der sehr aktive, kluge Bürgermeister Dr. Baumgardt widmete sich mit großer Hingabe dem Ziel, in Delitzsch einen Kurbetrieb aufzubauen, zumal in der Oskar-Reime-Straße eine Stahlquelle mit hervorragenden Heilwirkungen erschlossen wurde. Sehr bedauerlich war, daß das Loberwasser im Zusammenhang mit der Berieselung der Felder mit Leipziger Abwässern verunreinigt wurde, so daß nicht nur der einst sehr umfangreiche Fischbestand zugrunde ging; sondern daß auch die Speisung des Elberitzbades mit Loberwasser nicht mehr erfolgen konnte. Doch es dominierten die Bestrebungen, aus unserer Stadt „Bad Delitzsch" mit einem geregelten Kurbetrieb zu machen. Delitzsch wurde eine schmucke Stadt, wobei die Bevölkerung mitwirkte. Der Generaldirektor der Schokoladenfabrik, Albert Böhme, unterstützte mit mehrfachen Stiftungen das Bestreben des Bürgermeisters Dr. Baumgardt, unsere Stadt immer schöner und anziehender zu machen. Man muß bedauern, daß auf Veranlassung des „Beauftragten der NSDAP" Dr. Baumgardt im November 1935 nicht wieder zum 1. Bürgermeister bestätigt wurde, so daß der Initiator fehlte und das so hoffnungsvoll begonnene Werk des Kurbetriebes nach und nach verfiel und, als Deutschland den H. Weltkrieg entfesselte, völlig unterging. Der Chronist muß auf das große Heimat- und Brunnenfest ausdrücklich aufmerksam machen, das zum Höhepunkt des Jahres 1935 wurde. Auch hier hatte Albert Böhme mit einer Stiftung von 50.000 RM dazu beigetragen, daß die hochgesteckten Ziele zur umfassenden Verschönerung der Stadt und ihrer Anlagen und zur Pflege der historischen Traditionen verwirklicht werden konnten. Für den aufmerksamen, kritischen Betrachter zeichneten sich die militärischen Ambitionen der Regierung Adolf Hitlers deutlicher ab. In der Presse erschienen immer zahlreicher Veröffentlichungen militärischen Inhalts, so z. B. die Indienststellungen von Kriegsschiffen, Bilder von Geschwadern der Luftwaffe oder von Panzerverbänden. Die Jugend war für die Ideen der NS-Führung gewonnen und folgte der nationalen Propaganda des Nationalsozialismus, einschließlich der Ansprüche auf die Rückgabe des ehemaligen Kolonialbesitzes des Deutschen Kaiserreiches sowie der Heimführung der Deutschen im Ausland, ohne sich der furchtbaren Konsequenzen einer auf den IL Weltkrieg gerichteten Politik bewußt zu sein.
1936
1936 Januar
Am 01. Januar wird das „Wehrmeldeamt Delitzsch" eingerichtet Die Delitzscher Freiwillige Feuerwehr begeht am 05. Januar den 75. Jahrestag ihres Bestehens. „Die Delitzscher Feuerwehr ist aus dem Turnverein 1845 hervorgegangen und wurde am 03. Dezember 1860 von 18 Turnern gegründet. Der erste Führer war Kaufmann August Rathmann. Im Jahre 1865 wurde der Kaufmann Gustav Schulze zum Wehrführer gewählt. Unter Kaufmann Schulze entwickelte sich die Delitzscher Feuerwehr immer mehr zu einer Mustertruppe, wie sie in Städten gleicher Größe kaum nochmals vorhanden war. Im hohen Alter von 77 Jahren legte Branddirektor Gustav Schulze im Jahre 1915 sein Amt in jüngere Hände. Sein Nachfolger war der Kaufmann Friedrich Wilhelm Schulze, der das Amt des Wehrführers bis zu seinem Tode 1925 führte. Unter der energischen Führung von Branddirektor Mietzsch, der seit 1925 der Wehr bis zum heutigen Tag vorsteht, setzte eine erneute Aufwärtsentwicklung ein.
1927 Anschaffung einer Motorspritze und einer Alarmanlage;
1928 Anschaffung eines provisorischen Mannschaftswagens;
1930 Bau eines modernen Gerätehauses;
1935 Erwerb eines modernen Mannschaftswagens."
Der Männergesangsverein „Arion" erhält die „Zelter-Plakette" vom Reichsminister für Kunst und Wissenschaft für Verdienste um das „Deutsche Lied" verliehen. Die Delitzscher Freimaurerloge wird am 06. Januar zur Besichtigung freigegeben. „Die Delitzscher Loge „Wilhelm zur Liebe und Treue", die sich im Hotel „Schwan" befand, wurde in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet. Zur Zeit ihrer Blüte zählte sie etwa 70 Mitglieder." Am 13. Januar begeht man den 1. Jahrestag der Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland auch in Delitzsch. Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht einen Rückblick auf die große Saarkundgebung in Saarbrücken. Am 15. Januar beginnt der „Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend".
Einwohner in Delitzsch:
zu Beginn 1934 |
= |
16797 Einwohner |
zu Beginn 1935 |
= |
16951 Einwohner |
am 31. 12. 1935 |
= |
17065 Einwohner |
Die katholische Gemeinde will mit Hilfe eines Zuschusses des Bonifaziusvereins ein großes Gotteshaus, das etwa 350 Sitzplätze haben soll, errichten lassen. In der Oberrealschule findet am 30. Januar eine Feier aus Anlaß der Machtübernahme der NSDAP vor drei Jahren statt. Man hißt die Hitler-Jugend-Fahne-auf dem Schulgebäude. Es findet ein Umzug durch die Stadt und eine „Großveranstaltung" im Schützenhaus mit dem Anhören der Ansprache Hitlers statt. Es häufen sich Berichte in der Zeitung mit militärischem Inhalt, wie: „Kampfbereitschaft der Roten Armee. Gewaltiger Rüstungsstand der Sowjetunion." „Gewaltige Aufrüstung Englands." „Der erste Kampf von Großkampfschiffen in der Schlacht an der Doggerbank am 24. 01. 1915."
1936 Februar
Die NSDAP veranstaltet am 01. Februar eine Kundgebung mit den Betriebsführern und Betriebsräten. Zitate aus der Rede des Gauwalters: „Zwei Welten stehen sich heute im Kampf um Sein und Nichtsein gegenüber, der Marxismus und der Nationalsozialismus." „Durch Blut und Eisen sind wir alle eine Gemeinschaft..." „Ohne Arbeit keine Leistung und ohne Leistung keine Persönlichkeit!" Ergebnisse einer Bodennutzungserhebung für den Kreis Delitzsch:
Gesamtfläche |
= |
75.487 ha |
Ackerland |
= |
58.487 ha |
Viehweiden |
= |
5.289 ha |
Forsten und Holzung |
= |
5.418 ha |
Haus- und Hofräume, |
|
|
Moor, Öd- und Wegland |
= |
4.630 ha |
Gartenland |
= |
841 ha |
Obstanlagen |
= |
83 ha |
Nach der Pensionierung des Schulrates Sehmisch wird Rektor Sieben zum kommissarischen Schulrat ernannt. Der Haushaltsplan des Kreises weist erstmalig keinen Fehlbetrag auf. Man führt auf dem Roßplatz ein „Gemeinschaftsessen" durch. Für 50 Pfennige erhält man zwei Portionen aus den Gulaschkanonen, „eine für sich, eine für einen Bedürftigen". Das Schulorchester der Oberrealschule veranstaltet ein Konzert mit Werken von Mozart, Haydn, Humperdinck und Beethoven. Die Leitung hat Hermann Curth. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" bringt im Schützenhaus ein Lustspiel „Krach im Hinterhaus" zur Aufführung. An der Reifeprüfung der Oberrealschule nehmen fünf Prüflinge, darunter ein Mädchen, teil.
1936 März
Im Winterhilfswerk werden in Delitzsch 5.489,58 RM gesammelt. Die NS-Frauenschaft führt eine „Pfundtütensammlung" für Bedürftige durch. Losung zum 08. März: „Am 08. März hält jeder Schritt, Herr Eintopf bringt den Löffel mit!" Man begeht den „Heldengedenktag" in Delitzsch. Der Redner: „Wir haben wieder ein Deutschland, für das zu leben, und wenn nötig, auch zu sterben, das höchste Glück eines Deutschen ist." In der Hitlerjugend wird ein Lied gesungen, aus dem zitiert werden soll:
„Kein schön'rer Tod ist auf der Welt,
Als wer vorm Feind erschlagen ...
Im engen Bett nur einer allein
Muß an den Todesreihen,
Hier findet er Gesellschaft fein,
Falln wie die Kräuter im Maien."
In Delitzsch beginnt die NSDAP mit den Wahlveranstaltungen zur Reichstagswahl. Eine Losung lautet: „Am 15. März trägt jeder die WHW-Plakette mit dem Kopf des Führers!" Aus den Wahlveranstaltungen: Betriebsappell der Zuckerfabrik und der Delitzscher Rübensamenzucht. Großveranstaltung im Schützenbaus mit dem Reichsredner Dill. Frauenwahlkundgebung. „Das mitteldeutsche Handwerk geschlossen hinter dem Führer." - Kundgebung mit Gauleiter Jordan. Wahlappell im Reichsbahnausbesserungswerk. Eine Viehzählung im Kreise Delitzsch ergibt folgendes:
7.918 |
Pferde |
42 |
Maultiere |
32.407 |
Rindvieh |
21.344 |
Schafe |
5.414 |
Ziegen |
2.493 |
Bienenstöcke |
2.172 |
Schweine |
188.696 |
Hühner, Gänse und Enten |
Die General-Maercker-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) wird hergerichtet, sie erhält einen geschotterten Fahrdamm und befestigte Fußwege. In den Behörden wird die Führerrede zur Wahl im Gemeinschaftsempfang angehört. Die Kreissparkasse kann auf eine günstige Entwicklung verweisen. Im Geschäftsbericht für 1934 werden eine Bilanzsumme von 14,8 Mio. RM und Spareinlagen in Höbe von 10,8 Mio. RM ausgewiesen. Auch bei der Stadtsparkasse sind Steigerungen erzielt worden. Zur Zeit gibt es in Delitzsch noch 64 Wohlfahrtserwerbslose. Ergebnisse der Reichstagswahl in Delitzsch: für Hitler 11.233; gegen 288. Der Haushalt der Stadt schließt mit Einnahmen und Ausgaben von 2.060.479 RM ab. Der Museumsverein heißt jetzt „Delitzscher Museums- und Heimatverein". Der Vereinsführer ist Friedrich Horn. Die beiden Luftschiffe Z I und II überfliegen in der Nacht die Stadt Delitzsch. Viele Delitzscher beobachten die nächtliche Fahrt. Rektor Hansjürgens tritt in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Richard Sämisch. Rektor Hansjürgens war fast 25 Jahre Leiter der Knabenvolksschule, zugleich Leiter der Gewerblichen und der Kaufmännischen Fortbildungsschule. Er richtet eine Hilfsschule ein und leitete als Regierungskommissar den Aufbau der Höheren Töchterschule zur Mittelschule. Er war Stadtverordneter und zeitweilig Vorsteher. Der Gewerbeoberlehrer Scharruhn tritt nach 35jähriger Tätigkeit in Delitzsch in den Ruhestand. Er war früher Stadtverordneter und zeitweilig Vorsteher.
1936 April
Im „Roten Kreuz" in Delitzsch sind 369 Frauen tätig. Aus Gründen der Einsparung von Kosten werden im Kreis Delitzsch Gemeinden zusammengelegt, u. a.:
Badrina - zusammengelegt aus Badrina und Scholitz (494)
Gollma - zusammengelegt aus Gollma und Schwätz (1044)
Gütz - zusammengelegt aus Gütz und Roitzschgen (819)
Kyhna - zusammengelegt aus Großkyhna und Kleinkyhna (566)
Die Gastwirtschaft „Stadt Berlin" besteht am 12. April 100 Jahre. „Schon lange wurde in diesem Haus Bier gebraut und getrunken, denn es ist ein altes Brauhaus, das wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammt. Wie alte Urkunden beweisen, wurde schon 1818 Bier und Brandwein hier verkauft. Der Magistrat genehmigte jedoch erst am 12. April 1836 die „Errichtung einer Wirtschaft in der damaligen Hintergasse". Der Drechslermeister Heinrich Ufer war der Begründer der Gastwirtschaft und nannte sie „Stadt Berlin". Ufer verkaufte die Wirtschaft weiter an Hartig, dieser an Ehlert, dann kamen Rühlemann und Hesse. Im Jahre 1919 kaufte sie Willi Nagel." Die Stadt Delitzsch wird zur Fremdenverkehrsgemeinde erklärt. Die Bedingung dazu lautet, daß die Zahl der Übernachtungen jährlich t/4 der Einwohnerzahl (4250) übersteigt. Der Geburtstag Hitlers wird für die Vereidigung der neuen Arbeitsdienstmänner, der Politischen Leiter und der Hitlerjugendführer genutzt. Der Tag wird zum „Feiertag der SA" deklariert. Die Ortsgruppe der NSDAP Delitzsch führt einen Mitgliederappell mit einem Vortrag des Bürgermeisters über die Gemeindepolitik durch. Der „Handharmonika-Club 1935" begeht sein einjähriges Stiftungsfest. Der „Tischtennis-Club Rot-Weiß" ist drei Jahre alt. An die Arbeitsdienstabteilungen der Gruppe 142 Delitzsch werden folgende Ehrennamen verliehen:
8/142 Reibitz |
- „Grimwald" |
5/142 Golpa |
- „Kuninkpert" |
3/142 Eilenburg |
- „Aistulf` |
4/142 Rüben |
- „Schlachtfeldgau" |
1/142 Hohenprießnitz |
- „Paul von Hindenburg" |
6/142 Bad Schmiedeberg |
- „Erwin Kern" |
7/142 Doberschütz |
- „Hermann Fischer" |
Erwin Kern und Hermann Fischer seien Freiheitskämpfer für die Deutsche Jugend; sie erschossen Rathenau. Aus der Sitzung des Gemeinderates vom 29. April (entnommen aus der Personalakte des Bürgermeisters Dr. Rudolf Baumgardt): „Der 1. Beigeordnete (Dr. B.) hat um Beurlaubung bis zum Ablauf der Wahlperiode (16. 07. 1937) ersucht. Dem wurde stattgegeben."
1936 Mai
Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" wird am 01. Mai für die Saison 1936 eröffnet. In Dehtzsch führt „Das Deutsche Frauenwerk", die „Vereinigung aller Frauenverbände der praktischen Nächstenliebe", die erste Veranstaltung durch. Auf ein Bestehen von 100 Jahren kann das Geschäft von Richard Werner in der Eilenburger Straße zurückblicken. Das Geschäft wurde am 11. 05. 1836 durch G. F. Haake auf dem damaligen Steinweg, der heutigen Eilenburger Straße, gegründet. Von dem ersten Besitzer übernahm 1855 Emil Adolph Gerlach, der die Witwe des Vorgängers heiratete, das Geschäft. Ihm folgte 1878 Bruno Siebecke, von dem es 1886 Wilhelm Günther übemahm. Seit 1888 ist Richard Werner Inhaber des Geschäftes. Der Schwimmklub „Neptun" vergrößert seinen Sportplatz neben dem Elberitzbad. Man führt am 12. Mai das „Anschwimmen" durch. Aus der handgeschriebenen Chronik der Stadtverwaltung - Kreismuseum: „Der Lober ist in letzter Zeit leider recht verunreinigt worden. In diesem Zusammenhang mußte für das Stadtbad an der Elberitzmühle eine neue Wasserversorgung gebaut werden. Jetzt hat man am Ehrenberg-Ring (Wallgraben) einen Filter gebaut, durch den das Wasser durchlaufen muß, ehe es in den Stadtgraben gelangt. Auf dem Stadtgraben befinden sich zwei Schwanenpaare mit je vier jungen Schwänen und junge Enten. Auch schwarze Türkenenten sind auf dem Stadtgraben und haben eine ganze Schar Junge zur Welt gebracht."
1936 Juni
Man baut eine neue Brücke über den Lober, die den alten Parkteil mit dem neuen verbindet. Es findet das traditionelle Schützenfest, verbunden mit einem Volksfest statt. Schützenkönig wird Friedrich Weiser; erster Ritter Kamerad Althaus. Der „Reichsmütterdienst" beginnt am 10. Juni mit einem neuen Koch- und Haushaltkursus. Auf den weiten Flächen vor dem Schloß werden umfangreiche Erdaufschüttungen vorgenommen. Damit wird das sumpfige Gelände trockengelegt. Der Sumpfgraben zwischen Allee und dem Schloß wird kanalisiert. Ein grüner Rasenteppich wird entstehen, auf dem einzelne Rosenbeete angelegt werden. Ein 20 Meter langes und 4 Meter hohes Mauerstück wird wieder hergestellt. Ein besonderer Aufgang vom Wallgraben zum Schloßgarten ist vorgesehen. Die Gesamtkosten von 5000 RM stellt erneut der Generaldirektor der Schokoladenfabrik Böhme AG zur Verfügung. Auf dem Sportplatz an der Beerendorfer Straße veranstaltet man die Sonnenwendfeier. Im Schützenhof findet eine antisemitische Kundgebung statt. Zitat aus der Rede des Sprechers aus Halle: „Überall in der Welt sehen wir Unruhen und Chaos, fast hinter allen Ereignissen sehen wir das Gesicht des sowjetrussischen Juden, der die Aufrichtung der internationalen Weltherrschaft wünscht und dem die Vernichtung des völkischen Prinzips ein Mittel auf seinem Weg ist." Es findet der traditionelle Peter-und-Paul-Markt statt. Man bietet u. a. Bekleidung, Porzellan, Emaillewaren, Rostbratwürstchen, auch Roßwürstchen der Fa. Turm aus Halle, das Stück für 10 . Pfennig, an. Auf dem Schweine- und Pferdemarkt werden 22 Läuferschweine zu 30 bis 35 RM das Stück und 70 Pferde für 200 bis 2000 RM verkauft. Überall ist ein buntes Leben zu verzeichnen. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt dazu: „Der Peter-und-Paul-Markt scheint seine frühere Bedeutung wieder gewonnen zu haben. Aussteller auf dem Markt, der Breiten Straße, dem Roßplatz, dem Schützenplatz bieten ihre Waren an. Pünktlich um 12 Uhr gab Eva ihrem Adam den Apfel des Jahres und verführte ihn damit einmal mehr. Händler und Käufer kamen auf ihre Kosten. Auch die Gastwirte und Bratwursthändler machten ein gutes Geschäft. In den Gastwirtschaften wurde bis in die Nacht hinein gejohlt und getanzt. Aber auch die Polizei mußte verschiedentlich eingreifen, das gehörte zum Peterund-Paul-Markt." Die.„Schulze-Delitzsch-Liedertafel", gegründet am 20. 06. 1846 durch Schulze-Delitzsch, begeht ihre „Jubelfeier". Am Programm beteiligen sich anderen Gesangsvereine, wie „Abendstern", „Harmonie", „Arion" und „Eisenbahnergesangsverein". Die Wettkampfmannschaft der Dektzscher Stenografen verteidigt ihre seit drei Jahren gehaltene Gaumeisterschaft erfolgreich. Die Mannschaft besteht aus Walter Weber, Ema Köckeritz, Erika Muster, Hildegard Backofen und Gerhard Brandstätter. In Delitzsch gibt es gegenwärtig noch 19 Wohlfahrtserwerbslose und 20 Arbeitslosenunterstützungsempfänger. Die neue Brücke im Stadtpark ist fertiggestellt. Auf dem neu geschaffenen Teich im Stadtpark am Loberarm hat ein Schwanenpaar Quartier bezogen.
1936 Juli
Am 18. Juli beginnt der Bürgerkrieg in Spanien, an dem sich in der Folge die „Legion Condor" der deutschen Wehrmacht beteiligt. Aus Delitzsch ist der Flieger Hampe beteiligt, der später mit dem „Ritterkreuz" ausgezeichnet wird. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" führt Schwimmlehrstunden durch. Kinder zahlen 20, Erwachsene 30 Pfennig pro Stunde. Im Lindenhof wird eine Ausstellung über den 1. Weltkrieg eröffnet, u. a. mit Bildern von Verdun und der Somme. Die Zuckerfabrik zahlt 10 Prozent Dividende an die Aktionäre für die Ergebnisse des Jahres 1935. In Delitzsch findet ein großes Arbeitsdienstfest, verbunden mit sportlichen Wettkämpfen, Platzkonzert und einem „Zapfenstreich" statt. Die Stadt baut 58 neue Wohnungen in der Muchowstraße (heute Uferstraße) und Fuststraße mit je 300 m' Gartenland. Die städtische Nachrichtenstelle teilt mit, daß die wirksamen Heilkräfte des Moorbades immer mehr Heilungssuchende auch von auswärts zur Nutzung veranlaßt. Es bestehen zur Zeit folgende Kleingärten in Delitzsch:
Kolonie Wasserturm |
= 187 Gärten |
Eilenburger Chaussee |
= 106 Gärten |
Rosental |
= 136 Gärten |
Bitterfelder Straße |
= 64 Gärten |
Schachtweg |
= 48 Gärten |
Eichlerplan |
= 20 Gärten |
Kyhnaer Weg |
= 20 Gärten |
Die Stadt Delitzsch tritt dem neugegründeten Verein „Mitteldeutsches Landestheater" bei. Damit werden in Zukunft Theateraufführungen in Delitzsch stattfinden. Im Kreis Delitzsch gibt es gegenwärtig 283 Arbeitslose. Zitat aus der Delitzscher Zeitung:
„Ein 48 Jahre altes weibliches Gefolgschaftsmitglied wurde fristlos entlassen, weil es sich ständig geweigert hat, den Deutschen Gruß zu entbieten, und weil es bei dem Gemeinschaftsempfang der Führerrede am 27. März 1936 das Deutschlandlied und das HorstWessel-Lied nicht mitgesungen und die Hand zum Gruß nicht erhoben hat.°(Der Betrieb wurde nicht angegeben.) Im Kurpark finden regelmäßig Kurkonzerte statt. Das größte Verkehrsflugzeug, die viermotorige Junkersmaschine G 38, fliegt täglich über Delitzsch auf dem Wege vom Flughafen Halle-Leipzig nach Berlin.
1936 August
An der Grenze der Werbener und Delitzscher Feldmark ist eine neue Straße entstanden, die Lönsstraße. Dort ist Richtfest für fünf Einfamilien- und 24 Doppelhäuser. Insgesamt sollen hier 53 neue Häuser entstehen. Ernst Ihbe, der längere Zeit in Delitzsch in der Querstraße bei seinen Großeltern wohnhaft war, erringt bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille in Tandemfahren. Auf seinem Gute in Zschortau verstirbt der ehemalige Landrat Friedrich von Busse im 78. Lebensjahr. Er übernahm 1893 die Geschäfte vom bisherigen Landrat von Rauchhaupt aus Storckwitz und trat 1916 in den Ruhestand. Verdienste erwarb er sich hinsichtlich der Förderung der Landwirtschaft und des Feuerlöschwesens. Er erhielt den Titel eines „Geheimen Regierungsrates" verliehen. Bei der Polizei wird eine sogenannte „Raufboldliste" geführt. Die Eintragung wird auf bestimmte Zeit vorgenommen und dem Betreffenden mitgeteilt. Den Raufbolden ist der Aufenthalt bei öffentlichen Tanzlustvergnügen oder ähnlichen Veranstaltungen verboten. Die gerichtliche Bestätigung für die Führung einer Raufboldliste wurde erteilt. Erneut findet eine Verdunkelungsübung in Delitzsch statt. Ein vorbildlicher Verlauf wird bestätigt. Im Kosebruch wird ein Tontaubenschießen als Pflichtschießen des „Hegeringes 2" durchgeführt. Hegeringe sind Vereinigungen der Jäger, deren Vorgesetzter der Kreisjägermeister ist. Eine Großübung der Luftwaffe unter der Losung „Luftkrieg über Mitteldeutschland" findet im Raum Halle/Leuna/Merseburg statt. Auf dem Roßplatz errichtet man einen großen eisernen Lichtmast und weithin sichtbare Richtungsschilder. Die „Aushebung" der Wehrpflichtigen beginnt. Im Schützenhof begeht man einen Rekrutenball. Der Reichsbahn-Turn-und-Sportverein hat 17.000 m' Gelände für die Erweiterung des Sportgeländes am RAW erworben. Es sollen dann für den Sport zur Verfügung stehen: Fuß- und Handballplätze, Turnhalle mit Bühne, Kleinkaliberschießstand, Faustballfeld, Sprung- und Laufanlagen, Spielwiese. Der Delitzscher Schwimmklub „Neptun" ist zehn Jahre alt. Das Jubiläum wird mit einem großen Schwimmfest begangen. Polizeikommissar i. R. August Stephani, der von 1897 ab zunächst als Polizeisekretär im Dienste der Stadt stand, verstirbt im Alter von 72 Jahren.
1936 September
Neue Straßen zwischen Dübener Straße und Werbener Weg:
östlich der Lönsstraße |
- „Dietrich-Eckart-Straße" (heute Stresemannstraße) |
westlich der Freesestraße |
- „Gorch-Fock-Straße" (heute Ehrenbergstraße) - Straße) |
an der Bäckerei Schöne |
- „Walter-Flex-Straße" (heute Adolf-Münzer- |
Der Grundstein für den Neubau der Katholischen Kirche erhält seine kirchliche Weihe. Der I. Weltkrieg und die Inflation verhinderten zum damaligen Zeitpunkt die Ausführung des Neubaus. Der Bonifatiusverein Paderborn stellte namhafte Mittel zur Verfügung. Ab 21. 06. 1936 erfolgte die Vorbereitung des Baugeländes und am 16. August der erste Spatenstich. Gleichzeitig erfolgte der Umbau des Pfarramtes. Der Entwurf der neuen Marienkirche stammt von dem Architekten Reuter aus Bitterfeld. Die Maurerarbeiten für den Neubau der Kirche leistet der Maurermeister Albert Metzner mit seinen Arbeitern, den Umbau übernimmt Maurermeister Martin Zschernitz. Zum „Fest des deutschen Weines und der deutschen Traube" wird Wein aus dem Patenort von Delitzsch, Mannweiler in der Pfalz, kredenzt. Vom Bau eines gemeinsamen Bahnhofes in Delitzsch wird abgesehen wegen der hohen Kosten. Um zum Kleinbahnhof in Gertitz zu gelangen, errichtet man zwischen Berliner und Sorauer Bahnhof eine Haltestelle der Kleinbahn und eine Wartehalle. Auf Antrag des Ortsgruppenleiters der NSDAP und mit Zustimmung der Ratsherren werden folgende Umbenennungen von Straßen vorgenommen: Der "Kaiser-Wilhelm-Ring" und der „Auguste-Viktoria-Ring" werden in „Adolf-Hitler-Ring" umbenannt (heute Am Wallgraben). Der bisherige „Adolf-Hitler-Platz" (Marienplatz) erhält den Namen „General-Litzmann-Platz". Die Ratsherren beschließen, daß das Loberbett von der Schafbrücke bis zur Kläranlage vertieft und erneuert werden soll. In der Presse häufen sich Berichte gegen den Kommunismus. Die Schlagzeilen der Delitzscher Zeitung vom 08.09.1936 lauten: „Bolschewisten stiften Unruhe in aller Welt!“, „Todfeind Bolschewismus“; „Kampfansage gegen die Sowjets“,Sowjetrussische Gefahr in Europa“
1936 Oktober
Der Erntedanktag am 03. Oktober wird mit einem gemeinsamen Rundfunkempfang, mit einem Umzug und Ernteball begangen. Man beginnt mit dem Bau einer neuen Gemeinschaftssiedlung an der Securiusstraße hinter dem Schützenhof parallel zum Weg nach dem Kosebruch (heute A.-Tauche-Siedlung). 32 Siedlerstellen in Gestalt von 24 Doppelhäusern und acht Einzelhäuser sollen als erster Bauabschnitt entstehen. Erster Eintopfsonntag. In den Gaststätten sind vier Gerichte vorgeschrieben: Grüne Bohnen, Linsen, Pichelsteiner Fleisch und ein FischEintopfgericht nach freier Wahl. Man beschließt, 1937 ein Heimatfest durchzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Figurengruppe „Genesung" fertiggestellt sein. Der Gesangsverein „Abendstern" feiert seinen 70. Geburtstag. Der Gesangsverein der Delitzscher Bäckermeister begeht sein 10jähriges Stiftungsfest. Der diesjährige Fischzug im Stadtgraben ist recht erfolgreich. Die Zeitung berichtet von Prachtexemplaren an Karpfen und Hechten, die gezogen wurden. Am 29. Oktober findet das Richtfest an der katholischen Kirche statt.
1936 November
Amtsarzt in Delitzsch wird Medizinalrat Dr. Schulte. Im Kreis Delitzsch gibt es noch 149 Arbeitslose. Der „Vaterländische Frauenverein zum Roten Kreuz" begeht sein 70jähriges Bestehen. In der „Frontkämpfersiedlung" (heute Ostsiedlung) werden umfangreiche Straßenbefestigungsarbeiten durchgeführt. Männer der „Technischen Nothilfe" bauen eine Brücke über den Leber an der Elberitzmühle. Der Übergang über den dort ziemlich breiten Leber (südlicher Teil des Mühlteiches) soll ermöglichen, die ostwärts des Lobers befindliche Wiese als „Liegewiese" für die Badegäste des Elberitzbades zu nutzen. Auszüge aus einer „Denkschrift über die Notlage der Stadt Delitzsch" aus dem Jahre 1936 An Einwohnern zählte Delitzsch am 01. September 1936 insgesamt 17.137. Delitzsch ist Sitz mehrerer Behörden, so das Landratsamt, ein Amtsgericht, Finanzamt, Zollamt, Katasteramt, staatliches Hochbauamt, Kreisleitung der NSDAP, eine Gruppenführung des Arbeitsdienstes und ein Wehrmeldeamt. Steuerlich und finanziell gesehen macht sich in Delitzsch der fast völlige Mangel an größeren Industrieunternehmen ungünstig bemerkbar. Als größere Steuerzahler kommen nur die Schokoladenfabrik Böhme AG, die Zuckerfabrik Delitzsch und die Thüringer Gasgesellschaft (Gaswerk) Delitzsch infrage. Die Böhme AG beschäftigt etwa 700 Personen, wobei es sich allerdings in der Mehrzahl um weibliche Kräfte handelt. Die Zuckerfabrik mit-Rübensamenzucht gibt ungefähr 200 Volksgenossen Arbeit und Brot. Bei der Thüringer Gasgesellschaft sind etwa 65 Leute tätig. Im übrigen handelt es sich aber bei der Mehrzahl der Gewerbetreibenden im wesentlichen um kleinere Geschäftsbetriebe. Bemerkenswert ist hier wiederum, daß von den ungefähr 1015 Gewerbereibenden 597, also mehr als die Hälfte, frei veranlagt sind, d. h. keine Steuern zahlen. Ungünstig ist, daß ein sehr erheblicher Prozentsatz der gesamten Gewerbesteuern von den drei oben genannten Betrieben gezahlt wird. So betrug z. B. im Jahre 1933 die Steuereinnahme von diesen Betrieben 54,1 % (!), im Jahre 1934 sogar 69,5 % (!!) des gesamten Gewerbesteueraufkommens, ... Der Ausfall auch nur eines einzigen Steuerzahlers bedeutet u. U. für die Stadt eine erhebliche verhängnisvolle Mindereinnahme ... als man z. B. die Schokoladenfabrik Böhme wegen der Rohstoffbeschaffung als konjunkturempfindlich aussprechen muß. Auch die Zuckerfabrik ist wegen der Ungewißheit des Ausfalls der Ernte als wenig krisenfest anzusehen. In der Eisenbahnwerkstätte finden z. Zt. 998 Delitzscher Einwohner Beschäftigung mit 2264 Familienangehörigen, so daß ungefähr 21 % der Gesamtbevölkerung durch die Eisenbahnwerkstätte ihr Auskommen haben. ... Bis zum Inkrafttreten des Reichseinkommensteuergesetzes vom 29. 03. 1920 bestand für die früheren preußischen Eisenbahnen eine die Gemeindeinteressen genügend berücksichtigende Einkommensteuerpflicht des Staates. Die auf Grund des Gesetzes über die Pauschalisierung der Verwaltungskostenzuschüsse vom 17. 07. 1930 der Stadt nunmehr zufallenden Anteile müssen indessen als zu gering im Hinblick auf die Belastung der Stadt angesprochen werden. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Verhältnisse der Stadt ist die Tatsache, daß Delitzsch Arbeiterwohnsitzgemeinde ist. Auf Grund der Berufszählung des Jahres 1933 setzen sich die Berufsstände wie folgt zusammen:
Selbständige |
= |
21,8 % |
= |
1944 |
Beamte |
= |
5,6 % |
= |
500 |
Angestellte |
= |
12,9 % |
= |
1151 |
Arbeiter |
= |
59,7 % |
= |
5325 |
Auf 1000 Erwerbstätige entfallen also etwa 600 Arbeiter. Von diesem Jahr an muß sich der größte Teil außerhalb von Delitzsch in Bitterfeld, Wolfen, Greppin, Dessau, Rackwitz, Leipzig, Sandersdorf, Zscherndorf, Halle usw. Arbeit suchen. Diese Tatsache wirkt sich, steuerlich gesehen, besonders nachteilig aus. Die der Stadt als Wohnsitzgemeinde entstehenden Lasten stehen dem Aufkommen an Steuern aus den gewerbesteuerlichen Anteilen der Betriebsgemeinden und den sonstigen Steuereinnahmen nicht im Entferntesten im Einklang. Sehr ungünstig macht sich für Delitzsch bei den Arbeitsorten Leipzig, Dessau, Raguhn die z. Zt. noch geltende landesrechtliche Regelung der Besteuerung der Betriebsgemeinden bemerkbar. Da diese Orte außerhalb Preußens, in Sachsen bzw. Anhalt, liegen, erhält die Stadt Delitzsch nicht den geringsten Betrag von den Betriebsgemeinden, während ihr als Wohnsitzgemeinde die gesamten öffentlichen Lasten zufallen. Der Charakter als Arbeiterwohnsitzgemeinde ist aber auch für die öffentliche Fürsorge nicht ohne Einfluß. Da die Renten zum erheblichen Teil unter der richtsatzgemäßen Unterstützung liegen, müssen zahlreiche Arbeitsinvaliden usw. als Sozialrentner zusätzlich unterstützt werden. Die Stadt Delitzsch muß statt eines Reichsdurchschnittes von 8,6 Personen auf 1000 Einwohner 11,3 Personen im Wege der öffentlichen Fürsorge als Sozialrentner betreuen, d. h. die Stadt muß jetzt etwa 10.000 RM mehr zahlen. Auch in der Kleinrentnerunterstützung erwachsen der Stadt Sonderbelastungen, dadurch, daß viele der in Delitzsch besonders zahlreichen Rentner infolge der Inflation ihr Vermögen verloren haben. So müssen z. B. als Empfänger von Kleinrentnerhilfe in Delitzsch statt eines Reichsdurchschnittes von 1,3 Parteien 2,2 Parteien unterstützt werden. In der Kleinrentnerfürsorge sind sogar statt 1,6 Personen 3,0 Personen auf 1000 Einwohner zu betreuen. Finanziell bedeutet das, daß die Stadt ungefähr 20.000 RM mehr aufwenden muß. Besonders ungünstig liegen für die Stadt die Verhältnisse bei den Versorgungsbetrieben. Hier wirkt sich für die städtischen Finanzen das fast völlige Fehlen von städtischen Betrieben verhängnisvoll aus. Lediglich das Wasserwerk ist noch im Besitze der Stadt und bringt einen geringen Gewinn. Im übrigen hat die Stadt durch äußerst ungünstige Verträge die Konzessionsrechte in der Gas- und Stromversorgung anderen Gesellschaften eingeräumt (20.000 RM jährlich). Die äußerst schwierige Finanzlage ist auf folgende Ursachen zurückzuführen: Durch die vergangene Wirtschaftskrise sind im Haushalt der Stadt auf Grund ihrer bevölkerungsmäßigen Struktur erhebliche Fehlbeträge entstanden, die leider immer noch nicht beseitigt sind. Weiterhin ist der Stadt durch die unlautere Geschäftsführung des früheren Sparkassendirektors ein Verlust von ungefähr 1 Mio. RM entstanden, für welchen die Stadt zum größten Teil als Gewährsverband einspringen mußte. Verhängnisvoll hat sich für die Stadt ausgewirkt, daß infolge ungünstigen Ausganges verschiedener Steuerstreitigkeiten Steuerbeträge von etwa 140.000 RM zurückzuzahlen sind. Infolge geringer Schülerzahl erfordert die Oberrealschule einen laufenden Zuschuß pro Schüler, der mehr als doppelt so hoch wie der Reichsdurchschnitt ist. Von großem Einfluß für die ungünstige Finanzlage der Stadt ist fernerhin die in den früheren Jahren ausgeübte übertriebene Fürsorgepolitik gewesen. Die Auswirkungen dieser übersteigerten Fürsorge werden sich noch lange bemerkbar machen. In der „Denkschrift" werden ferner einige ungünstige Faktoren erwähnt, u. a.: Beschneidung der Reichssteuerüberweisungen; Fürsorgenotausgleich (z. Zt. etwa 65.000 RM jährlich); Fortfall der Steuersenkungsbeträge bei ausgeglichenem Haushalt (etwa 40.000 RM jährlich); Die Stadt hat weder Militär noch Arbeitsdienst in ihren Mauern. Alle diese Gründe lasten schwer auf dem Wirtschaftsleben der Stadt und lassen leider nur wenig hoffnungsvolle Ausblicke für die Zukunft übrig. Der Ernst der Situation wird am besten klar, wenn man sich das warnende Urteil des Gemeinde-Prüfungsamtes der Regierung anläßlich der letzten Prüfung vor Augen hält. Die Warnung ging dahin, daß angesichts der schwierigen Verhältnisse der Stadt die Finanzlage derselben bei nicht rechtzeitigem Eingreifen u. U. einer Katastrophe entgegenginge. Im laufenden Geschäftsjahr 1936 schließt der Haushaltsplan mit einem neuen Fehlbetrag von ungefähr 46.000 RM ab. Noch jetzt ist die Kassenlage. so schwierig, daß die Stadt Mühe hat, die Gehälter und Unterstützungen pünktlich zu bezahlen. In einer Zeit, in der die meisten Städte und Gemeinden längst einen ausgeglichenen Haushaltsplan aufweisen können und bestrebt sind, entsprechend der Rücklagenverordnung Fonds anzulegen, kämpft die Stadt Delitzsch noch immer um die Herstellung eines ausgeglichenen Haushaltsplanes.
1936 Dezember
Das Pelzwaren-, Hut-, Mützen- und Damenputzgeschäft Carl Gräfe in der Eilenburger Straße begeht am 03. Dezember sein 50jähriges Bestehen. Gegründet wurde das Geschäft durch Carl Gräfe senior am 03. 12. 1886. Nach seinem Tode übernahm Carl Gräfe junior am 01. Juni 1934 das Geschäft. Die Turner des TV 1845, des TV 1894, des MTV Einigkeit vereinigen sich zu einem Verein, der den traditionsreichen Namen „Turnverein Delitzsch von 1845" annimmt. Eine Viehzählung in Delitzsch vom 03. Dezember ergibt:
Pferde und Fohlen |
148 |
|
Maultiere |
2 |
Rindvieh |
91 |
|
Schafe |
51 |
Schweine |
905 |
|
Ziegen |
80 |
Kaninchen |
4333 |
|
Bienenstöcke |
219 |
Hühner |
6399 |
|
Gänse, Enten, Trut- und Perlhühner |
349 |
Im Delitzscher Stadttheater kommen im Dezember „Der Zigeunerbaron" und die „Lustige Witwe" zur Aufführung. Veranstalter ist die „Deutsche Landesbühne". Das „Deutsche Frauenwerk" begeht im Lindenhof eine Adventsfeier unter betonter Zuwendung zum germanischen Brauchtute. (Altgermanisches Sonnenrad; der Schimmelreiter Wode, aus dem der „Nikolaus" wurde, die Rute aus Birkenreisig war einst ein Symbol geheimnisvoller Kräfte, das Krankheiten vertrieb; Frigge = Tag Gedenken an die Allmutter, Hüterin des Hauses; Julklapp = im Nordland, er wirft Geschenke in die Stube; Julbock = das heilige Feuer aus dem Reisig aller Bäume, die der Bauer in seinem Garten und auf seinem Land hat; der Julturm = das ist der immergrüne Tannenbaum; die Stolle = dem Wickelkind nachgebildet als Zeichen der Fruchtbarkeit und damit des Glücks.) Die Glocken für die Katholische Kirche treffen auf dem Bahnhof ein. Sie werden unter großer Beteiligung der Gemeindemitglieder abgeholt und in die Kirche gebracht; dort sollen sie am 20. Dezember ihre Weihe erhalten. Hersteller ist die Glockengießerei Humpen in Brilon in Westfalen. Sie weisen die Töne fis-a-h auf, mit denen das „je Deum laudamis" (Herr Gott, dich loben wir.) beginnt.
1936 Zusammenfassung
Die Probleme in Delitzsch wurden wiederum maßgeblich von der „großen Politik" der Regierung Hitler bestimmt. Die NSDAP folgte wie in den Vorjahren dem Prinzip, ihre Politik durch vielfältigen Einfluß auf die verschiedenen Schichten des Volkes zu popularisieren. Durch Kundgebungen, Demonstrationen, Aufmärsche trug man ihre Ideologie von der Überlegenheit der nordischen Rasse in das Volk, stärkte man das nationalistische Denken. In Delitzsch war die Arbeitslosigkeit fast völlig beseitigt, die Spareinlagen in den Sparkassen stiegen. Man stimmte der Politik der NSDAP zu. Politische Gegner waren ausgeschaltet. Von Konzentrationslagern fand man in der Presse nichts. Einen hohen Stellenwert im Hinblick auf das nationalistische Denken der Bürger hatten die Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin. Man hatte sich sorgfältig vorbereitet. Die sportlichen Erfolge verfehlten auch international ihre Wirkung nicht, und im Lande festigte sich der Nationalstolz. Man baute in Delitzsch weiterhin Wohnsiedlungen unter recht günstigen Bedingungen, neue Straßen und Wohnviertel entstanden, das Stadtbild verbesserte sich durch den weiteren Ausbau der Grünanlagen, der neue Park nahm Gestalt an. Militärische Traditionen, vor allem des Preußentums, wurden gepflegt. Auch in Delitzsch traten die „alten Soldaten" auf den Plan. Die voranschreitende Rüstung, in der Presse begründet mit der angeblich immensen Aufrüstung in der Sowjetunion und in England, wurde begeistert aufgenommen. Die Jugend wurde in militaristischer Hinsicht beeinflußt. Das Wehrmeldeamt wurde eingerichtet, die „Legion Condor" beteiligte sich am Spanischen Bürgerkrieg, die ehemals entmilitarisierte Zone Im Rheinland und an der Ruhr wurde durch deutsche Truppen besetzt. Alles das wurde auf der Grundlage der geschickten Propaganda hingenommen, als sei es normal und gerecht. Hitler sprach in Breslau von einer „Neuordnung Europas". Es schien, daß die bisher erzielten Erfolge und die Zustimmung der Bürger bei den Reichstagswahlen zu abenteuerlichen Vorhaben den Anlaß gaben. Nach wie vor spielte die Rassentheorie in der NS-Ideologie eine wesentliche Rolle. Auch in Delitzsch traten die Redner im antisemitischen Sinne auf. Germanische Traditionen widerspiegelten sich in Sonnenwendfeiern, in Adventsveranstaltungen und in der Namengebung von Arbeitsdienstabteilungen. Deutlich wurde auch das Bestreben zur Eingliederung Österreichs in das „Großdeutsche Reich". Der Vertrag mit Österreich, der der NS-Partei Österreichs Entfaltungsmöglichkeiten gab, ist ein Zeichen dafür. In der Kleinstadt Delitzsch machte man sich über die Folgen dieser Politik wenig Gedanken, man beschäftigte sich mit den örtlichen Problemen. Die Bürger hatten Arbeit, es ging ihnen gut. Über Konzentrationslager und Gestapo erfuhr man nichts. Die Freiwillige Feuerwehr beging ihren 75. Geburtstag, Gesangsvereine, Sportklubs und die NS-Verbände bestimmten mit ihren Veranstaltungen das Geschehen. Die Stadtverwaltung war weiterhin aktiv, was die bewußte Zuwendung zum Wohnungs- und Straßenbau beweist. Die Katholische Gemeinde erbaute in der Lindenstraße ihre neue. Kirche. Mahnende Stimmen gab es nicht.
1937
1937 Januar
Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht eine „Regelung des Fettbezuges". Es erfolgt die Einschränkung des freien Verkaufs über Kundenlisten und Bezugsrechte. Fettverbilligungsscheine werden für Minderbemittelte ausgegeben.; Butter ist nur noch auf Kundenlisten, Margarine auf Bezugsschein erhältlich. Aufruf in der Zeitung dazu: „Es wird erwartet, daß jeder einzelne die Bedeutung dieser Maßnahme für den Nationalen Aufbau erkennt und verantwortungsbewußt sich immer den Grundsatz vor Augen hält: Gemeinnutz geht vor Eigennutz!" Die Stadtverwaltung plant den weiteren Bau von 80 Volkswohnungen, zum Teil an der Eilenburger Chaussee, zum Teil an der Muchowstraße (heute Uferstraße). Im Kino läuft der Film „Standschütze Bruggler", das hohe Lied der Tiroler Heldenjugend. Die Böhme AG veröffentlicht ihren Jahresabschluß 1936. Roheinnahme = 2.419.000 RM, gezahlt werden 12 % Dividende. In Delitzsch beginnt man mit der Sammlung von Küchenabfällen im Rahmen des „Ernährungshilfswerkes des Deutschen Volkes", um die Lücke in der Fettversorgung durch zusätzliche Schweinemast zu schließen. Man veröffentlicht eine Anweisung, wonach Abiturienten vor Beginn eines Studiums ihre Arbeitsdienstpflicht abzuleisten haben. Die „Technische Nothilfe" baut in einer Übung eine Behelfsbrücke ,über den Stadtgraben, weil die eigentliche Brücke „von Fliegerbomben zerstört worden sei". Passanten haben Brückenzoll zu zahlen. Das Mitteldeutsche Landestheater führt das Schauspiel „Der Ministerpräsident", ein politisches Zeitbild aus der Zeit Otto von Bismarcks, auf. Losung in der Delitzscher Zeitung: „Ganz Delitzsch ißt aus einem Topf am kommenden Sonntag auf dem Roßplatz" (Nudeln mit Rindfleisch). Am 30. Januar, von 13 bis 16 Uhr, erfolgt kein Verkauf im Einzelhandel, um die Rede des Führers Adolf Hitler im Gemeinschaftsempfang hören zu können. Daraus: „Zurückziehung der Unterschrift unter den Versailler Vertrag, daß Deutschland die Schuld am Kriege besitze. Wiederherstellung der deutschen Gleichberechtigung auf allen Ebenen." In Delitzsch erfolgt im Zusammenhang mit dem Anhören der Rede eine Kundgebung im Schützenhaus und am Abend ein Fackelzug In Delitzsch wüten Schneestürme, starke Schneeverwehungen auf den Straßen sind zu verzeichnen. In der Beerendorfer Straße wird der Bau der Kanalisation beendet. In der Damaschkestraße beginnt man mit dem Bau der Kanalisation (Schmutzwasserkanal).
1937 Februar
In der Bismarckstraße wird die letzte Scheune abgerissen, um einem Familienhaus Platz zu machen, welches an der Ecke Kohl- und Bismarckstraße entstehen soll. Ehemals war die heutige Bismarckstraße die „Scheunengasse". Der „Reichsberufswettkampf der Deutschen Jugend" wird eröffnet. An ihm nehmen in Delitzsch 800 Jungen und Mädel teil. Die „Heldengedenkfeier" in Delitzsch ist verbunden mit Mitgliederappellen der NS-Organisationen, mit Aufmärschen und Kundgebungen. Auch die Jugendorganisation führt einen Appell durch, desgleichen die Kreisbauernschaft und die Amtswalter.
1937 März
In Delitzsch findet am 09. März ein großer Aufmarsch aller Gruppen des Reichsarbeitsdienstes des Kreises in Anwesenheit hoher RADFührer statt. Die Stadtverwaltung kann erstmalig auf einen ausgeglichenen Haushaltsplan verweisen. Der Ordentliche Etat weist 1.891.000 RM auf, der Außerordentliche Etat 325.000 RM. Vorgesehen sind zahlreiche Instandsetzungsarbeiten von Straßen und Schulen Die Seminarturnhalle soll erneuert werden, Ausbesserungsarbeiten sollen an der Jahnturnhalle in Verbindung mit dem Ausbau von Umkleide- und Waschgelegenheiten beiderseits des Einganges durchgeführt werden. Man plant die Umgestaltung des Lindenhofes, der in den Besitz der Stadt übergegangen ist. Im Schloß werden 10 Räume in Ordnung gebracht und der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt. Der HJ-Bann wird im Schloß untergebracht. Für den Straßenbau stellt die Stadt 300 - 400.000 RM bereit. Man plant die Vergrößerung des Krankenhauses. Die Bedürfnisanstalt am Roßplatz wird abgerissen; ein Neubau erfolgt am Stadtgrabenwall. Die Arbeitslosigkeit in Delitzsch ist fast völlig beseitigt. Eine Großkundgebung der NSDAP im Schützenhof beschäftigt sich mit dem neuen 4-Jahresplan. Eines der Arbeitsvorhaben des Reichsarbeitsdienstes besteht in der Ausgestaltung der Einrichtungen der Delitzscher Abwässerverwertungsgenossenschaft. Auf einem Elternabend des Jungvolkes, Standort Delitzsch, werden die drei Grundsätze der Jugenderziehung verkündet: „Freiwilligkeit, Disziplin, Unterordnung sowie Treue zur nationalsozialistischen Bewegung." Die Landwirtschaftliche Winterschule ist zu einer „Bäuerlichen Werkschule" geworden. Direktor ist Landwirtschaftsrat Schöne. Die Hitlerjugend bildet einen eigenen Bann in Delitzsch. Am Schloß wird ein Appell und auf dem Markt die feierliche Übergabe des Bannes durchgeführt. Aussage: „Wir können nunmehr heute mit Stolz darauf verweisen, daß nahezu restlos die gesamte Deutsche Jugend in den Reihen der HJ steht" Im Stadtgraben werden 340 Karpfen aus den Teichen von Paupitzsch ausgesetzt. Am Städtischen Bauhof in der Karlstraße wird ein Scheunenkomplex abgerissen.
1937 April
Die Stadtsparkasse Delitzsch verzeichnet eine „maßgebliche Aufwärtsentwicklung". Die Spareinlagen erhöhten sich von 3,5 auf 3,7 Mio. RM. Auf dem Stadtgraben hat man goldbrüstige Bartenten, Türken- und Stockenten ausgesetzt. Im „Jungvolk" strebt man an, die technische Erziehung zu verbessern und eine Auslese der besten Kräfte zu betreiben, „die später vor allem in den Wehrmachtsteilen Luftwaffe, Marine und Kraftfahrtruppe einen vorgebildeten und geschulten Nachwuchs stellen sollen." Im Rahmen diese Programms werden Bastelarbeiten im Heim, Erlebnisse der Technik auf Fahrt und im Lager, Segelflug und Modellbau vorgesehen. Der Stadtobersekretär Richard Költzsch, Standesbeamter und Leiter des Städtischen Archivs, wird für seine 35jährige Tätigkeit in der Stadtverwaltung geehrt Mit beratender und unterstützender Mitarbeit an der Seite des Bürgermeisters werden Beiräte für folgende Arbeitsgebiete berufen: Finanzielle Angelegenheiten einschl: Stiftungen, Kulturwesen
Städtische Bauangelegenheiten und Ländereien
Feuerlöschwesen
Anlagen, Forst, Friedhof
Fürsorgewesen, Krankenhausverwaltung
Verkehrs- und Beleuchtungsangelegenheiten
Wasserwerksangelegenheiten
Berufsschule
Die NSDAP-Stadtleitung ruft zu Spenden für „Jugendherberge und Heim" der Hitlerjugend auf. Die Preise für 500 Gramm Kalbfleisch steigen von 1,02 RM auf 1,78 RM. Anläßlich des Geburtstages von Adolf Hitler leisten neu berufene Politische Leiter den Treueschwur. An allen Schulen werden Schulfeiern durchgeführt. Eine neue Sammelaktion „Dankopfer der Nation" wird ins Leben gerufen. Der Sängerkreis „Heide-Mulde" führt in Delitzsch eine Tagung durch, an der die Gesangsvereine der Stadt „Abendstern", „Anion" und „Schulze-Delitzsch-Liedertafel" teilnehmen. Zur Verbesserung der Kreisstraßen stellt man 260.000 RM bereit. Bisher wurden 60.000 m' Abwässer von Leipzig der landwirtschaftlichen Verwertung im Kreise Delitzsch zugeführt. Künftig sollen die gesamten Leipziger Abwässer von täglich 120.000 m' der Landwirtschaft zugeführt werden. Empfang des Maibaumes am 30. April in Delitzsch. An der Stadtgrenze nimmt die Jugend, begleitet von einer Abordnung der Politischen Leiter mit ihrer Fahne, den Baum in Empfang. Unter Vorantritt der Bannkapelle der HJ geht der festliche Zug durch die Straßen zum Schützenhausplatz, wo der Maibaum aufgestellt wird.
1937 Mai
Überall in den Betrieben finden am 01. Mai Feiern statt. Losung in der Delitzscher Zeitung: „Ein Volk marschiert im Gleichschritt". Die Preise für 50 Kilogramm Kartoffeln betragen 2,80 bis 3,10 RM. Im Kreis Delitzsch werden acht HJ-Heime an die Jugendorganisation übergeben. Entsprechende Feierstunden finden statt. In der Oberrealschule findet eine Ausstellung statt mit den Themen: „Blut und Rasse" und „Volk ohne Raum und Raum ohne Volk". Die SA führt in Delitzsch ein großes Sportfest durch, Bestandteile sind wehrsportliche Disziplinen. Die Hitlerjugend will an der Beerendorfer Straße die dort befindlichen Sportplätze in freiwilliger Arbeit ausbauen. Die Jahnturnhalle in der Bitterfelder Straße erhält einen neuen Parkettfußboden aus Buche, in den Fenstern werden Drahtglasscheiben eingesetzt. Geplant ist der Anbau eines Geräteraumes und einer Hausmeisterwohnung. Die vor zwei Jahren im Elberitzbad angelegten Filter, durch die das Loberwasser zur Füllung des Bades eingelassen wurde, sind nunmehr zugefüllt worden, so daß die Anlage in Zukunft durch Quellwasser gespeist wird. Eine Brücke über den Lober wurde durch die „Technische Nothilfe" erbaut, um die Liegewiese jenseits des Lobers zu nutzen. Das Kinderplanschbecken wurde ausbetoniert. Aus Anlaß der Einweihung des Brunnenmonuments „Die Genesung" plant man für den 03. Und 04. Juli ein Volks- und Heimatfest. Die SA und die SS führen Großfahrten in „Deutschlands Gaue" durch. Der Werkdirektor des RAW Petzold übernimmt das RAW Oppeln, sein Nachfolger ist der Reichsbahnoberbaurat Schwager. Auf dem Roßplatz ereignet sich ein schweres Verkehrsunglück. Ein Motorrad prallt mit einem Lastwagen zusammen, wobei der Beifahrer des Motorradfahrers getötet wird. Mit dem 31. 05. 1937 schließt die Stadtsparkasse Delitzsch ihre Pforten; es erfolgt mit dem 01. 06. 1937 der Zusammenschluß mit der Kreissparkasse. Die finanzielle Notlage der Stadt und der Verlust der Stadtsparkasse in Höhe von 708.000 RM ist die Veranlassung zum Zusammenschluß als Notmaßnahme für die Stadt, die ja als Gewährsträger für den Verlust der Stadtsparkasse haften muß. Die „Überführung der Stadtsparkasse Delitzsch" ab 01. Juni erfolgt laut Erlaß der zuständigen Preußischen Minister.
1937 Juni
Die Ausgabe von Volksgasmasken wird angekündigt. Die DAF führt die 2. Altpapiersammlung im großen Maßstab durch. In Halle findet ein Gauappell der NSDAP mit 120.000 Teilnehmern statt, dabei sind Delitzscher Abordnungen. Die Delitzscher SS führt eine Großfahrt in den Harz durch. Das Gelände in der Securiusstraße wird für den Bau dort geplanter Siedlungen freigegeben. Der Bildhauer Brumme aus Leipzig hat die Brunnenfigur fertiggestellt. Sie wird im Albert-Böhme-Park anläßlich des Heimatfestes enthüllt werden. Der Peter-und-Paul-Markt wird am 29. Juni festlich begangen. Am Abend veranstaltet man den traditionellen Heiratsmarkt. In allen Lokalen wird getanzt.
1937 Juli
Der Reichskolonialbund veranstaltet einen Vortragsabend mit dem Thema: „Deutschland braucht neuen Lebensraum". Die Bedürfnisanstalt am Breiten Turm wird abgerissen, die neue wird in die Böschung am Wallgraben eingebaut. Am 03. Und 04. Juli findet das Volks- und Heimatfest in Delitzsch statt. Am Sonnabend eröffnet man das Fest mit einem Fackelzug, mit Illumination der historischen Gebäude, Konzert in den Parkanlagen am Viktoriabad und mit einem Sängerchorkonzert im Rosengarten. Der Höhepunkt des Sonntag ist die Einweihung der „Genesung". Ihr Schöpfer, der Bildhauer Alf. Brumme, äußert dazu die folgende Gedanken:
„Das schöpferische Werk.
Da ist ein Wille, erschafft aus dem Nichts.
Da sind glühende Sehnsüchte, die Erfüllung suchen.
Da ist die Einsamkeit eines Schaffenden,
die wie ein volles Gefäß überschäumen möchte,
und da ist ein Unerbittliches: Du mußt gestalten!
Eine innere Schau formt die Dinge,
und die Fülle der Erlebnisse dringt sich hinein.
Können setzt spielend, zuweilen auch kämpfend um,
was die Seele schaut.
Gestalten formen sich aus leblosem Ton,
sie quellen aus den Händen,
und das Werk steht da in Ton und in Gips.
Es aufersteht dann in Marmor und führt ein Eigenleben,
die Idee wird sichtbar und spricht für sich
und sie spricht zum anderen! Genesung:
So umfaßt die Reife und Starke die Schwester und reicht ihr den Trunk,
und sie trinkt Leben aus der Schale, der eben noch schlaffe Körper schwellt sich,
neues Blut strömt durch die Adern, kreisend schwingen Rhythmen um die Glieder,
und die Einsamkeit löst sich. Leben strömt aus der Schale,
Leben strömt vom Starken zum Schwachen. Auch du mußt es fühlen, sollst mittrinken vom Strome der Genesung, der kranke Körper braucht diesen Trunk.
Aber auch die Seele braucht diese Kraft, die aus göttlichen Quellen fließt."
Die Einweihung des Brunnenmonumentes wird durch eine Vielzahl von Veranstaltungen umrahmt: Es erklingen die Schwedensignale vom Breiten Turm, der zur Besichtigung freigegeben ist; die Türmerstochter und die Stadtwache treten auf. Auf der Festwiese findet zur Einweihung der „Genesung" ein Konzert statt. Gespielt wird „Aufzug der Zünfte auf der Festwiese" von Wagner und „Die Himmel rühren des Ewigen Ehre" von Beethoven. Bürgermeister Frey spricht. Daraus: „Das heutige Heimatfest ist nur eine Fortsetzung des damals begonnenen Brunnenfestes". Die Gelder für das Monument sind von der Albert Böhme-Stiftung zur Verfügung gestellt worden. Die Heimatzeitschrift „Der Türmer" würdigt das Volks- und Heimatfest durch historische Beiträge von Friedrich Horn. Umfangreiche sportliche Veranstaltungen und ein großes Kinderfest finden statt. Am Abend klingt das Fest mit Festbeleuchtung der Türme und historischen Bauten und Illumination der Zwingergärten aus. Die Delitzscher Stenografen werden erneut Gaumeister. Die Mannschaft besteht aus Gerhard Brandstätter, Hildegard Backofen, Erika Muster, Erna Köckeritz und Walter Weber als Staffelführer, der auch im Einzelschreiben bei 200 Silben erfolgreich ist. Das Zeltlager der HJ und des Jungvolkes findet in Zschepplin statt. Aus dem Dienstplan: 6.00 Uhr Wecken, Frühsport, Duschen und Waschen. 6.55 Uhr Flaggenhissung, Frühstück, Zeltordnung, Appell, dann Gelände, Ausbildung im Kartenlesen u. a. 12 bis 13 Uhr Mittagszeit, Zeltruhe bis 13.30 Uhr, dann zwei Stunden Freizeit, anschließend weltanschauliche Schulung, Singen Ordnungsdienst. 19.00 Uhr Abendessen, Einholen der Flagge. 22.00 Uhr Zapfenstreich. Karl Demmel veröffentlicht in einer „Polyhymnia in der Dübener Heide", welche Musiker und Komponisten in der Vergangenheit wirksam wurden. Aus Delitzsch sind folgende Personen benannt: Friedrich August Kanne, Opern und Singspiele „Miranda", „Das Schwert der Rache", "Schloß Tabor", Messen, Kantaten, Symphonien, Streichquartette, Balladen, Sonaten, Lieder. Bernhard Wolter, geboren 1875, Kapellmeister, Märsche und Klavierstücke. Friedrich Pudor (1835 - 1887), Direktor des Konservatoriums in Dresden. Richard Hofmann (1844 - 1918), Sohn des damaligen Stadtmusikdirektors, Professor, Komponist. Weiterhin: Thomas Avenarius aus Eilenburg, Orgelmeister. Johann Gottfried Stallbaum aus Zaasch, Rektor der Leipziger Thomasschule, Universitätsprofessor. Richard Kuhn aus Brinnis, Organist, Chordirektor, Lehrer, Gesanglehrer, Direktor des Magdeburger Domchores, Studienrat. Im Kreise Delitzsch findet am 17. Juli ein Manöver der Wehrmacht statt. Preisträger in einem Fotowettbewerb zum Heimatfest als 1. Sieger wird Kurt Seeger. An einem Brieftaubenwettbewerb der Provinz Sachsen nehmen 19 Brieftauben aus Delitzsch teil. Start ist in Southampton, die Flugstrecke beträgt 1000 Kilometer, nach 13 Stunden trifft die erste Brieftaube in Delitzsch ein, d. h. Fluggeschwindigkeit 76,92 km/h. Für die Bewohner der Mauergasse, Leipziger Straße, Markt und Hallesche Straße wird ein „Pfhchtluftschutzkursus" durchgeführt. Die HJ-Fliegerschar befindet sich in einem Lager in Thüringen. Ziel ist die Erringung von Flugscheinen. Als neuer Kreisleiter der NSDAP wird der Parteigenosse Krüger ab 01. August fungieren. Seine Hauptforderungen an die Politischen Leiter sind Treue, Gehorsam und Kameradschaft.
1937 August
Die Oberrealschule wird in eine „Oberschule" umgewandelt. Unter Wegfall der Oberprima gliedert sie sich wie folgt:
Sexta (VI) |
Quinta (V) |
Quarta |
(IV) |
Untertertia |
(U III) |
Obertertia |
(O III) |
Untersekunda |
(U II) |
Obersekunda |
(O II) |
Unterprima |
(U I) |
|
|
Im Elberitzbad hat man Umkleideräume erweitert. Man richtet „Wechselzellen" ein. Die SA tritt wie in den Vorjahren zum „Reichswettkampf" an. Die Disziplinen haben militärischen Charakter; Zitat: „Sie werden beweisen, daß Einsatzbereitschaft und Manneszucht die Tugenden der SA waren, sind und immer bleiben werden." An die Betriebsführer wird appelliert, den Teilnehmern am Reichsparteitag den erforderlichen Urlaub ohne Anrechnung auf den Tarifurlaub zu gewähren. Ein Liter Vollmilch kostet 22 bis 24 Pfennig. Kurkonzerte im Moorbad finden bis zum Ende der Kursaison statt. In Delitzsch gibt es noch zwei Wohlfahrtserwerbslose. Der Gauleiter ruft zur Entrümpelung der Dachböden auf. In der Halleschen Straße wird das bisherige Filmtheater „Astoria" im neuen Gewande unter dem Namen „Capitol" wieder eröffnet. Das Theater weist 400 Plätze auf. Die erste Aufführung zeigt den Film „Sieben Ohrfeigen" mit Lilian Harvey und Willi Fritsch. 1000 Hitlerjungen und BD-Mädel nehmen am Gausportfest der HJ in Halle teil. Bannführer Fuchs: „Ziel der HJ ist, ein wehrfähiges und wehrfreudiges Geschlecht im natürlichen deutschen Denken und Fühlen zu erziehen." 180 organisierte Bienenzüchter gibt es im Kreis Delitzsch. Sie betreuen 1837 Bienenvölker. Außerdem werden 700 Bienenvölker von unorganisierten Imkern, auf die man schimpft, betreut.
1937 September
Eine Veranstaltung des VdA anläßlich des „Tages des Deutschtums" beschäftigt sich mit dem Thema: „Deutschlands Grenzland und sein Kampf um das Deutschtum." Man gedenkt der 35 Millionen Auslandsdeutschen. Am 06. September beginnt der „Parteitag der Arbeit" der NSDAP in Nürnberg. Im Lindenhof können Personen, die kein Rundfunkgerät besitzen, die Veranstaltungen im Gemeinschaftsempfang verfolgen. Zum Tag des Arbeitsdienstes bringt die Delitzscher Zeitung folgende Schlagzeile: „Arbeitsdienst ist Gottesdienst". Adolf Hitler in Nürnberg: „Deutschland ist das Germanische Reich Deutscher Nation", „Die Jüdische Frage ist eine Weltfrage"; „Moskau ist für uns unerträglich!". Das Rosental zwischen Oskar-Reime-Straße, Schulze-DelitzschRing und Lober wird zum „Naturdenkmal" erklärt. Pastor lic. Suckert wird zum Heerespfarrer nach Naumburg berufen. In Delitzsch gibt es zur Zeit 787 Fernsprechteilnehmer. Folgende Straßenverbesserungen sind erfolgt oder sind vorgesehen: Die Damaschkestraße erhielt eine eingewalzte Schotterdecke. Die Oststraße soll reguliert werden. Der Horst-Wessel-Platz (Nordplatz), die Langemarckstraße (Schulze-Delitzsch-Straße) und die Securiusstraße sollen planiert werden. Der Adolf-Hitler-Ring (Am Wallgraben) zwischen Stadtmühle und Oberrealschule erhält eine Bitumendecke. Die Kanalisation wird weiter vervollkommnet in der Damaschkestraße, der Weststraße, Oststraße und Muchowstraße (Uferstraße). Der Lober wird vom Rosental bis zur Naundorfer Mühle vertieft; dies ist ein Objekt des Reichsarbeitsdienstes. Siedlungen und Wohnungen:
An der Securiusstraße sind 32 Wohnungen im Entstehen.
40 Volkswohnungen in der Muchowstraße (Uferstraße) werden demnächst bezogen.
20 Volkswohnungen in der Fuststraße sind im Bau.
In der Beerendorfer Straße, Nordseite, wurde eine Baulücke geschlossen.
In der Bismarckstraße wurde ein Siebenfamilienhaus bezogen.
12 restliche Baustellen der NSKOV-Siedlung (Ostsiedlung) werden noch in diesem Jahr fertig. Neue Wohnhausbauten in der Hainstraße, Saarstraße (heute Humboldstraße) und Gorch-Fock-Straße (Ehrenbergstraße) entstehen. Erweiterungsbauten der Böhme AG und der Zuckerfabrik.
1937 Oktober
Im Gemeinderat wird festgelegt, in Delitzsch, wahrscheinlich auf dem Breiten Turm, eine Luftschutzwamanlage anzubringen. Zwei weitere Stellen für Polizeibeamte werden geschaffen. Am 06. Oktober eröffnet man das „Winterhilfswerk". Der erste Eintopfsonntag soll am 10. Oktober stattfinden. Der Volksempfänger ist für 65 RM im Angebot. Die Kartoffelpreise betragen für Kleinverteiler 3,00 bis 3,30 RM je 50 Kilogramm. Am 14. Oktober wird im Heimatmuseum ein Modell von AltDelitzsch, angefertigt von Herrn Kurt Wittig in 2jähriger mühevoller Arbeit, ausgestellt. Im Maßstab von 1 : 500 ist die Altstadt mit 327 Bürgerhäusern, der Kirche, dem Rathaus, dem Schloß und den Befestigungsanlagen naturgetreu wiedergegeben. (Das Modell befindet sich jetzt in einer Etage des Schloßturmes.) Am 16. Oktober führt die SS gemeinsam mit dem NS-Frauenbund einen „Sippenabend" mit dem Thema „Frauen sind die Trägerinnen deutscher Ewigkeit" durch. Man verlangt, Ahnenforschung als ernste Verpflichtung für jeden Volksgenossen zu betreiben, um den Abstammungsnachweis erbringen zu können. Im Schützenhaus spricht zu einer Großkundgebung der „Reichsstoßtruppredner" Walter Franke. „Unser Volk ist der Stoßtrupp gegen den Weltbolschewismus". Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung vom 26. Oktober: „Deutsche Frau, bist Du bereit? Wer den Frieden haben will, muß zum Kriege rüsten!" Gemäß Magistratsbeschluß soll die Luftschutzwarnanlage auf dem Rathaus angebracht werden. Man beschließt ferner, die Eilenburger Straße zu verbreitern.
1937 November
Der sogenannte Kläranlagenweg wird in „Naundorfer Weg" umbenannt. Die neue Straße ostwärts der Damaschkestraße heißt „Gustloffstraße" (heute Rathenaustraße). Der Kreisleiter Krüger nimmt vor 2200 Werktätigen die Fahnenweihe von 28 Fahnen der DAF vor. Die Kreisorganisation des Reichskolonialbundes hat 1924 Mitglieder. Ein Aufmarsch in Delitzsch findet statt. Zwei neue Siedlungsvorhaben der Stadt werden begonnen. Nach der Vollendung der Kleinsiedlung an der Securiusstraße will die Stadt in einem zweiten Bauabschnitt eine neue Siedlung in Angriff nehmen, wobei der Siedler etwa 600 bis 700 RM selbst aufbringen muß. Eine Kundgebung der NSDAP im Schützenhaus beschäftigt sich mit der Frage: „Germanen als Kulturträger". Die Straße nach Leipzig wird südlich der Eisenbahn bis zur „Bauerschen Scheune" um 85 Zentimeter verbreitert. Für den Butter- und Fettbezug 1938 wird festgelegt, daß der Bezug über Kundenlisten der Verkaufsstellen erfolgt. Dazu sind Haushalts- und Kundennachweise erforderlich.
1937 Dezember
Eine Werkstoffschau des Handwerkes wird im Lindenhof eröffnet. Aus einem Jahresbericht der Stadtverwaltung über das kulturelle Leben in Delitzsch:
1. Theater: Wenig Interesse für Schauspiele, Zulauf bei leichten Operetten.
2. Städtische Volksbücherei: Im Besitz sind augenblicklich 1900 Bände.
3. Heimatmuseum: Erweiterung der Sammlungen, Verbesserung der Beleuchtungsverhältnisse, Erhaltung des Parkettfußbodens. Museumsbesucher: 550 Einzelpersonen, 20 Schulklassen, fünf andere Gruppen. Auszüge aus einem Bericht des Landratsamtes Delitzsch über die Stadt Delitzsch an den Regierungspräsidenten in Merseburg:
Werkstättenteich:
Da die Wasserverhältnisse im Werkstättenteich ideal sind, und auch in sonstiger Beziehung die Verhältnisse günstig liegen, will die Stadt versuchen, unter Umständen den Badebetrieb im Werkstättenteich auf eine vollkommen neue Grundlage zu stellen. Die Stadt bemüht sich, einen langjährigen Vertrag mit der Reichsbahndirektion abzuschließen! Dadurch dürfte die Möglichkeit gegeben sein, in großzügiger Weise an den Ausbau des Werkstättenteiches heranzugehen. Es läßt sich hier ein ideales Freibad schaffen, welches der Bevölkerung im Osten und Norden der Stadt die notwendige Erholung bieten könnte. Nach Lage der Sache ist damit zu rechnen, daß auch hier in den kommenden Jahren eine günstige Regelung erzielt werden kann. (Aus dieser Absicht wurde nichts; der Teich wurde zugeschüttet.)
Moorbad:
Die Verhältnisse im Moorbad gestalten sich allmählich günstiger, wenngleich auch jetzt noch die Stadt durch Ausbau- und Erneuerungsarbeiten Zuschüsse leisten muß. Neugeschaffen wurde aus Mitteln der Böhmespende ein Tagesraum für die Gäste des Moorbades. ... Die Besucherzahl hat sich dank der rührigen Tätigkeit des Pächters Fuchs im abgelaufenen Jahr erfreulich erhöht. Die Landesversicherungsanstalt der Provinz Sachsen in Merseburg hat zahlreiche Kranke (Rheuma-, Ischias- und Gichtkranke) zur Kur in das Moorbad Delitzsch gesandt. Auch Privatpatienten kamen in größerer Zahl hierher, um Heilung und Linderung ihrer Leiden zu suchen. Es ist damit zu rechnen, daß mit dem weiteren Ausbau des Bades sich die Besucherzahl immer mehr steigert, so daß in absehbarer Zeit das Moorbad ohne städtischen Zuschuß existieren kann.
Stahlquelle:
Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" war in der Zeit vom 14. Mai bis 30. September 1937 an den Wochentagen von 6.30 - 10 und von 16.30 - 19 Uhr und an den Sonn- und Feiertagen von 8 - 12 und von 16 - 19 Uhr geöffnet. Die Verwaltung lag in den Händen des Herrn Kurt Grabe aus Delitzsch, Bitterfelder Straße 43. Das Wasser wurde kostenlos abgegeben. An Trinkbechern wurden 3700 Stück zum Preise von 0,05 RM je Stück verkauft. Der Besuch war wieder sehr rege. Die Stahlquelle erforderte einen etatlichen Zuschuß in Höhe von 350 RM. Die Firma Dietrich hat der Stadt 500 Wassergläser aus alten Beständen gestiftet. Sie werden an der Stahlquelle mit verkauft, pro Stück 0,05 RM.
Einnahme |
= |
161,00 RM |
Ausgabe |
= |
467,57 RM |
Zuschuß |
= |
306,57 RM |
In den NS-Einheiten werden „Weihnachtsfeiern in deutschem Geiste" veranstaltet. Die SS begeht ihr „Julfest", die HJ die Wintersonnenwende. Auf der Kreuzung am Roßplatz soll zu Beginn des neuen Jahres eine Verkehrsampel in Betrieb genommen werden. Man führt wieder „Pfundtütensammlungen" für das Winterhilfswerk durch. Der Bürgermeister Dr. Frey stellt fest, daß erstmalig der Haushaltsausgleich hergestellt werden konnte.
1937 Zusammenfassung des Jahres
In den vier Jahren der NS-Herrschaft wurde eine beispiellose Aufrüstung betrieben. In der Presse und in der Propaganda wurde die Rüstung damit begründet, daß die Sowjetunion und auch England gewaltig aufrüsten. Die Ungültigkeitserklärung des Versailler Vertrages auf dem Nürnberger Reichsparteitag sowie die dortige Parade von Streitkräften ließen den Umfang der deutschen Waffenproduktion erkennen. In Delitzsch gab es mancherlei Anzeichen dafür, daß Hitler einen Krieg durchaus einkalkulierte. Dafür seien einige Beispiele genannt: Rationalisierung des Fettbezuges (Göring: „Kanonen statt Butter!") „Gesetz über Fettwirtschaft" ab 1936; Konzentration der Fettverarbeitung auf wenige Molkereien. Manöver der Wehrmacht im Kreise Delitzsch. Pflichtablieferung der Bauern von Getreide. Bau einer Luftschutzwarnanlage, Aufruf zur Entrümpelung der Dachböden. Hinsichtlich der Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie fand die Zuwendung zur germanischen Vergangenheit ihre Fortsetzung mit Sippenabenden, Sonnenwendfeiern, Ahnenforschung und Julfesten. Die Begriffe „Blut", „Boden", „Rasse" und die damit begründete Verfolgung und Vernichtung des Judentums bestimmten maßgeblich das Denken der NS-Führung. Ihre Redner brachten diese Begriffe an den Mann. Die Erziehung der Jugend tendierte immer mehr zur Vorbereitung auf den Krieg. „Ziel der HJ: ...Erziehung eines wehrfähigen und wehrfreudigen Geschlechts". Technische Erziehung des Jungvolkes, „ ... die später vor allem in den Wehrmachtsteilen Luftwaffe, Marine und Kraftfahrtruppen einen vorgebildeten und geschulten Nachwuchs stellen kann." Die Bürger in Delitzsch wurden von dem nationalistischen Gedankengut erfaßt, zumal durch die weitere Bautätigkeit von Siedlungen und durch das Heimatfest mit der Einweihung der Brunnenfigurengruppe „Die Genesung" die Betonung auf mittelalterlichen Traditionen lag. Der Kurbetrieb hatte sich erweitert, Badegäste kamen nach Delitzsch. Die Anzeichen für militärische Ambitionen Hitlers nahm man gelassen hin.
1938
1938 Januar
Im Reichsbahnausbesserungswerk erfolgt die Lossprechung der Tischler- und Sattlerlehrlinge. Frost und starke Schneeverwehungen treten auf und behindern den Verkehr außerordentlich. Beim „Reichsleistungsschreiben" der Stenografen erzielen Walter Weber mit 260 Silben/Minute und Erna Köckeritz mit 220 Silben/Minute herausragende Leistungen. In der Walzenmühle wird im Rahmen des Ernährungshilfswerkes der NSV eine Schweinemästerei eingerichtet. Auf im Kreis unbebauten Flächen sollen Maisanpflanzungen erfolgen. Ein Fischsterben in den Kosebruchteichen ist vermutlich durch eingeflossenes Rieselwasser oder durch Sauerstoffmangel wegen des Zufrierens der Teiche verursacht worden. In Delitzsch eröffnet man eine Ausstellung der NSDAP mit dem Thema „Geschichte der Bewegung". Über der Kreuzung am Roßplatz wird eine Verkehrsampel angebracht. Die Ampel weist vier Felder in den Farben rot und grün auf. Ein Zeiger bewegt sich ständig. Wenn er auf Grün zeigt, ist die Fahrt frei.
1938 Februar
In Stadt und Kreis finden Betriebsappelle statt, eine Kundgebung des Handwerks und des Einzelhandels beschäftigt sich mit der Sicherstellung der Ernährung. In der Sitzung der Ratsherren wird der Nachtragshaushaltsplan beschlossen. Ferner: Für die Hospitalstiftung soll eine neue Satzung ausgearbeitet werden; die alte stammt aus dem 14. Jahrhundert. Der dem Hospital angegliederte Kindergarten bleibt bestehen. Die Kosten pro Kind für Beaufsichtigung und Speisung betragen 1.00 RM pro Woche. Der Wert der Stiftung einschließlich Grundstücke und Liegenschaften beträgt 313.000 RM. Man bewilligt die Mittel für eine neue Luftschutzwarnanlage. 10.000 RM werden für den Bau eines HJ-Heimes bereitgestellt. Für eine neue Pumpanlage im Elberitzbad bewilligt man 2000 RM. Eine Reihe von Verbesserungen betreffen die Schulen, die Volksbibliothek und das Rathaus. Für Straßenbauten stellt man 50.000 RM zur Verfügung. 15.000 RM konnten an Fürsorgekosten eingespart werden, weil sich die soziale Lage verbessert hat. Das Fahrtenziel für den Delitzscher HJ-Bann 396 ist das Grenzland Sachsen. Das DRK bezieht ein neues Heim in der Eilenburger Straße 67. Die staatliche Versuchs- und Forschungs- sowie höhere Lehranstalt für Wein, Obst- und Gartenbau zu Geisenheim am Rhein hat einen Teil ihres Instituts mit den Namen des Herrn Gartenbaudirektors Walter Poenicke benannt, der früher Mitinhaber und Technischer Leiter des hiesigen Baumschulbetriebes war, bis er dann zum Vorsitzenden der Deutschen Obstbaugesellschaft, des Reichsbundes für Obst- und Gemüsebau sowie der Obstbauabteilung der Preußischen Hauptlandwirtschaftskammer und zum Direktor der technischen Abteilung des Reichsverbandes des Deutschen Gartenbaues berufen wurde. In Delitzsch findet eine weitere Verdunkelungsübung statt. Eine Arbeitstagung der Bezirks- und Ortsbauemführer und der Ortsgefolgschaftswarte des Kreises Delitzsch steht unter der Losung: „Jeder Bauer gehört in die Deutsche Arbeitsfront". Am 15. Februar erfolgt die Einführung des weiblichen Pflichtjahres in der Haus- und Landwirtschaft vor Aufnahme einer Berufstätigkeit. Die ersten Mädchen nehmen die Tätigkeit vornehmlich in landwirtschaftlichen Großbetrieben des Kreises auf.
1938 März
Anläßlich des Anschlusses Österreichs an Deutschland erläßt der Kreisleiter Krüger folgenden Aufruf. „Der Verräter Schuschnigg ist zurückgetreten! Unsere nationalsozialistischen Brüder haben in Österreich die Macht übernommen. Zur Feier dieser denkwürdigen Machtübernahme versammeln sich sämtliche Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie sämtliche Vereine heute Abend 19.15 Uhr zum Fackelzug auf dem Alten Schützenplatz." Nach dem Ummarsch durch die Stadt erfolgt eine Kundgebung auf dem Marktplatz. Anläßlich des Anschlusses Österreichs ist für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung und Reichstagswahl ausgeschrieben worden. In Delitzsch beginnt die NSDAP eine Kundgebungswelle zur Vorbereitung auf die Wahl. 38 Versammlungen werden im Kreis durchgeführt. Redner sind neben den hohen Führern Gau- und Kreisredner. Am 28. März findet der Kreishandwerkertag in Delitzsch statt. 20 Innungen mit 2000 Handwerkern, 1600 Gesellen und 1000 Lehrlingen sind in der Kreishandwerkerschaft zusammengeschlossen. Es erfolgt das feierliche "Aufdingen" neuer Lehrlinge sowie das „Lossprechen" der Ausgelernten. Auf dem Handwerkertag wird die Kreissatzung über die Pflicht zum Besuch der gewerblichen Berufsschule veröffentlicht. Die Satzung enthält alle Bestimmungen zum Besuch der Berufsschule, die Pflichten der Schüler und Lehrmeister, der Arbeitgeber und der gesetzlichen Vertreter.
1938 April
Die Vorbereitungen auf die Reichstagswahl laufen auf vollen Touren. Dienstbesprechungen, Propagandamarsch, Gauleiter-Kundgebung, Platzkonzert, Propagandafahrten. Aus der Rede des Gauleiters Eggeling: „Deutschland ist wieder eine Weltmacht!" ... „Nicht mit den Soldaten, sondern mit seinem großen deutschen Herzen hat der Führer Österreich erobert." Aus Anlaß der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich soll am 10. April das deutsche Volk ein Bekenntnis zum Führer ablegen. Dazu erläßt der Kreisleiter Krüger den Aufruf: „Für ein Großdeutsches Reich! Der Führer hat durch seine Tatkraft eine geschichtliche Aktion durchgeführt, die seine eigene, ja die Sehnsucht aller Deutschen gewesen ist. Das Deutsche Reich ist durch den Zustrom deutschen Bruderblutes nunmehr eine Weltmacht geworden, die zugleich ein eiserner Garant des Friedens ist. In jener denkwürdigen Reichstagssitzung vom 18. März 1938, in der der Führer der ganzen Welt die Gründe seines Tuns auseinandersetzte, konnte er mit Stolz aussprechen: „Hinter dieser meiner Entscheidung stehen 75 Millionen Menschen, und vor ihr steht von jetzt ab die deutsche Wehrmacht". Durch die überwältigende Zustimmung auf seiner Fahrt durch die neue Ostmark und bei seinem triumphalen Einzug in die Reichshauptstadt erhielt der Führer den ersten Beweis für die Richtigkeit seiner Handlungsweise. So rufe ich alle Volksgenossen meines Kreises auf, am 10. April der Anstandspflicht jedes deutschen Menschen Genüge zu tun, sein Bekenntnis zum Führer abzulegen. Der Ruf der befreiten Brüder „Ein Volk, ein Reich, ein Führer" sei auch unser Losungswort. Es gilt die geschichtliche Entscheidung zu fällen: Deine Stimme für das Großdeutsche Reich!" Aus einem Bericht über die Böhme AG: Im Jahre 1937 hat die Böhme AG eine Erweiterung ihrer Fabrikanlagen vorgenommen. Man baute ein neues Kesselhaus, schuf schöne, helle, lichte Arbeitsräume, führte dem Wohlfahrtsfonds 25.000 RM zu, schuf 26 Brausebäder. Auszüge aus einem Bericht des Bürgermeisters Dr. Frey: Die Arbeitslosigkeit wurde mit Erfolg bekämpft. Die Belegschaft des RAW stieg von 805 am 01. 02. 1933 auf 1166, die der Böhme AG von 413 auf 591 (zeitweise auf 700), die der Zuckerfabrik von 141 auf 223 Beschäftigte. Seit zwei Jahren hat Delitzsch keine Arbeitslosen mehr. Es herrscht eine rege Bautätigkeit. Seit 1933 wurden insgesamt 144 neue Siedlungshäuser, 96 Volkswohnungen, 403 Privatwohnungen und 27 umgebaute Wohnungen - zusammen über 670 Wohnungen - errichtet. In der Finanzwirtschaft wurden Fehlbeträge beseitigt. Jetzt wird am Ausbau des Straßennetzes und der Kanalisation, an der Instandsetzung und Erneuerung der Schulgebäude, der Erweiterung des Krankenhauses gearbeitet. Ergebnisse der Wahlen vom 10. April in Delitzsch: Auf dem Stimmzettel wurde folgende Frage gestellt: „Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?"
Abgegebene Stimmen |
11.823 |
Jastimmen |
11.378 = 96,2 % (Kreis = 98;44 %) |
Neinstimmen " |
383 |
Ungültig |
62 |
Auf einer Versammlung der Stadträte informiert der Bürgermeister: Das Denkmal für die Gefallenen und Krieger der Reichseinigungskriege 1870/71 auf dem Marktplatz wird versetzt und soll westlich des Halleschen Turmes aufgestellt werden. Begründung: Das Marktgetümmel ist nicht vereinbar mit der Würde des Denkmals. Die Stadt schafft eine Großlautsprecheranlage an. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers finden am 20. April an den Schulen Feierstunden statt, anschließend ist schulfrei. Es erfolgt die Eingliederung der 10jährigen in das Jungvolk. Das Gelöbnis lautet: „Ich verspreche, in der Hiderjugend allezeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer, so wahr mir Gott helfe." In Berlin findet eine große Parade der Wehrmacht statt. Die Delitzscher Zeitung veröffentlicht eine Übersicht über die Innungen des Handwerks im Kreise Delitzsch:
Sattler- und Tapezierer-Innung |
Obermeister Paul Hofmann |
Baugewerker-Innung |
Obermeister Gustav Richter |
Wagner-Innung |
Obermeister Bödemann |
Schmiede-Innung |
Obermeister Willy Morgner |
Kraftfahrzeughandwerker-Innung |
Obermeister Fritz Genscher |
Klempner-Innung |
Obermeister Willy Heinrich |
Dachdecker-Innung |
Obermeister Otto Tauer |
Friseur-Innung |
Obermeister Otto Köhler |
Schuhmacher-Innung |
Obermeister Paul Schüler |
Damenschneider-Innung |
Obermeister A. Herdam |
Herrenschneider-Innung |
Obermeister Martin Hennig |
Elektro-Innung |
Obermeister Berthold Schuchardt |
Müller-Innung |
Obermeister Johannes Alltag |
Kreishandwerksmeister ist Hermann Mietzsch. Im Elberitzbad liefert ein leistungsfähiger Rohrbrunnen gutes und ausreichendes Wasser. Das Bad kann innerhalb von 12 Stunden gefüllt werden. Das hölzerne Pumpenhäuschen wird durch einen massiven Bau ersetzt.
1938 Mai
Auf dem Marktplatz findet die Maifeier mit einer großen Kundgebung statt. Die NSDAP richtet in Delitzsch vier Ortsgruppen ein. Bei einem Waldbrand in der Prellheide werden 80 Morgen Fichten vernichtet. Größerer Schaden wird durch den Einsatz des Arbeitsdienstes verhindert. Das Werk des BDM „Glaube und Schönheit" wird eröffnet. Zum weiteren Ausbau des deutschen Jugendherbergswesens veranstaltet man den „Reichs-Werbe-und-Opfertag". Die Marine-HJ in Delitzsch erhält einen Kutter; Einsatzort ist der Werkstättenteich. Unmassen von Maikäfern fressen ganze Bäume kahl. Das Jahr ist ein „Maikäferjahr"; im Reich ruft man zur Bekämpfung im „Maikäferkrieg" auf. Der Magistrat beschließt, für die Anerkennung von Delitzsch als Heilbad vorläufig keine weiteren Gutachten für die Stahlquelle einzuholen. Ein neuer Antrag soll zur Zeit nicht gestellt werden. Ein Gutachten über die Mooranalyse ist einzuholen. Reichsjugendwettkämpfe in Delitzsch. Aus dem Gelöbnis der Teilnehmer:
"... Wir wollen im ritterlichen Kampfe unsere Kräfte messen zur Ehre der Hitlerjugend für die Kraft und Größe der Deutschen Nation." Aus einem Bericht des Landratsamtes über die Verwaltung und den Stand der Stadt Delitzsch für die Zeit vom OL 04. 1936 bis 31. 03. 1938: Werkstättenteich: Der Werkstättenteich war wiederum an den Zimmermann Knopf verpachtet Knopf zahlte an die Stadt von seinen Einnahmen den Betrag von 15 Prozent. Die Stadt zahlt davon 2/3 an die Eisenbahn als Pachtsumme, so daß ihr 5 Prozent der Einnahmen als Verwaltungskosten verblieben.
Abgeliefert wurden an die Stadt = 143,84 RM
davon erhielt die Reichsbahn = 95,89 RM
Mithin verbleiben der Stadt = 47,95 RM
Der Teich ist Eigentum des Reichsbahnausbesserungswerkes; die Stadt ist nur der Pächter. Moorbad: Der Besuch des Bades war gut. Die Landesversicherungsanstalt Merseburg sandte Rheuma-, Ischias- und Gichtkranke. Auch aus Leipzig, Erfurt, Mühlhausen, Chemnitz und Berlin kamen Kranke, die Heilung und Linderung ihrer Leiden suchten und in zahlreichen Fällen erhalten haben. Es wurden verabfolgt:
2300 Moorbäder |
77 Kohlensäurebäder |
246 Fichtennadelbäder |
9 Solbäder |
49 Sauerstoffbäder |
43 elektrische Lichtbäder |
Das Bad besteht unter Leitung des staatlich geprüften Heilgehilfen Fuchs, der es sich angelegen sein läßt, den Gästen nur alles Angenehme zu bieten. Das Bad selbst wird jährlich gründlich im Herbst und auch im Frühjahr renoviert. Es macht einen sehr einladenden Eindruck. Durch die fortgesetzte Erweiterung und Verschönerung der Anlagen wird der Aufenthalt in Delitzsch immer angenehmer. Die heilkräftige Wirkung der Moorerde wird immer mehr anerkannt, was auch durch immer neu eingehende Anerkennungsschreiben der Geheilten bestätigt wird. Es wird deshalb auch an dieser Stelle nochmals auf die von Geheimrat Prof. Dr. Kruse, Hygienisches Institut der Universität Leipzig, in seinem Gutachten gestellte Analyse hingewiesen, die die besonders günstige Zusammensetzung der hier vorhandenen Moorerde herausstellt. Der Städtische Zuschuß beträgt nur 390,25 RM, 1935 waren es 6815,44 RM. Stahlquelle: Die Stahlquelle „Neuer Heiligbrunnen" war in der Zeit vom 01. Mai bis 30. September 1936 an den Wochentagen von 6.30 - 10.00 Uhr sowie von 16.30 - 19.00 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen von 8 - 12 Uhr. Die Verwaltung lag in den Händen des Herrn Wilhelm Müller aus Delitzsch, Querstraße 19. Das Wasser wurde kostenlos abgegeben. An Trinkbechern wurden 2.706 Stück zum Preise von 0,05 RM je Stück verkauft. Der Besuch war sehr rege, sowohl durch die Bürgerschaft als auch durch auswärtige Volksgenossen. Der Zuschuß für die Stahlquelle betrug 500 RM.
1938 Juni
In der Presse erscheinen zunehmend Berichte über die Tschechoslowakei. Es handelt sich vornehmlich um die Darstellung von Übergriffen der Tschechen gegen Deutsche. Auf dem Sportplatz an der Elberitzmühle werden Handballgäste aus der „Ostmark" (Österreich) empfangen. Die SA stellt einen Ehrensturm, Bürgermeister Dr. Frey spricht. Beim traditionellen Schützenfest erfolgt der Auszug der Schützen. In der Festkutsche zeigt sich der Schützenkönig, die Scheibe mit dem Königsschuß wird vorangetragen. Bei einer Bodenentrümpelung in Halle werden Dokumente über die Stadt Delitzsch aus dem 15. Und 16. Jahrhundert gefunden. Bei einem Appell des „NS-Reichskriegerbundes" werden die ehemaligen „Jäger" und „Schützen" eingegliedert. (Am 18. 03. 1938 erfolgte die Umwandlung des „Kyffhäuserbundes" in „NS-Reichskrieger-. bund" als alleinige Vertretung ehemaliger Soldaten.) Im Schützenhof gastiert das „Orchester des Führers", das Reichssinfonieorchester. Wie in jedem Jahr findet der „Peter-und-Paul-Markt" in den Mauern der Altstadt statt. Der Hilfsschullehrer an der Knabenschule, Remoli, besteht die Doktorprüfung. Er beschäftigt sich vor allem mit der Vorgeschichte des Delitzscher Raumes und hat eine Reihe von Forschungsergebnissen veröffentlicht.
1938 Juli
In Delitzsch wird am 01. Juli eine „Zweckverbandberufsschule" gebildet. Direktor ist Lücke. Die Jugendfeuerwehr in Delitzsch unterzieht sich einer Prüfung und erfüllt die Anforderungen ausgezeichnet. Im Handwerk findet wiederum ein Leistungskampf statt. Ein Viertel der Kreisbevölkerung ist in „Sippentafeln" erfaßt. Man erteilt folgenden Rat: „Vor der Verlobung, aber mindestens einige Wochen vor der Hochzeit, soll man zum Staatlichen Gesundheitsamt gehen." Das Gesundheitsamt hat das Recht, in bestimmten Fällen eine Eheschließung zu verbieten. Die Jugendorganisation sowie Verbände der NSDAP führen erneut Großfahrten durch. Die HJ fährt nach Ostpreußen und in das Grenzlandlager Olbernhau, die Pimpfe aus Delitzsch begeben sich in das Grenzland nach Nennigenmühle, die SS fährt nach Norden. Am Schulze-Delitzsch-Denkmal wird das alte Eisengitter beseitigt, desgleichen am Kriegerdenkmal.
1938 August
Am „Deutschen Turnfest" in Breslau nehmen Turner und Turnerinnen aus Delitzsch teil. Bei der Rückkehr werden sie vom Bannmusikzug empfangen und zum Markt geleitet, wo eine Würdigung stattfindet. Auf der Siegerliste des TV 1845 stehen: Otto Rößler, Karl Martin, Walter Modrow, Gerhard Holdefleiß, Erich Förster, Gerhard Lahn, Heinz Thieme, Ernst Soban, Martha Beetz, Erich Pfennig, Hans Lange. Für 750 RM soll man auf Grund einer KdF-Wagen-Sparkarte vom Volkswagenwerk einen Wagen erhalten. Es herrscht eine außerordentliche Trockenperiode, so daß der Bürgermeister zum sparsamen Wasserverbrauch aufruft. Auf dem Halleschen Turm wird eine neue Wetterfahne angebracht, die vom Klempnermeister Franz Reyher hergestellt wurde. Aus der Stadtchronik: „Auch die Wetterfahne auf dem Breiten Turm stammt von Franz Reyher. Die neue Wetterfahne auf dem Halleschen Turm wiegt ohne Stange und Kugel 50 Pfund. Zwei junge Dachdecker vom Dachdeckermeister Robert Kittler bringen die Wetterfahne an. Auf der Stange tanzt sie so leicht im Kreise, daß man sie mit dem Mund wegblasen kann. 100 Jahre soll die neue Wetterfahne halten, wie Meister Reyher sagte. Die Schlosserarbeiten an der Wetterfahne führte Schlossermeister Wiehr aus." Aus der Tagung des Gemeinderates vom 13. August: Jeder Ratsherr soll selbständig im Stadtinteresse mitarbeiten und ein bestimmtes Gebiet zugewiesen bekommen. Beschlossen wird die „Freilegung" der Beethovenstraße, desgleichen der Ausbau der Richard-Wagner-Straße. In der Bitterfelder Straße in der Nähe des Wasserwerkes sollen 80 Volkswohnungen errichtet werden. Den Bau will die Stadt in eigener Regie übernehmen. Die Mieten sollen zwischen 27 und 30 RM betragen. Das Kriegerdenkmal 1870/71 wird in den Anlagen westlich des Halleschen Turmes aufgebaut (etwa dort, wo heute der Gedenkstein für Ehrenberg steht). Die Stadt hat das Gärtnereigrundstück Parkstraße 7 (Gärtnerei Naujokat) erworben, um die Stadtgärtnerei vom Schützenhausplatz hierher zu verlegen. Der Bürgermeister ruft die Bevölkerung auf, sich am Theaterring von „Kraft durch Freude" zu beteiligen. Unter der Losung „Alteisen gab ich, um Gold zu sparen" führt man eine Schrottsammlung durch. Das Jungvolk führt einen ersten „Luftschutzdienst" durch.
1938 September
Das Hotel „Fürst Bismarck" in der Eilenburger Straße wird an die Delitzscher Vereinsbank verkauft. Das Hotel wird geschlossen, Saal und Vereinszimmer sollen in Verbindung mit dem „Burgkeller" weiter genutzt werden. Am Reichsparteitag in Nürnberg nehmen u. a. 16 Mädel- und Jungmädelführerinnen aus dem „Untergau Delitzsch" teil Der Fleischermeister Brand in der Hermann-Göring-Straße (heute Dübener Straße) verstirbt durch einen Unfall beim Schlachten. Neuer Stadtbaumeister in Delitzsch wird der Stadtbauinspektor Alfred Renner. Die Stadt stellt Kleinstparzellen an der Securiusstraße und an der Brehnaer Straße zur Bebauung für Siedlungswillige zur Verfügung. In Delitzsch trifft am 20. September ein Transport von 300 sudetendeutschen Flüchtlingen ein. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt: „Infolge der unbeschreiblichen Terrormaßnahmen der Tschechen gegen die dortigen Deutschen haben Tausende von deutschen Flüchtlingen das Tschechenland verlassen und in Deutschland Zuflucht gesucht. Die ersten Flüchtlinge sind letzte Nacht hier angekommen, sie werden in Privatquartieren untergebracht." In der Presse findet man täglich Berichte über die Tschechoslowakei, über die Verfolgung von Deutschen und über Terror der Tschechen. Von Überfällen und blutigen Gefechten ist die Rede. Aufruf des Landrates zur Mitarbeit im Roten Kreuz im Kampf gegen „Notstand im Krieg" und im Frieden. Sudetendeutsche Frauen und Kinder werden in Erholungsheime der NSKOV gebracht. Die Jahntumhalle wird als DRK-Hilfslazarett eingerichtet. Für diejenigen, die kein Rundfunkgerät besitzen, hat man im Lindenhof Möglichkeiten für den Gemeinschaftsempfang einer „Führerrede" geschaffen. Es geht um die Verhältnisse in der Tschechoslowakei. Ein Memorandum an die tschechische Regierung wird an den englischen Premierminister Chamberlain zur Weiterleitung nach Prag übergeben. Es enthält die Forderungen Deutschlands betreffend die Sudetendeutschen Hitler: „Deutschland ist entschlossen und holt die Sudetendeutschen heim ins Reich!" Am 28. September findet eine „Treuekundgebung" für den „Führer" durch alle Organisationen der NSDAP statt; es spricht der Kreisleiter.
1938 Oktober
Schlagzeile in der Delitzscher Zeitung vom 03. Oktober: „Der Führer im befreiten Sudetenland!" Die vor kurzer Zeit nach Delitzsch gekommenen Flüchtlinge aus dem Sudetenland kehren wieder als „Reichsdeutsche" in ihre Heimat zurück. Im Lindenhof werden sie feierlich verabschiedet. Die Firma Franz Schulze, Baumeister in Delitzsch, Bitterfelder Straße 21, begeht ihr 50 jähriges Bestehen. Franz Schulze gründete 1888 als Zimmerer in Schenkenberg sein Geschäft. 1919 kaufte er die Restauration „Zur Weintraube" in Delitzsch, Bitterfelder Straße 21, und richtete in diesem Grundstück sein jetziges Zimmerergeschäft ein. In Delitzsch begeht man mit zahlreichen Feiern den Erntedanktag. Die HJ führt gemeinsam mit der Sparkasse eine Sparaktion durch. Es werden Sparmarkenkarten für alle Jungen und Mädel ausgegeben. „Nur wer spart, darf noch an Lagern und Fahrten teilnehmen." Die Einwohnerzahl in Delitzsch, die am 30. September noch mit 17.931 Personen, 8.704 männliche und 9.227 weibliche Einwohner, festgestellt wurde, hat sich durch Zuzug innerhalb von zehn Tagen auf über 18.000 erhöht. Am 20. Oktober nimmt die „Volksbildungsstätte Delitzsch" ihre Arbeit auf. Vorträge sind vorgesehen zu folgenden Themen: Ausgewählte Kapitel der deutschen Geschichte; WHW und NSV; fünf Abende Schulungsbrief der NSDAP; Kunstgeschichte; Heimatgeschichte; Gesundheitspflege; Chemie im Alltag; Fremdsprachen; Numismatik; Fotografie; Handweben; Rosen und Stauden. Im BDM-Werk „Glaube und Schönheit" werden folgende Gruppen gebildet: Hauswirtschaft; Leibesübungen; Musik; Handwerkliche Gestaltung; Theater; Film; Schulungen u. a. Am 28. Oktober begeht der TV 1845 das Fest seiner Fahne. Die Fahne war 1848 von Frauen und Mädchen aus Delitzsch angefertigt worden, vom Lehrer Grellmann versteckt, als die Turner politisch „verdächtig" waren, 1863 aber dann auf dem 3. Deutschen Turnfest in Leipzig wieder vorangetragen. Am 31. Oktober nimmt man die 18jährigen Hitlerjungen in die Gliederungen der NSDAP auf. Die katholische Schule wird aufgelöst, die 100 Kinder werden auf die beiden Volksschulen verteilt. Für Mittel- und Volksschulen werden die Klassenbezeichnungen umgestellt, und zwar aufsteigend von 1 - 6 bzw. 1 - 8.
1938 November
Am 07. November findet wiederum ein Kreisdienstappell der NSDAP statt. Alle Organisationen der Partei erstatten Bericht. In der Nacht vom 09. zum 10. November erfolgt das als „Reichskristallnacht" bekannte Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Der Chronist der Stadtverwaltung schreibt dazu:
„Wie in anderen Städten, so ist man auch in Delitzsch zerstörend gegen die jüdischen Geschäftsinhaber vorgegangen. Laden und Wohnung eines jüdischen Geschäftsinhabers wurden zerstört, die jüdische Kapelle, der „Judentempel", dem Erdboden gleichgemacht. Damit dürften wohl endlich und für immer die letzten Zeichen „jüdischer Niederlassung" in Delitzsch verschwunden sein." In der Delitzscher Zeitung erscheint die Schlagzeile: „Delitzsch nun in seinem äußeren Stadtbild völlig judenrein!" Ausgehend von den Ereignissen in Paris, wo der Jude Grynspan den 3. Botschaftsrat Ernst von Rath lebensgefährlich verletzt, beginnt in Deutschland die Jagd auf die Juden. Die Polizeibehörde Delitzsch erhält folgenden Funkspruch von der Stapo Halle: „Auf Grund des Attentates in Paris sind Demonstrationen zu erwarten. Die Polizei hat diese Demonstration nicht zu verhindern, sondern die Befolgung folgender Richtlinien zu überwachen. a. Eine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums ist zu verhindern. b. Wohnungen und Geschäfte von Juden dürfen nur zerstört, aber nicht geplündert werden. Plünderer sind festzunehmen. c.: Nichtjüdische Geschäfte sind unbedingt vor Schaden zu bewahren. d.: Ausländer, auch wenn es sich um Juden handelt, dürfen auf keinen Fall belästigt werden. Festnahmen von Juden sind, soweit sie in vorhandene Hafträume untergebracht werden können, durchzuführen. Dabei ist nur auf gesunde männliche Juden mit nicht zu hohem Alter zurückzugreifen." In Delitzsch geschieht am 10. November 1938 folgendes: Am Nachmittag jenes Tages werden die drei großen Schaufenster des Jacobsohnschen Geschäftes in der Breiten Straße 1 zertrümmert. Die Schaufensterpuppen, die Auslagen aus dem Bekleidungsgeschäft, Hausrat und unzählige Glassplitter liegen auf der Straße. Aus dem Reichsbahnausbesserungswerk hat eine Rotte Männer unter Führung eines SS-Mannes, der in der Bismarckstraße ein Textilgeschäft hat, das Geschäft und die Wohnung der Familie Jacobsohn geschändet. Danach geht es grölend zum Judenfriedhof. Unter den mitziehenden Kindern und Jugendlichen befinden sich auch Konfirmanden der Knabenvolksschule. Auf dem jüdischen Friedhof wird die Kapelle angezündet und zerstört und die angeheuerten Jugendlichen werfen die Grabsteine um. Nach diesen Vorkommnissen berichtet am darauffolgenden Tag die Presse, daß sich das gesunde deutsche Volksempfinden einmal mehr spontan Luft verschafft hätte! Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde berichtet am 10. November an den Herrn Landrat und an die Stapo Halle: Politische Tagesmeldung: Am 10. November war gegen 17 Uhr eine Demonstration mit etwa 300 Delitzscher Einwohnern. Die Erregung der Menge steigerte sich über die ruchlose Tat des Juden Grynspan an den Legationsrat von Rath von Minute zu Minute, bis schließlich die Menge dazu überging, das in der Breiten Straße dem Juden Walter Jacobsohn gehörende Kaufhaus zu zerstören. Das Ereignis war so groß, daß die gesamte Laden- und Wohnungseinrichtung zerstört wurde. Auch der auf dem Judenfriedhof befindliche Judentempel (es handelt sich nur um eine Andachtshalle) wurde von der erregten Menge in Brand gesteckt. Die Polizei versuchte, die Plünderung bei Jacobsohn zu verhindern. Die im Grundstück befindlichen Juden, Frau Jacobsohn sen. und jun., sowie der aus Bitterfeld stammende Jude Georg Wolff, der zu Besuch weilte, werden in Schutzhaft genommen. Der Inhaber des Ladens Walter Jacobsohn war geflüchtet und wurde von der Delitzscher Polizei kurz vor Benndorf gefangen und kam in Schutzhaft. Die beiden Frauen wurden freigelassen. Jacobsohn und Wolff wurden am 10. November 1938 19.30 Uhr der Stapo Halle vorgeführt." Am 12. November erfolgt der Abschluß eines Vertrages, demzufolge das Krankenhaus im Falle der Mobilmachung in ein Lazarett umgewandelt wird. Am 13. November eröffnet die Delitzscher Vereinsbank ihre Tätigkeit in der Eilenburger Straße in dem ehemaligen Hotel „Fürst Bismarck". Die freigewordenen Räume am Roßplatz bezieht die NSGemeinschaft „Kraft durch Freude". Die Regierung gibt die Auflage für eine neue Reichsanleihe von 1,5 Milliarden RM bei 41/2 prozentiger Verzinsung. In der Presse wirbt man für die jüngste Waffengattung, die Fallschirmjäger. Ein Sippenabend der Polizei und der SS steht unter der Losung: „Polizei und SS kameradschaftlich beisammen". Man führt gemeinsame Aufgaben zur Sicherung der Ordnung durch, u. a. gemeinsame Wache.
1938 Dezember
In einem Erlaß an alle Polizeidienststellen wird verfügt, daß beim Skat alle „Verdoppelungen", wie contra, re, recontra usw. verboten sind. Drei Delitzscherinnen wird das „Ehrenbuch für Kinderreiche" überreicht. In der Presse erscheinen häufiger Veröffentlichungen gegen das Judentum. Im Kreis Delitzsch gibt es 500 Vereine. Der „Kreisring Delitzsch", eine Zusammenfassung der Vereine in einer übergeordneten Organisation, führt eine Tagung durch. Zitat: „Die Zeit des gemütlichen Vereinsbetriebes ist vorbei, auch die kleinste Gruppe soll eine Zelle nationalsozialistischen Willens sein." In der Delitzscher Zeitung erscheint einmal wöchentlich eine Seite „Der Judenspiegel", dort erfolgt eine Verunglimpfung der Juden. Der Reichsführer SS hat angeordnet, die „Zigeunerbanden" aufzulösen und ausländische Zigeuner über die Grenzen abzuschieben. Die Wintersonnenwendfeiern werden wegen zu starker Kälte von minus 12 , C abgesagt. Der „Deutsche Kleinempfänger" kommt für 35 RM auf den Markt. Man gibt erhöhte Leistungen der Krankenkassen bekannt:
Krankenhauskosten werden erstattet;
Kinderreiche erhalten besondere Fürsorge;
Einweisungen in Genesungsheime für Schwerkranke;
alle Kurorte stehen für die Krankenkassenmitglieder zur Verfügung. Der Bürgermeister Dr. Frey gibt Zielstellungen für 1939 bekannt, so u. a. Bau von 500 - 600 Wohnungen; Erweiterung des Krankenhauses;
Ausbau der Schulen; Kanalisation; Sportplatzbau;
Ausbau der Freibäder;
Erschließen des Industriegeländes für das Ziehwerk.
Der Kameradschaftsbund deutscher Polizeibeamter, Kreis Delitzsch, hat seine Mitglieder zu einer Besichtigung der Delitzscher Zuckerfabrik eingeladen. Ingenieur Berger führt die Besichtigung. Eine neue Abladevorrichtung ist geschaffen worden, die die Rüben von den Wagen abspritzt und die Arbeit um ein Vielfaches herabmindert. Ein Silo, das etwa 40.000 Zentner faßt, nimmt die Rüben auf, bevor sie der Fabrik zur weiteren Verarbeitung zugeleitet werden. Weiter sind in den letzten Jahren große Trockenanlagen geschaffen worden, von denen die große Trommel mit einem Durchmesser von drei Metern etwa 10.000 Zentner Rüben täglich in Trockenfutter umwandeln kann. Auch die Trocknung von Rübenblättern, Grünfutter wie Klee, Luzerne, Landsberger Gemenge usw. kann erfolgen. Die Rüben von 20.500 Morgen Zuckerrübenland werden hier angeliefert. Innerhalb von 24 Stunden werden etwa 38.000 Zentner verarbeitet. Rund 6.000 Zentner fertiger Rohzucker verlassen täglich die Fabrik und werden der Raffinerie zur weiteren Verarbeitung zugeführt. Die Zuckerhaltigkeit erreichte in diesem Jahr durchschnittlich 18,5 %.
1938 Zusammenfassung des Jahres
Mit der Übernahme des Oberbefehls über die Wehrmacht durch Hitler vollzieht man die Machtkonzentration in einer Person in absoluter Weise. Die Bildung eines „Geheimen Kabinettrates" ermöglicht nunmehr die Auslösung militärischer Handlungen auf schnelle Weise. Der Beweis dafür ist der Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März. „Großdeutschland nimmt Konturen an". In Delitzsch sagt der Kreisleiter der NSDAP Krüger in einem Aufruf zur Volksabstimmung über die Eingliederung Österreichs u. a.: „Für ein Großdeutsches Reich. ...Das Deutsche Reich ist durch den Zustrom deutschen Bruderblutes nunmehr eine Weltmacht geworden!" In einer Volksabstimmung erklären 96,2 % der Bevölkerung ihr Einverständnis mit der Eingliederung Österreichs und mit der Politik Adolf Hitlers. Wie in ganz Deutschland verfällt man auch hier in einen nationalen Rausch. Auf des Messers Schneide steht der Ausbruch eines Krieges im September. Er findet nicht statt, weil England und Frankreich der Besetzung des Sudetengebietes zustimmen, so daß im Oktober die deutsche Wehrmacht in das Sudetengebiet einmarschieren kann. In Delitzsch vollzog sich das Leben in gewohnter Weise. Demonstrationen, Appelle, Versammlungen und „Nationales vaterländisches Tun" erfolgten. Auch in unserer Stadt ging der Terror gegen Zigeuner und jüdische Bürger weiter. Hier lebten nur noch wenige Juden, angesehene und seriöse Leute, aber sie alle verfielen dem Terror in der sogenannten „Kristallnacht". Die Geschäfte wurden geplündert, die Scheiben eingeschlagen und die Kapelle auf dem Judenfriedhof zerstört. Sarkastisch erklärte der Chronist der Stadtverwaltung, daß nun Delitzsch judenrein" wäre. In unserer Stadt war die Arbeitslosigkeit beseitigt. Es wurde weiter gebaut, Handwerk und Gewerbe gediehen. Man glaubte, daß das Geschick durch die Politik Hitlers in guten Händen sei. Die Jugend hatte gewonnen. Leider beschloß der Magistrat unter dem Bürgermeister Dr. Frey, keine weiteren Gutachten über die Delitzscher Stahlquelle anzufordern, um damit der Stadt den Status als Heilbad zu verleihen. Das ist bedauerlich, nach und nach ging es mit dem Kurbetrieb abwärts und in der Folge sowie im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen hörte der Kurbetrieb völlig auf. Geblieben ist nur noch die Erinnerung der älteren Bürger.
1939
1939 Januar
In Delitzsch wohnen jetzt 18.052 Einwohner in 1785 Grundstücken mit 5831 Haushalten. Etwa 2500 der Einwohner arbeiten auswärts. An der Eilenburger Landstraße will die Fa. Langer aus Dresden (Gußstahlzieherei und Drahtfabrik) ein Zweigwerk errichten. Um diese Industrieansiedlung nach Delitzsch zu bekommen, mußte von der Stadt Gelände zur Verfügung gestellt werden. Die benötigten 80 Morgen erhält sie vom Rittergutsbesitzer in Döbernitz, Graf Pfeil, im Austausch gegen Gelände an der Leipziger Straße und gegen die noch in der Spröde als Restbesitz der Stadt vorhandenen 100 Morgen (Ursprünglich hatte die Stadt dort 230 Morgen als Eigentum, die aber schon in der Vergangenheit durch Geländeverkauf geschmälert wurden). Die Spröde gehört nun ganz dem Rittergut Döbemitz. Jedoch ist das Recht zu Spaziergängen durch die Bevölkerung durch grundbuchlichen Eintrag gesichert, und die Schutzhütte am „Stiefelknecht" bleibt im Besitz der Stadt. Dieser Geländetausch wird den Ratsherren in der Gemeinderatssitzung vorgetragen und bestätigt. Weiterhin wird in der Gemeinderatssitzung beschlossen: In der Görlitz-Mark wird Gelände für einen Preis von 550 RM pro Morgen und das Forsthaus Spröde für 21.000 RM an die Luftwaffe verkauft. Der Bau von 36 Volkswohnungen durch den Eisenbahnerverein wird durch ein Darlehen gefördert. Im Rahmen des Wohnungsbaues von vorgesehenen 500 bis 600 Neubauten wird die Stadt in Verbindung mit den Mitteldeutschen Heimstätten 160 Volkswohnungen erachten, davon 100 in Nähe des Wasserwerkes, 30 in der Schlageterstraße und 30 in der Eilenburger Chaussee. Das Grundstück des jüdischen Kaufmannes Walter Israel Jacobsohn in der Breiten Straße wird zwecks einer Kurvenbegradigung zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse für 16.000 RM auf Abbruch gekauft. Die Wohnung Zeising in dem städtischen Haus Körnerstraße 9 kann nur dann von den Töchtern weiterhin behalten werden, wenn sie die Wohngemeinschaft mit ihrerjüdischen Stiefmutter auflösen. Für den weiteren Ausbau des Krankenhauses wird die Erweiterung der Anlagen und die Aufstockung des Gebäudes vorgesehen, um damit die Bettenzahl zu verdoppeln. Die Kosten dafür werden auf 400.000 RM veranschlagt, wovon der Kreis die Hälfte tragen wird. Der Gewerbebebauungsplan sieht vor, die Kanal- und Wasserleitung an die erhöhte Einwohnerzahl anzupassen. Zur Absicherung der Vorhaben werden ein Tiefbauingenieur, Herr Lüneburg, und für den Straßenbau ein Techniker, Herr Strecker, eingestellt. Für die Krankenhauserweiterung soll noch ein Hochbautechniker angestellt werden. Das Elberitzbad wird in diesem Jahr völlig zementiert. Das Werkstättenbad am RAW wird wieder hergerichtet. Zu Jahresbeginn tritt ein Wechsel in der Führung der Freiwilligen Feuerwehr ein. Der bisherige Wehrführer, Herrmann Mietzsch, scheidet nach 35jähriger Tätigkeit in der Feuerwehr aus. Dafür wird als neuer Wehrführer der Stadtbaudirektor Alfred Renner berufen. Als Dezernent für das Feuerlöschwesen wird Herr Scharf berufen. Als neuer Kreisveterinärrat ist der Polizeiveterinärrat Dr. Eckhard Kothe aus Schönlanke/Bezirk Grenzmark Westpreußen-Posen ernannt worden. Der bisherige Kreisveterinärrat Busch ist in den Ruhestand getreten. Pg. Seidel wird ab 01. 01. 1939 als Direktor der Knabenschule bestätigt. Der Kraftfahrzeugbestand im Kreis Delitzsch hat sich wie folgt entwickelt:
1930: |
2.645 |
1933: |
2.805 |
1938: |
5.247 |
Für den Reichsberufswettkampf haben sich etwa 1000 Teilnehmer aus der Stadt, davon meistens Jugendliche, gemeldet. Durch die NSV werden 62 Kinder aus dem Sudetenland empfangen und für sechs Wochen ihren Pflegeelfern übergeben.
1939 Februar
Delitzsch gilt als eine Stadt der Kleingärtner. Drei Kleingartenvereine mit 754 Mitgliedern und 345.475 m2 Gartenfläche stellen etwa ein Drittel des gesamten Kreispotentials. Die „Schwedensignale" sind in das Programm des Leipziger Senders zum WHW-Wunschkonzert, das in Karlsbad veranstaltet wird, aufgenommen worden. Damit grüßt Delitzsch das Sudetenland. Bis zur Sendung wurden dafür 1.050 RM gespendet.
1939 März
Stadtbauamtsleiter Kratsch tritt ab 01. März nach 32jähriger Dienstzeit bei der Stadt und 20jähriger Amtsleitung in den Ruhestand. Dem Landratsamt wird ein neues Wappen für den Kreis Delitzsch verliehen. Die Gestaltung hatte der Bildhauer Geyer aus Halle und die Ausführung der Steinmetzmeister Paatz übernommen. Vor den angetretenen Gefolgschaftsmitgliedern des Landratsamtes wird es vom Landrat Meister der Partei zur Obhut übergeben. Das Wappen besteht aus: dem rotbewehrten, schwarzen schreitenden Löwen (Stadt Delitzsch, Mark Meißen); einem blauen Pfahl auf goldenem Grund (Mark Landsberg); einem silbernem Stern auf blauen Feld (Eilenburger Wappen). Voraussichtlich 1.100 Delitzscher Frauen haben das Anrecht auf das von Hitler gestiftete „Ehrenkreuz für kinderreiche Mütter", das sogenannte Mutterkreuz. Es gibt folgende Stufen: Mutterkreuz in Bronze für vier und fünf lebendgeborene Kinder, in Silber für sechs und sieben und in Gold für acht und mehr Kinder. Es liegen bereits 415 Anträge vor, wegen der Fülle der Auszeichnungen werden zuerst die über 60 Jahre alten Mütter im März geehrt, der Rest soll zum Erntedankfest bedacht werden. In Delitzsch versammeln sich 30 Jungen, die als HJ-Führer tätig sind und mit einer Fahrtengruppe nach England reisen sollen. Das Ehrenzeichen für Treue in Silber nach 25 Dienstjahren wird folgenden Lehrern der Oberschule verliehen und vom Bürgermeister überreicht:
Oberstudienrat Dr. Letz
Studienrat Prof. Schmiedeberg (in Gold beantragt)
Studienrat Dr. Müller
Studienrat Oertel
Studienrat Krebs
Studienrat Liebeskind
Studienrat Dr. Langhammer Oberlehrer Curth.
Am 17. März wird in einem Betriebsappell vom Gaubetriebsobmann dem Betriebsführer des RAW, Oberrat Schwager, die Urkunde für die Verleihung des Leistungsabzeichens für vorbildliche Berufsausbildung überreicht. Am 20. März wird anläßlich der Übernahme der „Schutzherrschaft" über Böhmen und Mähren durch das Großdeutsche Reich ein Fackelzug durch die Stadt veranstaltet. Die Arbeiten zum Bau einer Ringwasserleitung zur Verdoppelung der Leistung des Wasserwerkes werden begonnen. Sie führt in einer großen Schleife vom Wasserwerk über den Ostteil der Stadt bis zum Wasserturm. Dadurch wird der vorgesehene Bau von 252 Wohnungen mit etwa 1000 Einwohnern zwischen Frontkämpfersiedlung und Damaschkestraße ermöglicht. In der Gemeinderatssitzung wird am 28. März durch die Ratsherren beschlossen: An der Franz-Seldte-Siedlung wird ein weiteres Gelände zum Wohnungsbau unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Etwa 100.000 RM werden der Rücklage zur Erweiterung des Krankenhauses zugeführt. Der Kinderhort im Hospital wird ab 01. 04. 1939 von der NSV übernommen.
1939 April
Mit Abschluß des Schuljahres verläßt Studienrat Prof. Schmiedeberg, eine allseitig bekannte und geachtete Persönlichkeit, die Delitzscher Oberschule und geht nach Marburg als seinen Ruhesitz. Er leistete als Fremdsprachenlehrer und ehrenamtlicher Leiter der städtischen Volksbücherei eine anerkannte Arbeit. Es ist die Entscheidung gefallen, daß die Mittelschule in ihrer bisherigen Form weiter bestehen bleibt.
1939 Mai
Als neuer Kreisschulrat wird Albert Ahrens aus Weißenfels eingeführt. Er tritt die Nachfolge von Wilhelm Sieben an, der als Regierungsrat nach Westfalen versetzt worden ist. Am 02. Mai beginnt der Verkauf der Volksgasmaske, der als reine Vorsorge anzusehen sei. Der ordentliche Haushalt für 1939 wird auf 2.018.100 RM, der außerordentliche Haushalt auf 1.211.300 RM festgelegt. In der Stadt gibt es keine Fürsorgeempfänger mehr, die noch arbeitsfähig sind. Das Freibad wird durch Geländekauf um eine Liegewiese erweitert. Am 10. Mai führt die „Propagandafahrt des KdF-Wagens" durch die Stadt. Am Nachmittag können die vom Volkswagenwerk gebauten Fahrzeuge auf dem Roßplatz besichtigt werden. Die Anzahl der beantragten Mütterkreuze beträgt 5.500, dazu 2.500 für über 60jährige Mütter.
1939 Juni
22 Tiroler, die durch die NSV einen „Adolf-Hitler-Freiplatz" erhalten haben, weilen zu einer 14tägigen Erholung in Delitzsch. In einer Feier im „Schwan" wird das 100jährige Bestehen des Mühlenversicherungs-Vereins auf Gegenseitigkeit zu Delitzsch begangen. Dieser Verein hatte sich gebildet, als die „Sächsische Feuersozietät" vor 100 Jahren die Mühlen wegen erhöhten Risikos bei sich ausgeschlossen hatte. Den Vorsitz hatten ab 1864 der Magistratsassessor Heinze, nach 1890 der Stadtsekretär Fricke und nunmehr Karl Troitzsch aus Beerendorf inne. Am 17. Und 18. Juni findet ein Kreisappell der NSDAP unter Beisein des Gauleiters Eggeling aus Halle und des stellv. Gauleiters Tesche statt. Am Sonnabend führen die Jugendverbände Kampf- und Wettspiele durch. Am Sonntag wird die Ausstellung „Unsere Heimat" eröffnet. Nachmittag erfolgt ein Aufmarsch der Verbände mit einer Großkundgebung auf dem Markt. Anschließend findet ein Vorbeimarsch der Formationen mit 8.000 Teilnehmern an der Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße statt.. Nachmittags findet ein Volks- und Kinderfest auf dem Schützenplatz statt. Am 24. Juni sind 21 Schüler aus Stockholm, die sich mit ihren Lehrern auf einer Deutschlandfahrt befinden, in unserer Stadt eingetroffen mit dem Wunsch, die ihnen nicht unbekannten „Schwedensignale" vom Breiten Turm zu hören. Ihnen wurde dieser Wunsch am Sonntag, dem 25. Juni, erfüllt.
1939 Juli
Am 04. Und 05. Juli erhält die Stadt Einquartierung durch ein Pionierbataillon. Die Soldaten werden in Privatquartieren untergebracht. Es erfolgt eine Bekanntgabe über eine sommerliche Veranstaltungssperre für die Partei und ihre Gliederungen sowie die angeschlossenen Verbände für Juli und August. 600 NSKOV-Mitglieder unternehmen in einem Sonderzug eine zweitägige Fahrt in das Sudetenland nach Eger. Die Jugend unternimmt mehrere Fahrten, so die Hitlerjungen eine Radtour nach Thüringen, der Bann ins Sauerland, die Pimpfe nach Reinharz und die Jungmädel nach Plau. Am Sonntag, dem 09. Juli, wird als Höhepunkt des Tages der Besuch des Luftschiffes „Graf Zeppelin" über Delitzsch bei seinem Flug nach Leipzig empfunden. Die bereits vorhandenen 32 Siedlerstellen an der Straße nach Schenkenberg sind um 24 weitere Stellen erweitert worden. Dabei soll der „Aschberg", der als Rodelberg vorgesehen ist, durch Anpflanzungen verschönert werden.
1939 August
Erstmalig wird der neue Volkssport „Rollschuhlaufen" in der AlbertBöhme-Straße unter der Leitung einer Leipziger Rollschuhlehrerin in der Öffentlichkeit vorgeführt. Vom 07. bis 09. August findet im Gebiet des Luftverteidigungskonunandos Leipzig eine Verdunkelungsübung statt. Ab 08. August befinden sich 14 Bannfahnen des Gebietes unter Führung des Obergebietsführers Reckewerth auf dem Marsch nach Nürnberg zu dem „Parteitag des Friedens". Die Handballmannschaft des 1. Sportvereins „Concordia" steigt in die Gauliga auf, eine erfreuliche Leistung anläßlich des 15jährigen Bestehens dieser Handballabteilung. Ab 27. August treten Betriebsbeschränkungen bei der Reichsbahn ein. Ab 28. August wird für die meisten Lebensmittel, außer Kartoffeln, Brot, Mehl, Obst, Gemüse, und für lebenswichtige Verbrauchsmittel wie Spinnstoff- und Schuhwaren die Bezugspflicht eingeführt. Es wird die Einführung der Bezugsscheinpflicht für Vergaser- und Dieselkraftstoffe angeordnet. Die Anträge dazu können ab 30. August gestellt werden. Ab 28. August werden Luftschutz-Merkblätter für die Bevölkerung verteilt. Der Zugverkehr wird weiter eingeschränkt.
1939 September
Ab 01. September, dem Tag des Kriegsausbruches, wird bis auf weiteres die Verdunkelung eingeführt. Die Schulen werden vorerst geschlossen. Die ersten eingezogenen Soldaten werden vom Güterbahnhof verabschiedet. Je eine Beratungsstelle der Abteilung Volks- und Hauswirtschaft des Deutschen Frauenwerkes wird in allen vier Ortsgruppen ab 03. September eröffnet. Täglich wird über gesunde Ernährung nach erprobten Rezepten und den sparsamen Umgang mit bezugsscheinpflichtigen Waren, wie richtiges Waschen, beraten. Der Kindergarten Schloß wird vergrößert, um werktätige Mütter zu entlasten. Ab 04. September werden Tanzlustbarkeiten untersagt. Die Arbeitszeitbeschränkungen werden außer Kraft gesetzt. Der zu Kriegsbeginn eingestellte Schulunterricht wird ab 11. September wieder aufgenommen. Die älteste Einwohnerin der Stadt, Friedericke Meißner, Bitterfelder Straße 44, stirbt am 11. September im Alter von 92 Jahren. Am 13. September treffen etwa 700 Saarländer in Delitzsch ein, die aus der Gefahrenzone am Westwall entlang der Grenze des Reiches zu ihrem Schutz ausgesiedelt worden waten. Sie werden in Stadt und Land in Privatquartieren untergebracht. Ab 25. September werden Lebensmittelkarten auch für Brot und Mehl eingeführt, Ohne Karte gibt es nur noch Kartoffeln, Obst, Frischgemüse und Fisch. Im September wird die bisher in Delitzsch befindliche Schweinemästerei nach Beerendorf verlegt. Es wird mit 20 Schweinen begonnen. Die Sammlung der Küchenabfälle wird ab 01. Oktober erfolgen, und zwar jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag. Es wird ein Bahnhofsdienst, gestellt durch die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk, eingeführt. Er findet im ständigen 4Stunden-Rhythmus Tag und Nacht statt, wobei besonders eine Betreuung der Durchreisenden und Aussteigenden mit Waschgelegenheit und einer warmen Mahlzeit erfolgt. Ende September wird die Witwe H. als Hamsterin angezeigt. Die im Werte von 300 RM gehorteten Lebensmittel und Gebrauchsartikel werden beschlagnahmt. Sie selbst wird in polizeilichen Gewahrsam genommen und in das Gerichtsgefängnis in Halle überführt, wo sie ihrer Bestrafung entgegensieht. Am 28. September ist ein Lazarettzug in Delitzsch angekommen. Er bringt 67 Verwundete, die im Krankenhaus zur Genesung untergebracht werden. Am 30. September trifft der erste Transport mit polnischen Kriegsgefangenen ein. Am 30. September wird das Tanzverbot wieder aufgehoben.
1939 Oktober
Ab 01. Oktober wird durch eine Polizeiverordnung das Sammeln aller Küchen- und Nahrungsmittelabfälle zur Pflicht aller Haushalte gemacht. Die Abholung erfolgt dreimal wöchentlich durch das EHW. In diesem Monat wird eine freiwillige Aktion zur Entfernung von eisernen Vorgartenzäunen durchgeführt, damit das Eisen einem „besseren Zweck" zugeführt werden kann. In der Gemeinderatssitzung wird durch die Ratsherren beschlossen: Es wird der Bau von 30 Volkswohnungen in der Eilenburger Chaussee genehmigt, wovon für 10 Volkswohnungen die Baustoffkosten bereits freigegeben werden. Für den Wohnungsbau in der Richthofenstraße wird die Aufnahme eines Darlehens genehmigt. Der für den 07. November vorgesehene Jahrmarkt (Herbst- oder Martinimarkt) fällt wegen des Kriegsausbruches aus. Am 31. Oktober wird durch die evangelische Kirchengemeinde eine Feier anläßlich der Einführung der Reformation in Delitzsch vor 400 Jahren abgehalten.
1939 November
Ab 20. November werden die Lebensmittelrationen erhöht und Sonderzuteilungen für Weihnachten aufgerufen. Die bisherige Bezugsscheinregelung für Bekleidungsartikel wird durch die Einführung der Reichskleiderkarte ab 20. November abgelöst. Der Bußtag wird auf den Sonntag verlegt, da durch den Krieg die Anspannung aller Kräfte nötig geworden ist. Am 27. November wird der erste Dienst der neugebildeten Wehrmannschaften durchgeführt. In ihm erhalten alle Ungedienten im Alter von 18 bis 45 Jahre auf freiwilliger Basis eine vormilitärische Ausbildung durch die SA.
1939 Dezember
Über einen Einwohner von Delitzsch wird wegen versuchter Notzucht in vier Fällen die Todesstrafe. verhängt. Die Fa. Stellmacherei und Wagenbau Otto Leubner begeht ihr 50jähriges Jubiläum. Der 77jährige Meister ist immer noch in seinem Betrieb tätig. Ab 01. Dezember ist der Lehrer Erhardt Fickenwirth durch Verfügung des Regierungspräsidenten in Merseburg zum Konrektor der Delitzscher Knabenschule berufen worden. An der Knabenschule ist ein Neubau mit Toiletten, Fahrradunterstellraum und Schutzraum für 120 Kinder fertiggestellt worden. Die Straße, zwischen Wilhem-Gustloff-Straße und FrontkämpferSiedlung gelegen, erhält den Namen Richthofenstraße.
1939 Zusammenfassung des Jahres
In den ersten Monaten des Jahres wird offiziell der Erhalt des Friedens beschworen, während insgeheim schon Kriegsvorbereitungen laufen. So auch in unserer Stadt: Der Bau des Flugplatzes in der Spröde wird verstärkt fortgesetzt und das Blankstahlwerk Langer, das spätere Ziehwerk, dessen Erzeugnisse als Kriegsmaterial dienen können, wird errichtet. Aber noch sieht es so aus, als ob der friedliche Aufbau weitergeht. Neue Siedlungen sind im Bau, weitere werden vorbereitet. Eine Erweiterung des Krankenhauses wird geplant und mit dem Bau eines neuen Abwassernetzes für das Neubaugebiet im Osten der Stadt wird begonnen. Die Ausstattung der Badeanstalt wird verbessert und es wird für den Kauf des Volkswagens geworben. Die außenpolitischen Aktionen werden als Erfolge dargestellt. So werden die Besetzung der Rest-Tschechei als „unblutiger Sieg" und die Rückgliederung des Memellandes als „Korrektur des Versailler Schandvertrages" gefeiert. Der weitaus größte Teil unserer Bürger glaubt noch im Frühsommer den Versprechungen, daß keine Kriegsgefahr droht. Auch die Ausgabe der Volksgasmaske an alle Haushalte macht sie nicht stutzig, wird doch mit großem Propagandaaufwand vom „Parteitag des Friedens", der im September in Nürnberg stattfinden soll, gesprochen. Von der bereits im April angeordneten Vorbereitung für den Überfall auf Polen erfährt niemand etwas. Die Hetze gegen Polen nimmt jedoch massiv zu und Ende August wird die Ausgabe von Lebensmittelkarten bekanntgegeben. Vom Kriegsbeginn am 01. September zeigt sich vor allem die ältere Generation betroffen, die Frauen sind besorgt, nur die Jugend läßt eine gewisse Kriegsbegeisterung erkennen. Die ersten Auswirkungen des Krieges sind das Eintreffen der aus dem Bereich des Westwalles ausgesiedelten Saarländer in unserer Stadt und die Umgestaltung des Krankenhauses in ein Lazarett. Der schnelle Sieg über Polen läßt die meisten auf einen siegreichen Ausgang des Krieges hoffen. Zum Jahresende werden einige der mit Kriegsbeginn getroffenen Einschränkungen sogar verringert und einige Lebensmittelrationen werden erhöht. Es werden auch Wohnungsbaumaßnahmen durch die Stadtverwaltung beschlossen.
1940
1940 Januar
Die Wohnbevölkerung der Stadt hat folgende soziale Struktur:
9,3 % |
Selbständige, |
67,1 % |
Arbeiter, |
14,0 % |
Angestellte, |
7,4 % |
Beamte, |
2,2 % |
mithelfende Familienangehörige. |
Am 05. Januar wird für die Rückgefährten aus dem Saarland, gemeinsam mit ihren Quartiergebern, ein „Bunter Abend" im „Schützenhof` veranstaltet. Von der NS-Gemeinschaft KdF werden Wintersportfahrten nach Krummhübel und Harrachsdorf im Riesengebirge, nach Garmisch/Oberbayern und nach Kirschberg/Kitzbühler Alpen für die Delitzscher durchgeführt. Am 10. Januar wird die Verhaftung eines Bewohners aus der Hainstraße wegen Abhörens feindlicher Sender bekanntgegeben. Am 15. Januar findet im „Schützenhof` ein Konzert des Dresdner Kreuzchores unter der Leitung von Prof. Mauersberger statt. Die Veranstaltung wird von der DAF getragen. Die 60 Jungen werden in Privatquartieren untergebracht. Während im Dezember vorigen Jahres 115 gebührenpflichtige Verwarnungen und 15 Anzeigen wegen Verletzung der Verdunkelungspflicht zu verzeichnen waren, ist die Anzahl der Verstöße im Januar auf 60 Verwarnungen und acht Anzeigen zurückgegangen.
1940 Februar
Auf der Gemeinderatssitzung am 14. Februar wird folgendes zur Kenntnis gegeben und durch die Ratsherren bestätigt: Die Ratsherren Rauchhaus und Mechold sind wieder im Amt. Sie hatten am Polenfeldzug teilgenommen und sind nunmehr altershalber entlassen worden. Die Ratsherren Haschke, Thöne und Lange sind noch eingezogen. Auf die zwei freien Ratsherrensitze sind vom Kreisleiter im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Ortsgruppenleiter Schulze und Laßka, die aber noch im Krieg sind, berufen worden. Der Haushaltsplan 1940 wurde im ordentlichen Haushalt mit 2.843.700 RM, im außerordentlichen Haushalt mit 576.100 RM beschlossen. Es wird der Nachtragshaushalt 1939, dessen Aufstellung durch die Kriegssituation erforderlich war, verabschiedet. Folgende Änderungen waren der Anlaß dazu: Pro Monat waren 25.000 RM als Kriegsabgabe abzuführen, ein Wirtschaftsamt für die Ausgabe von Bezugsscheinen usw. war einzurichten (Kosten 24.000 RM), zwei neue Sirenen mußten aufgestellt (3.600 RM) und weitere Luftschutzeinrichtungen und Geräte (16.000 RM) beschafft werden. Weiterhin mußte ein Hilfskrankenhaus eingerichtet werden. Dadurch erhöhte sich der ordentliche Haushalt von 2.084.000 RM auf 2.640.000 RM. Den Mehrausgaben stehen Einsparungen aus dem Fürsorgeetat (10.000 RM) und der Straßenbeleuchtung infolge der Verdunkelung (25.000 RM) gegenüber. Die Änderung im außerordentlichen Haushalt wird dadurch verursacht, daß die vorgesehenen Wohnungen in der Bitterfelder Straße vorläufig nicht mehr gebaut werden können, wodurch 600.000 RM Darlehen nicht beansprucht zu werden brauchen. Die städtische Schweinemästerei in Beerendorf wurde mit 3.500 RM ausgebaut, wodurch der Schweinebestand von 60 Stück auf 100 Stück erhöht werden kann. Es wird ein Geländeverkauf an der General-Maercker-Straße an das Reich, Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, vorgenommen. An der Brehnaer Landstraße werden 1,750 ha an die Reichsbahnsiedlungsgesellschaft verkauft. Die Einführung einer Kohlen-Dringlichkeits-Karte wird vorbereitet. Die Stadt- und Kreisbücherei werden personell zusammengelegt.
1940 März
Ein Delitzscher und ein Eilenburger Bürger werden wegen Schwarzschlachtung von zwei Schweinen und versuchter Verschiebung nach Berlin verhaftet. Von 2.336 Kleingärtnern im Kreis kommen 733 aus Delitzsch. Zum „Tag der Wehrmacht" am 17. März findet die Vereidigung von Rekruten einer Luftwaffenbaukompanie vormittags, 11 Uhr, auf dem Markt statt, eingeleitet durch eine Flaggenparade. Das bestehende Tanzverbot wird über Ostern aufgehoben. Vom 26. März bis zum 06. April findet im ganzen Reich eine Sammlung für eine „Metallspende des deutschen Volkes zum Geburtstag des Führers im Kriegsjahr 1940" statt. Die Spende von Altmetall dient als Rohstoff für die Waffenproduktion, die für die deutschen Soldaten bestimmt ist. Im Aufruf zur Spende heißt es dann: „Ihnen werden daraus die Waffen geschmiedet werden, die sie in ihrem Kampf für Deutschlands Freiheit und Größe brauchen". Die Sammelstelle wird im Rathaussitzungssaal eingerichtet. Am 29. März besteht die Buchhandlung Reinhold Pabst 75 Jahre. Sie wurde 1936 an den Schwiegersohn Herrn Rättig übergeben, da der Sohn Paul im I. Weltkrieg gefallen war.
1940 April
Ab 01. April wird im gesamten Großdeutschen Reich die Sommerzeit eingeführt, um das Tageslicht besser ausnutzen zu können. Wie bereits im I. Weltkrieg, werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Die Sommerzeit gilt bis 06. Oktober 1940. Am 01. April begeht der Glasermeister Henmann Zeidler sein 50jähriges Geschäfts- und Meisterjubiläum. Auch heute noch arbeitet der 77jährige in der Werkstatt, die sein Sohn Ernst Zeidler übernommen hat. Am 01. April feiert der Gasthof „Zum Eisernen Kreuz", von Göttsching gegründet, sein 100jähriges Bestehen. Nachdem es danach im Besitz von Merkwitz Vater und Sohn war, übernahm es am 01. 04. 1900 Oskar Ziegler. Seit 01. 04. 1937 wird es von Oskar Dietze weitergeführt. Die bisherige Verordnung über die Kohleversorgung ist ungültig geworden. Ab 15. April gibt es einheitlich neue Kohlekarten für das Kohlewirtschaftsjahr 1940/41. Die Metallspende, zu der bereits bis zum 01. April 60 Zentner gesammelt worden waren, wird wegen der großen Spendenfreudigkeit bis zum 20. April verlängert. Nach Abschluß der Sammlung haben über 3..600 Delitzscher Einwohner ihren Beitrag dazu geleistet. Aus Anlaß des Geburtstages Adolf Hitlers findet ein großer Appell der SA und der Wehrmannschaften unter Führung des Standortführers Boenki statt. Um 8 Uhr beginnt der Aufmarsch der Einheiten am Roßplatz, anschließend wird eine Geländeübung abgehalten. Beendet wird er mit einem Vorbeimarsch am Standortführer und dem Stellvertreter des Kreisleiters, Kreisamtleiter Petzsche, unter Teilnahme der Fahnenträger, des SA-Spielmannszuges und des Bann-Musikzuges der HJ. Nachdem in den letzten Jahren der Fischbestand im Leber infolge des Zuflusses von Rieselwasser zurückgegangen war, hat er sich schließlich ganz verloren. Dieses Frühjahr bringt die freudige Überraschung, daß der Lober wieder Fische aufweist, vorläufig handelt es sich um Plötze.
1940 Mai
Die Beflaggung zum 01. Mai unterbleibt dieses Jahr, auch wird von offiziellen Feierlichkeiten abgesehen. Er bleibt aber weiterhin Feiertag, an dem auch kameradschaftliche Betriebsfeiern abgehalten werden können. Entgegen umlaufender Gerüchte bleiben Himmelfahrt und Pfingstmontag Feiertage. Der 1. Sportverein „Concordia" begeht zur diesjährigen Jahreshauptversammlung den 30. Jahrestag seiner Gründung. Das Schützenfest, das vom 12. bis 19. Mai durchgeführt wird, ist wieder recht stark besucht, findet jedoch kriegsbedingt in einem engeren Rahmen statt. Der Ein- und Auszug der Gilde, das Kinderfest, das Feuerwerk und der Tanz fallen aus. Elly Beinhorn-Rosemeyer, die bekannte Sportfliegerin, hält auf Einladung des DAC im vollbesetzten Schützenhofsaal einen Vortrag über ihren 30.000-Kilometer-Alleinflug über Persien, Siam und Indien. In diesem Monat wird es zur gesetzlichen Pflicht, alle Eisenzäune von den Vorgärten in den Straßen der Stadt zu entfernen. Bis zum 01. Juni erfolgt der Abbau kostenlos, danach auf Kosten der Gartenbesitzer. Gleichzeitig wird die Beschlagnahme eines Teils des bei den Industrie- und Handwerksbetrieben lagernden Stahls und Eisens angeordnet.
1940 Juni
Der Waffenstillstand mit Frankreich wird am 25. Juni abgeschlossen. Aus diesem Anlaß werden Häuser und Straßen mit Fahnen geschmückt und die Glocken erklingen von den Türmen. Auf dem Markt findet eine Dankeskundgebung statt. Auf Anordnung läuten vom 25. Juni bis einschließlich 01. Juli täglich von 12.00 bis 12.15 Uhr die Glocken aller Kirchen. Trotz der Kriegszeit nimmt der Peter-und-Paul-Markt immer noch ein beträchtliches Ausmaß an. Der Besuch steht kaum hinter normalen Zeiten zurück. Nicht nur der Markt, sondern auch die Breite Straße, der Roßplatz und sogar der Schützenplatz zeigen ein buntbewegtes frohes Bild.
1940 Juli
Die Zuckerfabrik feiert das 50jährige Bestehen ihres Betriebes. Mit dem Bau wurde 1889 begonnen, und unter der Leitung von Direktor Dr. Ludwig Kuntze wurde mit der Zuckerrübenkampagne 1890 die Produktion aufgenommen. Ab 01. 07. 1915 übernahm Direktor Aumüller die Leitung. Ab 01. Juli wird die Butterration erhöht; Quark wird ohne Kartenpflicht abgegeben. Es werden das Sommerlager der HJ und des DJ sowie des BDM durchgeführt. Am 21. Juli besichtigt der SA-Brigadeführer Schicke die Delitzscher SA und Wehrmänner im Beisein des neuen Leiters des Wehrmeldeamtes Delitzsch, Major Löser, und des mit der Vertretung des Kreisleiters Beauftragten, Kreisamtsleiter Petzsche. Dazu sind 962 Männer angetreten, um ihren Leistungsstand bei der militärischen Ausbildung unter Beweis zu stellen. Abends findet ein kameradschaftliches Zusammensein im „Lindenhof` statt. Das „Gefolgschaftshaus" der Fa. Langer wird in Anwesenheit des Bürgermeister Dr. Frey eingeweiht. Am 25. Juli findet im „Lindenhof` die Abschiedsfeier für die in Delitzsch vorübergehend umgesiedelten Saarländer statt. Am 13. 09. 1939 waren 700 Rückgeführte in Delitzsch angekommen. Ihr Rückruf war am 26. Juni im Radio verkündet worden. Die Heimreise erfolgt ortsweise und beginnt am 09. Juli.
1940 August
330 Kinder aus Thüringen erholen sich im Rahmen der Kinderlandverschickung der NSV im Kreis Delitzsch. Ab 15. August wird das zwischendurch gelockerte Tanzverbot wieder voll gültig. In einer Zeitungsnotiz wird auf die Wichtigkeit der Verdunkelung hingewiesen. Der Anlaß dazu war der Umstand, daß schon wiederholt britische Flugzeuge über Delitzsch hinweg geflogen sind. Laut einer Mitteilung des Reichspropagandaamtes für den Gau HalleMerseburg ist in der Nacht zum 20. August das erste Mal ein Nachteinflug feindlicher Flugzeuge mit Bombenabwurf (einige Sprengbomben, große Anzahl Brandbomben) im Gaugebiet zu verzeichnen gewesen. Es traten fast keine Geländeschäden und keine Personenverletzungen auf. Über die Ferien erhielt die Knabenvolksschule neue Luftschutzkeller, die dazugehörigen Toiletten und einen Raum zur Lagerung kriegswichtiger Sammlungen, wie Knochen und Schrott. Die Stadtverwaltung unternimmt einen Ausflug, bei dem die Schweinemästerei in Beerendorf besucht wird. Zur Zeit befinden sich dort 79 Schweine, eine Aufstockung auf 110 ist vorgesehen. Anschließend werden die 10 neuen Volkswohnungen an der Eilenburger Chaussee besucht. Durch das neue Feuerschutzgesetz erhält die Freiwillige Feuerwehr Delitzsch hilfspolizeiliche Aufgaben. Dazu werden die 45 Feuerwehrmänner durch den Hauptzugführer Renner in Anwesenheit des Bürgermeisters Dr. Frey und des Polizeileutnantes Höhne am 25. August auf den Führer vereidigt. Die von der Buddestraße aus nördlich verlaufende neu angelegte Straße erhält am 30. August den Namen „Straßburger Straße".
1940 September
Folgende Fliegeralarm-Anordnungen werden bekanntgegeben: Auf Antrag können frei praktizierende Ärzte und Hebammen die Genehmigung zum Betreten von Straßen und Plätzen bei Fliegeralarm erhalten. Laut Verfügung des Kreisschulrates beginnt bei nächtlichem Fliegeralarm der Unterricht in den ihm unterstellten Volks- und Mittelschulen zwei Stunden später, darf dann aber höchstens vier Unterrichtsstunden dauern. Am 03. September begeht der Kaufmann Reichardt, Breite Straße 28, seinen 92. Geburtstag. Bis Ende September muß sich jeder Einwohner in eine Schuhmacher-Kundenliste eintragen. Der Don-Kosaken-Chor „Ataman General Kalidin" tritt mit ebenso großem Erfolg wie im Vorjahr im „Schützenhof" auf.
1940 Oktober
Bei der Gemeinderatssitzung am 01. Oktober wird durch die Ratsherren beschlossen: Dem Verkauf von Gelände an die Zuckerfabrik zwecks Ablagerung von Zuckerrübenschlamm wird zugestimmt. Das Gelände gehört zum Hospital und wird von der Stadt verwaltet. Es handelt sich hierbei um 15,2 ha Feld für einen Preis von 1000 RM pro Morgen. Das von der Luftwaffe gekaufte Gelände im Stadtforst Spröda wird mit 84.456 RM vergütet. Es sind 42,7 ha. An der General-Maercker-Straße werden 880 m2 städtisches Land an eine Privatfirma verkauft. Die vorgesehene Erweiterung der Schweinemästerei wird bestätigt. Das Geld für den Einbau von drei Sirenen wird bewilligt. Das Radfahren wird eingeschränkt, indem Spazier- und Ausflugsfahrten verboten werden. Bereifung gibt es nur noch auf Bezugsschein. Diese können für ein Privatrad beim Wirtschaftsamt und für ein Dienstrad bei der vorgesetzten Behörde beantragt werden. In der Nacht zum 21. Oktober werden einige Sprengbomben im Kreis Delitzsch abgeworfen, wodurch eine Scheune beschädigt wird. Am 26. Oktober tritt der vor einigen Wochen gegründete Fanfarenzug zum 1. Mal anläßlich eines Elternabends der HJ auf. Ende des Monats wird der diesjährige Fischzug im Stadtgraben vorgenommen. Es werden 20 Zentner Fisch gefangen. Der Fang beträgt 11 Zentner Karpfen, acht Zentner Weißfisch, ein Zentner Schleie; dazu waren vorher 4,5 Zentner ausgesetzt worden. In der Nacht zum 27. Oktober ist in unserer Stadt ein Bataillon eingetroffen. Die Soldaten beziehen hier ihr Quartier. Am 29. Oktober erfolgt die offizielle Begrüßung durch den Bürgermeister Dr. Frey im Namen der Bürgerschaft. Anschließend erfolgt ein Vorbeimarsch vor Oberst Giesecke vom Wehrbezirkskommando Bitterfeld und vor Kreisleiter Krüger. Gleichzeitig wird auch noch eine Landesschützenkompanie einquartiert.
1940 November
Der diesjährige Kirmesmarkt (auch Herbst- oder Martinimarkt) am 05. November bietet nur ein beschränktes Angebot, für viele Waren der ambulanten Händler müssen Punkte der Reichskleiderkarte abgegeben werden. Die Zahl der Händler ist zusammengeschrumpft. Waren früher der Markt und der Roßplatz voll besetzt, so stehen jetzt nur noch einige Budenreihen auf dem Markt. Am 08. November führt die Landesschützenkompanie im „Schützenhof" einen WHW-Abend durch. Am 16. November findet ein Kompanieabend der 4. Kompanie des Bataillons ebenfalls dort statt. Der 09. November ist wie im Vorjahr ein normaler Werktag und damit auch nicht schulfrei. Der Bußtag wird auf den Sonntag verlegt. Am 10. November gastiert wiederum der Kreuzchor unter Prof. Mauersberger im „Schützenhof".
1940 Dezember
Am 01. Dezember spielt der Deutsche Handballmeister, geschlossen als Mannschaft eines Infanterieregiments, gegen die „Concordia-Mannschaft", welche einen Sieg mit 8 : 6 über den durch den Kriegseinsatz geschwächten Meister erringt. Um größere Bauschäden zu vermeiden, dürfen die im vorigen Jahr stillgelegten Wohnbauten fortgesetzt werden. Feiern zu Weihnachten und Sylvester in öffentlichen Gaststätten sind zugelassen.
1940 Zusammenfassung des Jahres
Zu Beginn des Jahres verläuft das Leben in der Stadt ziemlich unbeeindruckt von dem Kriegszustand, zumal außer einer geringen Spähtrupptätigkeit am Westwall keine Kampfhandlungen mehr stattfinden. Durch Konzerte, Bunte Abende, Wintersportfahrten werden die Bürger weitgehend von den Kriegsereignissen abgelenkt. Eine ausreichende Versorgung ist geregelt, wozu auch die Einführung der Kohlenkarte beiträgt. Der Wohnungsbau wird zwar vorerst eingestellt, aber weiterhin wird Gelände für zukünftige Bauten verkauft. Die schnellen Siege im Mai an der Westfront und der Waffenstillstand mit Frankreich am 25. Juni lassen auf ein baldiges Kriegsende hoffen und wirken sich dadurch positiv auf die allgemeine Stimmung aus. Das Schützenfest wird zwar in einem etwas eingeschränkten Rahmen abgehalten, aber der Peter-und-Paul-Markt findet in altem Umfang statt und erfreut sich eines großen Zuspruches. Im Sommer kehren die Saarländer in ihre Heimat zurück. Neue Kriegsgefangenentransporte, meist aus französischen Soldaten bestehend, werden in Lagern, so im Lindenhof untergebracht, und zu Arbeiten in Industrie und Landwirtschaft eingesetzt. Im Herbst finden mancherlei kulturelle Veranstaltungen statt. Auch der Herbstoder Kirmes-Jahrmarkt bietet noch allerhand. Im Spätsommer werden die ersten Einflüge feindlicher Flugzeuge gemeldet und im Oktober fallen die ersten Bomben im Kreisgebiet. Es wird jedoch kein Schaden verursacht. So sind im allgemeinen die Auswirkungen des Krieges auf den Tagesablauf kaum zu spüren. Jetzt dürfen sogar bereits begonnene Baumaßnahmen fortgeführt werden.
1941
1941 Januar
Laut Polizeibericht wurde im Dezember des Vorjahres gegen 24 Polen Anzeige erstattet, da diese sich ohne ihr Erkennungszeichen, dem auf der Kleidung sichtbar zu tragendem „P", unter die deutsche Bevölkerung gemischt haben. Am 12. Januar veranstaltet die Ortsgruppe des „Reichsbundes Deutscher Familien" eine Feierstunde, in der den dazu eingeladenen Eltern kinderreicher Familien das von Hitler gestiftete „Ehrenbuch kinderreicher Ehepaare" überreicht wird. Der Festredner bezeichnet vier Kinder in einer Familie nicht als Maximum, sondern als „Minimum zur Bewältigung der zukünftigen Aufgaben". In der 19. Zuteilungsperiode der Lebensmittelrationierung (13. 01. - 09. 02.) wird die Zuteilung von Marmelade von 600 g auf 700 g erhöht. Außerdem bleibt die in der vorherigen Periode erfolgte Sonderzuteilung von 250 g Hülsenfrüchten und 125 g Reis bestehen. In diesem Monat finden wieder viele Tanzveranstaltungen statt. Ebenfalls wird nunmehr auch die Wiedereröffnung der Geschäfte von Handwerkern und Gewerbetreibenden aufgrund einer Verordnung vom 18. 10. 1940 über die Berufsfürsorge für entlassene Soldaten geregelt. Es wird zu einer Buchspende für die Wehrmacht aufgerufen. Die Sammlung erfolgt durch die Partei in den Haushaltungen. In der Jahreshauptversammlung des TTC „Rot-Weiß" Delitzsch wird das Jahr 1940 als das bisher erfolgreichste benannt. So wurden Christoph und Horn im Einzel und beide im Doppel Gaumeister. Horn/Kuntsch wurden Bezirksdoppelmeister, Otto Horn Bezirksseniorenmeister und Caspar Bezirksjugendmeister. Im Mannschaftskampf wurde ebenfalls die Bezirksmeisterschaft errungen. Der Gau Halle-Merseburg gilt bis auf Widerruf nicht mehr als Warnzone, d. h. als luftgefährdeter Teil Deutschlands.
1941 Februar
Wie im Vorjahr werden auch in diesem Jahr für die 10-14jährigen Schulkinder zur Gesunderhaltung kostenlos Vitamin-C-Tabletten ab 01. Februar bis 31. Mai ausgeteilt. Anfang Februar erfolgt eine Werbung für „Wehrbauern". Die Anwärter müssen den Anforderungen der SS entsprechen. Nach Ableistung des Landdienstjahres, das in Vorbereitung auf einen landwirtschaftlichen Beruf eingeführt wurde, erfolgt eine Spezialausbildung. Sie werden dann in die allgemeine SS übernommen und werden auf eine Neubauernstelle eingesetzt, und zwar dort, wo das „deutsche Volkstum" gefestigt werden muß. Anläßlich des „Tages der deutschen Polizei" wird eine Sammelbüchsen-Spendenaktion durchgeführt, die ein Ergebnis von 9.385 RM bringt. Ein zum 2. Kriegs-WHW veranstaltetes Wunschkonzert im „Schützenhof" erfährt einen so großen Andrang an Besuchern, daß etwa 1000 Personen (d. h. jeder 18. Einwohner) im Sitzen und Stehen den Saal füllen und ein großer Teil keinen Einlaß mehr gefunden hat. Die Darbietungen erfolgen durch den Gaumusikzug des Reichsarbeitsdienstes. 6.500 RM sind das Ergebnis zugunsten des WHW. Die „Delitzscher Kreiszeitung" berichtet über eine Seereise des Bannmusikzuges, ehemals Wächter'sche Musikschule. Dieser war durch die Reichsjugendführung vom 25. Januar bis 06. Februar zu einer Gastspielreise nach dem von der Wehrmacht besetzten Norwegen verpflichtet worden. Dabei wurden u. a. in Oslo und in Bergen Konzerte gegeben. Der Jahrmarkt zur Fastenzeit findet am 28. Februar statt.
1941 März
Eine weitere Sonderzuteilung erfolgt in der 21. Periode (vom 10. 03. bis 06. 04.) für Reis und Kunsthonig. Am 16. März, dem Heldengedenktag, wird in einer Morgenfeier im „Schützenhof" der im Weltkrieg 1914.-.1918 Gefallenen und der im jetzigen Krieg bisher 26 gefallenen Soldaten aus Delitzsch im Beisein von deren Angehörigen gedacht. Anschließend finden auf dem Marktplatz ein Appell und eine weitere Feier am Kriegerdenkmal am Halleschen Turm statt.
1941 April
Am 01. April begeht die Fa. Schroeter ihr 60jähriges Bestehen. Fast 50 Jahre wurde die Firma von Franz Schroeter geleitet. In der damaligen Zeit war sie durch den Bau von Hochrädern bekannt, auch beschäftigte sie sich 1894/95 mit dem Bau eines Flugzeuges. Die Flugversuche fanden am Schützenhofgelände statt. Jetzt leitet Fritz Schroeter die Firma Der Lehrer Sauerteig tritt nach 44 Jahren Schuldienst (davon 34 Jahre in Delitzsch) in den endgültigen Ruhestand. Er war bereits 1937 im pensionsfähigen Alter. Ab 07. April sind wegen des neuen Feldzuges auf dem Balkan alle Tanzveranstaltungen verboten. Ab diesem Jahr erfolgt die Versetzung bzw. Aufnahme in die Schulen einheitlich im Juni/Juh. Die Entlassungen erfolgen letztmalig an diesem Ostern.
1941 Mai
Die am 01. Mai, dem „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes", übliche Beflaggung und Ausschmückung der Gebäude wird aufgrund der Kriegsverhältnisse untersagt, ebenfalls fallen offizielle Feierlichkeiten aus. Der Tag gilt aber weiterhin als gesetzlicher Feiertag, und es können kameradschaftliche Betriebsfeiern in einem der zeit entsprechenden Rahmen durchgeführt werden. Der Pfingstreiseverkehr wird noch mehr als der Osterreiseverkehr aus kriegsbedingten Gründen eingeschränkt da die Anzahl der Reisezüge verringert wird. In der Gemeinderatssitzung am 27. Mai wird durch die Ratsherren beschlossen: Für den Bau einer neuen Kindertagesstätte in der Ludwig-JahnStraße (für 100 Kinder) werden folgende Mittel eingesetzt:
20 TRM vom Leichtmetallwerk Rackwitz
10 TRM von der Schokoladenfabrik Böhme AG
30 TRM von der Stadt.
Die Restkosten übernimmt die NSV Der ordentliche Haushaltsplan wird mit 3:091.800 RM und der außerordentliche mit 543.200 RM festgesetzt. Dabei betragen die Ausgaben für Kultur und Gemeinschaftspflege die Höhe des Vorjahres. Die Baumaßnahmen beschränken sich auf die Unterhaltung bestehender Einrichtungen und auf Erschließungsarbeiten für den neuen Hauptsammler im Ostteil der Stadt. Ein Feuerlöschfahrzeug wird erworben, was besonders in der jetzigen Kriegszeit wichtig ist. Das Hausgrundstück Schulstraße 25 wird zur Erweiterung der Mittelschule gekauft.
1941 Juni
Beim Schützenfest, das vom 01. Juni bis 08. Juni stattfindet, herrscht wieder ein buntes Treiben. Das diesjährige Fest steht unter dem Zeichen des 50jährigen Bestehens des neuen Heimes, dem „Schützenhof". Schützenkönig wird Maßmann, Ritter werden Platen und Kurt Freitag. Die Mädchen aus der Stadt und dem Kreis leisten ihren Dienst im neueröffneten Landjahrlager Moosbach bei Kattowitz ab. Für alle Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes wird der Erholungsurlaub für 1941 auf höchstens drei Wochen beschränkt. Das betrifft auch die Lehrer. In der übrigen Zeit sollen diese sich zu Arbeitseinsätzen, Luftschutzdienst, Fortbildung und Vertreterübernahme bereithalten. Ab 14. Juni sind wieder Tanzveranstaltungen erlaubt. Jedoch wird am 22. Juni erneut ein Tanzverbot erlassen. Am 21./22. Juni findet das HJ- Bann- und BDM-Untergau-Sportfest in Eilenburg statt, an dem 2.500 Jungen und Mädchen teilnehmen. Der Bannführer Wolschke geht beim Wettkampfbeginn auf das „große Ereignis zu Tagesbeginn", der Kriegserklärung gegen die Sowjetunion, ein und appelliert an die versammelte Jugend: „Bedenkt, daß Ihr das Volk von morgen seid, die Mädel die Mütter, die Jungen die Soldaten." Der Peter-und-Paul-Markt findet diesmal schon am 26. Juni statt. Er wird über Erwarten gut besucht, der Roßplatz und der Schützenplatz werden wieder mit eingebunden. Ebenfalls am 26. Juni findet ein Großappell der NSDAP im „Schützenhof" statt. 950 Parteigenossen und -genossinnen versammeln sich dabei. Während des Monats Juni findet eine große Altpapiersammlung durch die Schulkinder statt.
1941 Juli
Das Pflichtjahr wird jetzt auch auf die Mädchen, die keinen Beruf erlernen wollen, ausgedehnt. Aufgrund einer Anordnung des Reichswirtschaftsministers findet kein Sommerschlußverkauf mehr statt. Es wird zu einer großen Reichsspinnstoffsammlung aufgerufen unter dem Leitspruch: „Es kann nicht jeder Soldat sein. Aber jeder kann in diesem Krieg das Seine tun. Darum spende zur Spinnstoffsammlung!" Die Korbballmädel vom Turnverein 1845 haben zum dritten Mal die Bereichsmeisterschaft errungen. Sie sind jetzt für die Vorrundenspiele zur Deutschen Meisterschaft teilnahmeberechtigt.
1941 August
Die Lebensmittelration ist etwas gekürzt worden und beträgt ab diesem Monat für eine Periode (28 Tage):
Fleisch- und Fleischwaren |
1.600,0 g |
Butter |
562,5 g |
Margarine |
327,5 g |
Schweineschlachtfette |
187,5 g |
Käse und Quark |
250,0 g |
Brot |
9.000,0 g |
Zucker |
900,0 g |
Marmelade |
700,0 g |
Mehl |
750,0 g |
Nährmittel |
550,0 g |
Sago/Kartoffelmehl |
50,0 g |
Kaffee-Ersatz |
400,0 g |
Schwerst-, Schwer-, Lang- und Nachtarbeiter erhalten Zusatzrationen. In diesem Monat ist der „Schwan" 50 Jahre im Besitz der Familie Petzschner. Die Bereitschaft Delitzsch I des Roten Kreuzes erhält einen neuen Krankenwagen.
1941 September
Die Stahlquelle, die sich über den Sommer in Betrieb befand und einen guten Zuspruch fand, wird wie üblich am 01. September geschlossen. Der seit acht Jahren laufende Kurbetrieb im Moorbad geht dagegen weiter. Das 3. Kriegs-WHW wird am 27. September durch die Sportler des Reichsbundes für Leibesübungen eingeleitet. Die Hebamme Baehr, die seit 1906 in Delitzsch und vorher in Eilen- burg wirkte, begeht am 28. September ihr 40jähriges Berufsjubiläum. In dieser Zeit hat sie 4.480 Erdenbürgern verholfen, das Licht derWelt zu erblicken. Die Molkerei Delitzsch erhält eine Auszeichnung, da sie zu den zehn Besten der Landesbauernschaft Sachsen/Anhalt gehört.
1941 Oktober
Am 07. Oktober wird der 80. Geburtstag des Musikdirektors Willy Straube gefeiert. Er war über drei Jahrzehnte an der Schloß- sowie der Stadtkirche in Wittenberg angestellt und war als Komponist und Autor von Klavierschulen weit über seinen Wirkungskreis bekannt. Seine erste Ausbildung absolvierte er im Delitzscher Lehrerseminar. Die Jahre seines Ruhestandes verbringt er jetzt in Delitzsch bei seiner Tochter Frau Schimpf-Straube. Die Woche vom 04. Oktober bis zum 11. Oktober wird in der Presse als „Woche der Sondermeldungen" bezeichnet, in der über die Erfolge der Wehrmacht an der Mittelfront berichtet wird. Es wird bekanntgegeben, daß es zu Weihnachten und später nochmals im Februar 1942 für alle Personen, die bis 16. November das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Sonderzuteilung von 60 g Bohnenkaffee gibt, außerdem noch 250 g Hülsenfrüchte. Das diesjährige Erntedankfest wird sehr verhalten gefeiert, frohe Kirmesvergnügen werden nicht mehr abgehalten. In der Gemeinderatssitzung am 20. Oktober wird durch die Ratsherren bestätigt und beschlossen: Es ist ein Kaufvertrag mit dem Reich abgeschlossen worden. Dazu sind Grund und Boden für den Luftpark an der Spröde von insgesamt 125 ha zur Verfügung gestellt worden, weiterhin sind für neue Straßen 3,5 ha an den Provinzialverband abgegeben worden. Der Erlös dafür beträgt 267.000 RM. Dem Besitzer der „Elberitzmühle" wird das Staurecht entzogen, da seit 20 Jahren kein Mühlenbetrieb mehr besteht. Dieses erfolgt im Interesse der Anlieger zur Regelung des Wasserstandes. Die Arbeiten am Hauptsammelkanal in der Ludwig-Jahn-Straße werden auf Grund der Kriegsverhältnisse eingestellt. An der Gertitzer Spitze wird eine Parzelle (Freibergscher Garten) vom Hospital an die Zuckerfabrik zur Anlegung eines Schlammablageplatzes verkauft. Das Reformationsfest am 31. Oktober und der Bußtag am 19. November werden auf Grund der Erfordernisse der Kriegswirtschaft auf den vorhergehenden Sonntag verlegt, an dem auch die kirchlichen Feiern stattfinden.
1941 November
Ab 01. November treten erhebliche Einschränkungen im Personenreiseverkehr in Kraft. Dieses ist zur Sicherstellung der Transporte von Kartoffeln, Rüben und Kohle für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich. Zur Bekämpfung eines Verkehrsnotstandes wird daher appelliert, auch über die bevorstehenden Feiertage auf jede private Reise zu verzichten. Die 3. Büchersammlung für die Wehrmacht wird in diesem Monat durchgeführt. Weiterhin erfolgen eine Sammlung von Noten und Musikinstrumenten für die Soldaten im Felde und eine Sammlung von Flaschen für die Wehrmacht. Der Herbst- oder Kirmesmarkt findet am 04. November statt, wobei besonders Spielsachen und Belustigungen für die Kinder angeboten werden. Am 05. November verstirbt der Heimatdichter und Chronist unserer Stadt, der Rektor a. D. August Reulecke. Er verfaßte ebenfalls eine Chronik von Delitzsch, wobei er sich von den Anfängen bis 1701 an Lehmann hielt, und von 1702 bis 1933 ist Reulecke der Verfasser der Chronik. Außerdem erschienen von ihm die Historie der „Schwedischen Reitersignale", lyrische Arbeiten und andere. Ab 17. November wird die Raucherkarte eingeführt. Danach erhalten Männer über 18 Jahre pro Tag und Abschnitt drei Zigaretten und Frauen ab 21 Jahre zwei Zigaretten. Ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, der vor einigen Wochen mehrere Einbrüche auch in Delitzsch verübte, so z. B. in der „Linde", wo er etwa 1000 RM gestohlen hat, ist in Halle auf der Straße entdeckt und verhaftet worden. Da er in Leipzig, wo er nach Einbrüchen von der Polizei gestellt werden sollte, bei seiner Verfolgung einen Passanten durch einen Revolverschuß getötet hat, und er außerdem 11 Mal vorbestraft ist, wurde der 37Jährige durch ein Sondergericht in Leipzig zum Tode verurteilt. Am 27. November führt das Musikkorps eines Infanterieregimentes im „Schützenhof` ein großes Wunschkonzert zugunsten des KriegsWHW durch. Zum Weihnachtsfest kann für jede Familie ein Weihnachtsbaum bereitgestellt werden. Die Weihnachtskerzen werden rationiert, um genügend Kerzen für die Soldaten an der Front abgeben zu können.
1941 Dezember
Vom 07. Dezember bis 11. Dezember findet eine Sammlung von Grammophonplatten und Schallplatten statt, um den Soldaten in den „Kampfpausen eine Entspannung" zu ermöglichen, so berichtet das „Delitzscher Kreisblatt". Am 27. Dezember beginnt eine große Sammelaktion von Pelz-, Wollund Wintersachen für die Soldaten an der Ostfront. Die Sammelstellen sind die Geschäftsstellen der Ortsgruppen der NSDAP. Weiterhin werden Skier und Skistiefel gesammelt. Als Ersatz für letztere gibt es Bezugsscheine für Straßenschuhe oder eine Vergütung. Bei Bereicherung bzw. Entwendung der gesammelten Sachen wird laut Führerbefehl die Todesstrafe verhängt. Die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk rufen alle Frauen zur Mitarbeit bei der Ausbesserung und Umänderung der gesammelten Kleidung auf. Für Sylvester wird die Polizeistunde in der Provinz Sachsen auf 0.30 Uhr festgelegt. Im Jahr 1941 sind 21 Kriegssterbefälle (gefallene und verstorbene Wehrmachtsangehörige) registriert worden.
1941 Zusammenfassung des Jahres
Auch zu Beginn dieses Jahres ist bis auf die Verdunkelung und die Rationierung der Lebensmittel und einiger anderer Güter wenig vom Krieg in der Stadt zu spüren. Der Gau Halle-Merseburg, und damit unsere Region, gelten nicht mehr als luftgefährdete Gebiete. Die Wehrmacht entläßt einige ältere Soldaten, wodurch die Wiedereröffnung von Geschäften und Handwerksbetrieben ermöglicht wird. Durch die SS werden Anwärter für die Besiedlung der okkupierten Gebiete in Polen zur Festigung des „deutschen Volkstums" geworben. Sport und Spiel sowie Tanzveranstaltungen finden statt, es gibt wiederum einige Verbesserungen in der Lebensmittelversorgung. Die Stimmung ist allgemein zuversichtlich, zumal der Krieg noch nicht viel Leid verursacht hat. Im März, nach 1 1/2 Kriegsjahren, sind an Gefallenen 26 Delitzscher Männer zu beklagen. Zu Beginn des Jahres waren nur Kampfhandlungen in Afrika. Jetzt begann die Ausweitung des Krieges durch den Überfall auf Jugoslawien und Griechenland, welcher bereits nach wenigen Wochen beendet war; dieser beeinflußt daher das tägliche Leben nur wenig. Im Mai wird der Neubau einer Kindertagesstätte beschlossen. Das Schützenfest Anfang Juni wird mit seinem bunten Treiben fast wie in Friedenszeiten abgehalten. Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni trifft die meisten Bürger völlig unerwartet. Daß er schon seit Sommer 1940 vorbereitet wurde, weiß kaum jemand. Die allgemeine Verunsicherung ist damit groß. Ein baldiges Kriegsende, von vielen nach dem Frankreichfeldzug erhofft, rückt in weite Ferne. Wie überall in Deutschland, finden auch in Delitzsch Propagandaveranstaltungen statt, um die Bevölkerung zu ermutigen, die zu erwartenden hohen Belastungen des Krieges bereitwillig zu ertragen. Die ersten Auswirkungen des sich nun ausweitenden Krieges werden bald spürbar. Die Sammlung von Altmaterial und Geldspenden werden verstärkt vorgenommen, die Lebensmittelrationen werden gekürzt.
1942
1942 Januar
Der Landrat gibt bekannt, daß alle sich in Privathand, Geschäften und Stellmachereien befindlichen Rodelschlitten in der Zeit vom 02. Januar bis 04. Januar abzuliefern sind. Der Ankauf erfolgt durch die Wehrmacht. Als Sammelstelle wird die Jahnturnhalle eingerichtet. Die abgelieferten Schlitten sind mit der Anschrift des bisherigen Besitzers, die sicher angebracht werden soll, zu versehen. Das Kreisergebnis der Wintersachensammlung, die bis zum 04. Januar gedauert hat, beläuft sich auf 63.671 Stück, die sich wie folgt aufgliedern:
3.945 |
Wollwesten, Wollunterjacken und Pullover |
164 |
Pelzjacken, Pelzwesten, gefütterte Westen |
1.249 |
Wolldecken und 76 Pelzdecken 308 Pelzmäntel |
849 |
Paar Skier |
102 |
Paar Skistiefel |
34 |
Paar Pelzstiefel. |
Ab sofort wird auch das nichtöffentliche Tanzen wie bei Tanzstundenzirkeln oder bei Betriebsfeiern mit „Rücksicht auf die schweren Abwehrkämpfe im Osten" in das Tanzverbot einbezogen. Tanzstundenunterricht kann jedoch weiter erteilt werden. Am Sonntag, dem 25. Januar, findet aus Anlaß des 230. Geburtstages Friedrich des Großen (24. Januar) in der Aula der Oberschule eine Feierstunde statt. Die Festrede hält Kreisamtsleiter Ahrens. Er bringt darin zum Ausdruck, daß „zwischen den beiden Führerpersönlichkeiten Friedrich der Große und Adolf Hitler" viele Parallelen bestehen. Am 29. Januar findet eine Großkundgebung mit dem Gauleiter Staatsrat Eggeling im „Schützenhof` statt. Ausgehend vom „Tag der Machtergreifung" vor neun Jahren spricht er über die gegenwärtigen großen Aufgaben, um alle volkspolitischen und wirtschaftlichen Probleme Europas zu lösen. Es wird festgestellt, daß zu diesem Zeitpunkt drei Kindergärten bestehen. Es sind dies der NSV- Kindergarten in der Eilenburger Straße (ehemals Privateinrichtung von Frl. Pabst) mit 60 Plätzen, der Kindergarten Schloß mit 110 Plätzen und der Kindergarten der Ortsgruppe West in der Halleschen Straße mit 25 Plätzen. Im Kreis sind es insgesamt 82 Kindergärten, in denen 2.800 Kinder umsorgt werden.
1942 Februar
In der Gemeinderatssitzung am 03. Februar wird durch die Ratsherren beschlossen bzw. bestätigt: Der Nachtragshaushalt 1941 beläuft sich auf 3.263.200 RM im ordentlichen und 609.000 RM im außerordentlichen Haushalt. Der ordentliche Haushalt 1942 umfaßt 3.391.000 RM, der außerordentliche 482.300 RM. An großen einmaligen Ausgaben sind dabei 5.000 RM zur Erweiterung der Schweinemästerei Beerendorf vorgesehen. Wegen Einstellung vieler laufender Aufwendungen, wie Gebäude-und Straßenreparaturen, gehen die freiwerdenden Beträge in verschiedene Rücklagen für Vorhaben nach dem Kriege. Eine nachträgliche Abgabe von 31 Ar an der Ostseite des Flugplatzes wird genehmigt. Das neben der Fa. Langer gelegene Industriegelände mit Gleisanlage wird an den Kaufmann Friedrich Giesemann verkauft. Der Brauch, die Schwedensignale regelmäßig vom Breiten Turm zu blasen, war 1914 bei Ausbruch des Weltkrieges eingestellt worden. Ab diesem Jahr wird diese Tradition wieder eingeführt. Die Signale erklingen jeden 1. Sonntag im Monat. In einer Konzertveranstaltung der NS-Gemeinschaft KdF gastiert am 13. Februar das vom Rundfunk sehr bekannte Tanz-SinfonieOrchester Robert Gaden mit seinen 30 Musikern im „Schützenhof`. Aufgrund eines Erlasses vom 10. 02. 1942 fallen alle Messeveranstaltung im Großdeutschen Reich - und damit auch die Leipziger Messe - aus.
1942 März
Alle Kupfermünzen sind ab 01. März außer Kraft gesetzt und abzuliefern. Zur Verbesserung der Überwachung des Straßenverkehrs werden jetzt auch neben den uniformierten Beamten der Ordnungspolizei Zivilstreifen eingesetzt. Der vor einiger Zeit eingeführte Hausarbeitstag für arbeitende Frauen und Familien kann auf Antrag bei Vorliegen einer unbilligen Härte vergütet werden. Die Feierlichkeiten zum „Heidengedenktag" beginnen am 15. März mit einer Kranzniederlegung in der Kriegergedächtniskirche (Marienkirche). Sie werden mit einer Gedächtnisfeier in Anwesenheit der Hinterbliebenen beider Kriege sowie den Spitzen von Partei und Behörden fortgesetzt. Den Abschluß bildet ein Marsch durch die Stadt zur Kranzniederlegung am Denkmal am Halleschen Turm. Zum „Tag der Wehrmacht" gibt es von sechs Feldküchen der Luftwaffe ein markenfreies Eintopfessen (Erbsensuppe) auf dem Roßplatz. Die Wochenrationen für die Normalverbraucher werden verändert. Gekürzt wird Brot von 2.250 g auf 2.000 g, Fleisch von 400 g auf 300 g und Fett von 269 g auf 206 g. Erhöht wird Käse von 125 g auf 187,5 g. Am 22. März werden erstmalig alle 14jährigen Jungen und Mädchen reichseinheitlich bei der Übernahme in die HJ verpflichtet. Dazu müssen 250 Jungen und Mädchen aus Delitzsch das Gelöbnis der Pflichttreue ablegen: „Ich verspreche, in der Hitlerjugend allzeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer und zu unserer Fahne". „Wer zum Vergnügen reist, wird bestraft." Das ist der Inhalt einer Bekanntmachung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung und des Reichsverkehrsministers im Hinblick auf das Osterfest und den Frühjahrsbeginn. Wegen des vordringlich militärischen Bedarfs wird der zivile Reiseverkehr weiter beschränkt. Daher ist ab jetzt die Notwendigkeit einer Reise durch entsprechende Papiere wie Kurbescheinigung, Dienstreiseauftrag, Arztbesuch nachzuweisen. Bei Verstoß werden harte Strafen angedroht, die bei schweren Fallen zu einer Einweisung in ein Konzentrationslager führen können.
1942 April
Anfang des Monats findet die letzte Sitzung des Gemeinderates vor der Einberufung des Bürgermeisters Dr. Frey zur Wehrmacht statt. In ihr wird die Durchführung des Haushaltsplanes 1942 besprochen und der Stadtrat Paul Scharf als Stellvertreter des Bürgermeisters in sein Amt eingeführt.
1942 Mai
Der „Nationale Feiertag der Arbeit" wird vom 01. Mai auf Samstag, den 02. Mai verlegt. Es werden keine Feiern durchgeführt. 58 Gemeindeschwestern werden von der NSV gestellt. Das „Ernährungshilfswerk" Sammeln von Küchenabfällen für die Schweinemast wurde geschaffen. Bei den WHW-Sammlungen wurden folgende Spendenergebnisse erzielt:
1933/34: |
264.381 RM |
1938/39: |
667.388 RM |
1940/41: |
1.073.308 RM. |
Das Schützenfest, das vom 24. - 31. Mai stattfindet, bringt in seiner bunten Buden- und Zeltstadt wieder viel Volksbelustigung, besonders für die Jugend. Mit Rücksicht auf die Kriegslage gibt es jedoch keine großen Feierlichkeiten. Schützenkönig wird Arthur Kampf, die Ritter sind Grunert und Amo Hofmann, K-K-König wird Fritz Reyer. Es wird vor aufgefundenen Ballons, wie sie zum Abwurf feindlicher Flugblätter benutzt werden, gewarnt, da sie wegen ihrer Wasserstoff-Füllung leicht explodieren können. Ab Pfingsten wird, wie alljährlich, die Stahlquelle wieder eröffnet. Am zweiten Feiertag findet dort ein Konzert der Kapelle Wächter statt.
1942 Juni
In diesem Sommer werden 120 Kinder mit der „Kinderlandverschickung" im Gau Mainfranken, in Trautenstein/Harz, im Ostseebad Heiligenhafen, im Südharz, in Thüringen und bei Limburg/Lahn zur Erholung weilen. Vom 01. bis 15. Juni findet erneut eine Altkleider- und Spinnstoffsammlung statt. Vom 15. bis 22. Juni wird eine „Woche der Jugend" durchgeführt. An jedem Tag werden Veranstaltungen wie Platzkonzert, Singen und Kindernachmittag geboten. Der Peter-und-Paul-Markt findet am 26. Juni statt. Wieder herrscht ein großer Andrang, auf dem Schützenplatz sind Vergnügungsstätten aufgebaut. Der in Friedenszeiten übliche und beliebte Heiratsball im „Schwan" fällt jedoch aus. Ebenfalls muß auf den traditionellen „Apfelbiß" verzichtet werden, da der Vorführer von seiner Arbeitsstelle unabkömmlich ist. An den Markttagen werden 30 Polen aufgegriffen. Da den Polen der Aufenthalt bei den, der deutschen Bevölkerung vorbehaltenen, Veranstaltungen verboten ist, erfolgt ihre Festnahme durch die Polizei. Ein Pole, der mit besserer Kleidung und mit falschem Ausweis aufgegriffen wird, und zwei Zivilrussen, die aus ihrem derzeitigen Arbeitseinsatzort flüchtig sind, werden verhaftet und der Gestapo übergeben. Die letzte Volkszählung hat für Delitzsch 8.700 männliche und 9.350 weibliche Einwohner ergeben.
1942 Juli
Ab jetzt gibt es Kunsthonig nur noch auf Abschnitte der Juli Reichszuckerkarte, und zwar für 100 g Zucker 125 g Kunsthonig. Karl-Heinz Sturm ist Gebietsmeister im Tennis geworden. Er hat damit die Teilnahmeberechtigung an der Deutschen Jugendmeisterschaft, die in Breslau durchgeführt wird, errungen. Die Delitzscher Handballmädchen, welche die BDM-Gebietsmeisterschaft errungen haben, nehmen an der Ausscheidung der Gruppenmeisterschaft der Gebiete Sachsen, Mittelelbe, Mittelland und Thüringen am 04./05. Juli teil. Nachdem sie gegen Thüringen und Mittelelbe gewonnen haben, verlieren sie jedoch gegen Sachsen. Beamte, die das 65. Lebensjahr erreicht haben, aber noch dienstfähig sind, dürfen nach der 2. Kriegsverordnung über das Beamtenrechtnoch nicht in den Ruhestand treten. Anfang Juli werden im Rundfunk verschiedene Sondermeldungen über erneute siegreiche Vorstöße der Wehrmacht an der Ostfront verkündet. Wegen Schwarzschlachtung eines freilaufenden Hammels im Gelände der Grube Leopold bei Bitterfeld wird ein aus Delitzsch stammender Mann zusammen mit zwei Mittätern aus Bitterfeld zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Korbballmädchen vom Turnverein Delitzsch 1845 haben am 25. und 26. Juli bereits das vierte Mal die Bereichsmeisterschaft errungen. Der Bann Delitzsch hat die Gebietsmeisterschaft im Faustball am 26. Juli in Leuna errungen und damit die Teilnahmeberechtigung an der Deutschen Jugendmeisterschaft erreicht. Am 26. Juli verstirbt der Lichtspielbesitzer Karl Maul. Er übernahm zuerst als Gastwirt den „Goldenen Ring", den er zu einem Kino erweiterte, dieses ständig ergänzte und 1937 nach modernsten Gesichtspunkten umbaute.
1942 August
Am 04. August verstirbt der Korbmachermeister und frühere Stadtrat Adolf Tauche im 77. Lebensjahr. Neben seiner führenden Rolle in der freiwilligen Feuerwehr war er von 1906 bis 1918 als Stadtverordneter und von 1919 bis 1933 als unbesoldeter Stadtrat tätig. Er hat sich in diesen Jahren sehr um die Entwicklung der Stadt verdient gemacht. Ihm ist es zu danken, daß der „Stiefelknecht" in der Sprödaer Heide als beliebtes Ausflugsziel den Bürgern erhalten bleibt. Laut einer Bekanntmachung des Bürgermeisters wird die gesamte Bevölkerung am 15. bis zum 70. Lebensjahr (außer Gebrechlichen, Kranken und Schwangeren) zum Selbstschutz herangezogen. Der Einsatz und die Einteilung erfolgt durch die Luftschutzwarte. Am 07. August wird der erste deutsche Spielfilm in Farbe „Frauen sind doch bessere Diplomaten" mit Marika Rökk und Willy Fritsch im „Ring-Theater" gezeigt. Mit Beginn des neuen Schuljahres am 19. August gibt es neue Schulhefte nur gegen Abgabe von alten gebrauchten Heften. Zur Einschulung am 24. August wird dazu aufgerufen, daß keine Zuckertüten in die Schule mitgebracht werden sollen. Da nicht mehr alle Eltern eine Zuckertüte beschaffen können, soll damit einerseits kein Neid erweckt, andererseits Großmannssucht verhindert werden. Am 23. August wird von den Delitzscher Schülern eine „Großrazzia" auf den Kartoffelkäfer durchgeführt. Es werden aber keine gefunden. Es wird bekanntgegeben, daß nach einem nächtlichen Fliegeralarm der Schulbeginn von 8.00 Uhr auf 10.00 Uhr verlegt wird. Es wird eine Werbeaktion für den Osteinsatz der Mädchen (außer in russische Gebiete) gestartet. Sie werden vor allem bei der Betreuung von volksdeutschen Umsiedlern und deutschen Siedlern zur Kinderaufsicht, Schulhelferin und Mütterunterstützung eingesetzt. Aufgrund der günstigen Erzeugnislage wird in der 40. Zuteilungsperiode (24. 08. - 20. 09.) eine Sonderzuteilung von 125 g Käse ausgegeben. Diese wird später auf die 41. und 42. Periode verlängert. Am 31. August wird auch in Delitzsch eine Beratungsstelle des „Deutschen Frauenwerkes" eröffnet. In der Beratungsstelle werden kostenlos Auskunft und Beratung zum Führen des Haushalts unter den kriegsbedingten Einschränkungen, zum Nähen von Pantoffeln und sonstigem Schuhwerk sowie Bekleidungsstücken gegeben.
1942 September
Es wird das neue Luftwarnsignal „Öffentliche Luftwarnung" eingeführt und am 10. September erstmalig erprobt. Es besteht aus der dreimaligen Wiederholung eines 15 sec. langen Dauertons und bedeutet, daß feindliche Flugzeuge anfliegen, aber kein großer Luftangriff zu erwarten ist. Am 13. September findet der „1. Volksturntag" auf dem Sportplatz am „Schützenhof" statt, an dem die Turner und Sportler von Vereinen, aber auch andere Sportanhänger teilnehmen. Das Delitzscher WHW gibt bekannt, daß durch eine Sammelaktion alle außer Kurs gesetzten Kupfer- und Nickelmünzen gesammelt werden. Das Material soll dazu dienen, „den Endsieg - besonders durch die Waffenproduktion - sichern zu helfen". Am 19. Und 20. September steht der Sport im Dienst einer WHWSammlung. Dazu werden Veranstaltungen, wie „Schießen für Jedermann" auf dem Roßplatz und verschiedene Mannschaftsspiele durchgeführt. Die vorgesehene Gemeinschaftsgaststätte für diejenigen Bürger, die weder zu Hause noch in den Betriebskantinen eine warme Mahlzeit einnehmen können, wird am 21. September im seit Kriegsbeginn stillgelegten „Bismarck-Keller" unter der Regie der Stadt eröffnet. Sie wird durch die NS-Frauenschaft unterstützt. Sie ist täglich geöffnet. Die Mahlzeit wird nur gegen eine Wocheneßkarte abgegeben. Am 23. September wird die Saison der Stahlquelle beendet und sie daher geschlossen. Aufgrund einer Verordnung vorn 20. September werden jetzt Felddiebstähle strenger bestraft. Es können Strafen bis zu fünf Jahren Gefängnis verhängt werden.
1942 Oktober
Zum Erntedankfest am 04. Oktober erfolgt keine Beflaggung. Es werden aber örtliche Feiern durchgeführt, verbunden mit der Ehrung verdienter Angehöriger des Landvolkes. In der Aula der Oberschule werden Kriegsverdienstkreuze sowie Kriegsverdienstmedaillen an 16 Personen aus dem Landkreis überreicht, außerdem noch Urkunden fürlangjährige treue Dienste. Hitlerjugendkleidung wird nicht mehr wie bisher auf Uniformbezugsscheine, sondern nur noch auf die Reichskleiderkarte abgegeben. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird allgemein die Normalschrift (lateinische Buchstaben) eingeführt. Vom 06. bis 08. Oktober gastiert der Zirkus „Barley" am „Schützenhof` mit den aus dem Tobis-Film bekannten „3 Codonas". Ab Mitte des Monats läuft eine Werbung für Nachrichtenhelferinnen für die Luftwaffe. Durch sie sollen die Arbeitsplätze der Soldaten für die Luftnachrichtentruppe eingenommen werden, damit diese für den Einsatz mit der Waffe freigemacht werden können. Mädchen und Frauen im Alter vom vollendeten 17. bis zum 21. Lebensjahr werden im Reichsgebiet und dem Protektorat, ab vollendetem 35. Lebensjahr auch in den besetzten Gebieten und verbündeten Staaten eingesetzt. Am 17./18. Oktober findet die vierte Büchersammlung für die Wehrmacht statt. Es wird mitgeteilt, daß nach dem Weihnachtsfest, also ab 1943, Spielzeug nur noch bei Abstempelung der Kinderkleiderkarte abgegeben wird. In Vorbereitung des Weihnachtsfestes gibt es eine erhöhte Zuteilung von Eiern und Sonderzuteilungen für weitere Lebensmittel:
42. Periode (19. 10. - 15. 11.) 3 Eier
43. Periode (16. 11. - 13. 12.) 2 Eier
44. Periode (14. 12. - 10. 01. 1943) 4 Eier sowie in der
44. Periode zusätzlich 500 g Mehl, 200 g Fleisch, 125 g Butter, 62,5 g Käse, 250 g Zucker, 125 g Hülsenfrüchte, 125 g Zuckerwaren und für Personen über 18 Jahren 0,35 1 Branntwein und 50 g Bohnenkaffee.
1942 November
Der Kirmes- oder Herbstmarkt, der am 03. November stattfindet, ist fast so gut wie im Vorjahr besucht. Es bilden sich sogar Käuferschlangen. Neben den üblichen Würstchen- und Fischbrötchenständen sind Textilwarenbuden, Verkaufsstände für Küchen- und Haushaltsartikel, für Spielwaren und Neuheiten aufgebaut. Vor 75 Jahren, am 03. 11. 1867, wurde die Klempnerei Franz Reyher und Sohn in der Eilenburger Straße 21 gegründet. 1900 wurde die Firma an den Sohn übergeben, der die Geschäftsräume in die Eilenburger Straße 54 verlegte. Der jetzige Inhaber Walter Reyher hat sich auf moderne Armaturentechnik spezialisiert.
1942 Dezember
Am 01. Dezember tritt eine Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung des „Großdeutschen Reiches" in Kraft. Es werden 42 Reichsverteidigungsbezirke und 30 Wirtschaftsbezirke gebildet. Der Kreis Delitzsch gehört zum Reichsverteidigungsbezirk Halle/Merseburg. Wegen fortgesetzter Schwarzschlachtung sind vom Sondergericht Halle Bürger aus Delitzsch verurteilt worden; ein Fleischermeister zum Tode, ein Viehhändler zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Berufsverbot, ein Fleischermeister zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Berufsverbot, dazu noch ein Bauer aus Quering zu neun Monaten Gefängnis. Der Hauptangeklagte hatte von Oktober 1939 bis Juli 1942 nachweislich 1000 Schweine, 51 Rinder, 155 Kälber und 48 Schafe schwarzgeschlachtet. Das bedeutet, daß er 6000 Zentner Fleisch, das entspricht einer Wochenration für 76.000 erwachsene Personen, der Bewirtschaftung entzogen hat. Die anderen Angeklagten sind wegen Mithilfe verurteilt worden. Vom 06. bis 08. Dezember findet im „Schützenhof" eine Spielzeugausstellung der HJ statt. Wie in den vergangenen Kriegsjahren wurden Spielzeuge für die Soldatenkinder gebastelt. Daran sind die Mädchen mit 5.780 Stück und die Jungen mit 1.250 Stück beteiligt. Von der Jugendgruppe des NSV sind weitere 482 Spielzeuge hergestellt worden. Am 14. Dezember verstirbt plötzlich der Leiter der Kreis- und Stadtsparkasse, Direktor Both. Er war 1921 aus Lüneburg nach Delitzsch als Leiter der Kreissparkasse übergesiedelt. Am 19. Dezember findet eine Feier in der Chemischen Fabrik Ernst Freyberg aufgrund des 125jährigen Bestehens der Firma statt. Die Familie Freyberg ist seit dem 01. 06. 1817 in Delitzsch ansässig. Der Gesamtbetrieb wurde im Frühjahr 1942 aus der Ritterstraße in das neue Werk an der Dübener Landstraße verlegt. Zu Weihnachten wird der zivile Reiseverkehr prinzipiell gesperrt, da aller verfügbarer Personenverkehr für die Wehrmachtsurlauber benötigt wird. Als Ausnahme werden einige Sonderzüge für die Rüstungs- und sonstige kriegswichtige Arbeiter, die ortsfremd eingesetzt sind, bereitgestellt. Die sonstige Benutzung ist weiterhin nur mit einer Zulassungskarte aufgrund einer Bescheinigung über eine kriegswichtige Reise möglich. Ab sofort können sich Freiwillige für die Waffen-SS bereits mit 16 1/2 Jahren melden. Sie kommen dann mit 16 1/2 Jahren für ein Vierteljahr zum RAD und werden mit 17 Jahren einberufen. Es werden ausreichend Weihnachtsbäume geliefert, so daß kein Schlangestehen nötig ist. In diesem Jahr 1942 sind 70 Kriegssterbefälle registriert worden.
1942 Zusammenfassung des Jahres
Die in den ersten Monaten des Jahres weiter anhaltende kritische Lage an der Ostfront beeinflußt das Befinden der Einwohner unserer Stadt immer mehr. Die Sorge um die zur Wehrmacht eingezogenen Angehörigen wächst, und die kriegsbedingten Belastungen werden spürbarer. Die Häufigkeit der Geld- und Materialsammlungen nimmt zu, der Reiseverkehr wird drastisch eingeschränkt, die Lebensmittelzuteilung wird weiter gekürzt. Andererseits erhöht sich die Zahl der Propagandaveranstaltungen und Appelle. Vor allem wird die Jugend mit der „Verpflichtung auf den Führer" und mit der „Woche der Jugend" einer verstärkten ideologischen Beeinflussung unterworfen. Nachdem bereits in den Vorjahren viele Polen zur Arbeit nach Deutschland verpflichtet worden waren, werden jetzt in immer größerer Zahl zwangsverschleppte, sogenannte „Ostarbeiter" aus der Sowjetunion, in den Betrieben und in der Landwirtschaft als Ersatz für die zur Wehrmacht eingezogenen Männer eingesetzt. Im Spätfrühjahr und im Sommer bessert sich die gedrückte Stimmung wieder etwas, da sich die Situation an der Ostfront wesentlich entspannt. Das Schützenfest bringt immer noch ein buntes Treiben mit sich, ebenfalls der Peter-und-Paul-Markt. Die „Stahlquelle"-Saison beginnt wieder, Sport und andere Veranstaltungen erfahren noch wenig Einschränkungen. Von der Zunahme der Luftangriffe auf deutsche Städte ist unsere Gegend kaum betroffen. Jedoch wird das Luftsignal „Öffentliche Luftwamung" auch bei uns eingeführt und die gesamte Bevölkerung ab dem 15. bis zum 70. Lebensjahr zum „Selbstschutz" herangezogen. Die hohen Verluste an der Front machen sich bemerkbar. Zahlen über Gefallene werden nicht mehr bekanntgegeben und viele bisher zurückgestellte Männer werden eingezogen, so bereits im April der Bürgermeister Dr. Frey. Beamte dürfen nicht mehr mit 65 Jahren in den Ruhestand treten. Die Frauen werden verstärkt zur Besetzung von Männerarbeitsplätzen herangezogen, und die Werbeaktion zur Meldung als Luftnachrichtenhelferin dient der Freisetzung von Soldaten an die Ostfront. Die Verordnung über die Bildung von Reichsverteidigungsbezirken im Dezember 1942 und die Herabsetzung des Meldealters als Kriegsfreiwillige, vorerst nur für die Waffen-SS, auf 16 1/2 Jahre, deuten auf eine kritische Lage an der Ostfront hin. Jedoch wird die sich anbahnende Katastrophe um Stalingrad, das bereits am 21. November eingeschlossen worden war, noch verheimlicht.
1943
1943 Januar
Die Sammelergebnisse des WHW haben sich im Vorjahr weiterhin erhöht. So konnte der Spendenbetrag von 1940/41 mit 1.073,5 TRM für 1941/42 auf 1.225,2 TRM gesteigert werden. Am 06. Januar wird anstelle des erkrankten Kreisleiters Krüger der Kreisamtsleiter Curt Petzsche mit der Führung der Geschäfte des Kreisleiters beauftragt. Von der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft - Deutsches Frauenwerk - in der Eilenburger Straße werden „Pantoffelkurse" als praktischer Zuschuß für das Schuhwerk bei recht reger Beteiligung durchgeführt. Unter der Leitung des Schmiedeobermeisters Willi Morgner findet eine Innungsversammlung im „Weißen Roß", und unter Leitung des Obermeisters für das Bauhandwerk Richter ebenfalls eine Innungsversammlung im „Eisernen-Kreuz" statt, in denen die neuen Richtlinien für eine Kontingentierung von Eisen bzw. Baustoffen durchgesprochen werden. In der Gemeinderatssitzung wurde durch die Ratsherren der Nachtragshaushalt 1942 im ordentlichen Haushalt mit 3.741 TRM (vorher 3.391 TRM) und im außerordentlichen Haushalt mit 583 TRM (vorher 482 TRM) bestätigt. Neuerdings gibt es Stabshelferinnen des Heeres (nicht zu verwechseln mit den Nachrichtenhelferinnen). Ihre Aufgabe ist es, Soldaten in den Dienststellen in den besetzten Gebieten, die bisher für Schreib- und Bürohilfsarbeiten eingesetzt waren, für den Dienst in der Truppe freizumachen. Mädchen und Frauen im Alter von 17 bis 45 Jahre können sich dafür melden. Der Bannführer hat einen Aufruf an alle Schüler im Alter von 10 bis 14 Jahren erlassen, sich für den Landdienst-Osteinsatz zu melden. Sie sollen dort für ihre spätere Tätigkeit als Bauer in den okkupierten Ostgebieten vorbereitet werden. Auf Veranlassung des NS-Lehrerbundes finden von jetzt ab wöchentlieh Morgenappelle für alle Schüler im Alter von 10 bis 14 Jahren zur Vertiefung des nationalsozialistischen Gedankengutes statt.
1943 Februar
Aufgrund der Verlautbarung des OKW über das „Ende des Heldenkampfes" der 6. Armee an der Wolga ist vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda die Schließung aller Unterhaltungsstätten für die Zeit vom 04. Februar bis 06. Februar angeordnet worden. Durch das neue Arbeitseinsatzgesetz, das aufgrund des „Totalen Krieges" zur Sicherung des „Endsieges" erlassen wurde, werden alle Männer vom vollendeten 16. Lebensjahr bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und alle Frauen vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum vollendeten 45. Lebensjahr zum Arbeitseinsatz verpflichtet. Ausnahmen regelt das Gesetz. Die Meldung muß bis zum 13. Februar im Arbeitsamt erfolgen. In der Jahreshauptversammlung der Stadt- und Kreisgruppe Delitzsch der Kleingärtner e. V gibt der Stadtgruppenleiter den Geschäftsbericht. Danach hat sich die Zahl der Mitglieder im Kreis um 120 auf 2.537 erhöht, und es werden 2.452 Gärten mit 1.138.539 m2 Land bewirtschaftet. Davon haben der Kleingartenverein Delitzsch 567 Mitglieder und 211.365 m2, der Kleingartenverein und Kleinwirte Delitzsch 120 Mitglieder und 104.508 m2, die Volksgemeinschaft Delitzsch 38 Mitglieder und 29.602 m2 und „Früh auf" Delitzsch 33 Mitglieder und 27.504 m2. Bei den Kleingärtnern steht der Gemüseanbau als Beitrag zur Sicherung der Volksernährung im Krieg im Vordergrund. Aufgrund der erhöhten Kriegsanstrengungen ist eine Verordnung über den Einsatz der deutschen Jugend im „Totalen Krieg" erlassen worden. Danach werden die höheren Schüler als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Der Einsatz erfolgt in der Nähe des Heimatortes geschlossen nach Klassen. Am 28. Februar werden 140 DRK-Helferinnen nach ihrer Ernennung durch den Kreisführer Landrat Meister im Hotel „Zum Schwan" im Beisein der Bereitschaftsdienstleiterin Aumüller vereidigt. Die Weihe der neuen Fahnen und Wimpel der DRK-Bereitschaften nahm Kreisleiter Krüger vor. Bis Ende Februar erteilt das Wehrmeldeamt Auskünfte über das Schicksal der Stalingradkämpfer.
1943 März
Aufgrund eines Beschlusses der im August 1942 stattgefundenen Hauptversammlung wird die Delitzscher Kleinbahn AG in „Delitzscher Eisenbahn" umbenannt. Die Zustimmung der Aufsichtsbehörde wird in diesem Monat im Amtsblatt der Regierung in Merseburg veröffentlicht. Eine neue Verordnung tritt auch in Dehtzsch in Kraft, wonach dem Mangel an Kleiderstoffen zukünftig in erster Linie durch Reparaturen abgeholfen werden soll. Dazu sind neben den Handwerkern auch Betriebe verpflichtet worden. Die für Reparaturarbeiten vorgesehenen Unternehmen der Bekleidungs- und Textilindustrie dürfen keine Aufträge für Neuanfertigungen mehr annehmen. Eine Lehrbaustelle des Delitzscher Handwerks, bestehend aus drei Räumen, wird in der ehemaligen Zimmerei Hurtig in der Berliner Straße übergeben. Sie wurde durch die Bauinnung und die Zweckverbands-Berufsschule zur neuzeitlichen Berufsausbildung des Bauhandwerkernachwuchses errichtet. Die Schweinemästerei in Beerendorf ist für ein Fassungsvermögen von 100 Tieren erweitert worden. Der Delitzscher Frühjahrsmarkt ist für die Kriegsverhältnisse noch recht ordentlich beschickt worden. Es gibt verschiedene Neuheiten und Praktisches für den Haushalt. An den Lebensmittelständen sowie Wurst- und Fischbrötchenbuden herrscht reger Betrieb, obwohl Lebensmittelmarken dafür abgegeben werden müssen. Am 16. März wird in der Gemeinderatssitzung mitgeteilt, daß der Ratsherr Rauchhaus zur Zivilverwaltung nach Lothringen abgeordnet worden ist. Nach den verlustvollen Kämpfen der Wehrmacht wird am 23. März ein Generalappell für alle Parteigenossen im „Schützenhof` durchgeführt, bei dem die Ausrichtung auf die Aufgaben der Zeit vorgenommen wird. Zur 7. Reichsstraßensammlung, die die letzte des 4. Kriegs-WHW ist, werden wieder Abzeichen verkauft. Dieses Mal sind es Kunstblumen, die naturgeschützte Pflanzen darstellen. Dazu erfolgt auch ein Konzert der Kapelle Wächter auf dem Roßplatz. Am 28. März werden die 14jährigen Jungen reichseinheitlich auf den „Führer" verpflichtet. Damit ist gleichzeitig die Übernahme der Jugendlichen in die HJBDM, die Schulentlassung und der Berufseintritt verbunden. Zur Vorbereitung des dabei geleisteten Treuegelöbnisses sind weltanschauliche Schulungen abgehalten worden. Der Lehrer Balk, nunmehr 71jährig, tritt endgültig in den Ruhestand, nachdem er bei Kriegsbeginn wieder in den Schuldienst gegangen war, um den durch die Einberufung zur Wehrmacht verringerten Lehrkörper zu ergänzen.
1943 April
Ab 01. April werden die „Delitzscher Zeitung", die „MNZ" - Bezirksausgabe Delitzsch/Eilenburg und die „Eilenburger Neueste Nachrichten" zur „Delitzscher Kreiszeitung" zusammengefaßt. Diese erscheint täglich. Es ist eine Verordnung erlassen worden, wonach alle Geschäfte und Betriebe, die nicht für die Kriegswirtschaft von Bedeutung sind, geschlossen werden. Am 03./04. April wird ein WHW-Sammeltag der Wehrmacht durchgeführt, dazu ein Bunter Abend im „Schützenhof". Die Soldaten der Luftwaffe bieten dabei besondere Überraschungen. Nach mehreren Jahren findet am 03. April wieder eine Jahreshauptversammlung des 1. Sportvereins „Concordia" statt. Dabei wird die Ehrung der 26 gefallenen Kameraden und der sechs verstorbenen Sportkameraden vorgenommen. Wie der Vereinsführer Otto Braunsdorf ausführt, soll die Sporttätigkeit nicht wie im 1. Weltkrieg ruhen. Da aufgrund der Kriegsverhältnisse der Wohnungsbau eingestellt wurde, wird durch den Landrat eine Wohnraumlenkung angeordnet. Leerer Wohnraum ist innerhalb von drei Tagen beim zuständigen Bürgermeister zu melden Ein Wohnungstausch und eine Zuteilung von Wohnraum darf nur mit Genehmigung der Gemeindebehörde erfolgen. Am 22. April werden die Schüler der Klasse 6 und der Jahrgang 1926 der Klasse 7 der Oberschule als Luftwaffenhelfer im Raum Bitterfeld eingesetzt.
1943 Mai
Am 01. Mai herrscht Arbeitsruhe; es werden aber keine Veranstaltungen und Beflaggung vorgenommen. Eine 36jährige Frau aus Delitzsch wird wegen Diebstahls von Lebensmitteln und Kleiderkarten, den sie in Leipzig auf dem Weihnachtsmarkt, in einem Kaufhaus und in Delitzsch begangen hat, zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Es ergeht an alle Gemeioden des Kreises eine Aufforderung, den Bau von Luftschutzdeckungsgraben in Selbsthilfe durch die Bevölkerung zu forcieren. Bisher wurden für diese Arbeiten hauptsächlich Kriegsgefangene eingesetzt. Die neue Delitzscher Kindertagesstätte in der Ludwig-Jahn-Straße, deren Bau von der Stadt unter finanzieller Mithilfe durch die Böhme AG und das LW RackWitz 1941 begonnen wurde, wird an die NSV ihrer Bestimmung übergeben. Zur Erschließung von Rohstoffreserven wird zu einer Spinnstoff- und Schuhwerksammlung 1943 aufgerufen. Trotz der Beschränkuagen im totalen Kriegseinsatz gastiert der Hamburger 8-Mast-Zirkus „Belli" in Delitzsch. Ermittlungen über den Verbleib der Afrikakämpfer können beim Wehrmeldeamt beantragt werden. Ab 31. Mai wird die Fleischration pro Person um 100 g/Woche gekürzt.
1943 Juni
Am 01. Juni begeht die, Schmiedemeisterei Morgner ihr 50jähriges Jubiläum. Sie wurde 1893 von Oswald Morgner in der Wiesenstraße 3 gegründet. Sie hat sich auf geschmiedete Sattlerartikel spezialisiert, wofür mehrere Auszeichnungen und Diplome erteilt wurden. Seit 1929 führt sein Sohn Willi die Werkstatt. Ihm wurde, wie schon vorher seinem Vater, das Amt des Innungsobermeisters übertragen. Zum Pfingstfest findet ein Konzert der Musikschule Wächter im Albert-Böhme-Park statt. Eine Verordnung zur Wohnraumversorgung der Luftkriegsbetroffenen sieht vor, daß für diese Nebenwohnungen unterbelegter Wohnraum und zweckentfremdeter Wohnraum bereitzustellen ist. Vom 14. bis 20. Juni findet die Woche der Hitlerjugend mit verschiedenen Veranstaltungen statt. Am 20. Juni endet das diesjährige Schützenfest. Schützenkönig wird Willi Wilke, Ritter werden Fritz Ehricke und Paul Hoffmann. Fritz Reyher jun. wird bester K.K.-Schütze und zum Kronprinzen erklärt. Zum Peter-und-Paul-Markt sind doch recht viele Schausteller und Verkäufer mit mannigfaltigen Auslagen und Neuheiten, vor allem für den Haushalt, anwesend. Der Menschenstrom ist fast so groß wie zu Friedenszeiten. Der „Apfelbiß" findet wieder nicht statt.
1943 Juli
Die Schmiede in der Eisenbahnstraße besteht 50 Jahre. Von Wilhelm Unger 1893 eröffnet, wurde sie 1919 durch Einheirat von Franz Eilenberger übernommen. In der Gemeinderatssitzung am 09. Juli wird Stadtrat Paul Scharf als amtierender Bürgermeister bestätigt, da der Bürgermeister Dr. Frey im Vorjahr zur Wehrmacht einberufen worden war. Anstelle des tödlich in Jugoslawien verunglückten Stadtrates Spangenberg wird als neuer Ratsherr der Postinspektor Mönnich eingeführt. In dieser Sitzung wird die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Generaldirektor Albert Böhme vorgeschlagen. Am 12. Juli verstirbt der allseits beliebte und geachtete Dr. Med. Hugo Kranz im Alter von 65 Jahren infolge eines Herzschlages. Er ist mehrere Jahrzehnte als praktizierender Arzt in Delitzsch tätig gewesen und hat sich durch Einsatzfreude und Hilfsbereitschaft, besonders aber durch seine Leutseligkeit einen Ruf echter Volkstümlichkeit erworben. Am 15. Juli wird wieder eine große Kartoffelkäfersammelaktion durchgeführt. Das Barfußgehen im Sommer - auch in der Schule - wird von der HJ empfohlen, sowohl wegen Einsparung von Schuhwerk als auch wegen seines gesundheitlichen Wertes. Am 16. Juli wird allen Betriebsführern bekanntgegeben, daß für die Jahrgänge 1925, 1926 und 1927 der HJ der Urlaub gesperrt ist, da diese Zeit restlos für die Wehrertüchtigung benötigt wird. Das Sommerlager der HJ wird nur noch im Kreisgebiet durchgeführt.
1943 August
Am 20. August tritt eine Einschränkung von Spinnstoff-waren für verschiedene Kleiderkarten im Interesse der Versorgung der Fliegergeschädigten in Kraft. Am 25. August findet ein KdF-Gastspiel im „Schützenhof` mit der bekannten Künstlerin Gisela Schlüter statt. Die Bevölkerung wird zur tatkräftigen Hilfe für Umquartierte aufgefordert Die Verordnung zur Wohnraumversorgung der luftkriegsbetroffenen Bevölkerung sieht eine planmäßige Erfassung von Wohnraum zwecks zusätzlicher Belegung vor. Darin werden für den Inhaber einer Wohnung eine Anzahl von Wohnräumen entsprechend der Anzahl von Personen + 1 als angemessen festgesetzt. Darüber hinausgehendes ist für die Vermietung bereitzustellen. In akuten Notfällen kann der Eigenbedarf auch verringert werden.
1943 September
Ab 01. September werden Vergnügungsfahrten mit dem Pferdefuhrwerk für die Dauer des Krieges untersagt. Am 01. September besteht das Moorbad Delitzsch 10 Jahre. Die ursprünglichen Moorvorkommen sind erschöpft, aber in der Nähe des Sorauer Bahnhofes sind auf städtischen Wiesen weitere Vorkommen gefunden worden, die sogar eine noch bessere Qualität besitzen. Zwecks Erfassung haben sich alle Männer der Jahrgänge 1884 - 1893 bei der zuständigen Polizeibehörde zu melden. Es wird vor Fallschirmagenten gewarnt, die von feindlichen Flugzeugen zur „Zersetzung der inneren Front" abgesetzt werden. Laut Erlaß des Reichsführers-SS wird jeder, der ihnen hilft, Unterkunft oder Verpflegung gewährt, sofort erschossen. Am 05. September findet der „Tag der Wehrertüchtigung" statt, der der Vorbereitung der Hitlerjugend zum Waffendienst für „Großdeutschlands Freiheit und Größe" dient. 500 Hitlerjungen aus dem Bereich des Bannes im Kreis Delitzsch sind am „Schützenhof" zu einem Appell aufmarschiert.. Danach erfolgt ein Besuch der Ausstellung im „Schützenhof`, die Ausschnitte aus der militärischen Ausbildung der HJ zeigt. Am 16. September wird die Winterspielzeit der Gaubühne - Mitteldeutsches Landestheater Halle - mit dem Schauspiel „Rheinsberg" im "Schützenhof" eröffnet, 11 weitere Vorstellungen folgen bis Juli 1944. Ebenfalls beginnen wieder die KdF-Varietevorstellungen. Am 18. September wird aus Anlaß des 80. Geburtstages des Seniorchefs, Buchhändler Paul Krause, Markt 13, das 125jährige Bestehen der Firma gefeiert. Sie wurde am 01. 10. 1818 von Friedrich Gottlieb Krause als Buchbinderei und Leihbibliothek eingerichtet, 1868 durch Benjamin Krause zur Buchhandlung erweitert, 1890 wurde durch Herrmann Paul Krause eine Buchdruckerei angeschlossen, in der 1899 die „Delitzscher Zeitung" entstand. 1925 übernahm die Buchhandlung Georg Krause, der 1940 als Soldat in Frankreich tödlich verunglückte. Seine Witwe Luise Krause führt seitdem den Betrieb weiter. Am 19. September findet ein Erfassungsappell der HJ aller männlichen Jugenddienstpflichtigen im Alter von 16 bis 18 Jahren statt. Er war vom Landrat bei Androhung polizeilicher Zwangsmaßnahmen bei Nichterscheinen angeordnet worden.
1943 Oktober
Am 01. Oktober feiert der Schuhmachermeister und Schuhhändler Carl Gustav Exner, Breite Straße 19, sein 50jähriges Geschäftsjubiläum. Der jetzt 77jährige ist nach 62 Berufsjahren heute noch tätig. Es wird der Geschäftsbericht der Delitzscher Eisenbahn AG über das Geschäftsjahr 1941/42 veröffentlicht. Er weist im Personen/Gepäckverkehr eine Steigerung von 154.000 RM auf 180.000 RM auf, die Einnahmen im Güterverkehr blieben gegenüber dem Vorjahr mit 158.000 RM fast gleich. Insgesamt war jedoch ein Verlust von 4.450 RM zu verzeichnen, wodurch der Gewinnvortrag des Vorjahres in Höhe von 7.260 RM auf 2.810 RM abgebaut wurde. Es wird der Bau von Behelfsheimen durch das Wohnungshilfswerk verkündet. Am 21. Oktober eröffnet der Gauleiter Eggeling im „Schützenhof` eine Propagandaaktion im Kreis unter der Parole „Alle Kräfte dem Endsieg". Am 31. Oktober findet ein großes Militärkonzert durch ein Musikkorps eines Flakregimentes anläßlich der Gau-Kulturtage statt.
1943 November
Der Abteilungsführer der Freiwilligen Feuerwehr, Stadtbaumeister Alfred Renner, ist zum Stellvertreter des Oberabteilungsführers der Freiwilligen Feuerwehr ernannt worden. Es wird mitgeteilt, daß aufgrund der Leistungen der Landwirtschaft und der planvollen Wirtschaft es ermöglicht wird, zu Weihnachten Sonderzuteilungen auszugeben. Jeder Verbraucher erhält 500 g Weizenmehl, 250 g Zucker, 125 g Butter, dazu erhalten über 18jährige noch 125 g Zuckerwaren, 50 g Bohnenkaffee, 1/2 Flasche Spirituosen und Verbraucher unter 18 Jahren 250 g Zuckerwaren. Wegen Diebstahls von Soldatengut ist ein 30jähriger Mann aus Delitzsch zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Er hatte einem durchreisenden Fronturlauber im Wartesaal des Leipziger Hauptbahnhofes das von ihm dort abgestellten „Führerpaket" gestohlen. Für Frauen mit eigenem Hausstand, die 48 Stunden/Woche arbeiten, wird ab 01. November ein Hausarbeitstag eingeführt. Wenn sie eins oder mehrere Kinder unter 14 Jahren haben, bekommen sie zwei Tage. Außerdem dürfen diese Frauen nicht zur Nacht-, Sonntags- oder Mehrarbeit eingesetzt werden. Am 02. November findet wieder der „Martini- oder Herbstmarkt" statt. Es sind diesmal nur wenige Stände, vor allem mit Gebrauchsartikeln und Tand für Kinder aufgestellt worden. In der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft -Deutsches Frauenwerkfindet jetzt anstelle der Nähberatung eine Schuhberatung statt. An die Ortsgruppen der NSDAP ist eine Anordnung ergangen, wonach sie eine „Deutsche Kriegsweihnacht" für Umquartierte und Bombengeschädigte am Heiligen Abend oder am Vorabend durchzuführen haben. Ab dem 24. November werden vorerst keine Kostproben mehr in der Beratungsstelle der NS-Frauenschaft -Deutsches Frauenwerk- ausgegeben. Es wird eine Pflichtablieferung von Geflügelfedern,besonders um Betten für die Bombengeschädigten anfertigen zu können, eingeführt. Am 25. November wird der 10. Jahrestag der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" begangen.
1943 Dezember
Am 04. Dezember erfolgt ein schwerer Luftangriff auf Leipzig. Evakuierte aus Leipzig, die nach diesem Luftangriff weggezogen sind, werden aufgefordert, sich bei den NSV-Ortswaltern zu melden, um an die Auffangstellen weitergeleitet werden zu können. Am 05. Dezember gibt die hiesige Polizeibehörde bekannt: „Auf unserem Gebiet sind in der letzten Zeit wieder feindliche Flugblätter abgeworfen worden. Jeder anständige Volksgenosse weiß, wie er sich zu den Machenschaften der feindlichen Agitation zu verhalten hat und daher sofort derartige Flugblätter bei der nächsten Polizeistation abzuliefern hat. Wer der Pflicht zur sofortigen Ablieferung nicht nachkommt, macht sich strafbar." Am 05. Dezember erfolgt die Übergabe von Spielwaren, die von der NS-Frauenschaft, der HJ und der DAF angefertigt worden sind, in einer Feierstunde im Hotel „Zum Schwan" an die NS V. Sie sind zum großen Teil für die Kinder im Felde stehender Soldaten, gefallener Väter und bombengeschädigter Familien vorgesehen. Der Chefarzt des Delitzscher Städtischen Krankenhauses, Dr. Zaar, der seit Kriegsbeginn im Fronteinsatz war, hat in diesem Monat seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Es wird festgelegt, daß der Schulbeginn nach einem Fliegeralarm dann zur normalen Zeit stattfindet, wenn der Alarm um 23.00 Uhr beendet ist. Falls er danach endet, beginnt die Schule um 9.00 Uhr. Die Lieferung eines Weihnachtsbaumes pro Familie wird trotz der schwierigen Verhältnisse im 5. Kriegsjahr abgesichert. Vom 15. Dezember bis 03. Januar 1944 tritt eine weitgehende Reisesperre ein. Die Anforderung der Verkehrsmittel durch kriegswichtige Transporte lassen keinen Einsatz zusätzlicher Züge zu. Es gilt daher ein besonderes Genehmigungsverfahren,um den Rüstungsarbeitern und den aus den Luftnotgebieten Evakuierten oder Umquartierten Gelegenheit zu einem kurzen Erholungsurlaub im Kreise ihrer Angehörigen zu verschaffen. Weihnachtskerzen gibt es nur noch für Haushalte mit Kindern in den fliegergeschädigten Gebieten, in denen eine normale Stromversorgung gestört ist. Durch eine Anweisung des Reichsluftfahrtministeriums wird eine beschleunigte Fertigstellung der „Kellergassen" durch alle Nachbarhäuser in Selbsthilfe durch die Bewohner und eine Entfernung aller Fenstergitter angeordnet. Ende des Jahres beträgt die Einwohnerzahl 18.386 Personen, davon sind 421 Umquartierte aus den luftgefährdeten Gebieten nur für die Dauer des Krieges hier wohnhaft. Im Jahr 1943 sind 95 Kriegssterbefälle registriert worden.
1943 Zusammenfassung des Jahres
Die katastrophal veränderte Kriegslage hat eine neue Propagandawelle zur Folge. Es wird versucht, der Bevölkerung einzureden, daß der „Endsieg" erreicht wird, wenn sie mit eisernem Willen durchhält. So werden Schulabgänger aufgefordert, sich für den Landdienst im Osten zu bewerben, und für die 10-14jährigen werden wöchentliche Morgenappelle eingeführt. Die vernichtende Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad wird als „Heldenkampf" glorifiziert, der einen Garant für den Sieg darstellt. Der nunmehr verkündete „Totale Krieg" bringt auch für unsere Stadt einschneidende Einschränkungen. Es werden verschärfte Verpflichtungen zum Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie erlassen. Die 16jährigen Oberschüler werden als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Die wenigen noch laufenden Bauarbeiten werden eingestellt. Alle nicht kriegswichtigen Betriebe und Geschäfte werden geschlossen. Noch finden Volksfeste wie die Jahrmärkte und das Schützenfest statt; es werden Theater- und Varietevorstellungen veranstaltet. Allmählich macht sich auch der verstärkte Luftkrieg der alliierten Streitkräfte in Delitzsch bemerkbar. Vorerst nur indirekt, indem Umquartierte aus den luftkriegsbetroffenen Gebieten untergebracht werden müssen. Dazu wird eine Wohnraumerfassung zur Belegung angeordnet. Zur besseren Unterbringung der Umquartierten wird der Bau von Behelfsheimen vorbereitet. An verschiedenen Stellen der Stadt, vor dem Berliner Bahnhof (Unterer Bahnhof), am Weg zum Sorauer Bahnhof (Oberer Bahnhof), auf dem Schützenplatz, auf dem alten Friedhof, am Schloß und auf dem Elberitzplatz werden Erdbunker und Splittergraben gebaut. Zum Bau dieser Schutzeinrichtungen werden Kriegsgefangene der westlichen Alliierten eingesetzt. Diese sind in Baracken und Tanzsälen untergebracht. Sie haben im Gegensatz zu den sowjetischen Kriegsgefangenen verschiedene Vergünstigungen, so erhalten sie über das Rote Kreuz Lebensmittelpakete und können sich wesentlich freier auf der Straße bewegen. Es gibt sogar Fußballspiele zwischen Mannschaften von englischen und französischen Kriegsgefangenen. Die Beerdigung verstorbener französischer Soldaten erfolgt sogar in feierlicher Form im Beisein eines französischen Priesters auf dem städtischen Friedhof. Über die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener ist nichts bekannt. Die Vorbereitung der männlichen Jugend auf den Kriegseinsatz wird durch eine erweiterte Ausbildung in den Wehrertüchtigungslagern forciert. Die Zahl der Fliegeralarme nimmt zum Jahresende zu. Von Kriegsbeginn bis Ende 1943 wird für unsere Stadt etwa 110 Mal Fliegeralarm gegeben, Bombenschäden sind bisher nicht zu verzeichnen. Bei dem schweren Luftangriff auf Leipzig in der Nacht vom 04. auf den 05. Dezember ist der Feuerschein der brennenden Stadt bis nach Delitzsch zu sehen.
1944
1944 Januar
Es wird ein neues Luftschutzsignal, die „Vorentwarnung" eingeführt. Damit existieren folgende Sirenensignale:
1. Öffentliche Luftwarnung: 3x hoher Ton in einer Minute, einzelne Flugzeuge im Warngebiet
2. Fliegeralarm: eine Minute auf- und abschwellender Ton, Verbände im Warngebiet
3. Vorentwarnung: wie erstens, noch einzelne Flugzeuge halten sich auf
4. Entwarnungeine: Minute hoher Ton.
Die Delitzscher Malermeister werden mit der äußerlichen Kennzeichnung der privaten Luftschutzräume beauftragt. Es werden Postleitzahlen für das gesamte Reich eingeführt. Der Gau Sachsen, der Gau Halle/Merseburg und der Thüringer Kreis Altenburg erhalten die Nummer 10. Am 03. Januar findet eine Großvarieteveranstaltung im „Schützenhof" mit der bekannten Filmschauspielerin Rotraud Richter statt. Am 17. Januar werden die Kriegsberufswettkämpfe eröffnet. Sie dauern bis zum 15. Februar. Im Kreisgebiet nehmen daran 2.600 Jugendliche teil. Von diesen werden nach Abschluß 23 zum Reichsentscheid weitergemeldet. Am 18. Januar wird der Jahrgang 1928 als Luftwaffenhelfer eingezogen. Im Einsatzort im Raum Bitterfeld erfolgt auch ein verkürzter Schulunterricht. Am 30. Januar wird eine Gedenkstunde anläßlich des 11. Jahrestages der Machtergreifung Adolf Hitlers im „Schützenhof" von den Delitzscher Ortsgruppen der NSDAP durchgeführt. Im Anschluß daran findet ein Umzug durch die Stadt statt.. Ende Januar sind 386 ausländische Zivilpersonen in der Stadt registriert.
1944 Februar
Es wird an die Siedler in Stadt und Kreis appelliert, Land für den Bau von Behelfsheimen für Bombengeschädigte zur Verfügung zu stellen, insbesondere durch Verpachtung. Ein Rohbaumuster ist in der verlängerten Körnerstraße (Poetenweg) errichtet worden. Der stellv. Bürgermeister, Stadtrat Scharf, stellt für weitere Bauten im Westen der Stadt entsprechendes Gelände zur Verfügung. „Der Bauherr kann das Behelfsheim nach dem Endsieg sehr gut als Wochenendhaus weiter nutzen." Am 25. Februar findet der erste der drei Delitzscher Jahrmärkte kriegsbedingt nur noch in kleinem Umfang statt. Nur eine kleine Anzahl von Ständen ist vorhanden und locken auch nur noch wenige Besucher an.
1944 März
Am 11. März werden zwei Säle der Stadt zur Aufnahme von evakuierten Schülern aus Halle eingerichtet. Der „Heldengedenktag" am 14. März wird mit einer Kranzniederlegung durch eine Wehrmachtsabordnung am Kriegerdenkmal am Halleschen Turm begangen. Der Luftkrieg über Deutschland nimmt zu. Daher werden ab 21. März Luftlagemeldungen über den Rundfunk bekanntgegeben. Alle Sender des Reichsrundfunks geben diese Meldung jede volle Stunde, bei Änderungen der Luftlage auch zwischenzeitlich. Der Delitzscher Tischtennisspieler Christoph ist als Teilnehmer der Spiele um die Deutschen Meisterschaften in Breslau ausgewählt worden. Ab 27. März führt das „Deutsche Frauenwerk" eine Woche lang eine Ausstellung in seiner Beratungsstelle Eilenburger Straße 8 unter der Losung „Hausfrau, das Deutsche Frauenwerk hilft Dir" durch nach dem Motto „Aus Alt mach Neu". In der Gemeinderatssitzung am 30. März wird des am 06. 10. 1943 gefallenen Ratsherrn Schulze gedacht. Weiterhin wird der ordentliche Haushaltsplan mit 3.994.000 RM und der außerordentliche mit 330.000 RM bestätigt und das Geld für ein Geschenk (kunstgewerbliche Schale) zum Jubiläum der Böhme AG bewilligt.
1944 April
Ab 01. April wird die Provinz Sachsen zur Vereinheitlichung von Staat und Partei aufgelöst. Unsere Stadt gehört nunmehr zur Provinz Halle/Merseburg. Der Gauleiter Eggefng steht als Oberpräsident an der Spitze der Verwaltung und ist gleichzeitig Reichsverteidigungskommissar. Am 01. April besteht die Böhme AG 50 Jahre. Albert Böhme, ein Delitzscher Kind, steht noch an der Spitze des Unternehmens als Betriebsführer. Eine Neuregelung zum Luftschutzbereitschaftsdienst in den Betrieben und Verwaltungen legt den Einsatz pro Monat fest, und zwar:
für männliche Jugendliche von 15 Jahren viermal,
für männliche Jugendliche von 16 und 17 Jahren achtmal,
für Männer über 18 Jahren zehnmal,
für weibliche Jugendliche von 15 bis 18 Jahren viermal,
für Frauen über 18 Jahren achtmal,
für Frauen mit einem und zwei Kindern viermal.
Zur Verstärkung der Polizei ist vor einiger Zeit ein: ehrenamtlicher Dienst, die „Stadtwache" geschaffen worden. Ältere militärisch ausgebildete Männer mit einer weißen Armbinde, die die Aufschrift „Stadtwache" trägt, sind während ihres Einsatzes bewaffnet und mit Polizeibefugnis versehen. Sie kommen vor allem bei Luftangriffen, Soforthilfen und bei Suchaktionen nach abgesprungenen Piloten und „Saboteuren" sowie bei der Bewachung abgeschossener Flugzeuge zum Einsatz. Am 29./ 30. April findet ein großes Wehrschießen unter der Leitung der SA, die dazu aufgerufen hat, statt. Es sind etwa 1.000 Teilnehmer erschienen.
1944 Mai
Vom 07. bis 27. Mai findet eine Spinnstoffsammlung unter der Losung „Unsere Front muß gut ausgerüstet bleiben" statt. Die BDM-Handballmädchen sind Gebietsmeister geworden und spielen am 07. Mai gegen den Gebietsmeister von Thüringen. Am 25. Mai findet die diesjährige Generalversammlung der Volksbank Delitzsch unter der Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden Herrmann Mietzsch statt. Den Geschäftsbericht für 1943, dem 94. Geschäftsjahr, hält Walter Hofmeyer. Es wird als gutes Geschäftsjahr ausgewiesen. Die Bilanzsumme erhöhte sich um 1 Mio. RM, der Wertpapierbestand stieg auf 2,750 Mio. RM, die Zunahme der Einlagen betrug 1,021 Mio. RM, das Bankguthaben stieg auf 2,7 Mio. RM. Die 740 Mitglieder besitzen 1.023 Anteile, der Reingewinn betrug 28.050 RM. Das Schützenfest findet in diesem Jahr ohne Volksfest statt. Das Pfingstschießen der Schützengilde wird in den Schießständen des „Schützenhofes" abgehalten. Die beiden Königsschießen werden in Schützenuniform ausgeübt. Fritz Reyher jun. wird der Schützenkönig von 1944, Rathmann der 1. Ritter und Max Kuhn der 2. Ritter.
1944 Juni
Die Mästerei des EHW in Beerendorf wird von Schwein auf Schaf - wie jetzt im gesamten Reichsgebiet eingeführt - umgestellt. Daraus entsteht der Vorteil, daß außer Fleisch auch Wolle erzeugt wird. Zur Zeit sind dort 150 Hammel eingestellt. Am 29. Juni findet wieder der traditionelle Peter-und-Paul-Markt statt, jedoch wieder ohne „Apfelbiß". Obwohl wenig Buden im Vergleich zu früher aufgestellt sind, ist ein lebhafter Besuch durch die Landbevölkerung zu verzeichnen, da dieser Tag von ihnen zum allgemeinen Einkauf in der Stadt benutzt wird. Aufgrund einer Verordnung wird für alle Männer vom 16. bis 65. Lebensjahr und für alle Frauen im Alter von 17 bis 45 Jahren (Ausnahme: werdende Mütter, Frauen mit einem schulpflichtigen Kind oder mit zwei Kindern unter 14 Jahren) die Arbeitspflicht eingeführt. Die Meldungen erfolgen im Arbeitsamt.
1944 Juli
Allen Hausbesitzern wird die Pflicht auferlegt, an den Kellerfenstern angebrachte Gitter zu entfernen, vor allem deshalb, um eine Rettung von in Luftschutzkellern eingeschlossenen Bürgern zu erleichtern. Am 07. Juli findet im Mitteldeutschen Raum, besonders zwischen Halle und Dessau, eine Luftschlacht statt, bei der über dem Raum Delitzsch ein feindlicher Bomberverband zerstreut wird. Dabei werden 38 Bomben auf Feldern in Richtung des Flugplatzes Spröda abgeworfen. Ab 17. Juli wird zur Einschränkung des Reiseverkehrs bis auf weiteres ein Reisegenehmigungsverfahren verordnet.
1944 August
Seit fast 1 1/2 Jahren stehen bereits die ältesten Jahrgänge der Mittelund Oberschüler als Marine- und Luftwaffenhelfer im Rahmen des HJ-Kriegseinsatzes bei den Flak- bzw. Küstenschutzbatterien, wodurch die Soldaten für den Fronteinsatz freigestellt werden konnten. Ab 01. August tritt nunmehr eine Änderung ein. Im Interesse einer gründlichen Schulausbildung wird nur noch der älteste Jahrgang herangezogen, dafür werden die Jungarbeiter des Jahrganges 1928 aufgerufen, sich als Luftwaffenhelfer freiwillig zu melden. Wie für die Schüler, wird auch für die Jungarbeiter der Berufsschulunterricht in Theorie und Praxis weitergeführt. Der Einsatz erfolgt in der Regel örtlich. Es ist ein Aufruf an die Jugendlichen des Jahrganges 1928 erlassen worden, sich kriegsfreiwillig zu melden. In mehreren Bekanntmachungen wird mitgeteilt, daß erneut feindliche Luftangriffe auf mitteldeutsches Gebiet stattgefunden haben, bei denen in mehreren Orten Häuser zerstört und Personen verletzt und sogar getötet wurden. Vor Tieffliegerangriffen, besonders bei Feldarbeiten, wird gewarnt. Am 16. August wird der Flugplatz in Spröda durch feindliche Bomber angegriffen. Dabei werden die Flugzeug- und Montagehalle sowie das Rollfeld zerstört. Das Vorwerk des Rittergutes Beerendorf wird dabei mit beschädigt, eifite Frau und ein Schäfer werden dabei getötet und 150 Schafe verbrennen in den Ställen. Die Mühle von Beerendorf wird durch Brandbomben getroffen und brennt ab. In einem Aufruf werden alle Frauen zwischen 45 und 50 Jahren aufgefordert, sich für die Mitarbeit an den Aufgaben der Reichsverteidigung zu melden. Alle Frauen des Kreises, die in Frage kommen, müssen bis Monatsende beim Arbeitsamt den betreffenden Meldebogen abgeben. Eine Unterlassung dessen zieht strengste Bestrafung nach sich. Für die aus Ostpreußen Umquartierten, die aus Tilsit und dem Memelland gekommen sind, wird eine Sonderzuteilung an Fisch abgegeben. Das bedenkliche Vordringen des Kartoffelkäfers macht eine weitere Suchaktion erforderlich, wobei neben den Schülern auch Arbeitskräfte aus den Ausländerlagern zum Einsatz kommen. Die BDM-Führerinnen sind von einem vierwöchigen Einsatz im Warthe-Land zurückgekehrt, wo 800 umgesiedelten Familien aus dem Buggebiet bei der Erntearbeit geholfen wurde. Auch bei neu angesiedelten Bauern in Lothringen (Kreis MM-Land) waren Helferinnen tätig.
1944 September
Aufgrund einer Verordnung vom 01. September wird ab sofort die 60-Stunden-Woche in denjenigen Betrieben und Verwaltungen eingeführt, in denen es der Arbeitsanfall für die Kriegswirtschaft erfordert. In der Zeit vom 02. bis 04. September finden zu Beginn des 6. Kriegsjahres „Großappelle der kriegsfreiwilligen Jugend im gesamten Großdeutschen Reich" statt. Deshalb nimmt die Hitlerjugend von Delitzsch am 02. September auf dem Marktplatz im offenen Geviert Aufstellung. Die Kriegsfreiwilligen sind in einem Sonderblock in der Mitte aufmarschiert. Der Kreispropagandaleiter Hartmann spricht mahnende, ernste Worte an die Mannschaft. Danach erhalten sie einen Kriegsfreiwilligenausweis und damit das Recht, eine rote Litze als Zeichen auf der Schulterklappe zu tragen. Ein ähnlicher Appell findet am 04. September im RAW unter Teilnahme der Jugendlichen aus den Kleinbetrieben und der Lehrwerkstatt Delitzsch statt. Eine neue Verfügung besagt, daß auch der letzte Sohn eines im Weltkrieg Gefallenen nicht mehr aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen werden darf. Bei fünf oder mehr im Wehrdienst stehenden Söhnen darf nur dann einer zurückgestellt bzw. entlassen werden, wenn die Eltern ihn zur Erhaltung ihrer Existenz benötigen. Wird dieser nur „als Bluterbe" benötigt, kann er nicht entlassen, sondern nur aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen werden. Ab 14. September wird die Gasversorgung auf die Zeit von 4.30 bis 7.00 Uhr, 10.00 bis 12.00 Uhr und 19.30 bis 20.00 Uhr beschränkt. Es sind jedoch Arbeiten im Gange, um die Sperrzeiten bald wieder zu verringern. Als neue Maßnahme zur Versorgung der Bevölkerung wird in Delitzsch eine Annahmestelle für Strümpfe, für die ein Stopfen nicht mehr lohnend ist, eingerichtet. Dort werden Damen- und Herrenstrümpfe in einer Reparaturaktion durch Ansohlen bzw. Anfußen wieder zur Auffrischung des Strumpfbestandes gegen Abgabe von 1/2 bis 1 Punkt der Kleiderkarte hergerichtet.
1944 Oktober
Das durch das „Sozialwerk der DAF" zwischen Damaschkestraße und General-Maercker-Straße errichtete Gebäude ist fertiggestellt worden. Das in Barackenbauweise errichtete Gemeinschaftslager ist für die von auswärts kommenden Junghandwerker vorgesehen; zur Zeit ist es jedoch mit 75 ausländischen Arbeitskräften aus Italien und Frankreich belegt. Die Firma Meyerhofer feiert ihr 125jähriges Bestehen. 1819 eröffnete Johann Meyerhofer das Geschäft in der Eilenburger Straße 5, das damspäter immer wieder von dem Vater auf den Sohn überging. Sein Sohn Joseph erwarb das Grundstück Bitterfelder Straße 13 (das ehemalige Hirtenhaus des Stadtgutes), auf dem der Enkel des Gründers, Paul Meyerhofer, 1891 ein neues Haus erbaute. Der jetzige Inhaber heißt auch Paul. Im Rahmen der Vorbereitung der Jugend auf den Kriegseinsatz wird am 08. Oktober der „Tag der Wehrertüchtigung" begangen. Ab 16. Oktober wird eine Kürzung der Brotration vorgenommen, und zwar für den Normalverbraucher um 200 g/Woche. Damit erhält dieser nunmehr 2.225 g/Woche, das sind 175 g weniger als bei Kriegsbeginn und 225 g mehr als bei der niedrigsten Zuteilung in der Zeit vom 01. 04. bis 19.10. 1942. Am 18. Oktober erscheint ein „Aufruf des Führers zur Aufstellung eines Volkssturmes zur Verteidigung des Vaterlandes". Darin heißt es: „Zur Verstärkung der aktiven Kräfte unserer Wehrmacht und insbesondere zur Führung eines unerbittlichen Kampfes überall dort, wo der Feind deutschen Boden betreten will, rufe ich alle waffenfähigen Männer im Alter vom 16. Bis 50. Lebensjahr zum Kampfeinsatz auf." Ältere über 60 Jahren können sich freiwillig melden. Daraufhin wird durch das Landratsamt eine Meldung aller gestellungspflichtigen Männer der Jahrgänge 1884 - 1928 zum Deutschen Volkssturm am 25. Oktober auf dem Schützenhofplatz und Jahnplatz angeordnet.
Aus dem Polizeibericht für Oktober geht u. a. hervor:
Vier Anzeigen und 81 Verwarnungen für Verstoß gegen die Ausländerbestimmung;
Eine Anzeige und 173 Verwarnungen für Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung;
Zehn Anzeigen und 14 Verwarnungen für Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz;
Sechs Anzeigen und 16 Verwarnungen für Verstoß gegen die Verdunkelungsbestimmungen;
17 Verwarnungen für Verstoß gegen das Luftschutzgesetz;
25 Verwarnungen für Verstoß wegen groben Unfugs;
Drei Anzeigen für Verstoß gegen die Gewerbeordnung;
Zwei Anzeigen für Verstoß gegen die Lichtspielgesetze.
Am 26. Oktober treffen 1.200 Grenzlandbewohner aus der Gegend von Aachen ein. Sie werden in der Stadt und in Dörfern in Privatquartieren untergebracht.
1944 November
Am 02. November werden durch einen Bombenangriff in der Gemarkung Beerendorf am Flugplatz drei Personen getötet. Der erste Appell des neu aufgestellten Volkssturmes findet am 05. November zur Einteilung in die Kompanien und die Formierung des Bataillons statt. Nach Vorstellung der Kompanieführer, die vorwiegend durch SA-Führer gestellt werden, folgt die Einteilung in Züge und Gruppen, die von Frontkämpfern der beiden Weltkriege geführt werden. Danach stellt sich der Bataillonsführer vor und gibt bekannt, daß die Vereidigung am 12. November stattfindet. Anfang November wird die Einsparung des Gasverbrauches gegenüber der letzten Abrechnungsperiode um 20 % und Ende November sogar um 30 % verordnet. Am 14. November wird ein Aufruf des „Reichsnährstandes" an sämtliche Tierhalter bekanntgegeben, daß bis Anfang Dezember den Pferden die Schwänze und Mähnen und den Rindern die Schwänze zu stutzen sind. Die dadurch gewonnenen Tierhaare sind zur Deckung des dringenden Bedarfes von Rüstung und Wirtschaft abzuliefern. Gleichzeitig wird an die Pflicht erinnert, daß alle Kaninchenfelle abzuliefern sind. Die Zahl der Luftangriffe auf das Gaugebiet nimmt ständig zu, so wird am 21. November ein Großangriff im Raum Halle gemeldet. Am 28. November reffen weitere Evakuierte aus der Gegend um Köln ein. Alle Orte westlich des Rheins werden von der „nicht kriegsverwendungsfähigen" Zivilbevölkerung geräumt.
1944 Dezember
Der Schulbeginn nach Fliegeralarm in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr, bei den oberen Klassen der höheren Schulen zwischen 22.00 und 6.00 Uhr, wird auf die zweite Stunde verlegt. Es ergeht ein Appell an alle BDM-Mädchen im Alter von 18 bis 21 Jahren, sich am 17. Dezember zum Einsatz als Wehrmachtshelferin zu melden. Der Jahrgang 1929 kann sich ab sofort für die Unteroffiziers- und Offizierslaufbahn beim Nachwuchsoffizier in Eilenburg melden. Die Einberufung erfolgt mit dem vollendeten 17. Lebensjahr. In der Gemeinderatssitzung am 19. Dezember wird festgelegt, daß vorbereitende Gespräche für die Einrichtung eines „Ehrenfriedhofes für die gefallenen Helden" geführt werden sollen. Die Luftwaffenhelfer des Jahrganges 1928 aus der Oberschule werden am Heiligabend zur Luftverteidigung in die Eifel verlegt. Zum Jahresschluß erfolgt keine Verlängerung der Polizeistunde. Die Anzahl der in der Stadt angemeldeten ausländischen Zivilpersonen hat sich auf 494 erhöht. Im Jahr 1944 sind 81 Kriegstote registriert worden.
1944 Zusammenfassung des Jahres
Die militärischen Niederlagen werden immer schwerer, die allgemeine Lage der Zivilbevölkerung verschlechtert sich weiter. Dafür mehren sich die Parteiversammlungen und Kundgebungen mit ihren Durchhalteparolen. Besonders einschneidend auf das tägliche Leben wirken sich die immer häufiger werdenden Luftangriffe aus. Auch wenn unsere Stadt davon nicht direkt betroffen wird, so hat die Unterbringung der Evakuierten, darunter ganze Schulklassen, und deren Versorgung weitere Einschränkungen zur Folge. Immer mehr Familien erfahren viel Leid durch die stark angestiegenen Verluste von Menschenleben an der Front. Die Sorgen erhöhen sich durch das Herabsetzen des Einberufungsalters auf 17 Jahre. Angaben über die Anzahl der gefallenen Soldaten werden seit geraumer Zeit nicht mehr gemacht, auch nicht am „Heldengedenktag" im März. Der Luftschutzdienst beginnt bereits mit 15 Jahren und die Arbeitspflicht wird wesentlich ausgeweitet. Es werden schon die 16jährigen Jungen zur Freiwilligmeldung als Soldat aufgerufen. Das Schützenfest und der Peter-und-Paul-Markt finden, wenn auch im bescheidenen Rahmen, dennoch statt. Mit der erfolgreichen Landung der Alliierten in Frankreich und dem Attentat auf Hitler schwindet beim großen Teil der Bevölkerung die Hoffnung auf den „Endsieg", der immer noch offiziell beschworen wird. Im Juli fallen die ersten Bomben in unmittelbarer Nähe der Stadt, und bei einem Luftangriff am 16. August wird der Flugplatz in der Spröde erheblich zerstört. Die ersten „Umquartierten", wie die Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands genannt werden, reffen Ende August im Kreisgebiet ein, bald werden es immer mehr. Dazu kommen bis Jahresende noch viele Umgesiedelte aus dem Raum Aachen und Köln. Die Lebensmittelrationen werden weiter gekürzt. Im Oktober müssen sich alle noch in der Heimat verbliebenen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren für den „Volkssturm" melden. Die Bombengefahr nimmt rapide zu. Am Jahresende herrscht eine bedrückte Stimmung. Wohl jeder fürchtet, daß nun auch unsere Stadt nicht mehr von den Kriegszerstörungen verschont bleiben wird.
1945
1945 Januar
Die NSDAP erläßt einen Aufruf an das deutsche Volk zur Sammlung für ein „Volksopfer". Danach wird auch in Delitzsch vom 07. bis 28. Januar gesammelt, und zwar Uniformen und deren Teile, tragfähiges Schuhwerk, Zeltbahnen, Decken, Brotbeutel, um nur einiges zu nennen. Ein 50jähriger Angestellter der Stadtverwaltung ist wegen fortgesetzter Entwendung von Lebensmittelkarten zum Tode verurteilt worden. Zuchthausstrafen wegen Hehlerei erhalten seine Ehefrau und andere Helfershelfer. Von ihm sind Lebensmittelkarten für mehrere hundert Zentner Brot und für große Mengen Fleisch und Butter unterschlagen und über seine Helfershelfer in Leipzig an Ausländer verkauft worden. Der Schulbeginn am 09. Januar wird wegen Kohlemangels vorerst verschoben. Am 16. Januar werden in allen Schulen Schulappelle durchgeführt. Der Bezug von Hausbrandkohle wird trotz der bisherigen Berechtigung um weiteres eingeschränkt. Der Bau von Behelfsheimen hat begonnen. Nachdem bereits im Dezember die ersten Flüchtlinge aus Ostpreußen eingetroffen waren, steigt in der zweiten Hälfte Januar die Zahl der Flüchtlinge spürbar an, nachdem die Ostoffensive der Sowjetarmee weitere Erfolge erzielt hat. Ab 22. Januar fallen alle D- und E-Züge aus, und der Reiseverkehr wird eingeschränkt. Für jede Reise ist eine Genehmigung zu beantragen. Ende Januar ist eine starke Zunahme des Flüchtlingsstroms zu verzeichnen. Tag und Nacht ziehen vollbesetzte Wagenkolonnen durch die Stadt. Ihre Wegroute ist von Eilenburg kommend über die Bismarckstraße, Hindenburgstraße (August-Bebel-Straße). Richard-Wagner-Straße nach Richtung Halle. Oft tritt ein Halt wegen der Verstopfung auf der Straße ein. Die Flüchtlinge erhalten eine Versorgung mit Kaffee durch Schwestern des Roten Kreuzes. Ein Teil der Flüchtlinge findet hier sein Ziel und muß vorerst in Gasthaussälen und Schulen untergebracht werden. Daher werden die Schulen auf unbestimmte Zeit geschlossen. Nach und nach soll eine Verteilung in Quartiere in der Stadt und im Kreis erfolgen. Die Verteilungsstelle im Rathaus ist Tag und Nacht geöffnet Zusätzlich sind die Familien der Angehörigen des RAW Oppeln unterzubringen, weil durch das Vorrücken der sowjetischen Armee der Reichsbahnbetrieb Oppeln in das Innere des Reiches verlagert werden mußte. Mit drei langen Dtehgestellwagenzügen sind etwa 3.000 Menschen, davon etwa 1.000 aktive Eisenbahner, hier eingetroffen. Auch sie werden notdürftig in der Stadt und den umliegenden Dörfern untergebracht.
1945 Februar
Ein Teil der Oppelner Eisenbahner wird mit ihren Angehörigen an das RAW München-Neuaubing überwiesen. Meist ältere Werkstattarbeiter bleiben hier und nehmen als RAW Oppeln in Delitzsch die Arbeit wieder auf: Der Flüchtlingsstrom hält weiter an. Die Flüchtlinge kommen jetzt aus Pommern, Ostbrandenburg, in der Hauptsache aber aus dem Warthegau und aus Schlesien. Ab Anfang Februar werden zwecks Stromersparnis die Ladenschlußzeiten auf 16.30 Uhr gelegt, Ausnahme bilden die Lebensmittelgeschäfte, die bis 19.00 Uhr geöffnet haben. Ab 06. Februar wird der Kartoffelverbrauch eingeschränkt Alle Versorgungsberechtigten, die 150 kg Speisekartoffeln eingekellert haben, müssen 25 kg/Person abgeben. In den ersten Tagen des Februar ergeht ein Aufruf an die Bevölkerung. Zur Versorgung der aus den Ostgauen geflüchteten Einwohner sollen die Bestände nach entbehrlichen Decken überprüft werden. Diese können bis zum Ende des verlängerten „Volksopfers" abgeliefert werden. Ab Mitte Februar besteht die Delitzscher Kreiszeitung bis auf die Sonntagsausgabe nur noch aus einem Blatt. Am 14. Februar ergeht ein Aufruf zur Bildung eines freiwilligen „Hilfsdienstes für den Volkssturm", bestehend aus Frauen, die in den Nähstuben für dessen Uniformen und Ausrüstungen sorgen. Am 17. Februar werden etwa 150 Eisenbahner, die aus Schneidemühl zurückgeführt wurden, in Klassenräume der Oberschule einquartiert. Am 21. Februar erscheint eine öffentliche Warnung vor Tieffliegern und Hinweise über das Verhalten bei deren Erscheinen. Die Tages- und Nachtalarme haben in der letzten Zeit ständig zugenommen. Am 26. Februar werden fast alle Unterrichtsräume der Schulen zur Unterbringung von Flüchtlingen in Anspruch genommen. Ein Notschulunterricht wird in Schichten in den Resträumen durchgeführt. Am 27. Februar erfolgt ein schwerer Luftangriff auf Halle, bei dem 312 Tote zu beklagen sind. Der Feuerschein der brennenden Stadt ist von Delitzsch aus zu sehen.
1945 März
Nachdem bereits seit Mitte Januar eine Leitstelle für Rückgeführte, wie jetzt die neue Bezeichnung für Flüchtlinge war, in den Räumen der NSV-Amtsleitung in der Hermann-Göring-Straße (Dübener Straße) eingerichtet worden war, die Tag und Nacht geöffnet war und die auch Kaffeestationen an den Straßenkreuzungen unterhielt, wird ab Mitte März zur besseren Betreuung ein Bahnhofsdienst am Berliner und Sorauer Bahnhof, dem eine DRK-Station angeschlossen ist, eingerichtet. Die Organisation erfolgt durch die NSV in Zusammenarbeit mit der HJ und der NS-Frauenschaft. , Am 14. und 21. März wird der Jahrgang 1929 gemustert. Die für „tauglich" Befundenen des 1. Musterungstermins werden am folgenden Wochenende zum RAD eingezogen. Sie verrichten Schanzarbeiten hinter der Ostfront, in Ostsachsen und Niederschlesien.
1945 April
Etwa 80 KZ-Häftlinge, deren Lager wegen der Frontlage aufgelöst worden ist, werden durch die Stadt in Richtung Spröda geführt. Ein weiterer Transport wird über den Markt und die Leipziger Straße nach Döbernitz getrieben. Von ihnen werden 14 Häftlinge an der Sandgrube östlich von Döbernitz von dem SS-Begleitkommando erschossen, weil sie vor Erschöpfung zusammengebrochen sind. Am 14. April stehen die Armeen der Westalliierten bei Wittenberge und Magdeburg und damit an der Elbe, die Saale ist bereits überschritten und amerikanische Truppen stoßen auf Leipzig vor. Fast stündlich ist am Tag Fliegeralarm. Deshalb ist der Schulunterricht nicht mehr durchführbar und die Schulen sind geschlossen. Es wird das neue Sirenensignal „Feindalarm" (auch „Panzeralarm" genannt) bekanntgegeben. Die Bevölkerung der Stadt ist sehr beunruhigt. Es wird mit dem Anlegen einer Verteidigungsstellung am Westrand der Stadt begonnen. Am 15. April werden die Baracken, Bahnanlagen und Lagerräume' des Flugplatzes in Spröda gesprengt. Am 15. April stirbt ein 11jähriger Junge im Krankenhaus, der beim Spielen mit einer Panzerfaust schwer verletzt worden ist. Am 16. April greift ein amerikanisches Kampfflugzeug den Berliner Bahnhof mit Bomben an. Dadurch wird der nördliche Teil des Bahnhofes mit der Bahnhofsgaststätte und der Warteraum mit Schalter in Schutt und Asche gelegt. Elf Personen, darunter der Bahnhofswirt und dessen Ehefrau sowie mehrere Fremdarbeiter, werden getötet und weitere Personen verletzt, davon einige schwer, von denen vier ihren Verletzungen erliegen. Am 17. April beschießt ein Tiefflieger die Bismarckstraße/Ecke Eisenbahnstraße, wobei eine Frau und ein Kind den Tod finden. Am 20. April 1945 wird Delitzsch von den amerikanischen Truppen besetzt, und der Krieg ist damit für die Stadt und deren Bevölkerung beendet. Bereits vor dem 20. April bemühten sich unabhängig voneinander der amtierende Bürgermeister Paul Scharf und eine Gruppe der KPD um Herrn Geithe darum, die Stadt Delitzsch mit geringsten Verlusten und Zerstörungen den nahenden Amerikanern zu übergeben. Aus dem Bericht des Bürgermeisters Scharf zur kampflosen Übergabe: Am Freitag, den 13. April, eine Woche vor der Besetzung, wurde mit der Anläge einer Verteidigungsstellung westlich ganz am Rande der Stadtbegonnen. Gleich bei Beginn meines Dienstes entschlossen wir uns am Sonnabend, den 14. April, zum Platzkommandanten Löser in das Wehrmeldeamt zu gehen und zu fordern, daß eine Verteidigung der Stadt Delitzsch unterbleibe. Bekanntlich war einige Tage vorher durch den Rundfunk eine Anordnung Hitlers erfolgt, die außerdem als Geheimbefehl vorlag, wonach jede Beeinflussung militärischer und amtlicher Stellen zur Unterlassung von Kampfhandlungen mit Todesstrafe bestraft wurde, sowohl für die Veranlasser, wie für deren Familien. Oberstleutnant Löser erklärte, daß er als Platzkommandant befehlsgemäß die Stadt Delitzsch zu verteidigen habe. Wir haben ihn in Verhandlung veranlaßt, daß er bei seinem vorgesetzten Kommandeur anrief und diesem erklärte, daß er aufgefordert sei, die Stadt kampflos zu übergeben. Dieses Ansuchen wurde abgelehnt. Ungeachtet dessen haben wir einige Stunden später den Landrat Meister mit zum Wehrmeldeamt genommen und in dessen Gegenwart dem Oberstleutnant Löser unsere Forderung erneut gestellt. Abermals ohne den gewünschten Erfolg. Uns gelang es nur, daß die Verteidigungslinie weiter vor die Stadt geschoben wurde. Nunmehr wurde Oberstleutnant Löser wegen der von ihm begangenen Disziplinlosigkeit, die Weitergabe unserer Forderung an seinen Kommandeur, abgelöst und durch einen neuen Kampfkommandanten ersetzt. Der neue Kampfkommandant Major Glatzel forderte in den späten Abendstunden des 17. April eine Besprechung, und zwar mit mir, dem Landrat und dem Kreisleiter. Kurz vor dieser Sitzung habe ich mit dem Landrat über das gemeinsame Vorgehen bei der Sitzung gesprochen und Dr. Hoyer telefonisch dazugebeten. Im Wehrmeldeamt fand ich an einem mit großen Karten bedeckten Tisch den kommandierenden General mit seinem Stab, den Kampfkommandanten und Oberstleutnant Löser vor. Diese legten die endgültigen Verteidigungsmaßnahmen für die Stadt Delitzsch fest. Anschließend legte uns Major Glatzel in meinem Zimmer auf dem Rathaus seine Ansichten über die Verteidigung der Stadt dar. Bereits bei diesem ersten Zusammentreffen habe ich den Kampfkommandanten veranlaßt, die Verteidigung der Stadt weit vor die Stadt zu legen und auf keinen Fall innerhalb der Stadt. Hierauf ging Major Glatzel ein. Kurz nach dieser Abrede erschien noch unerwartet der Kreisleiter Krüger mit seinem Stabsleiter Harttann für kurze Zeit. Sie informierten sich, ohne die Einzelheiten dieser Aussprache zu kennen. Bei dieser Aussprache hat Major Glatzel vollstes Verständnis für unsere Pläne und Absichten gezeigt, was ich nachdrücklich bemerken möchte, ohne seinen guten Willen wäre manches schwieriger gewesen. Unsere eigene Lage wurde immer gefährlicher, unser Vorhaben war inzwischen bereits bekannt geworden. Im Stab des Bataillons befanden sich zwei Männer der Gestapo. In den frühen Morgenstunden des Mittwoch, 18. April, wurde in den Kellern des Rathauses eine Befehlsstelle eingerichtet. Hier hatte Dr. Hoyer eine der vorhandenen Telefonleitungen dem Kampfkommandanten absichtlich verschwiegen. Auf diese Weise verschafften wir uns dann später laufend eingehende Informationen über den Stand des Aufmarsches der Amerikaner. In dieser Befehlsstelle hatten wir Gelegenheit, weiter mit Major Glatzel laufend über die geplanten Maßnahmen zu sprechen. Am Donnerstag, den 19. April, kam gegen 12.00 Uhr ein Befehl, der verlangte, daß sofort die ganze Bevölkerung der Stadt und der Volkssturm einzusetzen wäre, um innerhalb der Stadt Panzer- und Minensperren zu errichten, auch sollte aus den Kellerfenstern die Stadt mit Panzerfäusten verteidigt werden. Sofort zog ich mich mit dem Kampfkommandanten zurück und verlangte von ihm, daß er auf keinem Fall Panzer- oder andere Sperren innerhalb der Stadt errichten und ebenso auf keinem Fall aus den Kellerfenstern mit Panzerfäusten die Stadt verteidigen lasse. Er solle die Verteidigung noch weiter vor die Stadt schieben und hier Ausbau von Stellungen zum Scheine vornehmen lassen. Dies sagte er mir auch zu. Die Vorbereitung der Anlegung von zwei Minensperren erfolgte dem Scheine nach, damit bei einer eventuellen Besichtigung und Nachprüfung der Verteidigungsvorbereitung durch den vorgesetzten General nicht vorzeitig unser Vorhaben bekannt wurde. Eine der vorbereiteten Minensperren ist selbst durch den Befehl des Kampfkommandanten zugeschaufelt worden, ohne daß Minen darin waren. Die andere ist vor der Bevölkerung zugeschaufelt, worden, womit wir einverstanden waren. Am Donnerstag, den 19. April, sandten die Amerikaner einen Parlamentär, der vom Kampfkommandanten nach Torgau weitergeleitet wurde. Am Freitag, den 20. April erfolgte die Besetzung der Stadt. Die Lage in der Befehlsstelle hatte infolge außerordentlichen Mangels an Meldungen seitens der militärischen Beobachtungsposten einen erheblichen Umfang an Verworrenheit erreicht. Die Offiziere in der Befehlsstelle erhielten nun durch Dr. Hoyer und mich ihnen bis dahin unbekannte Aufschlüsse über den wirklichen Stand der Dinge. Wir benutzten die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß nur noch ein sofortiger Abzug der Truppen in Frage kommen könne, weil inzwischen vor der Stadt etwa 100 Geschütze, darunter viele schweren Kalibers, in Stellung gebracht waren. Hauptmann Krausch gab nun den Absetzbefehl mit der Weisung zum schleunigen Abrücken. Dies geschah in dem Augenblick, als feindliche Aufklärer die Stadt überflogen. Leutnant Weinert hat dann noch die Straßen mit dem Motorrad abgefahren, um alle Truppen aus der Stadt zu bringen. Die Truppen rückten mit aller Beschleunigung ab. Zwei von den Gestapoleuten blieben in der Befehlsstelle zurück, die waren schwer bewaffnet und stießen fortwährend die gefährlichsten Drohungen aus. Als plötzlich das elektrische Licht ausfiel, haben wir die Befehlsstelle unbemerkt verlassen, wodurch es uns gelang, uns aus Lebensgefahr zu bringen. Nunmehr gingen wir auf den Marktplatz, um die Ankunft der Amerikaner zu beobachten. Bei deren Annäherung haben wir uns dann in mein Amtszimmer zurückgezogen und die Stadt dort übergeben. Ich habe erst nachträglich erfahren, daß Männer mit und um Herrn Geithe sich ebenfalls voll und ganz mit anderen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, für das gleiche Ziel mit Erfolg eingesetzt haben. Zum Wirken der Männer um Otto Geithe liegen folgende Berichte vor: In den Apriltagen 1945 wurde auf Veranlassung von Otto Geithe eine Art „Provisorische Kreisleitung der KPD" bei einer geheimen Zusammenkunft am Kosebruch gebildet. Man beriet, was zu tun wäre, um die Stadt kampflos an die anrückenden amerikanischen Truppen zu übergeben. Es wurde beschlossen, mit den Soldaten des Artillerie-Ausbildungsbataillons und den Volkssturmleuten zu diskutieren, den sinnlosen Kampf aufzugeben. Ferner beschloß man, mit. den Amerikanern Verbindung aufzunehmen. Dazu erklärte sich der Maurer und KPD-Angehörige Emil Sachse bereit. Emil Sachse nahm zweimal Verbindung mit den amerikanischen Truppen auf und berichtete über die Bemühungen, Delitzsch kampflos zu übergeben. Die Diskussionen mit den Soldaten und dem Volkssturm hatten Erfolg. Desertierungen von Soldaten erfolgten. Wie aus dem Totenregister des Friedhofes Delitzsch hervorgeht, wurden einige Deserteure erschossen. Die Angehörigen des Volkssturmes verschwanden nach und nach. Ihre Waffen warfen sie in den Stadtgraben oder in den Werkstättenteich. An den Diskussionen mit den Soldaten beteiligen sich neben den Angehörigen der KDP, wie Richard Sachse, Bruno Schmidt, Otto Webel, Otto Geithe auch andere Persönlichkeiten, wie der Baumeister Richter. Alle diese Ereignisse und das Wirken des amtierenden Bürgermeisters Stadtrat Paul Scharf führten dazu, daß die Reste des Bataillons der Wehrmacht auf Befehl des Hauptmanns Krausch in den Nachmittagsstunden des 20. April beschleunigt die Stadt in Richtung Osten verließen. Beobachtet wurde dieser Rückzug durch Aufklärungsflugzeuge der USA-Truppen. Bruno Schmidt hißte auf dem Schloßturm eine weiße Fahne. Eine Granate der Artillerie schlug unter dem Zwiebelturm des Schlosses ein. Nach einigen Salven Artilleriefeuer, die wenig Schaden anrichteten, näherten sich die amerikanischen Truppen der Stadt. Bruno Schmidt und Emil Sachse, die sich in dem kleinen Haus der Familie Konrad, Hallesche/Ecke Hainstraße, aufgehalten hatten, gingen den Amerikanern mit einer weißen Fahne auf der Halleschen Landstraße entgegen. Ein Pionier (Feuerwerker) wurde ihnen entgegengeschickt, der Minen auf der Kreuzung Hallesche-, Hain-, Schkeuditzer Straße beseitigte. Dann marschierten ein Major und fünf Mann in die Stadt ein. Überall wehten weiße Fahnen, die die Bewohner gehißt hatten. Am Rathaus übergab der amtierende Bürgermeister Paul Scharf offiziell die Stadt. Für die Bürger von Delitzsch war der Krieg zu Ende. Obwohl unabhängig voneinander gearbeitet wurde, ist es den Leuten um Otto Geithe und dem Bürgermeister Paul Scharf gelungen, die Stadt Delitzsch vor der Zerstörung zu bewahren, wie das drei Tage später der Stadt Eilenburg geschah. Die Opfer blieben gering. Auf dem Friedhof in Schenkenberg befindet sich das Grab von dreijungen Soldaten; insgesamt waren neun Gefallene zu beklagen.
1945 Zusammenfassung des Jahres
Die verzweifelte, ja aussichtslose Lage wird für jeden offensichtlich. An die seit längerer Zeit versprochenen „Wunderwaffen", die den „Endsieg" ermöglichen sollen, glauben die wenigsten Bürger der Stadt. Die Reserven für die Versorgung sowohl der Front als auch der Heimat sind erschöpft. Die Fliegeralarme häufen sich, bis schließlich fast täglich, manchmal auch mehrmals, die Sirenen ertönen. Bis zur Besetzung unserer Stadt ist seit Kriegsausbruch etwa 350mal, und ab Januar 1944 ungefähr 240mal, Fliegeralarm gegeben worden. Der Flüchtlingsstrom nimmt laufend zu. Bei bitterster Kälte ziehen an manchen Tagen stundenlang Flüchthngstrecks durch die Stadt und werden notdürftig versorgt. Die Schulen werden zeitweise zu deren Unterbringung geschlossen bzw. der Schulunterricht auf einige Klassenräume beschränkt. Als letztes Aufgebot werden jetzt sogar 15jährige Jungen eingezogen. Einige von ihnen kommen noch in den Apriltagen östlich von Dresden zum Einsatz, wobei mehrere Gefallene zu beklagen sind. Wie wohl fast alle, ersehnen auch die Bürger unserer Stadt ein baldiges Kriegsende und hoffen, daß die westlichen Streitkräfte die Stadt zuerst erreichen. In den letzten Tagen vor der Besetzung ziehen lange Kolonnen zurückgehender deutscher Einheiten und ausländischer Hilfstruppen durch Delitzsch. Einige Tage zuvor wird ein Elendszug ausgemergelter KZ-Häftlinge durch die Stadt getrieben, von denen 14 am Straßenrand vor Entkräftung liegen bleiben und von der SSWachmannschaft erschossen werden. Tiefflieger erschrecken die Bevölkerung, die vor den Geschäften und an einigen an verschiedenen Stellen untergebrachten Materialreservelagern der Wehrmacht Schlange stehen, um noch etwas zu ergattern. Am 16. April wird ein Teil des Bahnhofes zerbombt, am 18. April ertönt erstmals „Panzeralarm". Einige Tage vorher waren schon Vorbereitungen getroffen worden, die Stadt bis zum Äußersten im Straßenkampf zu verteidigen. In zähen, für ihn lebensgefährlichen Verhandlungen gelang es jedoch dem amtierenden Bürgermeister Scharf, daß am 20. April, als die amerikanischen Truppen vor der Stadt stehen, die für die Verteidigung der Stadt vorgesehenen Wehrmachtseinheiten abziehen, Unabhängig von ihm hatten einige Bürger, die der illegalen KPD angehört haben, Verbindung mit den Amerikanern aufgenommen. Diese beiden mutigen Aktionen führten dazu, daß Delitzsch kampflos übergeben wurde. So waren nur geringe Schäden durch Artilleriebeschuß zu verzeichnen. Die Besetzung unserer Stadt wurde von den Einwohnern mit einer großen Erleichterung aufgenommen. Für sie war der Krieg vorbei, den amerikanischen Truppen wurde kein feindseliges Verhalten entgegengebracht.
Straßennamenänderungen
Zum 19. Mai 1945 wurden die Namen der folgenden Straßen geändert.
1933- 1945 |
ab 19. Mai 1945 |
Adolf-Hitler-Ring |
Am Wallgraben |
Ehrenberg-Ring |
Am Wallgraben |
Schulze-Delitzsch-Ring |
Am Wallgraben |
Dietrich-Eckart-Straße |
Stresemannstraße |
Franz-Seldte-Siedlung |
Friedenssiedlung |
Frontkämpfer-Siedlung |
Ostsiedlung |
General-Litzmann-Platz |
Marienplatz |
General-Maercker-Straße |
Friedrich-Ebert-Straße |
Gustloffstraße |
Rathenaustraße |
Hermann-Göring-Straße (bis zur Bahnschranke) |
Dübener Straße |
Horst-Wessel-Platz |
Nordplatz |
Langemarkstraße |
Schulze-Delitzsch-Straße |
Muchowstraße |
Uferstraße |
Paul-Bergk-Straße |
Adolf-Tauche-Straße |
Schlageterstraße |
Nordstraße |
Walter-Flex-Straße |
Adolf-Münzer-Straße |
Albert-Böhme-Straße |
Lindenstraße |
Richthofenstraße |
Friedrich-Engels-Straße |
Die Häuser des Adolf-Hitler-Ring, Ehrenberg-Ring und Schulze-Delitzsch-Ring sowie in der Hermann-Göring-Straße und in der Dübener Straße erhalten neue Hausnummern.