Delitzscher Internierte in sowjetischen Speziallagern - Die Errichtung von Speziallagern in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
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- Geschrieben von Lars-Uwe Freiberg
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2. Die Errichtung von Speziallagern in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
Noch während der letzten Kämpfe 1945 beginnen der sowjetische Militärgeheimdienst und der Narodnyj Kommissariat Wnutrennych Djel (NKWD = Innenministerium der UdSSR), Internierungslager in Deutschland zu errichten. Teilweise greifen sie dabei auf die Konzentrationslager der Nationalsozialisten zurück: Sachsenhausen und Buchenwald werden nach Kriegsende weiterhin genutzt. Außerdem werden acht neue Speziallager eingerichtet. Das waren aber nicht die ersten Lager, die durch den NKWD eingerichtet worden waren. Mitte April 1945 konnte es westlich der späteren Oder-Neiße-Grenze zwischen Polen und der SBZ noch kein NKWD-Lager geben. Folglich blieb es bis auf weiteres im wesentlichen bei den bisherigen Handhabungen nach dem NKWD-Befehl Nr. 0016 vom 11.1.1945. Dies galt jetzt auch für die nach Punkt 1 des Befehls Nr. 00315 von NKWD-Operativgruppen Arretierten. Eine unbekannte Anzahl von ihnen gelangte im April und Mai 1945 und darüber hinaus in diese frühen Lager und Gefängnisse. So wurden in und bei Berlin festgenommene Deutsche über Zwischenstationen in das Lager Schwiebus, ein Großteil von dort nach Posen und manche weiter in das anfänglich als „Lager Nr.4 der 1. Weißrussischen Front für mobilisierte Deutsche“ betriebene spätere Speziallager Nr.4 des NKWD Landsberg an der Warthe verschickt. Auch Ende Juli 1945 gab es solche Verlegungen. Die Überlebenden kehrten im Januar 1946 aus Landsberg in die SBZ zurück; sie wurden in das Speziallager Nr.2 Buchenwald aufgenommen. 3.660 Arrestanten, die seit Ende Mai 1945 in das inzwischen in Bautzen ansässig gewordene „Gefängnis der 1. Ukrainischen Front“ – später Speziallager Nr.4 – eingeliefert worden waren, wurden von Ende Juni bis Anfang August 1945 in das Lager Tost/Oberschlesien verbracht. Viele starben dort, andere wurden entlassen, die übrigen im November 1945 in das Gefängnis Graudenz überstellt. Diese Beispiele stehen für viele. Dem Hin und Her war die „Buchführung“ der Lagerbetreiber nicht gewachsen. Nach Stalins Zustimmung wurde am 18.4.1945 Befehl des NKWD der UdSSR Nr. 00315 herausgegeben (siehe oben). Die in Punkt 1 des Befehls festgelegten Kategorien dienten als Grundlage für die Bildung des Spezialkontingents, um das es in diesem Bericht geht. Zugleich setzte der NKWD-Befehl Nr. 00315 die Einrichtung der Speziallager in der SBZ in Gang.
In der SBZ gab es von 1945 bis 1950 insgesamt zehn sowjetische Internierungslager - sogenannte "Speziallager" (SpezLager) und drei größere Gefängnisse des NKWD:
Lager-Nr. |
Ort |
Zeitraum des Bestehens |
Spezlager Nr. 1: |
Mühlberg |
September 1945 – Oktober 1948
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Spezlager Nr. 2: |
Buchenwald |
August 1945 – Februar 1950
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Spezlager Nr. 3: |
Berlin-Hohenschönhausen |
Mai 1945 - Oktober 1946
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Spezlager Nr. 4: |
Bautzen |
Mai 1945 - Februar 1950
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Spezlager Nr. 5: |
Ketschendorf |
April 1945 - Februar 1947 |
Spezlager Nr. 6: |
Frankfurt/Oder bzw. Jamlitz |
Mai 1945 - September 1945 September 1945 - April 1947
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Spezlager Nr. 7: |
Werneuchen/Weesow bzw. Sachsenhausen |
Mai 1945 - August 1945 August 1945 - März 1950
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Spezlager Nr. 8: |
Torgau (Fort Zinna) bzw. Torgau (Seydlitz-Kaserne) |
August 1945 - März 1946 März 1946 – Januar 1947
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Spezlager Nr. 9: |
Fünfeichen |
April 1945 - Oktober 1948
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Spezlager Nr. 10: |
Torgau (Fort Zinna) |
Mai 1946 - Oktober 1948
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Gefängnis 1 |
Neustrelitz |
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Gefängnis 2 |
Berlin-Lichtenberg |
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Gefängnis 4 |
Frankfurt/Oder |
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Die kleineren der 10 Speziallager wurden bis 1947 aufgelöst und die Häftlinge auf die übrigen Speziallager verteilt. Nach der großen Entlassungswelle im Sommer 1948 blieben im ganzen Gebiet der SBZ nur noch die Speziallager in Sachsenhausen (nun Nr. 1), Buchenwald (Nr. 2) und Bautzen (nun Nr. 3) übrig. 1950 wurden auch sie aufgelöst. Neben den Speziallagern gab es auch noch eine große Anzahl von Gefängnissen, die dem gleichen Zweck dienten. Am 1. September 1945 zählte eine Liste bereits 21 Innere Gefängnisse bei den Operativ-Sektoren und Bezirks-Operativ-Gruppen des NKWD auf. In Berlin handelte es sich um das Zentralgefängnis, vermutlich in Hohenschönhausen, sowie um Lichtenberg. In der Provinz Mecklenburg lagen die Hafteinrichtungen in Schwerin, Waren, Rostock und Greifswald; in Brandenburg in Potsdam, Brandenburg, Eberswalde und Cottbus; in Sachsen-Anhalt in Halle, Magdeburg, Dessau und Torgau; in Thüringen in Weimar; in Sachsen in Dresden, Leipzig, Zwickau, Chemnitz und Bautzen. Der Haushaltsplan der sächsisch-anhaltinischen Justizverwaltung wies im letzten Quartal 1946 die große Vollzugsanstalt in Magdeburg-Sudenburg, das Zuchthaus in Halle, die Gerichtsgefängnisse in Delitzsch, Dessau, Bernburg, Bitterfeld, Eisleben, Gardelegen, Liebenwerda, Merseburg, Osterburg, Quedlinburg, Querfurt, Sangerhausen, Staßfurt, Stendal, Torgau, Wittenberg und Zeitz unter sowjetischer Militärverwaltung aus. Als Inspektionspersonal arbeiteten meist Deutsche, das deutsche Aufsichtspersonal war jedoch teilweise durch Sowjetsoldaten abgelöst worden. Inhaftiert waren Deutsche, meist politische Häftlinge, und Angehörige der Roten Armee.
Neben den 9 größten Speziallagern ragten dabei unter den Gefängnissen die Orte Strelitz (Nr. 5: Gefängnis für verurteilte Deutsche, welches bis 1946 bestand), Berlin-Lichtenberg (Nr. 6) und Frankfurt (Nr. 7), aus dem später das Speziallager Nr. 10 in Torgau entstand, hervor. Die ‘Berliner Abteilung‘ führte diese drei Haftpunkte auf den regelmäßigen Belegungsberichten und den Stellenplänen an Moskau explizit auf. Während die Lager dort im April 1946 mit einem Personal von 107 Personen auftauchten, waren für die drei Spezialgefängnisse jeweils 32 Stellen vorgesehen.
Zusätzlich zu den zentralen Haftplätzen entstanden in jeder größeren Siedlung NKWD-Kellergefängnisse oder wurden deutsche Hafteinrichtungen durch den NKWD genutzt. Sie galten als Vorstufe für die anschließende Lagerhaft oder dienten als Ausgangspunkt für die unmittelbare Deportation in ein Lager der Sowjetunion. Geführt und bewacht wurden die Lager von Moskau aus. Sie standen unter direkter Befehlsgewalt des sowjetischen Innenministers Berija. Das Bindeglied bildete Generaloberst Serow, der gleichzeitig Stellvertreter des Chefs des SMAD für Zivilfragen und Chef des Geheimdienstes in der SBZ war.
In den Beschlüssen des NKWD über die Lagereinweisung wurde ein Standardvermerk eingetragen:
"Der Verhaftete wurde hinsichtlich seiner verbrecherischen Tätigkeit ausreichend entlarvt und wird auf Befehl des NKWD der UdSSR Nr. 00315 vom 18. Mai 1945 in das Lager Nr. ..... des NKWD der UdSSR eingewiesen." |
Auf dieser Grundlage vollzogen die sowjetischen Sicherheitsorgane in Deutschland die Bildung ihrer "Spezialkontingente" in den "Speziallagern". Es hieß nicht Häftling, sondern "Spezialkontingent"; es war kein Konzentrationslager, Arbeitslager o. ä. sondern ein "Speziallager"; Verstorbene wurden als "gestorbenes Spezialkontingent", Entlassene als "befreites Spezialkontingent" bezeichnet.
Das Hauptaugenmerk dieses Beitrages liegt vor allem auf den Speziallagern Torgau, Mühlberg und Buchenwald, da hier die meisten Personen aus dem Kreis Delitzsch interniert waren. Mit der Auflösung der Speziallager 1950 war die Bestrafung und das Leiden vieler deutscher aber Bürger keineswegs beendet. So wurden etwa 10 500 Häftlinge aus den Speziallagern nicht entlassen, sondern an das DDR-Innenministerium zur weiteren Bestrafung übergeben und davon wurden über 3 400 in Waldheim verurteilt. Von 1949 bis zum Jahre 1953 fällten Sowjetische Militärtribunale in Geheimprozessen zum Teil willkürliche Urteile und fällten etwa 1 000 Todesurteile gegen deutsche Staatsangehörige. Tausende wurden in sowjetische Straflager deportiert. Eine ausführliche Schilderung dieser Problematik würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Deshalb wird hier auch nur auf einige historische Fakten verwiesen, um die Komplexität und das Ausmaß dieser politisch motivierten "Strafjustiz" besser verstehen zu können.