Handschriftliche Chronik von 1816-1952
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Die Handschriftliche Chronik der Stadt Delitzsch besteht aus zwei Bänden und die Originale befinden sich im Museum des Barockschlosses Delitzsch. An dieser Stelle werden sie erstmalig und unverändert veröffentlicht.
Teil 1 von 1816 bis 1875
Das Delitzscher Stadt Wappen ist ein schwarzer Löwe auf goldenem Felde. Dieses Löwenfeld liegt auf einem goldenen Schilde mit zwei hellblauen Pfählen, welche beiden Pfähle diesem Schilde das Ansehen geben, als ob es aus fünf Streifen bestände, von denen der 1., 3. und 5. goldfarbig, der 2. und 4. aber hellblau sind. So ist das Stadt Wappen abgebildet auf der Fahne der Schützen Compagnie vom Jahre 1698, und auf dem Balkon des Rathauses. Es bestehet nämlich das Delitzscher Stadtwappen aus dem Markgräflich Landsbergschen und dem Markgräflich Meißenschen Wappen. Das Landsbergsche ist zwei blaue Pfähle im goldenen Felde, und das darauf gelegte Meißensche ist ein schwarzer aufgerichteter Löwe im goldenen Felde.
Del. 20.11.1839
Securius Bürgermeister
Der breite Thurm ist nach des seligen Actuarius Lehmanns mehrmals ausgesprochener Ansicht das älteste Bauwerk in der Stadt, und seine Erbauung fällt, da keine Urkunden hierüber vorhanden sind, nach schriftlichen Chroniken, mit der Gründung und Erweiterung der Stadtmauer im Jahre 1220 zusammen. Bis zum Jahre 1544 standen auf dem 1667 abgebrochenen Gewölbe unter des Thürmers Wohnung 12 einpfündige Kanonen, nach jeder Weltgegend drei Stück. –
Bemerkung
Der Verlust der Verbündeten in der Leipziger Schlacht beträgt nicht, wie es am Ende des beiliegenden Berichts heißt, 10.000 an Todten und Verwundeten, sondern 45.000, nämlich 8000 Oestreicher, 21.740 Russen, 14.950 Preußen, 300 Schweden.
S. Manso, Geschichte des Preußischen Staates, Frankfurt a. Main, 1820, III. S. 225
Vorwort
In mehreren gedruckten und geschriebenen Verordnungen der Königlichen Hochlöblichen Regierung in Merseburg, worüber die Acten: Chronik über die Stadt Delitzsch vom Jahre 1822, nähere Auskunft geben, ist den Stadt Behörden die Anlegung von Stadt Chroniken zur wesentlichen Pflicht gemacht worden. Der Actuarius Lehmann, ein hiesiger Eingeborener, hatte, durch viele Materialien dazu in den Stand gesetzt, übernommen, eine vollständige Chronik hiesiger Stadt zu schreiben, hatte nach fol 4 der erwähnten Acten sich erboten, die merkwürdigen Begebenheiten hiesigen Orts fortlaufend aufzuzeichnen. Der Umfang aber, den der Actuarius Lehmann seiner Chronik zu geben beabsichtigt, scheint die Vollendung derselben noch nicht so bald erwarten zu lassen, und über dem glaubt auch der unterzeichnete Magistrat, dadurch seiner Pflicht, selbst für die Anlegung einer Stadt Chronik zu sorgen, nicht überhoben zu seyn. Veranlaßt durch die neuerliche landräthliche Verfügung vom 17. Juli 1832 fol 20 der erwähnten Acten ist daher beschlossen worden, sofort eine Stadt Chronik anzulegen, deren Führung der mit unterzeichnete Bürgermeister übernommen hat. Die Chronik soll mit dem Jahre 1816 angehen, in welchem die monatlichen Zeitungs Berichte ihren Anfang genommen haben, und sollen die in den Zeitungsberichten von 1816 bis mit 1831 enthaltenen, zur Aufbewahrung für die Nachwelt geeigneten Nachrichten, in die Chronik übergetragen werden. In der ersten Session jeden Monats aber soll die Chronik dem Magistrats Collegio vorgelegt, und gemeinschaftlich berathen werden, was für den verflossenen Monat in die Chronik einzutragen ist.
Delitzsch am 30. Juli 1832
Der Magistrat
Securius. Meißner. Teuscher. Meyner.
1816
Monat Mai
wurde das Straßenpflaster in der Hintergasse, auch Saugasse genannt, aufgenommen und neu umgelegt. Späterhin, als im Jahre 1826 die neue Knabenschule in dieser Gasse gebaut wurde, erhielt dieselbe den Namen Schulgasse.
Im M Juli
wurde die steinerne Brücke vor dem Schlage am Galgthore abgetragen, und der Graben unter der Brücke aufgefüllt. Der Graben hatte schon lange kein Wasser mehr, und die Brücke war daher ganz überflüssig.
Am 13 November
verunglückte Abends nach 7 Uhr der Diaconus M. Theophilus August Mohring, 52 Jahre alt, ein Wittwer. Er hatte, um diese Zeit vom Gerberplan kommend, durch die Allee am Stadtgraben nach Hause gehen wollen, und war bei der sehr dicken Finsternis, und dem stürmischen Wetter, in den Stadtgraben gestürzt und ertrunken. Er hinterließ 2 erwachsene aber noch unmündige Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
1817
21 Februar
Es waren schon im vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen worden, um mit den 3 hiesigen Kornmärkten Viehmärkte zu verbinden. Der erste Viehmarkt wurde mit dem Fasten Markte am 21 Februar gehalten, und war sehr besucht.
Im M April
Die Auffüllung des Schäfergrabens, welcher sich von den Scheunen am Gerberplan gegenüber hinzog, wurde in diesem Jahre beendiget, dadurch aber ein hübsches Stück Land gewonnen, und mit Kirschbäumen bepflanzt. Erhielt die Stadt den Stamm des 1sten Battaillons 32 Landwehrregiments zur Garnison. In denselben Monate wurden die Überbleibsel der der Commune gehörigen alten Ziegelscheune meistbietend verkauft, da es nicht rathsam schien, die Ziegelbrennerei wieder einzurichten. Auch wurde mit dem Planieren der aus Berg und Thal bestehenden Trifft vor dem Viehthore der Anfang gemacht; desgleichen auch Einleitungen zu dem Verkaufe der Zwingergärten außerhalb der Stadtmauern, welche bisher von dem Rathspersonale, und dem Stadtschreiber und Commune Einnehmer, in 8 Abtheilungen, als Dienstgärten benutzt worden waren, getroffen.
Auch wurde eine eigene Commission niedergesetzt, um das Stadt Kriegsschuldenwesen zu regulieren.
Am 27 Juli
bei dem Sonntags Schießen der hiesigen Schützengesellschaft wurden durch die Unvorsichtigkeit des Riemergesellen Haase, eines hiesigen Bürgers Sohnes, dessen Gewehre im Schießstande zu zeitig los ging, zwei Dienstmädchen, das der Kaufmanns Wittwe Behling Johanne Marie Flammigerin von Delitzsch gebürtig, und das des Bäckermeisters Fischer, Christiane Sophie verehelichte Kratzschin aus Mühlau im Erzgebirge, in die Füße verwundet. Beide wurden wieder geheilt.
Am 7 August
hatte der Tagelöhner Kunze ein gewesener Soldat und geschickter Arbeiter das Unglück, beim Richten eines Gebäudes, in einen neu gegrabenen Keller zu stürzen, und beide Arme zu brechen. Im August Monat wurde an die Stelle des verstorbenen Bau Verwalters Preusser der Kürschner Wendt als solcher angestellt.
Am 21 Septbr
reißten Seine Majestät unser Allergnädigster König Friedrich Wilhelm III. hierdurch über Düben nach Berlin.
Am 28 Septembr
hielt der an des verunglückten Mohring Stelle gekommene M. Johann Ernst Volbeding aus Prettin, welcher bisher an der Peterskirche in Leipzig angestellt war, als Diaconus seine Antrittspredigt.
Am 26 Septbr
wurden die Zwingergärten außerhalb der Stadtmauern im öffentlichen Meistgebote für 366 Thaler verkauft.
Im M November
verunglückte der Sohn des hiesigen Bürgers und Beutlermeisters Schneider im Stadtgraben, und wurde erst nach 12 Tagen wieder aufgefunden.
d. 31 October
Am Reformations Jubelfeste wurden Altar und Kanzel in der hiesigen Stadtkirche mit einer neuen Bekleidung von grünem Sammet und goldenen Franzen, wozu der Kosten Aufwand durch freiwillige Beiträge aufgebracht worden war, beschenkt. Das Fest ist zwey Tage mit Früh- und Nachmittags Gottesdienst feierlich begangen worden.
1818
Am 11 März
Abends nach 7 Uhr brach Feuer aus in einem dem Fleischermeister Richter und dem Tuchhändler Kühne, jedem zur Hälfte, gehörigen Stalle. Das Feuer wurde bald gelöscht, und der Schaden war nicht bedeutend.
6 April
Am 9ten Dezbr 1817 war der Commandeur des 32. Landwehr Regiments Oberst Graf von Schönburg, hier in Garnison stehend gestorben, und am 6ten April 1818 traf dessen Nachfolger Major von Rathenow hier ein.
Im M August
wurde unter Leitung des Consistorialraths Neander aus Merseburg die Vereinigung der Gottesacker Prediger Stelle mit der des 2ten Diaconus bewirkt; auch wurde das Beichtgeld abgeschafft, und statt desselben als Entschädigung bewilligt, dem 1ten Diaconus 275 Thaler und dem 2ten Diaconus 175 Thaler jährlich. Dieser jährliche Bedarf soll durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden. In demselben Monate wurde auch die Tabaks Fabrik Frosch und Limburger, in dem Eckhause der Vieh- und Todtengasse, in der Vorstadt, etablirt.
Am 23 Septbr
reißten Seine Maj. unser Allergnädigster König, Friedrich Wilhelm III von Berlin kommend hierdurch nach Aachen.
Im November
wurde der an dem Wege nach Beerendorf zu befindliche der Stadt gehörige Galgen mit höherer Genehmigung abgetragen, und aus den Materialien im öffentlichen Verkaufe die Summe von 35 Thaler 9 Silbergroschen gelößt.
1819
Am 14 Februar
wurde auf Freibergs Saale in der Adler Apotheke am Markte ein Maskenball gehalten, welcher der Armenkasse 34 Thaler 20 Silbergroschen einbrachte.
Am 1 April
trat bei Verwaltung des Stadt Regiments eine neue Ordnung der Dinge ein. Justiz und Polizei Verwaltung wurden getrennt, jedoch das Vorsteher Amt von beiden Verwaltungszweigen in einer Person, in der des Bürgermeisters Schulze, bisherigen Stadtrichters, vereinigt. Die beiden vorherigen Bürgermeister Großschopf und D. Ideler wurden jener mit 100 Thalern, dieser mit 60 Thalern jährlich pensioniert Der letztere verzichtete vom 1ten Januar 1830 darauf, wodurch die Commune bis zu seinem Tode (1842) 755 Thaler gewann.
Am 28 April
stürzte sich die Ehefrau des armen Handarbeiters Schladitz in der Grünstraße aus Melancholie in den Brunnen ihres Hauswirthes Lochner und ertrank.
Im M. Mai
wurde eine zweite Tabaks Fabrik von dem Kaufmann Horn aus Leipzig in der Ritterstraße hier etabliert und der Kaufmann Helm aus Merseburg als Factor selbiger vorgesetzt. Zu Johannis ging der Organist Friessner nach Glauchau. An seine Stelle trat der Organist Risse aus Dresden.
11 September:
Die beiden Thurmspitzen von hiesiger Stadtkirche waren seit langer Zeit baufällig. Es war daher jetzt eine Hauptreparatur derselben durch den Schieferdecker Umbach aus Leipzig bewirkt worden. Am 11ten Septbr hat derselbe auf beide Spitzen der alten Knöpfe und neue Fahnen aufgesetzt. In dem Knopfe des südlichen Thurmes ist mit Beilegung einiger Münzen ein schriftlicher Aufsatz der Geschichte des Tages in eine blecherne und hölzerne Kapsel gethan, und den Lüften anvertraut worden.
Am 21 Novembr
Abends nach 7 Uhr entstand in dem Rathsdorfe Gertitz Feuer, wodurch 6 Gehöfte fast ganz in Asche gelegt wurden. Der Schaden an Gebäuden nach der Versicherung in der Brandkasse betrug 3849 Thaler, der an Mobilien nach einem ungefähren Überschlage 2370 Thaler.
1820
Am 8ten Februar wurde im Lober am Kohlthore der Tuchscherer Geselle Johann Gottfried Schröter 55 Jahre alt ertrunken aufgefunden.
Am 4 April
brannten in dem Rathsdorfe Werben 6 Scheunen und 4 Ställe sämmtlich mit Stroh gedeckt ab. Nahe stehende mit Ziegeln gedeckte Gebäude blieben vom Feuer verschont.
Am 10 Mai
Nachmittags zog südwestlich ein Gewitter auf, welches zwischen 3 und 4 Uhr unsren Scheitelpunct erreichte. Unter starkem Regenguß und Wind entluden sich die Wetterwolken durch einige Blitze mit schwachem Donner begleitet. Es regnete nicht mehr, und man glaubte das Gewitter sey ganz vorüber, als ein heftiger Donnerschlag die Stadt erschreckte. Es hatte in die nördliche Thurmspitze der Stadtkirche eingeschlagen. Von da war der Blitz auf dem Forste des Kirchdaches hingefahren, und hatte auf dem Dache über dem Altare ein Dohlennest angezündet, woran Sparren und Brett hinter welchen es gebaut war, angebrannt waren. Ein Feuereimer Wasser reichte zu, das Feuer zu löschen. Bey dieser Gelegenheit zeichnete sich der Maurermeister Rose durch Muth und Thätigkeit aus. Der Blitz war bis in die Kirche gedrungen, und hatte dem Altare einigen unbedeutenden Schaden zugefügt.
August
Die Gottesackerkirche ward mit einem Aufwand von 170 Thalern ganz ausgeweißet.
December
An die Stelle des wegen Unzucht durch Ministerialrescript vom 24. August abgesetzten Mädchenlehrers an hiesiger Stadtschule Staufenau, wurde im Monat December der bisherige Mädchenlehrer zu Dommitzsch Wilhelm Zieger angestellt.
1821
Zu Anfange des Jahres wurde der Rector an der hiesigen Stadtschule, Eschenbach zum Pfarrer nach Balgstädt berufen. An dessen Stelle wurde der bisherige Cantor Ahner als Rector angestellt. An die Stelle des verstorbenen 3. Schulkollegen Schott wurde der bisherige Quartus Hartmann und an dessen Stelle der Schullehrer Lorenz aus Cosdorf angestellt; und als auch der pp. Hartmann noch vor seiner Confirmation mit Tode abgegangen war, rückte sofort der pp. Lorenz an dessen Stelle als Tertius ein. An des nach Dresden abgegangenen Organisten Risse Stelle trat der Organist Zieger aus Scheibenberg.
Am 12 März
starb der Rathsassessor Christoph Gottlob Weidenhammer, 63 Jahre alt. Er war zugleich Stadt Steuer Einnehmer. Sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm Weidenhammer folgte ihm in diesen Posten und wurde am Mai 1821 verpflichtet.
Am 3 Mai
Abends gegen 7 Uhr schlug der Blitz in die mit Stroh gedeckte Scheune des Windmüllers Huske. Sie brannte ganz ab. Bei der überflüssig vorhandenen Hülfe wurde aber weiterer Schaden verhütet.
Mai
Die Strohscheune dem hiesigen Commungute gegenüber, vormals dem Bürger Rohr gehörig, welche vor mehreren Jahren von der Commune gekauft worden war, war so baufällig geworden, daß sie abgetragen, und neu gebaut werden mußte. Es wurde damit der Anfang im Monat Mai gemacht, und von dem noch brauchbaren alten Holze wurde eine kleine Scheune bei dem Forsthause für den Förster gebaut.
Im M Juli
wurde das durch Ahners Aufrücken zum Rector erledigte Cantorat an hiesiger Stadtschule dem bisherigen Cantor in Weida Carl August Christian Golz übertragen. Derselbe vom Thomascantor Schiching empfohlen war ein trefflicher Sänger.
Michael
Da für einige Arme der Hauszins aus der Armenkasse bestritten werden mußte, und für manche gar kein Unterkommen zu finden war, so wurde schon im vorigen Jahre der Anfang gemacht, das Siech- und Armenhaus am Galgthore zu erweitern, und zu übersetzen. Zu Michael 1821 wurde dieser Bau beendiget, und dadurch das Haus zur Aufnahme mehrerer Armen..............geschickt gemacht.
November
Um die Unglücksfälle zu verhüten welche bisher durch Hinabstürzen in den Stadtgraben zum öfteren statt gefunden hatten, wurden vom kleinen Schutze bis zum breiten Thore und von da bis zur Pforte hölzerne Barrieren an dem Graben entlang gezogen.
1822
Im Februar wurde die hölzerne Brücke vor dem Kohlthore neu gebaut, der Bau der Communscheune ( vormals die Rohrsche Scheune), welcher im vorigen Jahre in dem Monate Mai begonnen hatte, wurde in dem Monate August dieses Jahres beendiget.
Am 16 Mai
starb der bisherige Kirchenvorsteher und Gerichtsdirector Johann Friedrich Parreidt, 58 Jahre alt, und wurde das Kirchenvorsteher Amt dem Stadt Secretär Friedrich August Meißner übertragen.
Unter Leitung des Cantors Golz wurde gegen das Ende dieses Jahres ein Gesang Verein unter dem Namen Cantorei gestiftet, dessen Mitglieder sich in active und Ehren Mitglieder theilten. Der Verein wurde von der Königl. Hochlöblichen Regierung zu Merseburg genehmigt, und aus der Hospital-, der Kirchen- und Armenkasse aus jeder mit 5 Thaler jährlich unterstützt. Die Leistungen waren sehr gut, Golz ein tüchtiger Dirigent.
1823
Im Februar ersäufte sich der Capitain d’armes Nagora vom hiesigen Landwehrstamme an der Schaafsbrücke im Lober, aus Furcht vor der Strafe, wegen einiger von der Montirungskammer verkaufter Mäntel. Sein Leichnam wurde gerichtlich aufgehoben, und an die Anatomie nach Halle abgeliefert.
Am 1ten
Fastenjahrmarktstage stürzte ein Stück von dem einen Bogen der Brücke vor dem breiten Thore ein. Die Brücke mußte gesperrt und die Passage einstweilen durch die Pforte gewiesen werden. Der vergangene Winter war sehr hart gewesen, fast alle Nußbäume in und bei der Stadt und viele andere edlen Obstbäume waren erfroren. Der Bau der durch theilweisen Einsturz schadhaft gewordenen Brücke wurde lebhaft betrieben. Man kam mit Genehmigung der vorgesetzten königlichen Regierung zu Merseburg dahin überein, daß die ganze Brücke abgetragen und neu aufgebaut werden sollte. Jedoch sollte die neue Brücke gerade ausgeführt werden, und nur einen Bogen erhalten, dahingegen die alte Brücke krumm ging und zwei Bogen hatte. Die neue Brücke wurde auf einem Pfahlrost gebaut, und das auf der alten Brücke befindlich gewesene Brückhaus, sowie das Thorhaus neben dem breiten Thurme wurde abgetragen. Um den Pfahlrost zu schlagen, mußte der Stadtgraben abgelassen werden, wofür der Stadtmüller täglich 3 Thaler und dessen Knappen 10 Silbergroschen Entschädigung erhielten. In dem Monate Mai war der Brückenbau beendiget.
Am 19 Juni
ersäufte sich die Ehefrau des hiesigen Schuhmachermeisters Ziegler im Stadtgraben. Im Sommer dieses Jahres wurde von den Zimmergesellen Hofmann eine neue Windmühle auf Weißigkens Mark erbauet.
1824
Im Januar wurde die in der hiesigen Adler Apotheke errichte Freimaurer Loge Victor zum goldenen Hammer Meister vom Stuhl General Lieutnant Graf Henckel von Donnersmark auf Tiefensee, eingeweihet.
August
Das Thorhaus am halleschen Thurme hatte früher zum Arrest Local für ungehorsame Bürger gedient. Nachdem der Bürger Gehorsam ins Rathhaus verlegt worden war, kam das Thorhaus in Verfall und war zuletzt nur noch als Holzboden für den Thürmer benutzt worden. Mehrere daran nöthig gewordene Reparaturen veranlaßten dessen völlige Abtragung im Monat August, um den Reparatur Aufwand an einem sehr entbehrlichen Gebäude zu vermeiden.
Im M September
wurde das ehemalige Amtsthorschreiberhaus am Halleschen Thor von dem Fiscus der hiesigen Commune für den Preis von 150 Thalern käuflich überlassen.
Am Martini
Jahrmarkte wurde eine neue Buden Ordnung eingeführt, durch welche sowohl die Aufstellung von weit mehreren Buden als vorher erreicht wurde, als auch die Verkäufer gleicher Gattung zur Erleichterung der Auswahl der Käufer zusammen gestellt wurden.
1825
Im Februar
ging der Capitain und Adjut. Bode mit Hinterlassung eines Defeckts von 1000 Thalern in der Landwehr Bataillons Kasse plötzlich fort, angeblich nach Brasilien.
Am 1 Osterfeiertage
wurde durch unberufene Hände zum Nachmittags Gottesdienste eingeläutet, und die Folge davon war, daß die zweite Kirchen Glocke, auf der Mitternachtsseite des Thurmes, aus ihren Pfannen herausging, an dem Glockenstuhle herunter rutschte, und glücklicher Weise auf dem Boden, den sie bei ihrer Last wohl auch hätte durchschlagen können, liegen blieb. Der Schaden, den dieser Sturz verursacht hatte, war nicht bedeutend, und wurde bald wieder hergestellt.
Im M Juli
wurde der bisherige Revierjäger Pabst aus Dölitz bei Leipzig an die Stelle des nach Tiefensee abgegangenen Försters Becker als Communförster angestellt.
Jubelfeste
Die Schützen Compagnie feierte das Jubelfest ihres Hauptmanns des Seilermeister Rahn und ihres Zielers des Lohgerbermeisters Fiedler am 18ten Juni 1825. – durch ein außergewöhnliches Schießen und Freudenmahl auf dem Schießhause. – Beide waren 50 Jahre Schützen
Ein seltenes Kirchen Jubelfest feierte am 10ten Juli der Pastor Theodor Wilhelm Lorenz aus Ostrau in hiesiger Stadtkirche. Der 80jährige Greis hatte 50 Jahre lang, ununterbrochen im Kriege wie im Frieden, jährlich seine Circular Predigt in Delitzsch gehalten. Er hielt heute an seinem 80ten Geburtstag die 50te Circular Predigt. Sacristei und Kanzel waren mit Guirlanden von Eichenlaub Immergrün und Rosen geschmückt, und die Kirche war voll gerührter Zuhörer.
Am 13 Mai Legate
starb die verwittwete Kaufmann Hartmann. In ihrem Testamente hatte sie zu Gunsten hiesiger Stadt drei Legate ausgesetzt, a) 500 Thaler, wovon die Zinsen zur Unterstützung eines künftig anzustellenden zweiten Mädchenlehrers verwendet werden sollen, b) 250 Thaler zu einer Feuerspritze in der Vorstadt und c) 250 Thaler zu einer Glocke auf den Thurm der Gottesacker Kirche.
Im M August
wurde der gewesene Commun Einnehmer Nagel auf dem Rathhause, wo er in Geschäften anwesend war, vom Schlage getroffen, und starb daselbst kurz darauf am Stickflusse.
Auch wurde in diesem Jahre der Anfang gemacht, dem Gottesacker eine freundlichere Gestalt zu geben.
Am 9 November
erhing sich der Schleifergeselle Paul Etternich aus Böhmen in der Wohnung seines Meisters des Schleifer Richter.
Rathskeller Garküche und Salzschank sind auf 3 Jahre jährlich für 13 Thaler verpachtet worden.
Im December
hatte der Sturm die Fahne auf dem breiten Thurm zerbrochen. Während des ganzen verflossenen Jahres hatte man Vorbereitungen zur Erbauung einer neuen Knabenschule getroffen.
1826
Am 23 Januar
starb plötzlich der Raths Assessor Ehrenberg mit Hinterlassung eines Defeckts von mehreren tausend Thalern in der Hospitalkasse. 6000 erhielt das Hospital zurück, 7000 Thaler verlor dasselbe.
Am 29ten Januar
starb im 70ten Lebensjahre die Wittwe des hiesigen Justizamtsmannes Wendler, Sophie Concordie, geb. Saettler, und legirte in ihrem Testamente 100 Thaler zur Verbesserung der Stelle des Lehrers an der Vorstadtschule, 100 Thaler zur Verbesserung der Stelle des Katechismuspredigers, 300 Thaler für die Wittwe und Kinder desselben, und 500 Thaler für die Armen der Amtsvorstadt Grünstraße. Von letzterem Legate werden die Zinsen am heiligen Weihnachtsabend Nachmittags in der Gottesacker Kirche jedesmal an 12 Arme vertheilt, wobei der Katechismusprediger an dieselben vorher eine Ansprache richtet. (Dr. I.)
Am 23. Februar
stürzte in dem Hause des Schuhmacher Pflock in der Holzgasse Nr. 54, in der von dem Tagelöhner Ulrich bewohnten Stube ein Theil der Decke herunter, und wurde dabei von den darin befindlichen Bewohnern nur das jüngste Kind, 8 Tage alt, durch einige Quetschungen am Kopfe beschädiget
.
8 März
Durch den Tod des Assessors Ehrenberg war eine Vervollständigung des Rathspersonals nöthig geworden und wurde solche durch die Anstellung von 3 Assessoren, Friedrich August Meißner, Dr. Medic. Albert Gerber und Justitiar Adolph Hildebrandt, sämmtlich Delitzscher Eingeborne, bewürkt. Sie wurden am 8 März und zugleich mit ihnen der Steuer Einnehmer Weidenhammer als Commun Einnehmer und der RathsExpedient Johann Gottlob Richter als Raths Registrator verpflichtet. Auch wurde in demselben Monate das zur Knabenschule angekaufte Schumannsche Haus abgetragen, und mit Grundlegung des neuen Schulgebäudes der Anfang gemacht.
April
Nach dem Tode des Armen Voigts Bude wurde dessen Function dem 2ten Polizeidiener Heyme mit übertragen.
Im August
wurde die neue Knabenschule in Gegenwart des Stadtraths und der Communrepräsentanten gerichtet.
Am 2 October
stürzte sich der Steuer Aufseher Rohr vom Haupt Zollamt zu Gordemitz in den Gasthof zum weißen Rosse 2 Treppen hoch zum Fenster herab, und erhielt mehrere bedeutende Verletzungen.
Am 18 Octbr.
erschoß sich der Thorwärter auf hiesigem königlichen Schlosse namens Winter, 73 Jahre alt, im Lehnstuhle sitzend, mit der Flinte. Der Schuß, von Schrot, war durch den Mund bis zu dem Wirbel des Kopfes gedrungen.
Am 25. Octbr.
hat sich der Leineweber Schulze, Hausbesitzer auf dem Steinwege. 50 Jahre alt, in seiner Schlafkammer erhangen. Sein Leichnam wurde noch an demselben Tage an die Anatomie nach Halle abgeliefert.
Der Fleischhauermeister Braune erhielt für seine 7 am Leben befindlichen Söhne ein Königliches Pathengeschenk von 100 Thalern.
Im November
kam die neue Schlauchspritze aus der Fabrik von Zeitheim in Naumburg hier an und kostete 365 Thaler.
December
Zum Bau des neuen Schulhauses waren bis zum December 1826 schon 5400 Thaler als Darlehn für Rechnung der Stadt aufgenommen worden.
1827
Am 5ten Januar
wurde der verarmte Bäckermeister Müller von Delitzsch, in der Gegend von Hohenroda erfroren aufgefunden. Er war als Bote nach Eilenburg geschickt worden, und auf dem Rückwege von dort nach hier begriffen gewesen. Die Kälte stieg an einigen Tagen dieses harten Winters früh um 7 Uhr bis auf –22 Reaum.
Ein aus Wurzen gebürtiger Lehrling des hiesigen Buchdruckers Meyner erhing sich am 6ten Januar, in einem Anfalle von Melancholie auf dem Boden seines Lehrherrn.
Am 4. April
trat ein Frauen- und Jungfrauen Verein in hiesiger Stadt zu dem Zwecke zusammen, arme tugendhafte Mädchen bei der ersten Feyer des Abendmahls zu bekleiden oder mit Geschenken zu erfreuen. Der Verein zählt bei seinem Entstehen 70 Mitglieder, und sein erstes Wirken zu Ostern 1827 war die Bekleidung von zwei armen Mädchen, und die Niederlegung eines Kapitals von 50 Thalern.
Am 9 April
wurde an die Stelle des am 16ten Januar gestorbenen Essenkehrers Sturm der Essenkehrermeister Leonhardt in Pflicht genommen.
Am 31 Mai
wurde der Copist Schulze als Gemeinde Schulze in der Grünstraße verpflichtet.
Am 2 Juli
wurde die neue Knaben Schule feierlich eingeweihet. Die beiden Lehrer welche in solcher Wohnung erhielten – der Rector Ahner oben, der Cantor Golz unten – waren schon mehrere Tage vorher eingezogen. Desgleichen wurde am 2ten Juli das Schützen Jubiläum des 50 Jahre gedienten Schützen Peter Heinze gefeiert.
August
Der Senator Schmidt, dem, an des verstorbenen Ehrenberg Stelle, das Amt als Hospital Vorsteher mit einem Gehalt von 100 Thaler übertragen worden war, wurde im Monat August als solcher von Hochlöblicher Regierung zu Merseburg bestätigt.
Im M September
wurde der Chirurg Hoppe an die Stelle des verstorbenen Zimmermann als Stadt und Hospital Wundarzt angestellt.
Zur besseren Beaufsichtigung und Hebung des Communal Schulwesens wurde auf Anordnung der K. Hochlöbl. Regierung zu Merseburg ein Schulvorstand gebildet, und am 19ten October außer einem Magistratsdeputierten und den beiden Diaconen 7 hiesige Bürger zu Mitgliedern desselben gewählt. Auch wurde der Expedient Eduard Weidenhammer als Schulgeld Einnehmer angenommen.
Im November
wurde auf Anordnung der Regierung zu Merseburg ein herabgesetzter Pflaster Gleits Tarif in hiesiger Stadt eingeführt.
1828
17 März
Am 3ten März früh 7 Uhr entleibte sich der Stadt Wundarzt Hoppe durch 2 Schnitte in die Schlag und Blutadern des Halses an der rechten Seite. Eine Stunde nach dieser That gab er seinen Geist auf. An seine Stelle wurde am 17ten März der Wundarzt Große verpflichtet.
Die in hiesiger Ephorie noch üblich gewesenen Circular Predigten wurden auf Anordnung der Regierung zu Merseburg eingestellt, und die letzte CircularPredigt wurde Freitags am 18ten April von dem Pastor M. Caspari zu Zschortau gehalten.
Am 2 Juni
fand in der hiesigen Stadt Knaben Schule die Einführung des neuen Lehr und Stundenplanes statt. Es war solcher von dem Archidiaconus M. Morgenstern gefertigt und von Hochlöblicher Regierung zu Merseburg genehmiget worden. Durch diesen neuen Schulplan wurde die hiesige bisherige sogenannte lateinische Schule in eine reine Bürger Schule umgewandelt.
Am 18 Juni
Abends 9 Uhr traf der Leichenzug des Höchstseeligen Großherzogs von Weimar Carl August ,welcher in Graditz bei Torgau plötzlich vom Schlage getroffen worden war, von Eilenburg hier ein. Der Sarg wurde von den hiesigen Behörden empfangen, und unter dem Geläute aller Glocken in der großen Vorhalle unserer Stadtkirche, welche dazu schön decoriert war und dafür 100 Thaler erhielt, während der Nacht beigesetzt. Am anderen Morgen 5 Uhr trat der Zug in derselben Ordnung und derselben Begleitung ebenfalls unter dem Geläute aller Glocken und der Parade des hiesigen Landwehr Bataillons die Reise von hier nach Merseburg an. Der Leichenzug wurde bei dem Durchgange durch das preußische Gebiet von den Generalen von Jagow von Natzmer von Krusemark Excell. von den Ober Ceremonienmeister Kammerherrn von Buch und deren Gefolge, und einer Escadron Husaren begleitet.
Juli
Die durch den Abgang des Organisten Zieger nach Hamburg erledigte Organisten und 4te Lehrer Stelle wurde dem Schullehrer Grellmann aus Dürrenberg übertragen. Am 1ten September wurde derselbe feierlich eingewiesen.
1829
Zur Unterstützung unserer Armen bei dem sehr strengen Winter wurde im Monat Januar an 3 verschiedenen Tagen zusammen für 58 Thaler 18 Silbergroschen 9 Pfennige Holz gekauft und unter die Armen verteilt. Der Pachter des Commungutes Einwald verteilte aus eigenem Antriebe gegen 30 Scheffel Kartoffeln an die Armen und außerdem wurden noch bedeutende Unterstützungen dieser Art von den Rittergütern Storkwitz und Schenkenberg, so wie von der Gemeinde Beerendorf und mehreren anderen Orten auch baares Geld eingeliefert.
Februar
Auf höhere Anordnung wurde die bisher üblich gewesene Thorsperre während des Sonntags Gottesdienstes eingestellt.
Vom 14 März
ab wurde eine Arbeits Anstalt für die hiesigen Armen errichtet, und zur Begründung derselben die Summe von 100 Thalern aus dem Hospitale entnommen.
Am 15 Juli
schlug der Blitz in den breiten Thurm richtete einige Beschädigungen auf demselben an, und war ohne der Familie des Thürmers Schaden zugefügt zu haben, an dem Klingeldrathe herabgefahren, welcher letztere zum Theil geschmolzen war.
26 August
In der Nacht vom 26ten zum 27ten August halb 12 Uhr erschallte Feuergeschrei. Es brannten in der Nähe des Viehthores 3 mit Stroh gedeckte Scheunen des Seilermeisters Rahn des Kaufmanns Meißner sen. und des verwittweten Bürgermeisters Schulze; in diesen Scheunen befanden sich gegen 800 Schock Getreide. Das Feuer war wahrscheinlich angelegt. Es war alle Anstrengung nöthig, um die neben den brennenden Scheunen stehende Communscheune mit Ziegeldach zu schützen daß sie nicht auch vom Feuer ergriffen wurde, und war dieses hauptsächlich der Entschlossenheit des Maurergesellen Spange zu danken, welcher dafür auch späterhin von der Regierung zu Merseburg eine Prämie von 10 Thalern erhielt.
September
Die von dem dazu bestimmt gewesenen Legate der Wittwe Hartmann angeschaffte Glocke auf dem Gottes Acker Kirchthurme wurde am 9ten September nachmittags 3 Uhr auf den neu ausgebauten Thurm aufgezogen und am 27ten September feierlich eingeweihet. Dieselbe ist von dem Glockengießer Zeitheim in Naumburg gegossen, und wiegt vier Zentner.
Am 3 October
Des Morgens war in dem Hause des Kaufmanns Senf in der Vorstadt, in dessen Schlafkammer ein Fensterrahmen, ein Theil des Bettes und eines Stuhles verbrannt, und dadurch Feuerlärm in der Nachbarschaft entstanden. Es ließ sich nicht ermitteln, ob dieses Feuer durch Unvorsichtigkeit seitens der Bewohner des Hauses, oder von der Hand eines boshaften Menschen verursacht worden war. Das Feuer selbst wurde gleich im Entstehen unterdrückt.
4 October
In der Nacht vom 4ten zum 5ten October wurde die Stadt abermals durch Feuergeschrei erschreckt. Es brannte ein in der Nähe der letzten Brandstellen befindlicher kleiner mit Stroh gedeckter Schuppen. Sehr wahrscheinlich war das Feuer angelegt, und mit dieser Brandstiftung die boshafte Absicht noch größeres Feuer Unglück zu verbreiten verbunden. Denn ganz in der Nähe dieses Schuppens standen noch einige ansehnliche Gebäude mit Strohdächern. Durch schnelle Hülfe und bei der gänzlichen Windstille wurde aber das Feuer ohne daß es sich weiter verbreitete bald gelöscht. Es verdient bemerkt zu werden, daß 1 ½ Stunde vorher ein Feuer in Kietzendorf bei Brehna aufgegangen, und dafür eine Feuerspritze und sonstige Hülfe von Delitzsch abgeschickt worden war. Die Brandstifter die man auch dort vermuthete scheinen daher mit den hiesigen in Verbindung gestanden zu haben. Zur Beruhigung der Bürger wurden nun nächtliche Feuerwachen, die von den Bürgern der Reihe nach verrichtet werden mußten, angeordnet. Vier Mann mußten vor Mitternacht von 7 bis 12 Uhr und eben so viele nach Mitternacht von 12 bis 5 Uhr entweder selbst oder durch Stellvertreter an den Theilen der Stadt wo sich Strohdächer befanden patroullieren.
Am 23 Novbr
Abends 6 ½ Uhr, also gerade eine halbe Stunde vor Antritt der Feuerwache, wurde durch glücklichen Zufall die Entstehung eines neuen Feuers verhütet. Ein Bösewicht hatte ein Bund alte Lumpen um Schwefel Schwamm und andere leicht brennende Sachen gewickelt, und solches wahrscheinlich glimmend an der Ecke der Arndtschen mit Stroh gedeckten Scheune in die Strohbedachung hinein geschoben. Eine Frau aus der Nachbarschaft will bei Arndts zum Spinnen gehen. Sie muß weil die Hausthür verriegelt ist, vor der Thür warten, und während dessen bemerkt sie das glimmende Feuer auf dem Scheundache. Sie macht Lärm, und es wird sofort jedem weiteren Unglücke vorgebeugt. Bei dem heftig wehenden Ostwinde würde der Ausbruch des Feuers großes Unglück über unsere Stadt gebracht haben.
Am 30 Novembr
Mittags 11 ½ Uhr ging der Schaafstall im hiesigen Commungute plötzlich in Feuer auf. Außer den Vorräthen von Heu und Stroh auf dem Boden des Stalles verbrannten gegen 300 Hammel. Es läßt sich nicht anders glauben, als daß das Feuer angelegt worden sey.
December
Der Schuhmachermeister Werdermann hatte in der Trunkenheit verdächtige Reden fallen lassen, und wurde deshalb bald darauf von dem Inquisitoriate zu Eilenburg arretirt und zur Untersuchung gezogen. Auf Grund seiner Aussagen sind ferner gefänglich eingezogen worden der Schankwirth Lehmann, der Horndreher Behm, der Herbergswirth Huber, die Handarbeiter Rühl, Werner und deren Ehefrauen, der Zimmergeselle Holzweißig und der Musicus Bock.
Am 11 December
Nachmittags wurde auf der von dem Postmeister von Bünau veranstalteten Treibejagd in der Nähe des Dorfes Gertitz der Second. Lieutenant von Mauterode vom 20 Inf. Reg. in Torgau von seinem Freunde dem Hauptmann von Griesheim beim Aufsteigen auf den Wagen durch Unvorsichtigkeit erschossen, mit einem Percussions Gewehre, von dem das Zündhütchen nicht abgenommen war. Die ganze Ladung des Gewehres war durch den Kopf gegangen und augenblicklicher Tod erfolgt. Am 14ten Abends fand die Beerdigung des Erschossenen unter Begleitung der hier anwesenden Militärs Geistlichkeit und der Civil Behörden statt. Der Sarg wurde durch die Gefreiten des Landwehrstammes aus der Halle vor der großen Kirchthüre auf den Gottes Acker getragen, und die Schützengilde ging dem Sarge voran.
1830
Im Januar hörten die im October angeordnet gewesenen Feuerwachen wieder auf, weil der Criminaldirector Fromm versichert hatte, die Brandstifter entdeckt zu haben.
Ein Falschmünzer, der Maurergeselle Sänger, welcher bleierne Viergroschenstücke gemacht hatte, wurde nebst Frau und Schwester arretirt, und an das Inquisitoriat zu Eilenburg abgeliefert; erhielt 4 Jahre Zuchthaus.
Am 18 Januar
wurde das hiesige Commungut an den Pachter Küster von Wölkau auf 6 Jahre für 1800 Thaler jährlich verpachtet.
Am 2 Februar
dem Tage Mariä Reinigung wurde das 100jährige Jubelfest der Marien und Gottes Acker Kirche durch Gottesdienst in derselben gefeiert. Es war die Feier ihrer vor 100 Jahren, nach ihrer völligen Herstellung, an demselben Tage statt gefundenen Einweihung. – Im Mai erhielt die Stadtkirche von Seiner Majestät dem König zwey große gußeiserne Altarleuchter, 25 Thaler werth, zum Geschenk.
Am 18 März
verunglückte in der Trunkenheit durch einen Fall von der Treppe in dem Großeschen Hause am Markt ein fremder Mann, namens Schröter aus Zörbig. Er wurde in polizeilichen Gewahrsam gebracht, und starb daselbst Tags darauf.
Im April
wurde sowohl der Wiederaufbau des abgebranntes Schaafstalles, auf dem Commungute, als eine Hauptreparatur an dem hiesigen Stadtkirchthurme begonnen. Zu dem letzteren Baue wurde zur Aufbringung der Kosten eine Anlage auf die Kirchfahrt gemacht, und solche in der Stadt nach dem Klassensteuerfuße aufgebracht.
Am 25 Juni
wurde das Jubelfest der Übergabe des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses auch am hiesigen Orte feierlich begangen. Am Abend vorher wurde das Fest, durch dreimaliges Läuten mit allen Glocken, eingeläutet. Zwischen dem Läuten wurden vom breiten Thurme Choräle geblasen. Der Altar die Chöre die Kanzel und die Eingänge zur Kirche wurden mit Blumen Gewinden geschmückt. Der Festtag selbst wurde Morgens um 4 Uhr durch Choralblasen mit Posaunen vom breiten Thurme herab begrüßt. Der Gottesdienst wurde von 7 bis 8 Uhr durch dreimaliges Läuten |:gewöhnlich wird nur zweimal geläuten:| eingeläuten, und beim 3ten Läuten um 8 Uhr zogen die auf dem Rathhause versammelten Geistlichen, der Stadtrath, die Commun Repräsentanten, der Schulvorstand und mehrere Behörden und Bürger der Stadt, so wie die gesamte Schuljugend des Ortes und der eingepfarrten Dörfer mit ihren Lehrern zur Kirche. Während dessen wurde vom Balkon des Rathhauses herab ein Choral geblasen. Sämmtliche Schulmädchen die den Zug beschlossen waren weiß gekleidet, und die Zahl der Schulkinder über 800. In der Kirche angelangt, nahmen die Knaben auf ihren Chören die Mädchen auf dem Plane der Kirche auf den für sie bereiteten Bänken Platz. Der Gottesdienst wurde in der vorgeschriebenen Art begangen, und beim Schlusse desselben das heilige Abendmahl nach dem Ritus der Union gefeiert, an welchem der Stadtrath die Commun Repräsentanten und der Schulvorstand Theil nahmen.
Den 26 Juni
Tags darauf wurde der Schuljugend, um ihrem Gedächtnisse das Fest noch besser einzuprägen, auf dem Schießplatze eine angemessene Lustbarkeit veranstaltet. Es wurde Kuchen unter sie verteilt, die Knaben hielten Vogelschießen und die Mädchen andere Spiele. Das schönste Wetter, so wie auch gestern, und stete Musik erheiterten alle Gemüther.
Am 3 Juli
erhängte sich der hiesige Nachtwächter und Bierschröter Krüger in seiner Dienstwohnung am breiten Thore.
1831
Am 6 Juli
fand unter dem Vorsitze des Landraths von Pfannenberg eine Versammlung des Stadtraths und der Communrepräsentanten auf dem Rathhause statt, zur Berathung über die Einführung der neuen Städte Ordnung vom 17ten März 1831.
23 August
Vorläufige Berathungen wegen Errichtung localer Sicherheits Maasregeln zur Verhütung der asiatischen Cholera wurden am 23ten August ...(?)...... gepflogen.
Juli
In der dritten Woche des Monats Juli stürzte der große messingene Kronleuchter in der Stadtkirche herab, und wurde durch diesen Fall bedeutend beschädigt. Es war das Seil an dem er gehangen, von Würmern benagt, zerrissen und dadurch der Fall verursacht.
25 September
In der Nacht vom 25 zum 26 Septbr entstand Feuerlärm im Orte, und brannte ein an die Scheune des Windmüllers Huske angebauter Schuppen ab. Das Feuer wurde durch schnelle Hülfe sogleich gelöscht.
Am 9 und 10ten
Oktober fand auf dem Rathhause nach einer vorhergegangenen darauf bezughabenden Predigt die Wahl der Stadtverordneten und deren Stellvertreter unter Leitung des Landraths von Pfannenberg statt. Es wurden 12 Stadtverordnete und 12 Stellvertreter gewählt. Erstere hatten dann unter sich den Apotheker Freiberg und Kaufmann Tiemann, jenen zum Vorsteher, diesen zum Protokollführer gewählt.
Am 7ten und 8ten
November während des Jahrmarkt wurde wegen der gefährlichen Annäherung der Cholera in den Stadtthoren eine Controlle zur Prüfung der Legitimationen der einpassirenden Fremden angeordnet.
Am 3ten December
wurde von den Stadtverordneten unter Leitung des Landraths von Pfannenberg der neue Magistrat gewählt. Ein Bürgermeister ein besoldeter Assessor und zwei unbesoldete Assessoren. Die Namen der am 9ten und 10ten October gewählten Stadtverordneten und Stellvertreter sind, und zwar a die der Stadtverordneten Apoth. Freyberg, Chirurg Rathmann, Kaufmann Tiemann, Gürtler Kretzschmar, Seifensieder Friedrich Held, Gürtler Auerbach, Schmied Haase, Zimmermeister Holzweißig sen., Gürtler Krause, Instrumentmacher Moritz, Seiler Täubner, Stadtmüller Tremmler . b die der Stellvertreter Goldarbeiter Söllner, Schneider Bier, der Müller Bretschneider, der Bäcker Donath, Lohgerber Elzner, Seifensieder Gelpke, Seifensieder Gottlieb Held, Zimmermeister Holzweißig jun. Böttcher Kuhne, Lohgerber Kunze, Lohgerber Sparwald, Bäcker Zweck.
Zu Ostern
dieses Jahres starb der Gerichtsdirector und Justizcommissarius Irmisch, ein sehr braver, rechtschaffener Mann.
1832
Am 1ten Januar
wurde der von den Stadtverordneten gewählte neue Magistrat bestehend aus 2 besoldeten a und b, und zwei unbesoldeten Mitgliedern c und d vor der zahlreich versammelten Bürgerschaft von dem Herrn Landrathe von Pfannenberg feierlich eingeführt. Die Namen der neuen Magistrats Mitglieder sind, a der Bürgermeister Johann Karl Securius, seit 1817 (Kreissecretär hier, aus Querfurt gebürtig), b der Magistrats Assessor Friedrich August Meißner vorher Raths Assessor aus Delitzsch gebürtig, c der Magistrats Assessor Heinrich Gottfried Teuscher Kaufmann und Acronom aus Delitzsch gebürtig, d Peter Louis Meyner, Buchdruckerherr aus Altenburg gebürtig. In Folge der errichteten Städte Ordnung vom 17ten März 1831 nahm das neue Collegium den Amtstitel Magistrat an. Bei seinem Eintreten fand der neue Magistrat eine Communalschuld von mehr als 20000 Thalern und eine Stadt Kriegsschuld von 7980 Thalern vor. Die aus früherer Zeit noch unberichtigten Anforderungen an die Commune betragen über 3000 Thaler, zu deren theilweisen Deckung in dem ersten halben Jahre 1800 Thaler neu aufgenommen werden mußten. In den ersten Tagen des neuen Jahres wurde eine Collecte zum Holz Ankaufe für die Armen gesammelt, welche 34 Thaler, 2 Silbergroschen, 6 dinarium einbrachte.
Am 13 Januar
wurde in der Spröde für 180 Thaler, 17 Silbergroschen Holz vom diesjährigen Holzschlage in öffentlicher Auction verkauft.
Februar
Die Schulen hiesiger Stadt werden schon seit mehreren Jahren mit Deputatholz geheitzt, und nur in der Vorstadtschule fand die Einrichtung statt, daß jedes Kind den Winter hindurch 3 Silbergroschen 9 Pfennige Holzgeld zur Heitzung der Schulstube an den Lehrer entrichten mußte. Dieses auffallende Mißverhältnis wurde dadurch abgestellt, daß vom künftigen Winter ab der Schullehrer in der Vorstadt Haase eine Geldentschädigung von 14 Thalern jährlich erhält, und dafür die Heitzung der Schulstube selbst besorgt. Zu diesen 14 Thalern giebt die Gemeinde Grünstraße einen Beitrag von 4 Thalern und 10 Thaler werden aus der Communkasse gegeben. Die Schulkinder aber bleiben von den Holzgeldbeiträgen ganz frei.
Im M Mai
wurde die Kirschallee um die Stadt auf 10 Jahre jährlich für 38 Thaler 15 Silbergroschen an den Obsthändler Beyer verpachtet. Die im Jahre 1830 neugebauten beiden Schaafställe machten jetzt schon wieder ein theilweises Umdecken nöthig, weil sehr schlechte Ziegeln dazu genommen worden waren. Es wurde jedoch von der Hand nur die Mitternachtseite des östlichen Schaafstalles mit einem Aufwand von ohngefähr 120 Thalern umgedeckt, und 10000 neue Ziegeln aufgelegt.
Am 4 Juni
brachte eine Benefiz Vorstellung der Bello Tennerschen Schauspieler Gesellschaft der hiesigen Armenkasse die Summe 9 Thaler 5 Silbergroschen ein, nach Abzug aller Kosten.
Am 8 Juni
wurde der Fuhrmann Pernitzsch von hier auf der Straße nach Brehna von einem seiner Pferde, welches er sehr mißhandelte, dergestalt geschlagen, daß er wenige Stunden darauf starb.
Die Umdeckung der Mitternacht Seite des hiesigen Stadtkirchendaches war schon vor einigen Jahren als höchst nöthig beschlossen worden, und Sr. Majestät der König von Preußen hatte dazu 1/3 der Baukosten als Gnadengeschenk bewilliget. Die eben so nöthige Reparatur des Kirchthurmes aber, an welchem die Glocken Etage neu und massiv aufgeführt werden mußte, hatte die Dach Reparatur um einige Jahre hinaus geschoben.
Am 13 Juli
wurde nun mit der Umdeckung der Mitternachtseite des Kirchendaches der Anfang gemacht. Gutes Wetter begünstigte und geschickte Arbeiter – der Zimmermeister Holzweißig jun. von hier und der Schieferdecker Schindler aus Bitterfeld – förderten die Arbeit. Jedoch fielen einige Unglücksfälle dabei vor, denn am 3ten Juli fiel der Zimmerlehrling Friedrich August Falz aus Kertitz, von dem oberen Dachsparrwerke nach innen auf den zweiten Boden herab. Die Beschädigungen, welche er davon trug waren aber nicht lebensgefährlich, und er wurde bald wieder hergestellt. Aber, wo die Arbeit ihrer Vollendung ganz nahe, und nur etwa noch eine Stunde für den Schieferdecker daran zu thun war, stürzte Nachmittags ¼ auf 5 Uhr der Schieferdeckermeister Gottlob Wilhelm Schindler aus Bitterfeld 34 Jahr 1 Monat 11 Tage alt von dem östlichen Giebel des Kirchdaches aus einer Höhe von 100 Fuß auf das Pflaster herab und war auf der Stelle todt; die ganze rechte Seite des Kopfes war auf das furchtbarste zerstört, der Hirnschädel und die Gesichtsknochen in mehr als 60 Stücke zerbrochen. Alle Gehirnhäute waren zerrissen, das rechte Auge zerplatzt, der rechte Unterarm viermal, der linke zweimal gebrochen. Er hinterließ eine Wittwe und 4 unerzogene Kinder in ziemlicher Armuth. Tags darauf wurde er mit einer sehr ansehnlichen Leichenbegleitung begraben. (Vid. No. 30 des beyliegenden Nachrichts Blattes) Das Wenige was der verunglückte Schindler an dem Kirchendache noch unvollendet gelassen hatte, und die Beschädigungen die sein Körper, beim Stürzen, durch das Auffallen, dem Dache über dem Altar Gewölbe zugefügt hatte, wurde einige Tage nachher von dem Schieferdeckergesellen Brandt aus Leipzig ins Werk, und wieder hergestellt. Der Aufwand für die ganze Dachreparatur betrug 1262 Thaler 15 Silbergroschen 1 dinarium, wozu wie schon erwähnt 420 Thaler 25 Silbergroschen Sr. Majestät der König als Gnadengeschenk beitrug, und das übrige der Kirchfahrt zur Last fiel. Die pag 28 zu Anfange erwähnte Kirchenthurm Reparatur hatte 2737 Thaler gekostet. Zu beiden Bauen waren von der Kirchfahrt durch eine Anlage nach dem Klassensteuerfuße 3000 Thaler aufgebracht worden. Im Frühjahr und Herbste war in den beiden Scheungassen am Kohlthore zum besseren Abflusse des Wassers viel Erde abgestochen, und dafür in unseren Auctionen der Betrag 57 Thalern 22 Silbergroschen gelöset worden. Aus der Verpachtung der Pflaumen vor dem Viehthore wurden in diesem Herbste für die Communkasse 77 Thaler gewonnen.
Am 14 October
wurden nach Vorschrift der Städte Ordnung der dritte Theil der Stadtverordneten und der Stellvertreter erneuert. Vier Wochen vorher hatten sich als solche ausgeloset, Moritz, Kretzschmar, Holzweißig und Täubner, so wie die Stellvertreter Donath Kunze und Held. Neu gewählt wurden als Stadtverordnete Moritz Kretzschmar Kuhn und Elzner und als Stellvertreter der Kaufmann Krause, Schmied Zeitz, Schneider Balke, Seifensieder Karl Held, Gürtler Kaufmann Bäcker Hühnel. Es mußten darum sechs Stellvertreter gewählt werden, weil davon zweie Kuhn und Elzner zu Stadtverordneten gewählt worden waren.
1833
Januar
Bei der Holz Auction am 4ten Januar wurden 213 Thaler 16 Silbergroschen gelöset.
Februar
Mehrere Hausbesitzer am Damme an der Pforte hatten sich zur Anschaffung einer Laterne zur Erleuchtung der Straße des Abends vereiniget, und diese war die erste in der Stadt. Eine zweite auf gleiche Weise herbeigeschaffte erschien im Monat Februar auf der Hallischen Gasse da wo die Staubbesengasse in selbige einmündet.
März
Das Pflaster Gleite wurde, versuchsweise, im Halleschen Thore auf 2 ¾ Jahre für 51 Thaler jährlich vom 1ten April ab an den Böttcher Kuhne verpachtet. Mit diesem Pachte war die Erhebung des Thorgeldes beim Oeffnen desselben zur Nachtzeit, so wie die Aufsicht über das Thor ingleichen die Benutzung der Thorwärter Wohnung verbunden.
Mai
Am Himmelfarthstage Nachmittags 3 Uhr hagelte es, die Schloßen waren wie Flintenkugeln groß, thaten aber wenig Schaden, weil Windstille war.
Legat
Die am 20ten December 1832 gestorbene Wittwe Johanna Dorothea Krause, 97 Jahre 18 Tage alt, hatte der hiesigen Stadtkirche in ihrem Testamente ein Legat von 100 Thalern zur Anschaffung von Kirchen Ornaten ausgesetzt, welches im Monate April 1833 gezahlt und, da ein Bedürfnis an Ornaten jetzt nicht vorhanden, einstweilen nutzbar angelegt worden ist.
Juni
Das Einsammeln des Stättegeldes auf hiesigen Wochenmärkten wurde auf 2 Jahre und 7 Monate vom 1ten Juni 1833 bis ulto December 1835 an den Strumpfhändler Graul für 200 Thaler jährlich verpachtet. Eben so war auch die Einsammlung des Stättegeldes an den 3 hiesigen Jahrmärkten auf 3 Jahre, 1833 1834 1835, an den Registrator Richter für 60 Thaler jährlich verpachtet worden.
Vom 14-17 Juni
wurde auf hiesigem Schloßplatze versuchsweise ein Wollmarkt gehalten, welchen mehrere Rittergutsbesitzer aus der Umgebung als Verkäufer besuchten. An Käufern aber fehlte es fast ganz. Zur Aufstellung der Wollen waren von der Königl. Regierung zu Merseburg die Kornböden gegen einen Miethzins überlassen worden.
Juni
Die Brücke rechts vor dem Halleschen Thore neben dem Schloßgraben über den Fluthgraben des Lobers, welche von jeher vom Rentamte unterhalten worden ist, war zu Ende vorigen Jahres so baufällig geworden, daß selbige polizeilich gesperrt werden mußte. Die K. Regierung zu Merseburg verweigerte die Herstellung derselben, und nach mehrfachen Vorstellungen und Berichterstattungen wurde die Herstellung von dem K. Ministerio des Inneren zu Berlin anbefohlen. Die neue hölzerne Brücke wurde im Monat Juni 1833 gebaut.
Am Petri Paul Jahrmarkte
wurden die den Markt besuchenden Juden zum Auslegen ihrer Waren von dem Marktplatze in die Rittergasse verwiesen.
Am 20 Juli
wurde in der hiesigen Kohlgasse das 3jährige Kind des Lohgerbers Nagel von der Eilpost überfahren, und starb gleich darauf.
Im Juli
wurde dem Handarbeiter Noack auf sein Ansuchen das Kehren des Marktplatzes gegen einen jährlichen Zinns von 4 Thalern welcher bald nachher auf 2 Thaler herabgesetzt und vom Jahre 1834 ab ganz erlassen wurde, übertragen.
September
An der steinernen Brücke beim Hospitale welche die Stadt zu erhalten hat, wurde eine sehr wesentliche obschon nicht kostspielige Reparatur vorgenommen. Es wurde der schadhafte Brückenbogen untermauert, und der .................... unter der Brücke gepflastert.
Am 10 Septbr.
starb unser Superintendent M. Friedrich Heinrich Starcke, gebg. zu Luppe in Oschatzer Diöces am 27ten Januar 1760 und inwestiert als Superintendent zu Delitzsch am 16ten October 1809. Seine Beerdigung geschah am 13ten Septbr. 1833 Nachmittags 4 Uhr. Die ganze Knabenschule ging seinem Sarge voran, und nächst den Leidtragenden folgten demselben eine große Anzahl Geistlicher, Schullehrer, der Magistrat, Stadtverordnete, Stellvertreter, Schulvorstand und die Mitglieder der Gesellschaft zur Erholung. Die Schützen Compagnie hatte bei dem Begräbnisse eine Ehrenwache im Breiten Thore und auf dem Gottes Acker aufgestellt.
Windmühlen,
die des Windmüllers Helm vor dem Halleschen Thore und die des Stadtmüllers Trommler, im Rosenthale, wurden zu Ende des vorigen, und zu Anfange dieses Jahres gebaut und die erstere im Februar die letztere im April 1833 in Betrieb gesetzt.
Chaussee
Im Frühjahr 1833 wurde der Bau einer neuen Chaussee von Delitzsch nach Leipzig vom Fiscus unternommen und zu dem Behufe gleichzeitig eine neue Brücke vor dem Kohlthore gebauet. Der Bau ging unter der Leitung des Bau Conducteurs Palldram glücklich und rasch von Statten, und wurde im November 1833 beendiget. Von der Commune wurde innerhalb der Delitzscher Feldmark die Bepflanzung der neuen Chaussee übernommen, und wurden 52 Pappeln und ............... 41 Süßkirschbäume gepflanzt mit einem Aufwande von 114 Reichsmark 15 Silbergroschen 4 Pfennigen.
20ten October
Die Wahl der neuen Stadtverordneten und deren Stellvertreter fand am nach dem Vormittags Gottesdienste statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten Sparwald, Große, Auerbach, Kaufmann, zu Stellvertretern Helling, Krause, Ufer Senior, Kunze. Ausgelooset hatten sich am 6 Septbr., von den im Jahre 1831 gewählten Rathmann Held Auerbach Söllner, und Sparwald Bier Gelbke. Die Einführung der neu gewählten geschah am
24ten October
und die neu gebildete Stadtverordneten Versammlung wählte an dem selben Tage zu ihrem neuen Vorsteher Herrn Kretzschmar und zum Stellvertreter Herrn Moritz, zum Protokollführer Herrn Ziemann und zum Stellvertreter Herrn Auerbach. –
Hospitalgarten
Durch den Hospitalgarten führte seit länger als 100 Jahren ein Weg aus dem Schloßgarten, welcher ursprünglich von der auf dem Schlosse wohnenden Herzogin und nachher von den daselbst wohnenden Beamten benutzt worden war. Am 2ten Octbr 1833 wurde mittels Recresses die Fahrwegs Gerechtigkeit abgelößt; es wurden dafür 20 Thaler gezahlt, und von der K. Regierung zu Merseburg die Zumauerung des in der Schloßgarten Mauer befindlichen Thores übernommen.
Pflaster Gleite
Vom 1ten Januar 1831 ab wurden die beiden Pflaster Gleits Hebestellen am Viehthore und am Kohlthore aufgehoben, weil in Folge der neuerbauten Bitterfeld Delitzscher Chaussee die Erhaltung der Straße durch die genannten beiden Vorstadttheile an den Fiscus mit übergegangen war. Es wird dafür, nämlich für die an den genannten beiden Thoren weggefallenen Pflaster Gleits Erhebung jährlich 200 Thaler Entschädigung vom Fiscus an die Communkasse zu Delitzsch gezahlt.
Am 17ten Decbr.
wurde eine große Linde in der Allee rechts vor dem breiten Thore vom Sturmwind umgeworfen. Sie fiel auf Bachners Haus ohne jedoch vielen Schaden anzurichten.
Am 18 Decbr
gegen Abend war ein noch größerer Sturm als Tags vorher, welcher an den Kirchendächern und den Dächern von mehreren anderen öffentlichen Gebäuden vielen Schaden anrichtete. Auf dem Commungute, der Pachterwohnung gegenüber, wurde ein Thorweg zerbrochen. In dem Communholze wurden zwei alte Fichten eine junge Eiche und einige mäßig starke Kiefern umgeworfen.
1834
Januar
Fahne am breiten Turm wird abgebrochen
In der Neujahrsnacht war wieder ein so heftiger Sturm wie am 18 Dcbr v Js. Er brach die große schöne Fahne vom breiten Thurme ab welche am - 3ten Januar in dem Stadtgraben wieder aufgefunden wurde.
Holz Auction
Die HolzAuction am 10 Januar gab eine Erlöß von 200 Thalern 18 Silbergroschen.
Apel und Brumer ziehen nach Leipzig
In Folge der mit dem neuen Jahre eingetretenen Zollvereinigung mit
Sachsen wendete sich die hiesige Tabaksfabrik Apel und Brumer von hier nach Leipzig. Eine zweite Folge dieser Zollvereinigung war, daß zur Verpachtung der beiden Böden auf dem Rathhause am 15ten Januar sich keine Liebhaber fanden. Vorher hatten Apel und Brumer diese Böden für 25 Thaler gepachtet gehabt.
Neujahrssänger
Die Schüler, welche zum neuen Jahre singen, hatten sich dieses Mal über 65 Thaler ersungen.
Medizin Aufwand für Arme
Für arme Kranke aus hiesiger Stadt wurden auf das vergangene Jahr an Medizin Kosten bezahlt, aus der Armenkasse 48 Thaler 3 Silbergroschen 11 dinarium und 53 Thaler 2 Silbergroschen aus der Hospitalkasse.
Legat
der Wittwe Schmidt von 25 rth. für den Frauen-u.Jungfrauenverein. Die am 24ten Juni 1833 verstorbene Kaufmanns Wittwe Marie Dorothea Schmidt erste Vorsteherin des am 4ten April 1827 gestifteten Frauen und Jungfrauen Vereins, hatte diesem Vereine durch mündliche Anordnung ein Legat von 25 Thalern ausgesetzt, und dadurch die bei ihrem Leben gegebene Zusage erfüllt, daß ihr Beitrag von 1 Thaler jährlich auch nach ihrem Tode fort entrichtet werden solle.
Februar
Reparatur am Halleschen Thurme
Eine im Monat Februar vorgenommene Reparatur am Dache des Halleschen Thurmes kostete 29 Thaler 25 Silbergroschen. In demselben Monate wurden statt der bisherigen Ziegeldächer über der Bibliothek und der Baukammer an der zwei neue Schieferdächer an der Kirche Stadtkirche Schieferdächer aufgelegt, weil die Ziegeldächer gar zu oft vom Sturmwinde beschädiget wurden, und dadurch häufige und kostspielige Reparaturen verursacht wurden. Diese beiden Schieferdächer kosteten 275 Thaler 10 Silbergroschen und ist dieser Aufwand aus der Kirche bezahlt worden. Die Stürme vom 17ten, 18ten und 31ten Decbr v Js hatten zu dieser Umänderung die nächste Veranlassung gegeben.
Collecte für die Gottes Acker Kirche
Die Beschädigungen, welche dieselben Stürme dem Dache der Gottes Acker Kirche zugefügt hatten, sind durch den Ertrag einer in der Stadt und den eingepfarrten Dörfern veranstalteten Collecte, deren Ertrag 63 Thaler 27 Silbergroschen 6 dinarium gewesen ist, wieder repariert worden.
März Schmidts Tabaks Fabrik
An die Stelle der Apel und Brumerschen Tabaksfabrik, welche zu Anfang dieses Jahres nach Leipzig verlegt worden war, wurde im Monate März in demselben Locale eine neue dergleichen von Heinrich Schmidt aus Leipzig errichtet, und wurden auch an denselben die Rathhausböden wieder auf 3 Jahre zu 25 Thaler jährlich vermiethet.
Schloßgraben Verkauf
Im vorigen Jahre war der dem Fiscus gehörige Schloßgraben öffentlich und meistbietend verkauft worden. Das erste Drittheil neben dem Hospitalgarten hatte der Maurermeister Mein, die beiden anderen Drittheile nebst dem Schloßzwinger die Wittwe Schönherr erstanden. Der erstere verwandelte seinen Graben durch Ausfüllung in eine Wiese. Beide bepflanzten sie den äußeren Grabenrand mit Süßkirschbäumen.
Hospital Garten
Im Hospitalgarten war zu Ende des vorigen und zu Anfange dieses Jahres ebenfalls viel gearbeitet, und der ganze Garten mit Obstbäumen bepflanzt worden. Die Anhöhe in diesem Garten an der Schloßgarten Mauer entlang aber ist auf 18 Jahre an den Tuchfabrikanten August Schmidt um 4 Thaler jährlich verpachtet worden, um solchen als Weinberg einzurichten. Nach Ablauf der Pachtzeit wird der angelegte Weinberg mit sämmtlichen Zubehör Eingenthum des Hospitals.
April Pflaster Gleite im breiten Thore verpachtet
Mit der Pflaster Gleits Einnahme im breiten Thore wurde der Versuch gemacht, selbige zu verpachten. Die erste Pachtung umfaßte den Zeitraum vom 1ten April 1834 bis ulto Decbr 1835 und das Pachtgebot war 288 Thaler jährlich, welches jedoch auf Ansuchen des Pachters Strumpfhändler Graul einige Monate nachher auf 250 Thaler herabgesetzt wurde.
Feuerwächter
Die nächtliche Feuerwache in der Stadt, welche bisher von den Bürgern der Reihe nach verrichtet wurde, erlitt gleichzeitig eine Veränderung, indem zwei besonders aus der Communkasse besoldete Lohnwächter angenommen wurden, von denen der eine vor, der andere nach Mitternacht wachet.
Schleußen am Gerberplan und Heiligbrunnen
Die Schleuße am Gerbergraben über welche der Weg nach dem Schießplatze führt, wurde mit einem Aufwand von ohngefähr 25 Thalern ganz neu gebauet. Auch wurde auf der Promenade nach dem Heilig Brunnen, statt einer Brücke welche Behufs des Wasser Abzuges sich dort befand eine Pfosten Schleuße angelegt.
Mai Nachtwächterhaus Am Kohlthore verkauft
Das der Commune gehörige Nachtwächter und Schlagzieherhaus am Kohlthore wurde am 7ten Mai für 253 Thaler an den Kattun-fabrikanten Seidel öffentlich versteigert. Dieser trat es noch vor der Übergabe an den Gürtler Auerbach ab, welcher es einige Monate darauf wieder an den Drechsler Petsche verkauft hat.
Am 30ten Mai erhängte sich im hiesigen Polizei Gefängnis der Windmüller Guritz aus Wellaune, welcher verdächtig war, seine Windmühle angezündet zu haben, und deshalb in Arrest gebracht worden war.
Juni Nuhahn
Am 27 Juni hatte sich der Schumacher Nuhahn, seit vielen Jahren krank, in seiner Wohnung mit dem Barbiermesser die Kehle abgeschnitten.
Forsthausverpachtung
Die Schenk- und Feldwirtschaft auf dem Commun Forsthause an der Spröda wurde auf 6 Jahre von Michael 1834 bis dahin 1840 an den pensionierten Förster des Ritterguts Beerendorf, Kohlmann, für 117 Thaler jährlich verpachtet. Der Communförster Pabst hatte nämlich mit Erlaubniß des Magistrats den Beerendorfer Försterdienst mit übernommen, und bezog in dessen Folge das Beerendorfer Forsthaus.
Die Verpachtung der Pflaumenplantage am Viehthore gab in diesem Jahre einen Ertrag von 71 Thalern 15 Silbergroschen.
Juli Großschopfs Tod
Am 29 Juli starb der seit 1819 mit 100 Thalern jährlich pensionierte Bürgermeister Großschopf in seinem 78ten Lebensjahre.
August Schiedsmanns Wahl
Am 3ten August nach beendigtem Vormittags Gottesdienste wurde auf dem Rathhause die Wahl der drei Candidaten zum Schiedsmanns Amte vorgenommen. Es wurden gewählt der Kaufmann Christian Friedrich Schmidt, der Kaufmann Tiemann und der Apotheker Freyberg. Von der Stadtverordneten Versammlung ist am 8 August der letztere zum Schiedsmann gewählt worden.
Pflasterung des Steinweges
Die völlig neue Pflasterung des Steinweges, welche im Monate Mai begonnen hatte, wurde im August beendiget und kostete gegen 250 Thaler.
Tertius Wohnung
Die für den Tertius Lorenz bestimmte neue Wohnung, die frühere Cantor Wohnung, war im Laufe dieses Schuljahres und Sommers völlig ausgebauet und am 20ten Septbr dem Tertius Lorenz übergeben worden. Der Ausbau kostete ohngefähr 330 Thaler.
Stadtverordneten- Wahl
neugewählten Stadtverordneten wurden am 22 Octbr von dem Magistrate in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt. Von den letzteren wurde hier auch der Chirurgus Große zum Vorsteher, Auerbach zu dessen Stellvertreter, der Kaufmann Krause zum Protokollführer, und Elzner zu dessen Stellvertreter gewählt.
Orgel Reparatur
Eine sehr bedeutende Reparatur der Orgel in hiesiger Stadtkirche, welche das Herausnehmen aller Pfeifen, Reinigung derselben, neue Belederung der Bälge und dgl. nöthig machte, und einen Aufwand von 113 Thalern 12 Silbergroschen 6 dinarium verursachte, wurde, weil aus dem Kirchen Vermögen nichts dazu gegeben werden konnte, mit Hülfe einer Collecte in der Stadt und den eingepfarrten Dörfern ausgeführt. Die Collecte betrug 107 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium und für einen alten Violen waren 6 Thaler gelöset worden. Bei dieser Orgelreparatur wurde auch der hinter der Orgel befindlich gewesene Zugang zur Bälgekammer zugemauert, und für den Calkanten die Thür über der Treppe rechts neben der Orgel durchgebrochen.
Wahl neuer Magistrats Assessoren
Die beiden unbesoldeten Magistrats Assessoren Tauscher und Mayner hatten bei der K.H. Regierung zu Merseburg nachgesucht mit Ablaufe dieses Jahres ihres Amtes entlassen zu werden, in dem sie dann dasselbe jeder 3 Jahre hindurch verwaltet hätten. Die K. H. Regierung hatte diesen Gesuchen statt gegeben, und auf deren Anordnung wurde von den Stadtverordneten zur Wahl von 2 neuen Assessoren geschritten. Es wurden gewählt der Justizcommissär Helling und der Kreisphysicus Dr. Ettmüller. Die Wahl des letzteren wurde aber von der Regierung nicht genehmigt, und es wurde dann der Seifensieder Kringer gewählt. Die Verpflichtung der beiden neuen Assessoren blieb für den 1. Januar 1835 ausgesetzt.
November Ehrenbürgerrecht an Dr. Ettmüller
Dem Kreisphysicus Dr. Ettmüller wurde auf Antrag der Stadtverordneten Versammlung unterm 17ten Novbr. 1834 von dem Magistrate das Ehrenbürgerrecht ertheilt, und der Bürgerbrief ihm von einer Deputation der Stadtverordneten eingehändiget.
December
Am 12ten December ertrank in dem Stadtgraben an der Pfortenbrücke an Weidenhammers Zwinger ein Pferd des Bauers Fiedler aus Klitzschmar, durch die Ungeschicklichkeit des Knechtes. Am Schlusse des Jahres befanden sich in dem Armenhause mit Einschluß der Kinder 28 Personen. Die Zahl der Hospitalbewohner betrug 29.
Garküchen Verpachtung
Mit dem letzten December 1834 hatte die bisherige Verpachtung des Rathskellers und der Garküche ihre Endschaft erreicht. Die neue Verpachtung auf 6 Jahre vom 1. Januar 1835 ab war in Folge Meistgebots an den bisherigen Schießhaus Pachter in Bitterfeld Getzolt für 57 Thaler jährliches Pachtgeld überlassen worden und gegen Bestellung einer dem doppelten Betrage des Pachtgeldes gleichen Caution, welche mit 3 Prozent verzinset wird. Das vorherige Pachtgeld betrug nur 30 Thaler 15 Silbergroschen jährlich.
Ordnung auf dem Gottesacker
Um die Ordnung beim Begraben der Todten auf dem Gottesacker zu befördern, wurden im September 1834 sämmtliche auf dem Gottesacker befindliche Gräber aufgezeichnet, und die Todtengräber mit einem neuen Begräbnißbuche versehen, in welches sie vom ersten Januar 1835 ab alle Beerdigungen genau eintragen und allmonatlich dieses Buch auf dem Rathhause vorzeigen sollen, damit die neuen Gräber in den Grundrissen nachgetragen werden können.
1835
Januar
Verpflichtung neuer Assessoren
Am 1ten Januar nach beendigtem Vormittags Gottesdienste wurde die feierliche Einführung und Verpflichtung der beiden neuen Magistrats Assessoren des Justiz Commissärs Ernst Gustav Helling aus Wittenberg gebürtig und des Seifensieders August Ferdinand Krieger aus Delitzsch gebürtig, und die Entlassung der beiden bisherigen Assessoren Tauscher und Meyner, auf dem Rathhause von dem Bürgermeister Securius vorgenommen, welcher dazu von dem Hl. Landrathe von Pfannenberg beauftragt worden war, und dazu die Subalteren des Magistrats die Innungs Obermeister sowie die gesammte Bürgerschaft theils schriftlich theils durch Bekanntmachung im Nachrichtsblatte eingeladen hatte.
Fahne auf dem Thurm am breiten Thore aufgesetzt abgenommen und wieder aufgesetzt
Die in der Neujahrsnacht 1834 vom Sturmwinde herabgeworfene Fahne des Thurmes am breiten Thore, war am 21. April 1834 mit einer starken eisernen Spindel versehen wieder aufgesetzt, und war statt der früher über derselben befindlich gewesenen Kurschwerter ein preußischer Adler angebracht worden. Im Laufe des Sommers 1834 hatte man oft bemerkt, daß die Fahne sehr schwanke, und es war bei heftigem Sturme ein abermaliges Abbrechen derselben zu fürchten. Um dem vorzubeugen, wurden im October und November 1834 die nöthigen Untersuchungen angestellt, und gefunden, daß die hölzerne Spindel, auf welcher die eiserne eingeschraubt ist, zu schwach sey. Zu Ende November 1834 wurde daher die Fahne wieder abgenommen, eine neue hölzerne Spindel auf den Thurm gebracht, diese noch mit 4 Streben befestiget, und statt des Adlers, von dem man glaubte, daß er die Schwankungen der Fahne befördert haben könne, ein eisernes Kreutz über derselben angebracht. Am 26ten Januar 1835 wurde nun diese neue Fahne wieder aufgesetzt. Der Stadtverordnete Gesell hat das Kreutz an den äußeren Rändern unentgeldlich vergoldet.
Russische Feueresse brennt
Am 16 Januar gerieth in dem Wohnhause des Maurermeisters Rose am Halleschen Thore eine russische Feuer Esse in Brand. Es entstand sofort Feuerlärm, aber glücklicher Weise wurde der Brand bald gedämpft.
Den hiesigen Stadt Nachtwächtern wurde vom 1ten Januar ab die Bewachung des köngl. Schlosses mit übertragen, wofür sie aus der Rentamtskasse bezahlt werden.
Die Neujahrssänger
hatten sich diesesmal 66 Thaler ersungen. In Folge höherer Anordnung wird von diesem Jahre an, von den in der Stadt wohnenden Hausgenossen kein Schutzgeld mehr erhoben.
Am 10ten Februar
wurde auf dem diesjährigen Holzschlage in der Spröde Holz Auction gehalten, und dabei die Summe von 246 Thalern 22 Silbergroschen gelöset.
Am 28ten Februar
wurde ein alter Mann Namens Ziegengeiß in der Schloßgasse auf offener Straße vom Schlage gerührt und blieb todt.
Am 8ten März Päßler Schiedsmann
nach beendigtem Vormittags Gottesdienste war die Bürgerschaft zur Wahl von 3 neuen Schiedsmanns Amts Candidaten auf dem Rathhause versammelt, weil die am 3ten August 1834 gewählten das Amt nicht angenommen hatten. Es wurden gewählt der Post Commissarius Päßler der Gürtlermeister Kretzschmer und der Bürgermeister Securius. Von diesen Candidaten hat die Stadtverordneten Versammlung den zuerst genannten zum Schiedsmann gewählt, welcher die Wahl angenommen und höhere Bestätigung erhalten hat. Für Logis Aufwand bekommt der PC Päßler eine jährliche Entschädigung von 6 Thalern aus der Communkasse ausgezahlt.
Der Maurermeister Meie bauet auf der Wehlteschen Wüstung ein neues Haus, jedoch nur halb so groß als die Baustelle es gestattet.
April
Um zu verhüten, daß die vor 5 Jahren neu angelegte Promenade vor der Pforte an der Stadtmühle nicht als Fahrweg gemißbraucht werde, sind quer über derselben drei Stempel eingesetzt worden.
Am 22ten April Ankunft des Superintendenten
Mittags ist unser neuer Superintendent der Divisions Prediger Rudel aus Breslau mit seiner Familie hier eingetroffen. Die Vocation für denselben wird auf Anordnung der Königl. Regierung zu Merseburg von dem Landrathe und dem Magistrate gemeinschaftlich ausgestellt werden, früher wurde solche von dem vormaligen Justizamte und dem Magistrate ausgefertiget.
Am 10ten Mai
hielt derselbe seine Antritts Predigt. Er wurde von den beiden Diaconen dem Magistrate und den Stadtverordneten früh zur Kirche abgeholt und bis an die Sakristei begleitet. Mittags war ein Festmahl in Schmidts Kaffeegarten veranstaltet, welches eine ziemlich zahlreiche Theilnahme fand. Mit Beziehung auf seinen Amts Antritte hatte der Sup. Rudel dem Magistrate 5 Thaler zur Vertheilung unter die Armen übersendet, welche Vertheilung, an 30 Arme, ebenfalls den 10ten Mai erfolgte.
Juni
Auf die Wiederherstellung der Dächer im Kommungute wurden mehr als 100 Thaler gewendet. Die Reparaturen in der Superintendentur Wohnung haben ohngefähr 150 Thaler gekostet.
Am 4ten Juli
Nachmittags gegen 5 Uhr schlug der Blitz in das Gartenhaus des Assessors Teuscher am halleschen Thore, ohne zu zünden. Die Zerstörungen welche der Blitz darin angerichtet hatte, waren merkwürdig. Von 32 Fensterscheiben in der Stube waren nur 2 ganz geblieben. Der Spiegel war zerschmettert, die Decke durchgeschlagen, der Berapp.................... theilweise von den Wänden losgerissen, Thür und Fenster Verkleidungen zum Theil zersplittert, einige Fensterrahmen aus ihren Fugen gedrängt, einer auf einen nahen Birnbaum geworfen, und am 25ten Juli unter dem Fenster wo der Blitz wieder heraus gegangen war, war eine Säule zerschmettert. Nachdem der Schock, den dieses Einschlagen verursacht hatte, vorüber war, kam die Nachricht, daß vor dem halleschen Thore eine Frau vom Blitz erschlagen worden sey, und tod an der Straße liege. Die Todte war die Ehefrau des Zimmergesellen Holzweißig, eine schwache und oft kranke Person. Der Blitz hatte sie nicht getödtet, denn es wurden keine Spuren davon an ihrem Körper wahrgenommen. Sie war auf dem Felde gewesen, hatte wahrscheinlich wegen des herannahenden Gewitters geeilt um nach Hause zu kommen, hatte sich dabei erhitzt, war vom Regen durchnäßt, und vom Schlage getroffen worden.Ein großes Unglück wurde am 25ten Juli früh durch Gottes Gnade von uns abgewandt. Es war nämlich in dem Hause des Bäckermeisters Hühnel auf dem Steinwege früh nach 3 Uhr Feuer entstanden. Sämtliche Hausgenossen hatten bis dahin fest geschlafen und waren erst durch das Getöse welches das brennende Feuer machte, aufgeweckt worden. Durch die schleunigste Hülfe gelang es das Feuer zu ersticken. Wenn es zum Ausbruche kam, so konnten von den leichten Häusern der Vorstadt mehrere verloren gehen.
Die diesjährige Verpachtung des Obstes auf der Pflaumen Plantage am Viehthore gab einen Ertrag von 112 Thalern.
Am 21. Juli
hielten die hiesigen Feldbesitzer eine Versammlung in welcher sie sich zur Annahme von 4 Feldhütern vereinigten um die Felddiebstähle zu verhüten. Jeder Feldhüter bekommt täglich 7 Silbergroschen 6 Pfennige Lohn.
Der Postsecretär Göttling ließ einen kleinen Wagen bauen mittelst welchem in einem darauf befestigten Fasse alle Morgen frisches Heiligbrunnenwasser zur Stadt gebracht wird. Er hat dieses Fuhrwerk dem armen Tagelöhner Schumachermeister Dietrich überlassen, damit dieser durch das Wasserholen sich etwas verdienen soll.
Am 18ten August
wurde die anderweite Verpachtung des Commungutes und der Lehdenfelder welche beide zu Johanni 1836 pachtlos werden, vorgenommen, und zwar auf doppelte Weise einzeln und zusammen. Die Meistgebote waren für beide zusammen 2265 Thaler, für das Commungut allein 1500 Thaler und für die Lehdenfelder allein 400 Thaler. Bisher hatten jenes 1800 Thaler dieses 590 Thaler Pacht gegeben. Die beiden bisherigen Pachter Küster von dem Commungute, und Schmidt von den Lehdenfeldern hatten das Gebot der 2265 Thaler gleichzeitig gethan, und es wurde von beiden der Küster als neuer Pachter ausgewählt, in einer späteren Verhandlung vom 25ten August.
Der Sommer
war ungewöhnlich warm und trocken. In den Mittagsstunden in der Sonne gewöhnlich 30 bis 33 ° Wärme, im Schatten 23 °, in den Stuben nach Mitternacht 17 bis 18 ° Wärme. Gewitter gab es gar nicht, mit Ausnahme des am 4ten Juli erwähnten. Selbst zu Herbstes Anfang am 23ten September hatten wir noch 30 ° Wärme. Man wollte diese Witterung mit der Erscheinung des Halleyschen Kometen in Verbindung bringen, welcher im Monat October in mattem Glanze erschien. S. d. Beilage.
Die diesmalige Erscheinung des nach Halley, Professor der Astronomie zu Greenwich, benannten Kometen war keineswegs so glänzend, wie nach älteren Berichten seine letzte zu Anfang des Jahres 1759, was darin seinen Grund hat, daß er diesmal lange vor seinem Durchgange durch das Perihelium (Sonnennähe) unserer Erde am nächsten kam; am 12ten October 1835 war er nämlich von dieser nur noch vier Millionen geographische Meilen entfernt, und erst am 16ten November ging er durch das Perihelium. Sein Schweif war ohngefähr vier Millionen Meilen lang, aber schmal und matt. Zu bemerken ist noch, daß dieser Komet diesmal nicht unter den Sternen des großen Bär, wie nach der Angabe in Doppelmayers Sternkarten bey seiner Erscheinung im Jahre 1682, sondern über denselben weggieng. Seine Umlaufzeit beträgt nach Halleys übereinstimmender Berechnung 76 Jahre; er wird also im Jahr 1911 wieder kehren, wo ihn dereinst unsere Nachkommen erblicken werden. – Die Beobachtung der Astronomen, daß der Schweif eines Kometen, wenn derselbe nach seinem Durchgange durch das Perihelium unserer Erde am nächsten kommt, am glänzendsten ist, hat sich auch bey der Erscheinung des Donatischen Komenten im Herbst 1858 bestätigt.
Den 4ten November 1858 Dr. I.
Im October
hat der Kaufmann Mullertt eine neue Ausschnitt- und Modewarenhandlung etabliert.
Der evangelische Bischof
der Provinz Sachsen Dr. Dräsecke aus Magdeburg war in den Tagen vom 16ten bis mit 22ten in unserer Stadt gegenwärtig, und hielt am 18ten Octbr Kirchen Visitation, und am 21ten Octbr die Einführung des Superintendenten Rudel in die Diöces. An beiden Tagen hielt der Bischof sehr gehaltvolle Reden, welche alle Herzen ergriffen. Die Kirche war jedesmal zum Erdrücken voll, jedoch fiel nicht die geringste Störung dabei vor. Namentlich waren auch viele Fremde ins besondere aus Leipzig dabei gegenwärtig. Zu dem gewöhnlichen Sonntags Gottesdienste am 18ten Octbr trat Nachmittags um 4 Uhr noch ein außergewöhnlicher Gottesdienst hinzu, in welchem der Superintendent Rudel mit dem zu Ostern d. Jh. confirmirten Kindern katechisirte. Behufs der Einführung des Superintendenten hatten sich am 21ten früh sämmtliche Geistliche und Schullehrer aus der Diöces auf der Superintendentur versammelt, und zogen, den Superintendenten an ihrer Spitze gegen 8 Uhr früh unter dem Geläute aller Glocken von dort ausdie hallesche Gasse herunter bei dem Rathhause vorbei nach der Wohnung des Bischofs um diesen abzuholen. Am Rathhause schlossen sich der Magistrat die Stadtverordneten und der Schulvorstand auf beiden Seiten dem Zuge an, und vom Balkon des Rathhauses herab ertönte eine Choralmusik. Vor der Wohnung des Bischofs – in den 3 Schwanen – hatten sich gleichzeitig 15 junge Mädchen weiß gekleidet mit Blumenkörben versehen aufgestellt. Als der Bischof aus seiner Wohnung herab gekommen war, und seinen Platz eingenommen hatte, traten diese dem Zuge welcher sich nun langsam nach der Kirche hin bewegte voran, bestreuten den Weg mit Blumen bis vor den Altar, und stellten sich dann zu beiden Seiten des Altars auf. Nach beendigtem Gottesdienste ging der Zug in derselben Ordnung wieder aus der Kirche heraus, über den Markt hinweg, die hallesche Gasse hinaus, bis an die Superintendentur, woselbst unter Vorsitz des Bischofs Synode gehalten wurde. Mittags fand ein Festmahl in Schmidts Kaffeegarten statt, welches der Bischof ebenfalls mit seiner Gegenwart beehrte. Die Gesellschaft zur Erholung hatte Tags vorher dem Bischof zu Ehren in dem Gasthofe zur goldenen Weintraube ein Mittagsmahl veranstaltet, zu welchem der Saal auf orientalische Weise sehr geschmackvoll verziert war.
Schwamm in der Knabenschule
In die beiden parterre gelegenen Klassen der neuen Knabenschule – eingeweihet am 2ten Juli 1827 – war der Schwamm gekommen. Es war daher nöthig die Dielen aus beiden Klassen heraus zu nehmen sowie auch die Thürgerüste, die Ausfülle heraus zu schaffen und neue trockene Fülle hinein zu bringen, die Wände, in so weit sie vom Schwamm ergriffen waren zu reinigen, die Fugen zwischen den Steinen auszuputzen. Die neuen Dielen wurden an der Wand entlang mit Zink beschlagen die Lager die unter Seite der Dielen und die Wände in so weit nöthig mit Steinkohlen Theer bestrichen auch die Lagen selbst mit Bäckerkohlen umgeben. Kurz es wurde alles angewendet um den Wiederentstehen dieses Übels vorzubeugen. Der Bau wurde in dem Monate Juli begonnen und währte bis zu Ende August. Er kostete 240 bis 250 Thaler. Die Oefen in den beiden unteren Klassen wurde mehr in die Mitte derselben gebracht und statt der Communientions(?) Flügelthür zwischen beiden Klassen wurde eine einfache Thür angebracht.
Juli
In dem Monate Juli wurde mit Einrichtung einer zweiten Mädchen Schulklasse und Wohnung für einen zweiten Mädchenlehrer vorgeschritten. Es wurde dazu die vormalige Tertius Wohnung bestimmt, und der ganze untere Raum derselben zur Klasse, der obere theilweise zur Wohnung benutzt. Die Maurer Arbeit wurde für 594 Thaler an den Maurermeister Meie die Zimmer Arbeit an den Zimmermeister Krause für 200 Thaler verdungen.
Land- und Stadt- Gerichtsbau
Der Magistrat hatte sich schon seit 2 Jahren, durch Berichts Erstattungen an die höheren Behörden bemüht, der Stadt ein größeres Gericht zu verschaffen, um dadurch etwas mehr Verkehr in die Stadt zu bringen. Mittelß Cabinets Order dedato Töplitz den 10ten Juli 1835 hatte nun Sr. Majestät der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. genehmigt, daß in Delitzsch ein Land- und Stadtgericht eingerichtet werden solle, hatte auch dazu die Verwendung einer Summe von 1149 Thalern 28 Silbergroschen bewilliget. Zu dieser Summe kamen noch 700 Thaler welche die Stadt aus eigenen Mitteln beizutragen sich erboten hatte. Die Einrichtung des Gerichtslocals geschah, in Folge des Anerbietens Seiten der Stadt, auf dem Rathhause und wurde dazu die untere Etage und ein Theil der oberen verwendet. Es wurde dadurch der sehr geräumige Rathhaussaal um 1/3 kleiner, und verlor in der Front 2 Fenster. Der Bau zu dieser Einrichtung geschah unter der Leitung des Bau Inspectors Flachmann und begann mit dem letzten Tage des Monats August 1835. Die trockene und anhaltend warme Herbstwitterung war dem Baue sehr günstig, was um so erwünschter war, da das neue Gericht schon mit dem Jahre 1836 in Wirksamkeit treten sollte. In Folge dieses Baues wurde die bisherige Wachstube im Rathhause zur Kassenstube eingerichtet; eine Thür nach dem daneben befindlichen feuerfesten Gewölbe durch die Mauer gebrochen, um dieses letztere als Depositorium für das neue Gericht zu benutzen; eine neue Wachstube unmittelbar am Haupt Eingange zum Rathhause links, eingebauet. Außer der Kassenstube und dem deposital Gewölbe wurden in der unteren Etage des Rathhauses noch 6 Zimmer, und in der oberen zwei Zimmer für das neue Gericht eingerichtet. Auch wurden die Treppen Verschläge unter beiden Treppen zur Benutzung der verschlossenen Räume für die Commun angelegt.
Volbedings Abgang von Delitzsch nach Herzberg
Der Diaconus und Katechismus Prediger Volbeding welcher am 28ten September 1817 seine Anzugspredigt gehalten hatte, hielt am 25 ten Octbr. 1835 seine Abschieds Predigt, indem er von hier als Superintendent nach Herzberg versetzt wurde, und reisete gleich nach beendigtem Gottesdienste ab. In der Gesellschaft zur Erholung war ihm zu Ehren am 23ten Octbr. ein Abendessen veranstaltet worden.
Kirschallee an der Eilenburger Straße
An der Poststraße nach Eilenburg wurde im Frühlinge 1835 eine Allee von Sauerkirschbäumen auf Kosten der Commune angelegt. Es wurden 360 junge Bäume mit einem Kosten Aufwande von ohngefähr gepflanzt.
1836
Einführung des Land und Stadt- Gerichts
Am 2ten Januar wurde das neue Land- und Stadtgericht in seine Wirksamkeit eingeführt. Das Gericht bestehet aus einem Director, 4 Assessoren, von denen der eine in Zörbig, der andere in Bitterfeld auf Gerichts Commission bleibt, 2 Secretären, 1 Rendanten, 1 Canzellisten und Controlleur 3 Boten und einigen Lohnschreibern. Den Bezirk des Gerichts bilden die vormaligen Gerichts Aemter Delitzsch Landsberg Brehna Zörbig Bitterfeld. Die Einführung und Vereidung des Gerichts Personals – Director Müller, Assessoren Sornau Koch Vöckel und Penseler – wurde von dem Kreis Justizrath Schröner aus Halle vorgenommen. Außer der dazu erbetenen Gegenwart zweier Magistrats Deputirten und der Anwesenheit sämmtlicher Subalteren des Gerichts fanden keine weiteren Feierlichkeiten dabei statt.
Verpachtung des Pflastergeleites Stättegeldes und des Wagegeldes
Mit Anfange dieses Jahres treten folgende von der Commune geschehenen Verpachtungen in Wirksamkeit. Es ist nämlich verpachtet worden die Einnahme des Pflastergeldes in den beiden Thoren für 240 Thaler jährlich, auf 3 Jahre, die Einnahme des Stättegeldes an Wochenmärkten für 170 Thaler jährlich auf 3 Jahre, die Einnahme des Stättegeldes an Jahrmärkten für 70 Thaler jährlich auf 3 Jahre und die Waagegeld Einnahme für 16 Thaler jährlich auf 6 Jahre. Zur Unterstützung der Armen mit Holz war eine Collecte veranstaltet worden, welche 28 Thaler 15 Silbergroschen und 1 Fuder Holz eingetragen hatte.
Meusels, Diac. Einzug
An die Stelle des am 25 Octbr. v. Js. Von hier abgegangenen Volbeding war der bisherige Pastor zu Werbelin und Brodau Julius Meusel zum Diaconus und Katechismus Prediger gewählt worden. Am 27 Januar zog derselbe bei uns ein. Er wurde mit 4 Extrapostpferden eingeholt. Sämmtliche Stadtverordneten waren ihm in drei Kutschen bis an die Grenze des Stadtgebietes entgegen gefahren woselbst ihn der Stadtverordneten Vorsteher mit einer kurzen Anrede im Namen der Bürger und sämmtlicher Einwohner begrüßte und ein Gedicht überreichte. An seiner mit Blumen Guirlanden verzierten Wohnung hatten sich sechs weißgekleidete Mädchen aufgestellt, die ihm Blumen streueten, und eine derselben sprach ein kleines Gedicht. Hierauf sangen die Cantorei und die Chorsänger welche sich in seiner Wohnung versammelt hatten, eine Motette und einen Choral. Sämmtliche zu seinem Umzuge erforderlichen Gespanne waren aus Liebe zu ihm unentgeldlich gestellt worden von den hiesigen Einwohnern.
Stadtverordneten Wahl v.J.1835
Nachzuholen vom vorigen Jahre ist die Stadtverordneten Wahl. Sie hat am 18ten Octbr 1835 nach beendigten Vormittags Gottesdienste stattgefunden. Der Superintendent Rudel und der Bischoff Dr. Dräsecke hatten beide in ihren Kanzel Vorträgen auf die gesetzlich feierliche Wahl Bezug genommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Zinngießer Preil der Gastwirth Fröhlich der Buchbinder Krause, und der Lohgerber Heinze, zu Stellvertretern der Brauer Gürth der Färber Melzer der Fleischer Pörschmann und der Beutler Karl Teubner. Die neu gewählten Stadtverordneten wurden am 23ten October von dem Magistrate in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt, und von der letzteren wurde der Chirurgus Große zum Vorsteher der Drechsler Ufer zum Stellvertreter, der Zinngießer Preil zum Protocollführer und der Buchbinder Krause zum Stellvertreter gewählt.
Am 7 Februar Meusels, Diaconus Antritts Predigt
Vormittags hielt der Diac. u Katechismusprediger Meusel seine Antrittspredigt, nachdem er zuvor von dem Superintendenten Rudel unter Assistenz des Archidiaconus M. Morgenstern und des Pastors Eger aus Döbernitz durch eine am Altare gehaltene Rede in sein Amt eingewiesen worden war.
Monate März
Von den Pferde haltenden Bürgern wurden in dem u flgd. zur Ausbesserung der Promenaden um die Stadt von den Pferde haltenden Bürgern eine bedeutende Anzahl Sandfuhren unentgeldlich geleistet.
Im April
wurden an der Spittelbrücke 29 Stück, und an der Schaafbrücke 68 Stück junge Pappeln gepflanzt. Der Weg nach Gertitz von dem halleschen Thore welcher früher vom Fiscus unterhalten wurde, dessen Erhaltung aber vor 2 Jahren der Stadt widerrechtlich aufgebürdet wurde und welcher seit vielen Jahren bei nassen Wetter gar nicht zu passieren war, wurde in diesem Frühjahre auf Kosten der Stadt in eine gute und feste Straße verwandelt, und auf beiden Seiten mit Sauerkirschbäumen bepflanzt.
Dem Seifensieder Dörfel in der halleschen Gasse und dem Drechsler Ufer an der Ecke der Schulgasse wurden von dem Magistrate Gastnahrungs Concessionen ertheilt. Jener hat die Firma zum goldenen Stern, dieser die zur Stadt Berlin.
Am 9ten Mai
starb der Königl. Bau Inspector Flachmann 57 Jahre alt. Zur interimistischen Verwaltung von seiner Stelle wurde der Bau Conducteur Wallbaum anhergesendet.
An die Dübener wurden 153 Stück neue Kirschbäume angepflanzt. Überhaupt waren in diesem Frühjahre 412 Kirschbäume in den Pflanzungen um die Stadt angepflanzt worden.
Am 22 Juni
hielt Sr. Königl. Hoheit Prinz Karl von Preußen Revüe über die hiesige Landwehr, und gab nach dessen Beendigung in dem Gasthofe zum weißen Rosse ein Sojeuner........................ zu welchem mehrere Beamte, auch der Bürgermeister gezogen wurden.
Am 21 Juli
wurden die diesjährigen Pflaumen auf dem Anger vor dem Viehthoor für 117 Thaler verpachtet. Zu Anfange Juli wurde der Bau der zweiten Mädchenklasse und der Wohnung für den zweiten Mädchenlehrer vollendet, und wurden beide Räume einstweilen dem schon vorhandenen Mädchenlehrer überwiesen, um dessen Wohnung und dessen Klasse ebenfalls in gehörigen Stand setzen und die nöthigen Veränderungen damit vornehmen zu können.
Am 9ten August
hat sich der Soldat Wilhelm Dietze aus Tiefensee vom Füsselier Bataillon des 32ten Infanterie Regiments in einer Kirschhütte in der Nähe des Forsthauses an der Dübener Straße erschossen.
24ten Septbr
früh gegen 4Uhr starb der Stadt Steuer und Kommun Einnehmer Friedrich Wilhelm Weitenhammer an der Wassersucht nach 6 monatlichem Krankenlager. Nach dem Beschlusse des Magistrats wurden die demselben übertragen gewesenen beiden Einnahme Stellen getrennt. Die Kämmerer Stelle wurde dem Bruder des Verstorbenen Eduard Weidenhammer, die Stadt Steuer Einnehmer Stelle aber einen Vetter desselben Friedrich August Weidenhammer übertragen. Beide wurden am 30 Septbr 1836 vereidiget, und dem 1ten October eingewiesen. Der Verstorbene hatte das der Stadt Delitzsch gehörige Jagdrevier für 56 Thaler jährlich in Pacht gehabt, und die durch den Tod eröffnete Pachtung wurde am 24ten Septbr an den Herren Oberfloß Commissär von Zedtwitz aufs neue für 59 Thaler 15 Silbergroschen jährlich auf 6 Jahre u 5 Monate in Pacht gegeben.
Am 18 Septbr
waren es 100 Jahre, daß in unserer Gottes Acker Kirche der erste Katechismus Prediger Hager seine Antritts Predigt hielt. Dieser Umstand gab Veranlassung zu einer Jubelfeyer in der Gottes Acker Kirche, welcher die Geistlichkeit, der Magistrat, die Stadtverordneten und der Schulvorstand beiwohnten. Die bey dieser Jubelfeyer vom Diaconus und Katechismusprediger Meusel gehaltene Predigt ist im Nachrichts Blatt gedruckt erschienen. Aus diesem Jubelfeste nahmen die Stadtverordneten Veranlassung eine Collecte zur Anschaffung einer Orgel für die Gottes Acker Kirche zu sammeln; die Sache kam aber nicht zur Ausführung. Die Stadtverordneten Wahl fand am 16ten Octbr statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten August Schmidt Tuchfabrikant, der Chirurgus Große, der Uhrmacher Ottmer der Windmüller Bretschneider; zu Stellvertretern der Tabaksfabrikant Bier, der Fleischermeister Behr, der Zimmermeister Haase, der Seilermeister Brade junior.
Den 17 October
wurden die neugewählten Stadtverordneten in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt.
Am 17ten October
in der Nacht vor 11 Uhr brannte die an der Kohlthorbrücke gelegene mit Stroh gedeckte Scheune des Kaffeegartenbesitzers Schmidt ab. Es war nicht zu ermitteln, ob das Feuer angelegt oder verwahrloset worden sey.
Im Frühjahre
hat der Maurermeister Göttsching aus Gertitz von dem Kaufmann Senff das Tabaksfabrikgebäude, die alte Münze genannt, gekauft, hat solches abgetragen, und neu aufgebauet, auch mehrere Mietwohnungen darin eingerichtet.
Im Herbste
unternahm der Brauer und Gasthofsbesitzer Gürth den Bau eines neuen Tanzsaales in dem Hofe seines Gasthofes am Markte.
Am 5ten Octbr
wurde die Schlämmung des Stadtgrabens unternommen und zwar der einen Hälfte desselben gegen Mittag. Es wurde zu dem Ende ein dann quer durch den Stadtgraben hindurch am kleinen Schutze nach Hildebrandts Zwinger hinüber gebauet, und eben so auch ein dann an dem großen Schutze gleich neben der Brücke in der Allee dadurch wurde dieser Theil des Stadtgrabens von dem Wasser Zuflusse frei. Beide Dämme kosteten zwischen 60 und 70 Thaler. An dem Halleschen Thore, da wo sich die Schleuße befindet, wurde der Alleedamm durchstochen, um das reichlich zufließende Quellwasser aus dem Stadtgraben abzuleiten. Der Maurermeister Mein und Victualienhändler Hoffmann hatten sich erboten, die Schlämmung dieser Hälfte des Stadtgrabens gegen Überlassung des Schlammes und Bezahlung von 50 Thalern aus der Kämmereikasse zu übernehmen. Die Stadtverordneten aber welche nicht wollten, daß noch Geld zugezahlt würde, hatten beschlossen die Schlämmung für Rechnung der Kommune zu unternehmen. Die Schlämmung dieser einen Hälfte des Stadtgrabens dauerte bis zum 28 Januar 1837 und kostete nach Abzug der Einnahmen welche durch den Verkauf des gewonnenen Schlammes statt gefunden hatten, 516 Thaler 8 Silbergroschen 8 Pfennige. Der gewonnene Schlamm wurde nämlich aller 14 Tage verkauft und einstweilen in der Allee und auf einigen Wiesen welche zu dem Behufe erpachtet worden waren, aufgeschüttet. Man war mit der Stadtverordneten Versammlung unzufrieden, daß sie das Erbieten des Mein und Hofmann, die Schlämmung für 50 Thaler zu bewirken ausgeschlagen, und dadurch der Stadt einen so bedeutenden Mehraufwand zugezogen hatten. Denn vor 40 Jahren, im Jahre 1796 war der ganze Stadtgraben schon einmal geschlämmt, und war dafür an die Unternehmer, eine Anzahl hiesiger Feldbesitzer, über 350 Thaler bezahlt worden. Die nächste Ursache und Veranlaßung zu der Schlämmung des Stadtgrabens war die in den Jahren 1832-38 hier herrschende sehr bedeutende Wechselfieber Epidemie mit ihrer großen Neigung zu öfteren Rückfällen, welche von der Sumpfluft entstand und ¾ der Einwohner befiel, weshalb die Regierung zu Merseburg die Schlämmung mit Erfolg anbefahl.
Voigt Hofrath
Der hiesige königl. Kreissteuereinnehmer Voigt erhielt im August c a von Sr. Majestät dem Könige das Prädicat als Hofrath. In der Nacht vom 12ten bis 13ten Decbr. Wurde bei demselben, durch das Seiten Gebäude ein Einbruch versucht. Die Diebe hatten jedoch nicht in das Wohnhaus eindringen können, und hatten sich mit Zurücklassung einer kleinen Leiter wieder davon gemacht.
Schulbänke
In die in dem Monate Juli vollendete neue Mädchenschulklasse sind neue Tafeln und Bänke angeschafft, und selbige am 17ten Decbr 1936 aufgestellt worden. Sie kosten 50 Thaler bei dem Tischlermeister Schultheis.
1837
Am 14 Januar
früh ist der Gutsbesitzer Kind in Gertitz in einem Graben im Dorfe todt aufgefunden worden. Wahrscheinlich ist dieser Unfall Folge seiner Unmäßigkeit. Er hinterläßt Frau und 6 Kinder.
Am 24 Januar
sind die auf dem diesjährigen Holzschlage Nr, 8 in der Spröda über die Deputathölzer geschlagenen Hölzer für 243 Thaler verkauft worden. Der vorjährige Holzverkauf in gleicher Beziehung hatte am 28 Januar 1836 statt gefunden, und hatte einen Erlöß von 259 Thalern 20 Silbergroschen gewährt.
In dem Monate Februar
traf der Nachfolger des verstorbenen Bauinspektors Flachmann, der bisherige Wegebaumeister Müller aus Görlitz hier ein.
Bibel Gesellschaft
Eine Tochter Bibel Gesellschaft, welche sich hier gebildet, hat am 15ten Februar 1837 ihren ersten Concent gehalten und ein Directorium gewählt bestehend aus dem Grafen von Hohenthal Döbernitz, Landrath von Pfannenberg, Superintendenten Rudel, Assessor Meißner, Diaconus Meusel und Pastor Hänisch in Selben. Am 4 März hat dieses Directorium die entworfenen Statuten vollzogen, solche nach Berlin an die Haupt Bibelgesellschaft eingesendet, und um Übersendung von Bibeln gebeten.
Am 23ten Mai
Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr wurde ein ungewöhnliches Getöse in der Luft wahrgenommen, welches mehrere Minuten lang anhielt. Es war ein ununterbrochenes dumpfes Donnern, theils dem Rasseln eines Wagens theils dem Knarren der Windmühlen theils einem .......................................... ähnlich. Es kam in der Richtung von Südwest, und war dabei keine Wolke zu sehen, der man das Getöse hätte zuschreiben können, auch schien es zum Theil unterirdisch zu seyn. Es ist dieses Getöse von mehreren Personen auf dem Felde und in Gärten bemerkt worden, und man hat die Ursache daran nicht enträthseln können.
26ten Mai
Auf dem Staubbesen Raine, an einer Communwiese bei der Naundorfer Mühle, und an den Wiesen bei Burgmanns Garten, welcher gegen über Communfeld und Pfarrfeld liegt, wurden am 8ten 12ten und Grenzberichtigungen gehalten.
9 Mai
Bei einem Scheibenschießen welches die Schützengesellschaft am 9ten Mai hielt, ging dem Kupferschmied Freiwald das Gewehr zu zeitig los. Die Kugel schlug im Schießgraben auf einen Stein, und flog dann dem Windmüller Huske in das Stubenfenster ohne jedoch jemanden zu beschädigen. Folge davon war daß nach und zum Theil kostspieligen Sicherheits Vorkehrungen gemacht werden mußten, als ohnehin schon statt finden.
Am 17ten Mai
ist die Prinzessin Helene von Markleeberg, verlobte Braut Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Orleans auf ihrer Reise nach Paris hier durch gereiset.
Bemerkenswerthe Bauen, welche in diesem Jahr vorgenommen wurden, sind, der Schneidermeister Gehrmann und der Maurermeister Main bauen jeder ein neues Haus in der Zscherne. Der Senator Schmidt bauet eine neue Scheune und ein neues Wohnhaus vor dem Halleschen Thore, der Gastwirth Gürth, im goldenen Ringe am Markte hat einen neuen Saal gebauet, welcher am 24 Juni eingeweihet wurde.
Am 21 Juli
war in Folge eines Landregens ein sehr großes Wasser entstanden. Die Bäche traten aus ihren Ufern, und sämmtliche am Lober entlang liegende Gärten und Wiesen wurden überschwemmt. Die Obstnutzung auf dem Pflaumen Anger vor dem Viehthore wurde in diesem Jahre für 86 Thaler verpachtet. Auch fanden die erstmaligen Verpachtungen der Kirschen an der Leipziger Chaussee und an der Eilenburger Poststraße statt. Für jene wurden 8 Thaler 5 Silbergroschen gezahlt, diese wurden mit den Kirschen an der Dübener Straße zusammen für 9 Thaler 15 Silbergroschen verpachtet.
In dem Monate August
wurde in dem Hofe des Rathauses ein neuer Holzstall für das Königl. Land und Stadtgericht erbauet lediglich auf Kosten des Fiscus.
Brücke am Pfeffermühlenwege
Auf dem sogenannten Pfeffermühlen Wege ist statt der bisherigen hölzernen Brücke, welche die Stadt Commun zu erhalten hat, und die zu fortwährenden Reparaturen Veranlassung gab eine neue steinerne Brücke im Monat Juli erbauet worden.
Am 3ten Septbr
starb der Stadtverordnete und Lohgerbermeister Kunze ein geachteter und braver Mann. In dem Gehöfte des Orgelbauers Lochmann stürtze der Maurer Lehrling Winter aus Schenkenberg vom Gerüste herunter und brach das Bein.
Am 12ten Septbr
ist in unserer Stadt die nächtliche Thorsperre und das Thor Einlaßgeld in Folge höherer Anordnung aufgehoben worden. Diese Anordnung machte nöthig daß dem Pflastergleits Pachter Graul 15 Thaler jährlich an seinem Pachtquanto erlassen werden mußten, und das der Miethzins für die Pfortenwärter Wohnung von 12 Thalern auf 6 Thaler (für die Wittwe Wißverkowitz) herabgesetzt wurde. Weil nunmehr die Thore ganz unnütz sind, so ist um Erlaubnis nachgesucht worden die Thore und Thorpfeiler ganz wegnehmen zu dürfen.
Stadtverordneten Wahl
am 15ten October sind gewählt worden zu Stadtverordneten der Kaufmann Wilhelm Kühne, der Tabaksfabrikant Bier, der Seilermeister Teubner und der Bäckermeister Donath. Zu Stellvertretern der Victualienhändler Hofmann, der Schleifer Richter, der Strumpfwirker Pabst und der Beutlermeister Christoph Teubner.der neu Gewählten geschah am 16 Octbr Nachmittags und es wurden von der neuen Versammlung der ..... Kühne zum Vorsteher der ..... Heinze zum Stellvertreter der ..... Bier zum Protocollführer und der ..... Bretschneider zum Stellvertreter gewählt.
Am 18 Octbr
feierte die Delitzscher Bibel Gesellschaft Nachmittags 2 Uhr in der Stadtkirche ein Bibelfest, mit Gesang und Predigt, worauf sodann der Präsident der Gesellschaft Graf Hohenthal eine Rede an die Versammlung hielt, und zuletzt von dem Diaconus Meusel 48 Bibeln an die dazu ausgewählten und in der Kirche gegenwärtigen armen Kinder vertheilt wurden.
Mädchenschule
Der Bau der neu eingerichteten Mädchenschule war im vorigen Monate beendiget worden. Es waren zwei Klassen und zwei Lehrer Wohnungen hergestellt. Sämmtliche Schulmädchen, welche bisher von dem Mädchen Lehrer Zieger allein unterrichtet worden waren, wurden verhältnißmäßig in zwei Klassen gesondert. Für jede Klasse wurde ein besonderer Lehrplan entworfen und jede Klasse zerfiel wieder in zwei Abtheilungen. In manchen Unterrichts Gegenständen werden beide Abtheilungen zusammen unterrichtet, in manchen eine jede besonders; dem pp. ??? Zieger wurde die erste Klasse übertragen, und als zweiter Mädchenlehrer wurde der bisherige Kinderlehrer Petermann aus Gertitz mit 120 Thaler fixen Gehalt jährlich angestellt. Die feierliche Einweihung der beiden neuen Klassen und die Einführung des neuen Lehrers wurde von der Schul Inspection mit Zuziehung des Schulvorstandes und der Stadtverordneten am 8ten Novbr 1837 vorgenommen, und mehrere Tage darauf wurden beiden Lehrern ihre neuen Dienstwohnungen übergeben, die Besoldung des neuen Lehrers wird aus der Communkasse bezahlt, in welche die einzelnen Bestandtheile dieser Besoldung fließen. Die Communkasse muß jedoch jährlich über 60 Thaler dabei zubüßen. Nur auf diese Weise war es möglich eine Erhöhung des Schulgeldes, worauf Seiten der Geistlichen angetragen worden war, zu vermeiden.
In der Nacht vom 14ten zum 15ten November wurde von Abends 8 Uhr bis gegen 3 Uhr Morgens ein Nordlicht beobachtet; es war ein in seinen Ausstrahlungen und prachtvollem Farbenspiel sehr schönes Phänomen. Das Thermom. zeigte – 6 Reaum. Westwind. Die wahrscheinlichste Ursache des Nordlichts ist nach Franklin das Ausströmen elektrischer Materie am Pol.
Am 24 November
wurde von der neu constituierten Stadtverordneten Versammlung der Beschluß gefaßt die Anschaffung einer Orgel für die Gottes Acker Kirche, wovon pag 55 Erwähnung geschehen, wieder auf zu geben, weil die dazu theils schon gesammelten theils unterzeichneten Beiträge nicht ausreichend waren. Die schon gesammelten Beiträge wurden unterm 19 Decbr 1837 den Einzahlern wieder zurück gegeben. Die Beiträge aber, welche von auswärts her, namentlich durch den Herrn Steuer Einnehmer Weidenhammer in Leipzig eingesendet worden sind, 47 Thaler 15 Silbergroschen haben die Geber nicht wieder zurück nehmen wollen, und ist davon nach dem Willen der Geber ein Stamm Kapital zu einer künftigen Orgelbeschaffung für die Gottes Acker Kirche angelegt worden, dessen Zinsen dem Kapitale zu wachsen und wieder nutzbar angelegt werden sollen.
Kirchen Vorsteher
Auf höhere Anordnung mußte noch ein zweiter Kirchenvorsteher bei hiesiger Stadtkirche angestellt werden, indem alle dagegen gemachten Vorstellungen vergeblich gewesen waren. Es war dazu von den Magistrate als Kirchen Patron der hiesige Bürger und Gold Arbeiter Christian Gottfried Söllner gewählt und am 23ten Novbr 1837 von der Kirchen Inspection auf dem Rathhause verpflichtet worden.
Steuer Kapitalien
An alten unverwechselten Steuer Kapitalien aus dem 15 und 16 Jahrhunderte hatte die Stadt Delitzsch die Summe von 9402 Thalern 2 Silbergroschen 6 dinarium zu fordern, welche bisher regelmäßig theils mit 5 theils mit 3 PC. verzinset worden waren. Unterm 10 Februar 1839 wurde die Rückzahlung dieser Kapitalien angekündiget, und wurde der Zahlungstermin auf Michael 1836 bestimmt. Wegen des hohen Agio, welches der Magistrat von diesem Gelde verlangte – vom Thaler 11 Silbergroschen 6 2/3 dinarium (??) . Geld – und wegen des dadurch nöthig gewordenen vielfachen Hin und Herschreibens, wurde die Rückzahlung noch hinausgeschoben. Die Kommun wollte Anfangs den Fiscus wegen des verweigerten Agio verklagen, gab jedoch diesen Vorsatz nach eingeholtem Gutachten von dem Justiz Commisär Wachsmuth in Naumburg wieder auf, und nachdem alle Anstöße beseitigt worden waren, erfolgte die Rückzahlung der oben genannten Summen mit 5400 Thalern in neuen SteuerCredit Kassen Scheinen und 25 Thaler baar am 3 April 1837 und in 3977 Thaler 2 Silbergroschen 6 dinarium Corv. ( ? ) Geld baar am 7 Septbr 1837. Von diesem Gelde wurden zu Johanni zu Michael und zu Weihnachten 1837 an Communal Schulden 9183 Thaler 3 Silbergroschen 9 dinarium zurückgezahlt. Übrigens ist der Magistrat der Meinung, daß die Commun wohl ein Recht gehabt hätte, das erwähnte Agio zu verlangen, nur würde es ihr wohl kaum gelungen seyn ihr Recht zu beweißen, weil die Nachrichten über die Veränderungen, die mit jenen Kapitalien vorgegangen, zu unvollständig waren.
Straßenordnung
Auf Veranlassung der Königl Preußischen Hochlöblichen Regierung zu Merseburg war von dem Magistrate eine Straßen Ordnung für die Stadt Delitzsch entworfen, und nach deren vorhergegangener Genehmigung von der gedachten (?) Regierung, unterm 18 Decbr 1837 zum Druck befördert, und an sämtliche Einwohner vertheilt worden.
Meusels Abgang
Der Katechismus Prediger und Diaconus Meusel, welcher erst am 7 Februar 1836 zu uns gekommen war, verließ uns wieder mit Ende des Jahres 1837 und ging als Pastor nach Claußnitz, Ephorie Penig. Er hielt am 31 Decbr 1837 seine Abzugs Predigt. Am 10ten Decbr war ihm zu Ehren von der Gesellschaft zur Erholung im Barthschen Saale ein Abschiedsfest gegeben worden. (Dieser als Mensch undKanzelredner gleich hochgeachtete vortreffliche Mann starb d. 11ten Februar 1857, 53 Jahre alt.)
Stadtwaage
Auf Antrag des bisherigen Pachters der Stadtwaage des Vergolders Gesell wurde die Wagegeld Einnahme vom Anfang des künftigen Jahres an anderweit verpachtet, und zwar an den Bürger und Schneidermeister auch Ephoralboten Craatz für 15 Thaler jährlich auf 6 Jahre. Gesell hatte jährlich 16 Thaler Pachtgeld gegeben und da an der Beendigung seiner Pachtzeit noch 4 Jahre fehlten, so mußte er die Commun wegen dieses Ausfalles mit 4 Thalern entschädigen.
1838
Die Schlämmung der zweiten Hälfte des Stadtgrabens wurde dem Maurermeister Meie für die Summe von 350 Thalern Überlassung des Schlammes und Darleihung der Schlämmungs Geräthschaften übertragen. Er hat am 13 Novbr 1837 damit begonnen , und solche bis zum 13 Februar 1838 beendiget. Der Schlämmungs Aufwand für diese zweite Hälfte des Stadtgrabens beträgt 386 Thaler 4 Silbergroschen 2 dinarium mit Einschluß der Entschädigung des Stadtmüllers Trommler für das Stillestehen seiner Mühle weshalb demselben 4 Scheffel – Metzen Roggen und – Scheffel 8 Metzen Weitzen dresdner Maaß monatlich von seinem Getreide Erbzinse, dem Mühlen Kauf Contracte gemäß, erlassen worden sind, auf 3 ½ Monate.
Am 15 Januar
früh ½ 4 Uhr bei strenger Kälte weckte uns Feuerlärm. Es brannte in den Seiten Gebäuden welche die Gehöfte des Apothekers Freyberg und Kaufmann Mulrott, am Markte von einander trennen. Die Gebäude waren nur niedrig und völlige Windstille und das Feuer wurde bald gelöscht.
Der Winter war sehr kalt, und die Kälte lange anhaltend, vom 6 Januar bis zu Ende Februar. Es wurde mehrmals Holz an die Armen vertheilt. Für die städtischen Armen zusammen für 155 Thaler 15 Silbergroschen, welche theils durch freiwillige Beiträge – in zwei Sammlungen 86 Thaler 16 Silbergroschen 7 dinarium – aufgebracht, theils aus der Hospitalkasse der Dr. Schulzeschen Stiftung, der Kämmerei und Armenkasse entnommen worden sind. Außerdem wurden von dem Hl Grafen von Hohenthal-Döbernitz noch 20 Thaler zum Holz Ankauf für die Armen geschenkt. Für die Armen der Grünstraße ist besonders gesammelt worden. Es waren für die dortigen Armen eingegangen 36 Thaler 15 Silbergroschen.
Auch von Privat Gesellschaften ist zur Unterstützung der Armen in dieser allgemeinen Noth vieles geschehen. Der Schnee lag sehr hoch und mußte zur Stadt hinaus gefahren werden, um die Straßen in der Stadt fahrbar zu machen.
Feuerordnung
Unterm 5ten Februar 1838 ist eine neue Feuer Ordnung für die Stadt Delitzsch entworfen, und solche unterm 31ten März 1838 zum Druck befördert und publicirt worden.
Fischkasten
Dem Pflaster Gleits Pachter Graul ist die Anlegung eines feststehenden Fischkastens in dem Stadtgraben neben der Brücke am Breiten Thore erstattet worden. Es lehnt sich dieser Fischkasten mit der Rückwand an den zum Thorwärter Hause gehörigen Garten an, und giebt der pp Graul wenn künftig sein Pflaster Gleits Pacht aufhört, jährlich 6 Silbergroschen Fischkastenzins an die Communkasse.
Stichflammen Oefen
Der Obersteuer Controlleur Köpke welcher von Stendal hierher versetzt worden ist, um die hiesige Königl. Steuer Einnehmer Stelle zu verwalten (der bisherige Steuer Einnehmer Inkermann ist wegen 1400 Thaler Kassen Defecte seines Amtes entsetzt worden seit Januar den 20ten 1837 und nachher zu 1 ½ Jahr Festungsstrafe in Magdeburg verurtheilt;) hat uns eine neue Art Oefen zu bauen gelehrt, die er Stichflammen Oefen nennt, und die sehr auf Holz Ersparniß und auf schneller Heitzung der Zimmer einwirken. Mehrere Einwohner welche sich solche Ofen haben setzen lassen, sind damit sehr zufrieden. Es sind diese Oefen Köpkens eigene Erfindung und hat er dafür eine Prämie von 200 Thalern in Berlin bekommen.
Akazien
An die Stelle der vor mehreren Wochen umgeschlagenen Pappeln an der Pforte wurden im Frühjahr Akazien angepflanzt. Die Pappeln waren weggenommen worden, weil sie durch ihre Größe bei heftigem Sturme dem Ufer des Stadtgrabens gefährlich zu werden drohten.
Diaconus Walkker
Unser neuer Katechismus Prediger und Diaconus Pastor Walcker aus Buckau bei Herzberg ist am 27 März 1838 hier eingetroffen. Der Bauverwalter Kaufmann hat demselben seine Dienstwohnung, deren Thüren mit Blumen Guirlanden geschmückt waren übergeben und eine Deputation von 4 Stadtverordneten hat ihn Namens der Stadt begrüßt. Am 1 April hat er seine Anzugs Predigt gehalten, und ist invastirt worden. In der Gottes Acker Kirche hielt er die erste Predigt am ersten Osterfeiertage den 15 April 1838.
Am 26 April
starb die gewesene Besitzerin des Gasthofs zum weißen Rosse, Baronin von Minckwitz. Sie hatte in ihrem Testamente ein Legat von 200 Thalern, dessen Zinsen zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers verwendet werden sollen ausgesetzt, 4 Wochen nach ihrem Tode zahlbar. Dieses Legat ist mit zu der schon vorhandenen Stiftung der Kaufmanns Wittwe Hartmann für den Hülfslehrer an der Mädchenschule genommen worden. Es soll daher diese Stiftung künftighin Hartmann und von Minckwitzische Stiftung zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers genannt werden. Die 8 Thaler jährliche Zinsen von dem Legate der 200 Thaler sollen regelmäßig an den zweiten Mädchenlehrer Petermann über die ihm nach fol 62 ausgesetzten 120 Thaler Besoldung ausgezahlt werden.
Zimmermeister Posern
Ein zweiter Zimmermeister Posern aus Kemberg hat sich schon im Monate März d. J. hier niedergelassen, und hat zur Niederlegung und Bearbeitung seiner Bauhölzer einen Theil von dem Hutungs Platze neben dem Gasthofe zur Weintraube angewiesen bekommen.
In der kleinen Scheungasse, welche von dem Steinwege nach den beiden großen Scheungassen vor den breiten Thore führt, ist eine Gosse gepflastert worden, um diese Gasse reinlicher und für Fußgänger und Fuhrwerk bequemer zu machen. Diese Pflasterung hat sich nachher auch auf die erste Scheungasse ausgedehnt, und ist diese in der Mitte von oben bis unten ebenfalls mit einer gepflasterten Gosse zum Abfluß des Regen und Schneewassers versehen worden.
10 – 11 Mai
In der Nacht vom 10 – 11 Mai war ein so starker Frost, daß vieles Getreide Wein und Obstbäume erfroren sind.
Zu Anfange des Monats Mai wurden die 4 Thor und Thürpfeiler am breiten Thore, die beiden Thorpfeiler am halleschen Thore abgetragen und Thore und Thüren weggenommen. Auch die beiden Flügel des Pfortenthores wurden weggenommen, jedoch daselbst die Pfeiler stehen gelassen.
Es war zu dieser Wegnahme der Thore und Abtragung der Thorpfeiler Genehmigung der K. Regierung zu Merseburg eingeholt worden, welche dieserhalb an das Kriegs Ministerium hatte berichten müssen. Die Eingänge zur Stadt wurden dadurch ganz frei.
Am 23 Juni
vormittags gegen 11 Uhr, bei heftigem Westwinde entstand in dem Hause des Schlossermeisters Sander an der Pforte Feuer. Das Feuer war unter dem Dache ausgekommen, und es schienen dieses Haus und die beiden Nachbarhäuser der beiden Schumachermeister Hund und Schreiter verloren zu seyn. Indessen wurden durch die schnelle Hülfe das Feuer bald gelöscht, und nur Sanders Haus dadurch ruiniert, die beiden Nachbarhäuser aber wenig beschädiget.
Am 18 Juni
vormittags 8 Uhr wurde von der Delitzscher Bibel Gesellschaft in der Stadtkirche ein Bibelfest mit Gesang und Predigt gehalten, und wurden gegen 50 Bibeln an arme Kinder vertheilt.
Obst Verpachtung
Die diesjährigen sauren Kirschen an der Eilenburger und Dübener Straße und dem Verbindungswege am Galgthore sind am 26 Juni für 9 Thaler 15 Silbergroschen verpachtet worden. Zu den süßen Kirschen an der Leipziger Straße fand sich kein Abnehmer, weil die Bäume zu wenig Früchte hatten. Die Pflaumen auf der Plantage vor dem Viehthore sind am 24 Juli ca für 100 Thaler verpachtet worden.
Eine Dachreparatur an den beiden Schaafställen des Commungutes kostete 111 Thaler.
Für die 3 Brandbeschädigten Sander Hund und Schreiter ist von den Stadtverordneten eine Collecte in der Stadt gesammelt worden welche 76 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium eingetragen hat. Davon haben erhalten Sander 50 Thaler Hund 16 Thaler Schreiter 10 Thaler 13 Silbergroschen 9 dinarium.
Die Post Expedition
ist in das Haus des Kaufmanns Krause am Markt verlegt worden vom 1 August ab. Nach v. Buenaus Tode ward v. Espinol aus Berlin Postmstr.
August
In demselben Monate wurde die Lehmannsche Wüstung in der Süßemilchgasse, eine Brauerben Hausstelle, von dem Schumachermeister Stübner wieder bebauet. Mehrere hiesige Einwohner haben Gebäude mit Dornschen Dächern, d. h. ganz flache Dächer, nach Vorschrift des Fabriken Commissionsrath Dorn in Berlin ausgeführt, namentlich der Zimmermeister Krause, Kaufmann Krause, Apotheker Freyberg Maurermeister Meie Seilermeister ...................... u.m.a.
Ernte Wetter
Die diesjährige Getreide Ernte wurde durch lange anhaltende nasse Witterung sehr erschwert, und um mehrere Wochen verspätiget. Vieles Getreide wurde naß eingebracht oder ist auf dem Felde ausgewachsen.
Legat von 200 Thalern
Die am 26ten April 1838 verstorbene Freifrau von Minkwitz hat zur Besoldung des zweiten Mädchenlehrers ein Legat von 200 Thalern ausgesetzt, welches zu Anfange des Monats August d.J. von der Universalerbin Frau Samberg ausgezahlt wurde. Es sind dafür 200 Thaler Preußische Staats Schulden Scheine angekauft worden, wovon die ersten Zinsen auf dem 2ten Januar 1839 an den zweiten Mädchenlehrer Petermann ausgezahlt werden.
Am 25ten Septbr
wurde der 7jährige Sohn des Tagelöhners Naumann, vor dem breiten Thore in der Nähe der Obstbuden von einem Leiterwagen überfahren, der linke Arm des Knaben wurde mehrmals gebrochen, und mußte abgelöset werden.
Auf die Stadt Kriegsschulden wurden im Laufe dieses Jahres 1150 Thaler abgezahlt. Von dem Communplatze an der Malzdarre wurde an die anliegenden Hausbesitzer verkauft, an den Maurermeister Meie 11 ½ Quadrat Ruthen, an den Federviehhändler Ehrlich 4 ¾ Quadrat Ruthen an den Leinwebermeister Beyer 6 ½ Quadrat Ruthen an den Zimmergesellen Haase 6 ½ Quadrat Ruthen und an den Fuhrmann Pannier 2 Ruthen. Jeder dieser Arequirenten zahlt statt des Stadtgeldes jährlich pr Ruthe 2 ½ Silbergroschen Erbzinns an die Kämmererkasse zum ersten Male Michael 1838. Außerdem sind die Arequirenten mit Ausnahme des pp Pannier noch Königl Steuern aufgelegt worden dem pp Meie 1 ............. dem pp Ehrlich ½ .........., dem pp Beyer und pp Haase jedem 5/8 ........ nach dem Stadtfuße.
Am 14ten October
wurde die Wahl der neuen Stadtverordneten und Stellvertreter vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Seilermeister Gottlob Barth der Victualienhändler Hoffmann, der Schleifer Anton Richter und der Gürtlermeister Kretzschmer, zu Stellvertretern der Gastwirth Gottlob Becker, der Kaufmann Schulze der Kaufmann Haacke und der Leinewebermeister Schönbrodt. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 15ten Octbr, und wurden von der neu constituirten Versammlung zum Vorsteher der Kaufmann Kühne und zum Stellvertreter der Müller Bretschneider, zum Protokollführer aber der Gürtler Kretzschmer und der Bäcker Donath zu dessen Stellvertreter erwählt.
Pathengeschenk
Zu Ende October wurde dem hiesigen Bäckermeister Braune der siebente Sohn aus einer Ehe geboren, weshalb ihm das Königliche Pathengeschenk von 50 Thalern bewilliget worden ist.
Tabakfabrik
die seit mehreren Jahren in der Rittergasse bestehende Tabakfabrik des Kaufmanns Heinrich Schmidt in Leipzig ging an den Kaufmann Gottlob Bier über und wurde die Firma der Fabrik auf des letzteren Namen umgeändert, im October 1838.
Pflastergleite Wochenmarkt und Jahrmarkt Stättegeld
Die Pachtungen über diese 3 Gegenstände gingen mit dem Schlusse des Jahres 1838 zu Ende und es wurde daher von neuem verpachtet a. das Pflastergleite in beiden Thoren auf 6 Jahre für 213 Thaler jährlich an dem Victualienhändler Hofmann, b. das Stättegeld bei Wochenmärkten auf 3 Jahre für 161 Thaler jährlich an den Haasen Händler Naumann, c. das Stättegeld an Jahrmärkten auf 3 Jahre für 60 Thaler jährlich an eben denselben.
Holz Auction
In der Holz Auction in dem Augustusbusche am 19ten Decbr 1838 wurden aus den über die Deputate geschlagenen Hölzern 128 Thaler, 14 Silbergroschen gelöset.
Prüfungs Commission für Bauhandwerker
Schon vor zwei Jahren wurde die bisher in Weißenfels bestandene Königliche Prüfungs Commission für Bauhandwerker nach Delitzsch verlegt, und Anfangs dem Landrathe von Pfannenberg seit dem Monat März 1838 aber dem Bürgermeister Securius das Directorium bei derselben übertragen. Die Mitglieder der Commission sind außer dem genannten Director derselben der Königl Bau Inspector Müller der Zimmermeister Krause, der Maurermeister Meie und der Maurermeister Göttsching jun.
Anlegung der neuen Leipziger Straße
Schon im Jahre 1832 als die Chaussee von Delitzsch nach Leipzig gebauet, und zu dem Ende die Kohlthorbrücke neu hergestellt und vergrößert auch jenseit derselben die Chaussee rechts über die Wiesen hinweg geführt wurde, sprach sich Seiten der Bewohner der innern Stadt der Wunsch aus, daß man die neue Straße von Bitterfeld nach Leipzig durch die Stadt Delitzsch hindurch führen möchte. Es geschahen auch zur Erreichung dieses Wunsches verschiedene Schritte bei den höheren Behörden, und wurde eine Collecte veranstaltet, um den dadurch für die Stadt entstehenden Aufwand mit decken zu helfen. Es wurde jedoch mittels Verordnung vom 15ten Septbr 1832 das dies sellbige Gesuch von der Regierung zu Merseburg abgeschlagen. Am 2ten Januar 1838 gaben nun die Stadtverordneten ein Gesuch ein, worin die Unterstützung der Commun zur Anlegung eines neuen Thores auf der Mittags Seite der Stadt, um dadurch einen näheren Weg nach Leipzig zu gewinnen und einen Ausgang aus der Stadt mehr zu bekommen, in Anspruch genommen wurde. Es hatte sich zu dem Ende ein Verein von mehreren Bürgern gebildet welcher sich der Anlegung der neuen Straße und der damit verbundenen beiden Brücke über den Stadtgraben und über den Lober unterziehen wollte und mit welchem Seiten der Commun ein förmlicher Contract abgeschlossen wurde. Es wurden aus der Kämmereikasse 2000 Thaler dazu bewilliget, außerdem wurden noch 1600 Thaler freiwillige Beiträge dazu eingesammelt, und das Erd und Sand Material nebst Fuhrmann wurden von den dabei interessierten Pferde haltenden Bürgern unentgeldlich geleistet. Seiten der Vorstadtbewohner, welche Beeinträchtigung in ihrer Nahrung fürchteten, waren aber dem Unternehmen so vielfache Hindernisse entgegengestellt worden, daß über deren Beseitigung das ganze Jahr 1838 verflossen war. Der Bau konnte erst im Monat März 1839, am 15ten, seinen Anfang nehmen, mußte in Folge besonderer Verfügung vom 25 März 1839 wieder unterbrochen, und durfte erst am 29ten April 1839 wieder fortgestellt werden. Am 13ten Mai 1839 wurde der Rost zu dem ersten Brückenpfeiler jenseits des Lobers eingesetzt, und geschah dieses mit lautem Jubel der dabei Interessierten, mit Musik und fröhlichem Gesang. Der Bau wurde nun vom Anfange sehr lebhaft, späterhin etwas langsamer betrieben und kam erst im November 1841 völlig zu Stande.
1839
Schmidts Scheunstelle am Kohlthore
Mittelst Kaufs vom 10ten Januar 1839 wurde die wüste Schmidtische Scheunstelle am Kohlthore und der Platz vor derselben von der Commun erkauft für die Summe von 450 Thalern, wogegen jedoch von der Verkäuferin, Wittwe Schmidt, die zu erwartenden 200 Thaler Brandkassen Entschädigung der Commun mit überlassen wurde. Die Scheune war nämlich am 17 Octbr 1836 abgebrannt. Die Commun wollte durch diesen Ankauf verhüten, daß nicht wieder eine Scheune auf dem Platze aufgebauet würde. Zu Ende des Jahres 1839 wurde derselbe Platz mit etwas vergrößerter Ausdehnung an den Zimmermeister Posern, zur Erbauung von Wohngebäuden, für die Summe von 305 Thalern wieder verkauft jedoch ohne die 200 Thaler Brandkassen Entschädigung.
Rathhausböden
Die Rathhausböden wurden an den Kaufmann Bier auf 3 Jahre vom 1 Mai 1839 für 16 Thaler jährlich verpachtet zum Tabaktrocknen.
Am 12 Februar
wurde der Handarbeiter Conrad, welcher wegen Diebstahls in Untersuchung gerathen, und darauf längere Zeit vermißt worden war, im Augustusbusche erhängt aufgefunden.
Zur Unterstützung der Armen mit Holz waren in einer Collecte 44 Thaler 15 Silbergroschen 3 Pfennige eingesammelt worden. Von dem Grafen Hasenthal Döbernitz erhielt unsere Armenkasse ein Geschenk von 20 Thalern.
Am 18ten April
beehrte der Herr Regierungs Präsident Graf von Arnim unsere Stadt mit seinem Besuche und nahm Rathhaus Kirchen und Schulen in Augenschein.
Die Lehmannsche
Wüstung in der Süßmilchgasse hat der Schumachermeister Stübner mit einem übersetzten Hause wieder bebauet, welches er am 7ten Mai 1839 bezogen und darauf die versprochenen 10 Thaler aus der Wüstungskasse ausgezahlt erhalten hat.
Stadt Kriegs Schulden
Zur Tilgung der Delitzscher Stadt Kriegs Schulden welche nach der unterm 20 Juli 1822 von der damaligen Stadt Kriegs Schulden Commission gegebenen Übersicht 14637 Thaler 15 Silbergroschen betrugen wurde unterm 12ten April 1839 das letzte Ausschreiben mit 14 Silbergroschen von 100 Thalern Einkommen erlassen. Die Beiträge welche seit jener Zeit zur Tilgung dieser Schuld von den hiesigen Einwohnern gezahlt worden sind, erreichen die Summe von 22000 Thalern.
Gesells Haus
Im Jahre 1839 wurde von dem Vergolder Herrn Gesell das vorher dem Schlossermeister Welker gehörige Wohnhaus an der Ecke der Goldhahn Gasse, jetzt Leipziger Gasse, neu aufgebauet.
Pocken
Ein Landwehrmann, Namens Frömichen aus dem Dorfe Mildenstein im Bitterfelder Kreise, welcher zur Landwehr Übung in dem Monate Juni 1839 mit einberufen worden war, brachte uns die Menschenpocken hierher, welche ohngefähr ¾ Jahr lang hier aushielten, woran einige Personen starben, und wogegen alle gesetzlich vorgeschriebenen Vorsichts Maasregeln zur Anwendung gebracht werden mußten.
Am 12ten Juni
war der Hl. Reg. Rath Denneil aus Merseburg hier, revidirte das Armenhaus, das Hospital und die Hospitalkasse und hielt mit dem Herrn Superintendenten und den Magistrate einen Empfang auf dem Rathhause.
Der Apotheker
Schulze erbauete in dem Garten des vormals von Hartitzscheschen Hauses am Schloßplatze eine chemische Fabrik; der Besitzer machte aber bald nachher Banquerott.
Der Böttchermeister
Georgi und der Zimmermeister Posern führten in der neuen Leipziger Gasse neue Häuser auf. Auch wurde in demselben Jahre das Pflaster Gleits Häuschen in derselben Gasse von dem Comittee zur Anlegung der neuen Straße zu Gunsten der Commun erbauet.
Am 20 Juli
wurde der Schornsteinfeger Krause aus Schkeuditz wegen Ausgabe falscher sächsischer zweitfäleriger Kassen Anweisungen (Billets) hier arretirt; er bekam 4 Jahre Zuchthausstrafe.
Die diesjährigen Kirschen in den der Stadt Commun gehörigen Alleen wurden für 43 Thaler die Pflaumen aber für 80 Thaler verpachtet.
Drohbriefe
In den Monaten August und September wurde die hiesige Stadt durch das Auffinden einiger Branddrohbriefe erschreckt, welche jedoch keinen weiteren Erfolg hatten.
Am 20ten October
fand die Wahl der neuen Stadtverordneten und Stellvertreter statt. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der I.C.Hassert, der Strumpfwirker Pabst der Chirurg Rathmann und der Kaufmann Haacke, zu Stellvertretern der Schneidermeister Bier, der Schneidermeister Crätz, der Seifensieder Held und der Fleischermeister Barth jun.
Die Einführung
der neu Gewählten geschah am 24ten October, und es wurden von der neu constituirten Versammlung der I.C.Hassert zum Vorsteher, der Gürtler Kretzschmer zum Stellvertreter der Kaufmann Kühne jun. zum Protocollführer und der Kaufmann Bier zum Stellvertreter gewählt.
Am 9ten October
beehrte der Herr Oberpräsident der Provinz Sachsen Graf Stollberg die Stadt mit seinem Besuche.
Am 31ten
October wurde in Folge Allerhöchster Anordnung das Reformationsfest als Erinnerungsfest an die vor 300 Jahren geschehene Einführung der Reformation in die Provinz Sachsen als hoher Festtag mit Vor und Nachmittags Gottesdienst gefeiert. Nach Beendigung des Nachmittags Gottesdienstes stellten sich die Schüler der Knabenschule auf dem Markt in einem Kreis in dessen Mitte sich die Geistlichkeit die Schullehrer und das Musikchor befand und es wurde hier das Lied „Nun danket alle Gott“ gesungen, worauf der Hl. Sup. Dr. phil. Rudel mit kräftiger Stimme eine kurze Rede hielt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der letztere sich dabei seinen Tod geholt hat, denn es lag Schnee und war sehr kalt und rauh. Er wurde bald darauf krank und starb am 4ten Januar 1840.
Das Raupen
auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore wurde für 16 ½ Thaler verdungen.
Extrablatt
Am 17ten Julius 1839 starb zu Giessen im 80ten Lebensjahre der Dr. und ordentliche Professor der Theologie Carl Christian Palmer. Derselbe war 1759 in Delitzsch geboren, studierte in Schulpforta und Leipzig, wurde 1782 am letzteren Orte Vesperprediger, 1784 Licent. Theol. und Frühprediger an der Universitäts Kirche, dann 1787 Prof. Theol. Extraord. und 1794 von Leipzig als Prof. Theol. Ordin. und Frühprediger an der Stadtkirche nach Giessen berufen. Im Jahre 1806 wurde derselbe General Superintendent und Mitglied des Kirchen und Schulraths der Provinz Oberhessen. Er war ein sehr gewissenhafter und streng rechtlicher Mann, freisinniger Theolog, und wegen seiner Schriften, welche jeden extremen theologischen Standpunkt vermeiden, wie auch als Kanzelredner und als Mensch sehr hoch geachtet. Bey der Feier seines fünfzigjährigen Amtjubiläums, welche am 22ten August 1837 sehr glänzend und festlich begangen wurde, ernannte ihn der Großherzog zum Geheimen Kirchenrath. Palmer gehört ebenso, wie die nun noch zu erwähnenden Gelehrten früherer und späterer Zeit zu den literarischen Größen und Zierden unserer Stadt. Diese Männer sind folgende: 1) M. Erasmus Schmidt, zu Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts Prof. Ordin. der Mathematik und der griechischen Sprache an der Universität zu Wittenberg, berühmt durch seine vorzügliche Ausgabe des griechischen Dichter Pindar; 2)M. Johann Kuehn, Rector der Schulpforte während der schlimmsten Zeit des dreißigjährigen Krieges (1630 bis 1644); 3) Dr. Medic. Carl Christian Krause, Prof. Anatom. et Chir. Extraord. in Leipzig, starb daselbst im hohen Alter im Jahre 1793, berühmt durch seine treffliche Ausgabe des römischen Arztes Celhus; 4) Dr. Medic. Christian Gottfried Ehrenberg, Prof. Ordin. der Naturwissenschaften zu Berlin, jetzt 78 Jahre alt, berühmt als großer Naturforscher durch seine Reisen und Werke.
Geschrieben im April 1873 Dr. I.
Am 18 Decbr.
feierte der Dr. Ideler Senior hierselbst sein 50jähriges DoctorJubiläum. Es war zu dem Ende ein Mittagessen in dem Gasthofe zum goldenen Ringe veranstaltet worden, an welchem auch der Hl. Regierungs Medicinal Rath Dr. Niemann aus Merseburg Theil nahm. Von Sr Maj. dem König wurde der Jubilar mit dem rothen Adler Orden 4ter Kl. decorirt. Von der medicinischen Facultät der Universität Leipzig erhielt er das Jubel Doctor Diplom, und von der Gesellschaft für Natur und Heilkunde zu Dresden das Diplom als Ehren Mitglied. Von der Bürgerschaft wurde er mit einem silbernen Pocal beschenkt, von mehreren seiner Freunde mit einem zweiten dergleichen Pocale, und von den Medicinal Personen mit einem werthvollen medicinischen Kupferwerk.
1840
Um bei der strengen Kälte die Armen mit Holz zu unterstützen wurde im Monat Januar eine Collecte veranstaltet. Für das Martinsstift zu Erfurt wurden 7 Thaler 16 Silbergroschen 6 dinarium gesammelt und eingesendet.
Die Holz Auction
in dem Communholze am 14ten Januar gewährte einen Ertrag von 161 Thalern 4 Silbergroschen. Es hatten jedoch auf dem Holzschlage die erforderlichen Deputathölzer nicht gewonnen werden können, und mußten daher für die Knaben und Mädchenschule, so wie für den Förster die Klafter mit 8 Thalern bezahlt werden.
Am 4ten Januar
starb der Hl. Sup. Dr. Phil. Rudel 59 Jahre 4 Tage alt. Der Graf von Hohenthal auf Döbernitz schenkte zur Unterstützung der Armen mit Holz 2 Louisdor an die städtische und 1 Louisdor an die Grünstraßer Armenkasse.
Am 5 Februar
starb der Maurermeister Scharlach im 80ten Lebensjahre nachdem er 6 Tage vorher am 29ten Januar 1840 sein 50jähriges Meisterwerden erlebt hatte.
Am 7 Februar
starb im bald vollendeten 78ten Lebensjahre der pensionierte Bauverwalter Wend. Er bekam 30 Thaler jährliche Pension.
16 geköpfte Pappeln auf einem Rundtheile in der Kirschallee wurden stehend für 27 Silbergroschen verkauft.
Am 18 März
wurde das Forsthaus an der Dübener Straße nach Ablauf des bisherigen Pachtes anderweit auf 6 Jahre meistbietend verpachtet an den H Tutschke aus Lehelitz für 82 Thaler jährlich. Das frühere Pachtgeld des H Kohlmann betrug jährlich 117 Thaler. Mithin jetzt 35 Thaler weniger.
Im Frühlinge
und Sommer dieses Jahres wurde die bisher chaussiert gewesene Straße in der Viehgasse und weiter hinaus bis über Thormanns Wohnung hin auf fiscalische Kosten gepflastert.
In der Todtengasse
wurde von dem Fuhrmann Scharf ein neues Wohnhaus, von dem Kaufmann Meißner junior eine neue Scheune und von dem Seilermeister Teubner ein neues Niederlage Gebäude aufgeführt, und wurden dadurch drei früher mit Stroh gedeckt gewesene Scheunen in dieser Gasse weggebracht.
Am 22 März
feierte der Justitiar Hildebrandt sen. sein 50jähriges Dienstjubiläum. Der Juristen Verein hatte an diesem Tage einen Ball mit Abendessen veranstaltet in dem Gasthofe zum goldenen Ringe an welchem über 160 Personen, namentlich auch viele Auswärtige theil nahmen. Vor dem Essen wurde von dem hiesigen Liebhaber Theater Verein, welcher im vorigen Herbste zusammen getreten ist, ein kleines Schauspiel, ein Gesangsstück und einige Scenen aus Göthes Faust gegeben.
Am 28 April
bildete sich ein neuer öconomischer Verein, von einer großen Anzahl von Mitgliedern aus den Delitzscher und Bitterfelder Kreise. Es fand in den Gasthofe zum goldenen Ringe ein Mittagsessen statt.
Die Verpachtung
der Kirschen in den Alleen gab einen Ertrag von 76 Thalern, die der Pflaumen vor dem Viehthore einen Ertrag von 157 Thalern.
Am 10 August
starb in Colberg die Ehefrau des hiesigen Kaufmanns Kühne junior, wohin sie um das Seebad zu gebrauchen gereiset war. Sie war die einzige Tochter der hier wohnenden alten Wittwe M Kretzschmar.
13 August
starb der hiesige Kaufmann Meißner sen. 85 Jahre 11 Monate 5 Tage als. Er war der älteste Mann hier.
11 August
wurde der auf dem hiesigen Commungut erbaute neue Kuhstall gerichtet. Es war dieser Bau Anfangs dem Zimmermeister Posern für 1270 Thaler übertragen worden. Als aber der pp Posern seiner zerrütteten Finanzen wegen im April 1840 von hier fortging wurde der Bau in bedeutend größerer Ausdehnung dem Zimmermeister Krause für 2470 Thaler übertragen. Während der Bau Ausführung fanden sich aber noch mehrere Gegenstände welche machen zu lassen für nöthig erachtet wurde, und man kann daher den Werth des ganzen Gebäudes auf 2800 Thaler annehmen. Der Eifer mit welchem der Bau der neuen Leipziger Straße Anfangs betrieben wurde, ließ in diesem Jahr sehr auffallend nach. Besonders fehlte es an der gehörigen Aufschüttung und Verbreiterung des Fahrdamms von der Loberbrücke bis dahin wo die neue Straße in die alte einmündet. Es mußte daher die schon begonnene Benutzung dieser Straße wieder untersagt, und mußten wiederholte Verfügungen an den Straßen Bau Verein erlassen werden um die Straße an den beiden Endpuncten auf angemessene Weise zu versperren. Der Kaufmann Kühne sen. erbauete dicht an der neuen Straße innerhalb seines Zwingers ein freundliches Gartenhaus, welches zur Verschönerung des Eingang in die Stadt sehr beiträgt.
In der Holzgasse
wo von Richters Hausecke ab das Pflaster fehlte, wurde dieses Pflaster auf Kosten der Commun hergestellt.
Ein Proceß,
welchen die Königl Regierung zu Merseburg Namens des Fiscus bei der General Commission zu Stendal angestellt hatte gegen die hiesige Stadtkommun wegen der Seiten des Fiscus behaupteten Eigenthumsrechte an Grund und Boden des Angers vor dem Viehthore, wurde von der Commun gewonnen, und der Fiscus mit seinem behaupteten Eigenthumsrecht auf Grund einer in Lehmanns Chronik befindlichen Schenkungsurkunde vom 1ten April 1384, abgewiesen. S. Lehmanns Chronik.
Dem Arris Inspector
und vormaligen Bürgermeister Schulze war auf Anordnung der K. H. Regierung zu Merseburg wegen einiger neu übernommenen Gerichtsbestellungen die ihm früher bewilliget gewesene Pension seit einigen Jahren nicht mehr gezahlt worden. Es hatte deshalb die Commun verklagt und war in dem ersten Urteil mit seiner Klage abgewiesen und in die Kosten verurtheilt worden. Das Zweite Urteil auf die seiner Seits eingelegte Appellation sprach ihm die frühere Pension von 66 Thalern 23 Silbergroschen 9 dinarium wieder zu, und da die Stadtverordneten sich bei diesem zweiten Urteil beruhigten, so mußte diese Pension vom 1ten Juli 1836 ab mit Verzugszinsen nachgezahlt, und künftig alljährlich, vierteljährlich praemmeranto gezahlt werden. Ist kein Beweis von Liebe zur Vaterstadt.-
Am 18ten October
wurde die Stadtverordneten Wahl vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Posamentierer Querl, der Stadt Musicus Hofmann, der Strumpffabrikant Arndt jun., der Stadtmüller Trommler, zu Stellvertretern der Tischlermeister Krause, der Drechslermeister Ufer, der Zimmermeister Peisker und der Kaufmann Wilhelm Schulze. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 19ten October 1840 und wurde von der neuen Versammlung gewählt zum Vorsteher Kretzschmar, zum Stellvertreter desselben Becker, zum Protocollführer Haacke zu dessen Stellvertreter Pabst.
Am 24ten Novbr
feierte der gewesene Magistrats Assessor Teuscher seine goldene Hochzeit.
1841
Am 11 Januar
starb nach 47jähriger Amtsführung der Archidiaconius M. Morgenstern, 77 Jahre alt.
Sup. Foerster.
Am 2ten Februar traf unser neuer Superintendent Förster aus Lützen hier ein. Es fuhren ihm einige vierzig Personen in 16 Kutschen bis Lemsel entgegen. Am 7 Februar hielt er ohne Probe seine Antritts Predigt mit allgemeinen Beifall und Nachmittags fand ihm zu Ehren ein großes Mittagsmal in dem Gasthofe zum goldenen Ringe statt. Magistrat und Stadtverordnete holten ihn früh halb 9 Uhr in seiner Wohnung ab, und führten ihn zur Kirche. Tags darauf wurde ihm die Wohnung sowie das Pfarr- und Ephoral Archiv übergeben. Am 7ten d. M. schenkte Jemand der Stadtkirche ein schwarz polirtes Crucifix mit vergoldetem Christusbild.
Der strenge und lange anhaltende Winter machte mehrmalige Unterstützung der Armen mit Holz nöthig. Es wurden unter die Armen vertheilt am 24ten Decbr 1840 4 Klaftern, am 13ten Januar 1841 3 ½ Klafter am 5ten Februar 4 Klafter und am 9ten Februar 1841 3 Klafter Brennholz. Der Graf von Hohenthal Döbernitz hatte dazu 4 Klaftern gegeben.
Am 21 Februar
Nachmittags ertrank die 9jährige Tochter des Tagelöhners Weiske beim Spielen am Wasser des großen Schutzes. In Folge des am 5ten März und f. eingetretenen Thauwetters war hier 6 Tage lang großes Wasser, was eine sehr seltene Erscheinung hier ist, da das große Wasser gewöhnlich nur 1 bis 2 Tage anhält. Es wurde durch das große Wasser die Schaafbrücke weggerissen.
Die Holz Auction
am 16ten Januar gab einen Ertrag von 452 Thalern 13 Silbergroschen. Es war aber das Deputat Klafter Holz für die Knabenschule nicht auf dem Holzschlage gewonnen worden und mußte dasselbe für 93 Thaler 15 Silbergroschen erkauft werden.
Am 18ten Februar
wurde der Diaconus Walcker zum Archidiaconus und am 17ten Juni der Cand. Baltzer aus Hohenleine zum Diaconus erwählt. Mit Anstellung dieser beiden Geistlichen wurde die im Monat August 1818 geschehene Fixierung des Beichtgeldes wieder aufgehoben. Das Beichtgeld wurde wieder in seine frühere Gestalt d.h. in eine freiwillige Gabe des Beichtenden an seinen Beichtvater verwandelt vom 1ten October 1841 ab. Mit dieser Veränderung war auch eine neue Gehalts Regulierung dieser beiden geistlichen Stellen verbunden, und um diese zu erleichtern wurde das Amt des Katechismus Predigers dem Archidiaconus und das des Hospital Predigers dem Diaconus mit überwiesen. Die Amtstitel für beide Geistliche wurden dahin festgestellt Katechismus Prediger und Archidiaconus, Diaconus und Hospital Prediger. Das Gehalt für die erste Stelle wurde auf 395 Thaler 12 Silbergroschen 6 dinarium, das für die zweite auf 334 Thaler 27 Silbergroschen 2 ½ dinarium festgestellt, wobei das Beichtgeld nicht mitgerechnet ist. Der Herr pp Walcker trat sein Amt den 1ten August und der Herr pp Baltzer das seinige den 1ten Septbr 1841 an. Beide wurden am 5ten Septbr eingeführt.
Im Monat April
riß der Magistrats Assessor und Kirchen Vorsteher Meißner das von seinem Vater geerbte Wohnhaus am Markte nieder, um es verschönert wieder neu aufzubauen. Das neue Haus wurde gerichtet am 23ten Juni und von dem Eigenthümer bezogen am 16ten Novbr. Es ist dieses Haus jetzt das geschmackvollste an unserem Marktplatze. Beim Abtragen des alten Hauses wurden in der Küche von den Arbeitern mehrere Gold und Silbermünzen gefunden, wohl weit über 50 Thaler am Werthe.
Am 9ten Mai
wurde die Wahl von 3 neuen Candidaten zum Schiedsmanns Amte vorgenommen. Es wurden zu Candidaten gewählt von der Bürgerschaft der Bürgermeister Securius der Stadtverordneten Vorsteher Kretzschmar und der Kaufmann Tiemann. Aus diesen dreien wurde von der Stadtverordneten Versammlung der erstere zum Schiedsmann erwählt. Er wurde als solcher verpflichtet am 6 Juli. Sein Vorgänger war der Postcommissarius Päßler.
Die Kirschverpachtung am 26 Mai 1841 gewährte 88 Thaler 16 Silbergroschen.
Am 8 Juni
warf ein heftiger Sturm 4 Pappel und 1 Acazie in der Allee um die Stadt um.
In der Kohlgasse wurden während des Sommers zwei neue Hinterhäuser mit Ausgängen nach der Allee zu gebauet, nämlich von dem Beutlermeister Teubner und von dem Töpfermeister Weise.
Am 18ten Juli
war ein heftiger Orkan durch einen großen Theil von Europa. Bei uns warf er auf dem Felde viele Mandeln durcheinander, zerbrach und schüttelte die Obst Bäume. Dem ohngeachtet wurden die diesjährigen Pflaumen wenige Tage darauf für 192 Thaler verpachtet.
Am 27ten Juni
starb der Landrath von Pfannenberg auf Storckwitz 52 Jahre alt und 18 Tage. Als interims Verweser wurde der Reg. Ref. von Schönfeldt hierher gesendet. An die Stelle der zu Anfange des Monats März vom großen Wasser weggerissenen Schaafbrücke welche nur für Fußgänger eingerichtet war wurde eine größere zum Fahren taugliche Brücke gebauet. Zu diesem Baue gab der Stadtmüller Trommler 25 Thaler und der Pachter des Commungutes Amtmann Küster leistete die Fuhren. Der Bau geschah im Monate August.
Am 10 Septbr
beehrte uns der Regierungs Präsident aus Merseburg Herr von Krosigk mit seinem Besuche.
Am 12 Septbr
wurde das Bibelfest gefeyert, und am 24ten Septbr wurde auf hiesigem Rathhause Kreistag gehalten und dem Vorsitze des Landraths von Leipziger zu Bitterfeld, um die Wahl von 3 Candidaten zum Landraths Amte vorzunehmen. Es wurden gewählt der Regierungs Referendar von Pfannenberg der Reg. Ref. von Schönfeldt und der Lieut. von Bosse.
Am 4ten Octbr
warf Maximilian Meyer, ein Oeconom aus Bitterfeld aus bösem Willen bei dem hiesigen Land und Stadtgerichte mehrere Fenster ein.
Am 17ten Octbr
wurde die Wahl von neuen Stadtverordneten und Stellvertretern vorgenommen. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Chirurgus Große der Instrumentenmacher Moritz der Seifensieder Karl Held und der Leineweber Schönbrodt, zu Stellvertretern der Huthmacher Schumann der Schneidermeister Kreutzer der Tischlermeister Blanke der Gastwirth Sänger. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 18ten Octbr. und wurden sodann von der Versammlung der Kaufmann Haacke zum Vorsteher zu dessen Stellvertreter der Seifensieder Held, zum Protocollführer der Stadtmusicus Hofmann und zu dessen Stellvertreter der Leineweber Schönbrodt gewählt. Der Provinzial Stempel Fiscal Reg. Rath Schenk aus Mühlhausen hielt im Herbste Stempel Revision.
Am 12 Novbr
wurde von dem erwähnten Straßenbauverein – bestehend aus folgenden Mitgliedern Dr. Gerber, Kühne sen., Wilhelm Kühne, Becker, Tiemann, Krause, Bier, August Schmidt sen., Friedrich Gottlieb Schmidt, Christian Friedrich Schmidt, Friedrich Held Chirurgus Große Gastwirth Fröhlich und Posthalter von Bunau – die neue Leipziger Straße mit dem Pflaster Gleitshause als vollendet an die Commun übergeben, und von der letzteren übernommen. Einige Wochen darauf wurden die noch rückständigen 500 Thaler aus der Kämmereikasse an den Verein gezahlt.
Am 30ten Novbr.
erhing sich aus Melancholie auf dem Oberboden ihres Vaters ein junges Mädchen Wilhelmine Becker. Der Vater ist Stellmachermeister und wohnt in der Rittergasse.
Am 22ten Decbr.
wurde der Leineweber Poppe in seinem Hause und neben ihm sein Kind ein Mädchen von 5 ½ Jahren erhängt gefunden. Er hatte erst sein Kind und dann sich selbst erhängt.
Im Monat
December wurden von der Regierung zu Merseburg die beiden Renten welche die hiesige Stadt Commun jährlich mit 200 Thalern für das Pflastergeleite vom Viehthore bis zum Kohlthore und mit 12 Thalern für den Salzschank bezog, abgelöset, und wurden dafür 5300 Thaler gezahlt. Es wurde dieses Geld zur Tilgung der Stadt Schulden verwendet.
Vorstadt Schule
Schon im vorigen Jahre war der Bau eines neuen Schulhauses in der Vorstadt zur Sprache gekommen. Die Stadt Commun und die Commun Grünstraße hatten sich gemeinschaftlich den Bau ausführen zu wollen vereiniget. Der Bau begann im Monat März 1841.
1842
Am 14 Februar 1842 wurde der Bau eines neuen Schulhauses in der Vorstadt abgenommen, und nachdem während des Sommers 1842 die Schul Utensilien angeschafft worden waren, wurde die neue Schule zu Michael 1842 feierlich eingeweihet.
Am 16 Februar
kam der evangelische Bischoff Dr. Dräsecke aus Magdeburg in unsere Stadt, um unseren neuen Superintendenten Förster einzuführen. Die Einführung geschah am 18 Februar. Darauf war Synode, und um 2 Uhr Nachmittags ein Diner im Gasthofe zur goldenen Weintraube. Am 20ten Februar war Kirchen Visitation, und am 21 Februar früh 10 Uhr, machte der Bischoff dem versammelten Magistrate und Stadtverordneten auf dem Rathhause einen Vortrag über das hier Gefundene. Er war zufrieden.
Am 20 März
stürzte das Hintergebäude des Schlossermeisters Losse mit Werkstätte, in der Zscherngasse ein. Die alten zum Theil abgestorbenen oder vom Winde beschädigten Acazien vor dem Gottes Acker wurden zum Ausroden verkauft, und an deren Stelle neue angepflanzt.
Ziegelbrennerei
Der Zimmermeister Krause und der Kaufmann August Schmidt hatten sich zur Einrichtung einer Ziegelbrennerei vor dem Halleschen Thore vereiniget. Die Vorbereitungen dazu waren schon im Monat September 1841 getroffen worden. Am 28 Juni 1842 wurde der erste Brand gemacht, welcher nicht sonderlich ausfiel. Die folgenden Brände waren besser. Zwei Jahre vorher hatte derselbe Zimmermeister Krause vor dem Viehthore auf einem von der Commun erpachteten
Braunkohlenfabrik
Grundstücke neben Barths Gasthofe zur Weintraube eine Braunkohlenfabrik errichtet, wozu die Kohle von Bitterfeld hergeholt wurde. Bis jetzt aber fehlt es diesem Unternehmen noch an dem erwünschten Absatze seiner Waren.
Hasserts Herrmanns und Vogels Baue
Der Justiz Commissarius Hassert hatte im vorigen Jahre aus Poserns Concurse den Bauplatz am Kohlthore gekauft und im Herbste 1841 ein Stallgebäude auf demselben aufgeführt. In diesem Jahre 1842 erbauete derselbe auch noch ein stattliches Wohnhaus daselbst. Der Bau begann im Monat April und zu Michael zog der Erbauer in sein neues Haus. Der Tuchscherer Herrmann in der Holzgasse erbauete ein neues Hintergebäude und der Bäckermeister Vogel in seinem Zwinger an der Pforte einen neuen Holzstall.
Am 18 April
starb die Rector Wittwe Kretzschmar hier, welche der Armenkasse ein Legat von 100 Thalern vermacht hatte. Ihr Haus am Markte kam an den Kaufmann Friedrich Schmidt, welcher dasselbe wesentlich veränderte und verbesserte, und eine Schnitthandlung darin anlegte. – Eine Kirchencollecte für das neue evangelische Bisthum zu Jerusalem, welche in diesem Monate gesammelt wurde, brachte 30 Thaler ein. – An dem Wege nach Zschernitz bei Burgmann Garten wurden Saure Kirschbäume Stück gepflanzt, von der Commun.
22 bis 26 April
Die wackeliche Fahne auf der südlichen Spitze unseres Stadtkirchthurmes wurde wieder festgedreht von dem Ziegel und Schieferdeckermeister Fritzsche von hier. Kostet 19 Thaler 15 Silbergroschen. Als hierbei der Thurm Knopf wieder aufgesetzt wurde, fiel die darin befindliche blecherne Büchse heraus und herunter auf das Pflaster. Die Blechbüchse wurde verbogen und die darin steckende hölzerne zersprang. Beiden Schäden wurde schnell wieder abgeholfen und der Knopf nochmals aufgesetzt.
Die neue Leipziger Straße
wurde von dem Verein zur Erbauung derselben mit Birken bepflanzt. Auf jeder Seite stehen 62 Stück.
Die Brauerei
wurde von neuem auf 6 Jahre an den Brauer Derbfuß verpachtet. Jedoch nur für 655 Thaler jährlich. Vorher gab er Thaler jährlich.
Am 21 April
wurde von dem Landrathe von Leipziger ein zweiter Kreistag hier gehalten um 3 Landraths Amts Candidaten zu wählen, da die erste Wahl am 24ten Septbr 1841 für ungültig erklärt worden war. Der Referendar von Pfannenberg hatte wieder die meisten Stimmen
Mai
Von der Aachener Feuer Versicherungs Gesellschaft wurden der hiesigen Stadt 175 Thaler als Geschenk überwiesen, um dafür einen Wasser Zubringer anzuschaffen. Der bisherige hiesige Landwehr Bataillons Commandeur Major Ehrhardt wurde als Oberstlieutnant nach Neu Ruppin versetzt und an dessen Stelle kam der Major Beczwarzewsky.
Schnellpost
Am 1 Juni hörte die seit dem Jahre 1824 bestandene Schnellpost, welche zwischen Berlin und Leipzig täglich zweimal hier durch ging, auf, in Folge der Eisenbahn Verbindung welche zwischen Berlin und Leipzig über Trebbin Jüterbogk Wittenberg Coswig Dessau Halle entstanden ist.
Gemäße
Die alten kupfernen Scheffel und Kannenmaaße, welche durch die erfolgte Reduction dieser Maaße auf Preußisches Gemäß ganz überflüssig geworden waren, wurden am 28 Juni 1842 für 29 Thaler 24 Silbergroschen 3 dinarium öffentlich verkauft.
Am 2 Juli
schlug der Blitz in die auf dem Hofe des Commungutes stehende Linde, ohne zu zünden.
Parreidts Gartenhaus Kretzschmers Seitengebäude Webers Haus
Parreidts Erben ließen ihr dem Tiermannschen Zwinger gegenüberliegendes Gartenhaus fast neu herstellen. Der Gürtlermeister Kretzschmer, Kirchenvorsteher untermauerte sein Seitengebäude. Das Wohnhaus der Wittwe Weber Nu 71 in der Süßmilchgasse ging verloren. Der Kaufmann Schmidt am Markte Nu 70 kaufte dasselbe, riß es nieder, und bauete auf dieser Stelle ein Seiten Gebäude zu seinem großen Hause.
Am 27 Juli
starb früh 9 Uhr der hiesige berühmte Arzt und Jubel Doctor, Dr. Carl Friedrich Gottlieb Ideler, fast 77 Jahre alt.
Am 28 Juli
zog der Rector habstitutus an hiesiger Stadtschule Stützer aus Nebra gebürtig bisher Rector in Mücheln, hier ein, und wurde den 8 August in sein Amt eingeführt. Er ist ein junger kräftiger, in seinem Fache sehr geschickter Mann. Er hat außer der freien Wohnung jährlich 186 Thaler 9 Silbergroschen 2 dinarium und der rector emeritus Ahner bekommt einen Emeriten Gehalt von 200 Thalern jährlich.
Carthon
Der bisherige erste Polizeidiener Marktmeister und Gefangenenwärter Carthon war am 9 Juli gestorben. An dessen Stelle kam der bisherige zweite Polizeidiener Heyme, und in dessen Stelle kam der von dem Landwehrstamme entlassene Gefreite Hunoldt, welcher wie sein Vorgänger zugleich Armen Voigt ist. Beide wurden am 25ten August verpflichtet.
Dem neuen Landrathe Hl Referendar Arthur von Pfannenberg zu Ehren war am 26 August von der Erholungs Gesellschaft in dem Gasthofe zur goldenen Weintraube ein Mittagsmahl veranstaltet; am 4ten Aug. hatte derselbe sein Amt angetreten.
Im September wurde die Feldseparation auf Gertitz Mark beendiget.
Die diesjährigen Kirschen wurden für 83 Thaler 12 Silbergroschen und die diesjährigen Pflaumen für 251 Thaler verpachtet. Zu Ende September als der Stadtgraben der Fischerei wegen abgelassen war, wurde die hölzerne Uferbefestigung am Stadtgraben vor der Pforte erneuert. Desgleichen wurde das neue Pflaster von dem Halleschen Thore bis zur Hospitalbrücke vollendet.
Abendmahls Kelch
Der Dr. Ideler jun. machte unserer Stadtkirche ein Geschenk mit dem großen silbernen Fest Pokale, welchen sein verstorbener Vater bei seinem Doctor Jubilär geschenkt bekommen hatte. Es soll als Abendmahlskelch benutzt werden, und hat der Schenkgeber noch eine silberne, inwendig vergoldete,Patena als Hostien Teller beigefügt. Werth 110 Thaler. Gewicht 57 Loth; Höhe des Kelchs 12 Zoll sächs. Maaß.
Am 16 Octbr
wurde die Wahl neuer Stadtverordneter und Stellvertreter vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Riemer Pritker, der Sattler Wecke der Kaufmann August Schmidt, der Beutler Christoph Teubner, zu Stellvertretern der Maurer Meie der Seifensieder Gottlieb Held, der Tischler Walther und der Weißgerber Kitzing. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 21 Octbr. und wurden der Kaufmann August Schmidt zum Vorsteher der Posamentirer Querl zu dessen Stellvertreter der Stadtmusicus Hofmann zum Protocollführer und der Leineweber Schönbrodt zu dessen Stellvertreter gewählt. Der mit dem Fischer ............................. abgeschlossenen Pacht über die Fischerei im Stadtgraben wurde vom 1ten November ab wieder auf 6 Jahre verlängert.
Das alte Vorstädter Schulhaus welches durch die Erbauung der neuen Vorstadtschule entbehrlich geworden, wurde für 131 Thaler zum Abtragen verkauft. Die Unternehmer Meie Haacke und Große haben aber Schaden daran gehabt.
Der Seilermeister
Schöltz aus Lemsel kaufte das Hildebrandtsche Haus an der Ecke der Leipziger Gasse, und richtete es zu einem Seilerladen ein.
Am 30ten December
wurde dem Verein zur Besserung der entlassenen Strafgefangenen die obere Etage des Pfortenwärter Hauses überwiesen um darin eine Arbeits Anstalt zu errichten. Auch wurde zur Heitzung der Arbeitsstube 1............................... Holz und 1 Reishaufen aus dem diesjährigen Holzschlage bewilliget. Es ist aber diese Arbeits Anstalt sehr wenig benutzt worden, indem die entlassenen Sträflinge, welche hier Beschäftigung finden sollten, das Stillsitzen nicht vertragen konnten, und nicht zur Arbeit kamen. Die Anstalt ging daher bald wieder ein.
1843
Der Winter war nicht streng, was für die Armen zumal bei der geringen Ernte im vorigen Jahre eine große Wohlthat war. Es wurde Holz Braunkohlensteine und Brod unter die Armen vertheilt. Die Holz Auction auf dem diesjährigen Holzschlage in der Spröde gewährte einen Ertrag von 473 Thalern 28 Silbergroschen. Zur Anschaffung der Deputathölzer, welche nicht alle auf dem Holzschlage gewonnen werden konnten, mußten noch 174 Thaler 9 Silbergroschen aus der Kämmereikasse aufgewendet werden.
Die Brodvertheilung
an die Armen belief sich in den beiden Monaten Januar und Februar 1843 auf 623 Stück jedes zu 2 Silbergroschen. Auch Saamenkartoffeln wurden angekauft um den Armen damit zu Hülfe kommen zu können.
Am 2ten März
starb der alte treuverdiente Küster Johann Christian Klickermann. Zu seinem Nachfolger wurde der Civil Super................... und Kassen Assistent bei dem hiesigen Land und Stadtgerichte Baumgärtel, vormals Schullehrer in Landsberg ernannt, welcher den 1ten Actbr. sein Amt antrat. Er wurde zugleich mit verpflichtet, in einer hiesigen Schule 12 Stunden Schulunterricht wöchentlich ohne weitere Entschädigung mit zu ertheilen.
Stall bei der Vorstadtschule
Im Monate März wurde der Bau eines neuen Stalles bei der Vorstadtschule unternommen, und für den zweiten Mädchenlehrer Petermann, welcher sich zu verheyrathen beabsichtigte wurde eine Koch Einrichtung an der es in seiner Wohnung noch fehlte, hergestellt. Durch den Neubau der Vorstadtschule wurde eine Vergrößerung für unseren Gottes Acker um ohngefähr 110 Grabstellen gewonnen.
Am ersten Osterfeiertage
wurde von dem hiesigen Singe Verein eine Kirchen Musik aufgeführt und der Ertrag nahe an 30 Thaler der hiesigen Arbeits Anstalt überlassen.
Hühnel giebt seine Schule auf
Der hiesige concessionirte Privat Schullehrer Hühnel gab zu Ostern seine Privatschule auf und die Kinder, 60 an der Zahl, welche diese Schule besucht hatten, wurden der öffentlichen Schule überwiesen.
neuer Brunnen
Im Frühjahr und Sommer wurde der Pachter des hiesigen Commungutes, Amtmann Küster von einem ungewöhnlichen Viehsterben heimgesucht sowohl unter dem Rindviehe als unter den Schaafen. Es wurde daher auf seinen Antrag ein neuer Brunnen gegraben, der alte aber zugefüllt, und wurden ihm 100 Thaler für dieses Jahr an Pachtgeld erlassen. Es waren bis zum 25ten August 8 Stücken Rindvieh gefallen und späterhin fielen noch einige. Es ging daraus hervor daß das Wasser womit das Vieh getränkt wird an dem Sterben nicht Schuld war.
Die Kirschen, die Pflaumen
wurden am 9 Juni 1843 für 130 Thaler und am 27ten Juli 1843 für 178 Thaler verpachtet. Wegen großen Windschadens aber wurden dem Pachter der letzteren 28 Thaler an seinem Pachtgelde erlassen.
Am 17 August
feierte der Tischlermeister Illge sein 50jähriges Meister Jubelfest.
am 15 October
Die Wahl neuer Stadtverordneten und Stellvertreter wurde vorgenommen. Es wurden gewählt als Stadtverordnete der Maurermeister Meie, der Schneidermeister Kreutzer der Seilermeister Teubner sen. und der Orgelbaumeister Löwe, als Stellvertreter der Gastwirth Gottlob Berkner der Schneidermeister Kirchhof, der Lieutenant von Bünau und der Ofenfabrikant Weise. Die Einführung der neu Gewählten geschah am 18ten October, und wurden von der Stadtverordneten Versammlung der Kaufmann August Schmidt zum Vorsteher der Riemermeister Pritker zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt zum Protocollführer, und der Orgelbauer Löwe zu dessen Stellvertreter gewählt.
Diebstähle
In der Nacht vom 4ten bis 5ten Octbr wurde ein Diebstahl bei dem Bürgermeister Securius und in der Nacht vom 17ten bis 18ten Novbr einer dergleichen bei dem Diaconus Baltzer beide mittelß Einbruchs durch das Fenster begangen. Des Diebstahls sehr verdächtig war der Zimmergeselle Werner welcher deshalb gefänglich eingezogen und inquirirt wurde. der pp Werner war aber nicht zum Geständnisse zu bringen. Die Untersuchung dauerte lange und war bis heute (dem 15 Juni 1844) wo dieses geschrieben wird, noch lange nicht beendiget. Während seines Arrests war der pp Werer dreimal entsprungen. Die beiden erstenmale wurde er sehr bald wieder erlangt. Zum drittenmale aber ist er am 6 Juni 1844 entsprungen und heute noch nicht wieder erlangt.
Ein Comet
Im October erschien ganz unerwartet im Westen ein Comet mit einem langen, matten Schweife.
Sonntagsschule
Am 12ten Novbr 1843 wurde hier eine Sonntags Schule ins Werk gestellt, an welcher der Rector Stützer der Candidat Straßberger und der Maurermeister Göttsching abwechselnd Unterricht ertheilen, der erste in der deutschen Sprache und im Rechnen, der zweite in der Erdkunde und Geschichte der dritte im Zeichnen. Der Unterricht wird sonntäglich Vormittags von 11 bis 12 Uhr und Nachmittags von 3 bis 4 Uhr ertheilt. Die Schule welche vorzüglich auf Handwerksgesellen berechnet ist, ist sehr besucht. Als Unterrichtslocale werden die beiden ersten Klassen der Knabenschule benutzt, und zur Heitzung derselben sind aus der Kämmereikasse jährlich 8 Thaler bewilliget worden.
Pflaster am Galgthore
Im Herbst 1843 wurde auf dem Steinwege von des Kaufmann Haake Hause an bis zum Galgthore eine Strecke von 34 ½ Quadratruthe Straßen Pflaster neu aufgeführt. Es war diese Strecke bisher ungepflastert gewesen. Der Maurermeister Rose hat diese Pflasterung gefertiget. Sie kostet, ungerechnet 12 Ruthen Pflastersteine, welche die Commun vorräthig hatte, 218 Thaler.
Im Frühjahre
wurde 281 junge Obstbäume in den westlich von der Stadt gehörigen Pflanzungen angepflanzt.
Helling
Dem Justiz Commissar und Magistrats Ass. Ernst Gustav Helling wurde am 8ten Septbr 1840 von seiner Gattin geborene Lorenz ein Knabe geboren, Gustav Hugo Adalbert Helling genannt. Als dieser Knabe 1 Jahr alt war schenkte der Vater mittels Schenkungs Urkunde vom 8 Septbr 1841 der hiesigen Vorstadtschule ein Kapital von 100 Thalern wovon die Zinsen mit ¼ zu Prämien für einige Schulkinder mit ¼ zur Unterstützung des Lehrers und mit 2/4 zur Ergötzlichkeit für die Kinder der ersten Abtheilung welche an diesem Tage spazieren geführt werden sollen, bestimmt sind.
Mit Ende des Jahres 1843 schied der unbesoldete Magistrats Assessor Krieger aus dem Magistrats Collegio. Auch war mit Ende dieses Jahres die Wahlzeit des besoldeten Magistrats Assessors Meißner abgelaufen. Es waren daher zeitig genug neue Wahlen eingeleitet und waren gewählt worden von der Stadtverordneten Versammlung zum besoldeten Assessor auf Lebenszeit der obengenannte Meißner und zum unbesoldeten Assessor auf 6 Jahre der Kaufmann August Schmidt. Beide der pp Meißner und pp Schmidt wurden am 1ten Januar 1844 feierlich in ihr Amt eingeführt und resp. vereidiget.
1844
Der Winter war bis zum 8ten Januar sehr gelinde und auch späterhin erreichte er keine sonderliche Strenge. Im Monat Februar wurden gegen 8000 Torf und Braunkohlensteine an die hiesigen Armen vertheilt. Am 30ten Januar starb der Pachter des hiesigen Commungutes, Amtmann Küster.
Februar
Der Bau Inspector Müller hierselbst wurde im Februar in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt. Zu dessen Nachfolger wurde der Wegebaumeister Schönewald aus Sangerhausen bestimmt, welcher zu Anfange des Monats Mai hier eintraf. In der Zwischenzeit wurde die hiesige Bau Inspection von dem Bauconductuer Lüddemann aus Eckartsberga verwaltet.
Gregorius
Die Lehrer an der Knabenschule beabsichtigten mit dem Gregorius Umgange eine Aenderung vorzunehmen, und solchen wie sie sagen zeitgemäßer einzurichten. Es wurde dieserhalb mehrfach hin und her geschrieben. Die Sache blieb aber unausgeführt, da bei einer solchen Abänderung ein Ausfall des bisherigen Einkommens davon für die Lehrer zu fürchten war. Auch schon im Ihre 1826 wurde eine Abänderung mit dem Gregorius Umgange von dem Magistrate beantragt, jedoch ebenfalls ohne Erfolg.
Elementarschule am 15 April
Wegen Überfüllung der hiesigen Stadtschulen wurde im vorigen Jahre die Errichtung einer neuen gemischten Elementarschule eingeleitet. Es wurde dazu eine Schulklasse und eine Lehrerwohnung in dem Hause des Böttgermeisters Schumann neben der neuen Knabenschule für 60 Thaler jährlich auf 10 Jahre gemiethet. Als Besoldung für den Lehrer wurden jährlich 120 Thaler aus der Kämmereikasse ausgesetzt, wogegen das in dieser Schule aufkommende Schulgeld, 1 Thaler jährlich für jedes Kind, der Kämmereikasse überwiesen wurde. Als Lehrer an dieser neuen gemischten Elementarschule wurde der Schul Amts Candidat Heinrich Robert Hofmann angestellt, Sohn des vormaligen Stadtmusicus, und wurde derselbe eingeführt, und die Schule eröffnet.
In diesem Frühjahre wurden in den Pflanzungen der Commun 275 Obstbäume und 14 wilde Bäume gepflanzt. Der Monat Mai brachte eine ganz ungewöhnlich große Menge Maikäfer mit sich. Die diesjährigen Kirschnutzungen wurden am 5 Juni für 115 Thaler verpachtet. Der Tischlermeister Krause in der Rittergasse 97 bauete ein neues Seitengebäude, um ein Sarg Magazin darin anzulegen. Der Fuhrmann Schreckenberger kaufte das Haus des Leinewebers Klette zu Anfang der Schulgasse Nz 240 trug es ganz ab, und bauete es neu auf. Der Wassermüller Trommler hat im vorigen Jahre seine Mühle, die hiesige Stadtmühle an den Wassermüller Bretschneider aus Naundorf verkauft und ist nach Eilenburg gezogen.
Der Obersteuer Controlleur Köpke, welcher seit Inkermanns Absetzung, das hiesige Steuer Amt verwaltet hat, wurde am 1ten April pensionirt und die Verwaltung des Steuer Amtes dem Steuer Inspector Meßner aus Zeitz übertragen.
Am 11 Juni
hatte der hiesige Rector substitutus Feodor Stützer mit Jungfrau Clara Irmisch Hochzeit.
Pflastergeleite
Die Erhebung des hiesigen Pflastergeleites in allen 3 Thoren wurde am 12ten Juni auf sechs hintereinander folgende Jahre vom 1ten Januar 1845 ab an den Sattlermeister Ronniger für ein Pachtgeld von 247 Thalern jährlich verpachtet.
16 Juli
Der Lohgerbermeister nachherige Commissionär Fiedler, ein unverbesserlicher Branntweintrinker, welcher früher hübsches Vermögen besessen hatte, erhing sich am 16ten Juli in dem Polizei Gefängnisse wohin er den Abend vorher wegen obdachlosen Umhertreibens gebracht worden war.
Die hiesige
Bibelgesellschaft hielt am 7ten Juli ihr Bibelfest mit Nachmittags Gottesdienst, und vertheilte 70 Bibeln unter arme Kinder.
15 u 16 Juli,
Die sehr ausgetretene Freitreppe vor dem Rathhause wurde von Weißenfelser Sandstein mit einem Aufwande 47 Thalern 6 Silbergroschen neu hergestellt. Die alte Treppe hatte 4 Stufen die neue aber erhielt nur 3 Stufen. Diese Umänderung wurde am mithin in zwei Tagen ausgeführt.
Für 2318 Thaler 22 Silbergroschen 6 Pfennige alte Kapitalien von 1501-1505 pp welche die hiesige Stadt am 21ten Decbr 1841 an die Universität Leipzig zurückgezahlt hatte, sind am 1 Juli 1844, 1073 Thaler 15 Silbergroschen 8 Pfennige Agio und 64 Thaler 12 Silbergroschen 3 Pfennige Verzugszinsen davon noch nachgezahlt worden.
Um die Metten Communion feierlicher zu machen war Einleitung getroffen worden, bei selbiger Gesang mit Orgelbegleitung statt finden zu lassen. Den dabei betheiligten Schullehrern wurde eine Entschädigung, die sie dafür verlangt hatten, von der k. Regierung zu Merseburg abgeschlagen. Dem Calcanten aber wurde am 4ten Juli 1844 von der Kirchfahrt für das Bälgertreten jährlich 2 Thaler aus dem Kirchenvermögen bewilliget.
Dem hiesigen Justitiar Arris Insp. Schulze wurde von Sr Majestät dem Könige der Titel als Justizrath beigelegt. Das ärztliche Personal vermehrte sich um 2 promovirte Aerzte Dr. Pfotenhauer und Dr. Zieger, zwei hiesige Eingeborene. Wir haben jetzt hier sechs promovirte Aerzte einen Chirurg erster Klasse und drei Chirurgen zweiter Klasse.
Das Militärlazareth
wurde aus dem Ordonanzhause in die obere Etage des Pfortenwärterhauses verlegt und am 23ten August dem hiesigen Bataillons Commando übergeben.
Scharlachfieber
Der Sommer war kalt und unfreundlich und brachte das Scharlachfieber, welches mehrere Monate hier grassirte und woran viele Kinder starben.
23 Octbr
Die Wahl neuer Stadtverordneten und Stellvertreter wurde vorgenommen am 20ten October. Es wurden gewählt zu Stadtverordneten der Instrumentmacher Moritz der Kaufmann Dittmar der Kaufmann G.H. Schulze und der Kaufmann Haake, zu Stellvertetern der Tischlermeister Scheiding junior der Fleischermeister Hartig der Sattlermeister Andreas Teubner und der Beutlermeister Karl Teubner. Die Einführung der neuen Stadtverordneten geschah am 23. Octbr und wurden gewählt zum Vorsteher Peisker zu dessen Stellvertreter der Seilermeister Teubner sen. zum Protocollführer der Kaufmann Schulze und zu dessen Stellvertreter der Kfm. Dittmar.
Forsthaus
Die Pachtung des der Stadt Commun gehörigen Forsthauses an der Dübener Straße welche nach pag 80 auf dem pp Tutzschke aus Lehelitz übergegangen, und in welche dieser am 1ten Septbr 1840 eingetreten war, ging im Monat März 1843 auf dem Förster Weihe aus Cossa und von diesem zu Johanni 1844 wieder an den Acronomen Friedrich Kaßler aus Eismannsdorf bei Halle über. Die Pachtsumme von 82 Thalern jährlich blieb unverändert, und die Pachtung wurde dem pp Kaßler auf sein Ansuchen bis zum 1ten Septbr. 1852 verlängert.
22ten Octbr
Die Weißgerberfrau Kitzing verbrannte sich am 22ten Octbr 1844 an dem Feuer unter dem Waschkessel, welches ihre Kleider ergriffen hatte, sehr bedeutend und starb Tags darauf an den Brandwunden.
Feueressen
Zu Ende October wurden auf Kosten des Justiz Fonds in unserem Rathhause zwei neue russische Feueressen erbauet, um den Rauch aus dem Ofen der unten befindlichen Kassenzimmer des Land u Stadtgerichtes, welcher oben sehr belästigte, richtig abzuleiten. Die Justiz Parthei hatte diesen Bau der hiesige Stadt Commun aufbürden wollen, aber die von dem Magistrate dagegen gemachten Vorstellungen hatten zur Folge, daß die Baukosten auf dem Justiz Fond übernommen wurden.
Helling
Am 11ten Decbr 1844 Abends ¾ 10 Uhr starb der unbesoldete Magistrats Assessor Justiz Commissar und Notar Ernst Gustav Helling 48 Jahr 10 Monate 24 Tage alt. Er war ein sehr braver Mann und hatte 10 Jahre lang ein unbesoldetes Stadt Amt aus Liebe zur Stadt verwaltet, würde auch solches mindestens noch 2 Jahre verwaltet haben, wenn ihn der Tod nicht früher abgerufen hätte.
1845
Am 10ten Januar starb der pensionirte Gendarm Stroy den Hungertod. Seine mehrwöchentliche Krankheit hatte darin bestanden, daß er keine Speise zu sich nehmen konnte.
Mit dem 1ten Januar gab der bisherige Pflastergleits Pachter Victualienhändler Hofmann diese Pachtung auf, und es trat als neuer Pachter der Sattlermeister Ronniger ein. Hofmann gab jährlich 213 Thaler, Ronniger aber giebt jährlich 247 Thaler Pachtgeld.
Holzauction
Die Holz Auction in dem Communholze in der Spröde am 28ten Januar 1845 gab einen Erlöß von 419 Thalern 4 Silbergroschen.
Der Winter war sehr streng und besonders gab es viel Schnee. Die Kälte stieg an mehreren Tagen früh bis – 17 Reaum. Noch am 2ten Maerz früh 7 Uhr – 14 R. Zur Unterstützung der Armen wurden 2 Klafter Holz, und 50000 Braunkohlensteine unter selbige vertheilt. Der Graf von Hasenthal Döbernitz hatte dazu 30 Thaler gespendet, und eine in der Stadt veranstaltete Collecte hatte 53 Thaler eingebracht.
Am 13ten März
erhängte sich der Schumachermeister Ziegrich senior.
großes Wasser
Vom 25 bis mit 29 März war großes Wasser in Folge schnellen Thauwetters. Der Lober war bedeutend ausgetreten und ging erst am 30 März in seine Ufer zurück. Die erst seit 4 Jahren neu erbaute Schaafbrücke wurde beschädiget. Einige Dämme vor dem Halleschen Thore wurden durchbrochen, und die Promenade an der Stadtmühle wurde überfluthet.
Am 1 April
verließ der Gastwirth Schaaf seinen verpachteten Gasthof zum goldenen Ring, und zog in den von ihm erkauften Gasthof zum 3 Schwanen, in welchem er die Wirthschaft am 1ten Mai antrat. Er unternahm ansehnliche Baue zur Verbesserung dieses Gasthofes und bauete namentlich einen neuen Saal, Gesellschafts Zimmer und Küche.
Der Apotheker Pfotenhauer und der Beutler Schneider restauriren ihre Häuser. Der Kaufmann Schulze in der breiten Gasse bauet ein neues Seitengebäude.
Magistrats Assessor
An die Stelle des verstorbenen Magistrats Assessors Helling war der Kaufmann Johann Christian Tiemann zum unbesoldeten Magistrats Assessor auf 6 Jahre gewählt worden. Derselbe wurde am 6ten April in das Magistrats Collegium feyerlich eingeführt und verpflichtet.
In der Viehgasse Elzners Hause gegen über ist, um von der Chaussee in die Scheungasse gelangen zu können, eine neue steinerne, anstatt der bisherigen hölzernen Schleuße von der Commun gebauet worden.
Am 3ten August 1844 hatte die hiesige Schützengilde bei Sr Majestät dem Könige um eine neue Fahne als Gnaden Geschenk nachgesucht. In Folge dessen erhielt die Schützengilde mittelst Allerhöchstem Cabinets Schreibens vom 29 März 1845 eine neue Fahne zugesendet. Siekam am 3ten April hier an und wurde am 1ten Mai 1945 am Himmelfahrtstage nach der Nachmittagskirche auf dem Markte feierlich eingeweihet. Der Superintendent Förster hielt die Weiherede.
Zschernitzer Weg
Die Commun Delitzsch hatte auf Anordnung des Landraths vor etwa 2 Jahren den Communications Weg nach Zschernitz gebessert. Weil nach einer alten Straßenbau Tabelle vom Jahre 1763 diese Besserung dem Fiscus obliegt, so bat die Commun, daß ihr die darauf gewendeten Kosten vom Fiscus erstattet werden möchten und stellte, als dieses verweigert wurde, Prozeß gegen den Fiscus an. Der Prozeß ging in zwei Instanzen verloren.
Agio Erstattung von 950 rheinischen Gülden Kapital
Glücklicheren Erfolg hatte ein Gesuch des Magistrats an Sr Majestät den König vom 20 August 1844 um theilweise Erstattung des von der Commun am 1 Juli 1844 an die Universität Leipzig gezahlten Agios auf alte Kapitalien. Zwei von diesen Kapitalien rührten aus den Jahren 1501 und 1505 her und der damalige Herzog hatte der Stadt einen Gutsage Brief für diese Kapitalien gegeben. Das Agio mit 1 ½ Jahr Verzugszinsen, welche für diese Kapitalien gezahlt werden mußten, betrug 711 Thaler 16 Silbergroschen 3 Pfennige und dieser ganze Betrag wurde in Folge des Bittschreibens an Sr Majestät dem König auf allerhöchste Kabinets Order vom 23 Mai 1845 aus der Staats Schulden Tilgungskasse der hiesigen Stadt Commun wiedererstattet, am 20ten Juni 1845.
In der Zscherngasse
wurden zwei neue Wohnhäuser gebauet aus einem Stall Gebäude des Hausbesitzers Graul, das eine bauete der Schumachermeister Ziegrich das andere der pp Graul selbst.
Die Fleischerwittwe
Richter an der Ecke der Rittergasse verkaufte ein Nebengebäude ihres Wohnhauses an die Hebamme Thiele, welche sich ein selbständiges Wohnhaus daraus einrichtete.
Der Tuchhändler
Wilhelm Kühn am Markte erbauete in seinem Hofe ein neues Stallgebäude mit Keller und der Maurergeselle Thier in der Badergasse bauete in seinem Hofe ein neues Seitengebäude.
Die Kirschen
in den der Stadt gehörigen Alleen wurden für 166 Thaler 25 Silbergroschen und die Pflaumen auf dem Anger vor dem Viehthore für 127 Thaler verpachtet. Es gab in diesem Jahre wenig Pflaumen Aepfel und Birn.
Auf dem Forsthause
an der Dübener Straße waren bedeutende Reparaturen nöthig, welche ausgeführt wurden und einen Kosten Aufwand von mehr als 200 Thalern verursachten. Auch wurden dem Forsthaus Pachter Kaßler von seinem diesjährigen Pachtgelde 20 Thaler erlassen.
Die Fahrbrücke
bei der Stadtmühle war in dem Belage sehr schlecht geworden, sie wurde daher ganz neu mit kiefernen Pfosten belegt und Steinpflaster darüber gebracht.
Die Mädchenschule
und die Vorstadtschule wurden neu abgeputzt. In der Stadt Knabenschule wurden die Küchen für Rector und Kantor verändert. In beiden wurden die Rauchfänge weggenommen und Kochöfen eingerichtet, auch ließ der Kantor in seine Hinterstube sich einen Füllofen setzen, wozu ihm Seiten der Commun 12 Thaler bewilliget wurden.
Markt Ordnung
In Folge der neuen Gewerbe Ordnung wurde eine Markt Ordnungfür hiesige Stadt entworfen und nach erfolgter Genehmigung Seiten der Regierung zu Merseburg in Druck gegeben. Unsere Stadt erlangte dadurch den Vortheil, Stättegeld an den drei Viemärkten erheben zu dürfen, und es wurde die Erhebung dieses Stättegeldes auf 3 Jahre für 16 Thaler jährlich verpachtet.
Am 15 August
feierte der hiesige Tischlermeister Jacob, ein ehrenwerther Mann, sein 50jähriges Jubelfest als Tischlermeister. Der Jubilar wurde von seinen Innungs Genossen mit einer silbernen Denkmünze und mit einem unter Glas und Rahmen gefaßtem Gedichte beschenkt.
Am 27 August
wurde der Communications Fahrweg nach Döbernitz mit Zuziehung der anstoßenden Feldbesitzer von neuem regulirt und auf eine Breite von 20 Fuß und an jeder Seite ein Graben von 4 Fuß breit festgesetzt. Im Laufe des Herbstes kam diese Regulirung in Ausführung.
neue Brücke
Der Schankwirth Kretzschmer in der blauen Taube unter Amts Jurisdiction erbauete eine neue Brücke über den Lober damit über solche das bei ihm anhaltende Fuhrwerk in sein Gehöft einzufahren Gelegenheit habe.
Stadtverordnetenwahl
Am 19ten October war die Stadtverordneten Wahl. Es wurden gewählt
a) zu Stadtverordneten der Drechsler Wilhelm Ufer, der Riemermeister Peisker, der Strumpffabrikant Pabst und der Beutlermeister Christoph Teubner, b) zu Stellvertretern der Victualienhändler Hofmann, der Tischlermeister August Krause, der Riemermeister August Haase und der Tischlermeister August Rückle.
Die Einführung der neu gewählten Stadtverordneten geschah am 21ten Octbr 1845 und es wurden gewählt zum Vorsteher Peisker zu dessen Stellvertreter August Teubner, zum Protocollführer Dittmar zu dessen Stellvertreter G. Schulze.
Am 23ten October
feierte der hiesige achtbare Bürger, Strumpfwirker Arndt sein 50jähriges Jubelfest als hiesiger Bürger.
Am 4ten Novbr
starb der hiesige Maurer Meister Göttschling jun. Mitglied der Prüfungs Commission für Bauhandwerker und Besitzer des Gasthofs zum eisernen Kreutze, 32 1/3 Jahr alt. Zu seinem Vermögen war schon bei Lebzeiten desselben Concurs ausgebrochen und der Vater seiner Wittwe, der Lieutenant außer Dienst, Schönberg, vormals Feldwebel hier jetzt Assistent bei der K. Reg Hptkasse in Stettin, glaubte daß seine Tochter mit darin verwickelt seyn würde, und kam kurz vor Weihnachten hierher. Er fand seine Tochter ganz unbetheiligt bei der Sache und die Freude die er darüber hatte veranlaßte ihn den hiesigen Armen ein Geschenk von 4 Louisdor als Weihnachtsgabe zu machen. Dieses Geld wurde am 24ten Decbr 1845 unter 67 Arme an jeden mit 10 Silbergroschen vertheilt. Der Lieutenant Schönberg nahm seine verwittwete Tochter mit nach Stettin zurück.
1846
Spritzenfuhren
Mit dem Spritzenfuhren zu auswärtigen Feuern wurde auf höhere Anordnung mit dem Schlusse des Jahres eine neue Einrichtung getroffen. Es sind nämlich diese Fuhren welche früher von den hiesigen Spannhaltenden Einwohnern der Reihe nach verrichtet wurden – an den Fuhrmann Scharf verdungen worden, jede Fuhre zu 5 Thaler 15 Silbergroschen vom 1 Januar 1846 ab.
Begräbniß Ordnung
Auch trat mit Anfange dieses Jahres eine neue Begräbnis Ordnung ins Leben, welche nach erfolgter höherer Bestätigung gedruckt und an sämtliche Parochianen vertheilt worden war. Einige von den Diaconen und dem Küster gegen diese gedruckte Ordnung gemachte Einwendungen wurden beseitiget.
Der vorjährige Sommer hatte in den ersten Tagen des Monats Juli eine ganz außerordentliche Hitze entwickelt, welche am 9 Juli ein schreckliches Unwetter herbeiführte, und worauf kältere Tage folgten, welche durch ihre lange Dauer sogar dem Reifen und Gedeihen der Früchte hinderlich waren. Diesem Umstande schrieb man es zu, daß die Kartoffeln eine verderbliche Fäulniß zeigten, welche bei der übrigens sehr mittelmäßigen Ernte des vorigen Sommers viel Besorgniß erregten, daß Mangel an Nahrung eintreten möchte. Theils aber fand sich bei vielseitig angestellten Untersuchungen daß diese Kartoffeln, auch wenn sie von der Fäulniß angegangen, noch immer sehr gut zu gebrauchen und der Gesundheit nicht nachtheilig wären, theils schenkte uns der liebe Gott einen ungewöhnlich milden Winter, welcher die Noth der Armen sehr milderte.
Vom 22ten Februar 1846 ab trat Frühlingswetter ein, was bis heute (den 4 März) ununterbrochen angehalten hat, und wobei nur zu wünschen ist, daß nicht späterhin noch Fröste nachkommen mögen. Am 1ten März Abends hörte man Frösche quaken.
Holz Auction
Auf dem Holzschlage Nu 18 war am 12ten Februar Holz Auction, in welcher für 813 Thaler 27 Silbergroschen Holz verkauft wurde. Es war nämlich der Holzschlag fast ganz abgetrieben worden, um wieder gleichmäßig besäet zu werden mit Kiefersamen.
goldenen Hochzeit
Am 3ten Februar 1846 war der Tag der goldenen Hochzeit des Hospital Vorstehers Senator Schmidt. Er war krank und es konnte daher dieser Tag nicht so – wie es die Familie gewünscht hatte – festlich begangen werden. Die Feier wurde verschoben bis zum 9ten Februar wo in dem Barthschen Gasthofe zur Weintraube dem goldenen Ehepaare von seinen Kindern ein großes Festmahl zu 100 und mehr Couverts gegeben wurde. Tags vorher wurde der Polter Abend gefeiert durch ein kleines Lustspiel die Zerstreuten welches die Theilnehmer des Liebhaber Theaters in dem Saale des Gasthofs zum Schwan, in der Gesellschaft zur Erholung aufführten.
Am 18 Februar
wurde der dreihundertjährige Todestag des Dr. M Luther durch Abend Gottesdienst von Nachmittags 5 Uhr ab in der Kirche gefeiert. Die Kirche war angemessen erleuchtet, und ganz voll. Zuerst wurde ein Sterbelied gesungen und dann von dem Superintendant Förster eine Gedachtnisrede auf der Kanzel gehalten. Dann wieder gesungen und nachdem der Archidiaconus Walcker am Altare noch gesprochen hatte, wurde der Gottesdienst um 7 Uhr Abends geschlossen. Nach dem Schlusse wurde von dem Altar des Rathhauses herab das Lied Eine feste Burg ist unser Gott mit Trompeten und Pauken geblasen welches in der Dunkelheit und bei Sternenhellen Himmel einen sehr erhebenden Eindruck machte.
Polizei Verwaltung
Nachzuholen ist hier, daß der Stadt Magistrat von der Polizei Verwaltung über die Grünstraße , welche ihm seit dem Jahre 1819 aufgebürdet worden war, vom 1ten Januar 1844 ab wieder entbunden, und solche dem hiesigen Königl. Rentamte übertragen wurde. Es hatten vieljährige Verhandlungen über die der Stadt Commun für diese Polizei Verwaltung zu gewährende Entschädigung statt gefunden, welche so billig auch die Forderungen Seiten der Stadt waren, - jährlich 24 Thaler – nicht hatten zu Stande gebracht werden können. Der Stadt Behörde ist durch die Entbindung von dieser Polizei Verwaltung eine Erleichterung in sehr verdrießlichen Geschäften geworden und es kann dieselbe nur zum Vortheil der Stadt gereichen, wenigstens hat sich bis heute (den 12ten März 1847) diese Veränderung für die Stadt nur vortheilhaft gezeigt.
Am 23ten Februar
stürzte der östliche Giebel des Armenhauses am Gottes Acker ein, ohne jemanden zu beschädigen. Er war bis 2 Fuß über der Erde von Mauersteinen dann aber von Lehmsteinen aufgeführt, und diese letzteren waren von den vielen Regen erweicht worden.
Ein Stück Stadtmauer
50 Fuß lang an dem Zwinger des Justiz Rathes Schulze, welches der Einsturz drohte, mußte abgetragen werden, und veranlaßte mit Zu Hülfenahme der alten Steine einen Aufwand von 142 Thalern.
In der Münze
wurde das Pflaster erneuert, was besonders wegen der ganz verfallenen Abzugs Rinnen nöthig war. Auch wurden daselbst zwei neue Abzugs Rinnen angelegt. Kosten Aufwand 250 Thaler.
Vom 1ten Januar 1846
ab wurden die vier Lehrer an der Stadt Knaben Schule im Betreff des Schulgeldes und ihres Einkommens für die bisherigen sogenannten Schul Privatstunden fixirt. Jeder Lehrer erhielt jährlich 120 Thaler Fixum, wovon aber die Antheile in Abzug gebracht wurden, welche jeder aus dem Königschen Legate bekommt, nämlich bei dem Rector 10 Thaler, bei dem Cantor 8 Thaler bei dem Tertius 5 Thaler und bei dem Quartus 5 Thaler, so daß das Fixum für den Rector 110 Thaler für den Cantor 112 Thaler für den Tertius 115 Thaler und für den Quartus 115 Thaler beträgt, welches ihnen in monatlichen Theilen aus der Kämmereikasse gezahlt wird, wogegen das Schulgeld nunmehr zur Kämmereikasse fließt.
4 Mai 1846
Schullehrer Haase wurde vom 1 Mai 1846 ab mit einem Ruhestands Gehalte von 66 Thalern , welches zur Hälfte aus der Kämmereikasse gezahlt, zur anderen Hälfte von dem Diensteinkommen der Stelle gekürzt wird, emeritirt, und sein Nachfolger Jost aus Bötzen bei Eilenburg vorher Privat Lehrer in Gräfenhainichen, wurde am 4 Mai 1846 feierlich in sein Amt eingeführt; die Schulkinder hatten aus eigenem Antriebe die Schule mit Blumen freundlich geschmückt, und dem Lehrer eine Kaffee Tasse zum Geschenk überreicht.
Dampf Maschine
Der Tuchscheerer Herrmann hatte zur Anlegung einer Dampf Maschine Concession erhalten, um damit sowohl sein Geschäft als Tucharbeiter zu betreiben, als auch um eine Mahlmühle damit in Bewegung zu setzen. Er hatte schon während des nassen Winters den dazu erforderlichen hohen Schornstein aufbauen lassen. Es mußte jedoch dieser da er aus dem Lothe gewichen war, abgetragen und wieder neu aufgebauet werden. Anfang Mai 1846 wurde die Maschine in Betrieb gesetzt. Leider aber traf ihn schon am 23ten Mai 1846 das Unglück, daß seine kleine 3 ½ jährige Tochter in den Graben stürzte, wo das heiße Wasser aus dem Dampfkessel abfließt, und dabei so sehr beschädiget wurde, daß sie einige Tage nachher an den Brandwunden starb.
Am 26 Mai
reisete Sr Majestät der König von Eilenburg kommend hierdurch nach Halle. Zweck der Reise war die Besichtigung der zur Übung versammelten Landwehr in Verbindung mit dem Prinzen Cart. Unsere Stadt war festlich geschmückt mit Ehren............................, Guirlanden quer über die Straßen herüber und dergl. Auf dem Exerzier Platze war auch die Schützengilde mit aufgestellt.
Am 30 Mai
starb der Senator und Hospital Vorsteher Schmidt, welcher am 3ten Februar 1846 erst noch seine goldene Hochzeit gefeiert hatte. Als Nachfolger in dem Amte als Hospital Vorsteher wurde anfangs nur interimistisch von Neujahr 1847 ab aber definitiv der Kämmerer Weidenhammer angenommen.
Am 10ten Juni
schlug der Blitz Mittags ½ 12 Uhr in den nördlichen Giebel des Braunkohlenschuppens des Gastwirths Barth vor dem Viehthore, Gasthof zur goldenen Weintraube. Es soll an diesem Giebel vielse Erbs Stroh gelegen haben. Es war ein kalter Schlag. Ein Mädchen, welches die Gänse hütend sich an den Schuppen gesetzt hatte, wurde vom Blitz getroffen, aber nicht getödet. Nur die eine Seite ihres Körpers war blau unterlaufen.
Bau Ausführungen neue Vorstadt
Der Stadtmusicus Hofmann bauet ein neues Seiten Gebäude an sein Wohnhaus. Der Strumpfhändler Graul in der Zscherne untermauert sein Wohnhaus und verwandelt sein langes Seitengebäude in mehrere kleine Wohnhäuser, die er dann verkauft, und wodurch das Ansehen dieser Zscherngasse sehr gewinnt. Die Gastwirthe Schaaf und Becker im Schwan und im Löwen vergrößern ihre Räume durch Anbaue. Der Zimmergeselle Schäfer bauet in der Badergasse ein neues Wohnhäuschen auf einem Gartenfleck, den er von dem Korbmacher Hausmann gekauft hat. Der Maurergeselle Bauer führt auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore ein stattliches Wohnhaus auf, und soll wenn sich mehrere Baulustige finden, auf dieser Plantage eine neue Vorstadt hergestellt werden. Der Färber Möller vor dem halleschen Thore bauet ein neues Färbehaus.
Jubelfeste
Am 8ten Juli wurden 4 Jubelfeste gefeiert. das 50jährige DoctorJubiläum des Kreisphysicus Dr. Ettmüller. Er bekam den rothen Adler Orden 4 Kl.
Die Schützen Jubilaea des Seilermeisters Brade senior des Drechslermeisters Ufer senior und des Tischlermeister Jacob. Zu den drei letzteren hatten sich die Schützengilden von Eilenburg Düben u Bitterfeld auch der Schützen Hauptmann von Zörbig mit eingefunden. Jeder dieser 3 Jubilare wurde auf Kosten der hiesigen Schützengilde mit einer silbernen Denkmünze beschenkt. Die fremden Schützengilden hatten ihre Fahnen und ihre Musikchöre mitgebracht, und die Aufzüge von sämmtlichen Gilden gewährten ein sehr interessantes Schauspiel.
Blitz Einschlagen
In den letzten Tagen des Monats August hatten wir einige Male starke Gewitter. Ein heftiges Gewitter hatte sich am 30 August 1846 Abends gegen 6 Uhr zusammen gezogen. Schon glaubte man, daß alles vorüber sey, als gegen 7 Uhr noch ein heftiger Blitz herabfuhr, welcher das Haus des Daniel Held in der halleschen Gasse traf. Es war ein kalter Schlag, der an dem westlichen Giebel des Hauses herabfuhr, sich dann in dem Hause selbst an mehreren Stellen verbreitet hatte und überall bald mehr bald weniger Spuren der Zerstörung zurück ließ. Auch das Nachbarhaus des Seilermeisters Köckeritz hatte am Dach mehrere Beschädigungen erlitten.
Kirsch u Pflaumen Verpachtung
Die diesjährigen Kirschen in den zur Stadt gehörigen Alleen wurden für 177 Thaler 4 Silbergroschen und die Pflaumen auf der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore für 57 Thaler verpachtet. Von dem Bau Platze, welchen der Maurergeselle Bauer auf der Pflaumen Plantage zur Bebauung mit Wohnhäusern von der Commun erkauft hat, wurde die Quadratruthe mit 3 Thalern 26 Silbergroschen bezahlt. Er hat 60 Quadratruthen gekauft, und folglich 232 Thaler bezahlt.
In der Badergasse
wurde ein neuer Brunnen gegraben auf einem Theile von einer wüsten Baustelle, die dem Klempner Meister Krippehne gehört, und welche demselben abgekauft wurde. Es wurde dadurch einem wesentlichen Bedürfnisse der Bewohner der Badergasse abgeholfen. Der Brunnen mit Plumpe kostete 78 Thaler. Dem pp Krippehne wurden statt des Kaufgeldes die auf der Wüstung haftenden Schoß u Wächtergelder jährlich 13 Silbergroschen 1 ½ Pfennige erlassen und ihm eine neue Mauer zur Begrenzung seines Eigenthums aufgeführt.
Rathhaussaal verkleinert
Dem Land und Stadtgerichte wurde ein Stück von unserem Rathhaussaale abgetreten um sich zwei neue Geschäftszimmer einzurichten. Der Bau begann am 1ten Octbr und wurde in einigen Wochen beendiget. Es wurde diese Gelegenheit benutzt um den Rathaussaal neu abzufärben. Auch wurde der schadhafte Frontispitz am Rathhause ausgebessert.
am 18ten October
Die Stadtverordneten Wahl wurde am 18ten October vorgenommen und wurden gewählt a zu Stadtverordneten der Gastwirth Gottlieb Becker der Schneidermeister Kreutzer der Beutlermeister Carl Teubner und der Leinewebermeister Schönbrodt.. b zu Stellvertretern der Kaufmann Hennig, der Seifensiedermeister Dörfel, der Weißgerbermeister Heinrich Teubner und der Leinewebermeister Wilhelm Schladitz. Die am 21ten October neu constituirte Stadtverordneten Versammlung erwählte zu ihrem Vorsteher den Riemermeister Prisker zu dessen Stellvertreter den Strumpffabrikanten Pabst, zum Protocollführer den Kaufmann Dittmar und zu dessen Stellvertreter den Leinewebermeister Schönbrodt.
Elementar Schule
Die Schüler in der gemischten Elementar Schule mußten wegen Ueberfüllung derselben in 2 Abtheilungen getheilt, und die Zahl der Unterrichtsstunden für den Lehrer Hofmann auf 36 wöchentlich vermehrt werden. Da er nur zu 30 Stunden wöchentlich verpflichtet ist, so wurden dem Lehrer für die 6 Stunden mehr 30 Thaler jährlich bewilliget, aus der Kämmereikasse.
Am 30ten Novbr
starb der Hospital Armen und Stadt Wundarzt Große. In dessen Stelle rückte ein der Chirurgus Hesse, welcher am 25 Januar 1847 verpflichtet wurde.
Um armen Kindern
eine Weihnachtsfreude zu bereiten war einige Wochen vor Weihnachten ein Verein hiesiger Einwohner zusammen getreten; dieser sammelte Geld Kleidungsstücke und s.m. ein und veranstaltete am 31 Decbr 1846 in dem Saale zum goldenen Ringe für 184 arme Kinder eine Christbescheerung. Außer einigen nützlichen Gegenstände erhielt auch jedes Kind eine kleine Weihnachtsstolle wozu das Mehl geschenkt worden war. Diese Bescheerung, bei welcher es nicht an Zuschauern fehlte, erhielt dadurch eine höhere Bedeutung daß zuerst ein kurzes Lied aus dem Gesangbuche gesungen wurde. Dann hielt der Archidiaconus Walcker eine Rede, und zum Schlusse wurden noch einige Verse gesungen.
Zur Unterstützung
der Armen in diesem Winter mit Holz und Brod hatte sich ebenfalls ein Verein gebildet, welcher am 28ten Decbr 1846 in demselben Saale eine General Versammlung hielt. Es wurden dabei allgemeine Regeln für die beste Erreichung des vorgesetzten Zweckes aufgestellt, und wurden die zur Ausführung der Sache erforderlichen Personen und Gehülfen gewählt. Die nöthigen Geldmittel wurden durch Collecte von Haus zu Haus und durch öffentlich ausgesprochene Bitten herbeigeschafft. Die Kämmerei Kasse gab 100 Thaler die Hospitalkasse 50 Thaler die Cantoreikasse 25 Thaler dazu.
Eine besondere Industrie der Diebe
zeigte sich in diesem Winter dadurch, daß von mehreren Commun Plumpen die Plumpendeckel so wie auch nicht verschlossene Fensterladen gestohlen wurden. Zwei neue Windmühlen wurden im Laufe des Jahres 1846 aufgeführt, die eine auf Naundorfer Sandmark von pp Freiwald, die andere auf Elberitz Mark von pp Troitzsch.
1847
Der Diaconus Baltzer legte mit dem Beginn dieses Jahres ganz unerwartet sein Amt nieder und ging als Prediger zu der Dissidenten Gemeinde nach Nordhausen. Am 10. Januar Nachmittags hielt er seine Abschieds Predigt, am 17 Januar Abends wurde ihm im Gasthofe zum Schwan von seinen Freunden ein Festmahl gegeben, und am 21 Januar ist er mit Familie nach Nordhausen abgereiset.
Die diesjährige Holzauktion in dem Communwalde Holzschlag Nr 19 hat einen Ertrag von 684 Thalern 7 Silbergroschen gewährt.
Am 25 Januar
starb der Land und Stadtgerichts Director Müller, 65 Jahre alt; die Kirche hat er niemals besucht..
Am 1 März
Nachmittags 4 Uhr entstand Feuer auf dem Gerber Plane in dem Gehöfte des Grenz Aufsehers Haensgen. Es brannte ein Stall in welchem der dort zur Miethe wohnende Gendarm Kahl seine Feuerage aufbewahrt hatte. Das Feuer wurde schnell gelöschet, und der Brandschade am Gebäude auf 73 Thaler 5 Silbergroschen taxirt.
Am 7ten 14ten und 21ten März
sind in Beziehung auf die Wiederbesetzung der hiesigen Archidiaconatsstelle 3 Gast Predigten gehalten worden von dem Pastor Klee in Harburg Diaconus Heineken in ...................................und Pastor Findeis in Groß-Salze. Denn der bisherige Archidiaconus Walcker ist von dem Consistorio zu Magdeburg zum Pfarrer in Großkyhna ernannt worden, in Folge eines von dem Magistrate ausgestellten ....................................Das Consistorium hatte nun die genannten 3 Geistlichen zur Wiederbesetzung des hiesigen Archidiaconats dem Magistrate in Vorschlag gebracht, und nach gehaltenen Gastpredigten wurde der pp. Heineken von dem Magistrate zum Archidiaconus erwählt. Er hat seine Antritts Predigt am 24ten Mai 1847 gehalten und sein Vorgänger war schon zu Ostern 1847 als Pastor nach Großkyhna abgegangen. Auf die gehabten Umzugskosten wurden dem pp. Heineken 50 Thaler von der Kirchfahrt vergütet, welche aus der Kirchenkasse gezahlt worden sind. Zur Wiederbesetzung der durch Baltzers Abgang erledigten Stelle hatten sich 36 Candidaten gemeldet, davon wurden 6 zu GastPredigten zugelassen, und von diesen sechsen wurde der bisherige Rector in Lützen Dr. Burkhardt zum Diaconus und Hospital Prediger von dem Magistrate erwählt. Er hat seine Antritts Predigt am 10ten October 1847 gehalten und 36 Thaler Unzugskosten aus dem Kirchen Arrarier erstattet bekommen.
Der Major Beckzwarzowsky
Commandeur des hiesigen Landwehr Bataillons wurde im Frühjahr nach Halle versetzt, und an dessen Stelle kam der Major von Borcke hierher.
Die Große Theuerung
in diesem Frühjahre, (es kostete im Monat Mai der Berliner Scheffel Waitzen 5 Thaler 15 Silbergroschen Roggen 4 ½ Thaler Gerste 3 Thaler 5 Silbergroschen Hafer 2 Thaler 1 Silbergroschen 3 Pfennige) machte Vorkehrungen nöthig, um den Armen zu helfen und einem wirklichen Mangel vorzubeugen, zumal da in mehreren Städten unserer Nachbarschaft schon Ruhestörungen ausgebrochen waren, und strenge Gegenmaßregeln dadurch nöthig geworden waren. Der im vorigen Jahre zusammengetretene Hülfsverein, der mit Ende des Monats März 1847 seine Thätigkeit eingestellt hatte, sah sich daher veranlaßt seine Wirksamkeit wieder von neuem geltend zu machen, wozu ihm von den Stadtverordneten 500 Thaler aus der Kämmereikasse bewilliget und aus der Dr. Schultzeschen Stiftung für Hausarme 20 Thaler gegeben und auch noch Einsammlungen bei den hiesigen Einwohnern veranstaltet wurden. Auch von dem platten Lande gingen ansehnliche Unterstützungen ein und die Regierung zu Merseburg hatte jedoch nur zur Verwendung für die Grünsträßer Armen, 100 Thaler hierher gesendet, während bei den weit bedeutenderen Summen, welche von unseren Bürgern und aus der Kämmereikasse gegeben wurden, rücksichtlich der Verwendung kein Unterschied zwischen städtischen und grünsträßer Armen gemacht worden war. Es wurde Seiten des Hülfs Vereins besonders dahin gewirkt den Armen wohlfeiles Brod und Kartoffeln, namentlich auch Saamen Kartoffeln zu verschaffen. Die in mehreren Städten ausgebrochenen Unruhen gaben Veranlassung, daß von der Regierung zu Merseburg Commissarien an diese Städte abgesendet wurden. Der Ober Regierungsrath von Hinkeldey kam am 3 Mai 1847 Abends auch hierher und hielt eine Versammlung von Magistrat und Stadt Verordneten unter Theilnahme des Landraths. Letzterer hielt am 4 Mai einen Kreistag, wobei von den Kreisständen für Rechnung des Kreises 20000 Thaler zum Ankaufe von Roggen bewilliget wurden. Von dieser Bewilligung ist jedoch nur bis zum Betrage von 2000 Thaler Gebrauch gemacht worden, und der Verlust, der bei diesem Getreide Einkaufe und Verkaufe für den Kreis entstanden ist, beträgt 493 Thaler 9 Pfennige.
Die sehr gute Ernte
im Sommer 1847 machte daß dieser große Nothstand bald vorüber ging. Im November 1847 kostete der Berl Scheffel Waitzen 3 Thaler 2 Silbergroschen 6 Pfennige Roggen 2 Thaler 2 Silbergroschen 6 Pfennige Gerste 1 Thaler 19 Silbergroschen Hafer 1 Thaler 8 Silbergroschen 9 Pfennige.
Klassensteuer
Um den Armen zu Hülfe zu kommen, wurde von Sr. Maj. dem Könige für die Monate Mai Juni Juli die Klassensteuer in der untersten Steuerstufe erlassen. Die dem schon erwähnten Hülfs Verein zugeflossenen Mittel waren nicht alle verwendet worden; vielmehr waren 266 Thaler übrig geblieben. Es wurde von dem Vereine am 26 Januar 1848 eine Berathung veranstaltet, zu welcher alle Bürger eingeladen worden waren, die aber nur sehr schwach besucht war. In dieser Berathung wurde beschlossen von dem gebliebenen Bestande mit Hinzunahme von 50 Thalern Legat des verstorbenen Kaufmanns Kühne, 15 Thaler von dessen Erben (Betrag der Leichensteuer aus der Schützenkasse) und 3 Thaler vom Archidiaconus Heineken, eine Klein-Kinder Bewahr Anstalt ins Leben zu rufen, und wurden sofort als Vorsteher dieses Unternehmens gewählt: der Superintendent Förster Archidiaconus Heineken Oberlandes Ger Assessor Schulze Magistrats Ass. Kaufmann Tiemann Dr. medianae Gerber und Zimmermeister Krause.
Am 28 Juni Legat
starb der sehr wohlhabende Kaufmann Kühne, welcher außer dem so eben erwähnten 50 Thalern noch ein Legat von 500 Thaler ausgesetzt hatte, um von den Zinsen zu Weihnachten jeden Jahres 6 arme Kinder aus der Stadt und Grünstraße mit warmen Kleidern zu versehen. Die erste Bescherung dieser Art geschah am 25ten Decbr. in dem Hause des Bürgermeisters Securius, dessen Gattin zu der Zeit Vorsteherin des Frauen und Jungfrauen Vereins war, welchem Vereine der Verstorbene das Legat überwiesen hatte. Es wurden 3 Knaben und 3 Mädchen bekleidet.
Gasthof
Der Gastwirth Saenger im weißen Roß verkaufte seinen Gasthof zu Ostern an Seidel aus Eisleben und pachtete auf 6 Jahre vom 1 Januar 1848 bis dahin 1854 die hiesige Stadt Brauerei für 602 Thaler jährliches Pachtgeld. Er nahm sich dazu einen besonderen Brauer an.
Neue Baue
kamen vor: Der Seifensiedermeister Schilling am Markte bauet die obere Etage seines Wohnhauses neu. Der Kaufmann F G Schmidt am Markte bauet ein neues Seiten Gebäude um Wohnungen darin einzurichten. Der Seilermeister Schölz in der Rittergasse bauet einen neuen Stall. Der Victualienhändler Hoffmann übersetzt ein Hintergebäude. Der Schießhauswirth Bernhardt bauet einen neuen Saal, welcher am 15 October zu Königs Geburtstage eingeweihet wurde. Der Windmüller Thormann zur Grünstraße gehörig bauet ein neues Wohnhaus.
Die Kirschen
wurden verpachtet für 155 Thaler, die Pflaumen für 243 Thaler.
Am 3ten August
wurde zum Andenken an das Geburtstagsfest des Hochseligen Königes von der Schützen Gesellschaft ein Lustschießen gehalten, und damit die Feier des 50jährigen Schützen jubelfestes des Lohgerbermeisters Gottfried Elzner verbunden. Letzterer wurde in feierlichem Zuge von seiner Wohnung abgeholt, auf das Schießhaus geführt, und mit einer silbernen Denkmünze beschenkt.
Eine Reparatur am Heiligbrunnen kostete 33 Thaler 15 Silbergroschen und die neue Herstellung der Freitreppe vor der Stadt Knabenschule von Granit 65 Thaler 25 Silbergroschen.
Getreidemarkt
Es wurde versucht den Getreidemarkt in hiesiger Stadt wieder in Gang zu bringen, und wurde der erste derartige Markt am 6 Novbr gehalten. Die Zeit wird lehren ob er wird Bestand haben, oder ob er, wie schon vor etwa 20 Jahren einmal wieder eingehen wird.
Am 17 October
wurde die Stadtverordneten Wahl vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Schmiedemeister Zeitz der Victualienhändler Hoffmann der Schneidermeister Gehrmann und der Horndreher Pabst jun. zu Stellvertretern der Goldarbeiter Boettner der Tischlermeister Walther der Kaufmann Naumann und Lohgerbermeister Heinze.
Am 20 October
wurden die Genannten in der Stadtverordneten Versammlung neu eingeführt, und wurden gewählt zum Vorsteher Pabst senior zum Stellvertreter desselben der Drechslermeister Wilhelm Ufer, zum Protocollführer der Gastwirth Becker und zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt.
Am 3 Decbr
war Kreistag in Delitzsch. Zu diesem kam auch der Dorfschulz Dietze aus Gerbisdorf als Deputirter der Landgemeinde hierher gefahren. Aber durch Umsturz des Wagens nahe bei der Stadt brach er den rechten Oberschenkel und mußte in dem Hause des Korbmachers Schleicher an der neuen Leipziger Straße 6 Wochen krank liegen..
Am 17ten Decbr
Abends wurde ein schönes Nordlicht hier gesehen. Der erste Eindruck, den es auf den Beschauer machte, es müßte ein großes Feuer in der Nähe seyn.
Sakristei
Auf Kosten der Kirche wurde die Sakristei heitzbar gemacht. Das Holz gaben die Geistlichen.
Das Stättegeld
wurde auf 3 Jahre verpachtet und zwar bei Jahrmärkten für 66 Thaler 15 Silbergroschen bei Viehmärkten für 30 Thaler 15 Silbergroschen bei Wochenmärkten für 212 Thaler 15 Silbergroschen jährlich. Auf 6 Jahre wurde verpachtet: Die Garküche für 12 Thaler 15 Silbergroschen der Rathauskeller für 12 Thaler jährlich.
Der Holzschlag
1847/1848 gewährte einen Erlöß von 627 Thaler 19 Silbergroschen.
1848
Am 8ten Januar
früh 7 Uhr – 15 n. Reaum. Der Winter streng.
Am 6ten Januar Nachmittags fand in dem Saale zum goldenen Ringe eine Christbescheerung statt, bei welcher 147 arme Kinder jedes mit einer Stolle, Pfefferkuchen, Aepfeln und Kleidungsstücken, meistens Schuhe, Strümpfe und Pantoffeln beschenkt wurden. Das Fest wurde mit Gesang eröffnet. Dann hielt der Archidiaconus Heineken eine passende Ansprache an die Kinder, und zum Schlusse wurden wieder einige Gesangbuch Verse gesungen. Der Aufwand dieser Bescheerung war durch Einsammlung freiwilliger Beiträge herbei geschafft worden.
Thormann
Ein neuer Uhrmacher, ein Sohn des Windmüllers Thormann etablirte sich zu Anfange des Jahres hier. Es sind nun deren viere vorhanden Ottmer Freiwald Peipelmann und Thormann.
Getreidemarkt
Der im November v. Jh. neu eingerichtete Getreidemarkt ging sehr bald wieder ein. Es wurde nur Weniges zu Markte gebracht, und für dieses Wenige fehlte es an Abnehmern. Ein neuer Beweis, daß in unserer Ackerbautreibenden Stadt ein solcher Markt nicht gedeihen will.
An der im Jahre 1839 erbaueten neuen Straße auf der Mittags Seite der Stadt an welcher Birken standen welche kein Gedeihen finden wollten, wurden im Frühjahr 1848 Süß-Kirschbäume gepflanzt deren Fortkommen glücklicher war. Es würde diese Aenderung schon früher vorgenommen worden seyn, wenn nicht in Rücksicht auf den am 28 Juni 1847 verstorbenen Kaufmann Kühne Senior, der die Erbauung dieser Straße besonders gefördert hatte, dieses verhindert hätte. Man wollte also erst dessen Tod abwarten. Die Birken waren von dem Verein welcher sich Behufs dieses Straßenbaues gebildet hatte, und dessen Pag. 87 Erwähnung geschehen ist, gepflanzt worden. Die Pflanzung der Süßkirschbäume geschah für Rechnung der Commun.
Stempel an der Stadtkirche Januar
Von den 7 Stempeln welche das Fahren mit Wagen bei der Kirche vorbei verhindern sollte und an denen von einem zum anderen starke eiserne Ketten waren, und welche von Heuschkels bis zu Podehls Hause standen, wurden im Januar fünfe weggenommen. Nur zweie blieben stehen um das Fahren zwischen der Kirche und Mädchen-Schule unthunlich zu machen. Diese beiden Stempel mußten aber wegen häufigen Muthwillens, der daran verübt worden war, auch weggenommen werden und mußte man sich damit begnügen 2 Warntafeln die das Fahren daselbst verbieten aufzustellen. In früherer Zeit ist von Heuschkels bis zu Podehls Hause eine Mauer befindlich gewesen.
Privatschule
Der pensionirte Post Conducteur Gaßmann, welcher vor zwei Monaten seine Wohnung hier genommen hatte gab seit Anfang dieses Jahres Unterricht in der französischen Sprache. Er war aber diesem Fache nicht recht gewachsen und die Sache nahm bald ein Ende.
März
In dem Monate März und schon mehrere Wochen vorher waren für die Abgebrannten in Schweinitz 50 Thaler gesammelt worden.
Schlagzieherhaus
Am 15ten März wurde das Schlagzieherhaus am Viehthore, der Commun gehörig in öffentlicher Auction für 220 Thaler an den Seilergesellen Thier verkauft. Dieser ließ das Haus, welches seit 20 und mehr Jahren von dem Pachter des Commungutes als Rumpel-Kammer benutzt worden war, wohnlich einrichten, und bauete ein neues Seitengebäude im Jahr 1849.
am 17ten März
Ein außergewöhnlicher Holzschlag – die Kiefern an der Dübener Straße, bei dem Delitzscher Forsthause – gab in der Auction am 17ten März einen Ertrag von 884 Thalern 27 Silbergroschen.
Öeffentlichkeit der Stadtverordneten Sitzungen
Die Stadtverordneten Versammlung trug auf Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen an. Der Antrag wurde höheren Orts genehmiget, und wurden die nöthigen Einrichtungen dazu getroffen. Die erste öffentliche Sitzung wurde am 2ten und die zweite am 167en August gehalten. Zu der ersten hatten sich 4 zu der zweiten 10 Zuhörer eingefunden. Die Theilnahme daran verlor sich sehr bald, und in einigen Monaten war nicht mehr die Rede davon.
Abschaffung des Gregorius Umganges
Einige Mitglieder des Schulvorstandes trugen auf Abschaffung des Gregorius Umganges an. Die Sache wurde mit Zustimmung der Stadtverordneten Versammlung und Genehmigung der Regierung zu Merseburg dahin regulirt, daß die 4 Knabenlehrer ein jeder 15 Thaler jährlich ad dies muneris aus der Kämmerei-Kasse erhielt, der Gregorius Umgang fiel weg, und bei Anstellung neuer Lehrer fällt die Entschädigung ebenfalls aus.
Windmühle
Der Windmüller Kühne, Sohn des verstorbenen Böttchermeisters Kühne bauete eine neue Windmühle auf Elberitz Mark auf einem von dem Kaufmann Christian Friedrich Schmidt erkauften Feldstücke.
Bohrversuche
Im Haine und im Rosenthale wurde Bohrversuche nach Braunkohle gemacht. Sie standen unter der Leitung eines gewesenen Schullehrers Herrmann aus der Gegend von Halle, welcher mit den beiden Gutsbesitzern Ehlicher in Brodau und Merkwitz in Cletzen einen Vertrag dieserhalb geschlossen hatte. Die Bohrversuche an mehreren Stellen gewährten das Resultat, daß in einer Tiefe von 50 u mehr Fuß ein Kohlenlager von 7 bis 14 Fuß Mächtigkeit sich befände. Die ganze Sache schien aber auf Seiten des pp. Herrmann auf Schwindelei hinaus zu laufen, und so vieles Gerede Aufsehen und Schreiberei darüber auch gemacht worden war, so wurde doch gar nichts daraus, und nach Verlauf von 1 ½ Jahren war die ganze Sache wieder vergessen, und mancher betrogen.
Im Frühjahre
wurden über den Gertitzer Bach und über dem Graben an den der Stadt Commun gehörigen Wiesen bei Grabschütz neue hölzerne Brücken erbauet und mit Steinpflaster versehen. Die letztgenannte Brücke war durch die Einzel Verpachtung des Delitzscher Commungutes nöthig geworden. Diese Wiese in 11 Parzellen.
Zu Ostern
waren hier gleichzeitig zwei Seiltänzer Gesellschaften die des pp. Kolter und des pp. Starke. Beide gabe Vorstellungen, die erste vor dem breiten Thore die zweite auf dem Schießplatze, und machten gute Geschäfte. Sie blieben über 14 Tage lang hier und hatten immer vielen Zuspruch.
Der Hofrath Voigt bauete in seinem am Hause befindlichen Garten einen neuen Wagenschuppen und Pferdestall, und der Seifensieder Held in der Halleschen Gasse ein neues Hinter-Gebäude an die Rittergasse anstoßend. Es wurde ihm, gegen angemessene Bezahlung an die Kämmereikasse, erstattet, mit diesem Gebäude an der einen Ecke um einige Fuße heraus zu rücken und wurde dadurch eine Krümmung beseitiget, welche bisher in dieser Gasse an seinem alten Gebäude stattfand. Sein Nachbar der Kaufmann Hennig wird bei einem künftigen Neubaue seines Hintergebäudes in derselben Linie fortbauen.
Am 29ten Mai
erhängte sich die Dienstmagd der Wittwe Böhme, Rosine Lorenz aus Badrina in dem Hause Ihrer Herrschaft.
Neue Baue
wurden unter anderem folgende ausgeführt. Der Fuhrmann Keller an der Stadtmühle hat sein Wohnhaus das alte sogenannte Tuchmacherhaus abgetragen, und hat auf dessen Stelle ein neues massives Wohnhaus aufgeführt. Der Agent Sattler hat seine in der Todtengasse gelegene mit Stroh gedeckte Scheune zur Hälfte abgetragen, und hat auf die dadurch gewonnene Stelle ein neues massives Wohnhaus aufgebauet. Das Strohdach auf der zweiten Hälfte der Scheune hat er im Jahre 1849 abgenommen und in Ziegeldach verwandelt. Der Büchsenmacher Scherell vergrößerte sein Wohnhaus in der Zscherngasse durch einen massiven Anbau. Der Acronom Sigismund Kühne, Nr. 2 in der breiten Gasse, bauete ein neues Stallgebäude in seinem Hofe. Dessen Bruder der Kaufmann Wilhelm Kühne am Markte bauete ein neues Seitengebäude in seinem Hofe. Der Kaufmann Hennig in der halleschen Gasse bauete in seinem Hofe ein neues Niederlage Gebäude. Der Kaufmann Mulertt junior in der Holzgasse richtete sich das von dem Böttchermeister Georgi erkaufte Wohnhaus (Eckhaus an der Leipziger und Holzgasse) zu seinem Handels Geschäft ein, und bezog dasselbe im Herbste. Der Horndrechslermeister Pabst hat in seinem Hause in der Kohlgasse einen Kellerbau ausgeführt.
Die Kirschverpachtung
hat in diesem Jahre einen Ertrag von 193 Thalern 15 Silbergroschen gewährt.
Kreis Chirurgus Dr. Zieger
Am 28. Septbr 1847 starb in Magdeburg, wohin er zu einer Chirurgen Conferenz gereiset war, der hiesige Kreis Chirurgus Danneberg, ein geschickter Wund-Arzt. Dessen Nachfolger wurde der Kreis Chirurgus Christoph Rudloff. Der hiesige practische Arzt und Geburtshelfer, Sohn des hiesigen ersten Mädchen Lehrers Zieger und Schwiegersohn des Magistrats Assessors Meißner, Dr. Zieger 29 Jahre alt starb am 13ten März 1848; desgleichen auch der Kreisphysicus Dr. Ettmüller, Ritter des rothen Adler Ordens 4ter Kl. starb am 25ten April 1848 im 75ten Lebensjahre. Dessen Nachfolger wurde der Dr. med. Gerold aus Acken an der Elbe.
Am 18ten Mai 1848
starb der gewesene unbesoldete Magistrats Assessor Seifensiedermeister Krieger im 67ten Lebensjahre.
Am 21ten Juli 1848 Kirchen Kasse Kretzschmar
starb der besoldete Magistrats Assessor Friedrich August Meißner, ein hiesiger Eingeborener, im 56ten Lebensjahre. Er hatte 29 Jahre lang im Dienste der Stadt gestanden, 7 Jahre als Subaltere, und 22 Jahre als besoldeter Magistrats Assessor. Er verwaltete gleichzeitig das Amt als erster Kirchen Vorsteher und als Verwalter der milden Stiftungs Kassen. Man fand es für rathsam diese Kassen Verwaltungen von dem Amte als Magistrats Assessor zu trennen, weil der Magistrat sowohl Kirchen Inspector und Patron als auch Inspector der milden Stiftungen ist und es daher nicht passen will, daß ein Magistrats Mitglied diese Kassen Verwaltungen selbst führt. Es wurde nun zum Kirchen Vorsteher der bisherige zweite Kirchen Vorsteher Gürtlermeister Friedrich Johann Kretzschmar, und als zweiter Kirchen Vorsteher der Stadt Steuereinnehmer Friedrich August Weidenhammer gewählt und wurden beide als solche am 31ten August 1848 verpflichtet.
Catholy
Die Verwaltung der milden Stiftungskasse aber wurde dem Sparkasse Rendanten Thärigen übertragen und ihm für diese Verwaltung 1/12 p Ct. von dem Kapital Vermögen jeder Stiftung, jährlich, bewilliget. Weil aber auf diese Weise das Einkommen der Magistrats Assessor Stelle ................. Gehalt nur 300 Thaler betrug vermindert worden war, so wurde auf Beschluß der Stadtverordneten Versammlung die Assessor Besoldung auf 400 Thaler jährlich erhöht. Es wurde für diese Stelle der bisherige Bürgermeister in Wahrenbrück Carl August Catholy, ein junger Mann von 30 Jahren erwählt und derselbe am 1ten October 1848 verpflichtet und eingeführt.
Legat
Der verstorbene Meißner hat in seinem Testamente ein Legat von 500 Thalern gestiftet, dessen Zinsen zur Erhaltung der Gottes Acker Kirche verwendet werden sollen. Dieses Legat wirde mit dem im Jahre 1730 zu gleichen Zwecke gestifteten Legate des Dr. Schulze, welches auch 500 Thaler beträgt, gemeinschaftlich verwaltet.
Sparkasse
Vom 1ten October 1848 ab wurde in hiesiger Stadt eine Sparkasse ins Leben gerufen, und zum Rendanten derselben Karl August Thärigen, bisher Schriftsetzer in der Meynerschen Buchdruckerei hierselbst mit 200 Thalern Gehalt jährlich angestellt. Er wurde als solcher am 19ten Septbr. 1848 verpflichtet. Die Sparkasse war, unter Garantie des gesamten Kämmerei Vermögens und der Stadt überhaupt, für Stadt und Umgegend bestimmt, und gab 3 Thaler 10 Silbergroschen Zins jährlich von 100 Thalern folglich 2 Silbergroschen per Thaler. Die Sparkasse gewann vieles Vertrauen. Es kamen größere und kleinere Einlagen von allen Seiten und bis zum 1ten December 1849 waren 52005 Thaler 10 Silbergroschen 6 Pfennige eingelegt worden. Davon waren bis zum 1ten Decbr 49, 10972 Thaler 6 Silbergroschen 6 Pfennige wieder abgehoben, und 39233 Thaler 3 Silbergroschen 10 Pfennige gegen pupillarische Sicherheit theils zu 5 theils zu 4 ½ Procent ausgeliehen worden. Vom 1ten Januar 1850 ab wurde der Gehalt des Rendanten Thärigen auf 250 Thaler jährlich erhöht, und ihm dafür die unentgeldliche Verwaltung der ........................ und Armenkasse mit übertragen.
Bauverwalter
Am 15ten August starb der Bauverwalter Kaufmann im 71ten Lebensjahre. Er hatte am 3ten August sein 50jähriges Schützen Jubelfest gefeiert, und am 6ten August einer Schützen Fahnen Weihe in Eilenburg beigewohnt, und erkrankte gleich nach der Rückkehr von dort. Zu seinem Nachfolger wurde der Riemermeister Peisker mit 50 Thalern Gehalt, jährlich, gewählt, und am 19ten September 1848 verpflichtet.
Kirchendach Reparatur
Die Erneuerung des Daches auf der hiesigen Stadtkirche auf der Mittags-Seite, welche schon seit 2 Jahren vorbereitet worden war, wurde in diesem Jahre ausgeführt. Der Aufwand für diese Kirchendach Reparatur betrug über 1795 Thaler welche von der gesamten Kirchfahrt aufgebracht werden mußten. Der Antheil, den die Stadt Commun Delitzsch dazu beizutragen hatte, 1474 Thaler 24 Silbergroschen 2 Pfennige, wurde aus der Kämmereikasse entnommen, und dadurch den hiesigen Einwohnern eine große Erleichterung gewährt. Die Einziehung der Kosten Beiträge von den übrigen zur Kirchfahrt gehörigen Gemeinden machte viele Mühe und Schreiberei, besonders wegen Storckwitz und wegen der Grünstraße.
Pflaumen
Die diesjährigen Pflaumen auf der Plantage vor dem Viehthore gewährten einen Pachtgeld Ertrag von 361 Thalern.
Am 25ten September
Abends gegen 8 Uhr, brannte eine mit Stroh gedeckte Scheune vor dem halleschen Thore, dem Acronomen Siegismund Kühne gehörig ab. Die Entstehungs Ursache des Feuers konnte nicht ermittelt werden, und war dieses noch die einzige Scheune mit Strohdach vor dem Halleschen Thore, welche bey dem großen Brande im Jahre 1809 am Sonntage Exandi früh 7 ½ Uhr von den Flammen verschont blieb. Im Jahre 1849 bauete der pp. Kühne eine schöne neue Scheune mit Ziegeldache an die Stelle der abgebrannten.
Bei der Stadtverordneten Wahl
am 15ten Octbr wurden gewählt, zu Stadtverordneten: der Kaufmann Mulertt sen., der Strumpffabrikant Pabst sen., der Schneidermeister Balke sen., und der Fleischermeister Pörschmann senior; zu Stellvertretern der Färber Gelpke, der Maurermeister Meie, der Lohgerbermeister Platen, der Gastwirth Merkwitz. Die zuerst genannten viere wurden am 16ten October in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt, und wurden gewählt zum Vorsteher der Strumpffabrikant Pabst sen. zu dessen Stellvertreter der Victualienhändler Hoffmann; zum Protocollführer der Gastwirth Becker und zu dessen Stellvertreter der Leinewebermeister Schönbrodt.
Commun Gutes
Zu Juhanni 1848 ging die Pachtung des hiesigen Commun Gutes zu Ende, und fand die Rückgabe desselben am 26ten Juni statt. In deren Folge wurden an die bisherige Pächterin Wittwe Küster zurückgezahlt: 2000 Thaler Caution und 2191 Thaler 19 Silbergroschen 1 Pfennig Entschädigung für Vieh Aussaat usw. Das Gut hatte bisher an jährlichem Pachtgelde gewährt, mit Einschluß der Lehdenfelder 2335 Thaler. Man war schon seit einigen Jahren mit dem Plane umgegangen, bei Erledigung dieser Pachtung das Gut in einzelnen Parzellen zu verpachten, um dadurch einen höheren Pachtgeld Ertrag zu erlangen. Als aber die Sache zur Ausführung kommen sollte, fanden sich Widersprüche im Magistrats Collegis selbst vor, welche jedoch durch Berichts Erstattung an die Königl. Regierung in Merseburg beseitiget und die Einzel Verpachtung genehmiget wurde. Die Vorbereitungen dazu wurden schon im Jahre 1847 getroffen, und der Anfang mit Verpachtung der Lehdenfelder gemacht. Diese waren schon von dem verstorbenen Pachter – Amtmann Küster – in einzelnen Parzellen, mit Genehmigung der Commun, .................. verpachtetworden. Diese Parzellen wurden beibehalten, und die Pächter derselben befragt, ob sie ihre Pachtungen noch auf anderweite 12 Jahr bis zu Johanni 1860, gegen ein erhöhtes Pachtgeld von 2 ½ Silbergroschen für jeden Thaler jährlich beibehalten wollten. Die meisten Pächter nahmen dieses Erbieten an, und die Lehdenfelder wurden demnach für 658 Thaler 3 Silbergroschen 9 Pfennige jährlich von neuem auf 12 Jahre verpachtet, in 32 verschiedene Parzellen. Von den bisherigen Pächtern gaben ihre Pachtungen auf, und traten an deren Stelle andere Personen ein. Um die Einzelverpachtung des Commungutes auszuführen, mußten die dazu gehörigen Felder und Wiesen erst von dem Regierungs Conducteur Zanthier vermessen, und in einzelne Parzellen abgetheilt werden. Felder und Wiesen wurden in einzelne Parzellen, die Schäferei Gerechtigkeit, nämlich die dazu gehörige Hutung und ein Schafstall mit einigem Invetario, an den Ritterguts Pachter, Amtmann Donner in Döbernitz, die der Commun gehörige Scheune theils in zwei Hälften getheilt, theils ganz, und das Gehöfte des Commungutes in zwei Theilen verpachtet. Zu dem einen Theile des Communguts Gehöftes wurden einige Felder mit geschlagen und dem Pachter dieses Theiles die Verpflichtung aufgelegt ein Saamenrind und 1 Hauerschwein für die Bürgern mit zu halten. (Früher waren 2 Bullen auf dem Commungute zur Benutzung sowohl für die Bürgerschaft als für den Pachter gehalten worden, aber durch Verringerung mit den Vieh haltenden Bürgern war man dahin überein gekommen, daß nur 1 Bulle noch gehalten werden solle, da man diesen für ausreichend hielt.)
Auch der Galgen-Platz
vor dem Galgthore, wo früher der Galgen gestanden hatte, ohngefähr 42 Quadratruthen groß, und ein Stück Grabeland auf dem Schießplatze, wurden mit verpachtet. Das Resultat dieser Einzelverpachtung – wozu der Licitatinus Termin auf dem 31 Januar 1848 u. f. angesetzt war, für Felder Wiesen und Scheunen, Schäferei und Communguts Gehöfte wurden etwas später verpachtet, und worüber 65 verschiedene Pacht Contracte, nach gedruckten Formularen ausgefertigt werden mußten in duplo – war: Es wurden erlangt
3163 Th., 25 Sg. Pachtgeld jährlich für Felder und Schäferei
908 Th., 10 Sg. Pachtgeld jährlich für Wiesen
312 Th., 15 Sg. Pachtgeld jährlich für Gebäude
25 Sg. Pachtgeld jährlich für den Galgen Platz
658 Th., 3 Sg., 9 Pf. Pachtgeld jährlich für die Lehdenfelder
5043 Th., 18 Sg., 9 Pf. Summa.
Mithin 2708 Thaler 18 Silbergroschen 9 Pfennige mehr als das frühere Pachtgeld betrug.
Schoß u. Wächtergeld
Vom 1 Januar 1848 ab wurde den Bürgern das Schoß- und Wächtergeld, welches der Kämmereikasse jährlich 386 Thaler 12 Silbergroschen 6 Pfennige einbrachte, für immer erlassen.
Lehmgrube
Um die Lehmgrube am Schenkenberger Wege, der Stadt Commun gehörig, zu vergrößern, da das Commun Feldstück auf dem sie befindlich bald zu Ende ging, wurde die unmittelbar an dieselbe anstoßenden Felder der beiden Einwohner Gallwitz und Lange zu Schenkenberg, zusammen 4 Morgen 121 Quadrat Ruthen haltend tauschweise dazu gebracht, und dagegen dem pp. Gallwitz und Lange, die der Stadt Commun gehörige Feldbreite an der Naundorfer Mühle, 6 Morgen 106 Quadrat Ruthen groß, eigenthümlich überlassen.
Stadtschulden
Am Schlusse des Jahres 1848 betrugen die Stadtschulden 10055 Thaler 12 Silbergroschen 6 Pfennige und besaß die Kämmereikasse an außen stehenden Kapitalien 1300 Thaler freiwillige Anleihe Scheine und 600 Thaler Preußische Staats Schulden Scheine.
Volksaufstand
Die politischen Unruhen, zu denen der revolutionäre Volks Aufstand in Berlin, am 18ten März 1848 die Veranlassung gab haben auch unsere Stadt nicht unberührt gelassen. Es wurden Versammlungen gehalten, Vereine gestiftet, eine Sicherheitswache eingerichtet, allgemeine Volks Bewaffnung beantragt, und dergleichen mehr. Der Magistrat hatte dabei einen schweren Stand; besonders als im November von der aufgelöseten National Versammlung die Steuer Verweigerung beschlossen wurde, um das Ministerium Brandenburg zu stürzen, welches dem democratischen Umtrieben kräftig entgegen trat. Es gehörte viele Vorsicht und Besonnenheit dazuum als Behörde nicht mit in diese politischen Umtriebe hinein zu gerathen, was in mehreren anderen Städten der Fall war. Auch Katzenmusiken und offenbare Widersetzlichkeiten kamen bei uns mit zum Vorschein.
Am 9ten April 1848 Nachmittags 3 Uhr wurde auf unserem Marktplatze eine große Volks-Versammlung gehalten zu welcher sich einige Tausend Menschen eingefunden hatten. Vor dem Rathhause war eine Rednerbühne erbauet, von welcher herab mehrere Volksredner – Oberlandes Gerichts Assessor Schulze, Zimmermeister Krause Dr. Fiebiger u. a. – über verschiedene Gegenstände sprachen. Zu dieser Volks-Versammlung hatten sich auf dem hiesigen Schießplatze die hiesige Schützengilde, die Turner und sämmtliche Innungen aufgestellt, und kamen in festlichem Zuge, mit 2 Musik Chören und 22 Fahnen, auf den Marktplatz gezogen. Es ging alles in guter Ordnung vorüber. Seitdem wurden in geschlossenen Räumen eine Menge Versammlungen gehalten, bei welchen, außer den schon Genannten, auch der Pastor Krüger aus Schenkenberg der Trödelhändler Göbel von hier, Mühlenbesitzer Berke von Benndorf u. a. als Redner auftraten.
Am 6ten August 1848 hielten die hiesigen Handwerker einen festlichen Aufzug mit Musik und brachten dem von der deutschen National Versammlung in Frankfurt am Main zum Reichs Verweser erwählten Erzherzoge Johann ein Lebehoch mit Absingung eines Vaterlands Liedes. Am 21ten und 22ten November 1848 waren die zum hiesigen Landwehr Bataillone gehörigen Mannschaften einbeordert, um eingekleidet zu werden. Die Mannschaften waren aber, in Folge vorher gegangener Aufregung, zum größeren Theile so widerspenstig, daß sie sich nicht einkleiden ließen. Auch diejenigen welche ihre Kleidung schon im Empfang genommen hatten, wurden von ihren widerspenstigen Kameraden gezwungen selbige wieder zurück zu geben, und wurden einem sogar die Kleider vom Leibe gerissen. Die Mannschaften mußten daher entlassen werden.
Am 25ten November rückten nun Infanterie und Kavallerie hier ein, angeblich 400 Mann Füßeliere und 40 Mann Husaren. Die Mannschaften wurden nochmals einbeordert und nun ging die Einkleidung ohne Störung vorüber. Die Räthelsführer wurden zur Untersuchung gezogen, und bestraft.
Am 24ten October 1848 früh fand man an der Postsäule vor dem breiten Thore einen Zeddel angeklebt, mit der Ankündigung: Mittwoch Abend 8 Uhr wird Republik proclamirt. Theilnehmer wollen sich auf dem Markte vorm Rathhause einfinden. A. Besser der Zeddel wurde abgenommen und der Mittwoch Abend ging ganz ruhig vorüber. Die Nachricht, daß von Thüringen und Leipzig her Freischaaren im Anzuge wären, um in die hiesige Provinz einzufallen, gab Veranlassung, daß am 19ten November angeblich 80 Husaren von Düben hierher gezogen wurden, welche theils in der Stadt blieben, theils in das Dorf Brodau gelegt wurden. Das Ministerium Brandenburg behauptete sich, und ihm haben wir die Erhaltung der Ruhe im Vaterlande zu danken. Die bisher üblich gewesenen Prädicate für Behörden: Hoch Hochlöblich Wohllöblich wurden abgeschafft.
Jagd Verpachtung
Eine von den März Errungenschaften war das neue Jagdgesetz vom 31ten October 1848 durch welches die Jagd auf fremden Grund und Boden aufgehoben wurde. In Folge dessen verlor auch die Stadt Delitzsch ihr Jagd Revier, welches zuletzt einen jährlichen Pachtertrag von 84 Thalern 15 Silbergroschen gewährt hatte. Die Jagd konnte fortan nur auf eigenem Grund und Boden ausgeübt werden, und wurde demnach auf den Commun Feldern und Wiesen, sowie in dem Communholze vom 1ten Decbr 1848 ab, auf 3 Jahre für 18 Thaler 15 Silbergroschen jährlich verpachtet. Mithin ein Verlust für die Kämmereikasse von 66 Thalern jährlich.
Wegen politischer Vergehen wurden am 6ten Decbr der Dr. Fiebiger und am 9ten Decbr der Trödelhändler Göbel jun. arretirt und an das Inquisitoriat zu Eilenburg abgeliefert. Der letztere, welcher zu fünf Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt ward, war Pachter des Stättegeldes an Wochen und Jahrmärkten. Wegen seiner Arretirung wurden diese Gefälle Erhebungen auf 3 Jahre von neuem verpachtet, und die Kämmereikasse verlor dabei, an beiden Pachtungen zusammen, 68 Thaler 15 Silbergroschen jährlich.
Vergrößerung des Gottesackers
Bei der Vereinzelung des Commungutes wurde der dem Pachter bisher überlassen gewesene Garten am Gottes Acker mit zu dem letzteren gezogen und dadurch der Gottes Acker bedeutend vergrößert. In Gefolge dieser Vergrößerung mußten verschiedene bauliche Einrichtungen vorgenommen werden, welche den Sommer und Herbst bis zum Monat November in Anspruch nahmen. Am Todtenfeste den 26ten November Nachmittags nach dem Gottesdienste in der Gottes Acker Kirche wurde nun diese Gottes Acker Vergrößerung von dem Hl. Sup. Förster feierlich eingeweihet.
d.28ten October
ward der praktische Arzt Dr. Ideler als Hospital und Stadt Armen Arzt mit 50 Thalern jährlichem Gehalt angestellt.
1849
Am 4 Januar, 25 Januar und 22 März 1849 fanden drei Holz Auctionen in dem Communholze statt, welche einen Ertrag von resp. 135 Thalern, 276 Thaler 6 Silbergroschen und 494 Thaler 2 Silbergroschen gewährten.
Der schon erwähnte Kleiderhändler Göbel junior wurde zur Verbüßung einer 5jährigen Zuchthausstrafe am 15ten März von Eilenburg aus hierdurch nach Halle transportirt. Nach dem Beschlusse der Stadtverordneten Versammlung wurde, vom 1 Januar 1849 ab, den Steuerpflichtigen die bisher von ihnen mit erhobene Tantieme von dem Kavallerie Verpflegungsgelde erlassen, wodurch die Kämmereikasse einen Verlust von 25 Thalern 9 Silbergroschen 11 7/8 Pfennige jährlich erlitt.
Dr. Fiebiger
Der schon erwähnte Dr. Fiebiger wurde gegen 1000 Thaler Caution der Untersuchungshaft bei dem Inquisitoriate in Eilenburg entlassen, und kam am 24ten März 1849 wieder hierher zurück..
Straßen Schilder
Im Monate Mai wurde die Stadt mit Straßen Schildern versehen, und waren dabei die alten Benennungen beibehalten worden. Auch wurden Vorbereitungen getroffen, um Stadt und Vorstadt mit Straßen Laternen zu erleuchten. Die Fertigung derselben wurde dem Schlossermeister Bier junior als Unternehmer übertragen. Der Vorfertiger war aber hauptsächlich der Klempnermeister Luckian. Es wurden theils Hänge Laternen theils Pfahl Laternen angeschafft und am 15ten October, Königs Geburtstag wurden die Laternen zum ersten Male angezündet. Der Aufwand für die Laternen, 39, betrug gegen 400 Thaler. Es wurden 3 Laternenputzer angestellt, und für jede Laterne jährlich 1 Thaler für Anzünden Putzen usw. bezahlt. Der Antrag zum neuen Jahre einen Gratulations Umgang in der Stadt halten zu dürfen, wurde den Laternenputzern abgeschlagen. Der Oelbedarf und Laternenputzerlohn dürfte jährlich gegen 400 Thaler kosten. Diese Laternen Angelegenheit machte dem Magistrate viele Mühe.
Cholera Epidemie
Im Monate Juli stellte sich die Cholera bei uns ein. Sie hat viele Opfer verlangt, und manches Familienglück ist dadurch getrübt worden. Ihren Höhepunkt hatte sie zu Anfang des Monats September erreicht, und ihr Ende zu Anfang des October. Die Zahl der daran Erkrankten betrug 141, der daran Gestorbenen 42. Unsere Äerzte hatten dabei sehr viel zu thun, zumal da zwei derselben Dr. Bertram und Dr. Pfotenhauer, jener als Bataillons Arzt, dieser als Compagnie Arzt mit dem Landwehr-Bataillone abwesend waren. Bei Behandlung der Kranken hat sich bei dieser Gelegenheit unser Hospitals und Armen Arzt Dr. Ideler ausgezeichnet. Von den an der Cholera Verstorbenen wollen wir erwähnen, am 23 Juli die Leichenwäscherin Schladitz an deren Stelle bald darauf die Wittwe Geyer angestellt wurde, am 6 August die Ehefrau des Bürgermeisters Securius, deren Mann in Wittekind im Bade war, und der seine Gattin, als man ihm von deren gefährlichen Erkrankung benachrichtigt und ihm am 6ten August früh einen Kutschwagen nach Wittekind geschickt hatte, um nach Hause zu kommen, als Leiche wieder sah. Ferner der Instrumentenmacher Moritz, die Ehefrauen des Uhrmachers Ottmer und des Mädchen Lehrer Zieger. Der letztere verheirathete sich einige Monate nachher wieder mit der Wittwe des Chirurgus Danneberg.
Die Zahl der in diesem Jahre Verstorbenen betrug im Ganzen 197. Für Arme Kranke wurden in diesem Jahre aus der Hospital-Kasse58 Thaler und aus der Armen Kasse 68 Thaler für Arzneymittel bezahlt. Ein Messerschmied Dudenfing aus Leipzig ließ sich in Delitzsch nieder. An der Dübener Straße vom Forsthaus bis zur Furthbrücke wurden an beiden Seiten von der Stadt Commun italienische Pappeln gepflanzt.
dritter Mädchenlehrer
Auf Anordnung der Regierung zu Merseburg mußte ein dritter Mädchenlehrer hier angestellt werden. Es waren dazu schon im vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen, und war im Ordonanzhause eine Schulklasse und Lehrer-Wohnung eingerichtet worden. Als dritter Mädchenlehrer wurde Eduard Keller aus Halle, bisheriger Lehrer an der Bürgerschule in Halle, mit jährlich 175 Thalern festem Gehalt, und freier Wohnung, angestellt, welcher sein Amt am 16ten April angetreten hat. Die Wohnung gefiel aber dem pp. Keller nicht, und auf sein Ansuchen wurden ihm von der Stadtverordneten Versammlung jährlich 30 Thaler Miethzins Entschädigung bewilliget, seine Dienstwohnung aber an den Grünsträßer Polizeidiener Jahn für 20 Thaler jährlich vermiethet. In Folge von Kellers Anstellung wurde der erste Mädchenlehrer Zieger mit 400 Thalern jährlich fixirt, und dem zweiten Mädchenlehrer Petermann eine jährliche Gehalts Zulage von 10 Thalern bewilliget. Auch wurde in den beiden ersten Mädchen Klassen, so wie in den 4 Klassen der Knabenschule das Schulgeld auf 4 Silbergroschen monatlich vom 1ten Mai ab von jedem Schulkinde erhöhet. Die Erhöhung fand Anfangs vielen Widerspruch, der aber nicht berücksichtigt werden konnte, weil die Opfer welche die Kämmereikasse für die Schulen, durch Fixirung der Lehrer usw., übernommen hatte zu bedeutend waren, als daß man nicht dafür hätte sorgen sollen, daß der Kämmereikasse, zu welcher das Schulgeld von dem Schulgeld Einnehmer abgeliefert werden mußte, einige Entschädigung dafür zu Theil werde.
Barthel
Unser Rector Stützer Substitut, wurde als Rector nach Bitterfeld berufen, und ging den 1ten April dahin ab. Zu dessen Nachfolger wurde der bisherige Rector zu Mücheln Barthel gewählt welcher, ebenfalls als Rector substitutus, denn der emeritirte Rector Ahner lebet noch, sein Amt antrat am 4 Juni 1849. Sein jetziges Gehalt war ohngefähr 175 Thaler und freie Wohnung. Der Emeritus bekommt 200 Thaler. Während der Vacanz in den Monaten
April und Mai 1849
hat der Candidat Knauth, vorher Hauslehrer in Zschepen, das Rectorat als Vicarius verwaltet, gegen ein Honorar von 4 Thalern wöchentlich.
Neue Baue
Der Magistrats Assessor Kaufmann Thiemann hatte schon vor anderthalb das Haus der verwittweten Gerichtsdirector Hildebrandt in der Holzgasse für 3750 Thaler gekaufet, war aber in seinem Hause am Markte, bei der Kirche wohnen geblieben. In diesem Jahre aber verkaufte derselbe sein früheres Haus an den Kaufmann Lindenhahn aus Quering gebürtig für 4050 Thaler, bauete in seinem neu erkauften Hause ein neues Statt und Wirtschafts Gebäude nahm in dem Wohnhause mehrere bauliche Veränderungen vor, und bezog dasselbe am 1 Juli 1949.
Der Fuhrmann Scharf kaufte in der Todtengasse eine mit Stroh gedeckte Scheune von der Wittwe Dittmar, trug diese ganz ab, und erbauete eine neue mit Ziegeldach.
Der Klempnermeister Winckler hatte schon im vorigen Jahre an der Stadtmauer bei Pfotenhauers Zwinger ein neues Wohnhaus aufgebauet. Ihm folgten in diesem Jahre der Strumpffabrikant Pabst welcher einen Schuppen, der Schneidermeister Gehrmann der ein Wohnhaus, der Zimmergeselle Franke und der Victualienhändler Hoffmann welche jeder einen Schuppen ebenfalls an der Stadtmauer bei Pfotenhauers Zwinger erbaueten. Der Fuhrweg, der zwischen der Zscherne und diesen neuen Gebäuden hinführt, wurde gepflastert und durch zwei neue Gebäude, welche im Jahre 1850, von dem Drechslermeister Petzsche ein Schuppen, und von dem Sattlermeister Ronniger ein Wohnhaus, ebendaselbst ausgeführt wurden, entstand eine neue Gasse, welche den Namen Mauergasse erhielt.
Die Baustellen zu allen diesen Gebäuden waren den Bebauern nur laasweise gegen Entrichtung eines Laaszinses überlassen worden. Nachher aber im Jahre 1850 wurden sie mit Genehmigung der Regierung zu Merseburg den Bebauern als Eigenthum überwiesen gegen Entrichtung eines jährlichen Erbzinses an die Kämmereikasse. Der Lohgerbermeister Elsner in der Viehgasse hat die obere Etage seines Wohnhauses abgetragen und neu gebauet. Der Schmiedemeister Naumann aus Sausedlitz hat das Fleischermeister Richtersche Haus in der Rittergasse gekauft, und eine Schmiede Werkstatt darin eingerichtet. Auch in der Viehgasse ist von dem Schmiedemeister Hasfurt eine neue Schmiede eingerichtet worden. Die Frau Hofräthin Voigt bauete ein neues Gartenhaus in ihrem Zwinger und der Dr. Gerber ein neues Gewächshaus in den Garten hinter seinem Schuppen in der Rittergasse. Für die Kirschen Verpachtung wurden in diesem Jahre 208 Thaler 15 Silbergroschen, für die Pflaumen auf der Plantage 352 Thaler und für die Pflaumen im Rosenthale 25 Silbergroschen gelöset.
Ein der Commun gehöriger bisher nutzlos gewesener Platz zu Ende der ersten und zweiten Scheunengasse vor dem breiten Thore, der Wohnung des Chirurgen Rathmann, Scharfrichtereibesitzer, gegenüber, ist dem letzteren gegen Entrichtung eines jährlichen Laaszinses von 2 Thalern 15 Silbergroschen zur Benutzung als Gartenland, bis auf Widerruf überlassen worden. An dem Stadtgraben Ufer hinter der Kohlgasse wurden von den dort wohnenden Hausbesitzern und einigen anderen Personen kleine freundliche Gärten angelegt, und mit Stacketen umgeben. Für diese Gärten müssen, da Grund und Boden der Commun gehörig, jährliche Laaszinsen an die Kämmereikasse gegeben werden und ist Grund und Boden nur auf Widerruf, jedoch nicht unter 20 Jahren überlassen worden. Die Promenade erhielt dadurch ein recht freundliches Ansehen, und die Commun wurde die kostspielige Unterhaltung der Barrieren los, und bekam jährlich einige Thaler Laaszins.
Bürgerwehrgesetz
Um das Bürgerwehrgesetz vom 17ten October 1848, abermals eine März Errungenschaft, in Ausführung zu bringen, wurden auch bei uns die vorgeschriebenen Liste aufgestellt, Compagnie Bezirke eingetheilt, Hauptleute Zugführer Feldwebel usw. gewählt auch schon einige Exercier Uebungen vorgenommen. Es wurde jedoch die weitere Ausbildung des Bürgerwehr Instituts höheren Orts bald wieder zurückgenommen, und war alles vergebliche Mühe und Arbeit und Kosten Aufwand gewesen.
Justiz Organisation, Rathhausausbau
Durch die Aufhebung der Patrimonial Gerichtsbarkeit und die damit verbundene Justiz Organisation, welche mit dem 1 April 1849 ins Leben trat, wurde das zeither hier bestandene Land und Stadtgericht in ein Kreis Gericht verwandelt, und dessen Umfang, gegen früher, vergrößert. Da die benachbarte Stadt Bitterfeld sich viele Mühe gab auch ein Kreis Gericht in seine Mauern zu bekommen, und sich erboten hatte die dazu erforderlichen Locale neu zu bauen und unentgeldlich herzugeben, so mußten auch wir uns dazu verstehen Opfer zu bringen und es wurde daher unser Rathhaus mit noch 2 Etagen übersetzt und wurden dem neuen Kreis Gerichte die zweite und dritte Etage im Rathhause unentgeldlich überwiesen und der Magistrat bezog die bisher von dem Land und Stadtgerichte benutzten Räume in der unteren, ersten, Etage des Rathhauses. Dieser Rathhaus-Vergrößerungsbau wurde am 2ten Juli 1849 begonnen. Er wurde auf Rechnung ausgeführt unter specieller Aufsicht des Bau Inspectors Schönwald, welchem dafür eine Gratification von 100 Thalern bewilliget wurde. Der Sparkassen Rendant Thärigen fungirte als Bauschreiber dabei, und bekam 30 Thaler für seine Mühe. Der Bau kostete 10000 Thaler, welche zum größten Theile aus der Sparkasse zu 4 ½ p Ct geborgt wurden. Die vierte Etage des Rathhauses und die Räume im Seiten Gebäude blieben der Commun vorbehalten. In der ersten Etage des Seitengebäudes wurden zwey Zimmer zu Stadt-Krankenstuben mit vier Betten zweckmäßig eingerichtet und dadurch einem dringenden Bedürfnis abgeholfen. Der Kreisphysicus Dr. Gerold ging mit der Idee um eine landwirtschaftliche Schule hier zu errichten, und dazu die Räume in der vierten Etage zu benutzen. Es wurde auch dieserhalb Bericht erstattet; allein die Sache fand aus triftigen Gründen hoheren Orts keine Unterstützung und unterblieb.
Krankenstube
In dem Hospitale wurden die Krankenstube und der Betsaal mit einem Kosten Aufwande von mehr als 250 Thalern neu eingerichtet, und der Saal am 17ten Septbr durch den Hospital Prediger Dr. Burghardt wieder geweiset.
Michaelis Examina
Die hiesigen Diaconen hatten auf Abstellung der Michaelis Examina angetragen. Der Magistrat war diesem Antrage entgegen, und die K. Regierung hat für Beibehaltung dieser Schulprüfungen entschieden.
kleiner Stadtgraben
Die nothwendig gewordene Schlämmung des kleinen Stadtgrabens wurde in der Art ausgeführt, daß, nachdem das Wasser abgelassen, und der Schlamm sich gesetzt hatte, einzelne Parzellen quer über den Graben abgetheilt wurden. Der in diesen Parzellen befindliche Schlamm wurde von mehreren Unternehmern, unter der Bedingung der Herausschaffens auf eigene Kosten meistbietend verkauft und dadurch noch 15 Thaler für die Kämmereikasse gewonnen. Auf der Promenade vor dem breiten Thore, Schulzens Zwinger gegenüber, wurden 16 Pappeln für 51 Thaler 21 Silbergroschen stehend, unter der Bedingung des Stammrodens in öffentlicher Auction verkauft.
Stadtverordneten Wahl
Am 14ten Octbr bei der Stadtverordneten Wahl im Schaafschen Saale wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Kaufmann Mulertt Sen. der Justizrath Schulze der Rechts Anwalt Haffert und der Schumachermeister Frömmig, zu Stellvertretern der Böttchermeister Georgi der Mützenfabrikant Podekt der Schneidermeister Kreutzer und der Fleischermeister Poerschmann Sen. Die Stadtverordneten Versammlung protestirte gegen die Gültigkeit der Wahl, wegen eines Formfehlers, weil nicht einer von den 3 Wahldeputirten sondern der Bürgermeister das Wahl Protocoll aufgenommen hatte. Die K. Regierung erklärte wegen dieses Formfehlers die Wahl für ungültig und es mußte eine neue Wahl vorgenommen werden. Die bisherige Stadtverordneten Versammlung blieb daher noch in ihrer Wirksamkeit.
1850
Abgang des Bürgermeisters Securius, Einsetzung des Bürgermeister Hagedorn und des Assessor Pabst
An Stelle des zum 1 Januar 1850 ausscheidenden unbesoldeten Magistrats Assessors Kaufmann Schmidt wurde der bisherige Stadtverordneten Vorsteher Pabst Senior zum unbesoldeten Magistrats Assessor auf 6 Jahre gewählt. Der bisherige Bürgermeister Securius wurde nach 18jähriger Dienstzeit auf sein Ansuchen in Ruhestand versetzt mit 350 Thalern Pension jährlich. Kränklichkeit und Altersschwäche hatten ihn zu seinem Rücktritte veranlaßt. Als sein Nachfolger wurde der bisherige Polizei Secretär Carl Hagedorn aus Roßla 32 Jahre alt zum Bürgermeister erwählt. Der pp. Securius schied mit dem 1 Januar 1850 aus dem Magistrats Collegio aus, und am 2 Januar wurden der pp. Hagedorn und der pp. Pabst als neue Magistrats Mitglieder verpflichtet und in das Collegium eingeführt. Es geschah diese Handlung in dem neuen Rathhaus-Saale, welcher dadurch zugleich eingeweihet wurde, vor einer zahlreichen Versammlung unter Leitung des Kreisdeputirten und Landraths Amts Verwesers Major von Rauchhaupt auf Queis, denn der Landrath von Pfannenberg war als Abgeordneter zur zweiten Kammer in Berlin. Der Bürgermeister Securius legte bei dieser Gelegenheit sein Amt feierlich nieder führte das Protocoll und vereidigte sowohl den pp. Pabst als den pp. Hagedorn. Der pp. Securius hatte bei seinem Abgange noch die Freude von der Königl. Regierung zu Merseburg zwei Belobungs Rescripte zu erhalten über seine erfolgreiche Wirksamkeit als Bürgermeister und als Vorsteher der Prüfungs Commission für Bauhandwerker, welches letztere Amt er mit Genehmigung der K. Regierung, und auf Wunsch der übrigen Commissions Mitglieder, so wie mit Zustimmung des pp. Hagedorn vor der Hand noch beibehielt.
Witterungsablauf
Der Winter war seit Mitte des Monats December v. J. und den ganzen Januar hindurch sehr streng. Es wurden Collecten gesammelt, um die Armen mit Brenn Material zu unterstützen. In der zweiten Hälfte Februars wurde es gelinder und bis zur Mitte des März recht angenehm und Frühlingsmäßig, dann aber kam ein harter Nachwinter der bis zum 3ten April anhielt.
Stadtverordneten Wahl
Die angeordnete anderweite Stadtverordneten Wahl wurde am 20ten Januar 1850 vorgenommen, in dem neuen Rathhaussaale. Es wurden ganz dieselben Personen zu Stadtverordneten und Stellvertretern gewählt, wie am 14 October vorigen Jahres. Am 28ten Januar wurden die Gewählten in die Stadtverordneten Versammlung eingeführt und die neue Versammlung wählte zu ihrem Vorsteher den Rechts Anwalt Haffert zu dessen Stellvertreter den Victualien Händler Hoffmann zum Protocollführer den Kaufmann Mulertt Senior und zum Stellvertreter den Lohgerbermeister Platen.
Im Herbste vorigen Jahres wurde der hiesige Bataillons Arzt Dr. Bertram als Garnison Staabs Arzt nach Erfurt versetzt, und seine Familie folgte ihm dahin am 16ten März 1850. Bertrams Nachfolger wurde der Dr. Saatz bisheriger Oberarzt vom 6ten ............................ Regiment in Rathenow.
Legat
Der hiesigen Gottes Acker Kirche wurde im vorigen Jahre von einer jetzt noch unbekannten Person ein bereits ausgeliehenes Kapital von 25 Thalern geschenkt. Von diesem Kapitale sollen 100 Jahre lang die Zinsen aufgesammelt, und immer wieder zu Kapital gemacht werden. Nach Ablauf dieser 100 Jahre aber, welche vom 1ten October 1849 ab laufen, sollen die Zinsen von dem dann bedeutend angewachsenen Kapital zur Erhaltung der Gottes Acker Kirche verwendet werden.
freie Gemeinde
Am 20ten März wurde, um eine freie Gemeinde zu errichten im Schießhaus Saale eine Zusammenkunft gehalten, bei welcher der Pastor Uhlich aus Magdeburg Vortrag hielt. Als provisorischer Vorstand wurden der Schneidermeister Kreutzer Fleischermeister Pörschmann Senior Tischlermeister Bernhard Tischlermeister Bormann u Klempnermeister Luckian ernannt. Am 2ten April (zweite Osterfeiertag) wurde der erste Gottesdienst im Saale des Gasthofes zum goldenen Ring gehalten, zu welchem der Pastor Sachse aus Magdeburg hierher gekommen war. Dabei wurde die Confirmation des Sohnes des pp. Bernhard und des Sohnes des pp. Pörschmann Senior vorgenommen. Der Sohn des letzteren hatte viele Thränen darüber vergossen, daß ihn sein Vater abgehalten hatte in unserer Stadtkirche am Palm Sonntage mit den übrigen Katechumenen – seinen Schulkameraden -, eingesegnet zu werden.
Dem vormaligen Deputirten zur IIten Kammer Schulze-Delitzsch wurde am 12ten Januar 1850 von seinen Anhängern ein silberner Ehren Pokal überreicht. Derselbe gehört zur democratischen Parthei, und hatte sich bei der Steuer Verweigerung sehr betheiliget. Zu Weihnachten 1849 hatte er mit Hülfe eingesammelter Beiträge eine Christbescherung für arme Kinder veranstaltet. Er hatte als Deputirter in Berlin Bekanntschaft mit einem reichen Mädchen, Tochter des Fabrikbesitzers Jacobs gemacht, welche er heyrathete, u als Kreisrichter nach Wreschen versetzt wurde.
Wegen der anhaltenden strengen Kälte waren Sammlungen zur Ankaufung und Vertheilung von Holz und Torf unter die Armen geschehen, Seiten des Magistrats. Am 24ten Mai wurde das 2jährige Kind des Schmiedemeisters Haschert in der Viegasse, welches auf der Chaussee spielte, durch einen vorüberfahrenden Wagen überfahren, und sofort getödet. Die Leber war geborsten.
Den Obstbäumen
hatte der strenge und anhaltende Winter vielen Schaden zugefügt. Es wurden daher bei der diesjährigen Obst Verpachtung nur für die Saure Kirschen an der Eilenburger und Dübener Straße 5 Thaler 15 Silbergroschen und aus der Pflaumen Plantage vor dem Viehthore nur 168 Thaler gelöset. Das Schock Pflaumen wurde mit 2 ½ Silbergroschen verkauft.
Der Stamm des 1ten Bataillons 32tes Landwehr Regiments, welcher seit 33 Jahren hier in Delitzsch seinen Sitz hatte wurde mit dem Landwehr Zeughause von hier mach Merseburg verlegt. Die hauptsächlichste Veranlassung dazu hatte der Bataillons Commandeur Major v Borke gegeben, und der Grund dazu war, weil das Landwehr Zeughaus bei den democratischen Bewegungen hier im Orte einige Male bedroht wurde, und es für solche Fälle an einem ausreichenden Schutze fehlte. Die Verlagerung geschah am 10ten Juli 1850.
Die Getreideernte
ist mittelmäßig die Kartoffelernte schlecht ausgefallen. Die Hälfte des vorigen Jahres krank und ohne Mehlgehalt. Aepfel und Birnen giebt es.
Die freie Gemeinde
bestehet fort und zu Zeiten kommen die Prediger Uhlich und Sachse aus Magdeburg, um religiöse Vorträge zu halten. Die Mitglieder derselben (etliche 80, worunter sich viele nur temporär hier weilende Handwerksgesellen befinden) haben ihren Austritt aus der evangelischen Kirche vor Gericht erklärt. Die pp. Uhlich und Sachse sind wegen unbefugten Vornehmens von Taufen und Confirmationen von dem Polizei Anwalte Cutholy in Anklagestand gesetzt worden, im Monate Juli.
Kirchenordnung
Vormittags 11 Uhr hielt der Superintendent Foerster in der Stadtkirche einen Vortrag an die ziemlich zahlreiche Versammlung hiesiger Kirchen Gemeinde im Betreff der Einführung der neuen Kirchen Verfassung. Er forderte dabei auf sofort an Ort und Stelle Fragen und Einwendungen an ihn zu richten, was aber nicht geschah, und bestimmte zuletzt noch eine Zeit von 14 Tagen, binnen welcher ein jeder seine Erklärung über die Annahme oder Nichtannahme der neuen Kirchen Verfassung abgeben könne. Da uns keine abfälligen Erklärungen erfolgt sind, so läßt sich die Einführung der neuen Verfassung zu seiner Zeit erwarten.
Dr. Pfotenhauer
Der Bürgermeister Hagedorn hatte am 6ten August Hochzeit mit Anna Tiemann Tochter des Magistrats Assessors Kaufmann Tiemann. Diese Verbindung gab Veranlassung daß der letztere aus dem Magistrats Collegio ausschied. An seine Stelle wurde der Dr. Pfotenhauer zum unbesoldeten Assessor gewählt und am 1ten Octbr 1850 verpflichtet.
Hofrath Voigt
starb am 20 Juli, als seine Frau mit ihrem Sohn im Bade zu Franzensbrun war. Er wurde 60 Jahr 1 Monat alt, und hatte 6 Monate krank gelegen.
Kreisgerichtsdirector
Der Kreisgerichtsdirector Bodenstein war im Frühjahre von hier in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt worden. Dessen Stelle wurde durch den bisherigen Tribunalrath von Steltzer aus Königsberg ersetzt, welcher am 10ten Novdr hier eintrat und sich in Tiemanns Haus am Schloßplatze einmiethete.
Der Leinewebermeister
Schönbrodt auf dem Steinwege bauete noch eine zweite Etage auf sein einstöckiges Wohnhaus und setzte an dasselbe noch ein Seitengebäude mit 2 Etagen. Der Schneidermeister Richter kaufte das bisherige Kindmutterhaus neben dem Thurm am breiten Thore, ein Commungebäude für Thaler, trug das alte Haus ab, und bauete mit Benutzung der Stadtmauer ein neues übersetztes Wohnhaus. Dadurch kam er in Proceß mit dem anstoßenden Zwingerbesitzer Dr. Pfotenhauer, welcher die vielen Fenster welche Richter, nach dem Zwinger zu, in seinem Hause angebracht hatte, nicht leiden wollte. Der Sattlermeister Ronniger hatte von der Commun auch eine Baustelle an der Stadtmauer, bei Apotheker Pfotenhauers Zwinger, gekauft, und bauete darauf ein übersetztes Wohnhaus. Durch die mehreren Hausbaue an diesem Theile der Stadtmauer entstand eine neue Gasse, welche gepflastert, und Mauergasse genannt wurde.
Weißes Roß
Der bisherige Schenkwirth Rößler aus Döbernitz kaufte den Gasthof zum weißen Roß.
Schützenhauptmann
Zu Pfingsten 1850 legte der bisherige Schützenhauptmann Bürgermeister Securius sein Amt als solcher nieder der bisherige Premier Lieutenant Ufer wurde Schützen Hauptmann, der C. Sänger wurde Premier Lieutenant, und der C. Catholy zugleich Auditeur.
Fabrikhaus
Der Kaufmann Tiemann kaufte Schulzens Fabrikhaus am Schloßplatze für 5000 Thaler im Concurse. Schulze war nach Amerika entwichen, mit Zurücklassung von Frau und Kindern in Leipzig.
Wachskerzen
Die hiesige Stadtkirche wurde zweimal mit großen Wachskerzen, jedesmal zweie von dem Dr. Ideler hier beschenkt.
am 18 Novbr.
Der Steuer Einnehmer Meßner ein mit Orden geschmückter Officier starb am 18 Novbr. und wurde von den Schützen militärisch begraben.
Rathhaus
Während des Sommers wurde die Flur in der parterre Etage des Rathhauses erneuert und geweißet. Die bisher in derselben aufgehängt gewesenen Commun-Feuer Eimer wurden in das Spritzenhaus geschafft.
Stadtverordneten Wahl
wurde am 27ten October 1850 vorgenommen. Es wurden gewählt, zu Stadtverordneten der Bürgermeister a. D. Securius der Schlossermeister Eichel der Klempnermeister Luckian der Tischlermeister Borrmann. Zu Stellvertretern: der Kfm Sander der Sattlermeister Heinicke der Färber Dittmar und der Agent Sattler. Am 6ten November restituirte sich die neue Stadtverordneten Versammlung und wählte zum Vorsteher den Rechts Anwalt Haffert zu dessen Stellvertreter den Bürgermeister a. D. Securius, zum Protocollführer den Kfm. Mulertt zu dessen Stellvertreter den Schlossermeister Eichel.
1851
Von der Stadtverordneten Versammlung wurde dem Tector Barthel eine Gehalts Zulage von 50 Thalern auf so lange als sein Vorvorgänger der emeritirte Rector Ahner noch lebt, jährlich, bewilliget. Der zweite Mädchenlehrer Petermann erhielt eine Gratifikation von 20 Thalern.
Der Horndrechsler
Pabst in der Kohlgasse kauft das Haus des + Hofrath Voigt in der greiten gasse und richtet die untere Etage für sein Handels u Fabrikgeschäft ein.
Der Assessor
Tiemann kauft in der Subhastation das Haus der Wittwe Gelpke am breiten Thore. Er verkauft es wieder an den Färbermeister Dittmar vor den breiten Thore und dieser verkauft das seinige theils an den Gastwirth Merkwitz im eisernen Kreutze, welcher daselbst noch Stallungen für seinen Gasthof anlegt, theils an den Drechsler Boost, nämlich an diesen das Wohnhaus an jenen das Stallgebäude.
Der Ass. Tiemann
verkauft die Hälfte seines Zwingers an den Zimmergesellen Zeising für 600 Thaler dieser will Wohnhäuser darin anlegen.
Der Zeugschmidt
Ziegler in der Halleschen Gasse, Besitzer des sonst Sparwaldschen Hauses, bauet ein neues Stattgebäude.
In dem Gesellschen Hause an der Leipziger und Holzgassen Ecke etabliert sich ein neuer Kaufmann C W Lange.
Am 8ten Februar
starb der gewesene Magistrats Ass. Kaufmann Karl August Schmidt im 44ten Lebensjahre und am 9ten März der Rentants Verweser Christian Fr. Zienert 51 Jahre alt.
Gemüthskranke
wurden in die Irren Anstalt bei Halle gebracht im November 1850 der hiesige Posthalter Lieutenant und Compagnieführer von Bünau. Im Monat Februar 1851 der Superintendent Parreidt aus Seyda, welcher sich krankheitshalber einige Zeit bei seiner Mutter hier aufgehalten hatte. Im Monat April 1851 die unverehelichte Wilhelmine Beyer von hier. Letztere ist geheilt.
Der Justizrath
Schulze hat schon im vorigen Jahre seinen Zwinger an den nunmehr verstorbenen Assessor Kfm. Schmidt verkauft.
Die Kränklichkeit des Registrators Richter hatte zu Ende des vorigen Jahres so sehr zugenommen, daß er sich zu Anfange dieses Jahres genöthiget sah, um seine Entlassung und Pensionirung anzutragen. Dieses wurde genehmigt, und der pp. Richter vom 1 April 1851 ab mit 244 Thalern 26 Silbergroschen 3 Pfennige jährlich pensionirt. Die ihm abgelegenen Geschäfte namentlich das Kassenwesen wurde von der Stelle abgenommen, und als Richters Nachfolger in der Person des bisherigen Feldwebels Renicke ein Stadt Secretär mit 250 Thalern Gehalt jährlich angestellt.
Doctor Gerber
Der Magistrats Assessor Pabst welcher am 1 Januar 1850 in das Collegium eingetreten war, hatte noch im Laufe desselben Jahres um seine Wieder-Entlassung gebeten. Um seine Stelle wieder zu ersetzen wurden von der Stadtverordneten Versammlung verschiedene Wahlen vorgenommen. Es wurden nämlich nacheinander gewählt der Kaufmann Mulertt Sen. der Kaufmann Sander und der Dr. Gerber. Die beiden ersten Wahlen wurden von der Regierung nicht bestätiget. Die letzte aber erhielt Bestätigung und es wurde demnach am 13ten Mai 1851 der Doctor Gerber als unbesoldeter Magistrats Assessor verpflichtet und eingeführt. Die Handlung wurde von dem Mag. Assessor Catholy vorgenommen weil der Bürgermeister Hagedorn krank darnieder lag.
Hofmann
Dem Lehrer Hofmann von der gemischten Elementar Schule wurde vom 1 Mai 1851 ab eine Gehalts Erhöhung von 25 Thalern jährlich bewilliget, und ihm verstattet seine Dienstwohnung zu vermiethen.
Krause
Der Tischlermeister Krause in der Rittergasse bauet in seinem Garten am Hause einen neuen Schuppen um ihn mit bei seinem Gasthofe (goldener Adler) in der Halleschen Gasse zu benutzen. Der Kreisphysicus Dr. Gerold legte am 1ten April 1851 sein Amt nieder, und gehet am 2 Juni 1851 von hier fort, angeblich nach Berlin.
Schützen Gesellschaft
schaffte sich zum Pfingstschießen ein großes Zelt 100 Thaler Werth an zum Aufenthalt für das besuchende Publikum. Auch wurden die Würfelbuden auf der rechten Seite des Schießgrabens auf dem Schießplatze aufgestellt.
Einkommensteuer
Vom 1 Juli 1851 ab wurde eine neue Einkommensteuer und Klassensteuer eingeführt in Folge des Gesetzes vom 1 Mai 1851 und wurden dabei als Deputirte Behufs der diesfallsigen Abschätzung Seiten der Stadtverordneten Versammlung gewählt Kfm. Dittmar Seilermeister August Teubner Sen. Agent Sattler Kfm Mulertt Sen. Schlossermeister Eickel und Mützenmacher Podehl.
Kirchen Gemeinde Ordnung
Die erwähnte neue Kirchen Gemeinde Ordnung konnte in der Parochie Delitzsch nicht ins Leben treten, weil der Magistrat als Kirchen Patron dagegen war. In dem hiesigen Nachrichtsblatte erschienen dieserhalb verschiedene Aufsätze sowohl von dem Superintendenten, als von dem Magistrate, und die Sache blieb liegen.
Die Obst Verpachtungen
auf den Commun Pflanzungen hatten gewährt, im Jahre 1850 für die Kirschen 5 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 168 Thaler und im Jahre 1851 für die Kirschen 191 Thaler 15 Silbergroschen für die Pflaumen 7 Thaler. Der Beutlermeister Karl Teubner in der Kohlgasse bauete einen neuen Schuppen in Elzners Garten in der Kohlgasse, und hat den Platz dazu circa für 106 Thaler von dem pp. Elzner gekauft.
Der erwähnte Kreis Gerichts Director von Stelzer wurde vom 1 Juli 1851 ab in gleicher Eigenschaft nach Wittenberg versetzt und in dessen Stelle trat der bisherige Kreis Gerichtsrath von Nohtitz aus Erfurt.
Oel Lieferung
Die Oel Lieferung für die Straßen Laternen für nächsten Winter wurde an die beiden Seilermeister Teubner Sen. und Braungart der Centner zu 12 Thaler 10 Silbergroschen verdungen. Laut Nachricht in dem Halleschen Courier war die Oellieferung in Halle zu demselben Zwecke für 11 Thaler 2 Silbergroschen pr Centner verdungen worden.
Feuerlärm
Am 21 August 1851 Abends ¾ 10 Uhr entstand Feuerlärm. Es brannten ab ein mit Stroh gedeckter Schuppen dem Schneidermeister Haase und dem Windmüller Thormann gehörig und die nahe dabeistehende Ziegeldach Scheune des Acronomen Wilhelm Kühne. Gänzliche Windstille kam bei diesem Unglücke zu statten. Die Entstehung blieb unermittelt.
Von den Delitzscher Einwohnern war die Frau Hofräthin Voigt die einzige welche, im Monat Juli nach London gereiset um die Kunst-Ausstellung im Glas Palaste zu sehen.
Kreissteuer Einnehmer
Zu Anfange des Monats September wurde die Stelle des durch den Tod des Hofraths Voigt erledigten Kreissteuer Einnehmers, in der Person des Hauptmann Klein aus Merseburg wieder besetzt. Die interimistische Verwaltung derselben war bis dahin durch den Lieutenant a. D. von Laher besorgt worden.
Fleischermeister
Der der freien Gemeinde angehörige hiesige Fleischermeister Pörschmann Senior verkaufte sein Haus auf dem Steinwege an den Fleischermeister Vöckel und ging zu Anfange September, mit mehreren Angehörigen nach Amerika. Die Frau aber blieb zurück.
Abschießen
Die hiesige Schützen Gesellschaft hielt am 11 u 12ten Septbr ihr Abschießen zwei Tage hintereinander, während daß früher nur ein Tag dazu verwendet wurde.
Gesundheitszustand
Ueber den Gesundheitszustand dieses Jahres ist zu bemerken, daß derselbe trotz des sehr ungünstigen Witterungslaufes und öftern schnellen Temperaturwechsels äußerst befriedigend und die Sterblichkeit, besonders unter den Erwachsenen sehr gering war. Bloß im Januar, Februar und December war die Zahl der Kranken etwas größer. Im October noch mehr aber im December hatten wir bey hohem Barometerstand (28,5) dichte Nebel.
1852
Tod des Bürgermeisters Securius
Am 5ten Januar früh kurz vor 9 Uhr ist der pensionirte Bürgermeister Herr Johann Carl Securius mit Tode abgegangen. Derselbe war geboren zu Querfurth den 23ten November 1788; sein Vater, Auditeur daselbst später Justiz-Amtmann in Annaburg, brachte ihn 1801 auf die berühmte Landesschule zu Pforte; er verließ dieselbe zu Ostern 1807 und studierte von da an bis 1810 Jura auf der Universität Wittenberg, arbeitete nachher als angehender Jurist beym Hofgericht, alsdann während der Kriegsjahre bey der Kreisdeputation daselbst, und 1815 und 1816 in Herzberg im Büreau des damaligen Landraths, später Königl. Sächs. Finanz-Minister v. Zetschau. Auf die Empfehlung dieses Mannes an unseren verstorbenen Herrn Landrath v. Pfannenberg ward er zu Ende des Jahres 1816 hierher in dessen Büreau versetzt, und bald nachher auf dessen Vorschlag, weil er in ihm einen tüchtigen und brauchbaren Arbeiter erkannte, als Kreissecretär definitiv angestellt. Nachdem er fünfzehn Jahre lang dieses Amt verwaltet hatte, wurde er bey Einführung der neuen Städteordnung zu Ende des Jahres 1831 von unserem damaligen Stadtverordneten einstimmig auf Lebenszeit mit 600 Thalern Gehalt als Bürgermeister erwählt. Auch war er Protokollführer beym Provinzial-Landtag und wohnte als solcher frei im Ständehause.
Bis zum Jahre 1840 erfreute er sich einer sehr rüstigen Gesundheit; von da an litt er aber an Unterleibsbeschwerden, besonders Leberleiden, wegen welcher sein damaliger Hausarzt ihn nach Töglitz schickte; der Erfolg entsprach leider den gehegte Erwartungen nicht, denn höchst elend kehrte er von dort zurück, er konnte sich nicht wieder völlig erholen, sein Organismus war in seinen Grundfesten erschüttert und zerrüttet, er hatte bis an sein Ende mit körperlichen Leiden und Siechthum zu kämpfen, und konnte nur durch strenge Diät und regelmäige Lebensweise sich so lange erhalten. Im Gefühle seiner zunehmenden Kränklichkeit und Schwäche suchte er 1849 im October um seine Entlastung von dem Amte des Mürgermeisters nach; sie ward ihm auf die ehrenvollste Weise und mit einer jährlichen Pension von 350 Thalern gewährt. Er legte dieses Amt am 2ten Januar 1850 öffentlich nieder; da er aber zu sehr an Thätigkeit gewöhnt war, so behielt er seine übrigen Aemter als Kreisständischer Rendant und Syndikus, Donatie Gelder-Einnehmer, Vorsitzender in der Prüfungs-Commission für Bauhandwerker, ferner Agenturen und Vormundschaften auf den ausdrücklichen Wunsch der Behörden bis an seinen Tod noch bey; auch führte er diese Stadt-Chronik ferner fort, und bat seinen vieljährigen Freund, den Schreiber dieser Zeilen (den Dr. Ideler) dereinst seinen Tod in dieselbe einzutragen, und sie dann sofort an den Magistrat abzugeben. Der Verewigte war in jeder Beziehung ein edler Mensch, ein trefflicher Gatte und Vater, ein treuer Freund, ein Christ in Wort und That, ein Mann von festem Charakter, ein pünktlicher und gewissenhafter Beamter und ein stiller Wohlthäter der Armen. Er hat achtzehn Jahre lang, besonders im städtischen Haushalte, zum größten Segen unserer Stadt gewirket. Um eine Gehaltszulage oder Gratifikation hat er niemals angesucht, weil er sehr einfach lebte.
Mit vollem Rechte konnte ihm daher die Königl. Regierung zu Merseburg bey seinem Abgange vor zwey Jahren das ehrenvolle Zeugnis geben: „Wir bedauern Ihren Abgang aufrichtig, in dem wir in Ihnen stets nur einen rechtschaffenen und pflichtgetreuen Beamten kennen gelernt haben.“
Seine Beerdigung am 8ten Januar Nachmittags um 3 Uhr war sehr feierlich, das Wetter sehr schön und milde; die Schützenkompagnie, deren Hauptmann er gewesen war, eröffnete den Zug, sämmtliche Behörden, die gesammte Geistlichkeit, viele Bürger, hiesige und auswärtige Freunde, so wie eine große Menschenmasse folgten seinem Sarge, alle waren von tiefster Rührung ergriffen, nicht die mindeste Störung fand statt. Herr Superintendent Foerster schilderte mit großer Beredtsamkeit in ergreifenden Worten das Bild und den Charakter des edlen Vollendeten; er wies uns darauf hin anzuschauen seinem Glauben, sein Lieben, sein Wirken, sein Dulden, sein Hoffen, sein Sterben. Die ganze Versammlung bewies durch ihre Haltung die herzlichste Theilnahme an dem traurigen Ereignisse und ihre aufrichtige, ungeheuchelte Liebe zu dem Verstorbenen, dessen Grabstätte sie mit tiefer Bewegung verließ. Friede seiner Asche und Segen seinem Andenken! Eine reiche Erndte wartet seiner im Lande der Vergeltung. Zur Steuer der Wahrheit, und um allen Schein von Parteilichkeit zu vermeiden, muß ich noch nachträglich erwähnen, daß man es dem verstorbenen Securius im Publikum hier und da übel ausgelegt hat, daß er im Jahre 1851 den Behörden sein Kapitalvermögen in Staatspapieren verschwigen hat, um nicht mit der Einkommensteuer belegt zu werden. Andere haben dies auch gethan, Hiacos muros intra peccatur et extra, paßt ganz hierher.
Tod des Actuarius Lehmann
Am 4ten Januar in der Nacht um halb zwölf Uhr starb der Patrimonial-Gerichts Actuarius Herr Johann Gottfried Lehmann. Derselbe war geboren zu Delitzsch, wo sein Vater Tuchmacher war, den 30ten Januar 1778; seine Bildung erhielt er auf der Thomasschule zu Leipzig in den Jahren 1791-1797, von da an studierte er auf der Universität daselbst erst zwey Jahre Theologie, nachher aber, als er dieses Studium wegen einer gefährlichen Brustkrankheit aufgeben mußte, drei Jahre Jura. Im Jahre 1801 ward er Famulus bey dem berühmten Juristen Haubold, und wohnte bis 1813 gleichsam als Glied der Familie in dessen Hause. Im Jahre 1813 sollte er durch Haubolds Vermittlung und Empfehlung als Bibliothekar der Königl. Bibliothek in Dresden an Dassdorfs Stelle angestellt werden; er schlug aber diese schöne, für ihn ganz passende Stelle, aus Liebe zur Vaterstadt aus. Er kehrte bald nach der Leipziger Schlacht im November 1813 in dieselbe zurück, um hier in der Expedition seines Jugendfreundes und Universitätsgenossen, des Justitiar Schulze, das Amt eines Actuarius zu übernehmen, welches er bis zur Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 verwaltete. Es ist sehr zu bedauern, daß er in dieser untergeordneten Stellung, in diesem an sich ganz unbedeutenden Amte sein schönes .................... vergrub; denn er war ein Mann von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung und gründlicher Gelehrsamkeit nicht bloß in der Jurisprudenz , sondern auch vorzüglich in der altklassischen griechischen und römischen Literatur; er besaß eine, besonders in diesen Zweigen der Wissenschaft, sehr reichhaltige ausgesuchte Bibliothek, neben seinen Berufsgeschäften studierte er fleißig und beschäftigte sich auch viel mit Erforschung des vaterländischen Alterthums, weshalb im Jahre 1840 der thüringisch-sächsische Alterthums-Verein zu Halle ihn honiris causa zu seinem correspondierenden Mitgliede ernannte.
Er hat mit außerordentlicher Mühe und vielem Fleiß eine sehr vollständige Chronik seiner Vaterstadt vom vierzehnten Jahrhundert an zum großen Theil aus alten Urkunden, welche niemand weiter, als er, entziffern konnte, zusammengestellt, wobey nur zu wünschen ist, daß dieses vortreffliche Werk für unsere Stadt nicht verloren geht; es ist in mehreren Foliobänden von seiner Hand sehr schön niedergeschrieben. Im Jahr 1829 gab er eine kleine Schrift „Geschichte der Kirche unserer lieben Frauen (Gottesackerkirche) in Delitzsch“ 368. und im Jahre 1839 eine andere zur Feier des fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums des Dr. Ideler Sen. „Geschichte des Baues der Stadtkirche zu Delitzsch“ heraus. Beyde Schriften bekunden den gründlichen und scharfsinnigen Alterthumsforscher. Als Mensch war der Vollendete durchaus moralisch gut, edel und uneigennützig, man konnte in Wahrheit von ihm sagen „er hatte keinen Feind.“ Seinen wahren Werth wußten allerdings, zumal da er sich in den letzten zehn Jahren ganz von der Welt zurück gezogen und in sich abgeschlossen hatte, nur wenige gebührend zu schätzen, daher sein Tod, welcher an Altersschwäche erfolgte, die weitern Kreise nicht berührte; allein dem engern Zirkel seiner Freunde wird das Bild und Gedächtnis des Heimgegangenen, welcher sich durch Vorzüge des Geistes und Herzens auszeichnete, unvergeßlich bleiben. Have, pia anima! – Die Lehmannsche Chronik, von welcher ein Auszug bis zum Jahre 1701 kürzlich im Druck erschien, ist nunmehr mit allen ihren Sammlungen bis zum Jahre 1851 dem hiesigen Stadt-Archiv einverleibt worden.
Extrablatt
In der Sitzung des Thüringisch-Sächsischen Geschichts- und Alterthums-Vereins zu Halle am 5ten December 1871 gab der Referent Professor Herzberg eine Reihe von historischen und culturgeschichtlichen Mitteilungen über die Geschichte der Nachbarstadt Delitzsch. Zu Grunde gelegt war dabey die Chronik der Stadt Delitzsch von den ältesten Zeiten bis zum Anfange des 18ten Jahrhunderts, welche der Actuar Lehmann mit großem Fleiße vielem Takte aus den Urkunden zusammengestellt, nach dessen Tode aber der Kreisrichter Schulze im Jahre 1852 herausgegeben hat. Die nur wenig bekannte Schrift ist eine ganz vortreffliche Arbeit; ungemein reich an culturgeschichtlichen Nachrichten, giebt sie übrigens auch für die Hallesche Stadtgeschichte eine Reihe dankenswerther Ergänzungen, beziehentlich Erweiterungen und Bestätigungen der Angaben unserer eigenen Localchroniken. (Aus der Halleschen Zeitung.)
Das Grab des seligen Actuar Lehmann, welches sich nahe am östlichen Ende der Gottesacker-Kirche befindet, ist mit einem ganz einfachen viereckigen Denkstein bedeckt, auf welchem sein Name, Stand, Geburts- und Todestag verzeichnet sind. Darunter stehen noch folgende Worte: „Der Chronist unserer Stadt und dieser Stätten, seinen Freunden durch Wissen und Humanität unvergeßlich.“ Hierbey muß noch zur Berichtigung bemerkt werden, daß sein Geburtstag auf diesem Denkstein aus Versehen unrichtig angegeben worden ist, denn er war nicht den 4ten sondern den 30ten Januar 1778 geboren. Dieser Irrthum ist aber später berichtigt worden, indem der Herr Kreisrichter Schulze in Potsdam diesen Denkstein, der im Laufe von 22 Jahren durch die Witterung etwas gelitten hatte, im Mai 1873 auf seine Kosten durch den hiesigen Bildhauer Zwanzig wieder schön hat restaurieren lassen. Lehmanns schönstes unvergängliches Denkmal ist und bleibt seine der Vaterstadt Segen bringende Chronik.
Auf den Wunsch des Wohllöbl. Magistrats hat nunmehr der Unterzeichnete die Fortführung dieser Chronik sehr gern übernommen.
Dr. Ideler
Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 6ten Januar 1852 ist der bisherige praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Deutschbein zu Herzberg als Physikus des Delitzscher Kreises im hiesigen Landraths-Amte verpflichtet worden.
Reparatur des Heiligbrunnens
Vom vorigen Jahre ist noch nachträglich zu bemerken, daß der Heiligbrunnen, welcher ganz verfallen war, mit einem Kostenaufwand von wenigstens 150 Thaler vollständig gefasst und neu aufgebaut worden ist. Die Quelle strömt jetzt aus einem fast zwey Zolle starken eisernen Rohre, und wirft, da nichts mehr verloren gehen kann, in der Minute neun bis zehn Eimer Wasser.
Bauinspektor Schoenwaldt
Am 18ten Januar hat der Bauinspektor Schoenwaldt den rothen Adler-Orden vierter Klasse bekommen.
Mädchenlehrer Petermann
Der zweite Mädchenlehrer Petermann hat vom Anfang dieses Jahres an eine jährliche Gehalts-Zulage von 60 Thalern erhalten.
Holzcollecte
Der Ertrag der Holzcollecte für die Armen in diesem Winter betrug 170 Thaler, wozu der Graf Hasenthal in Döbernitz 20 Thaler beygetragen hat.
Witterungsablauf
Der Winter war übrigens eben so wie der vorige sehr mild, am 1ten Februar Abends um 8 Uhr tobte ein furchtbarer Gewittersturm, wie Erdbeben, mit vielem Regen; (Barom. 27,4.); am 6ten ward in Folge des anhaltenden Regens das Wasser durch das Austreten des Lobers so groß, daß der acht Fuß hohe Damm an der Hospitalbrücke, welchen der Maurermeister Meie vor mehreren Jahren zum Schutz seiner Wiese aufgeführt hat, in der Nacht früh gegen 3 Uhr sprang und von der Fluth fast ganz zerstört und weggeschwemmt ward. In der Nacht vom 17ten zum 18ten wüthete abermals ein starker Orkan mit vielen Regen; das Wasser stieg am 18ten wieder zu einer bedeutenden Höhe. Barom. 27. Am 1.ten Maerz Nachmittags schneiete es sehr, und der 3.ten war, eben so wie im vorigen Jahr, der kälteste Tag des Winters, das Thermom. zeigte früh um 7 Uhr bey Süd-Wind – 10 Reaum., den 5 ten und 6.ten bey N.O.W.-8, das Baromom. stand am 6.ten auf 28,9.,den 9ten trat wieder mildes Wetter ein, den 11 ten und 21 ten und 24 ten hatten wir den ganzen Tag bey O.W.dichte Nebel, und am 31 ten Abends halb 6 Uhr entlud sich ein starkes Gewitter aus S.W. mit Graupeln, in der Gegend von Werbelin, Freirode, Radefeld und Hayna sogar mit Schloßen; das Therm. Stand Nachmittags 2 Uhr in der Sonne +25, das Barom. 27,8. Was die Krankheiten betrifft, so waren besonders die Grippe und Lungenentzündungen sehr häufig; In der zweiten Hälfte des Maerz und bis zum Juni trat das Scharlachfieber in vereinzelten, zum Theil nicht gutartigen Fällen auf; die Sterblichkeit war im Januar und März nicht unbedeutend.
Neubau einer Scheune
Neue Laternen Zu Anfang dieses Winters wurden auch die am Rathhause noch fehlenden zwey Laternen mit Armen von Gußeisen angeschafft; sie leuchten unter allen am schönsten. In der Mitte des März riß der Strumpffabrikant Arndt seine alte mit Stroh gedeckte Scheune in der Todtengasse weg, und baute dieselbe von Grund neu.
Mauereinsturz
Am 21.ten Maerz Nachmittags um 4 Uhr stürzte auf des Bäckermstr.Vogels Zwinger unmittelbar neben der Pforte ein Stück der Stadtmauer in der Länge von etwa 25 Fuß gänzlich ein; es ward wieder aufgebaut.
Diebstähle
In der Nacht vom 24.ten zum 25.ten Maerz wurden am Markte in den Häusern des Kaufmann Lindenhahn und des Buchbindermstr. Krause zwey höchst verwegene Diebstähle mittelst gewaltsamen Einbruchs verübt. Es waren Uhren, Gold und Silberzeug, Wäsche und Material-Waaren gestohlen worden; bey dem ersteren soll der Verlust ohngefähr 100 rtl., bey dem letzteren dagegen 200 rtl. betragen. Die Täter sind bis jetzt noch nicht entdeckt.(Vid.pag.237) In den späten Abendstunden des 12ten Maerz ward dem Kaufmann Duim ???? jun., welcher von einer mehrwöchentlichen Geschäftsreise über Halle im Personenwagen des Fuhrmann Scharf nach Delitzsch zurückkehrte, zwischen Brehna und Storkwitz sein Reisekoffer vom Wagen abgeschnitten. Einen Tag später fand man denselben früh Morgens unter dem Fenster des Polizeydieners in Brehna erbrochen, Wäsche und Kleidungsstücke ganz zerschnitten, die Geschäfts-und Kassenbücher aber, welche von den Dieben wahrscheinlich ganz vernichtet worden, und ein bedeutender Verlust für den Besitzer sind, konnte man nicht wieder auffinden. Die Thäter sind bis jetzt ebenfalls noch nicht entdeckt.
Auflösung der freien Gemeinde
Die freie Gemeinde, welche seither ihr elendes Daseyn ohnehin nur kümmerlich fristete, ist nunmehr so gut als aufgelöst zu betrachten, indem zu Anfang des April die Königl. Regierung zu Merseburg ein Befehl an das hiesige Königl.Landraths-Amt erging, in welchem verfügt ward, daß Uhlich und Sachse, sobald sie sich wieder hier in Delitzsch blicken laßen und Versammlungen halten, sogleich durch die Polizey zur Stadt hinaus gebracht werden sollen, und daß jedem Gastwirth, welcher dergleichen Versammlungen in seinem Local in Zukunft noch duldet, die Conceßion ohne Weiteres entzogen werden wird. Daß bey den freien Gemeinden, wie in jenem Befehle ganz richtig bemerkt ist, die Religion, das Heiligste, oft blos zum Deckmantel gemißbraucht wird, und unter diesem Aushängeschild häufig politische Tentenzen verfolgt werden, ist wohl außer allem Zweifel gestellt
Witterungslauf
Die Witterung des Monats April war fast durchgängig kühl und trübe, Nord-und Ostwind vorherrschend; dies dauerte bis zum 10ten Mai, von welchem Tage an eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Hitze eintrat; am 23ten 25ten und 26ten stand das Thermometer Nachmittag 2 Uhr in der Sonne +34, Barometer 28.; den 17ten Nachmittags, den 23ten Abends 8 ½ Uhr, den 24ten früh 1 Uhr, und den 26ten Abends von 8-11 Uhr entluden sich starke Gewitter; die Vegetation, welche bis zur Mitte Mai noch sehr zurück war, entwickelte sich außerordentlich schnell, so daß der Roggen, deßen Aehren erst am 15ten erschienen, schon am 25ten blühete; derselbe steht ebenso wie der Weitzen, trotz einiger verwäßerter Stellen, sehr gut, noch vorzüglicher Raps, Gerste und Hafer. Die Heuernte verspricht einen ausgezeichneten Ertrag. Ebenso die übrigen Futterkräuter.
Präsident Kisker
Am 25ten Mai war der Appelations-Gerichts-Präsident Kisker von Naumburg, früher im Jahre 1849 Justiz-Minister in Berlin, hier anwesend, um Revision beim hiesigen Kreis-Gericht zu halten. Wie man hört, hat derselbe seine volle Zufriedenheit ausgesprochen
Neue Barrieren am Stadtgraben
Die schon im vorigen Jahr begonnene Aufstellung neuer Barrieren am Stadtgraben von der Pforte bis an das breite Thor ist nun zu Ende des Junis vollendet worden; dieselben bestehen aus starkeen Stempeln von Sandstein mit eingekitteten langen 11/2 Zoll starken eisernen Stangen; der Kostenaufwand beträgt 540 rtl. Die früheren hölzernen Barrieren wurden gewöhnlich im Winter gestohlen.
Kreisphysikus Dr. Deutschbein
Am 5ten Julius hat uns der Kreisphysikus Dr. Deutschbein wieder verlassen, und ist nach Herzberg zurück gezogen. Er ist einer in jeder Hinsicht sehr achtungswerther Mann.
Verpachtung der Kirschalleen
Der Ertrag von der Verpachtung der der Commun gehörigen Kirschalleen hat in diesem Jahr 239 Rtl. 10 Sgr.betragen
Witterungslauf, Erndte und Getreidepreise
Der Sommer war sehr heiß,das Therm.stand oft in der Sonne Nachmittag 35 R. die Witterung begünstigte die Erndtearbeit außerordentlich; dabey ward aber auch die Fruchtbarkeit durch starke Gewitter mit vielem Regen, besonders am 18ten Junius Nachts von 17-1 Uhr, desgleichen am 4ten, 10ten, 21ten, 28ten und 31rten August sehr befördert. Die Erndte ist im Körnerertrage recht gut ausgefallen, die Getreidepreise sind durchgängig um einen Thaler niedriger, und würden noch mehr fallen, wenn nicht die Kornjuden mir schändlichem Wucher ihr heilloses Spiel trieben. Der große Scheffel Weitzen gilt jetzt 5 Rtl.10 Sgr., Roggen 4 Rtl.5 Sgr., Gerste 3Rtl und Hafer 2Rtl. Die Heuerndte war vorzüglich. Der Gesundheitszustand befriedigend.
Schützenfest
Am 25ten Julius hielt die hiesige Schützen-Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen-Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna schon früh um 7 Uhr hier eintrafen, um 8 Uhr Kirchenparade hielten, und Nachmittags ein Scheibenschießen hatten.
Erbauung und Einweisung der neuen Orgel in der Gottesacker Kirche
Nachdem bereits in den Jahren 1836 und 1840, das erste Mal von den damaligen Stadtverordneten, das zweite Mal von einem Verein hiesiger Bürger der vergebliche Versuch gemacht worden war, in unserer Gottesackerkirche eine Orgel aus milden Beiträgen zu erbauen, trat am 8ten April 1850 ein Comitè ehrenwerther Männer zu diesem Zweck zusammen mit dem festen Vorsatz diesmal das unternommene Werk mit Gottes Hülfe auszuführen. Mitglieder des Comitès waren außerdem Schreiber dieser Zeilen, welcher sich im Laufe eines ganzen Jahres hauptsächlich bemühete die Mittel zum Orgelbau herbei zu schaffen und die Leitung des Baues übernahm, noch folgende Herren: Archidiac. Heineken, Diac. Burkhardt, Kirchenvorsteher Kretschmer, Lehrer Jost, Zimmermstr. Krause, Kaufmann Hofmann sen., Kaufmann Schönbrod, Strumpffabrikant Pabst, Posamentier Querl, Glasermstr. Scheibe, Schiedsmann Schulze, Sparkaßen-Rendant Thaerigen, Bäckermstr. Donath und Goldarbeiter Boettner. Zuvörderst ward nun vom Comitè beym Magistrat geziemend angesucht, uns bey dem Ministerium in Berlin und bey dem Oberpräsidium in Magdeburg die Erlaubnis zur Abhaltung einer Kirchen- und Hauscollekte zu erwirken. Von ersterer Behörde wurden uns drei Kirchencollekten bewilligt, welche am zweiten Weihnachtsfeiertage 1850, am zweiten Oster- und Pfingstfeiertage 1851 eingesammelt wurden, aber noch nicht ganz 30 Rtl. betrugen. Von letzterer Behörde erhielten wir die Erlaubnis zur Hauscollekte im November 1850; daß in dieser unglücklichen Zeit, wo die Stadt bey dem zu befürchteten Ausbruch eines Krieges mit Oesterreich zwey Monat lang mit Einquartierung belegt und bedrückt war, an Einsammlung milder Beiträge nicht zu denken war, versteht sich von selbst. Wir mußten also einen günstigeren Zeitpunkt abwarten, und giengen daher, nachdem wir vorher unterm 18ten August im Nachrichtenblatte in einer ergreifenden Bekanntmachung der Kirchengemeinde unser Vorhaben mitgetheilt hatten, mit frohem Muthe und dem festen Vorsatze beharrlicher Ausführung den 1ten September 1851 ans Werk. Und, siehe da! Im Laufe dieses ganzen Monats floßen die milden Beiträge schon so reichlich, daß wir bereits nach drei Wochen dem Herrn Orgelbaumeister die bestimmte Zusicherung wegen der Uebernahme des Baues der Orgel mündlich ertheilen konnten; der förmliche Contrackt ward erst am 6ten Februar 1852 Abends von 5-7 Uhr im Hause des Verfassers dieser Zeilen von dem Comitè mit Herrn Loewe abgeschlossen, welcher den ganzen Winter hindurch mit seinem Gehülfen, dem Tischlergesellen Seidel aus Zwenkau, am Bau der neuen Orgel arbeitete; zwey andere Gehülfen, der Tischlergeselle Bergmann aus Biesen und der Orgelbaugehülfe Theiner aus Heinrichsau in Schlesien, haben jeder nur kürzere Zeit und nicht bis zur Vollendung des Werkes mit daran gearbeitet. Bevor nun die neue Orgel aber aufgestellt werden konnte, mußte in der Kirche zu Ende des Februar wegen Mangels an Höhe das obere Chor abgebrochen werden; ehe dies aber geschehen konnte, mußte, weil die Morgenseite des Thurmes von den Chorsäulen getragen wurde, und dieser Stützpunkt nun wegfiel, ein doppeltes Streng- und Sprengwerk auf dem Kirchboden angebracht werden; den Kostenaufwand dafür, 104 Rtl.24 Sgr. hat die Kircheninspektion wohlwollend aus den Baufond der Kirche bewilligt; das Bauswerk selbst hat Hl. Zimmermeister Krause ausgeführt.
Bey der Wegnahme der unmittelbar unter der Decke befindlichen beyden Tragbalken, welche am vordern Ende von den Chorsäulen getragen wurden und hinten in der Giebelmauer der Kirche ruhten, zeigte es sich nun, daß dieselben an der letzteren Stelle in einer Länge von zwey Fuß fast ganz morsch und mürbe waren, daß also durch unseren Orgelbau, welchem dem Abruch des oberen Chors und die Anbringung eines Streng-und Hängewerks auf dem Kirchboden voraus gehen mußte, noch zu rechter Zeit ein gewiß nach nur wenigen Jahren unvermeidliches großes Unglück, der Einsturz des Thurmes auf die Kirche verhütet worden ist. Nachdem nun das obere Chor mit Ausnahme der Treppe, welche an der mitternächtlichen Seite stehen blieb, bis auf einen kurzen schmalen nach der mit Brettern verschlagenen Kirchbodentreppe führenden Gang abgetragen war, würden die davon übrig gebliebenen noch recht brauchbaren Materialien theils zu einem einen Fuß hohen Podest auf dem unterm Chor, wohin die neue Orgel zu stehen kam, theils auf dem Kirchboden zum Gerüst und Verschlag der beyden großen 5 Fuß breiten und 10 Fuß langen Spann-Bälge verwendet. Vor Aufstellung der Orgel wurden noch die Kirchwände in der unmittelbaren Nähe derselben und darüber befindliche Stück Decke abgeweißt. Zu Ende des Maerz fing Herr Loewe an der Orgel aufzurichten, der Bau verzögerte sich aber so sehr, daß die Einweisung derselben nicht, wie es selbst im Contrackt bestimmt war, am ersten Pfingstfeiertag, den 30ten Mai, sondern erst am 8ten Sonntag nach Trinitatis, den 1ten August erfolgen konnte. Das Werk enthält folgende zwölf klingende Stimmen: a) im Manual: 1)Principal 8 Fuß, durchaus von englischem Zinn, 2) Bordun 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, 3) Viola di Gambe, 8 Fuß, von Probezinn, die tiefe Quintave von Eichenholz, 4) Flaute traverse 8Fuß, vom zweiten C an, von Ahornholz, 5) Gedackt 8 Fuß, von Holz, 6) Octave 4 Fuß, von Probezinn, 7) Gemshorn 4Fuß,von desgl., 8) Quinte 3 Fuß, von desgl.,9) Superoctave 2 Fuß, von desgl., 10) Mixtur 4 fach aus 2 Fuß, von desgl. B) im Pedal: Subbass 16 Fuß, von Holz, mit doppelten Cabien, und Violonbass 8Fuß, von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcantenrust. Was die Orgel selbst und die feierliche Einweihung derselben betrifft, so beziehe ich mich auf die hier angefügten Beilagen, das Delitzscher Nachrichtenblatt Nr. 30 und 33, und die Festordnung, welche darüber die vollständigste Auskunft geben. Die Weihepredigt des Archidiac.Heineken befindet sich in den Orgelbau Acten.
Der Preis, welchen Herr Loewe für den Bau der Orgel contracktmäßig bekommt, beträgt 570 Rtl. und die Nebenkosten für den Podest, den Balgverschluß, die Uebernahme der Orgel durch Herrn Musikdirektor Engel den Druck der Festordnung und anderer Dinge belaufen sich auf 54 Rtl., in Summa also 624 Rtl. Hierauf sind bis zum 30ten October d.J. 520 Rtl. bereits abgezahlt worden; diese Summe war mit Inbegriff eines im Jahre 1836 von in Leipzig wohnenden geborenen Delitzschern zu diesem Zweck geschenkten und jetzt mit den angewachsenen Zinsen 70 Rtl. betragenden Kapitals aus lauter milden Beyträgen der Kirchengemeinde gesammelt worden; wozu auch noch mehrere auswärtige Stadtkinder anständig beytrugen; die noch fehlenden 104 Rtl. sind durch Baarbestand, nochmals von Leipzig eingesendete 24 Rtl. und durch 77 Rtl. von den Stadtverordneten bewilligten Zuschuß aus der Kämmereikaße, wovon zugleich die Druckkosten der angefügten Beylage, der genauen Rechnungsablegung, mit berichtigt sind, gedeckt worden. Für die Abweißung der Kirchenwände und Decke in der Nähe der Orgel hat der Herr Maurermeister Meie 10 Rtl. aus dem Baufond der Kirche erhalten. Die Kirche ist im Innern 103 Fuß lang,
30 ½ Fuß tief und 35 Fuß hoch.
Mißionar Schultheiss
Am 20ten August Vormittags um 10 Uhr hielt der Superint. Der Süd-Afrikanischen Mißions-Anstalten Schultheiss einen Gottesdienst in unserer Stadtkirche, welche sehr voll Zuhörer war. Seine Predigt war eigentlich eine Berichterstattung über den zum Theil nicht erfreulichen Zustand der dortigen Missionen; man hörte dieselbe mit Interesse an, der Redner stand aber volle 11/2 Stunde auf der Kanzel, so daß am Ende die Aufmerksamkeit der Zuhörer doch ermüdete. Die Kirchencollekte zum Besten der Mißion betrug 26 Rtl. Mittags war im Gasthofe zum Schwan ein frugales, zahlreich besuchtes, Mittagsessen, nach dessen Beendigung Herr Superint. Schultheiss noch fast zwey Stunden lang interessante Mittheilungen über die dortige Mißion, die Lebensweise, die .......sprache und andere Dinge machte; zuletzt ward noch von unserem Diac. Dr. Burchardt im Kreise der Anwesenden zum Besten einer dortigen Kirche eine Collekte gesammelt, welche 11 Rtl.
15 Sgr. einbrachte.
Verpachtung der Pflaumen
Die Pflaumen-Plantage vor dem Viehthore ist diesmal, weil fast gar keine auf den Bäumen hiengen, für nur einen Thaler verpachtet worden, was ein beyspiellos seltner Fall ist.
Neue Baue
Im Laufe dieses schönen Sommers ist viel gebaut worden; unter den neuen Gebäuden ist besonders zu erwähnen das Huas des Schmiedemeisters Naumann an der Ecke der Leipziger und Rittergasse; ferner hat der Kaufmann Schulze ein schönes neues Hintergebäude in der Schulgaße aufgeführt, der Kirchenvorsteher Kretzschmer sein vor einigen Jahren untermauertes Seitengebäude am Kirchhofe neu übersetzt, der Bäckermeister Zweck ein neues Hintergebäude in der Rittergaße, und endlich der Oeconom Wilhelm Kuehne seine im vorigen Jahre abgebrannte Scheune in größerem Umfange und mit einem Keller aufgebaut.
Brandunglück
Am 15ten October, dem Geburtstage des Königs, Abends ¾ auf 7 Uhr entstand Feuerlärm; es brannten die sechs mit Ziegeln gedeckten, aber nicht mit Brandgiebeln verwahrten Scheunen des Seilermstr. Wissig, des Strumpffabrikanten Pabst, des Färbermstr. Gelpke, des Gürtlermstr. Krause sen., des Beutlermstr. Teubner sen. und des Seifensiedermstr. Held (wohnhaft an der Ecke der Hallischen und Badergaße) ganz nieder; vom Seitengebäude des Holz-und Viehhändlers Holleufer gieng blos das Dach verloren; zum Glück war Windstille; die Entstehung blieb unentdeckt. Tausend Schock Getreide verbrannten. Diese 6 Scheuern brannten früher schon einmal ab, als am 21ten Januar 1811 Abends halb 7 Uhr bey strenger Kälte die sämmtlichen an der Kohlgaße in 4 Reihen stehenden vollen mit Strohgedeckten 38 Scheunen nebst 11 Schuppen in furchtbaren Flammen aufgingen.
Streit des Dr. Ideler mit dem Superint. Förster
Zu Anfang des October erlaubte sich der Superint. Förster eine neue Einrichtung beym Choralgesang, den Wegfall des Zwischenspiels, anzubefehlen, was bey der Gemeinde allgemeines Mißfallen erregte. Auf den Wunsch vieler begab sich daher der Schreiber dieser Zeilen, welcher bisher mit dem Superint. Förster auf einem freundschaftlichem Fuße gestanden hatte, zu demselben in seine Wohnung und bat ihn recht herzlich um baldige Abstellung dieser Neuerung, ward aber von demselben mit der Erklärung abgewiesen, er sey nur der einzelne, und auf den Wunsch des einzelnen könne er sich nicht bewogen finden, es wieder abzustellen. Hierauf erließ ich nun im Delitzscher Nachrichtenblatt No.42 die beyliegende Bekanntmachung, welche allgemeinen Anklang und Beyfall erhielt. Da deßen ungeachtet der Superint. Förster in ganz rücksichtsloser Nichtbeachtung der wohlbegründeten Rechte der Kirchengemeinde mit seiner neuen Einrichtung beharrlich fortfahren ließ, so ward nunmehr am 15ten November eine Beschwerdeschrift von ohngefähr vierzig achtungswerthen Bürgern und fleißigen Kirchgängern unterzeichnet an die Stadtverordneten erlaßen mit der ergebensten Bitte bey dem Magistrat als Patron dahin zu wirken, daß dieser den Sup. Förster veranlassen möge das Zwischenspiel wieder einzuführen.Bey der vollkommnen Uebereinstimmung der städtischen Behörden mit den Beschwerdeführern theilte der Magistrat dem Sup.Förster diesen Willen baldigst mit, worauf derselbe endlich vom ersten Advent an die alte Ordnung wieder herstellte, mithin in dieser kirchlichen Angelegenheit eben so verlor, wie im vorigen Jahre in seinem Conflict mit dem Magistrat wegen Einführung der Kirchenordnung, welche von der Gemeinde ebenfalls entschieden verweigert ward. Damit aber die Kirchgemeinde wiße, wie sie sich in ähnlichen etwa wiederkehrenden Fällen zu verhalten habe, verweise ich dieselbe noch auf das algemeine Landrecht, Theil II, Tit.11 §.4 b, b 8, 135, u.14 b, wo es ausdrücklich heißt, „daß wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes jede Kirchengesellschaft dienliche ordnungen einführen kann, und daß kein geistlicher Oberer (denn derselbe ist auch nur einzelnes Mitglied der Kirchengemeinde) sich in Kirchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen darf.“ Möge die Gemeinde stets ihre kirchen Rechte bewahren! Der frühere große Organist an der Thomaskirche zu Leipzig, seit 1822 Hofkapell-Meister in Deßau Dr. phil. Friedrich Schneider nannte einen Choral ohne Zwischenspiele „gleich einem Hunde ohne Schwanz“, mithin verstümmelt. Alle berühmten Organisten wie Seb.Bach, Rinck, Fischer, Ritter, F. und Johann Schneider, Hentschel, Engel, Becker, Rein u.A.haben längst die Kunstberechtigung der Zwischenspiele schlagend dargethan; die Gegner derselben sind Stümper.
Gottesacker-Kirche
Am Todtenfeste ward unsre Gottesackerkirche, welche an diesem Festtage außerordentlich voll gerührter Zuhörer war, von zwölf achtbaren Bürgerfrauenmit einer schönen neuen Altar-Stufendecke von schwarzem Tuch im Werthe von etwa acht Thalern beschenkt.
Hospital-Kirche
Im December ward der Turm der Hospitalkirche mit einem Kostenaufwandv von ohngefähr 67 Rtl. von dem hießigen Schieferdeckermeister Hammermann mit Schiefer neu gedeckt; auch erhielten die Schallöcher neue Jalousien. In dieser Kirche hält seit Johannis mit Erlaubnis unsrer Kirchen- und Hospital- Inspecktion der katholische Pfarrer Krumme in Eilenburg alle vier Wochen Sonntags Vormittags einen Gottesdienst mit Predigt für die hier im Orte wohnenden Katholiken, deren Zahl höchstens dreißig beträgt, woran auch die wenigen aus Bitterfeld befindlichen Theil nehmen.
Legat
Die im diesem Jahre verstorbene Witwe des frühern Mädchenlehrers Schütz hat in ihrem Testament dem Frauen- und Jungfrauen- Verein(vid.pag.16) ein Legat von 25 Rtl. bestimmt.
Kartoffel- und Obst- Ernte
Die Kartoffelernte ist mittelmäßig ausgefallen, die Krankheit der Kartoffeln hat sehr abgenommen; der große Scheffel kostet jetzt 1Rtl. 10 Sgr. Obst ist nicht viel gewachsen, das Schock gute Aepfel kostet 20 Sgr.
Witterungslauf
Mit dem Anfang des September hörte die große Hitze des Sommers auf; der Herbst war im Ganzen genommen schön und milde, die Grummet- Erndte sehr gut. Die Witterung war außerordentlich fruchtbar; denn außer mehreren Landregen entluden sich am 11ten, 16ten und 21. September starke Gewitter; den 30ten Abends von 5 –8Uhr und den 2ten October Nachmittags von 2 – 4Uhr tobte ein furchtbarer Orkan, wie Erdbeben(Barom.27,7.) Am 12ten November fiel der erste Schnee, übrigens regnete es in diesem Monat und im December bey milder, abwechselnd stürmischer Witterung viel; den 18 ten December Nachmittags von 1-2 Uhr wüthete ein Gewittersturm; das Therm.stand zu Ende des September Nachmittags um 1 Uhr in der Sonne +16 Reaum.
Krankheitskonstitution
Die fieberhaften Krankheiten nahmen seit dem Anfang des September sehr leicht einen nerwösen Charakter an mit öfters tödlichem Ausgang;das Scharlachfieber erschien immer noch bis zum Ende des Jahres in vereinzelten Fällen. Die Zahl verstorbenen in diesem Jahre beträgt.
1853
Am 4.ten Januar früh um 7 Uhr hat sich der Todtengräber und Nachtwächter Froede, ein unverbesserlicher Säufer, in seiner Wohnung auf dem Boden erhängt.
Wie im December so war auch im Januar bis zur Mitte des Februar der Winter außerordentlich milde; zu Weihnachten und Neujahr war schönes Frühlingswetter, es blüheten im Freien Veilchen, Stiefmütterchen und Kornblumen, Gerste, welche bey der letzten Aerndte ausgefallen war, trieb sogar Aehren; am 13ten Februar aber trat der Winter ein und dauerte bis Ende März; Schnee fiel fast täglich in ungeheuren Maßen, schmolz in der Mitte des März, fiel wieder in großer Menge, und verschwand erst bey eintretendem Thauwetter in den ersten Tagen des April, ohne daß beyde Mal, weil kein Frost in der Erde war, großes Wasser entstanden wäre. Die beyden kältesten Tage dieses Winters waren der 3te und der 29 te März, wo das Therm. Früh 7 Uhr –10 Reaum. Und das Barom. 28,3 zeigte.
Zu Anfang des Februar erschienen die Masern, nahmen im Laufe des Monats immer mehr zu und gewannen im März eine solche Verbreitung, daß mehrere Hundert Kinder von denselben befallen wurden;sie waren mit Ausnahme weniger Fälle gutartig; es starben an denselben nur wenige Kinder, mehrere aber an den Complicationen und Nachkrankheiten. Die Sterblichkeit war überhaupt in diesem Frühjahr nicht unbedeutend.
Die zu Michäelis 1848 hier gegründete Sparkaße hat sich in kurzer Zeit zu einem sehr bedeutenden Geschäft, welches mit Recht großes Vertrauen genießt, erhoben; seit dem 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1852 betrug die Summe aller Einnahmen 403167 Rtl. 17 Sgr.6 Dinarius und der Reserve-Fond 2469Rtl. 2 Sgr. 7Dinarius
Am Sonntage Invocavit ist der Altar und die Kanzel der Stadtkirche von der Wittwe des im März 1844 verstorbenen Strumpffabrikant Weber mit einer sehr schönen Bekleidung von neuem schwarzen Sammt- Manchester mit Franzen im Werthe von ohngefähr 40 Rtl. beschenkt worden.
Am 1ten April ward die neue Armen-Ordnung eingeführt; der Zweck derselben ist die Haus- und Straßen- Bettelei ganz abzuschaffen, und blos alte, arbeitsunfähige und kranke Arme nach den Umständen mit Geld, Brod, Brennmaterial und freier ärztlicher Behandlung und Arztneimitteln zu unterstützen. Um die wirklich bedürftigen genau zu ermitteln und ihre Gesuche gründlich zu prüfen, ward eine Armen-Deputation errichtet, welche aus dem jedesmaligen besoldeten Magistrats- Aßeßor, einem Diaconus und dem Stadt – Armen – Arzte als bleibenden Mitgliedern, außerdem aber aus drei Stadtverordneten und noch drei achtbaren Bürgern, als Bezirks- Vorstehern, besteht; das Amt der sechs letzteren wechselt aller drei Jahre. Die Armen-Deputation hält alle 2 – 4 Wochen eine Sitzung, um über die zweckmäßige Vertheilung der Unterstützungen zu berathen, hauptsächlich aber auch den Arbeitslosen Arbeit, besonders bey der Commune, zu verschaffen. Was die Aufbringung der Geldmittel zur Bestreitung der Ausgaben betrifft, so wird nunmehr, nachdem das bisherige auf den Häusern lastende Allmosen in Wegfall gekommen ist, eine Armensteuer dergestalt erhoben, daß von jedem Steuerpflichtigen, mit Ausnahme der untersten Klaße, von 1Rtl. Klaßensteuer 6 Sgr. und von den Haus- und Feldbesitzern von jedem Schock 6 Dinarium jährlich zur Armenkaße entrichtet werden müßen.
Zu Anfang des April ist der Bauinspecktor Schoenwald in gleicher Eigenschaft von hier nach Naumburg versetzt worden; an seiner Stelle trat der bisherige Wegebaumeister Schulze in Merseburg als Kreisbaumeister.
Am Bußtage, dem 20ten April, Abend ¾ auf 8 Uhr erscholl der Feuerruf; es brannte in der Zscherngaße im Hause des Schuhmachermeisters Zieprich oben auf dem Boden; nach einer halben Stunde war das Feuer, ohne daß das Dach verloren gieng, gelöscht; die Entstehung des Feuers, wahrscheinlich durch Verwahrlosung, blieb unentdeckt; der Hausbesitzer war mit seiner Frau auf der Leipziger Meße, und erlitt trotz schneller Hülfe doch einigen Verlust an Leder und Wirthschaftsgeräthen, welche theils verbrannten, theils durchnäßt wurden.
Bereits zu Ostern 1849 erhielt unser Gotteracker- Kirche in Folge einer am Todtenfeste 1848 deshalb veranstalteten, ohngefähr 15 Rtl. betragenden, Kirchencollecte eine neue Kanzel- und Altarbekleidung von schwarzem Sammt- Manchester, zu welcher von der bisherigen, im Jahre 1820 geschenkten das Beste nach vorheriger neuer Färbung wieder verwendet, das Stück an der vordern Seite des Altars aber neu gekauft ward, und in daßelbe von dem Fräulein Caroline v. Hartitzsch die Worte „Christus ist die Auferstehung und das Leben“ in großer Kanzlerschrift mit weißen Perlen unentgeldlich gestickt wurden. Jetzt zu Pfingsten hat aber eine edle Schenkgeberinn, die Frau des Kaufmann Schönbrodt, Friedericke, geb.Rathmann, in richtiger Erkennung des Bedürfnißes dieser von der Gemeinde mit Recht so geliebten Kirche eine neue Kanzel-und Altarbekleidung von grünem Sammt- Manchester mit breiten goldenen Franzen nebst einer weißen Altardecke mit sehr breiten Spitzen verehrt; in das Stück an der vordern Seite des Altars sind in großer Kanzleischrift in Gold die Worte „Opfer dem Herrn deine Gelübde“ von zwey großen Palmzweigen umgeben mit der darunter befindlichen Jahreszahl 1853 kostbar hinein gestickt. Möge Gott der noch jungen, aber leider! Sehr kränklichen Geberinn dieses schönen, gewiß 50 Rtl. im Werthe betragenden Geschenks dauerhafte Gesundheit verleihen!
In der Pfingstwoche hat ein Auswärtiger Wohlthäter der Armen- Deputation 20 Rtl. zur Vertheilung an 30 Arme, besonders alte und kranke, eingesendet; dieselbe ist am 20ten Mai mit 20 Sgr. an jeden erfolgt.
Der Ertrag von der Verpachtung der der Commun gehörigen Kirschalleen hat in diesem Jahr 304 Rtl. betragen.
Die Witterung in diesem Frühjahr war in den Monaten April und Mai größten Theils sehr kühl, trübe und stürmisch; es regnete viel, so daß wir am 3ten und 28ten April großes Waßer hatten; den 8ten Mai von 5-6 Uhr Abends tobte ein Orkan. Zu Pfingsten, den 15ten Mai, blüheten die Bäume noch nicht und standen noch ohne Laub da, weil es bey dem scharfen anhaltenden Ost- und Nordost- Wind so kalt war. Erst vom 18ten und 23ten Mai an trat sehr warme Witterung ein(Barom.28,2.Therm.N.M.2 U. in der Sonne + 30), in folge deren sich dann aber auch schnell in 8 Wochen am 26ten Abends 7 Uhr und den 28ten Abends 8 Uhr schwere Gewitter bildeten; am letzteren Abende schlug der Blitz halb 9 Uhr in Werbelin in einen Strohschuppen, welcher nebst zwey Strohscheunen abbrannte. Auch am 1ten, 7ten, 16ten, 20ten, 25ten Junius entluden sich starke Gewitter mit vielem Regen; desgleichenregnete es bedeutend am 5ten, 9ten, 15ten, 22ten, 23ten, 26ten und 27ten Junius, so daß bey dieser durch anhaltende Näße für die wirklich reiche Heuerndte ungünstigen Witterung wenigstens der vierte Theil derselben verloren gieng.
Zu Ende des April erlosch die Masern – Epidemie; dageen trat im Mai das Scharlachfieber in einigen,wenigen, aber tödtlich endenden, Fällen auf; als gewöhnliche Frühjahrs- Krankheiten kamen außerdem in folge des herrschenden scharfen Ost- und Nordost- Winds öfters häutige Bräune, Lungen- und Luftröhren- Entzündungen zur Behandlung.
In der Nacht vom 28ten zum 29ten Mai ward die nach Bitterfeld fahrende Post gegen 12 Uhr in der Nähe der Benndorfer Mühle räuberisch überfallen; da aber die Sache von Leipzig aus verrathen war, so ward der mit Pistolen bewaffnete Räuber in der Person des hiesigen Schneidermeister Belke den Gensdarmen und Polizeybeamten nach hartnäckigem Widerstande auf frischer That ergriffen. Zwey andere Mitschuldige der Fleischermeitser Barth sen. und der Schneidermeister Tofante wurden in derselben Nacht in ihren Wohnungen verhaftet, nach vier Wochen aber einstweilen unter Polizey-Aufsicht entlaßen.
Der bisherige Magistrats-Aßeßor Catholy ward im Mai zum Bürgermeister in Treuenbretzen erwählt, und den 28ten Juni von hier dorthin ab. An seine Stelle ward der bisherige Polizey- Büreau- Aßistent Heintze in Halle erwählt, welcher den 9ten August sein Amt antrat. An die Stelle des zu Johannis vorigen Jahres nach Herzberg wieder zurück versetzten Kreisphysikus Dr. Deutschbein ist der bisherige praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Kanzler aus Liebenwalde am 28ten Juli als Kreisphysikus verpflichtet worden, aber erst zu Ende August mit seiner Familie hier angekommen.
Für unsere Sparkaße, zu deren Hebung außer dem großen Kredit, welchen unsere Stadt genießt, auch die liebenswürdige Persönlichkeit des Rendanten Thaerigen, der als ein sehr humaner, thätiger und rechtschaffner Mann geachtet wird, viel beyträgt, ist in der Mitte des Juli ein gegen Diebe und Feuer fester eisener Schrank aus der Fabrik von Sommermeyer und Co. In Magdeburg für 350 Rtl. und 25 Rtl.Transportkosten angekauft worden. Die maßiv einernen Wände derselben sind in den Zwischenräumen mit ausgesiebter Holzasche, welche die Gluth nicht durchläßt, stark ausgefüllt. Das Ganze ist ein wahres Meisterstück.
Die der Commun gehörigen Pflaumen- Plantagen sind in diesem Jahr für die Summe von 241 Rtl. 15 Sgr. verpachtet.
Der Sommer war mit Ausnahme einiger trüber und kühler Tage, sehr schön und heiß; das Therm. stand oft Nachmittags 2 Uhr in der Sonne + 30 – 35, das Barom. 28-28,3. Die Fruchtbarkeit war in folge der Gewitter am 1ten, 8ten, 10ten, 19ten,25ten Julius, am 3ten, 8ten, 22ten, 26ten August, am 3ten, 25ten September, desgleichen der Landregen am 3ten, 5ten, 11ten, 14ten 29ten Julius, am 7ten, 8ten, 15ten, 17ten, 29ten August, am 6ten, 7ten, 9ten, 29ten September außerordentlich. Die Erndte, welche bey günstiger Witterung sehr glücklich eingebracht worden ist, kann man als eine gute Mittelerndte betrachten, welche den Bedarf vollständig deckt. Um so mehr ist es zu beklagen, daß die Getreidepreise noch immer der schändlichen Wucher auf bedeutender Höhe erhalten werden; der große Scheffel Weitzen kostet 7 Rtl. Roggen 5Rtl.15 Sgr.—6Rtl., Gerste 4Rtl.20 Sgr. Hafer 2 Rtl.15 Sgr. Die Grummterndte war vorzüglich, dagegen ist der Ertrag der Kartoffelerndte nicht reichlich gewesen; der große Scheffel kostet 1Rtl.20Sgr. Ausgezeichnet aber ist die Obsterndte ausgefallen; so reichlich und im Überfluß haben wir sie seit dem Kriegsjahr 1813 nicht gehabt; alle Obstsorten, besonders die Pflaumen waren in ungeheurer Menge vorhanden, sodaß viele Bäume gestützt werden mußten, und dennoch manche unter der Last ihres Segens brachen; der große Scheffel gute Pflaumen kostet 20 – 25 Sgr., auch die übrigen Obstsorten sind sehr billig. Den 26ten September tobte 24 Stunden lang ein furchtbarer Orkan(Barom.27,4), welcher hier und da in den Gärten und auf den Plantagen durch Umreißen der schwerbeladenen Pflaumenbäume oder Brechen der Zweige bedeutenden, im Ganzen aber doch nicht bemerkbaren Schaden anrichtete.
Der Gesundheitszustand war trotz des vielen Obstgenußes sehr befriedigend, und die Sterblichkeit äußerst gering; von epidemischer Cholera und Ruhr, welche man mit Recht auch wegen anhaltender Hitze fürchten mußte, war garnicht die Rede.
In diesem Sommer, deßen herrliche Witterung die Bauarbeit sehr begünstigte, sind die am 15ten October vorigen Jahres abgebrannten sechs Scheunen(vid.S.190) von ihren Besitzern sehr schön und feuerfest wieder aufgebaut worden; außerdem hat der Strumpffabrikant Pabst eine große Scheune auf einem vom Lohgerbermeister Elzner am Kohlthorr erkauften Stück Garten, ferner der Tuchfabrikant in seinem Scheungarten vor dem Halleschen Thorr noch eine Scheune neu gebaut, und der Galanteriehändler Boehme seine in der Todtengaße gelegene Strohscheune, deren Holzwerk noch sehr gut ist, unter Ziegel gesetzt.Ferner hat der Holz- und Viehändler Hollenter am Ende der Töpfergaße an der Stelle seines alten baufälligen Wohnhauses ein schönes maßives, desgleichen der Zigarrenfabrikant Wagner nach der Münze hin ebenfalls ein schönes maßives Fabrikgebäude, ebenso der Destillateur Bohden ein Wohnhaus in der Zscherngaße an der Stelle des alten Heßlerschen, und der Webermeister Klette jun. Ein solches auf einem vor dem Galgthor gelegenen, vom Apotheker Freiberg sen. erkauften, Feldstücke neu gebaut. Der Hauptbau in diesem Jahr ist aber die neue Brauerei, welche der Braumeister Offenhauer aus Kleinkrostitz auf einem vom Windmüller Angermann erkauften Feldstück an der Bitterfelder Straße mit einem Kostenaufwand von 30000 Rtl. in zwey großen sehr langen maßiven Parterre- Gebäuden mit bedeutenden Kellern gebaut hat. Es ist nur zu bedauern, daß unsre Stadtbrauerei durch diese Concurenz wahrscheinlich sehr leiden wird.
Am 1ten October ist der bisherige Cantor Golz, 59 Jahre alt, emeritirt worden, weil die Schulinspecktion schon seit mehreren Jahren mit seiner Amtsverwaltung und seinen Leistungen nicht mehr zufrieden war, er bekommt jährlich 220Rtl. Pension und ist von hier nach Leipzig gezogen. An seine Stelle ist der Cantor Thierbach aus Schmiedeberg getreten und am 3ten November in sein Amt eingeführt worden.
Die im Jahr 1852 verstorbene Frau Dr. Güntz in Leipzig, Amalie, geb. Müller aus Delitzsch, hat hat in ihrem Testamente der hiesigen Armenkaße ein Legat von 100 Rtl., wovon die Zinsen an verschämte Arme vertheilt werden sollen, vermacht. Vid.pag.541.Der Vater der Frau Dr. Guentz war hier Ausreiter d.h.berittener Steueraufseher.
Die vordere Hälfte der bisherigen Amtswohnung des emeritirten Cantor Golz ist zu einem gaßenden Klaßen- Local für die gemischte Elementar-Klaße des Lehrer Hofmann, welche sich zeither im Hause des Böttchermeister Schumann befand, eingerichtet und seit Anfang des November bezogen worden; die hintere Hälfte der erwähnten Wohnung aber hat der Magistrat dem Nachtwächter Schneider, welcher die reinigung und Heitzung der Knabenschule zu besorgen hat, übergeben. Der neue Cantor Thierbach wohnt zur Miethe, und bekommt im Ganzen bis zum Tode seines Vorgängers 368Rtl. Besoldung und 40 Rtl. für die Wohnung, wobey die Kämmerei-Kaße jährlich noch ein Opfer von wenigstens 200 Rtl.bringen muß.
Im October wurde die neue Städte-Ordnung eingeführt; dieselbe unterscheidet sich von der alten dadurch, daß Klaßenwahlen in drei Abtheilungen nach dem Steuersatze stattfinden, daß die Stadtverordneten bloß alle zwey Jahre gewählt werden, mithin jeder sechs Jahre in der Versammlung bleibt, daß es keine Stellvertreter derselben giebt, daß endlich die Sitzungen der Stadtverordneten, an welchen in der regel ein Mitglied des magistrats als Commißarius Theil nimmt, größten Theils öffentlich gehalten werden.
Am 29ten November ward der Tages vorher angekommene neue Waßer-Zubringer, welcher auch zugleich als Feuerspritze gebraucht werden kann, vor dem breiten Thorr am Stadtgraben geprüft; die Probe fiel ganz zu Gunsten dieses vortrefflichen Instruments aus, welches in der Fabrik von Henneberg und Sohn in Arnstadt gefertigt ist, und 536 Rtl.23 Sgr.kostet.
Im Verlauf von höchstens einer Minute ward durch daßelbe das Waßer bis auf die oberste Etage des breiten Thurmes gehoben und von da bis an den Knopf gespritzt. Die Kosten sind bestritten worden durch ein Geschenk der Aachner und Münchner Feuer-Versicherungs-Gesellschaft von 150 Rtl., durch ein Geschenk der Köllner von 50 Rtl., und durch den bey der im Jahr 1838 erfolgten Auflösung der damaligen Landes- Brandkaße auf unsre Stadt gekommenen Antheil von 361 Rtl.21Sgr.50 dinarium, von welchem letzterem der kleine Rest nebst einem Zuschuß aus der Kämmereikaße von ohngefähr 96 Rtl. auf die Reparatur der alten großen Rathspritze und Anbringung eines Schlauchrohrs mit 100 Ellen Schlauch an derselben verwendet wurden ist, wodurch dieselbe sehr an Brauchbarkeit gewonnen hat; schon vor zehn Jahren war sie mit einem Kostenaufwand von 100 Rtl. (Geschenk der Aachner Feuer Versicherg. Gesellschaft) repariert worden. Zu bemerken ist noch, daß der neue Waßer-Zubringer einen Schlauch mit doppelten Rohren von 300 Ellen Länge hat.
Der Fleischermeister Pörschmann sen., welcher im September 1851 nach Amerika ging(vid.pag.158), ist, nachdem er in seinen Erwartungen und Hoffnungen bitter getäuscht worden ist, zu Anfange Decembers aus diesem gelobten Lande wieder zurückgekehrt.
Die erwähnten Posträuber sind zu Ende Octobers vom Schwurgericht in Halle verurtheilt worden, und zwar der Schneidermeister Belcke zu 20 Jahren Zuchthaus, der Handarbeiter Gerhardt, welcher schon seit einiger Zeit wegen Diebstahls in Lichtenburg war, zu 15 Jahren Zuchthaus, der Schneidermeister Tofante zu 10 Jahren Zuchthaus, und der Fleischermeister Barth sen., welcher mit allen dreien besonders wegen Schafdiebstählen in Verbindung stand, zu 3 Jahren Gefängnis und 2 Jahren unter Polizeyaufsicht.
Der Herbst, besonders im October war sehr schön; den 1ten, 9ten, 15ten,und 30ten regnete es; im November hatten wir öfters dichte Nebel, und, was besonders merkwürdig ist, es war den ganzen Monat völlige Windstille; den 25ten fiel der erste Schnee, und in den letzten drei Tagen setzte die Kälte ein.(Therm. früh 6 Uhr – 7 R. Bar. 28,4). Auch im December hatten wir mehrmals rauhe, dichte Nebel, und in der ersten Hälfte einen scharfen schneidenden Ostwind; in der zweiten Hälfte fiel mehrmals Schnee, und die bisher mäßige Kälte stieg am 25ten und 26ten bedeutend,( Therm.früh 7Uhr –16R. Barom. 28,4) Bey diesem Witterungslauf konnte es denn nicht befremden, daß acute Krankheiten leicht einen nervösen Charakter annahmen, und öfters tödlich endeten; besonders war die Sterblichkeit unter den alten Personen groß; bey denen, welche an asthmatischen Beschwerden litten, giengen die Lungen oft schnell in Lähmung über; bey jüngeren Personen erschienen Catarrhe und Lungenentzündungen sehr häufig und bey Kindern die häutige Bräune; die Hauptursache hiervon war der anhaltende scharfe Ostwind. Gestorben sind in diesem Jahre
Im December hat der Amtmann Karthaus in Zschepen unsern Armen 4 Fuder Braunkohle, die Gesellschaft „Liedertafel“ 30 Tonnen ausgesiebte Knorpelkohle, und der Amtmann Donner in Döbernitz für die nächsten Monate Januar, Februar und März zehn Armen wöchentlich jedem 6 Pfund Brod geschenkt; auch hat die Gesellschaft „Eintracht“ vier arme Knaben mit einem Kostenaufwande von 18Rtl. neu und warm gekleidet.
Am 5ten April hat sich auch ein Verein gebildet, welcher den Zweck hat würdige arme Knaben, welche zu Ostern confirmiert werden und von ihren Lehrern gute Zensuren erhalten, neu zu bekleiden. Das Comitè, welches bereits nach der ersten deshalb veranstalten, gut ausgefallenen Collecte ein Stamm-Capital von 50 Rtl. bey der Sparkaße zinsbar niedergelegt hat, besteht aus dem Diac. Dr. Burkhardt, dem Strumpffabrikant Pabst, dem Kaufmann Dittmar, dem Kaufmann Hofmann sen., dem Kirchner Baumgärtel, dem Rendanten Thaerigen und einigen andern achtbaren Bürgern. Dieser Verein , welcher schon sehr viele Mitglieder zählt, wird seine Wirksamkeit zu Ostern künftigen Jahres beginnen, und steht unter der Aufsicht des Magistrats.
1854
An die Stelle des zum Kreisgericht als Gerichtsbote übertretenen zweyten Polizeydieners und ArmenVoigts Lilie ist vom Magistrat der bisherige Polizeydiener Uhlig in Landsberg, früher dreizehn Jahre lang Trompeter beim dritten Husaren-Regiment in Düben, erwählt und am 5ten Januar verpflichtet worden.
Eine zum Besten der Armen veranstaltete Holzcollecte lieferte den Ertrag von 104 Rtl. 29 Sgr., wozu der Graf Hohenthal in Döbermitz 25 Rtl. und der Gutsbesitzer Ruehl in Cletzen 5 Rtl.bey getragen haben. Hiervon sind 8 Klaftern Brennholz, 20 Schock Reißbunde und 224 Tonnen Knorpelkohle, zu welchen letzteren 17 Bittfuhren unentgeldlich geleistet wurden, angekauft und an die Armen im Januar vertheilt worden; auch hat der Amtmann Hertzsch in Schenkenberg denselben 4 Fuder Braunkohle und ein anderer Geber 3 Fuder geschenkt.
Der Archidiaconus Heineken, welcher als Pastor nach Löbnitz berufen worden ist, hat am 5ten Februar seine Abschiedspredigt gehalten, und am 7ten unsre Stadt verlaßen. Derselbe war bey der Gemeinde seit 1849 nicht beliebt.
Am 6ten Februar früh um 9 Uhr hat sich der Strupfwirker Illge in seinem Hause am Markte, und am 17ten früh um 10 Uhr der Bäckermeister Hillmann im Hause des Bäckermeister Donath am Steinwege erhängt; der erstere war ein geistesschwacher, aber gutmüthiger, dem Trunke etwas ergebener Mann, der letztere dagegen ein unverbeßerlicher Spieler und Säufer.
Der Winter war milde; der im December gefallene Schnee schmolz in den Tagen vom 6ten bis 9ten Januar; in diesem ganzen Monat fiel keiner wieder; im Februar dagen regnete und schneite es öfters, und am 25ten d.M.wüthete Abends von 7 – 11 Uhr ein furchtbarer Gewittersturm mit Schneewehe(Barom. 28.) Das Barometer stand meistens sehr hoch, am höchsten den 1ten März.(28,8), am niedrigsten den 5ten Januar (27,2), die auffallendste Schwankung deßelben war am 14ten und 15ten Februar (28,6 u.27,6), am 14ten war das Wetter hell und schön, am 15ten Sturm und Schneegestöber. Im März war das oft, zumal bey dem voherrschenden Ostwind, sehr rauh; vom 3ten bis 6ten hatten wir früh dichte Nebel. Katarrhe, Entzündungen der Luftröhre und Lungen, und bey Kindern häutige Bräune und Keuchhusten kamen häufig vor.
Am 11ten April früh um 10 Uhr hat sich der Conditor Mehring, welcher seit drei Jahren wieder von Magdeburg hierher gezogen war, im Hause des Schumachermeisters Zieprich in der Zscherngaße erhängt; er war ein Müßiggänger und starker Säufer.
In den Monaten April und Mai ist auch der Weg durch die Hallischen Scheunen, 50 Ruthen lang, durch starke Aufschüttung von geklopften Bruchsteinen und Kies und nachheriges Befahren mit einer großen fiskalischen Walze sehr schön chaußirt worden; der Kostenaufwand dafür beträgt 300 Rtl.
Schon längst war es ein dringendes Bedürfnis in der Vorstadt-Schule bey einer Anzahl von wenigstens 200 Kindern einen zweiten Lehrer für die Elementar-Klaße anzustellen. Dieses ist nun geschehen; am 1ten Mai ist der bisherige Hülfslehrer in Gleina bey Zeitz Gottlieb Hugo Thaermann aus Weißenfels als zweiter Lehrer mit 150 Rtl. Gehalt, freier Wohnung und der Pflicht bey dem Gottesdienst in der Gottesacker-Kirche das Lied anzufangen angestellt und in sein Amt eingeführt worden. Zugleich ist an demselben Tage der bisherige Lehrer Johann Christlieb Jost, welcher auch seit der vor zwey Jahren erfolgten Erbauung der neuen Orgel in der Gottesacker Kirche deas Organisten- Amt an dieser Kirche verwaltet, zum ersten Lehrer mit 200 Rtl.Gehalt befördert worden. Da seine bisherige Wohnung im Schulhause zur zweyten Klaße eingerichtet worden ist, so ist für denselben in den Dach- und Giebelräumen eine neue Wohnung, bestehend aus zwey schönen Stuben und vier Kammern, mit einem Kostenaufwand von 210 Rtl. gebaut worden. Die Einrichtung der Klaße kostet 70 Rtl.
Am Sonntage Cantate hielt der Tags zuvor aus Magdeburg hier angekommene General- Superint. Dr. Theol. Moeller Kirchenvisitation; nach der Frühpredigt betrat er die Kanzel, und richtete ebenso wie bey dem Tage darauf abgehaltenen Synodal- Gottesdienste eine kurze, aber herzliche und gemüthliche Ansprache an die Gemeinde; zum Schluß katechisirte er beydemale mit den Kindern. Am Dienstag, den 16ten Mai, revidirte derselbe die Schulen in allen zehn Klaßen; er soll, wie man hört, zufrieden gewesen seyn. Im Katechisiren ist er Meister, aber als Kanzelredner steht sein Vorgänger Draesecke bedeutend höher.
Am 17ten Mai früh um 3 Uhr wollte ein Mädchen, Caroline Buchholz aus Wermsdorf, welche den Abend vorher aus Leipzig hier angekommen war, sich und ihren bey dem Strumpfwirker Drechsler in der Erziehung befindlichen einjährigen Knaben durch Ertränken tödten, und war deshalb in den Stadtgraben am Hallischen Thorr gegangen, der an dieser Stelle nicht so tief ist, wurde aber durch den zufällig aus dem genannten Thorr gehenden Fleischergesellen August Jacob aus Gellschau bey Hainau, welcher sie im Waßer bemerkte, und sogleich hinein gieng, mit Muth und Entschloßenheit aus demselben gerettet. Das Kind blieb aber trotz der bald angewendeten Wiederbelebungsversuche todt; die den Tag nachher gemachte Section bestätigte den Waßertod; die Mutter befindet sich jetzt wegen des begangenen Verbrechens bey dem Königl. Kreisgericht in Untersuchung; nach ihrer Angabe hat sie Verzweiflung wegen getäuschter Hoffnungen und nicht erfüllter Eheversprechung von Seiten des Vaters des Kindes, eines Katholiken, des bey einer Eisenbahn in Leipzig angestellten Wagenmeister Bader, welchem sie als Wittwer die Wirthschaft geführt hat, zu dieser That getrieben.
Den 28ten Mai starb plötzlich vom Schlage getroffen nach wenigen Stunden der Buchdruckereibesitzer Louis Meyner im 70ten Lebensjahre. Er kam 1814 von Altenburg, wo derselbe Factor in der Piererschen Buchdruckerei war, hierher, kaufte von den Erben seines Vorgängers Schmidt die hiesige, etwas herabgekommene, Officin, und verbeßerte dieselbe in einem Zeitraum von vierzig Jahren bedeutend. Bey Einführung der neuen Städteordnung zu Neujahr 1832 ward derselbe zum unbesoldeten Magistrats- Aßeßor erwählt, schied aber schon nach drei Jahren aus diesem, ihm nicht zusagenden Amte, mit welchem mancherlei Verdrießlichkeiten verbunden sind, wieder aus, denn er wollte sich keine Feinde zuziehen, und war überhaupt in jeder Hinsicht ein höchst achtungswerther, gebildeter, religiöser, streng rechtlicher und gewißenhafter Mann. Die Führung der Officin übernahm sein Sohn.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem jahr für die Summe von 284 Rtl. 25 Sgr., und die Pflaumen –Plantagen für die Summe von 134 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Der im Jahr 1850 nach Amerika ausgewanderte Fabrikant Schulze, (vid.pag.154) ist zu Ende des Monats Mai wieder hierher zurück gekehrt.
Die Witterung war in den Monaten April, Mai und Junius mit Ausnahme weniger Tage sehr rauh, trübe, stürmisch und naßkalt; wir hatten besonders in den beyden letzten Monaten viele Land- und starke Gewitterregen, das stärkste Gewitter war den 25ten Junius früh von 4 – 6 Uhr, während welchem es einmal in den breiten Thurm und zweimal in den Schloßthurm einschlug, ohne jedoch zu zünden. Die Fruchtbarkeit und das Wachssthum der Feldfrüchte ward hierdurch sehr befördert, doch fing man an wegen der anhaltenden große Näße Befürchtungen wegen der Erndte zu hegen, und in Folge des letzten sehr bedeutenden, weit verbreiteten, Landregens vom 8ten Julius Abends 6 Uhr bis zum 9ten früh 6 Uhr hatten wir am letzten Tage und am 10ten großes Waßer, sodaß der Stadtgraben an der Stadtmühle den Spaziergang überfluthete, und ein nicht unbedeutender Theil der schönen Heuerndte in den Fluthen verloren gieng. In Folge der bis zum 12ten Junius vorherrschenden Ostwinds wurden immer noch hartnäckige Katarrhe,(Grippe), und Lungenentzündungen, und bey Kindern der Keuchhusten, welcher die Entwicklung der Skropheln, besonders scrophulöser Augenentzündungen, beförderte, häufig beobachtet.
Am 8ten Junius erließ der Magistrat in der hier beyliegenden No.23 des Delitzscher Nachrichtsblatts eine Bekanntmachung eine Erhöhung des Schulgeldes in der Stadtschulen und die beabsichtigte Umwandlung der Vorstadtschule in eine Armenschule betreffend. Durch einige Aeußerungen fühlte sich der Vorstadtlehrer Jost, welcher bisher acht Jahre an dieser Schule allein gewirkt hatte tief gekränkt, und ließ daher am 14ten Junius in der hier zum Verständniß der Sache ebenfalls beygefügten No.24 des Nachrichtsblatts eine Erwiederung einrücken. Der Magistrat glaubte sich hierdurch verletzt, und beschwerde sich deshalb bey der Königl.Regierung zu Merseburg über den Lehrer Jost. Dieselbe beauftragte nun den Superint. Foerster den pp. Jost wegen seiner Rechtfertigung zu vernehmen; dies geschah am 12ten Julius. In einem hierauf am 24ten Julius eingegangenen Rescrigt hat die Königl.Regierung das Verfahren beyder Theile in dieser Angelegenheit, sowie des Magistrats als des pp.Jost, nicht gebilligt, und so die Sache entschieden. Der Lehrer Jost hatte aber doch völlig Recht, denn die Schule ist keine Strafanstalt.
Am 1ten Julius ist der bisherige erste Polizeydiener Heyme emeritiert worden; derselbe erhält jährlich 60 Rtl. Pension und eine Stube und Kammer im Armenhause als freie Wohnung mit der Verpflichtung über die Bewohner deßelben zugleich die Aufsicht zu führen; als sein Nachfolger ist der bisherige Polizeydiener Ranscht in Halle erwählt worden, welcher am oben genannten Tage sein Amt antrat.
Den 18ten Julius Nachmittags 1Uhr hat sich der Maurergeselle Fischer, ein leichtsinniger junger Mensch, nach einem bey Tisch vorausgegangenen heftigen Wortwechsel mit seiner geliebten in einem Nebengebäude des Webermeister Beyer sen. an der Münze erhängt.
Sonntags, den 11ten August, Vormittags halb 11 Uhr, ward in Gegenwart der Mitglieder der Armen-Deputation durch den Vorsitzenden derselben, Magistratsaßeßor Heintze eine neue Hausordnung im Armenhause eingeführt, wobey der herr Archidiacon Dr. Burkhardt an die Bewohner deßselben, welche in der großen Stube versammelt waren, in ergreifenden und herzlichen Worten eine darauf bezügliche Ansprache richtete.
Zu Anfang des Julius war der bisherige dritte Mädchenlehrer Eduard Keller an das Seminar zu Petershagen bey Minden berufen, und ist am 24ten August dorthin abgegangen. In seine Stelle rückte der bisherige Elementarlehrer Heinrich Robert Hofmann, und an deßen Stelle ward der Schulamts-Candidat Julius Wilhelm Hofmann, ein Sohn des hiesigen Kaufmanns, bisher Lehrer in Rösa, gewählt; derselbe bekommt 175 Rtl. Gehalt und seine Wohnung; sein Amt trat er am 21 ten August an.
Nachdem bis zum 8ten Julius anhaltende Näße statt gefunden hatte, klärte sich der Himmel vom 9ten an plötzlich auf, und es trat sehr schönes warmes Wetter ein, welches mit Ausnahme weniger Gewitter und Landregen im August und September bis zum Anfang des Herbstes anhielt, wodurch die Reife der Feldfrüchte sehr befördert und die Erndtearbeit außerordentlich begünstigt wurde. Die Hitze war oft groß, das Thermometer stieg Nachmittags in der Sonne gewöhnlich über 30 und 35 Grad, am 25ten Julius zeigte es sogar + 40 Reaum.; das Barometer stand meistens auf 28 – 28,3. Die Getreideernte ist bey uns, wie in allen Ländern Europas reichlich ausgefallen; trotzdem haben wir noch theils wegen des Wuchers, theils weil Rußland, welches jetzt mit England, Frankreich und der Türkey in einen unheilvollen Krieg verwickelt ist, die Getreideausfuhr verboten hat, leider! Ganz dieselben Preise wie vor einem Jahre(vid.pag.205); auch alle übrigen Lebensmittel, wie Fleisch, Butter, Eyer, Obst, welches letztere wenig gerathen ist, sind hoch im Preise, so daß die Theuerung zumal bey ihrer langen Dauer für die mittlern und untern Klaßen sehr drückend ist. Hierzu kommt noch, daß die Kartoffelerndte nicht ergiebig gewesen ist, und große Quantitäten dieses für die Armen unentbehrlichen Lebensmittels zum Brandtweinbrennen verwendet werden; der große Scheffel kostet 2 Rtl. Die Grummterndte war recht gut, und ist bey schönem Wetter glücklich eingebracht worden. Der Gesundheitszustand war befriedigend und die Sterblichkeit gering; einige leichtere Fälle von sporadischer Cholera wurden beobachtet.
Zu Anfang des October ward die bisherige Feuer-Ordnung vom 31ten Maerz 1838 aufgehoben, und statt deren die neue für die Stadt Delitzsch und die Amts- Vorstadt Grünstraße entworfene und von der Königlichen Regierung zu Merseburg unterm 26ten April 1854 bestätigte eingeführt. Auf die Beßerung des Straßenpflasters wurden in diesem Jahre 1000 Rtl.verwendet; dafür ist bis jetzt die Leipziger Straße, und zwar die Fahrbahn mit dazu paßenden, länglich viereckigen, Bruchsteinen, und das an dieselbe zunächst stoßende Stück des Marktes gepflaster worden. In diesem Jahre ist wegen der ungünstigen Zeitverhältniße nicht so viel, als früher, gebaut worden; der Oeconom Wilhelm Kuehne hat ein neues Wirthschaftsgebäude in der Form eines Wohnhauses in der Leipziger Straße ganz maßiv, desgleichen der Seilermeister Gutheil ein neues, sehr bedeutendes ebenfalls maßive Wirthschaftsgebäude in seinem Gehöfte und der Webermeister Klette noch ein zweites Wohnhaus (vid.pag.207) erbaut; ferner hat der Schmiedemeister Schulze in der Kohlgaße sein Wohnhaus übersetzt, und der Wundarzt Rathmann seine beyden bisher mit Stroh gedeckten Scheunen unter Ziegel gesetzt. Der Hauptbau dieses Jahres ist aber im Hospital ausgeführt worden; der Seitenflügel deßelben, in welchem der Saal und die Krankenstube befindlich sind, ist nicht bloß maßiv übersetzt, sondern auch um 36 Fuß verlängert worden, und im Parterre ein Saal zu einer im künftigen Jahre zu eröffnenden Klein-Kinder-Bewahr –Anstalt eingerichtet. Da zu Michäelis der Bau diese neuen Seitengebäudes vollendet war, so wurde daßelbe sogleich von den Hospitaliten bezogen und hierauf das Vordergebäude bis auf das Erdgeschoß abgetragen und neu aufgemauert, und mit Benutzung der zum Theil noch brauchbaren Materialien, namentlich des sehr guten Bauholzes, im November unter Dach und Fach gebracht; der innere Ausbau bleibt natürlich dem nächsten Frühjahr vorbehalten. Durch diese nothwendige und höchst zweckmäßige Erweiterung und Verbeßerung wird unser Hospital, welches die Mittel dazu besitzt, eins der vorzüglichsten werden, und acht bis zehn alte Personen mehr in seinen Räumen aufnehmen können, wogegen dann die bisher außerhalb deßelben wohnenden, sogenannten Hospitalbeneficiaten, aufhören und der Stadt-Armen-Kaße uberwiesen werden.
Im October erhielten sämmtliche Häuser der Stadt und Vorstadt neue Hausnummern; dies war wegen der besonders in den letzten zehn Jahren statt gefundener Zunahme neu angebauter Häuser sehr nothwendig; wir haben nach der neuen Zählung 447 Häuser, gerade 80 mehr, als nach dem alten Cataster. In folge deßen bekamen zwey neue Straßen, die eine am breiten Thor der Stadtmauer entlangt, den Namen „Mauergaße“, die andere hinter der Kohlgaße nach der Allee die Bezeichnung „an der Promenade“; desgleichen erhielten mehrere Straßen paßendere Benennungen, nämlich das Ende des Steinwegs den Namen „Eilenburger Straße“, die Todengaße wegen der Nähe zur Marienkirche den Namen „Mariengaße“, die Viehgaße den Namen „Bitterfelder Straße“, der Platz an der Postsäule vor dem breiten Thor den Namen „Roßplatz“, und der vor dem Halleschen Thor gelegenen Stadttheil den Namen „„Hallesche Vorstadt“. Die Zahl der Einwohner beträgt jetzt 4606.
An die Stelle des nach Löbnitz abgegangenen Pastor Heineken(vid.pag.214) wurde vom Magistrat am 18ten Mai der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Dr. phil. Burkhardt zum Archidiaconus und Katechismusprediger erwählt, und am 30ten Julius in sein neues Amt feierlich eingeführt. Auch ist demselben seit Michäelis für einen jährlichen Gehalt von 30 Rtl. die Seelsorge über die in der Frohnveste des hiesigen Königl. Kreisgerichts befindlichen Gefangenen anvertraut worden.
An die Stelle des im November nach Artern versetzten Bauinspektor Schulze (vid.pag. 200) trat der bisherige Baumeister Gericke aus Landshut in Schlesien als Kreisbaumeister. Desgleichen ist auch der unbesoldete Magistrats- Aßeßor Dr. Pfotenhauer am 1ten November aus dem Rathscollegio geschieden; an deßen Stelle ward noch in demselben Monat von den Stadtverordneten der Strumpffabrikant Pabst gewählt, und den 13ten Februar 1855 in sein Amt eingeführt.
Dem Bürgermeister Hagedorn, welcher bereits zu Anfang dieses Jahres für die Umarbeitung des Statuts der Spaarkaße auf den Antrag des Curatoriums aus dieser Kaße eine Gratification von 50 Rtl. erhielt, ist von den Stadtverordneten auf sein Ansuchen aus derselben Kaße vom 1 ten Januar 1855 eine jährliche Gehaltszulage von 100 Rtl. bewilligt worden, welche jedoch auf die der einstige Pensionierung keinen Einfluß hat.
Der Herbst war im Ganzen genommen milde; leider gab es sehr viele Feldmäuse, welche der jungen Saat Schden zufügten. Im October, mehr noch im November, hatten wir öfters dichte Nebel; den 17ten d.M. fiel der erste Schnee und den 12ten trat die erste Kälte ein (Therm.früh – 5R.), welche jedoch nicht lange anhielt. Den 23 ten December tobte in der Nacht ein furchtbarer Orkan(Gewittersturm) mit Schneegestöber, desgleichen in der Nacht des 31ten (Barom. 27,5). In folge eines dreitägigen anhaltenden Regens war am 17ten December sehr großes Waßer, eben so auch nach einem starken eintägigen Regen am 31ten und den Tag darauf. Die anhaltende Näße vertilgte die Feldmäuse, gegen welche andere Mittel vergebens versucht wurden. Der Gesundheitszustand war sehr befriedigend, und die Zahl der Kranken gering. Gestorben sind in diesem Jahre in der Parochie Delitzsch
1855
In den beyden ersten Tagen des neuen Jahres hatten wir einen starken Orkan und Schneewehe(Bar. 27,4); bis zum 13ten Januar war das Wetter milde, am 14ten aber trat der Winter bey vorherrschenden Nord –und Ostwind mit vielem Schnee und höheren Kältegraden ein und dauerte mit Ausnahme sehr weniger Tage bis zum 25ten Februar; in diesem Monat war die Kälte anhaltender und größer als im Januar; das Thermometer zeigte am 2ten, 3ten, 10ten und 20ten Februar früh 7 Uhr –16 und – 17Reaum.(Barom.28,2). Zu Ende dieses Monats trat allgemeines Thauwetter ein, blos einen Tag am 28ten durch Frost unterbrochen, so daß wir am 2ten und 3ten März großes Waßer hatten
Am 5ten Maerz früh von 8 – 10 Uhr ward die seltene, schöne Erscheinung von vier Nebensonnen, zwey weißen und zwey regenbogenfarbigen, parallel stehenden, beobachtet, dieselben waren von einem regenbogenfarbigen Kreise umgeben; es war an diesem Tage sehr schön und milde. Bald nach diesem electrischem Phänomen, vom 8ten an, trat wieder mäßiger Frost und rauhe Witterung, abwechselnd mit Schnee und Regen, ein, und hielt bis zum Ende des Maez an.
Zur Unterstützung der Armen während dieses Strengen Winters sind bey der Armen-Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden: 10 Tonnen Knorpelkohle vom Herrn Aßeßor Pabst, 10 Tonnen desgleichen vom Seifensiedermeister Friedrich Held, 10 Tonnen desgleichen vom Gastwirt Roessler und Oeconom Gutheil, 20 Tonnen desgleichen vom Drechslermeister Ufer jun. Apotheker Pfotenhauer, Fuhrmann Scharf und Bäckermeister Donath, 3 Fuder desgleichen vom Amtmann Voigt in Storckwitz, 1 Fuder desgleichen von S. 1 Fuder desgleichen vom Seilermeister Teubner sen., 1 Fuder Reiß- und Knüppelholz vom Kaufmann H.Schulze, 1 Fuder Knorpelkohle vom Kaufmann Naumann, 3 große Scheffel vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann W.Kuehne, 6 große Scheffel Kartoffeln vom Rittergut Brodau, 1 großer Scheffel desgleichen vom Kaufmann Tiemann, 50 Pfund Graupen vom Kaufmann Hennig und 32 Pfund Reis vom Kaufmann Krause sen.; ferner 20Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 20 Rtl. vom Amtmann Donner daselbst, 10 Rtl.von einem Ungenannten, 10 Rtl. von der Gesellschaft Eintracht, 9Rtl. 4Sgr. vom Ball des öconomischen Vereins, 4 Rtl. 6 Sgr. von einem Karpfenschmauße und einige andere kleinere Geldbeiträge.
Ein am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte angekommener Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen ist daselbst an demselben Tage entwendet und der Thäter bis jetzt nicht entdeckt worden. Desgleichen ist in der Nacht des 22ten Maerz früh zwischen 1 und 2 Uhr ein höchst verwegener Einbruch in das Gewölbe und Wohnzimmer des Kaufmann Christ. Friedrich Schmidt am Markte verübt und aus erbrochenen Schränken und Schubladen etwas über 500 Rtl. theils in baarem Gelde, theils in Staatspapieren entwendet worden. Durch die rühmliche Thätigkeit unserer Polizey-Beamten ward dieser Diebstahl aber noch im Laufe deßelben Tages entdeckt, und die Diebe in den Personen der beyden Maurergesellen, Gebrüder Werner in Rödgen verhaftet; der eine derselben war bereits Vormittags nach vorher gegangener Anzeige der gestohlenen Staatsschuldscheine in Halle bey einem Banquier, wo er einen solchen in Geld umwechseln wollte, sogleich arretiert und der andere Bruder auf dem Rückwege von Halle nach Rödgen von unserm Polizey-Sergeant Ranscht ergriffen worden. Die Frau des älteren Werner, welche Tags darauf wegen Diebshehlerei ebenfalls gefänglich eingezogen ward, und einen kleinen, ein Jahr alten Knaben, welchen sie noch säugte, mitbrachte, erhängte am 25ten früh erst diesen und dann sich. Leider sind die beyden Werner aus Delitzsch gebürtig, Söhne des verrufenen frühern Feldhüter Werner, welcher im Jahr 1829 unter der berüchtigten Brandstifter- Bande(vid.pag.21) mit war, und später im Zuchthause zu Lichtenburg gestorben ist. Auch sind zugleich bei dieser Gelegenheit diese Gebrüder Werner als die Thäter der im Maerz 1852 verübten Diebstähle bei dem Kaufmann Lindenhahn und dem Buchbindermeister Krause (vid.pag.167) entdeckt und überwiesen worden, da von letzteren mehrere im Hause der pp.Werner in Rödgen vorgefundene Gegenstände noch nach drei Jahren als ihr Eigenthum recognosciert und erkannt worden sind. Diese Verbrecher sind nun an das Königl.Kreisgericht abgegeben worden.
Am 7ten Februar hat der erst am 1ten Mai vorigen Jahres eingeführte (vid.pag.216) zweyte Lehrer an der Vorstadtschule Thaermann sein Amt ganz plötzlich verlaßen, und ist als Musiklehrer an ein Privat Institut nach Eppendorf bei Hamburg abgegangen. An seine Stelle ward der bisherige Lehrer in Wellaune bey Düben Romanus gewählt, und am 16ten Mai in sein Amt vom Archidiacon Dr. Burkhardt eingesetzt.
Am Sonntage Misericord. Dom. Den 22ten April ½ 9 Uhr ward der Vormittags- Gottesdienst auf eine sehr traurige Weise durch Feuerlärm gestört. Es brannte nämlich in der Grünstraße die beyden mit Stroh bedeckten sehr baufälligen Häuser des Schuhmachermeister Jentsch und der Wittwe Bothfeld; die letztere befand sich gerade in der Kirche; im Hause des erstern, wo noch im obren Stock deßen Schwiegerältern, der frühere Besitzer
Obhändler Spieckermann und Frau wohnten, ist das Feuer vermuthlich durch Verwahrlosung oder Baufälligkeit der Feuereße auf dem Boden entstanden. Bey der schnell herbey geeilten Hülfe und der Zweckmäßigkeit der Lösch-Anstalten, wobey sich der neue Waßer- Zubringer sehr bewährte, brannte außer den beyden Häusern nebst Ställen nichts weiter nieder.
Nachdem am 18ten Mai 1854 der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Dr. phil.Burkhardt zum Archidiaconus und Katechismusprediger befördert worden war (vid.pag.232), war vom Magistrat an deßen Stelle an demselben Tage aus den Gastpredigern der Candidat des Predigtamts Herrmann Constantin Knoth aus Hauterode in Thüringen,welcher schon seit fünf Jahren als Hauslehrer im hiesigen Orte lebte und öfters hier gepredigt hatte, erwählt. Der Magistrat theilte diese Wahl in einer Sitzung am 29ten Mai den Stadtverordneten und Deputirten der eingepfarrten Gemeinden mit, welche aber mit dem Erwählten, weil derselbe ihnen als prediger keineswegs genügte, nicht zufrieden waren, und von demselben noch eine zweyte Probe-predigt verlangten. Das Königl.Consistorium zu Magdeburg, an welches deshalb berichtet worden war, genehmigte dies und verordnete nachher eine Abstimmung der Gemeinde über den Candidat Knoth. Hierauf hielt derselbe am 5ten post Trinit. Den 16ten Julius die zweyte Probepredigt; den Tag darauf war vom Superint. Foerster die Gemeinde in die Stadtkirche Vormittags 11 Uhr zur Abstimmung berufen worden , die Versammlung war, weil viele durch die Erndtearbeit abgehalten waren, nicht zahlreich. Auf die Frage des Superint. Foerster „ ob jemand wider die Lehre und den Lebenswandel des Candidaten Knothe etwas einzuwenden hätte“ erklärten alle Anwesenden „Nein“. Die Mehrzahl derselben sprach sich jedoch dahin aus und gab diese Erklärung auch zu Protokoll „daß man einen tüchtigeren und befähigteren Kanzelredner wünsche“, als welchen man unter den vier Gastpredigern mit aufgetretenen Candidat Scharr aus Halle bezeichnete.Zuletzt überreichte auch noch der Vorstand der eingepfarrten Gemeinde Grünstraße Polizey-Anwalt Schulze, eine von sämmtlichen hausbesitzern dieser Gemeinde unterschriebene sehr ausführliche Protestation wider der Wahl des Candidaten Knoth dem Superint. Foerster mit der Bitte dieselbe an das Consistorium mit einzusenden. In einem hierauf am 17ten August eingegangenen Rescrigt dieser hohen Behörde ward die Wahl des Candidaten Knoth nicht bestätigt, und nunmehr am 12ten October vom Magistrat der von der Gemeinde fast allgemein gewünschte Candidat des Predigtamts Friedrich Gustav Julius Scharr aus Halle zum Diaconus und Hospitalprediger erwählt, welcher nach erfolgter Bestätigung von Seiten des Consistorii, und nach der am 9ten April 1855, am zweiten Osterfeiertag, gehaltenen gesetzlichen Probeprdigt, den 28ten Mai, am zweiten Pfingstfeiertage, vom Superint. Foerster feierlich in sein Amt eingeführt ward.
Die Witterung in diesem Frühjahr war vom Anfang des April bis zum 20ten Mai mit Ausnahme sehr weniger Tage bey Vorherrschendem Nord –und Ostwind sehr trübe, stürmisch und naßkalt, es regnete viel, so daß wir am 11 ten April abermals großes Waßer hatten; auch bildeten sich öfters nach wenigen Stunden warmer Witterung sogleich Gewitter, von welchen die Beyden am 31ten Mai Abends um 9 Uhr und am 3ten Junius Nachmittags um 4 Uhr, bey welchem letzterem der Blitz im Dorfe Klitzschmar in eine Strohscheune schlug und zündete, die stärksten waren. Die Vegetation ward durch die Kälte sehr zurück gehalten; erst in der zweiten Hälfte des Mai zeigte sich beym Roggen die Aehre; derselbe, welcher auf vielen Feldern durch die anhaltende Näße und im Herbst vorigen Jahres durch die Feldmäuse viel gelitten hatte, erholte sich später noch bedeutend, da vom 20ten Mai bis zum 14ten Junius das Wetter außerordentlich schön war. Von da an trat wieder kalte und regnigte Witterung ein, und man hegte schon Besorgniße wegen der schönen und reichlichen Heuerndte; da aber das Wetter vom 27ten Junius wieder anhaltend schön, warm und trocken ward, so wurde dieselbe glücklich eingebracht. Die sehr drückende Theuerung aller Lebensmittel besteht leider ! immer noch fort, besonders gilt dies von der Butter, von welcher die Kanne gewöhnlich 20 Sgr., und am 26ten Mai dem heiligen Abend des Pfingstfestes, sogar 25 Sgr. gekostet hat. Was die Krankheiten betrifft, so kamen seit Anfang dieses Jahres, vorzüglich aber in den drei letzten Monaten, Entzündungen der Mandeln, der Lungen, des Rippenfels, häutige Bräune, so wie ein- und dreitägige Wechselfieber zur Behandlung. Die Sterblichkeit war gering.
Der am 23ten Februar auf dem hiesigen Postamte entwendete Brief mit 100 Rtl. in Kaßen-Anweisungen an den Brauerei- Besitzer Offenhauer (vid.pag 236) ist am 11ten Junius in der Nähe des Pfeffermühlen-Weges in einer hohlen Weide am rechten Ufer der Gertitzer Bach von drei zehn bis zwölfjährigen armen Schulknaben, den Söhnen der Handarbeiter Schladitz und Bude, und der Wittwe Goldemann in der Grünstraße bey dem Ausnehmen von Vogelnestern zufällig unversehrt wieder aufgefunden worden; die Aelteren dieser Knaben, zwar arme, aber rechtschaffene Leute, haben die dafür ausgesetzte Belohnung von 20 Rtl., jeder ein Betrag von 6Rtl. 20Sgr., ausgezahlt erhalten; die übrigen 80 Rtl. sind an das Ober- Postamt zu Halle abgesendet worden, wodurch die verloren gegangene Caution des Post- Exped. Schmidt größten Theils wieder ersetzt worden ist. Die Besorgung dieser ganzen Angelegenheit hatte der Polizey- Anwalt Schulze in der Grünstraße übernommen, an welchen der Brief von den Findern sogleich abgegeben worden war.
Die den hier wohnenden Katoliken vor drei Jahren (vid.pag.195) ertheilte Erlaubnis alle vier Wochen einen Gottesdienst in unsrer Hospitalkirche abhalten zu dürfen, ist denselben seit dem Anfang des Julius von der Kirchen- und Hospital-Inspecktion wieder entzogen worden, weil der katolische Pfarrer Krumme in Eilenburg sich Uebergriffe und Störungen in den gemischten Ehen erlaubt hat.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 351 Rtl. 5 Sgr. und die PflaumenPlantagen für die Summe von 32 Rtl. verpachtet worden.
Nachdem im vorigen Jahre hauptsächlich durch einen Bau am Armenhause, sodann aber auch durch die in folge der Armen vermehrte Ansprüche an die Armenkaße in derselben ein Deficit von ohngefähr 250 Rtl. entstanden war, mußte auf den Antrag des Magistrats und der Stadtverordneten mit Genehmigung der Regierung die Armensteuer nach dem Klaßenfuße von 20 auf 30 Procent und auf jedes Schock von 6 Dinar auf 1 Sgr. vom Juli an erhöhet werden. Seit dem vorigen Jahr sind auch in Gemäßheit eines Consitorial-Befehls alle drei Geistliche Mitglieder der Armen- Deputation.
Am 16ten post.Trinitat., den 23ten September ward die kirchliche Jubelfeier des am 25ten September 1555 abgeschloßenen Augsburger Religions- Friedens in einfacher, und würdiger Weise begangen.
Der Sommer war sehr unfreundlich; denn vom 17 ten Julius bis zum 18ten September war das Wetter mit Ausnahme weniger Tage trübe, stürmisch und naßkalt; es regnete viel, zumal da sich oft nach wenigen Stunden banger und schwüler Witterung sehr schnell schwere Gewitter bildeten und stark entluden; die Erndtearbeit ward dadurch sehr aufgehalten, jedoch der vorherrschende Ost- und Nordostwind trocknete immer wieder bald ab, so daß die Feldfrüchte mit genauer Noth noch glücklich eingebracht wurden. Die Erndte des Roggen und Weitzens ist leider ! nur sehr mittelmäßig, dagegen die des Hafers und der Gerste, besonders der letzteren, vorzüglich ausgefallen. Unter diesen Umständen, welche sich der schändliche Wucher recht zu Nutzen macht, sind die Getreidepreise immer mehr gestiegen, und die Theuerung, welche sich zugleich auf alle übrigen Lebensbedürfniße erstreckt, immer drückender geworden; der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 8 Rtl. Roggen 7Rtl. Gerste 4 Rtl. 10 Sgr. Hafer 3 Rtl.- Pflaumen sind nicht viel, dagegen viel Aepfel und Birnen gewachsen, auch ist die Grummterndte, welche in der zweiten Hälfte des September bey dem Eintritt schönen Herbstwetters glücklich eingebracht wurde, sehr reichlich gewesen, und die Kartoffelerndte Gott sey Dank! In Quantität und Qualität vorzüglich ausgefallen; über die Krankheit der Kartoffeln hört man wenig Klagen; der große Scheffel kostet 1 Rtl. 5 – 10 Sgr. Was die Krankheiten betrifft, so kamen einige gastrisch – nervöse Fieber, hauptsächlich aber Durchfälle, welche oft hartnäckig und sehr zu Rückfällen geneigt waren, und sich merkwürdiger Weise besonders in der nacht verschlimmerten, zur Behandlung. Die Sterblichkeit war mäßig. Die Temperaturschwankung betrug manchmal in einem Tage eine Differenz von +15 – 20 Reaum.
In der zweiten Hälfte des September ist der Lober von den angrenzenden Feld- und Wiesenbesitzern geschlämmt worden. Der Stadtmüller Schroeter bauete während dieser Zeit ein neues Gerinne und ein neues sehr zweckmäßiges drei Fuß breites Waßerrad. In diesem Sommerhalbjahr, dessen rauhe und naße Witterung dem Bauern ohnehin nicht günstig war, ist wegen der schlechten und theuren Zeit wenig gebaut worden. Blos der Viehhändler Franke hat sein altes in der Mauergaße gelegenes nieder Gerißen und an dessen Stelle ein neues maßives Parterre – Gebäude mit einem Erker aufgeführt. Der im vorigen Jahre begonnene Neu- und Umbau des Hospitals ist zu Ausgang des August vollendet worden, so daß die feierliche Einweihung am 3ten September erfolgen konnte. Dies geschah früh 9 Uhr zuerst mit einem Gottesdienste in der Hospitalkirche, woselbst der Diaconus Scharr nach Absingung des Liedes (Delitzscher Gesangbuch No.7) eine Rede vor dem Altare hielt. Nach dieser ward von dem Liede No.5, Vers 3 gesungen. Hierauf begab sich die Versammlung auf den Platz vor das Vordergebäude des Hospitals, wo dann nach Absingung von No.168, Vers 1,2,4, der Superint. Foerster die Rede hielt und am
Schluße derselben die Weihe vollzog. Nun verfügte sich die Versammlung noch vor das Seitengebäude, in welchem die Kinder-Bewahr- Anstalt befindlich ist, wo dann der Archidiacon Dr. Burkhardt eine Rede hielt, und am Ende derselben die Weihe der genannten Anstalt vollzog, worauf zum Schluß noch vom Liede No.278 Vers 3 gesungen ward. Die sämmtlichen Baukosten betragen übrigens 8000 Rtl. Noch ist zu bemerken, daß seit dem 1ten August die Auszahlung des bisher üblichen Wochengeldes an die Hospitaliten (an jeden 12 Sgr.6 Dinarium) aufgehört hat, und dieselben dafür Mittags und Abends gespeist werden.
Im October wurden an der Mitternachtsseite der Stadtkirche zwey neue eichene, im gothischen Styl gearbeitet, große Kirchthüren angebracht; dieselben sind vom Tischlermeister Troitzsche und vom Schloßermeister Friedrich Wilhelm Bier verfertigt und in jeder Hinsicht wahre Meisterstücke. Mit Einschluß der Maurerarbeit und neuer Steinplatten kosten diese Thüren 157 Rtl 21 Sgr. 8 Dinarium. Auch haben die genannten Meister die Hausthüren im Hospital sehr gut geliefert, und der Schloßermeister F.W.Bier das eiserne Gitterthor nebst den beyden Eingangsthüren daselbst schön und dauerhaft gefertigt. Das letztere kostet 113 Rtl. 15 Sgr.
Schon seit längerer Zeit circulirten im Publikum verschiedene Gerüchte über die zerrütteten häuslichen und finanziellen Verhältniße des Landrats Eduard Arthur von Pfannenberg; diese bestätigten sich dadurch immer mehr, daß zu Anfang des vorigen Jahres der Fabrikant Degenkolb in Eilenburg denselben wegen einer Schuldforderung von 2000 Rtl. beym hiesigen Königlichen Kreisgericht verklagte; diese Angelegenheit ward indeß noch durch Sicherstellung des Gläubigers abgemacht. Da traf plötzlich als Commißarius der Königl. Regierung zu Merseburg der Regierungsrath Herr von Tiedemann am zweyten Maerz dieses Jahres hier ein, und erwiderte am folgenden Tage früh die vom Landrathe von Pfannenberg als Curator und vom Kreissecretär Carl Robert Beyer als Rendant verwaltete Kreisbedürfniß – Kaße, und entdeckte in derselben einen Defeckt von 5010 Rtl. Am 6ten Maerz reiste der Herr Regierungsrath von Tiedemann wieder ab, und am 13ten wurden beyde, sowohl der pp.von Pfannenberg, welcher bereits seit Mitte Februars in folge moralischer Unruhe sehr krank war, als auch der pp.Beyer von ihren Aemtern suspendiert. Wegen der Krankheit des pp. von Pfannenberg verzögerte sich die weitere Untersuchung, und die Königl.Regierung ließ daher durch den einstweilen hier fungirenden Kreissecretär Eckhardt aus Merseburg bey dem Verfaßer dieser Zeilen, als dem Hausarzt des von Pfannenberg über deßen Gesundheitszustand am 25ten Maerz Erkundigungen einziehen. Noch in der Mitte des April erfolgter völliger Wiedergenesung des Kranken erschien am 25ten des Monats als Commisarius der Geh. Ober Regierungs Rath Herr von Werther aus Merseburg zur Fortsetzung der Untersuchung. Nachdem dieser alles Nöthige ermittelt und seinen Auftrag vollzogen hatte, ward nunmehr die ganze Sache dem Staatsanwalt und dem hiesigen Königl.Kreisgericht übergeben, von welchem letzterem nun nach nochmals am 22ten Junius beym Hausarzt des pp. von Pfannenberg über seinen Gesundheitszustand erfolgter Anfrage derselbe und der pp. Beyer am 26ten des Monats vernommen wurden. Hierauf ward am 6ten Julius der pp. von Pfannenberg verhaftet und an das Kreisgericht nach Halle abgeliefert; daßelbe widerfuhr dem pp. Beyer am 15ten September. In der öffentlichen Sitzung des Königl. Kreis- und Schwur- Gerichts am 23 ten October, wo bey überfülltem Saale die ganze Verhandlung von früh 8 bis Abends 8 Uhr dauerte, wurden die Angeklagten von den Geschworenen für „schuldig“ erklärt, und hier auf dem Gerichtshofe verurtheilt, und zwar der Landrath von Pfannenberg, weil er aus der Kreisbedürfniß- Kaße Gelder unterschlagen und für sich verbraucht, auch seine amtliche Stellung und Ansehn gegen den pp. Beyer mißbraucht und denselben zur Unterschlagung verleitet hat, zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und drei Jahren Gefängnißstrafe, der Kreissecretär Beyer Beyer wegen Unterschlagung von Geldern und falscher Buchführung zur Amtsentsetzung, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und zwey Jahren Gefängnißstrafe. (Nach dem neuen preußischen Strafgesetzbuch steht §325und 330 auf solche Verbrechen Zuchthausstrafe von drei bis zehn Jahren.)
Vom Anfang des Julius bis zu Ende des December wurden auf Betrieb des Bürgermeisters Hagedorn, nachdem von den Stadtverordneten 400Rtl. aus der Kämmerei- Kaße zu diesem Zweck bewilligt worden waren, zuerst in der Kosebruch nahe bey der Dörfchen-Mühle, und als dann, da die Bemühungen vergeblich waren, im Haine und Rosenthale Bohrversuche auf Braunkohle gemacht. An diesem Orte gewährten dieselben, wie bereits im Jahre 1848, das Resultat, daß an verschiedenen Stellen unter einer Thonschicht in einer Tiefe von 50 – 60 Fuß ein Lager von guter Braunkohle, welche auch bey den damit angestellten Versuchen als gutes Brennmaterial sich bewährt haben soll, in einer Mächtigkeit von 15 – 20 Fuß sich befindet.
Dem Tertius Lorenz, welcher wegen andauernder Krankheit bereits seit Ostern in seiner Klaße keinen Unterricht ertheilen kann, ist auf sein Ansuchen im September eine Unterstützung von 25 Rtl.aus der Kämmerei- Kaße bewilligt worden.
Im December wurde vom Magistrat zum Besten der Armen im Waschhause der Knaben- Schule eine Speise- Anstalt eingerichtet und am 19ten des Monats eröffnet. Daselbst wird täglich Mittags den nicht ganz Unbemittelten für 1 Sgr. 3 Dinarium und den ganz Armen unentgeldlich ¼ Pfund Rindfleisch und ein Quart Gemüse verabreicht. Zur Gründung dieser Anstalt hat ein edler Menschenfreund ein Kapital von 200 Rtl. auf zehn Jahre zinsfrei vorgeschoßen; ferner hat die Gesellschaft „Harmonie“ kürzlich für dieselbe bey einem Ball und Abendessen eine Collecte von 11 Rtl. 6 Sgr. ausgebracht, auch haben mehrere Wohlthäter kleinere Beiträge an Geld und Lebensmitteln eingesendet, so daß bey weiterer Unterstützung die Anstalt den Winter über hoffentlich wird bestehen können.
Der Herbst war mit Ausnahme einiger Regentage angenehm und milde; der Stand der Wintersaaten außerordentlich schön. Zu Anfang des December trat aber der Winter bey vorherrschendem Ostwind mit vielem Schnee und strenger Kälte ein; (Thermom. – 10 – 15 Reaum. Früh 7Uhr Barom.28,4 – 8) dies dauerte mit Ausnahme des 16ten und 17ten, wo wir Thauwetter hatten, vom 3ten bis zum 24ten; am letzteren Tage trat wieder Thauwetter ein, und von da an war die Witterung bey anhaltenden Südwind bis zum Ende des Monats ungewöhnlich milde und schön. Dieser schroffe Witterungswechsel ward alten Personen verderblich, sonst war der Gesundheitszustand befriedigend und die Sterblichkeit gering. Die Theuerung, diese große Calamität, bestehet leider! noch immer fort, doch ist unserm Vaterlande durch Gottes Gnade und Weisheit unsres Königs der durch den orientalischen Krieg so stark bedrohte Frieden auch in diesem Jahre erhalten worden.
Im October kauften das Bürger- Hospital von der verwittweten Gastwirth Barth 2 ½ Hufen in Werbener Mark für 12000 Rtl.
1856
Der Winter war im ganzen Verlauf der drei ersten Monate dieses Jahres mit Ausnahme des 3ten, 4ten und 5ten Februars außerordentlich milde und gelind; als eine ungewöhnliche, ohne Zweifel damit zusammen hängende, Erscheinung verdient noch angeführt zu werden, daß am 28ten Januar Nachmittags um 3 Uhr ein starker Zug wilder Gänse in der Höhe von Westen nach Osten zog. Vom 13ten bis zum 21ten März wehete ein empfindlicher, schneidender Ostwind, welcher Katarrhe und einige Fälle von Brustentzündungen zur folge hatte; außerdem war der Gesundheitszustand befriedigend. Zur Unterstützung der Armen sind in diesem Winter bey der Armen- Deputation folgende Geschenke eingegangen und vertheilt worden: 20 Rtl. vom Herrn Grafen von Hohenthal in Döbernitz, 1 Rtl.25Sgr. von der Gesellschaft „Glocke“, 5 Rtl.von C. in Cletzen für Arme; welche ihre Kinder nicht betteln gehen laßen, 6 Fuder Braunkohle vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg, ferner für die Speise, und die seit Anfang dieses Jahres mit derselben verbundendene Suppen Anstalt 55Rtl. von der gesellschaft „Eintracht“, 5Rtl. vom Bürger- Verein, 3 Rtl. 20 Sgr. von der Liedertafel, 5 Rtl. 9 Sgr. von mehreren Gästen im eisernen Kreuz, 12 große Scheffel Kartoffeln vom Amtmann Donner in Döbernitz, 6 dergleichen von N.N., 2 dergleichen vom Aßeßor Tiemann, 6 Berliner Scheffel Erbsen von N.N., 1 dergleichen vom Oeconom W.Kuehne, und 2 Rtl. von N.N. Auch erhielt die Armenkaße 12 Rtl. vom ökonomischen Verein des Delitzscher und Bitterfelder Kreises. Die Speise- Anstalt gieng zu Ende des Februar, und die Suppen- Anstalt im März wieder ein.
Die Gebrüder Werner sind wegen des im vorigen Jahre verübten Einbruchs und Diebstahls in der öffentlichen Sitzung des Schwurgerichts zu Halle am 12ten Februar vom Gerichtshofe verurtheilt worden, und zwar der Wilhelm Werner zu zehn Jahren Zuchthausstrafe, und der August Werner zu zwey und ein halb Jahren Zuchthausstrafe. In der Nacht des 27ten Maerz halb 12 Uhr brannte die früher Röthelsche, jetzt dem Müller Kirchhof gehörige Windmühle in einer Stunde ganz nieder; es war Windstille; die Entstehung blieb unbekannt; der Besitzer war verreist.
Wegen des durch den zu Paris am 30ten März abgeschloßenen Frieden beendigten orientalischen Krieges wurde auf Befehl des Königs am Sonntage Escandi ???den 4ten Mai ein Dankfest mit Absingung des „Herr Gott, Dich loben wir“ dafür abgehalten, daß Gott unser Vaterland vor den Leiden und Drangsalen des Krieges gnädig bewahrt hat.
In unsrer Sparkaße, deren Localität im vorigen Jahre wegen des oft großen Verkehrs durch Hinzufügung eines zweiten Zimmers sehr zweckmäßig erweitert wurde, betrug seit der Zeit ihres Bestehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1855 die Summe sämmtlicher Einlagen 870463 Rtl. und der reserve- Fond 11325 Rtl.128 Sgr. 5 Dinarium , und der ganze Geldverkehr im vorigen Jahre allein gewiß bedeutende Summe von 531608 Rtl 12 Sgr. 6 Dinarium.
Der Kreisgerichts- Direktor von Nostitz ist den 1ten April von hier in gleicher Eigenschaft nach Merseburg versetzt worden. An seine Stelle trat der bisherige Kreisgerichts- Rath von Muehler, ein Sohn des früheren Justiz-Ministers, welcher am 2ten Junius feierlich in sein neues Amt eingesetzt ward. Bisher war derselbe beym Kreisgericht in Spandau angestellt.
Am 18ten Maerz fand in der kleinen Spröde ein Waldbrand statt, welcher zwey Morgen junge Kiefernwaldung zerstörte; die Entstehung blieb unbekannt.
Die Witterung dieses Frühjahrs war sehr veränderlich, wir hatten mehr trübe und kühle, als schöne und helle Tage; bey eintretender Hitze, besonders im Junius, bildeten sich schnell Gewitter mit starker Entladung; dies war vorzüglich am 17ten und 28ten des Monats (bei Thermom. + 32 Reaum. Nachmittag 2 Uhr in der Sonne) der Fall, am letztgenannten Tage tobte Abends um 6Uhr ein heftiger Gewittersturm. In folge dieser öfteren Gewitter und auch mehrmaliger Landregen war die Fruchtbarkeit außerordentlich groß und der Stand der Feldfrüchte vorzüglich schön. Die Heuerndte ist sehr gut ausgefallen und trotz einiger Verspätung durch naße Witterung noch glücklich eingebracht worden. Westwind war vorherrschend, der Gesundheitszustand im Ganzen befriedigend und die Sterblichkeit gering; nur alte, am asthma humidum erkrankte Personen, und Lungenschwindsüchtige litten in folge des schroffen Witterungswechsels sehr, von letzteren starb auch eine verhältnißmäßig nicht unbedeutende Zahl. Ein- und dreitägige Wechselfieber kamen ebenfalls zur Behandlung.
Im December vorigen Jahres ward von der regierung beschloßen das hiesige Königliche Schloß, welches dem Staate bisher allerdings wenig Nutzen brachte, zu einem Zuchthause für 500 weibliche Sträflinge einzurichten. Zu diesem Zwecke trafen am 26ten Maerz 32 Sträflinge aus Lichtenburg hier ein; es waren größten Theils Maurer und Zimmerleute. Der Bau wurde sogleich mit der Einrichtung der Arbeitssäle im obern Stock des Schloßes und dem Abbruch des großen östlichen Flügels des alten Kornhauses begonnen. Als man damit fertig war, wurden von Lichtenburg noch 46 Züchtlinge in der Mitte des Junius hierher geschickt, und am 10ten Julius Vormittags um 10 Uhr der Grundstein( eine längliche Sandsteinquader mit der Jahreszahl 1856) zu dem großen Gebäude, welches die Kirche, die Wohnungen der Beamten und Isolirzellen enthalten soll, unter angemeßener Feierlichkeit gelegt. Dieselbe begann und endete mit dem Gesang eines Liedes, und der Superintendent Foerster hielt die Weihrede, nach welcher derselbe mit dem den bau leitenden Beamten Gericke in den 12 Fuß tiefen Grund hinab stieg, und mit diesem die drei üblichen Hammerschläge that.
An die Stelle des seines Amtes entsetzten (vid.pag.249) Landraths von Pfannenberg ward von den Kreisständen am 4ten Februar der Regierungs- Aßeßor von Rauchhaupt von Queis bey Landsberg gebürtig, bisher bey der Regierung in Liegnitz angestellt, und seit dem September vorigen Jahres Verweser des hiesigen Landraths- Amtes zum Landrath des Delitzscher Kreises erwählt, und durch den König durch Cabinetsorder d.d.Berlin den 4ten Junius bestätigt. Der Kaufmann Carl Friedrich Mulertt seit zwanzig Jahren hier am Markte wohnhaft, war seit einem Jahre wegen Betrugs, Wuchers, Unterschlagung und gewerbsmäßigen Hazardspiels bey dem Königl. Kreisgericht in Untersuchung. In den am 2ten und 3ten Julius gehaltenen öffentlichen Sitzungen dieser Behörde ward diese Sache untersucht und verhandelt; die Vorlesung der umfangreichen, einige neunzig Punkte enthaltenden, Anklageacte dauerte über zwey Stunden; die in den Händen der Behörde befindlichen Geschäftsbücher und das Spielbuch des pp.Mulertt bewiesen deßen Schuld, letzterem zufolge hatte derselbe in den Jahren 1847 bis 1853 im Spiel 10239 Rtl. gewonnen. Hierauf ward am 10ten Julius das Urteil des Königl. Kreisgerichts publicirt und der pp. Mulertt wegen Betrugs, Wuchers und gewerbsmäßigen Hazardspiels zu twey Jahren Gefängniß, 4000 Rtl. Geldstrafe, Tragung der Gerichtskosten und einem Jahr Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Zu bemerken ist noch, daß der pp. Mulertt in diesem Frühjahr von hier nach Halle gezogen ist, und daß derselbe nach seinem eignen Geständniß sein Geschäft hier mit nur 150 Rtl. angefangen, und bis jetzt ein Vermögen von 18 – 20000 Rtl. erworben hat.
Am 23ten Julius früh um 5 Uhr starb plötzlich vom Schlage getroffen im 72ten Lebensjahre auf seinem Rittergute Döbernitz der Herr Graf Peter Carl von Hohenthal, Königl.Sächsischer Kreishauptmann a.D., Ritter mehrerer Orden, Vorsitzender der Delitzscher Bibelgesellschaft, ein zwar unsrer Gemeinde nicht angehörender, aber unsrer Stadt vielfach befreundeter und nahestehender Mann, ausgezeichnet durch große Herzensgüte und wahrhaft christlich- religiösen Sinn, seit einer langen Reihe von Jahren der größte Wohlthäter unsrer Armen. In dankbarer Anerkennung solcher Verdienste hatten sich denn auch der Magistrat und die Stadtverordneten zu seinem feierlichen, am 26ten Julius Nachmittags um 4 Uhr statt findenden, Leichenbegängniß zur Theilnahme und Erweisung der letzten Ehre nach Döbernitz begeben. Das schönste Wetter begünstigte diese Trauer- Feierlichkeit, zu welcher sich außerdem eine große Menge Menschen aller Stände aus Delitzsch und der Umgebung eingefunden hatte.
Am 3ten August hielt die hiesige Schützen- Gilde ein Schützenfest, zu welchem Abtheilungen der Schützen – Gilden von Eilenburg, Düben und Brehna früh um 7 Uhr hier eintrafen, und Nachmittags ein Scheiben – Schießen hatten.
Am 1ten Julius wurde das hiesige Königl.Rentamt, nachdem bereits seit acht Jahren alle Natural- Lieferungen abgelöst und in baares Geld verwandelt worden sind, aufgehoben und mit der Königl. Forst- Kaße in Bitterfeld verbunden.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für die Summe von 364 Rtl. 20 Sgr. und die Pflaumen – Plantagen für die Summe 129 Rtl. 5 Sgr. verpachtet worden.
In der Nacht vom 11ten zum 12ten Mai, vom ersten zum zweiten Pfingstfeiertage, ward in dem neuen Wirthschaftsgebäude des hiesigen Commungutes ein Diebstahl verübt; der Maurermeister Meie hatte daselbst einen zwei Treppen hoch befindlichen Kornboden gemiethet und auf demselben Getreide aufgeschüttet; die Diebe waren mittelst einer aus der Grünstraße herbey geholten Feuerleiter vom Gottesacker aus durch eine erbrochene Dachluke in diesen Boden eingestiegen, und hatten dem pp.Meie ohngefähr 9 Berliner Scheffel Korn gestohlen. Durch die Thätigkeit unserer Polizey- Beamten wurden die Diebe schon den anderer Tag in den Personen der Handarbeiter Gottlieb Wilhelm Sander, Carl Conrad und Friedrich Wilhelm Conrad entdeckt, sogleich verhaftet, und bald nachher nach Halle abgeliefert. In der öffentlichen Sitzung des dortigen Schwurgerichts am 14ten Junius wurden dieselben und zwar der erste zu 2 Jahr, 3 Monate Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, der zweite zu 2 Jahr, 6 Monat Zuchthaus und 3 Jahr Polizey- Aufsicht, und der dritte zu 2 Jahr Zuchthaus und 2 Jahr Polizey Aufsicht verurtheilt.
Im Monat August wurde die breite Straße vom Markte an bis an die Stadt-Kirche von da an noch ein kleines Stück bis ziemlich an die Post, und zwar die Fahrbahn mit länglich viereckigen Bruchsteinen, welche noch von der Pflasterung der Leipziger Straße vor zwey Jahren übrig geblieben waren, neu gepflastert, auch an der Ecke von des Bäckermeister Ruehls Hause nach der Kirche herüber eine neue Schleuße von eichenen Bohlen angelegt. Die Kosten betragen 170 Rtl. Am 31ten August hat unser Herr Superintendent Foerster, welcher vom Consistorio als Pastor nach Langenweddingen, eine sehr einträgliche Pfarrstelle bey Magdeburg, berufen worden ist, bey überfüllter Kirche seine Abschiedspredigt gehalten(am 15ten post Trinitat.). Am folgenden Tage, den 1ten September, war ihm zu Ehren von den Gesellschaften „Harmonie, Eintracht und Bürgerverein“ Mittags im Saale des Gasthofes zum Schwan ein Abschieds- Festmahl veranstaltet worden, welches sehr zahlreich besucht war, und wobey demselben von den sämmtlichen Geistlichen und Candidaten der Delitzscher Ephorie eine sehr schöne, werthvolle Fruchtschaale von geschliffenem Glas mit maßiv silbernem Gestell überreicht ward. Die Lehrer der Diöces hatten ihm schon acht Tage vorher eine geschmackvolle Stutzuhr zum Andenken verehrt. Am 5ten September früh um 9Uhr hat er unsre Stadt verlasßen; er war ein vorzüglicher Kanzelredner und ein Mann von gründlicher wißenschaftlicher Bildung, im Amte treu.
Nachdem die Witterung bis zum 14ten Julius trübe, kühl und unfreundlich gewesen war, trat von diesem Tage an das schönste Wetter ein, und hielt mit Ausnahme weniger Tage, an welchen wir Gewitter und Landregen hatten, bis zum 1ten September an, welcher Monat aber, trotzdem, daß der Aegidius- Tag sehr schön war, dieser alten Regel zuwider doch fast durchgängig trüber, rauher mitunter sogar stürmisches Wetter brachte, die Getreideerndte, ist Gott sey Dank! In allen Arten und jeder Hinsicht in Quantität und Qualität ausgezeichnet gewesen; daßelbe gilt auch von der Kartoffelerndte; in folge davon sind nun auch die Preise der Feldfrüchte gefallen, blos Weitzen und Gerste sind wegen starker Abfuhr nach England, besonders im Verhältniß zum Roggen, noch theuer. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt zu Michäelis 7 Rtl.10 Sgr. Roggen 4Rtl. 15 Sgr.Gerste 3Rtl. 20 Sgr. Hafer 2 Rtl. und Kartoffeln 1 Rtl. Die Grummterndte ist dürftig ausgefallen, doch hat dies, da schöne Futterkräuter gewachsen sind, nichts zu bedeuten; desgleichen ist auch die Obsterndte gering ausgefallen, weshalb denn auch natürlich sämmtliche Obstsorten mit alleiniger Ausnahme der Nüße, welche sehr gut gerathen sind, hoch im Preise stehn; der große Scheffel Pflaumen kostet 3 Rtl. 10 Sgr. bis 4 Rtl. das Schock Aepfel 20 Sgr. Butter, Eyer und Oel sind ebenfalls noch theuer, von ersterer gilt die Kanne 20 Sgr., das Schock Eyer 24 Sgr. das Quart Oel 13Sgr In Bezug auf die Witterung ist noch zu bemerken, daß die Hitze in der zweiten Hälfte des Julius und im ganzen August sehr groß war, und das Thermom. öfters in den Nachmittagsstunden in der Sonne +36 – 40 Reaum.zeigte. Seit der Mitte ses September wurden auch sehr viele Feldmäuse sichtbar.
In diesem Jahr sind, mit Ausnahme des bereits erwähnten Zuchthausbaues im Königl. Schloße (vid.pag.258) und der nothwendigsten Gebäude zu dem im Rosenthal auf Kosten der Commun angelegten Braunkohlewerke, wegen der noch fortbestandenen Theureung aller Lebensbedürfniße keine neuen Baue ausgeführt, blos einige Häuser untermauert und reparirt worden. Auch hat der Müller Kirchhof seine neue bereits seit dem Sommer vorigen Jahres in allen ihren Theilen fertige und vollendetet Windmühle mit zwey Gängen, welche seit dieser Zeit in der Nähe seiner alten, im März dieses Jahres abgebrannten (vid.pag.255), im Freien lag, auf einem von der verwittweten Frau Gastwith Barth erkauften, am Wege nach Döbernitz gelegenen Feldstück zu Anfang des November aufgerichtet; der Grund dieser langen Verzögerung lag in den Klagen und Protestationen der hiesigen Müller- Innung gegen diesen Bau, welche zuletzt aber von der Königl. Regierung in Merseburg abgewiesen wurden.
Wenige Tage nach dem Tode seines Vaters (vid.pag.260) übersendete der Herr Graf Alfred von Hohenthal in Döbernitz aus Dankbarkeit für die dem selig Vollendeten von den städtischen Behörden erwiesene letzte Ehre dem Magistrat 50 Rtl. als Geschenk für die Armenkaße zur beliebigen Verwendung.
Den 21ten December, den vierten Advents – Sonntage, hielt der vom Königl. Consistorio zu Magdeburg hierher berufene Herr Superintendent Weinrich aus Lützen in unserer Stadtkirche mit getheiltem Beifall seine Probepredigt, und hat bey der nachher vom Superint. M.Taenzer erfolgten Anfrage Niemand etwas gegen Weinrichs Lehre und Wandel eingewendet. Am 24ten December starb in Hohenleine bey seinem Sohne, dem dortigen Pastor, der Rector emerit. Friedrich Wilhelm Ahner, 87 Jahre alt.
Am 25ten December Vormittags halb elf Uhr starb nach zweymonatlichem Krankenlager an einer auszehrenden Unterleibs- Krankheit der praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Herr Dr. med. Heinrich Oswald Gerber im 29ten Lebensjahre; er war ein sehr bescheidener, liebenswürdiger, moralisch guter und kenntnißreicher junger Arzt, deßen frühzeitiger Tod um so mehr als ein wahrer Verlust für die Stadt und Umgegend zu beklagen ist, als derselbe bey seinem regen Eifer und lebhaften Intereße für die Wißenschaft zu schönen Hoffnungen für die Zukunft berechtigte. Bey deinem feierlichen und sehr zahlreichen Leichenbegängniß am 28ten December Nachmittags um 3 Uhr zeigte sich durch die allgemeinste Theilnahme unverkennbar die Liebe und Achtung, welche der selig Vollendete in einer kurzen Amtswirksamkeit von noch nicht ganz vier Jahren sich erworben hatte.
Nach Beendigung der Bohrversuche nach Ende des vorigen Jahres (vid.pag.251) wurde auf den Antrieb des Herrn Bürgermeister Hagedorn, welcher die Seele und der Leiter des ganzen Unternehmens ist, vom Magistrat und den Stadtverordneten beschloßen ein Braunkohlenwerk anzulegen; die Letzteren bewilligten hierzu ein Kapital von 10000Rtl., welches die Commun bisher in Pfandbriefen besaß und später noch 8000 Rtl. Da die sehr milde Witterung dieses Winters es erlaubte, so wurden gleich zu Anfang dieses Jahres im Rosenthal am Ende des Kertitzer Kirchwegs links ganz in der Nähe des anzulegenden Schachtlochs die nöthigen Gebäude, ein Kesselhaus, eine Maschinenstube, eine Wohnung für den Steiger nebst einigen andern kleinern Baulichkeiten und eine große 90 Fuß hohe Dampfeße ausgeführt. Sodann wurde aus der Gräflich Stollbergschen Maschinenfabrik in Magdeburg für den Preis von 7000 Rtl.eine Dampfmaschine von 20 Pferde Kraft angekauft, welche im April hier ankam, aufgestellt und den 25ten Mai in Betrieb gesetzt ward, und das Waßer sehr bald bewältigte; das letztere ließ der jetzige Besitzer der Froschmühle Werner durch eine auf seine Kosten für 500 Rtl. angelegte Waßerleitung auf seine, jetzt rückschlägige Mühle leiten.
Im Kohlewerke selbst hatte die Arbeit, welche Tag und Nacht von den Bergleuten fortgesetzt ward, glücklichen Fortgang, und sehr groß war die Freude, als am 14ten August Nachmittags um 3 Uhr unter einer Thonschicht von 46 Fuß und einer Tiefe von 70 Fuß das Kohlenlager, deßen Maße sehr gut ist, erreicht ward. Leider sollte diese Freude aber nur von kurzer Dauer seyn, denn nachdem die Arbeiter das 20 Fuß starke Lager durchbohrt hatten, da brach plötzlich in der Nacht zum 29ten August eine furchtbare Waßerfluth von Osten in den Schacht herein, welche die Dampfmaschine mit zwey Pumpen nicht mehr bewältigen konnte, und welcher bald nachher am 11ten September der Einsturz des oberen Theils des Schachtes folgte. Die Mittel zur Fortsetzung des Baues waren aber nun erschöpft, und es handelte sich jetzt darum, ob man das Werk im Ganzen verkaufen, was man zu dieser Zeit noch nicht mit sicherm Gewinn für die Commun thun konnte, oder fortsetzen wollte. Der Magistrat und die Stadtverordneten entschieden sich für das Letztere, und es wurden in der Sitzung derselben am 16ten September zu diesem Zweck von neuem 7000 Rtl. bewilligt.
Zuvörderst mußte nun ein neuer Schacht, 70 Fuß von dem alten enrfernt angelegt werden; die seit dem 11ten September eingestellte Arbeit mit der Dampfmaschine konnte erst am 2ten October wieder beginnen. Am 2ten November war leider abermals Waßernoth im neuen Schacht bey 46 Fuß Tiefe, was eine nochmalige Einstellung der Arbeit bis zum 18ten November, an welchem Tage dieselbe wieder mit zwey Pumpen begann, zur folge hatte.Um das noch immer hoch stehende Waßer im alten Schacht, welcher, so viel es sich thun ließ, reparirt ward, nach dem neuen abzuleiten, ward zu Anfang des December von diesem nach jenem ein Canal mit gutem Erfolg durchgetrieben.
So steht nun am Schluße dieses Jahres die Sache mit dem Bau und der Anlage des Kohlenwerkes; möge Gott seinen Segen, deßen wir alle bedürfen, zu dem einmal unternommenen Werke geben, damit es nach so manchen Unfällen doch endlich noch glücklich ausgeführt, und für unsre Commun bald eine recht gewinnreiche Erwerbsquelle werden möge; dies kann und muß jeder aufrichtige Freund seiner Vaterstadt nach so bedeutenden von der Commun gebrachten Opfern in wahren Intereße derselben nur von Herzen wünschen. Die Witterung des Herbstes war im October sehr schön; im November dagegen wie gewöhnlich, trübe, kühl und neblig, es regnete und schneiete öfters, und in den letzten Tagen dieses Monats trat Frost ein, welcher aber nur wenige Tage anhielt; am 25ten tobte ein heftiger Schneesturm, und am 30ten war Abends von 5 – 7 Uhr ein sehr dichter, stinkender Nebel. Der December brachte ebenfalls trübes, naßkaltes Wetter, wenig Frost und viel Schnee, welcher aber nicht liegen blieb; der Barometerstand war am 16ten (Barom.28,6.) der niedrigste am 26ten (26,9.). Was die Richtung des Windes betrifft, so war größten Theils Westwind und nächst diesem Süd – Westwind vorherrschend. Durch den vielen Regen und schmelzenden Schnee waren die Feldmäuse noch vor dem Ende des Jahres vertilgt. Auf den Gesundheitszustand wirkte die anhaltend naßkalte und schlaffe Witterung nachtheilig ein; in folge davon kamen katarrhalische und rheumatische Fieber, selbst gastrisch nervöse mit bisweilen tödlichem Ausgange, und bey älteren Personen schnell tödende Schlagflüße zur Behandlung; in der städtischen Kranken- Anstalt ward ein Fall von modificirten Menschenpocken(Variolouden) mit sehr starkem Ausbruch und glücklichem Verlauf behandelt. Die Sterblichkeit war im ganzen Jahre sehr gering, denn es sind in demselben in der Parochie Delitzsch nur 128 verstorben. Die städtische, im Jahre 1849 im Seitengebäude des Rathhauses in zwey Zimmern mit vier Betten gegründete Kranken-Anstalt, ward in den beyden letzten Jahren auf sieben Betten in drei Zimmern erweitert, wovon eins blos für krätzige und venerische Kranke benutzt wird; auch wurden die noch fehlenden Möbeln und Utensilien und eine sehr schöne Badewanne von Zink angeschafft.
1857
Der Kaufmann Carl Friedrich Mulertt, welcher gegen das Urtel des hiesigen Kreis- Gerichts (vid.pag.259) appelirte, wurde, nachdem dieses auf Befehl des Appelations- Gerichts in Naumburg in einer langen Sitzung am 13ten Februar die Sachenoch einmal untersucht hatte, von demselben wegen Betrugs, gewerbsmäßigen Wuchers und Hazardspiels statt zu 2 Jahren zu 18 Monat Gefängnißstrafe, ferner statt zu 4000 Rtl zu 1600 Rtl. Geldstrafe, und statt zu einem Jahre zu zwey Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Der Grund dieser Milderung der beyden ersten Strafen beruhte darinn, daß nach der Ansicht des Appelations- Richters die Thatsache des vollendeten Betrugs erst dadurch festgestellt wird, wenn der Betrüger dem Betrogenem es mittheilt, daß er auf des letzteren Conto im Buche eine Schuld eingetragen habe. Dies konnte dem pp. Mulert aber nur in einem Falle nachgewiesen werden, wo derselbe der Gutsbesitzerinn Zschernitz in Wolteritz gesagt hatte, daß er in seinem Schuldbuche auf ihr Conto 10Rtl. eingetragen, welche er für die pp. Zschernitz an den Schloßermeister Eichel bezahlt zu haben behauptete, dieser aber gar nicht erhalten hatte.
Am 19ten Maerz Mittags traf unser neuer Herr Superintendent und Oberpfarrer Weinrich aus Lützen mit seiner Familie hier ein, und am 22 des Monats hier derselbe, nachdem er vorher von dem vom Consistorio in Magdeburg damit beauftragten Superintendent M.Taenzer aus Gollme in sein Amt feierlich eingesetzt worden war, seine Antritts- Predigt mit getheiltem Beifall. Der Magistrat, die Geistlichen, die Lehrer und Stadtverordneten holten ihn früh um halb 9 Uhr aus seiner Wohnung ab und geleiteten ihn zur Kirche. Nachmittags war ihm zu Ehren ein zahlreich besuchtes Festmahl im Gasthof zum Schwan veranstaltet, zu welchem aus der Kämmerei- Kaße 20Rtl für die Couverts der vier Geistlichen und für die Decoration des Saales bewilligt waren.(Der Sonntag des Amtsantritts war der vierte Fasten- Sonntag Laetare.)
Das Wetter war in diesem Winter mit Ausnahme der Tage vom 6ten bis 8ten Januar und vom 30ten des Monats bis 2ten Februar, wo das Thermometer früh –5 bis 12 Reaum. Zeigte, ungewöhnlich mild und gelind; besonders zeichnete sich fast der ganze Februar bey durchgängig hohem Barometerstande(Barom. 28,2. bis 28,8,) durch schönes Frühlingswetter aus; am 5ten des Monats war Abends von halb 5 – 11 Uhr ein dichter, stinkender Nebel; Schnee, welcher aber sofort wieder schmolz, fiel aber nur am 6ten, 12ten und 25ten Januar, am 6ten März und besonders stark vom 10ten bis 13ten März. Westwind war vorherrschend, einige Mal hatten wir auch Ostwind. Die Feldmäuse, welche am Schluße des vorigen Jahres gänzlich vertilgt zu seyn schienen, zeigten sich im Februar bey der sehr milden Witterung wieder in größerer Anzahl. Bey dem zu häufigen, mitunter sehr schroffen, Wechsel des Wetters, besonders im Januar, war die Zahl der Kranken, ungewöhnlich groß, und die Sterblichkeit bedeutend, vom 1ten Januar bis zum 31ten März starben 66. Zur Behandlung kamen hauptsächlich Catarrhe, Entzündungen der Lungen, des Rippenfels, der Mandeln, des Gehirns, der Gedärme, häutige Bräune, rheumatische Leiden, gastrisch- nervöse Fieber, und bey alten Personen Schleim- Asthma und schnell tödende Schlagflüße. Von acuten Ausschlägen wurden vereinzelte Fälle von Masern und Varioloiden beobachtet, von letzteren starben zwey Frauen, bey denen der Ausbruch sehr stark war, theils an der Krankheit selbst, theils an den Folgen derselben; der letztere Fall, wo der Tod erst am Ende der siebenten Woche an einem auszehrenden Lungenleiden erfolgte, betraf eine arme Frau von 41 Jahren, welche in der städtischen Kranken- Anstalt lag.
Da der Winter sehr mild war, und der große Scheffel Roggen seit Weihnachten 3Rtl. 15 Sgr. kostete, so sind diesmal der Armen- Kaße wenig Geschenke gemacht worden; sie erhielt blos vom Amtmann Hertzsch in Schenkenberg 5 Fuder Braunkohle, 5Rtl. 16 Sgr. von einem Karpfenschmauß im weißen Roß, 3Rtl. von Gastwirth Roesslers silberner Hochzeit, und eine Partie Brennholz vom Zimmermeister Krause; ferner 12Rtl.10 Sgr. von der Gesellschaft „Eintracht“, 2Rtl. 22 Sgr. von der Gesellschaft „Heiterkeit“ und 6Rtl. 11 Sgr. von der Gesellschaft „Glocke“.
In unserer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1856 die Summe sämmtlicher Einlagen 1158831 Rtl. 28 Sgr. 2 Dinarium und der Reserve- Fond erreichte die Höhe von 15970 Rtl. 21 Sgr. Nach Zurücknahme einer Summe von 667757 Rtl. 4Sgr. 17 Dinarium, was hauptsächlich der anhaltenden Theuerung der letztverfloßenen Jahre zugeschrieben werden muß, betrug am vorigen Jahresschluß die Summe der gebliebenen Einlagen 491074 Rtl. 23 Sgr. 3 Dinarium. Der gesammte bedeutende Geldumsatz bey der kaße im vorigen Jahre allein belief sich auf 750348 Rtl. 3 Sgr. 3 Dinarium.
Da in den letzten Jahren die Zahl der Kinder in der gemischten Elementar- klaße so bedeutend zugenommen hatte, daß eine Trennung der Knaben und Mädchen unumgänglich nöthig ward, so wurde der von der Königl. Regierung zu Merseburg in den letzten Tagen des April hierher gesendete Schulamts- Candidat Herrmann Diedecke aus Lützen vom Magistrat als vierter Mädchenlehrer für die Elementar- Klaße mit 150 Rtl. Gehalt angestellt, und ist demselben zur Ertheilung des Unterrichts das Klaßenlocal des Elementarlehrers Hofmann in der Knabenschule abwechselnd zur Benutzung für jetzt mit überwiesen worden. Am 3ten Junius kam der General Superintendent Dr. Theol. Moeller aus Magdeburg in unsre Stadt, um unsern neuen Superintendenten Weinrich in sein Ephoral- Amt einzusetzen. Dies geschah am foldenden Tage in einem Gottesdienst, welcher von früh 9Uhr bis Mittag 1 Uhr dauerte. Moeller betrat zuerst die kanzel und hielt eine einfache, herzliche und gemüthliche Predigt; alsdann hielt Weinrich eine Rede am Altar, nach deren Beendigung die Einsetzung deßelben in sein Ephoral-Amt unter der Aßistenz von vier Superintendenten, Förster, Wilke, Schenk und Tänzer, erfolgte. Nach der Kirche hielt Moeller noch eine kurze Ansprache an die Lehrer, und gleich darauf auf der Superintendentur einer Synode mit den Diöcesan- Geistlichen. Um 2 Uhr war ein besuchtes Festmahl im Gasthofe zum Schwan, und um 4 Uhr reisete Moeller wieder nach Magdeburg ab.
Die Witterung dieses Frühjahrs war bis zur Mitte des Monats Mai veränderlich und von der Art, daß wir eben so viel trübe und kühle, als schöne und helle Tage zählen konnten; auch fehlte es nicht an genügenden Gewitter – Landregen. Allein vom 18ten bis 20ten Mai hatten wir die seltene Erscheinung eines sehr dichten, stinkenden Höhenrauchs, welcher drei volle Tage in gleicher Stärke anhielt, und worauf große Hitze und außerordentliche Dürre nachfolgte, so daß die Heuerndte nur sehr dürftig ausfiel, und das Sommergetreide im Wachsthum bedeutend zurück blieb; eben daßelbe galt auch von den Futterkräutern, so daß wirklicher Futtermangel eintrat, mancher seinen Viehstand vermindern mußte, die Theuerung der Victualien auf den Wochenmärkten immer höher stieg, und besonders die Kanne Butter öfters den hohen Preis von 28 Sgr. erreichte. Der Stand des Barometers war fast immer sehr hoch(28,3 – 5), das Thermometer zeigte oft in den Nachmittagsstunden in der Sonne +36 – 38 Reaum., und am 7ten Junius Nachmittags 3 ¼ Uhr ward auch bey uns der an vielen Orten in Deutschland beobachtete Erdstoß von vielen Personen, auch von mir selbst, in der Richtung von Süden nach Norden deutlich wahrgenommen; Barometer 28,5. Thermomter + 34 in der Sonne. Westwind war vorherrschend. Die Zahl der Kranken war noch immer recht groß und die Sterblichkeit bedeutend; die pag.277 erwähnten Krankheiten dauerten noch immer fort, besonders die Pocken; wegen letzterer ordnete die Regierung zu Merseburg eine Zwangsimpfung an, bey welcher es sich zeigte, daß sich in den unteren Klaßen noch eine nicht unbedeutende Anzahl nicht vaccinirter Kinder vorstand. Die Witterung dieses Sommers war mit Ausnahme sehr weniger Tage, an welchen wir Gewitter- oder Landregen hatten, sehr heiß und trocken, der Barometerstand durchgängig hoch(Barom.28,1- 6). Die Erndte des Wintergetreides ist recht gut ausgefallen, dagegen aber die des Sommergetreides sehr dürftig, eben so auch die Grummts. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt 6Rtl., Roggen 4Rtl., Gerste 3 Rtl. 15Sgr., Hafer 3 Rtl., Kartoffeln 1 Rtl.; von den letzteren ist aber die Erndte in Quantität und Qualität vorzüglich gewesen. Die Obsterndte ist mit Ausnahme der Pflaumen, reichlich ausgefallen, und der Wein ausgezeichnet gerathen. Die Feldmäuse sind leider noch in großer Menge vorhanden. Was die Krankheiten betrifft, so ist zu bemerken, daß die Pocken im September aufhörten, die gastrisch- nervösen Fieber aber, an welchen seit Ende vorigen jahres so viele starben, noch immer in gleicher Heftigkeit fortdauerten, wozu die große anhaltende Hitze(Thermometer + 40 Reaum. In der Sonne) und große Dürre gewiß viel beytrug. Im Laufe dieses prächtigen Sommers, deßen Witterung die Bauarbeit außerordentlich begünstigte, ist sehr viel bey uns gebaut worden. Der Strumpffabrikant Pabst hat zu Erweiterung seiner Fabrik in der schulgaße ein neues ganz maßives übersetztes Seitengebäude aufgeführt, desgleichen zu demselben Zweck der Cigarrenfabrikant Wagner sein vor vier Jahren erbautes Fabrikgebäude(vid.pag.207) durch einen neuen maßiven Anbau auf einem von dem Tischlermeister Walter für 350 Rtl. erkauften Platze bedeutend vergrößert, ferner der Cigarrenfabrikant Weber in Leipzig, welcher das Heldsche Haus an der Hallischen und Bader- Gaße Ecke gekauft, in der letzteren Gaße ein sehr großes zweimal übersetztes maßives Fabrikgebäude angebauet, ferner der Windmühlenbesitzer Zander auf einem für 500Rtl. von dem Seilermeister Schelz am Leipziger Thor erkauften Platze ein maßives übersetztes Wohnhaus gebauet, ferner der Schuhmachermeister Schneider sein altes in der Eilenburger Straße neben dem Armenhause gelegenes Wohnhaus niedergerißen und maßiv wieder aufgebauet, endlich der frühere Dampfwagenführer Rauchfuss in Leipzig auf einem vor dem Kohlthorr unmittelbar an der Leipziger Chaussee gelegenen, von dem Oeconomen Friedrich Meissner für 600Rtl. erkauften Feldstücke eine Dampfmahlmühle mit 3 Gängen, welche im December in Betrieb gesetzt werden wird, gebauet. Der im vorigen Jahre begonnene Zuchthausbau (vid.pag.258) besonders des großen, maßiven im Mai gerichteten, östlichen Hauptgebäudes mit der Kirche, Beamtenwohnungen pp.nahet seiner Vollendung; nachdem zu Anfang des November vorigen Jahres die beym Bau beschäftigten Züchtlinge nach Lichten burg zurückgekehrt waren, kamen zu Ende des März dieses Jahres wieder Hundert und fünfzig von dort hierher, worauf der Bau von Neuem eifrig fortgesetzt wurde. Da nach der Ansicht des Magistrats und der Stadtverordneten eine höhere Bürgerschule gegenwärtig ein dringendes Bedürfniß seyn soll, so ward nach deshalb bey der Königl. Regierung eingeholter Genehmigung der Bau dieses großen, 75 Fuß breietn und 50 Fuß tiefen, Gebäude auf dem Bleichplatz am Gerberplan begonnen, und am 21ten September Nachmittags halb vier Uhr der Grundstein in welchen ein Pergament- Exemplar von der hier beyliegenden ausführlichen Urkunde in einer Blechkapsel verschloßen wurde, in der südöstlichen Ecke Gebäudes mit angemeßener Feierlichkeit gelegt, wobey der Superintendent Weinrich eine paßende, bald nachher im Kreisblatte abgedruckte, Rede hielt, nach welcher von den Behörden die drei üblichen Hammerschläge auf den Grundstein verrichtet wurden.
Nachdem bereits zu Anfang des September 1854 die Linie einer von Deßau über Bitterfeld und Delitzsch nach Leipzig zu erbauenden Eisenbahn abgesteckt wurde, und zu den Vorarbeiten, Vermeßungen pp. von den Stadtverordneten 200 Rtl. aus der Kämmereikaße bewilligt waren, gerieth doch damals diese Sache wegen des orientalischen Krieges und der dadurch bewirkten Trübung des politischen Horizonts ganz in Stocken und blieb liegen. Nach wieder hergestelltem Frieden ward nun in diesem Frühjahr die Linie dieser Eisenbahn von neuem, und zwar wie das erste Mal, am äußersten östlichen Ende der Stadt und Grünstraße gezogen, und nach Ankauf des nöthigen Grund und Bodens in der Mitte des April mit den Erdarbeiten begonnen. Desgleichen wurde auch im Laufe des Sommers der Bau mehrerer Bahnhofsgebäude, Bahnwärterhäuschen und der Brücke über den Lober bey Zschepen und an der Dörfchenmühle sehr schön, maßiv und dauerhaft ausgeführt. Schienen sind bis jetzt, Ende October nicht gelegt.
Der Kreisgerichts- Rath Voerkel, ein sehr verdienstvoller, humaner und gewißenhafter Beamter, welcher seit Michäelis 1831, wo derselbe an des kurz vorher verstorbenen Wachsmuth Stelle als Gerichtsamtmann von Skeuditz hierher versetzt wurde, in seinem Amte viel Gutes und recht segenreich gewirket, hat im September den rothen Adler- Orden vierter Klaße erhalten. Vid.pag.367. Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahre für den Preis von 303 Rtl. und die Pflaumen für den Preis von nur 2 Rtl.verpachtet worden
Am 14ten December ist die neue Bürgerschule aufgerichtet worden; das Dach wird mit Schiefer gedeckt.
Ueber den Fortgang des Braunkohlenwerkes in diesem Jahre ist leider! nichts erfreuliches zu berichten; bis jetzt hat der Segen dieses gewagte Unternehmen keineswegs begleidet ; möge Gott ihn uns dazu noch verleihen. Nachdem der im Herbst vorigen Jahres angelegte neue Schacht bis zu einige fünfzig Fuß Tiefe gearbeitet war, ward derselbe, weil er zu eng angelegt war, in den letzten Tagen des Mai mit allen seinen Verpfählungen und Verschalungen verschüttet, und man kehrte nun zu dem ersten, vorher für unbrauchbar erklärten Schachte zurück, um denselben wieder in Stand zu setzen und zu benutzen. Unglücklicher Weise brach aber am 30ten julius, ebenso wie im August des vorigen Jahres, eine gewaltige Waßerfluth in denselben herein, wodurch die Arbeiten wieder unterbrochen wurden, und die Dampfmaschine von der Mitte des September bis zum Neujahr still stand. Zu Michäelis war von dem Magistrat und von den Stadtverordneten beschloßen worden einen dritten Schacht anzulegen und zwar in weiterer Entfernung vom Maschinenhause, zu welchem Zweck von den Stadtverordneten wieder 6000 Rtl. aus der Kämmereikaße bewilligt worden sind. Sollte auch dieser, wahrscheinlich letzte, Versuch mißlingen, was Gott verhüte, so wäre dies für unsre Commun, welche bis jetzt bey diesem Unternehmen schon so bedeutende Verluste erlitten hat, ein sehr großes Unglück, an deßen traurigen Folgen noch unsre späteren Nachkommen zu leiden haben würden.
Die Witterung des Herbstes war bey andauernd hohen Barometerstande und vorherrschendem Ostwinde bis zum 22ten November überwiegend heiter und schön; nachher wechselten trübe, neblige unbd naßkalte Tage mit hellen und schönen. Der Stand der Wintersaaten ist sehr schön, wozu die Landregen am 6ten und 31ten October und am 8ten November viel beytrugen; die Feldmäuse sind noch vor Jahresschluß verschwunden. Was die Krankheiten betrifft, so waren besonders wegen des scharfen Ostwindes Entzündungen der Lungen, Luftröhre, des Rippenfels, der Mandeln und fieberhafte Lungenkatarrhe und Schleimasthma sehr häufig; auch die gastrisch, nervösen Fieber, Abdonimal- Typhen, welche vom Anfang des Jahres epidemisch herrschten, forderten noch viele Opfer. Die Sterblichkeit ist übrigens in diesem Jahre so bedeutend gewesen, wie wir sie seit den Kriegsjahren 1813 und 14 nicht erlebt haben, denn es starben 252 . Der Grund davon liegt gewiß in der großen Hitze des Sommers, sowie in der lange anhaltenden Trockenheit und Dürre,und in dem seit Januar fast durchgängig sehr hohem Barometerstande. (Barom. 28,3- 28,10, letzteres den 9ten December)
1858
Die Witterung dieses Winters war bey fortdauernd sehr hohem Barometer- stande mit Ausnahme weniger Tage zu Anfang und Ende des Januar und zu Ende des Februar sehr milde, eine besondere Windrichtung nicht vorherrschend; am 6ten, 8ten, und 9ten März tobte ein starker Orkan aus Westen mit Schneegestöber, (Barom.27,1.); vom 20ten war fast täglich schönes Frühlingswetter. Die Wintersaaten stehen sehr gut. Von Krankheiten kamen besonders Catarrhe, Entzündungen der Respirations- Organe, dreitägige Wechselfieber, Scharlach, Schlagflüße und Kopfrosen zur Behandlung; die Sterblichkeit war noch immer nicht gering. An die Armen- Kaße waren die Ansprüche nicht bedeutend; die Suppen- Anstalt bestand vom Anfang des Januar bis Ende März; es wurden zu diesem Zweck zugleich 50 Rtl., welche der Herr Graf von Hohenthal in Döbernitz der Armen- Kaße im vorigen Jahre schenkte, mit verwendet. Außerdem sind weiter keine Geschenke von Bedeutung eingegangen. Am 1ten April Abend um 5Uhr kam der erste Dampfwagenzug auf der Eisenbahn von Bitterfeld hier an; auf der rechten Seite der Dübener Straße war eine EhrenPfordte mit schwarz und weißen und Grün und weißen Flaggen erbaut, und in dem Güterschuppen wurden die Ankommenden Ober- und Unterbeamte der Eisenbahn, mit einem Abendbrodt anständig bewirthet; auch das Stadt- Musik- Chor fehlte dabey nicht.In unsrer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1857 die Summe sämmtlicher Einlagen 1453089 Rtl. 20 Sgr. 10 Dinarium und der Reserve- Fond erreichte die Höhe von 23208 Rtl 1 Sgr. 11 Dinarium. Nach Zurücknahme einer Summe von 877765 Rtl. 8 Sgr. 1 Dinarium betrug die Summe der gebliebenen Einlagen 575324 Rtl. 12 Sgr. 9 Dinarium. Der gesammte bedeutende Geldverkehr bey der Kaße im vorigen Jahre allein belief sich auf 837000 Rtl.
Die hiesige kleine katholische Gemeinde hat sich seit kurzem in dem früher dem Schleifermeister Richter gehörigem, vom Markte her an der Ecke der Schloßgaße gelegenem, Hause im Parterre eine Kapelle eingerichtet; zugleich ist für diese Gemeinde ein Geistlicher in der Person des Mißionar Schroeder hier stationirt worden, welcher am Himmelfahrtstage, den 13ten Mai, von dem katholischen Pfarrer Koester in Eilenburg hier in sein Amt feierlich eingeführt worden ist. Am 17ten Junius ist der erste Mädchenlehrer Wilhelm Zieger, welcher wegen seiner Kränklichkeit auf sein Ansuchen vom 1ten Junius an mit einer jährlichen Pension von 220 Rtl. in den Ruhestand versetzt worden war, und am 21ten Mai sein Amt niedergelegt hatte, gestorben. Derselbe kam im December 1820 von Dommitzsch hierher, ward 63 Jahre alt, und war stets einer unsrer besten und verdienstvollsten Lehrer.Am 1ten Julius ist in hiesiger Stadt eine Kreis- Spar- Kaße ins Leben getreten, und als Rendant derselben der bisherige Privat- Secretair im landräthlichem Büreau Walther angestellt worden. Die von den Kreisständen zweimal angebotene Vereinigung mit der städtischen Sparkaße wurde vom Magistrat und den Stadtverordneten bestimmt abgelehnt.
Am 2ten Julius kam Abends 5 Uhr der katholische Bischof Conrad Martin aus Paderborn von Eilenburg hier an, und hielt am 3ten früh von 8- 10Uhr einen Gottesdienst in der katholischen Kapelle, wobey er zugleich an acht Kindern die Firmelung (Confirmation) vollzog.
Am 21ten Junius fand die feierliche Einweihung des an der Promenade am Gerberplane neu erbauten Schulgebäudes statt. Was diesen Act selbst betrifft, so beziehe ich mich auf das Programm und den Bericht darüber, beydes hier beyliegend. Als Lehrer sind nun angestellt: An der ersten Bürgerschule Carl Franz Giesel, bisher Gymnasiallehrer in Torgau, als Rector und Dirigent der sämmtlicher städtischen Schulen, zugleich Ordinarius der ersten Klaße mit 600 Rtl. Gehalt und freier Wohnung; der bisherige Rector Barthel als Ordinarius der zweiten Knabenklaße mit 400 Rtl. Gehalt und freier Wohnung; Carl Friedrich Becker, bisher Lehrer an der Realschule in Halle, als Ordinarius der dritten Klaße mit 375 Rtl. Gehalt, der bisherige Elementarlehrer Hofmann als Ordinarius der vierten Klaße (Elementarklaße) mit 250 Rtl. Gehalt. Ferner der bisherige zweite Mädchenlehrer Petermann als Ordinarius der ersten Mädchenklaße mit 350 Rtl. Gehalt; Friedrich Theodor Berger, bisher Lehrer an der Stadtschule in Lützen als Ordinarius der zweiten Klaße 300 Rtl. Gehalt; Albert Gelpke, bisher Lehrer an der Stadtschule zu Aken als Ordinarius der dritten Klaße (Elementarklaße) mit 200 Rtl. Gehalt, und Beilagen: Albert Gelpke, bisher Lehrer an der Stadtschule zu Aken als Ordinarius der dritten Klaße (Elementarklaße) mit 200 Rtl. Gehalt, und endlich Franziska Eppner aus Torgau als Lehrerin für weibliche Arbeiten mit 300 Rtl.
An der zweiten Bürgerschule sind angestellt: der bisherige Cantor Thierbach als Ordinarius der ersten Knabenklaße mit 423 Rtl.Gehalt; der bisherige erste Lehrer an der Vorstadtschule Jost, als Ordinarius der zweiten Klaße mit 247 Rtl. Gehalt; der bisherige Tertius Lorenz als Ordinarius der dritten Klaße mit 380 Rtl.Gehalt; den Unterricht in der Elementarklaße sowohl der Knaben als Mädchen hat der bereits erwähnte Lehrer Gelpke zu besorgen.
der bisherige dritte Mädchenlehrer Hofmann als Lehrer der ersten Mädchenklaße mit 324 Rtl. Gehalt; Franz Eduard Schneider, bisher Lehrer an der Bürgerschule zu Wittenberg als Ordinarius der zweiten Klaße mit 325 Rtl. Gehalt; Der bisherige Quartus und Organist Grellmann als Ordinarius der dritten Mädchenklaße mit 403 Rtl. Gehalt. Den Kirchendienst behält derselbe eben so wie der Cantor bey. Uebrigens hat jetzt kein Lehrer mehr sichere Ansprüche auf ein bestimmtes Klaßen- Ordinariat, da dieses nunmehr alle Jahre zu Ostern nach den Leistungen und der Tüchtigkeit der Lehrer wechseln kann und wird.
Auch geben jetzt in allen Klaßen, besonders den obren mehrere Lehrer Unterricht, je nach den betreffenden Fächern, was sehr zweckmäßig ist. Uebrigens betragen die Bau- und Einrichtungskosten dieses neuen Schulgebäudes ohngefähr 18000 Rtl. Das Schulgeld ist in der zweiten Bürgerschule durchgängig für jede Klaße auf 2 Rtl. festgesetzt; dagegen müssen in der ersten Bürgerschule in den vierten Klaße 6 Rtl., in der dritten 8 Rtl., in der zweiten 12 Rtl., und in der ersten 18Rtl. Schulgeld bezahlt werden. Bis jetzt sind für die erste Bürgerschule freilich erst 180 Schüler angemeldet worden.
In der Vorstadtschule ist der bisherige zweite Lehrer an derselben Romanus als erster Lehrer mit 180 Rtl. Gehalt und freier Wohnung, und der bisherige Elementar- Hülfslehrer Diedecke als zweiter Lehrer mit 150 Rtl Gehalt angestellt worden.Von dieser Neugestaltung unsres Schulwesens kann man gewiß recht segensreiche Folgen erwarten, zumal da die Leitung des Ganzen in die Hände eines Mannes, des Herrn Rector Giesel, gelegt ist, welcher eben so sehr durch christlich religiösen Sinn , edlen Charakter und große Energie, als auch durch vielseitige gründliche wißenschaftliche Bildung und Kenntniß der altklaßischen Literatur sich auszeichnet, desgleichen in der Mathematik und Naturwißenschaften.
Die Witterung des Monats April war bey fast durchgängig sehr hohem Barometerstande (Barom.28,1 – 7.) wie gewöhnlich sehr veränderlich; es wechselten trübe, stürmische und Regen- Tage mit schönen ab, und am 29ten wüthete Abends von 8 – 9 ½ Uhr ein furchrbarer Gewittersturm. Der Mai brachte mehr schöne Tage und war wegen mehrmaliger rechtzeitiger Landregen sehr fruchtbar, so daß die Wintersaaten besonders ausgezeichnet schön standen. Leider vernichtete die große anhaltende Hitze (Thermom. +34 Nachmittags 2 Uhr) und dürre des Junius bey nur wenigen Gewitterregen diese schönen Aussichten und Hoffnungen namentlich in Bezug auf das Sommergetraide, welches dadurch sehr zurückkam und dürftig stand; daßelbe gilt auch von den Futterkräutern und dem Heu, deßen Erndte gering ausfiel. Bey diesem Futtermangel blieben denn auch die Preise der Lebensmittel; besonders der Butter(die Kanne kostete gewöhnlich 24 Sgr.) sehr hoch; für ein Schock Eier mußte derselbe Preis bezahlt werden. Ach! Diese so lange anhaltendeTheurung aller Lebensbedürfniße ist für die mittlern und untern Klaßen sehr drückend und und in Wahrheit ein langsam auszehrender Zustand, wodurch die Verarmung immer schrecklicher zunimmt.
Was die Krankheiten betrifft, so wurden in diesem Frühjahr vorzüglich Entzündungen des Gehirns, der Lungen, des Rippenfels, häutige Bräune, Bauerwetzel, einzelne Fälle von Abdominal-Typhus und maskirten bösartigen Wechsefiebern, ganz besonders aber der Keuchhusten und die Masern in großer Menge beobachtet; es war die Sterblichkeit, hauptsächlich unter den Kindern, noch sehr bedeutend.
Die der Commun gehörigen Kirschalleen sind in diesem Jahr für den Preis von 338 Rtl. 5 Sgr. und die Pflaumen für den Preis von 149 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Im Monat August wurde die Loberbrücke unterhalb der Stadtmühle wegen großer Baufälligkeit abgetragen und ganz neu von Eichenholz gebaut, und oben gut gepflastert. Die Zimmerarbeiten kosteten 183 Rtl. und die Pflasterung 17 Rtl. Nachträglich ist hier noch zu erwähnen, daß die Brauerschaft das in der Ritterstraße gelegene Brauhaus für 435 Rtl. an den Schmiedemeister Naumann, welcher es zu einem Wagenschuppen einrichtete am 1ten Mai vorigen Jahres verkauft hat.; desgleichen hat dieselbe die im Brauhause vorhandenen Inventarien-Gegenstände am 13ten Mai 1857 für 587 Rtl. 22Sgr. 6 Dinarium verkauft – Der Thurm der Gottesacker-Kirche, deßen Abputz, besonders auf der Mitternachts – und Abendseite, durch die Witterung sehr gelitten hatte, ist im Monat August im Inneren und äußerlich neu berappt worden. Der Schiefer –und Ziegeldeckermeister Rietschel, welchem diese Arbeit übertragen war, hat dafür 12 Rtl. 15 Sgr. erhalten. In wenig Jahren wird aber, da die Säulen und Riegel sehr defeckt geworden sind, eine durchgreifende Reparatur dieses Thurmes dringend nothwendig werden. Die Witterung dieses Sommers war im Julius sehr schön und heiß, nach langer Dürre kamen auch in der Mitte und am Ende dieses Monats mehrere starke Land – und Gewitterregen, welche aber im August, der uns öfters trübe, kühle und naßkalteTage brachte, häufig wiederkehrten, so daß man von denen, welche sich im Julius durch eigene Schuld mit dem Einbringen des Roggens verspätigt hatten, Klagen über das Auswachsen deßelben auf dem Felde hörte; doch war der Schade nicht bedeutend. Dagegen war der ganze September, wie der Aegidius-Tag, sehr schön, und es bestätigte sich hier von neuem, wie auch ich oft beobachtet habe, die alte Wetter-Regel von diesem Tage. Das Barometer stand fast den ganzen Sommer durchgängig hoch (28,1-6), das Thermometer erreichte in den Nachmittagsstunden in der Sonne, selbst noch im September, eine bedeutende Höhe (Therm.Reaum +35-39). Die Erndte des Wintergetreides ist im Ganzen gur ausgefallen, dagegen die des Sommergetreides wieder sehr dürftig, aber die Grummterndte sehr reichlich; auch an Futterkräutern fehlt es nicht. Das Obst, besonders Aepfel und Pflaumen, sind sehr gut gerathen, desgleichen der Wein, wie am vorigen Jahre, ausgezeichnet. Deßen ungeachtet ist das Obst theuer; der große Scheffel kostet bis 3 Rtl. 10 Sgr. von guten Pflaumen. Der große Scheffel Weitzen kostet 6 Rtl. 15 Sgr., Roggen 4 Rtl. 10 Sgr., Gerste 4 Rtl., Hafer 2 Rtl. 25 Sgr., Kartoffeln 24 Sgr. von letzteren ist die Erndte nicht so vorzüglich wie die des vorigen Jahres gewesen, auch hört man öfters wieder Klagen über die Kartoffelkrankheit. Der Gesundheitszustand ist seit der zweyten Hälfte des Julius, wo die Masern aufhörten und die Abdominal-Typhen endlich nach anderthalb Jahren verschwanden, bis zur Mitte des September so befriedigend und die Zahl der Kranken und Todten so gering gewesen, wie ich sie um diese Zeit in einer fast fünf und dreißigjährigen Amtsführung noch nicht erlebt habe. Erst in der zweyten Hälfte des September zeigten sich bey kleineren Kindern mehrmals brechdurchfälle, zugleich als Folge des krankhaften Zahnens, mit tödlichem Ende. Der bischöfliche Stuhl in Paderborn hat am 23ten August von dem Webermeister Schoenbrodt deßen in der Töpfergaße gelegenes Haus für 1500 Rtl. gekauft und der katholische Pfarrer Schroeder hat nunmehr das bisher inne gehabte gemiethete Lokal im Richterschen Hause am Markte(vid.pag.290) zu Anfang des September verlaßen, und die Kapelle in das Parterre, und seine Wohnung in die obere Etage des gekauften Hauses verlegt. Am 10ten September erschien der schon seit mehreren Wochen auf den Sternwarten durch die Fernröhre beobachtete, nach dem Astronomen Donani benannte, sehr schöne Comet dem bloßen Auge sichtbar. Er stand zuerst Abends von 8 Uhr an im Norden, und war Anfangs klein, rückte dann unter den Sternen des großen Bär in horizontaler Linie westlich gerade auf den Arcturus, den Hauptstern des Bootes, los, ward immer früher sichtbar, zumal da der Mond nun zurückblieb, gieng am 30ten September, wo er von der Sonne 12 Millionen deutsche Meilen und von der Erde 14 Millionen erfernt war, durch das Perihelium (Sonnennähe), und gewährte uns von diesem Tage an bis zum 9ten October, wo er unsrer Erde bis auf 17 Millionen Meilen nahe kam, Abends von 7 – 10 Uhr bey größten Theils hellem und reinem Himmel das prachtvollste Schauspiel, indem sein Schweif, ein herrlich glänzender weißer Lichtstrom, nach unten immer breiter ward, sich gleichsam in zwey Hälften theilte, um rechts vom Arcturus, vor welchem Sterne der Kopf des Cometen am 4ten October unmittelbar stand, in einem sanften Bogen, bey einer Strecke von 20 Grad und einer Länge von 6 Millionen deutschen Meilen, bis unter den Schwanz des großen Bär hinauf reichte. Nach seinem Durchgange durch das Perihelium nahm die Geschwindigkeit dieses Cometen, welcher sich nun nach Osten wendete, dermaßen zu, daß er bis zum 17ten October einen von 40 Graden durchlief, und seit dem 19ten d.M. nicht mehr sichtbar ist.
Beilage: Die Astronomen Hind in London und Bomme in Mittelburg haben sich in den letzten zehn Jahren viel mit der Berechnung der Bahnelemente der Cometen von 1264, 1556 und 1858, und den Wirkungen sämmtlicher Planetenstörungen, welche den Zeitpunkt der Wiederkehr modificiren konnten, beschäftigt, und die Indentität dieser Cometen als eines und deßelben Weltkörpers festgestellt, woraus hervor geht, daß die Umlaufzeit dieses Cometen ohngefähr 300 Jahre beträgt. Bomme hatte nach höchst sorgfältigen und zeitraubendenBerechnungen, bey welchen er Hinds Elemente zu Grunde lagte, diesmal seinen Durchgang durch das Perihelium auf den 2ten August 1858 festgesetzt, was nur ein kleiner Unterschied von zwey Monaten bey einer so großen Umlaufperiode ist. Bei seiner Erscheinung im Jahre 1264 zeichnete er sich nach älteren Berichten ebenfalls durch hellen Glanz und durch die sehr große Länge und „säbelförmige“Krümmung seines Schweifes aus, was damals für eine böse Vorbedeutung galt. Weniger glänzend, aber doch mit so hellem weißen Lichtglanz, daß er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, erschien er im Jahr 1556. Seine diesmalige Erscheinung hat also mit der im Jahre 1264 die größte Aehnlichkeit, denn der Schweif hatte nach unten auch eine Krümmung. Seine Wiederkehr steht in den Jahren 2158 – 60 nach diesen Berechnungen zu erwarten.
Im Laufe diese Sommerhalbjahrs, deßen schönes, trockenes Wetter den Bauten sehr günstig war, ist sehr viel gebauet worden. Außer vielen Reparaturen an einzelnen Häusern sind aber als Neubaue besonders zu erwähnen die Gebäude am Bahnhof der Eisenbahn, welche aus der Restauration und Salon, einem schönen Bauwerk mit Schiefer gedeckt einem Güterschuppen, einem Wagenschuppen, zwey Waßerhäusern und einigen kleinen Nebengebäuden bestehen; ferner ein großes maßives Niederlagsgebäude mit bedeutenden Kellern, welches der Brauereibesitzer Offenhauer an seine Brauerei angebaut hat; sodann ein maßives, nicht übersetztes Wohnhaus, welches der Dampfmühlenbesitzer Rauchfuss neben seiner Dampfmühle aufgesetzt hat, und endlich ein maßives übersetztes Wohnhaus auf dem Gerberplane, welches der Barbier Olbrecht an der Stelle eines alten, früher dem Handarbeiter Prautzsch gehörigen, neu erbaut hat. Der Bau des Zuchthauses ist seit dem 1ten Julius, an welchem Tage die Züchtlinge nach Lichtenburg zurück giengen, sistirt worden, und zwar aus dem erfreulichem Grunde, weil die Zahl der Verbrecher in den letzten zwey Jahren wirklich abgenommen hat. Es wird daher dieser Bau, welcher bis jetzt 25000 Rtl. gekostet hat, und noch 7000 Rtl. kosten wird, erst zu Michäelis künftigen Jahres vollendet werden. Diese Totalsumme von 32000 Rtl. ist für einen so bedeutenden Bau allerdings sehr billig, was aber daher kommt, daß dieser Bau durch lauter Züchtlinge, welche aber nur einen geringen Arbeitslohn erhalten ausgeführt worden ist.
Im September und October ist auch die Hospital-Kirche ganz abgeputzt, und an der Mittagsseite ein neues Fenster durchgebrochen worden, wodurch die Kirche an Licht und Symmetrie gewonnen hat. Die Kosten mit Einschluß des Fensters betragen 210 Rtl.
Die Eisenbahn nach Leipzig wird zum nächsten 10ten Januar eröffnet werden; im September und October wurden an derselben die Stangen mit den Eisendrähten des von Deßau nach Leipzig führenden Telegraphen aufgerictet; gleichzeitig wurden auch die des von Eilenburg nach Halle führenden, am hiesigen Bahnhofe an die Eisenbahn nach Bitterfeld sich anschließenden, Staats-Telegraphen mit aufgestellt. Der Kaufmann Gottlob Heinrich Schulze, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, und über deßen Vermögen am 7ten April der Concurs eröffnet worden ist, hatte seine Handelsbücher so unordentlich geführt, daß dieselben keine Uebersicht seines Vermögens-zustandes gewährten, auch hatte er unterlaßen Bilance seines Vermögens zu ziehen, was nach Beschaffenheit seines Geschäfts erforderlich war. Ferner hatte derselbe 200 Rtl., welche er im Monat Februar des Jahres von dem Pachtmüller Frühsorge in der Dörfchen-Mühle mit der Verpflichtung erhalten hatte, mit diesem Gelde für ihn Staatspapiere anzukaufen, zum Nachtheil des Eigenthümers für sich verbraucht. Der pp.Schulze wurde daher in der Sitzung des Königl. Kreisgerichts vom 9ten October wegen Unterschlagung und einfachen Bankrotts zu neun Monaten Gefängnißstrafe und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf ein Jahr verurtheilt. Die Passiva des pp.Schulze sollen 30000 Rtl., die Activa dagegen nur 6000 Rtl. betragen.
Am 14ten November wurde nach beendigtem Vormittags-Gottesdienst in dem neuen Knabenschul-Gebäude eine Handwerker-Fortbildungsschule eröffnet. Dieselbe hatte den Zweck Gesellen und Lehrlingen, welche daran theil nehmen wollen und dafür monatlich einen Beitrag von 3 Sgr. zahlen, weitern Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Deutscher Sprache und Naturkunde zu ertheilen. Der Unterricht, zu welchem sämmtliche Lehrer in der Vocation verpflichtet sind, findet Sonntag Vormittags von 10 – 12 Uhr und Montags Abends von 7 – 9 Uhr statt, bis jetzt haben sich einige neunzig Schüler gemeldet, welche in zwey Klaßen abgetheilt sind. In der zweiten Hälfte des October und in der ersten des November wurde die Loberbrücke vor dem Leipziger Thor, deren Unterlagen sehr defekt und faul geworden waren, mit neuen eichenen Bohlen belegt und mit einem größten Theils neuen eichenen Geländer versehen. Die Kosten dieser bedeutenden, vom Zimmermeister Curwy ausgeführten Reparatur betragen mit der Pflasterung 550 Rtl. An die Stelle des am 13ten October verstorbenen ersten Polizey-Sergeant Ranscht ist vom Magistrat der bisherige Polizey-Sergeant Tronicke in Torgau erwählt worden, und hat derselbe sein Amt am 1ten December angetreten. Seit Michäelis sind die Drescherhäuser und die Windmühle zu Storkwitz mit Genehmigung des Consistoriums zu Magdeburg aus dem Delitzscher Parochial-Verbande wegen der großen Entfernung ausgeschieden, und in die ihren weit näher gelegenen Parochie Schenken berg eingepfarrt worden. Die Witterung des Herbstes war bey fast durchgängig hohem Barometerstande mehr hell und schön, als trübe, Kühl und regnigt; zu Ende des October und zu Anfang des November trat mäßiger Frost mit etwas Schnee, welcher aber bald schmolz, ein; (Barom. 28,8); der 23te des Monats war sehr kalt, (Therm. – 12 Reaum. Früh 7 Uhr); vom 24ten an war das Wetter wieder bedeutend milder. Vom 2ten bis 16ten December hatten wir ununterbrochen dichten Nebel, dann einige helle und milde Tage, zuletzt vom 20ten des Monats größten Theils Schnee und Regen. Die Wintersaaten stehen gut. Die Zahl der Krankheiten war nicht groß, es kamen nur einzelne Fälle von Entzündungen der Mandeln, der Lungen und häutiger Bräune vor; im December waren bey der rauhen und nebligten Witterung Catarrhe und die Grippe allgemein verbreitet, weshalb jedoch die Mehrzahl keinen Arzt consulirte. Gestorben sind in diesem Jahre 202. Ueber den Fortbetrieb des Braunkohlewerkes ist, wie bisher, so auch in diesem Jahre, leider! nur Unglück zu berichten. Auch der dritte, mit vielen Kosten in größerer Entfernung vom Maschinenhause angelegte Schacht ist, nachdem man zwar am 26ten April bey 56 Fuß Tiefe die Kohle erreicht hatte, am 17ten Mai Abends um 5 Uhr wieder ersoffen; die Dampfmaschine konnte das Waßer nicht bewältigen. Unter diesen Umständen ward denn, da von der Commun auf die Anlage dieses Werkes bereits 39000 Rtl. ohne allen gründlichen Erfolg verwendet worden sind, von den Stadtverordneten endlich am 5ten Junius der Beschluß gefaßt, aus der erschöpften Communkaße nichts weiter dafür zu bewilligen. Hierauf bildetet sich, wie aus dem beyliegenden Prospect zu ersehen ist, ein Comitè achtungswerther Bürger, um den Fortbau und die Inbetriebsetzung der Braunkohlengrube zu ermöglichen. Allein bis jetzt am Schluße dieses Jahres ist die nöthige Anzahl von Actien-Antheilen noch nicht gezeichnet, worüber man sich freilich bey so schlechten Aussichten nach so vielen Unglücksfällen nicht wundern darf. Im ließ der Magistrat mit Zustimmung der Stadtverordneten im Garten des Thorhauses am breiten Thore unten am Waßer ein maßives Schwanenhaus mit einen Kostenaufwand von angeblich 150 Rtl. erbauen, um, wie man hört eine Schwanenzucht zum Vortheil der Commun anzulegen; es sind bereits fünf Schwäne angekauft. Uebrigend soll dieses Schwanenhaus zugleich als Nutzungs-Local für den jedesmaligen Pächter der Fischerei zur Aufbewahrung von Geräthschaften, Netzen pp. dienen. In Bezug auf den Betrieb des Braunkohlenwerkes ist noch zu bemerken, daß nicht allein nach der Durchbohrung des Kohlenlagers die Waßerflut, sondern auch besonders der Triebsand durch Verstopfung der Saugröhren und Ventile der Pumpen viel zum unglücklichen Erfolg mit beigetragen hat. Seit dem 1ten Julius steht das ganze Werk bis jetzt am Jahresschluß still.
1859
Nachdem bereits in der ersten Hälfte des December vorigen Jahres der Bau der Deßau-Leipziger Eisenbahn, welche ohnehin ungewöhnlich lange gedauert hat, von dem Oberingenieur und Eisenbahn-Direcktor Koenigk, dem technischen Betriebs-Direcktor Tournier???, dem Baurath Schwedler, sämmtlich in Berlin, und dem Baurath Haupt in Merseburg geprüft und abgenommen worden war, sollte die Eröffnung der Bahn schon am 10ten Januar statt finden, allein wegen eingetretener Hinderniße, besonders weil der Handel-Minister von der Heydt in Berlin den ersten fahrplan nicht genehmigte, verzögerte sich diese bis zum 1ten Februar des Jahres, an welchem Tage, nachdem bereits in den frühen Morgenstunden zwey Güterzüge nach Leipzig hier durchgangen waren, Vormittags um 10 ½ Uhr der erste Personenzug in schön bekränzten Wagen unter allgemeinem Jubel einer sehr zahlreichen Volksmaße auf dem hiesigen Bahnhofe von Deßau ankam. Abends um 7 Uhr war in dem eleganten Restaurations-Saale.
Ein sehr besuchtes Concert veranstaltet, auch deßen Beendigung noch viele Gäste bis früh um 4 Uhr verweilten. Jetzt gehen täglich vier Züge nach Leipzig und eben so viel nach Deßau und Berlin hier durch. In dem schönen, übersetzten Hauptgebäude des Bahnhofs befinden sich eine Königl.Post-Expedition und ein Telegraphen-Büreau, wo zugleich die Fahrbillets ausgegeben werden, ferner Wohnungen für den Bahnhofs-Inspecktor, den Telegraphisten und den Pächter der Restauration, welcher jetzt 420 Rtl. jährlich zahlt.Noch muß als Merkwürdigkeit und als Beweis, daß Veränderlichkeit das Loos aller menschlichen Dinge ist, angeführt werden, daß da , wo jetzt am äußersten Ende der Grünstraße der Bahnhof sich befindet, vier Jahrhunderte lang in sächsischer Zeit der Richtplatz für die zum Tode durch Feuer, Rad, Strang oder Schwert verurtheilten vielen Verbrecher war, und das gerade da, wo jetzt das große Bahnhofs-Gebäude mit dem Restaurations-Salon steht, und die Eisenbahn unmittelbar vor demselben hingeht, noch bis vor vierzig Jahren der Galgen und das Rad standen; beydes wurde im November 1818 abgetragen.
Bereits im Jahre 1850 hat der Kreisrichter a.D.Schulze, ein geborner Delitzscher, der Schöpfer der Aßociationen und Vorschuß-Vereine in Deutschland auch in unsrer Stadt zur Verhütung der Verarmung und zur Hebung der arbeitenden Klaßen, besonders des Handwerkerstandes einen Vorschuß-Verein gegründet, welcher den Zweck hat mit einem monatlichem Beitrage von 2 ½ Sgr. jedem Mitgliede die Gelegenheit zu bieten mit der Zeit sich ein kleines Kapital zu sammeln, und in Fäller vorkommender augenblicklicher Geldverlegenheit, ohne den Wucheren in die Hände fallen zu müßen, sich durch einen auf 3 – 6 Monate zu 4 – 5 Procent dargeliehenen Kapital-Vorschuß aus der Noth retten zu können. Dieser Verein verfolgt das Princip „Einer bürgt für Alle, und Alle für Einen,“ zählt bereits 382 Mitglieder, und hat nach den beyliegenden beyden letzten Jahresberichten sehr segensreich gewirkt. Zu Anfang des Februar hat ein ungenannter Wohlthäter der Stadt und Amts-Vorstadt Grünstraße ein Geschenk von 50 Rtl. für die Armen gemacht, und sind davon 33 Rtl.an die Stadt-Armen in Raten von 15 Sgr. 1 Rtl. und 2 Rtl. vertheilt worden.
Die Witterung dieses Winters war bey fast durchgängig sehr hohem Barometerstande ( Barom.28,2 -–8, am 9ten Januar sogar 28,11), ungewöhnlich milde; Schnee fiel wenig, und schmolz auch sogleich wieder; dagegen regnete es öfters, wodurch die Winterfrucht reichlich ersetzt ward; Westwind war vorherrschend. Der Stand der Wintersaaten ist vortreflich.
Die Zahl der Kranken und Todesfälle war gering; es kamen blos einzelne Fälle von Entzündungen der Mandeln, des Rippenfells und der Lungen zur Behandlung. An die Armen-Kaße waren die Ansprüche gering; die Suppen-Anstalt ward diesen Winter gar nicht eingerichtet. Am 1ten April ist die Frau des Kreissecretärs Julitz in der Zeit von früh 5 ½ Uhr bis Abends 4 ½ Uhr von lebenden Drillingen, einem Knaben und zwey Mädchen, glücklich entbunden worden.Vom 1ten April an ist der Bürgerschaft und den übrigen vom Magistrat eine Communalsteuer im Betrag von 2 Sgr. für jedes Steuerschock statt bisher 1 Sgr., und 60 Procent statt bisher 30 Procent oder von 18 Sgr. für jeden Thaler Klaßen – oder Einkommenssteuer auferlegt worden, um die 1642 Rtl. 15Sgr. Zinsen von den 39000 Rtl. zur Anlage des Braunkohlenwerkes verwendeten Kapitalien jährlich zu decken. Es ist diese neue Steuer lediglich eine schreckliche Folge dieses total verunglückten, höchst gewagten, spekulativen Unternehmens, was erfahrne Männer gleich von Anfang an mit Gewißheit voraus gesagt haben. In unsrer Sparkaße betrug seit der Zeit ihres Entstehens vom 1ten October 1848 bis zum 31ten December 1858 die Summe sämmtlicher Einlagen 1712.469 Rtl. 26 Sgr. 6 D.(Pfennig) und der Reserve-Fond erreichte die Höhe von 29.381 Rtl 10 Sgr. 9 D.(Pfennig) Nach Zurücknahme einer Summe von 1.157.346 Rtl. 10 Sgr. 6 D.(Pfennig) wovon auf das letzte Jahr allein infolge der mittelmäßigen Erndte und der überhaupt ungünstigen Zeitverhälniße 279.581 Rtl. 2 Sgr. 5 D.(Pfennig) kommen, betrug die Summe der gebliebenen Einlagen 555.123 Rtl. 16 Sgr. Der gesammte Geldverkehr bey der Kaße im vorigen Jahre allein beleif sich auf 827.805 Rtl. 8 Sgr. 17 D.(Pfennig) Am 17ten April Vormittags um 10 Uhr fiel der Wagenschieber Richter auf dem hiesigen Bahnhofe beym Wiederkehren der zur Speisung abgehängten Locomotive Hercules vorwärts auf die Schienen, wurde vom Tender überfahren und war auf der Stelle todt. Der rechte Oberarm war zerbrochen und die untersten Rückenwirbel ganz dislocirt, mithin das Rückenmark zerrißen. Richter war übrigens, da er gewarnt worden ist, durch Unvorsichtigkeit an seinem Unglück selbst schuld, soll auch wie man hört, in keiner glücklichen Ehe gelebt haben; er hinterläßt fünf Kinder.
Durch Verfügung des Herrn Landraths von Rauchhaupt vom 8ten Januar des Jahres wurde aus dem Kreis-Armen-Verbande der Stadt Delitzsch zur Deckung des Deficits bey der Armen-Kaßen-Verwaltung die Summe von 200 Rtl. ausgezahlt. Der Kreisrichter a.D. Schulze, welchem schon zu Anfang des Jahres 1850 (vid.pag.151) von seinen Anhängern und Freunden ein silberner Ehren-Pokal überreicht worden war, hat jetzt kürzlich wieder einen dergleichen, ohngefähr 40 Rtl. werth, wegen seiner wahren Verdienste um die Hebung der Wohlfahrth des Handwerker-Standes durch Gründung von Aßociationen und Vorschuß-Vereinen, mit einem dankbaren Schreiben vom 5ten April des Jahres von der Schumacher-Aßociation in Wolfenbüttel zum Geschenk erhalten. Da jetzt die freien Gemeinden, seitdem unser erleuchteter Prinz-Regent wegen der bereits seit Michäelis 1856 andauernden Krankheit des Königs die Regierung übernommen hat, die Erlaubniß zur freien Religionsübung erhalten haben, so hielt am zweiten Osterfeiertage, den 25ten April, Vormittags 11 Uhr der bekannte Prediger Uhlich aus Magdeburg vor der hiesigen freien Gemeinde einen Gottesdienst im Saale des Schützenhauses, welcher auch von vielen anderen, zumal bey dem seit einem halben wegen des unsinnigen Gesangbuch-Anhangs statt findenden, furchtbaren Zerwürfniße und Bruche der Kirchengemeinde mit unserer pietistischen Geistlichkeit, sehr zahlreich besucht war. Die von Uhlich gehaltene Predigt, welches manche Wahre enthält, ist bald nachher im Druck erschienen. Politische Zwecke verfolgen übrigens die freien Gemeinden jetzt nicht mehr. Am 23ten Maerz ist der Lehrer Becker, welcher erst im Junius vorigen Jahres zu uns kam, wieder nach Cüstrin abgegangen. An seine Stelle trat der Canditat Dr.phil.Rosendahl aus Halle. Außerdem wurde noch der Predigt-Amts-Canditat Thiele als Hülfslehrer angestellt, und der bisherige Elementarlehrer an der Vorstadtschule Diedecke erhielt die Elemnetarklaße in der zweyten Bürgerschule an des Lehrers Gelpke Stelle, welcher zum Ordinarius der zweyten Mädchenklaße in derselben Schule befördert ward. Als Elementarlehrer in der Vorstadtschule ward der Schulamtscanditat Rueckelt angestellt. Die Witterung des Monats April war bey mehr niedrigem als hohem Barometerstande sehr veränderlich, dagegen die der Monate Mai Junius bey höherm Barometerstande fast durchgängig sehr schön und warm und in folge rechtzeitiger Gewitter – und Landregen außerordentlich fruchtbar; das Wintergetraide, der Rübsen und Raps und die Futterkräuter stehen vorzüglich gut, und die Heuerndte ist ausgezeichnet ausgefallen und bey heißem Wetter glücklich eingebracht worden. Der Gesundheitszustand ist außerordentlcih befriedigend, die Zahl der Kranken und Todesfälle gering.
Die Witterung dieses Sommers war in den Monaten Julius und August außerordentlich schön und heiß, und die Dürre sehr groß und anhaltend, da wir nur wenig Land – und Gewitterregen hatten; bey einem Gewitter am 14ten August schlug der Blitz Abends um 7 Uhr in Zschortau in eine große, gefüllte, mit Ziegeln gedeckte Scheune und zündete dieselbe an. In der Nacht vom 28ten zum 29ten August ein sehr starkes, nach den Zeitungsberichten auf der größern Hälfte der Erde gesehenes Nordlich sichtbar, welches als electrische Erscheinung nach vielfachen in dieser Nacht auf den Eisenbahnen gemachten, und nachher in öffentlichen Blättern mitgeteilthen, Beobachtungen durch Ausströmungen großer Maßen von Electricität dergestalt auf die Telegraphen-Dräthe wirkte, daß die Signal-Glocken anschlugen. Ohne Zweifel hatte auch das Nordlich zur folge, daß die erste Hälfte des September kühl war; die zweite war milder und schöner. Der Stand des Barometer war den ganzen Sommer über hoch (Barom. 28 – 28,6.), das Thermometer nach Reaum. erreichte in den Nachmittagsstunden des Julius und August in der Sonne gewöhnlich eine Höhe von +35 – 40. West – und Süd-West – Wind war vorherrschend. – Die Erndte des Wintergetreides ist recht gut ausgefallen, und das Einbringen derselben durch die herrliche Witterung außerordentlich begünstigt worden; Der Roggen, deßen Mehl ein sehr schönes Brod liefert, ist diesmal im Stroh ungewöhnlich lang; auch Rübsen und Raps sind wohl gerathen. Dagegen ist aber die Erndte des Sommergetreides, wenn auch nicht so dürftig wie in den beyden letzten Jahren, doch wegen der anhaltenden Trockenheit immer noch gering gewesen; auch vom Grummt ist wenig geerntet worden, von Futterkräutern hingegen mehr; auch ist die Kartoffelerndte noch weit besser, als man ursprünglich befürchtete, ausgefallen. Das Obst ist mit Ausnahme der Birnen, nicht gut gerathen und daher sehr theuer, dagegen der Wein vortrefflich. Der große Scheffel Weitzen kostet jetzt 5 Rtl., der Roggen 3 Rtl,20 – 25 Sgr., Gerste 2 Rtl. 25 Sgr., Hafer 2 Rtl., Kartoffeln 25 Sgr.
Der Gesundheitszustand war im Ganzen befriedigend, nur kamen im Julius und August Durchfälle und Brechdurchfälle bey Erwachsenen und Kindern vor, an welchen eine nicht unbedeutende Zahl kleiner Kinder starb. Am 1ten October hat unsre Stadt die vierte zwölfpfündige Batterie des vierten Artillerie-Regiments, welche wegen der im Frühjahr in Folge des zwischen Oesterreich und Frankreich in Italien ausgebrochenen Krieges statt gefundenen Mobilmachung in einigen Dörfern bey Torgau einquartirt lag, vorläufig auf ein halbes Jahr zur Garnison erhalten; dieselbe ist eine Fuß-Batterie mit 190 Mann und Pferden. Wegen der Kriegsbefürchtungen sind leider in diesem herrlichen, die Bauarbeit so sehr förderden, Sommer wenig neue Baue unternommen worden, das Meiste hat sich blos auf Reparaturen, Untermauerungen pp. beschränkt. Der Strumpffabrikant Pabst hat sein vor zwey Jahren in der Schulgaße erbautes Fabrikgebäude(vid.pag.282)durch den maßiven Neubau des Thorgebäudes im oberen Stock bedeutend vergrößert; ferner hat der Schumachermeister Geissler sein altes am Ende der Eilenburger Straße gelegenes Wohnhaus niedergerißen und ein neues übersetztes maßives erbauet; desgleichen hat der Maurergeselle Baier jun. Auf der Pflaumenplantage vor dem Bitterfelder Thore ein neues übersetztes maßives Wohnhaus, und endlich der Böttchermeister Offenhauer auf ein vor dem Galgthore gelegenes von dem Apotheker Freyberg erkauftes Feldstück ein sehr schönes maßives übersetztes Wohnhaus nebst Seitengebäude erbauet. Der Zuchthausbau, wurde wie alle nicht dringenden nothwendigen Staatsbauten in diesem Frühjahr wegen der kriegerischen Aussichten eingestellt, und erst nach Beendigung des italienischen Krieges und gesichertem Frieden im Herbst Behufs des innern Ausbaues wieder fortgesetzt, zu welchem Zwecke am 1ten September 56 Züchtlinge von Lichtenburg eintrafen, welche ihre Arbeit sogleich mit der Abtragung des kleinen Schloßthurmes begannen, was aus dem Grunde geschah, weil derselbe von unten bis oben hinauf eine hölzerne, mithin feuergefährliche, Wendeltreppe enthielt, und nun mehr ein neuer viereckiger, in das Gebäude eingebauter Thurm mit steinernen Treppen, wie sie bereits vor zwey Jahren im großen Schloßthurm, der nun einen Blitzableiter erhielt, angebracht wurden, gebaut wird. Der Kreisgerichtsdirecktor von Muehler ist am 1ten October in gleicher Eigenschaft nach Hagen in der Provinz Westphalen versetzt worden. An seine Stelle kam der bisherige Kreisgerichts-Rath Campugnani in Erfurt, welcher am 2ten Januar 1860 sein neues Amt antrat. Die Feier, des nicht blos in Deutschland, sondern auch in allen Ländern und Welttheilen, wo Deutsche wohnen, glänzend begangenen hundertjährigen Geburtstages des als Mensch und Gelehrten gleich hochgeachteten, großen National-Dichters Schiller ist auch bey uns nicht spurlos vorüber gegangen. Die Gesellschaft „Eintracht“ brachte an diesem denkwürdigen Tage, den 10ten November, Abends einige Scenen aus Wallensteins Tod zur Aufführung, und die Gesellschaft „Liedertafel“ führte Wallensteins Lager auf; vor der Aufführung deßelben hielt aber in letzterem Vereine der Herr Kreisrichter Schulze einen trefflichen, über Schillers Leben und Wirken ausführlich sich verbreitenden Vortrag. Die Witterung des Herbstes war im October recht angenehm und warm, und selbst im November noch ungewöhnlich milde und hell; am 1ten des Monats hatten wir Nachmittags um 3 Uhr einen starken Gewitterregen, und in der folgenden Nacht tobte ein heftiger Orkan (Barometer 27,4). Erst im December trat mäßige Kälte ein, welche blos an sehr wenigen Tagen etwas höher stieg, wie am 19ten früh um 7 Uhr (Thermometer – 17 Reaum.) aber bald wieder nachließ. Schnee ist wenig gefallen, dagegen im December, besonders im letzten Drittheil deßelben genügend Regen, nach der großen Dürre des Sommers ein dringendes Bedürfniß. Die Wintersaaten stehen vorzüglich schön. Das Barometer stand größten Theils sehr hoch, besonders am 17ten November und am 10ten December (Barometer 28,17) Der Gesundheitszustand war sehr befriedigend und die Zahl der Kranken äußerst gering; dies gilt überhaupt vom ganzen Jahr; die Zahl der im demselben in der Parochie Delitzsch Verstorbenen beträgt 194, worunter 125 Kinder in den ersten Lebensjahren.
Das Braunkohlenwerk, durch welches eine so bedeutende Schuldenlast von 39000 Rtl. auf unsere unglückliche Stadt-Commun gehäuft worden ist, hat in diesem Jahr nicht wieder in Betrieb gesetzt werden können. Am 19ten Januar hielten die Actionärs eine Versammlung wegen des Fortbaues, konnten aber zu keinem entscheidendem Resultat gelangen. Wegen des zu befürchtenden Ausbruchs eines Krieges mit Frankreich ruhete die Sache den ganzen Frühling und Sommer hindurch. Endlich am 28ten October hielt das Comitè wieder eine Versammlung ab, welche aber, weil wegen des mit Recht herrschenden allgemeinen Mißtrauens die noch fehlenden Actien nicht untergebracht werden konnten, auch manche der früheren Actionärs zurück traten, die Auflösung des Comitès zur Folge hatte. Das tragische Ende des Unternehmens war nun da, es ward am genannten Tage zu Grabe getragen. Zur Ehre der Wahrheit muß hier noch bemerkt werden, daß nicht Einer allein die Schuld an diesem sehr großen Unglück trägt, sondern Mehrere dieselbe theilen. Die Folgen dieses harten Schlages werden noch unsre spätern Nachkommen schmerzlich fühlen! Veniat Deus ex machina!
1860
Delitzsch den 9ten Junius 1868
Nachdem ich , wie gewöhnlich, gleich zu Anfang dieses Jahres dem Bürgermeister Hagedorn diese Chronik zur Revision zugesendet hatte, wartete ich Wochen lang vergebens auf die Rücksendung derselben. Zu meiner nicht geringen Verwunderung erhielt ich aber statt derselben von ihm am 4ten Maerz folgenden Brief:
Mein verehrter Herr Doctor!
Es hat mir viel Ueberwindung gekostet, einen Entschluß zu faßen, mit dem ich Ihnen vielleicht zu nahe trete; allein reifliche Ueberlegung hat bei mir die Ueberzeugung befestigt, daß, wenn die Chronik ihren amtlichen Charakter bewahren soll, der Führer derselben nicht außerhalb der Verwaltung stehen darf. Der amtliche Charakter ist aber der Chronik beygelegt bey ihrem Beginn, wie ich aus dem Vorwort zu derselben ersehe, und ich würde fast Reue empfinden, daß ich so lange meine Pflicht verkannt, und mich der von meinem verewigten Amtsvorgänger begonnenen Führung der Chronik entzogen habe, wenn ich nicht die Beruhigung hätte, daß meine Stellvertretung in Hände gelegt war, die vollstes Vertrauen verdienen. Wenn mich nun diese Erkenntniß auch für die Vergangenheit beruhigt, so giebt sie mir doch kein Recht eine einmal erkannte Pflicht noch länger zu verabsäumen, und ich bin daher entschloßen, die Chronik von jetzt an selbst unter Beirath meiner Collegen im Rathe fortzuführen. Indem ich Ihnen diesen Entschluß ergebenst mittheile, spreche ich Ihnen meinen wärmsten Dank aus für die Mühe, der Sie Sich zeither an meiner Statt unterzogen gehabt, und hoffe, daß ich Ihnen diesen Dank in der Fortdauer meiner freundschaftlichen Gesinnung immer beweisen darf. Genehmigen Sie, mein Herr Doctor, die Versicherung meiner aufrichtigen Hochachtung und Ergebenheit.
Delitzsch den 4ten Maerz 1860. Hagedorn“
Daß die Abschrift vorstehenden Briefes mit dem Originale völlig gleichlautend ist, bescheinigen wir hierdurch pflichtmäßig.
Schönbrodt Schladitz. Kunze,
zur Zeit Stadtverordnete.
Welcher grelle Contrast in Worten und Werken! Als nach dem am 15ten October 1867 erfolgten Tode des Bürgermeister Hagedorn aus seiner Wohnung Actenstücke und auch diese Chronik wieder auf das Rathhaus abgeliefert wurden, entdeckte man gar bald, daß in den ersten viele Lücken vorhanden waren, und in die letztere auch nicht eine Zeile hinein geschrieben war, vorüber die vier Herren Magistrats-Aßißoren nicht wenig erstaunten, so daß denselben vox faucibus haefit ???, weil er seinen Collegen von seiner Fortführung der Chronik gar nichts mitgetheilt hatte. Das sind die traurigen Folgen einer gewissenlosen und nachläßigen Amtsverwaltung, worüber man sich freilich nicht wundern darf, da bekanntlich der pp. Hagedorn leidenschaftlich die Jagd und die öffentlichen Orte liebte, und deßhalb oft halbe und ganze Tage lang auf dem Rathhause in dem gesetzlichen Expeditionsstunden nicht anzutreffen war. Der Verfaßer dieser Zeilen hat übrigens die beglaubigte Abschrift des obigen Briefes aus dem Grunde mitgetheilt, damit niemand etwa glauben mag, er habe die Chronik nicht weiter führen wollen, sondern daß der pp. Hagedorn sie ihm auf schlaue Weise abgenommen hat, denn Nepotismus und Infallibilität spielten bey diesem Manne eine Hauptrolle; wer deßhalb mit ihm, wie ich mehrere Male, in Conflict gerieth, fiel in Ungnade. Nachdem nun der neugewählte Bürgermeister, Herr Stadt – und Polizeyrath Born in Nordhausen am 2ten April sein Amt angetreten hat, ersuchte derselbe mich die Führung der Chronik wieder zu übernehmen, besonders die ungeheure Lücke von acht Jahren so gut wie möglich auszufüllen, was er als Fremdling natürlich nicht im Stande wäre, und habe es ihm zugesagt. Aus wahrer Liebe zu meiner Vaterstadt übernehme ich trotz meines höhren Alters zum zweyten Mal die Führung dieser Chronik, und werde nun diese jetzt mehr als früher schwierige Arbeit mit der Beyhülfe des Herrn Sparkaßen-Aßistent Braune beginnen.
Dr. Ideler.
Dieser heftige Streit, welcher unser kirchliches Leben blos durch die Schuld der Geistlichen schrecklich zerstört und verwüstet hat, dauerte vom Anfang des December 1858 bis zum Schluß des Jahres 1862. Ich werde daher den Zeitraum von vier Jahren zusammen faßen und in gedrängter Kürze das etwa noch fehlende ergänzen, da ich in der Hauptsache den Leser auf die hier angefügten Beylagen verweise, aus welchen derselbe den vollständigen Hergang und Verlauf des Streites deutlich ersehen kann. Die Absicht der Kirchenbehörden war offenbar die durch Wiedereinführung der im vorigen Jahrhundert mit vollem Recht aus den Gesangsbüchern ausgemerzten verrufenen, abgeschmackten, unsinnigen sogenannten Kernlieder mit ihren sprachlichen und metrischen Härten das Volk zu verdummen, und in die finsteren Jahrhunderte wieder zurück zu führen. In Delitzsch wagten die Kirchenbehörden diesen Versuch zuerst, und glaubten in ihrer Verblendung und Siegesgewißheit mit Zwang dies durchsetzen zu können, erlitten aber die empfindlichste Niederlage. Am zweyten Weihnachtsfeiertage 1858 erfuhr der Superint. Weinrich dieses zuerst durch eine auffallend starke Kundgebung, als er im Vormittags-Gottesdienste nach der Prdigt zwey Verse aus einem Anhangsliede singen ließ, und noch ehe diese angestimmt wurden, die ganze Gemeinde sich erhob und die Kirche verließ, weßhalb er auch niemals gewagt hat wegen zu befürchtender größerer Störung das Hauptlied aus dem Anhange singen zu laßen, sondern nur mitunter das erste Lied. In den ersten Tagen des Januar 1859 ließen nun mehrere angesehene Bürger eine Petition gegen die Einführung des verhaßten Anhangs im Publikum circuliren, welche mit sehr vielen Unterschriften bedeckt, aber von dem Sup. Weinrich gar nicht berücksichtigt wurde. Hierauf ersuchten mich viele achtungswerthe Bürger, weil sie sahen, daß sie nichts ausrichten konnten, diese Sache in die Hand zu nehmen, wozu ich anfänglich in richtiger Voraussicht des schweren Kampfes gar keine Lust hatte, endlich aber ihren wiederholten sehr dringenden Bitten nachgab und mich entschloß um der guten Sache willen die Führung des Streits zu übernehmen. Sogleich ließ ich nun folgende Anfrage im Delitzscher Kreisblatte bekannt machen:
„Wird denn nun recht bald die unerquickliche Angelegenheit wegen des Anhangs zu unserm Gesangbuche durch eine zu berufende Versammlung der Kirchgemeinde und deren unbestreitbares Recht, die Abstimmung, entschieden werden, oder soll sich unsere aufgeklärte, gebildete, längst mündig gewordene Stadtgemeinde ferner in Glaubenssachen blos dem absoluten Willen eines Einzigen fügen, und sich von diesem den alten Kirchenglauben und Liederschatz früherer, finsterer Jahrhunderte aufzwingen, und geistig bevormunden lassen? Sollen benachbarte Landgemeinden und beschämen, und wir Ihnen zum gerechten Spott werden? Es ist wahrlich hohe Zeit, daß die quälende Ungewißheit aufhört, und dieser von unserer friedliebenden Gemeinde nicht verschuldete Streit zu einem, Gott gebe, glücklichem Ende geführt wird, denn der Kirchenbesuch und das kirchliche Leben leiden außerordentlich dadurch.“
II.Cor.1,24.3,17. Galat.5,1.Delitzsch, den 10ten Februar 1859. Dr. Ideler.
Diese Anfrage zündete wie ein Blitz; denn eiligst wurde nun auf den Antrag des Superintendenten Weinrich durch den Magistrat eine Versammlung von etwa hundert allgemein geachteten, sehr kirchlich gesinnten Bürgern, den Unterzeichnern der oben erwähnten Petition, auf den 12ten Februar Nachmittags um 4 Uhr in die Aula der neuen Bürgerschule berufen, mit welchen der Superintendent Weinrich und der Archidiacon Dr. Burkhardt leichten Kaufs fertig zu werden hofften; allein hierin hatten sich diese Herren stark verrechnet, denn diese Versammlung, zu welcher sich auch gleich vom Anfang an mein alter Freund der Herr Kreisrichter Schulze, ohne darum von mir ersucht zu seyn, gesellte, trat mit der äußersten Entschiedenheit und den heftigsten Vorwürfen gegen die Geistlichen auf, so daß viele von uns Noth hatten, den Frieden zu erhalten und unangenehme Ausbrüche gegen die Geistlichen, welche sich sehr vergaßen und vielfach blosstellten, zu verhüten. Unvergeßlich wird allen denen, welcher dieser Versammlung beygewohnt haben, dieser Tag bleiben, denn die Debatten waren stürmisch, die Wogen giengen hoch. Unter diesen bedenklichen Umständen fand es der Superintendent Weinrich, der trotz vieler Bitten und der schlagensten Gegengründe nicht nachgab und auf dem Katheder förmlich belagert war, für gerathen plötzlich seine Actenstücke zusammen zu packen und mit dem Archidiacon Burkhardt die Versammlung ohne Resultat zu verlaßen. Die Aufregung war sehr groß, die Erbitterung gegen die Geistlichen furchtbar, Hohn und Spott verfolgte sie überall. Vom Kreisrichter Schulze wurde nun eine betreffliche Beschwerdeschrift ausgearbeitet, und nachdem dieselbe in einer Versammlung im Saale des Gasthofes zum goldenen Ring am 19ten Februar den zahlreichen Anwesenden von mir vorgelesen war, von 518 derselben unterzeichnet und sofort an den Magistrat gesendet, mit der Bitte dieselbe Ihrem Bericht an das Consistorium beyzulegen. Gleichzeitig hatte ich eine kleine Schrift, in welche unsere Beschwerdeschrift mit aufgenommen war, unter dem Titel „kirchliche Angelegenheit“pp. drucken laßen, welche aber wegen einer angeblich incriminirten Stelle in meiner am 19ten Februar gehaltenen Rede vom Magistrat am 28ten des Monats mit Beschlag belegt ward, jedoch später, nachdem ich am 17ten März deßhalb vor dem Kreisgericht und dem Staatsanwalt als Angeklagter gestanden, aber frei gesprochen wurde, am 23 des Monats von neuem wieder im Druck erschien, jedoch mit Weglaßung der incriminirten Stelle, welche nach der Ansicht des Staatsanwalts die Grenzen einer erlaubten Kritik überschreiten sollte. Dieselbe lautete wörtlich also: „Der Herr Superintendent Weinrich hat in gänzlicher Verkennung seiner amtlichen Stellung und in ganz rücksichtsloser Nichtbeachtung der gesetzlich wohlbegründeten Rechte der Gemeinde uns den alten Kirchenglauben und abgeschmackten, unsinnigen Liederschatz finsterer Jahrhunderte aufzwingen wollen, und dadurch der Gemeinde ein großes Aergerniß und ein Beyspiel protestantischem Pabstthum mitten in der evangelischen Kirche gegeben. Solchem unheilvollen Treiben auf das Entschiedenste entgegen zu treten, ist unsere heiligste Pflicht, theils pp.“ Bey dieser gerichtlichen Verhandlung, zu welcher auch der Herr Buchdrucker Meyner mit vorgeladen war, sprach mein Vertheidiger, der Justizrath Haßert, indem er den Anhang auf den Gerichtstisch legte, die denkwürdigen Worte „die Behörde hätte nicht meine Schrift, sondern den Anhang mit Beschlag belegen sollen, weil Gotteslästerung darin enthalten sey.“ Die Redactoren dieses Werkes, welches soviel Unheil angerichtet hat, waren unsere beyden ersten Geistlichen und die Pastoren Bithorn in Brinnis, Mylius in Paupitzsch und Thon in Döbernitz, lauter exklusive Altlutheraner, welche deßhalb im Sommer 1857 als Comißion zusammen traten; ihr Werk ist zum Heil für die Kirche, ihnen voran gegangen.
Da das Consistorium auf unsere Beschwerde vom 19ten Februar und auf den Bericht des Magistrats in zwey Rescripten vom 12ten April und 12ten Mai uns abschläglich beschieden hatte, so beschloßen wir nunmehr uns in einer ausführlichen Beschwerdeschrift, welche der Herr Kreisrichter Schulze verfaßte und die ein wahres Meisterstück einer juristischen Arbeit ist, am 30ten Julius an den Cultusminister von Bethmann-Hollweg zu wenden, der dieselbe aber zur reßortmäßigen Verfügung an den evangelischen Oberkirchenrath abgab. Da diese Behörde uns mit der Antwort sehr lange warten ließ, so ward nun am 13ten Januar 1860 ein Schreiben an dieselbe gesendet, worin wir um baldige Entscheidung baten. Nach langem Warten kam endlich am 8ten Februar 1860 die Antwort, ein abschläglicher Bescheid, worüber man sich freilich nicht wundern darf, da unsere Gegener, wie früher das Consistorium, so auch diesmal den Oberkirchenrath mit dreisten Unwahrheiten getäuscht hatten; besonders beweiset dieses folgende Stelle am Schluße des Bescheids, wo es heißt:“Die große Mehrheit der Delitzscher Gemeinde hat sich mit dem Anhange vertraut gemacht und ihn lieb gewonnen. Der Besuch des Gottesdienstes, welcher bey dem Beginne der gegenwärtigen Streitigkeiten einigen Abbruch erlitten, hat wiederum beinahe die frühere Stärke erreicht.“ Diese arge Täuschung ward zur Kenntniß der Gemeinde am 22ten Februar im Kreisblatt abgedruckt.
Bald nachher wurde in einer am 9ten März im Saale des Schützenhauses abgehaltenen sehr zahlreichen Versammlung derselben der abfällige Bescheid des Oberkirchenraths vorgelesen, und zugleich beschloßen den Magistrat um eine bestimmte Erklärung darüber zu ersuchen, was es mit der im Bescheid des Oberkirchenraths erwähnten, dem Superintendenten Weinrich gegebenen Zusage „der Einführung des Anhangs gern förderlich seyn zu wollen,“ für eine Bewandniß habe, weil sonst der Magistrat wegen seiner früheren Protestation an das Consistorium mit sich selbst in Widerspruch gebracht sey. Auf die deßhalb am 18ten März gerichtete Anfrage, erwiderte der Magistrat am 31ten März, daß er zwar dem Superintendenten Weinrich am 23ten October 1857 diese Erklärung gegeben, aber ohne den Inhalt des Anhangs zu kennen, vorausgesetzt habe, daß ein von den höchsten kirchlichen Behörden approbirter Anhang von der Art sey, daß sie seine Einführung von seinem Standpunkte aus als Behörde würden befördern können, dabey aber auch erwartet hätten, daß man ihre Mitwirkung dazu verlangen würde, um seiner Zeit nach Vernehmung mit der Gemeinde mit bestimmen, ob mit der Einführung vorgegangen werden könne, worüber aber der Magistrat gar nicht befragt worden sey. Zugleich meldet uns derselbe, daß er am 31ten März in Verbindung mit den Kirchenvorstehern nochmals dem Oberkirchenrath über die durch die Einführung des Anhangs hervor gerufenen kirchlichen Zerwürfniße ausführlichen Bericht erstattet habe. Leider blieb auch dieser Versuch ohne Erfolg. In der Mitte des März reiste der Kreisrichter Schulze nach Berlin, nahm eine Anzahl Exemplare von den bisher in unserer Streitsache erschienenen Druckschriften mit, vertheilte dieselbe besonders an Mitgleider des Hauses der Abgeordneten, lernte auch den Redacteur der protestan-tischen Kirchenzeitung, Cicent. Theol.Krause, kennen, und erhielt von allen diesen Herren den Rath unsrer Sache nun vor das Haus der Abgeordneten zu bringen. Krause fand unsre Druckschriften sehr intereßant und versprach binnen Kurzem unsere Streitsache in der protestantischen Kirchen Zeitung zur Sprache zu bringen, was er denn auch in einem vortrefflichen Aufsatze am 14ten April in der No.15 dieser Zeitung mit sehr scharfer Kritik über das Verfahren der Kirchenbehörden that. Mittlerweile war endlich als Gesetz am 27ten Februar 1860 die längst versprochene Verfaßung für die evangelische Landeskirche erschienen, zu deren Erlaß unsere und viele andere ähnliche kirchliche Streitsachen mit beygetragen hatten. Am 10ten Junius erfolgte die Einladung zu den Wahlen der Gemeinde-Kirchenräthe mit der Vorschlags-liste, da nach dem Gesetz die Wahl dieses erste Mal noch eine beschränkte war, indem der Patron, die Geistlichen und die Kirchenvorsteher jeder ein Drittheil vorzuschlagen hatten; zum Glück befanden sich unter den 27 Vorgeschlagenen eine genügende Zahl höchst achtungswerther, freisinniger Männer, so daß wir sehr leicht 9 paßende von unserer Gesinnung auswählen konnten. Um nun aber auf die Wahl noch besser einwirken zu können, wurde von unsern Comitè-Mitgliedern beschloßen vorher noch eine große Versammlung im Saale des Schützenhauses zur Vorberathung und um die Zersplitterung bey dem Wahlact zu verhüten, am 15ten Junius Abends um 8Uhr abzuhalten. Sie war sehr besucht, auch das kleine Häuflein unserer Gegner fehlte nicht. Es wurden vorgeschlagen die Herren Seilermeister Barth jun., Gastwirth Dörfel, Bäckermeister Donath sen., Kreisgerichtssecretär Lattermann, Horndrechslermeister Pabst, Lohgerbermeister Platen, Lohgerbermeister Winkelmann, Mühlenbesitzer Seidler, sämmtlich in Delitzsch, und der Ortsschulze Genscher in Gertitz, gegen welche alle auf deshalb erfolgte Anfrage Niemand etwas einzuwenden hatte und daher am Wahltage, den 18ten Junius, mit 300 bis 340 Stimmen sämmtlich gewählt wurden. Trotzdem daß von unsrer Parthei nur ein Drittheil an der Wahl sich betheiligte, und unsre Gegner in corpore schon am 7ten des Monats erhielt ich von demselben einen dankbaren Brief dafür. Nachdem leider der am 14ten Januar eröffnete Landtag am 17ten März durch die Auflösung des Hauses der Abgeordneten unerwartet wieder geschloßen worden war, konnte unsere Petition diesmal noch nicht zum Vortrag kommen. Außer mit Krause stand ich auch mit Schulze, welcher seine Vaterstadt Delitzsch am 23ten März 1862 verließ und nach Potsdam zog, so wie auch mit dem trefflichen Referenten unserer Sache im Abgeordneten-Hause, dem Pastor Richter, einem herrlichen liberalen Manne, welcher sich mehrmals bey mir Auskunft erbat, in Correspondenz; das war ein reges geistiges Leben.
Beilage: Kirchliche Angelegenheiten, den Anhang zum Delitzscher Gesangsbuch betreffend; mit Beschwerdeschrift; erster Bericht der Kommission für Petitionen; protestantische Kirchenzeitung Nr. 13 vom 14.April 1860; protestantische Kirchenzeitung Nr. 23. Vom 7.Juni 1862. Als ein schreckliches Beyspiel menschlicher Geistesverirrung muß hier noch folgendes sicher verbürgte Curiosum verzeichnet werden: Als in den Jahren 1859 bis 1863 der bekannte Anhangsstreit lebhaft und energisch geführt wurde, sprach einmal ein junger Lehrer vom Landeaus der Delitzscher Diöces in der Gaststube des des Gasthofes zum eisernen Kreuz, , wo dieser Herr öfters einkehrte, folgende Worte: „Die Geistlichen hätten das Recht diejenigen, welche nicht in die Kirche gingen, durch die Polizeysergeanten abholen zulaßen.“ Fürwahr man kann dem Christenthum, der Religion der Liebe, keine größere Schandsäule setzen, als durch diese verrückte Aeußerung. Gehört haben dieselbe von den anwesenden Gästen der Bäckermeister Donath sen. und andere achtbare Bürger; der erstere hat mir es wiederholt versichert. Der selige Kreisgerichtsrath Voerkel, dieser allgemein hochverehrte und geliebte Mann, sagte einmal, weil er sich lebhaft für diesen Gesangbuchsstreit intereßirte, zu einigen Mitgliedern des Gemeinde-Kirchenraths folgende treffliche Worte in seiner gemüthlichen und populären Redeweise:“Kinder, ihr habt Recht, aber ihr sollt nicht Recht behalten.“ Rem acu tetigit.
Als nun der wieder im liberalem Sinne neu gewählte Landtag am 19ten Mai, dem hundertjährigen Geburtstage des großen Philisophen Fichte, abermals eröffnet wurde, schickte ich sogleich die sämmtlichen Schriftstücke unserer Petition(fünf gedruckte und zehn geschriebene Beilagen)nebst dem von mir gefertigten Begleitschreiben noch an demselben Tage an den Herrn Kreisrichter Schulze ab mit der Bitte dafür zu sorgen, daß derselbe im Hause der Abgeordneten möglichst bald zur Berathung käme, was den auch geschah. Vorher erschien aber noch zur Belehrung der Kammermitgleider am 7ten Junius in der protestantischen Kirchenzeitung ein gediegener Aufsatz von dem durch Krause damit beauftragten Herrn Dr. Ju. Fischer in Breslau über den Rechtsstandpunkt unserer Streitsache, in welchem unser gutes Recht mit so gründlicher Sachkenntniß und Gelehrsamkeit dergestalt überzeugend und unwiderleglich nachgewießen wurde, daß durchaus nichts zu wünschen übrig bleibt; er wurde sogleich abgedruckt und in mehren Exemplaren verbreitet. Am 24ten Junius ward nun der Delitzscher Gesangbuchsstreit in der Petitions-Commißion berathen, und am 1ten Julius im Hause der Abgeordneten sehr ausführlich verhandelt, und ein glänzender Sieg für uns erkämpft; der Antrag der Petitions-Commißion „die Petition der Königl.Staatsregierung zur Abhülfe zu überweisen und den Petenten zu ihrem Recht zu verhelfen, wozu dieselbe ebenso berechtigt, als verpflichtet ist,“ wurde im Hause der Abgeordneten mit großer Majorität angenommen; von 270 Herren stimmten 220 mit Ja, 50 mit Nein, 17 enthielten sich der Abstimmung. Bey der Debatte in der Kammer zeichneten sich übrigens unser Referent Herr Pastor Richter in Mariendorf bey Berlin, gebürtig aus der Gegend von Lauchstädt, mein Freund Schulze, und mein mir von Schulpforte her wohlbekannter Coaetaneus der Oberpfarrer Graefer in Heldrungen durch ihre gediegenen Vorträge auf das Glänzendste aus; dem letzterem stellte nachher das Consistorium in Magdeburg, welches 25 Jahre früher in derselben Sache bey Einführung des Berliner Gesangbuchs, von Schleiermacher redigirt, in liberalstem Sinne zu Gunsten der Gemeinde in Heldrungen sich erklärt hatte, und er diesen Commpromiß nun aufdeckte, die Alternative entweder sein Amt oder sein Mandat niederzulegen; er wählte das Letztere. Das Brandenburger Consistorium verfuhr aber gegen den Pastor Richter, welcher auch manchmal scharf gegen den Cultusminister und die Kirchenbehörden auftrat, nicht so. Den Beschluß des Abgeordneten-Hauses hat die Staatsregierung ignorirt, eine Resolution ist von derselben nicht erfolgt, daher denn auch der Anhang von Superintendent Weinrich bis zum Ende des Jahres 1865, wenn auch nur selten, im Gottesdienste früh und nur beym ersten Liede, niemals aber beym Hauptliede, gebraucht worden ist. Von diesem Zeitpunkt an bis jetzt, Juli 1868, ist er aber, vermuthlich auf höhern Wink, nie wieder in der Kirche in Gebrauch gezogen worden. Viel mochte wohl dazu mit beygetragen haben, daß die bisherigen Mitglieder des Gemeinde-Kirchenrathes endlich des langen, vergeblichen Kampfes mit den Kirchenbehörden satt und müde nach Ablehnung der neuen fast unveränderten Auflage des Anhangs, am 22ten December 1863 sämmtlich ihre Ämter niederlegten, und dies im Kreisblatte bekannt machten. Dem Superintendent Weinrich schien dieser Vorfall, welcher große Sensation erregte, sehr unangenehm zu seyn; nach langer Zögerung wurden endlich am 26ten April 1864 neue Gemeinde-Kirchenräthe gewählt, lauter fügsame Herren, wie sie die Geistlichen wünschen und brauchen können. Die Theilnahme an der Wahl war äußerst gering, daß im Ganzen nur 25 Personen dazu erschienen, welche die Wahl vollzogen; der ganze Act war fast allgemein der Gegenstand des Spottes, denn die Gemeinde hatte deutlich genug ihr Urtheil gesprochen. Unser kirchliches Leben ist nur durch die Schuld der Geistlichen zerstört und leidet an der Auszehrung; es wird schwerlich jemals seine früherer Blüthe wieder erreichen. Das wir bey dem Herrn Cultusminister von Muehler, deßen jüngerer Bruder in den Jahren 1856-60 als Kreisgerichts-Direktor hier angestellt war, kein Gehör fanden, darf uns nicht wundern, denn dieser Mann trat gleich bey der Verhandlung im Abgeordneten –Hause entschieden gegen uns auf, und wollte die ganze Sache durch Uebergang zur Tagesordnung beseitigt wißen, was ihm aber nicht gelang. Unser Referent, der Pastor Richter, welcher ein halbes Jahr später im Hause der Abgeordneten mit dem Referat über eine Petition zweyer Landgemeinden in Westphalen, welchen ihre Geistlichen von den höheren Kirchenbehörden wider Recht und Gesetz aufgedrungen worden beauftragt war, sprach in der 22ten Sitzung am 9ten März 1863 in seiner Rede sich über das gegenwärtige Altensteinsche Cultusministerium also aus: „ Ich bedaure, daß unser Cultusministerium nicht mehr an der Spitze der Cultur in unserem Lande steht, wo es so lange gestanden hat. In früheren Zeiten war das Cultusministerium gewöhnlich einen oder mehrere Schritte voraus vor dem, was Viele im Volke wollten. Da leuchtete auf dieser Höhe das Licht der Aufklärung, es waltete das Streben das Volk vorwärts zu führen. Gegenwärtig müssen wir uns leider in der Lage erkennen, daß das Gegentheil eingetreten ist.“ Zum Schluß noch die Bemerkung, daß unser Streit ein principieller ist, daß es sich um eine wichtige Kirchenrechts-Frage handelt, daß wir nicht nur für das Recht unserer Kirchengemeinde, sondern der ganzen evangelischen Landeskirche streiten, daß dieser Streit eine historische Bedeutung hat, und die Augen von ganz Deutschland auf den Ausgang deßelben gerichtet sind.“
Die Stadt-Armenkasse hat am 30.Januar vom Kreis-Armenfond 200 Rtl., die Gemeinde Grünstraße dagegen 500 Rtl. als Unterstützung für das Jahr 1859 erhalten.
Nachdem am 6.Februar der Ortsschulze und Polizeianwalt Schulze im 64sten Lebensjahre am Gesichtskrebs, woran derselbe 17 Jahre gelitten hatte, gestorben war, wurde am 8ten März des Jahres eine vorläufige Conferenz des Magistrats und der Stadtverordneten mit dem Königl. Landrath Herrn von Rauchhaupt wegen der späteren Vereinigung der Amtsvorstadt Grünstraße und der Stadtgemeinde abgehalten.
Am 19ten April wurde unter der Leitung des Herrn Cantor Thierbach zur Feyer des 300 jährigen Todestages von Melanchthon`s in der Gottesackerkirche Abends 5 Uhr das berühmte Requiem von Mozart aufgeführt. Dasselbe wurde noch einmal am 19.Juli, zur Feyer des 50 jährigen Todestages der Königin Louise von Preußen wiederholt.
Von dem landwirtschaftlichen Verein der Kreise Delitzsch und Bitterfeld wurde am 15ten und 16ten Mai eine Thierschau, sowie Maschinen – und Producten-Ausstellung auf dem Schießplatze abgehalten, die mit 122 Pferden, 104 Stück Rindvieh, 174 hochveredelten Schaafen, 14 Schweinen und eine bedeutende Anzahl Maschinen aller Art, Ackerwerkzeugen und sonstigen Erzeugnissen der Industrie beschickt worden war. Von den 78 mit Prämien und ehrenvoller Auszeichnung bedachten Herren Ausstellern erwähnen wir vorzugsweise folgende: A., bei den Schaafen: Herr Amtmann Pöhring in Güntheritz, Herr Amtmann Schirmer auf Neuhaus und Herr Ober-Amtmann Jäger in Schulpforta, jeder einen silbernen Pokal; B., bei den Pferden: Herr Gutsbesitzer Sachtler in Riesigk (Anhalt), Herr Graf zu Solms auf Roesa und der Gutsbesitzer Remmicke in Kattersnaundorf, jeder einen silbernen Pokal; C.,beim Rindvieh: Herr Amtmann Heising in Wessmar, Herr Ober-Amtsmann Steinkopf in Frussdorf, Herr Amtsmann Lösch in Beerendorf, jeder einen silbernen Pokal; bei den Maschinen: Schmiedemeister Portius in Brodau für Ackerwerkzeuge 40 Rtl. – Uebrigens war die Ausstellung an beiden Tagen, selbst von weit entfernt Wohnenden, sehr besucht; 1,500 Rtl. wurden für 3,000 Stück verkaufte Loose eingenommen und für 1,526 Rtl. Gegenstände zur Verloosung angekauft. Der Berliner Scheffel Weizen kostete am 2.Juni: 2 Rtl 25 Sgr. bis 2 Rtl 27 ½ Sgr. Roggen 2 Rtl. 7 ½ bis 2 Rtl. 8 ¾ Sgr., Gerste 1 Rtl. 22 ½ Sgr.bis 1 Rtl. 25 Sgr., Hafer 1 Rtl. 8 ¾ Sgr. bis 1Rtl. 11 ¼ Sgr. Vor und während der Erndte regnete es öfter, sodaß sich im Roggen viel Mutterkorn bildete, und das Erndteergebniß nur mittelmäßig zu nennen war. Die Getreidepreise waren am 27.October:
Weizen kostete der Berliner Scheffel 3 Rtl bis 3 Rtl. 5 Sgr.
Roggen kostete der Berliner Scheffel 2 Rtl. 2 Sgr. 6Pf. bis 2 Rtl. 5 Sgr.
Gerste kostete der Berliner Scheffel 1 Rtl 20 Sgr. bis 1 Rtl. 22 Sgr.6Pf
Hafer kostete der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6Pf. bis 1 Rtl
Nachdem am 25ten November das letzte Glied der Parreidtschen Familie, die verwittwete Gerichts-Director Parreidt, im 81ten Jahre gestorben war, wurde vom Magistrat beschlossen, die an der Mitternachs-Seite der GottesackerKirche befindliche Kapelle nicht wieder wie bisher einer Familie zum Gebrauch beim Gottesdienst und als Begräbnißgruft zu überlassen, sondern zu einem Leichenhause einzurichten, was mit geringen Kosten geschehen ist. Der Eingang zur Gruft wurde zugewölbt und das nach der Kirche führende Fenster vermauert. Somit ist nunmehr einem längst gehegten Wunsche und einem für unsere Stadt wegen der Zunahme der Bevölkerung dringend gewordenen Bedürfnisse auf das Beste und Vollständigste abgeholfen. Vid.p.397. In Bezug auf die Parreidtsche Familie wird hier noch bemerkt, daß dieselbe seit 1506, mithin 354 Jahren im hiesigen Orte und in demselben Hause existirt hat. Eine für die im October in Ellrich Abgebrannten veranstaltete Haus-Collekte hat in unserer Stadt 41 Rtl.12 Sgr. 6 Pf.eingebracht.
Der Gesundheitszustand war in diesem Jahre befriedigend, die Sterblichkeit nicht bedeutend; epidemische Krankheiten haben nicht geherrscht. Die Zahl der Gestorbenen betrug 191, die der Geborenen dagegen 295, incl. 4 Todtgeburten Uneheliche 34. In den Sommermaonaten kamen, wie gewöhnlich, vereinzelte Fälle von Diarrhoren und Ruhren vor. Nachträglich ist noch zu bemerken, daß in der Nacht zum 29ten Februar ein furchtbarer Orkan aus Westen tobte. (Barometer 27,8.)
Die Brauerschaft verkaufte laut Verhandlung vom 1ten März das ihr gehörige Brauhaus am Markte, das Malz – und Darrhaus nebst Quetschmühle an der Stadtmauer, sowie Gerechtsame an den bisherigen Pächter desselben, Braumeister Gottlob Fritzsche für zusammen 4,500 Rtl. Den erst in neuerer Zeit im Hause erbauten Eiskeller ließ sie in diesem Jahre abbrechen und die daraus gewonnen Steine einzeln verkaufen. Den größten Theil kaufte ebenfalls der p.Fritzsche für 371 Rtl. Die gelösten Gelder wurden unter den Brauberechtigten vertheilt, womit sich die Brauerschaft auflöste.
In diesem Jahre wurden fplgende neue Wohnhäuser erbaut: von dem Maurergesellen Karl Thier und dem Maurergesellen Eduard Thier vor dem Halleschen Thore, von dem Mühlenbesitzer Eduard Hennig in der Leipziger Vorstadt, von dem Pasamentier Eduard Pernitzsch in der Lindenstraße, von dem Kaufmann Friedrich Meißner an der Promenade vor der Pforte, von dem Mühlenbesitzer Kirchhof ein Wohnhaus nebst Windmühle an dem Wege zwischen der Stadt und Werben, von dem Kreisgerichts-Secretär Bölcke an der Leipziger Chaussee, von dem Kaufmann Hennig im Hintergebäude in der Ritterstraße.
Als Lehrer wurden angestellt: Friedrich Andreas Theodor Bader, gebürtig aus Schloß Heldrungen, an der Vorschule an der hohen Töchterschule; Ethikow ???Beyer, gebürtig aus Hässen ???, kam in neu dotirte Stelle an der Vorstadtschule; ferner August Julius Klein, gebürtig aus Harz in Pommern, kam in die Stelle des abgegangenen Lehrers Rückelt an der Vorstadtschule.
An die Stelle des weiterbeförderten katholischen Pfarrers Schröder kam der Caplan Aug. Ad. Baeseler. In den ersten Tagen des December wurde das im Schloße und deßen Bezirke neu gebaute und eingerichtete Zuchthaus eröffnet, und daher von Lichtenburg 300 weibliche Züchtlinge auf der Eisenbahn und sicherer Bedeckung hierher transportiert. Die Kirche dieser Straf-Anstalt wurde am 4ten Advent, den 23ten December, von dem General-Superintendent Dr. Theol. Lehnerdt aus Magdeburg Vormittags um 10 ½ Uhr eingeweihet, zu welcher Feierlichkeit das Kreisgericht, die Geistlichkeit und der Magistrat eingeladen waren. Der Director dieser Anstalt ist der Hauptmann von Valentini, und Geistlicher der Pastor Schulze, vorher in Halle, und Arzt der Kreisphysikus Dr. Kanzler.
1861
Da der Winter sehr streng und hart auftrat, so wurde vom Magistrat zur Linderung der Noth unserer Armen die vor mehreren Jahren eingerichtete Suppen-Anstalt wieder ins Leben gerufen. Aus derselben wurde viermal wöchentlich eine in Fleisch gekochte Suppe an diejenigen Armen verabreicht, welche als besonders bedürftig von der Armen-Verwaltung anerkannt sind. Die Anstalt befand sich wie früher in der Waschküche der Mädchenschule. Da die Mittel zur Unterhaltung der Anstalt nur auf kurze Zeit ausreichend waren, so bat der Magistrat die Einwohner um Beiträge zu diesem edeln Zweck. In Folge davon gingen an milden Beiträgen, an barem Gelde 57 Rtl 20 Sgr. ein und außerdem an Lebensmitteln, Reis, Graupen, Erbsen, Hierse, Kartoffeln in bedeutende Quantitäten. Am 7ten Januar – 14 R. früh.
Die in diesem Winter von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen der Armenkasse der gemachten Geschenke betrugen 42 Rtl. 13 Sgr. 6 Pf. Die für die am 31. October vorigen Jahres in der Stadt Worbis Abgebrannten veranstaltete Collecte betrug 240,25 Sgr.
In diesem Jahr kamen die Dampfmaschine und der Dampfkessel des verunglücktes Braunkohlewerkes, dessen Fortsetzung theils wegen in der Tiefe befindlichen Trübsandes und großen Wassers, theils wegen darauf verwendete und verloren gegangener bedeutender Kapitalien nach dem Beschluß der Stadtverordneten verweigert wurde, zum Verkauf. Der Sängerbund an der Saale, zu welchem auch die hiesige Liedertafel gehört, hielt am 7. und 8.Juli in unserer Stadt ein Gesangfest ab, welches nach allen Seiten hier die größte Befriedigung gewährte. Am Sonntag den 7.Juli, zogen die angekommenen Sänger kurz vor 12 Uhr vom Bahnhof aus in die wahrhaft festlich geschmückte Stadt ein, wo sie auf dem Marktplatz von dem hiesigen Comitè der Liedertafel und Cantorei empfangen und bewillkomnet wurden. Sodann wurden im Graulschen Saale die Quartierbillets vertheilt und die Sänger begaben sich zu ihren Wirthen, wo sie unentgeldlich verpflegt wurden. Nach dem Nachmittags-Gottesdienste fand in der Stadtkirche die Hauptprobe zum Kirchen-Concert und nach dieser die Hauptprobe zum Concert im Freien im Graulschen Saale statt. Montag den 8.Juli fanden sich die Sänger früh 6 Uhr zu einem Morgengruß auf dem Marktplatz zusammen. Um 11 Uhr begann das geistliche Concert in der Stadtkirche. Es kamen zu Aufführung: 1.) 2 Choräle 2.) zwei Orgel-Vorträge, worunter die bekannte G-moll-Fuge von Sebastian Bach, 3.) 2 Arien, eine für Tenor aus „Christus am Oelberge“ von Beethoven und eine für Baß aus „Paulus“ von Mendelssohn; 4.) 4 große Männerchöre 1.“Der Herr ist mein Hirt“, von Löwe??? 2. „Herr, wer kann erheben“, von Klein; 3. „Wo ist, soweit die Schöpfung reicht“, von Neithardt ???, und 4. Hymnes von Tschirch??? Um 3 Uhr Nachmittags begann der festliche Aufzug der sämmtlichen zum Bunde gehörigen Liedertafeln vom Markte aus nach dem Schießplatze, woselbst das weltliche Concert stattfand. In diesem kamen zur Aufführung: 6 Chorlieder, gesungen vom ganzen Bunde; dazwischen 6 Vorträge der einzelnen Liedertafeln. Nach Beendigung des Concerts begannen die Arrangements für das Festessen auf dem Concertplatze, welcher um 7 Uhr seinen Anfang nahm; man trennte sich erst am späten Morgen.
Am 20.August Mittags 12 Uhr starb im 82.ten Jahre, der frühere Bürgermeister, Justizrath August Wilhelm Schulze, welcher früher in Sächsischer Zeit General-Accis-Inspector, sodann seit 1810 Mitglied des Stadtraths und sei Ostern 1819 bis Neujahr 1832 Bürgermeister unserer Stadt war. Er war Verwalter mehrerer Patrimonialgerichte und legte dieses letztere Amt nach Aufhebung der Patrimonialgerichte im Jahre 1849 wegen Altersschwäche und Schwerhörigkeit nieder. Er hat 40 Jahre lang in Delitzsch eine große Rolle gespielt, war eine imponirende Persönlichkeit, dazu Redner und genoß als obrigkeitliche Person wegen seiner Energie und richtigem Tact ??? eines sehr hohen Ansehens wie wenige Beamte.
In diesem Jahre wurde die Separation der hiesigen Stadtflur, welche der Landes-Oeconomie-Rath Wernicke zu Eilenburg geführt hat, beendet. Die ausgewiesenen Planstücke wurden nach der Ernte in diesem Jahre den Feldbesitzern überwiesen. Die Plan-Abfindung für die Hütung wurden den Hausbesitzern am 22ten October durch den Conducteur Zanthier übergeben.
Die Getreidepreise waren in diesem Jahre:
Am 27.April.
Der Berliner Scheffel
Weizen 2 Rtl 25 Sgr. bis 2 Rtl. 27 ½Sgr.
Roggen 1 Rtl.26 ¼ Sgr. 1 Rtl. 28 ¾Sgr.
Gerste 1 Rtl.15 Sgr. 1 Rtl. 16 ½Sgr.
Hafer 26 ¼ Sgr 1 Rtl. 1 ¾Sgr.
Am 12. October
Weizen 3 Rtl. 1 ¼Sgr. bis 3 Rtl. 5 Sgr.
Roggen 2. Rtl 2 ½Sgr. 2 Rtl. 5 Sgr.
Gerste 1 Rtl 15Sgr. 1 Rtl 17 ½Sgr.
Hafer 25Sgr. 27 ½Sgr.
Die hiesige jüdische Gemeinde kaufte am 10/8 von der Stadt-Commun im Rosenthale(im Hain) ein Stück Feld von 71 Quadrat-Ruten für 106 ½Rtl. zu einem Friedhofe, den sie im Juni mit Mauerwerk und Stacket einfriedigen ließ. In diesem Jahr ließ man durch den Berliner Groß-Uhren-Fabrikant Colditz eine neue Thurmuhr für die hiesige Stadtkirche anfertigen.Die Aufstellung geschah im Laufe dieses Sommers durch den Anfertiger ????selbst; es kostete die Uhr mit neuem Ziffernblatt, incl. Aufstellung 375Rtl.
Die Königl.Strafanstalt tauschte in diesem Jahre ein Stück Feld hinter Kühnes Garten im Hain gegen Überlassung eines Stücks vom Schloßgarten von Kaufmann Tiemann sen. ein, richtete dasselbe zu einem Begräbnißplatz ein und umfriedigte es mit einem Stacket.
Am 25.Mai dieses Jahres verkaufte die Stadt-Commun die ihr gehörigen Häuser: 1.) das Armenhause am Galgthore, an den Müllermeister Große für 1,200 Rtl; 2.) des frühern Pforten-Einnehmer-Hauses an August Jahn für 916Rtl.und 3.)des Hirtenhauses an den Sattlermeister Meyerhofer für 600Rtl.
In diesem Jahre wurde das neue Armen– und Krankenhaus an die Stelle des bereits im vorigen Jahre abgebrochenen Schaafstalles im früheren Oeconomie-Gute erbaut und eingerichtet. Die Kosten betrugen 1,350Rtl.
Der Gottesacker wurde nach dem früheren Oeconomie-Gut hin erweitert, wo durch den Abbruch von Stallgebäuden Raum gewonnen worden war; auch kaufte die Stadt-Commun von dem Gürtlermeister, Gottfried August Krause ein Stück Garten(ein früherer Scheunenfleck) für 400 Rtl. zur Vergrößerung des Gottesackers. Die ganze Erweiterung von Arndts Grenze bis an den Schäfergraben wurde mit einer massiven Mauer umgeben, welche 1,087 Rtl 9 Sgr. 9 Pf. Kostete.
Zum Krönungsgeschenk (zu einem Kanonenbot), was die Provinz Sachsen aus Anlaß der Krönung Wilhelm I. demselben überreicht, hat die Stadt-Commun Delitzsch 500 Rtl gegeben.
Bei der am 3ten December vorgenommenen Volkszählung hatte die Stadt Delitzsch 5337 Einwohner (1858: 4885 Einwohner), und zwar: 5197 Evangelische, 65 Katholische, 20 Dissidenten und 55 Juden. Die Grünstraße hatte 1623 Einwohner, beide Gemeinden zusammen also 6960 Einwohner.
In diesem Jahre wurde durch die Bemühungen und unter der Leitung des Kaufmann und Oeconom Friedrich August Rathmann die Turm-Feuerwehr eingerichtet. Dem Genannten wurde später die Direction des ganzen städtischen Feuerlöschwehres übertragen.
Gleich zu Anfang dieses Jahres veranlaßte die Stadtverordneten-Versammlung den Magistrat, die seit Johannis 1858 eingezogene erste Knabenklaße der zweiten Bürgerschule, welche bis dahin der Rector Barthel als Ordinarius hatte, wegen Ueberfüllung der anderen vier Knabenklaßen wiederherzustellen. Da man für dieselben keinen Literaten, nur einen tüchtigen Volksschullehrer für nöthig hielt, so wurde auf besondere Empfehlung des Rector Giesel der frühere erste Lehrer der hiesigen Vorstadtschule, jetzige Ordinarius der zweiten Klaße zweiter Bürgerschule, Johann Christ.Jost zu dieser Stelle vom Magistrat berufen, und übernahm dieses Amt als Ordinarius der nunmehr wiederhergestellten ersten Klaße zu Ostern dieses Jahres. Er wurde mit 300 Rtl fixem und fester freier Wohnung angestellt.
Nachdem im November 1860 der Orgelbaumeister Geissler in Eilenburg eine alte, aber noch ziemlich brauchbare Orgel aus der abgebrochenen Dorfkirche zu Hohenrode einstweilen zur Leitung des Gesanges in der hiesigen Zuchthauskirche aufgestellt hatte, baute derselbe Meister eine neue für die letztgenannte Kirche, deren Aufstellung aber im März 1862 erfolgte. Dieselbe hat 11 klingende Stimmen, 9 im Manual und 2 im Pedal, wurde zu Anfang des April vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg übernommen und für gut und tüchtig befunden.
Am 2ten Julius erschien Abends zuerst über der Deichsel des großen Bären und dann Westen gehend ein in seiner Erscheinung, Lichtglanz und Größe nicht sehr auffallender Comet, und war nur etwa vierzehn Abende sichtbar.
In diesem Jahr wurden folgende neue Wohnhäuser gebaut: von dem Zimmer-gesellen David Laue und dem Handarbeiter Wilhelm Dietze in der Leipziger Vorstadt, von dem früherem Gutsbesitzer Remmicke aus Kattersnaundorf am Kohlthor, von dem Rechts-Anwalt Weiße in der Leipziger Vorstadt. Außerdem bauten zu einem Wohnhause um: der Kalkfuhrmann Frey das von dem Braumeister Fritzsche erkaufte Malzdarren-Gebäude an der Stadtmauer, der Strumpffabrikant F.W.Pabst einen Schuppen in der Mauergasse, und der Mühlenbesitzer Große das frühere Armenhaus am Galgthore zu einem Wohnhause. Der Schmiedemeister Haase vor dem Breiten Thore erbaute neben seinem Wohnhause ein neues als Wohnhaus dienendes Seitengebääude. An die Stelle des abgetragenen Brauhauses am Markte, welches ein Knecht aus Brodau namens Robitzsch von dem Braumeister Fritzsche erkauft hatte, erbaute der pp. Robitzsch ein schönes 3 stöckiges Wohnhaus.
An die Stelle der abgegangenen Kirchen-Vorsteher Kretzschmer und A.Weidenhammer wählte der Magistrat als Kirchen-Patron den Kaufmann J.S.Schumann und den Gastwirt A.Schaaf, und wurden am 31ten December des Jahres in ihr Amt eingewiesen, sowie dem Ersteren die Rendantur der Kirchenkasse speciell übertragen.
Aus dem Kreis – und Armenfonds erhielt die Stadt 250 Rtl. und die Grünstraße 400 Rtl. Auch in diesem Jahre war derselbe günstig; im Frühjahr kamen besonders Durchfälle, und Halsentzündungen, und im Herbst Lungenentzündungen zur Behandlung. Die Zahl der Gestorbenen betrug 194, die der Geborenen 305, incl. 10 Todtgeborne. Uneheliche 42.
Im Frühjahr trat der Königl. Fiscus das Stück fiscalische Straße vom Gasthof „zur grünen Linde“ bis an den Bahnhof auf den Wunsch der städtischen Behörden an die Stadtcommun Delitzsch unter der Bedingung ab, nachdem es noch der Fiscus hatte chaussiren lassen, in dem übergebenen guten Zustande fortzuerhalten. Die Stadtcommun ließ die zu beiden Seiten der Straße stehenden Sauerkirsch-Bäume umhauen um an diese Stelle Platanen und an dem Fußwege an Gleitsmann`s Kunstgärtnerei rothblühende Kastanien anpflanzen. Dieses Stück Straße erhielt später den Namen „Lindenstraße“.
1862
In diesem Jahr wurde wiederholt der mehrmals fehlgeschlagene Versuch gemacht mit dem Sonnabends-Wochenmarkte einen Getreide-Markt zu verbinden und damit Sonnabend den 1ten Februar den Anfang gemacht.
Am 29.ten März verließ der Kreisrichter a.D. Hermann Schulze, welcher seit dem Jahr 1841 bis 1849 hier als Patrimonialrichter fungirte und später den hiesigern Kreis als Landtags-Abgeordneter vertreten hatte, seine Vaterstadt Delitzsch , um nach Potsdam überzusiedeln. Ihm zu Ehren wurde am 23ten März im Saale des Gasthofes „zum goldenen Ring“ des Abends ein großes sehr besuchtes Abschiedsfest veranstaltet, wobei ihm von seinen zahlreichen Freunden und Verehrern eine große silberne Punsch-Bowle im Werthe von circa 400 Rtl., sowie ein schöner Schreibsecretär von Mahagoni zum Andenken verehrt wurden. – Derselbe ist am 29ten August 1808 hierselbst geboren, besuchte die Nicolaischule in Leipzig und später die Universität daselbst.
Am Grünen Donnerstage, den 17.ten April Nachmittags 5 Uhr fand die Aufführung des vom Musikdirector und Dom-Organist Engel in Merseburg componirten Oratoriums: „Winfried und die heilige Eiche bei Geißmar“ in der Gottesackerkirche von der Cantorei statt.
Am 2ten Osterfeyertage, den 21ten April hielt der zum Superintendent und Oberpfarrer nach Sangerhausen berufene Archidiaconus Dr. Burkhardt seine Abschieds-Predigt.
In diesem Jahre, 26ten April, wurde, da sich im vorigen Jahre kein Käufer gefunden hatte, die der Stadtcommun gehörige Braunkohlen-Grube mit allem übrigen Zubehör wiederholt zum Verkauf aus freier Hand behufs des Fortbetriebs ausgeboten und als sich lange kein Käufer fand, wurde der Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel beschlossen.
Der bisherige Diaconus Scharr wurde am 3ten post Trin.den 6ten Juli als Archidiaconus eingeführt.
Am 4ten Juli starb der hiesige practische Arzt , Dr.med.Ernst Ludwig Pfotenhauer, welcher vom 1.October 1850 bis Ende 1855 zugleich unbesoldeter Magistrats-Assessor war, 43 Jahre alt an Lähmung.
Dem Oebster Fischer wurde das Obst von der Pflaumen-Plantage im Hain für das Gebot von 20 ½ Rtl. für diese Jahr überlassen.
Der Baumeister Gebauer in Berlin wurde zum Königl.Kreisbaumeister ernannt und demselbigen die hiesige Kreisbaumeister-Stelle verliehen.
Der in diesem Jahre in der Nähe der Elberitzmühle eingerichtete Bade-Teich hat am Sonntage, dem 3ten August, ein Opfer gefordert. Mehrere Knaben, darunter der 9jährige Sohn des Handarbeiters Paatz in der Grünstraße badeten in dem nur für Erwachsene hergerichten Teiche. Der Genannte gerieth dabei wahrscheinlich in eine etwas tiefere Stelle und war, ehe Hülfe herbeigeholt werden konnte, bereits ertrunken. – Desgleichen fiel am 1ten August gegen Mittag der 2 ½ jährige Sohn des Bahnarbeiters Nitzsche in der Grünstraße aus dem zweiten Stock, mit dem Kopfe zuerst auf die gepflasterte Straße herab und ist glücklicherweise gar nicht beschädigt worden.
Die der früheren (der alten) Gottesackerkirche gehörig gewesene Glocke des Breiten Thurmes hatte schon seit langen Zeiten einen Großen von oben nach unten gehenden Riß, neben welchem neuerdings ein zweiter ringsum gehender Riß entdeckt wurde, wodurch schon seit langer Zeit der Klang derselben sehr dumpf war. In Rücksicht besonders auf die nach dem letzten Riß daraus leicht entstehende Gefahr für die umstehenden Gebäude wurde der Anschlag an die Glocke seit Anfang August ganz eingestellt, und der Guß einer neuen von den städtischen Behörden beschlossen. Am 5ten December Nachmittags 3 Uhr ward die alte Glocke auf dem Thurme von dem Glockengießer Jauck aus Leipzig geschlagen und die Stücke einzeln vom Thurm nach dem Zwinger heruntergeworfen; sie wog 18 Zentner. Die neue Glocke, welche 12 Zentner, 26 Pfund wiegt, wurde am 30ten December Mittags punkt 12 Uhr bei mildem Wetter auf den Thurm gezogen, und vom 6ten Januar 1863 an in Gebrauch genommen. Die sehr gute, auf dem Bruche silbrig weiß glänzende Masse der alten ist nur zum Theil mit zur neuen verwendet worden, weil Jauck gleichzeitig mit derselben noch 5 andere Glocken gegossen hat; übrigens nahm Jauck den Zentner von der alten für 34 Rtl an und zahlte noch 7 Rtl auf die Totalsumme heraus, mithin hat die neue Glocke 605 Rtl gekostet. Die übrigen Kosten betrugen 91 Rtl 12 Sgr. 6 Pf.
Die Fischerei im Stadtgraben wurde an den bisherigen Pächter Sattlermeister Christian Ronniger, für jährlich 40 Rtl. auf weitere 12 Jahre verpachtet.
Des Königs Majistät haben mittels Erlasses vom 2ten August dieses Jahres die Vereinigung des ländlichen Gemeinde-Bezirks Grünstraße mit der Stadtgemeinde Delitzsch zu genehmigen geruht. – Die Vereinigung selbst hat am 15ten October factisch stattgefunden. Die Stadtcommun verkaufte am 10ten März das ihr gehörige Galgthorhaus, welches bisher als Todtengräber – Wohnung gedient hatte, zum Abbruch an den Gasdtwirt Zeidler für 80 Rtl.
Vom Glockengießer Jauck in Leipzig wurde eine neue Saug-und Schlauch –Spritze mit 150 Ellen Schlauch von der Commun für den Preis von 335 Rtl zum Gebrauch für die Turm-Feuerwehr angekauft, wozu die Aachener-und Münchner Feuerversicherungs-Gesellschaft als Geschenk 150 Rtl beitrug. Bei dem am 28ten August Abends zwischen 8 und 9 Uhr im benachbarten Dorfe Schenkenberg entstandenen nicht unbedeutenden Feuer hat unsere Turme-Feuerwehr durch ihre muthige und geübte Thätigkeit mit dem Gebrauch der eben erwähnten vortrefflichen Spritze ausgezeichnete Dienste geleistet, und dafür durch unsern Herrn Landrath von Rauchhaupt eine Belohnung von 10 Rtl. erhalten – Die Turme-Feuerwehr besteht zur Zeit aus 3 Abtheilungen (110 Mann); die Spritzen-Compagnie 70 Mann; die Pionier-Abtheilung 20 Mann und die Rettungs-Compagnie 20 Mann; außerdem 8 Signalisten.
Die Getreidepreise waren in diesen Jahren:
am 5ten April
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
Roggen 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. 2 Rtl
Gerste 1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 26 Sgr. 3 Pf. 28Sgr. 9 Pf.
am 27ten September
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 26 Sgr. 3 Pf. bis 3 Rtl.
Roggen 2 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. 2 Rtl. 10 Sgr.
Gerste 1 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 26 Sgr. 3 Pf. 28 Sgr. 9 Pf.
In diesem Jahre wurden von folgenden Einwohnern neue Wohnhäuser gebaut: vom Productenhändler G.Lehn ???(Bahnhofsstraße); vom Cigarrenfabrikant Schellenberg(Lindenstraße); vom Kreissecretär Julitz, Zimmermann Gottlieb Dietze, Zimmermeister Felix (vis a vis Schleicher) Cigarrenmacher Schmidt, - in der Leipziger Vorstadt; vom Schnittwarenhändler Beyer ein Hintergebäude in der Ritterstraße; vom Kunst-und Handelgärtner Porsch vor den Halleschen Scheunen; vom Fleischermeister Hohenstein in der Zscherne und vom Kaufmann L.Dittmar eine Ziegelei am Schenkenberger Wege.
General-Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Delitzsch auf das Jahr 1862:
In Bezug auf die in diesem Verwaltungs-Bericht hub „III B. Paßiv-Vermögen“ gemachten Mittheilungen ist noch zu bemerken, daß dadurch ein heftiger Conflikt zwischen dem Bürgermeister Hagedorn und den Stadtverordneten entbrannte, weil der Erstere eine Summe von 3000 Rtl ohne die Bewilligung der Letzteren eigenmächtig aus der Kämmereikaße entnommen hatte. Diese Sache, welche auch in unserm Kreisblatte zur Kenntniß des Publikums kam, wurde die Veranlaßung, daß die Stadtverordneten wegen ihres schwer verletzten guten Rechtes den pp.Hagedorn bey der Königl. Regierung in Merseburg verklagten. Hierauf beauftragte diese den Hl. Landrath von Rauchhaupt mit der Untersuchung dieser Streitsache, wo dann der pp. Hagedorn seine Uebergriffe beschämt zugestand, und mithin eine gewaltige Niederlage erlitt.
Der schon im vorigen Jahre erwähnte Verkauf der Dampfmaschine mit Kessel von der Braunkohlen-Grube kam erst in diesem Jahre zur Ausführung, nachdem die K.Regierung den Verkauf genehmigt hatte. Die Herren Rühle und Beschnidt kauften beide zusammen für 2,250 Rtl.
Der Diaconus Scharr hielt Sonntag den 23ten November seine Abschieds-Predigt und ging als Pfarrer nach Werbelin.
In diesem Jahre wurden 323 Kinder geboren, worunter 5 Todtgeboren und 39 Uneheliche, und es starben 179 Personen.
Die Zahl der Wohnhäuser beträgt nunmehr, nachdem die Gemeinde Grünstraße zur Stadt gekommen ist, 619, und erfolgte eine neue Nummerierung sämmtlicher Häuser.
Die in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften an die Armenkaße gemachten Geschenke betrugen 34 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf. Außerdem wurden in diesem Winter vom Herrn Gastwirt Schaaf 20 und vom Herrn Gastwirt Roessler 15 arme Familien mit warmen Mittagsessen erfreut.
Zur Vervollständigung der Feuerlösch-Anstalten wurde für die neu errichtete und uniformirte Turner-Feuerwehr auch ein sehr dauerhaft gebauter Requisiten-Wagen mit den nöthigen Rettungsgeräten, eisernen Leitern, Haken u.s.w.angeschafft; der erstere kostete 50 Rtl. die letzteren 65 Rtl.
Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt und Grünstraße für dieses Jahr 400 Rtl. Die reinen Gewinn-Ueberschüsse betrugen im abgelaufenen Jahre 8,809 Rtl 26 Sgr. 7 Pf.
An die Stelle des zu Ostern abgegangenen Candidaten Dr. phil Rosendahl trat als Lehrer der neueren Sprachen der bisherige Lehrer an der höhern Bürgerschule zu Lüdenscheid Christian Heinrich Ludwig Kayser zu Johannis dieses Amt an. Er erhielt 600 Rtl Gehalt.
Der zu Anfang dieses Jahres versuchsweise wieder hier eingerichtete Getreidemarkt ist auch diesmal noch vor Ende des Jahres wieder eingegangen.
Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt ist auch das durch Testament vom 13ten August 1857 vom Strumpffabrikant Theile ausgesetzte Legat von 500 Rtl, wovon die Zinsen unter die Armen der Grünstraße vertheilt werden sollen, und die Stadt mit übergegangen, ebenso auch die Wendlersche.
1863
Die Kohlenwerks-Gebäude wurden an den Buchbinder Rühle in Bitterfeld im Februar für 910 Rtl. verkauft. Am 20ten Januar tobte ein heftiger N.W. Gewittersturm, während deßen das niedrige Barometer plötzlich stieg Der bisherige unbesoldete Magistrats-Assessor, Dr. med.Gerber, war von Neuem wieder auf 6 Jahre, vom 15ten December vorigen Jahres ab, gewählt und von der Königl. Regierung bestätigt worden. Das bisherige Gemeindehaus in der Grünstraße wurde als nunmehr überflüssig, an den Handarbeiter Thieme für das Meistgebot von 242 Rtl. überlassen.
Am 15ten October 1862 ward bekanntlich die bisherige Amtsvorstadt Grünstraße mit der Stadt vereinigt, wodurch natürlich der Wirkungskreis des Verfaßers dieser Zeilen als Stadt – Armen – Arzt wegen der Hinzufügung dieser größten Theils armen, mindestens 1600 Einwohner zählenden Gemeinde bedeutend vergrößert wurde; meine bisherige ohnehin geringe Besoldung von 25 Rtl., für welche ich jährlich durchschnittlich 50 Kranke zu behandeln hatte, mußt daher selbstverständlich erhöhet werden, ebenso auch die 11 Rtl. betragende Besoldung des Herrn Wundarztes Rathmann, welcher seit 6 Jahren die Stelle des Stadtwundarztes verwaltete. Wir beyde wurden nun im November 1862 deshalb auf dem Rathhause um unsre Ansicht vom Bürgermeister Hagedorn befragt, und gaben demselben die Erklärung zu Protokoll, daß wir eine Verdoppelung unserer Besoldung beantragten. Zugleich bat ich noch wegen der oft im Krankenhause zur Behandlung kommenden Fremden, für welche ich während meiner fünfzehnjährigen Amtswirksamkeit als Stadt-Armen-Arzt niemals etwas erhalten hatte, um eine kleine, gewiß sehr billige Zulage von 5 Rtl. In der Armen-Deputation, wo diese Sache den 21ten November zur Begutachtung kam, wurden aber, wie ich nachher erfuhr, für den Stadt-Armen-Arzt 15 Rtl. und für den Stadtwundarzt 5 Rtl. Zulage für genügend erachtet. Als dies hörte, gab ich am 5ten December dem Bürgermeister Hagedorn meine letzte Erklärung zu Protokoll mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß ich zwar auf die 5 Rtl. Gehalts-Zulage wegen der Fremden verzichten wollte, dagegen aber, wenn man mir die Erhöhung meiner bisherigen Besoldung auf 50 Rtl nicht bewilligte, dieses Amt am 31ten Maerz 1863 unbedingt niederlegen würde; auch Herr Wundarzt Rathmann erklärte mit 20 Rtl. zufrieden gestellt zu seyn, im Falle der Nichtbewilligung aber die Stadtwundarzt-Stelle ebenfalls niederzulegen. Die Stadtverordneten, bey denen diese unerquickliche Angelegenheit nunmehr zur Entscheidung kam, bewilligten in richtiger Erkenntniß der Verhältniße einstimmig unsere Forderungen und zwar gleich vom Beginn des neuen Jahres an. Dies meldete uns der Magistrat den 31ten December 1862 Vormittags, worauf wir nun diese Sache für erledigt hielten, als wir plötzlich an demselben Tage Nachmittags noch ein zweites Schreiben vom Magistrat erhielten, in welchem er uns die Stellen kündigte.
Da dieser Gegenstand nunmehr auch zur Besprechung im Delitzscher Kreisblatt No.7 und 8 kam, erklärte der Magistrat, daß er den Vorschlag der Armen-Deputation in Betreff der Gehalts-Bestimmungen beygetreten sey, ebenso auch den Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung, welche die von uns erwünschte Erhöhung bewilligte, genehmigt habe, mit diesen Gehalts-Verhältnißen die an mich und an Herrn pp. Rathmann erlassene Kündigung nicht in Verbindung zu bringen sey. Später wurde nun vom Magistrat beschloßen, daß am städtischen Krankenhause in allen Fällen ein besonderer Arzt, der auch zur chirurgischen Praxis befähigt ist, angestellt werden sollte; was für ein Grund den Magistrat zu diesem Beschluß bewogen haben mag, wißen wir nicht, aber das wißen wir und ist allgemein bekannt, daß unsere Stadt an dem nunmehr seit 3 ½ jahren verewigten Rathmann einen vortrefflichen praktischen Wundarzt und Geburtshelfer beseßen hat, welcher in diesen beyden Branchen der Heilkunst in einem langen Zeitraum
Von 40 Jahren hier im Orte und deßen weitem Umkreise höchst segensreich gewirkt hat. Diesem achtungswerthen Manne wurde die Stadtwundarzt-Stelle gar nicht wieder angeboten; er sahe sie bey seinem hohen Wohlstande ohnehin nur als ein Ehrenamt an, deßen er nicht bedurfte, war aber deßen ungeachtet ebenso wie ich bereit unter der oben erwähnten Bedingung der angemeßenen Gehalts-Erhöhung das Amt beyzubehalten. Mir wurde zwar die Stadt-Armen-Arzt-Stelle wieder den 20ten Maerz angeboten, aber mit der Bemerkung, daß die Vereinigung derselben mit der Stelle des Arztes am Krankenhause vor der Hand unterbleiben solle, wenn ich bereit wäre, dieselbe gegen ein Fixum von 40 Rtl.jährlich wieder zu übernehmen. Auf solche Bedingungen konnte ich natürlich, zumal da auch das Krankenhaus einem anderen Arzt übergeben wurde, als Mann von Ehre nicht eingehen, da ich mein gegebenes Wort niemals breche, und antwortete dem Magistrat sofort am 21ten Maerz, daß ich das Amt des Stadt-Armen-Arztes, welches ich seit dem 16ten Maerz 1848 verwaltet hatte, niemals wieder aufnehmen, vielmehr treu meiner abgegeben Erkärung daßelbe am 31ten des Monats niederlegen würde. Einen solchen Ausgang dieser Sache hatte ich allerdings um so weniger erwartet, weil ich trotz der in den Jahren 1849, 1853 und 1857 in Folge von Cholera – Masern- und Nerverfieber-Epidemien sehr gestiegenen Krankenzahl doch niemals um eine Gratification oder Zulage gebeten hatte, und weil der Magistrat im Kreisblatte in einer Berichtigung noch am 24ten Januar erklärte, daß die erlaßene Kündigung eine neue Vereinbarung mit mir und Herrn pp.Rathmann nach Maaßgabe der über den künftigen Umfang der Arztstellen zu treffenden Feststellungen nicht ausschließe, und daß es der Wunsch und das Bestreben des Magistrats seyn würde, unsere beyderseitigen Verdienste, welche wir uns zeither um die städtische Armen-Krankenpflege erworben, dabey zu berücksichtigen. Auf meine Antwort an den Magistrat vom 21ten Maerz, in welchem ich ihm die Niederlegung der Stadt-Armen-Arzt-Stelle meldete, erhielt ich von Demselben ein vom Bürgermeister Hagedorn verfaßtes Dankschreiben folgenden Innhalts: „Ew. Wohlgeboren Entschluß, den Sie uns auf unseren Antrag vom 20ten des Monats durch die gefällige Erwiederung vom 21ten des Monats mitgetheilt haben, hat uns um so mehr mit Bedauern erfüllt, als wir einerseits glaubten, Ihnen mit jenem Antrage die Anerkennung ausgedrückt zu haben, welche wir durch Ihre eifrige und gewißenhafte Erfüllung Ihrer Berufspflichten als städtischer Armen-Arzt zu empfinden verpflichtet sind, und als wir anderseits die Ueberzeugung haben durften, daß nach Wegfall derjenigen Krankenbehandlung, welche welche dem Stadt-Armen-Arzte zeither zugleich im Krankenhaus oblag, - aus der Verpflichtung deßelben, - das normirte Gehalts-Fixum für ein angemeßenes zu halten sey. Wenn wir uns nun Ihrem Entschluße fügen müßen, so können wir dies nicht anders, als indem wir mit dem Bedauern deßelben Ihnen zugleich unseern wärmsten Dank für die Dienste aussprechen, welche Sie der städtischen Armen - und Krankenpflege geleistet haben; möge Sie, was Menschen nicht können, Gott dafür lohnen durch Erhaltung des besten der Erdengüter, die Gesundheit!
Delitzsch den 23ten Maerz 1863 Der Magistrat“
Es wurden nunmehr beyde Stellen, sowohl die des Stadt-Armen-Arztes mit der bisherigen Verpflichtung deßelben im städtischen Krankenhause die Kranken zu behandeln, als auch die des Stadtwund-Arztes miteinander vereinigt, und die Verwaltung derselben dem praktischen Arzte und Wundarzte Dr. Laue am 1ten April übergeben. Derselbe ist ein naher Verwandter des Bürgermeister Hagedorn und des Magistrats-Aßeßor Dr.Gerber, erst seit fünf Jahren im hiesigen Orte ansäßig, und mit den vom Magistrat normirten Fixis für beyde Stellen von 40 respective 16 Rtl. befriedigt. Ob aber bey einem solchen Verfahren, wo dergleichen ohnehin gering besoldete communal-ärztliche Stellen gleichsam an den Mindestfordernden vergeben werden, die Ehre, und die Achtung des ärztlichen Standes und die Würde der erhabenen Wissenschaft leiden oder nicht, diese Frage mag jeder Unbefangene sich selbst beantworten.Bey dieser Gelegenheit habe ich zugleich hinlänglich erfahren, was es für eine Bewandniß hat mit den Dankes-Versicherungen des Bürgermeister Hagedorn und den Beweisen der Fortdauer seiner freundschaftlichen Gesinnung gegen mich, welche derselbe in seinem oben (vid.pag.330) erwähnten Briefe ausspricht. Auf schöne Worte habe ich niemals Werth gelegt, sondern blos auf die That; wer in diesem Falle die Sachlage nicht genau kennt, könnte vielleicht mich und den seligen Rathmann falsch beurtheilen; aber unsere beyderseitige vierzigjährige Amts-wirksamkeit, so wie auch die öffentliche Meinung, die wir niemals scheueten, hat uns völlig gerechtfertigt. Noch muß ich bemerken, daß die neue Krankenhaus-Ordnung, welche vom Dr. Gerber nach dem Muster der Magdeburger angefertigt war, von der Stadtverordneten-Versammlung in ihrer Sitzung am 27ten Maerz mit Recht einstimmig abgelehnt worden ist, weil dießelbe für die Bedürfniße der Stadt Delitzsch jedenfalls zu großartig und zu kostspielig wär, indem zur Einrichtung mindestens 12 Zimmer und 26 Betten nöthig wären.
Aus den sämmtlichen Magistrats-Vorlagen sey gar nicht zu ersehen, warum derselbe die Umgestaltung wünsche, und überhaupt gar nicht begründet, daß eine so umfaßende Organisation nothwendig ist, zumal da jetzt so viele Krankenkaßen hier bestehen, und überdies die hiesige Bevölkerung, aus fast nur ansäßigen oder hierher gehörigen Personen bestände, welche im Falle einer Krankheit doch gern bey der Ihrigen bleiben würden. Es wurde daher der jetzige Zustand, welcher sich seit Michäelis 1849 (vid.pag.147) als gut und ausreichend bewährt hatte, in seinem bisherigen Umfange auch im neuen, seit Ostern 1862 bezogenen Krankenhause, beybehalten, wobey noch immer vier Zimmer für unvorhergesehene Fälle disponibel blieben. Endlich muß ich noch erwähnen, daß alle meine Amtsvorgänger seit 1676 auf Lebenszeit angestellt waren, welches Anerbieten mir der selige Bürgermeister Securius auch machte; ich lehnte es aber aus dem einfachen Grunde ab, um mich nicht abhängig zu machen, daher es auch in meiner Bestallung heißt: „Ihrem Wunsche gemäß bleibt beyden Theilen ein vierteljährige Kündigung vorbehalten, ohne daß dafür ein besonderer Grund angeführt zu werden braucht. Wir beyde, der selige Rathmann und ich schieden aus unsern Aemtern mit dem erhebenden Bewußtsein treu erfüllter Berufspflichten.
Dem Armenkassen-Rendanten Thaerigen jun., welcher dieses Amt erst seit sechs Jahren verwaltet; ist sein Gehalt von 50 Rtl auf 60 Rtl erhöhet, und demselben noch außerdem eine persönliche jährliche Zulage von 20 Rtl. vom 1ten Januar an gewährt worden. Der Magistrat erhielt im Monat Maerz von der Königl. regierung zu Merseburg die Benachrichtigung, daß sie ihre Hauptkaße angewiesen habe für die Polizey-Verwaltung der früheren Amts-Vorstadt Grünstraße jährlich 120 Rtl. an die Stadt Delitzsch zu zahlen.
Seine Majistät der König haben die Kreisrichter Patzschke und Richter zu Kreisgerichts Räthen ernannt und den Rechtsanwalt und Notar Haßert den Charakter des Justiz-Rath verliehen. Am 1ten post Trini. (7.Juni) wurden die beiden Geistlichen, Archidiaconus Gödicke und Diaconus Hoffmann, zu Ende des Frühgottes-Dienstes vom Superintendenten Weinrich in ihre Aemter eingeführt. Der Erstere hielt Vormittags, und der Zweite hielt Nachmittags seine Antritts-Predigt.
Nachdem das Kohlenwerk verkauft war, legte nunmehr der Magistrat den Stadtverordneten einen neuen Tilgungsplan der Communalschulden vor, wonach dießelben (40,000 Rtl) in ca 30 jahren durch 4% Zinszahlung und 2% Amortisationquantum mit Hinzurechnung der Zinseszinsen getilgt werden. Dieser Tilgungsplan wurde von der Stadtverordneten-Versammlung genehmigt und von der Königl. Regierung bestätigt. Das Kapital der 40,000 Rtl wurde aus der Sparkasse geliehen. Die Hospital-Inspection kaufte im Januar vom Maurermeister Friedrich Meiedie demselben gehörige Wiese im Schloßgraben, an dem Hospitalgarten angrenzend, für 1,000 Rtl. Der Kauf wurde am 26ten Februar vor dem Notar Stephan abgeschloßen und das Kaufgeld an demselben Tage gezahlt.
Mittwoch den 3ten Juni Abend gegen ½ 6 Uhr reiste Seine Königl. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen auf einer Militair-Inspections-Reise von Halle per Extra-Post hier durch, ließ auf dem Markte, wo frische Pferde vorgelegt wurden, anhalten und reiste nach Torgau weiter.
Die Leipziger Thor-Brücke wurde mit einem Aufwand von 91 Rtl. 11 Sgr. 4 Pf. neu umgebaut. Die Pflaumen-Plantagen im Rosenthal wurden an den Oebster Schneider für 35 Rtl. verpachtet. Die Stadtverordneten erkärten sich dem Magistrat dafür einverstanden, daß von Neujahr 1864 ab die Zahl der Gemeinde-Vertreter auf 18 und die der unbesoldeten Magistrats-Assessoren auf 3 erhöht würde.
Der Pacht mit dem bisherigen Stättegeld- und Pflastergeleits-Pächter Kreisel wurde auf ferner 3 Jahre ( vom Jahr 1864 ab) prolongirt. Derselbe zahlt an Pächten: für das Pflastergeleits 255 Rtl., für die Wochenmärkte 180 Rtl., für die Jahrmärkte 56 Rtl. und für die Viehmärkte 19 Rtl., alle zusammen 510 Rtl.
Am 7ten October starb der practische Arzt Dr. med.Gerber, 67 Jahr alt. Derselbe war bereits seit Ostern 1826 bis Neujahr 1832 und dann wieder vom jahr 1851 ab bis zu seinem Todte unbesoldeter Magistrats-Assessor. Derselbe hat sich um die Verschönerung der Anlagen um die Stadt sehr verdient gemacht und vermachte der Stadt durch Testament 1,000 Rtl mit der Bestimmung, daß die Zinsen davon zur Erhaltung der Simon-Kühne-Gerberschen Gräber und dann zur Verschönerung der Anlagen um die Stadt und des Gottesackers verwendet werden sollen.
Mit dem 1ten November wurde, um die hiesige höhere Knabenschule in eine Realschule umzugestalten, im Anschluß an die bereits bestehenden 4 Realklassen die Real-Secunda errichtet. Das Schulgeld für diese Klasse wurde auf 18 Rtl. jährlich festgesetzt.
Die bis zum Jahre 1836 bestandene Einrichtung, am Sonntags-Laetare nach der Vormittags-Predigt der Wohltäter, welche sich durch Stiftungen für Kirchen, Schulen, Arme pp. sehr verdient gemacht haben, zu gedenken, wurde auf Antrag der Stadtverordneten wieder dadurch eingeführt, daß alljährlich am Todten-Feste, sowohl in der Stadtkirche als auch in der Gottesackerkirche die Namen der Stifter und ihre Legate in dankbarer Erinnerung von der Kanzel herab der Gemeinde verkündigt werden.
Am 4ten November starb der königliche Kreisgerichts-Rath Johann Friedrich Wilhelm Vörkel im 64ten Jahe am Schlage. Er war ein sehr verdienstvoller, allgemein geachteter, populärer und gegen Jedermann ohne Unterschied des Standes gefälliger und uneigennütziger Beamter, weshalb sein Tod allgemein betrauert wurde.
An die Stelle des verstorbenen Dr. Gerber wurde der Kaufmann und Fabrikant Theodor Duimchen und als 3. Unbesoldeten Magistrats-Assessor der Apotheker Karl Freyberg gewählt und Beide von der Königl. Regierung bestätigt.
Das alte ganz baufällig gewordene Marstall-Gebäude auf dem Rathshofe wurde zum Abbruch an den Meistbietenden – Tischlermeister Becker für 150 Rtl. verkauft. Letzterer begann mit dem Abbruch am am 2ten März. Der Neubau des neuen Spritzen-Schuppens mit Nachtwächterstube und Wohnungsräumen darüber wurde im August angefangen. Den Bau hatte der Maurermeister Voigt für die Licitation-Summe von 3,000 Rtl übernommen.
Die Kellerräume unter dem Rathhause, welche bisher für wenige Thaler an den Braumeister Fritzsche verpachtet gewesen waren, wurden zu einer Rathskeller-Wirtschaft eingerichtet und der Bau von dem Maurermeister Voigt für 754 Rtl.übernommen (der Anschlag war 840 Rtl.). Der Pächter des neuen Rathskellers war W.Huth aus Klepzig im Kötheschen.
Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von Zschorn (in der Quergasse), Schuhmachermeister Stephan (Kartoffelmehl-Fabrikant), sowie Költzsch und Remus in der Höhe des Bahnhofs, Kreisphysicus Dr. Kanzler (am Leipziger Thore), Kaufmann Dittmar (Zieglerwohnung am Schenkenberger Wege), Kupferschmiedemeister Kießel (in der Linden-straße), Rechtsanwalt Stephan (Leipziger Vorstadt), und Tischlermeister Kurtze (in der mauergasse – ein neues Seitengebäude)
Die Getreidepreise waren:
Am 15.März
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
Roggen 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf.
Gerste 1 Rtl 12 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 15 Sgr.
Hafer 27 Sgr. 6 Pf. 1Rtl.
Am 29.August
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 18 Sgr. 9Pf.
Roggen 1 Rtl. 25 Sgr. 1 Rtl. 27 Sgr. 6Pf.
Gerste 1 Rtl. 8 Sgr. 9 Pf. 1 Rtl. 11 Sgr. 3Pf.
Hafer 25 Sgr. 27 Sgr. 6Pf.
Die Erndte war sehr gut ausgefallen, sowohl das Winter-, als das Sommergetreide.
Im Jahr 1863 waren 328 Geboren (incl.7 Todtgeborene und 46 Uneheliche) und Verstorbene 207.
Der Gesundheitszustand war im ganzen Jahre befriedigend; es herrschte keine epidemische Krankheit. Aus dem Kreis-Armen-Fond erhielt die Stadt für dieses Jahr 650 Rtl. Zuschuß. Außerdem erhielt die Armenkaße von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. 17 Sgr. 7 Pf.
An Stelle des an der höheren Bürgerschule als Hülfslehrer angestellten Predigtamts-Candidat Thiele trat der Schul-Amts-Candidat Band aus Lützen.
1864
Am 1.März ist auf hiesigem Postamte ein Königl.Telegraphen-Station mit beschränktem Tagesdienste eingerichtet worden. Aus dem diejährigen Holzschlage in der Spröde wurden 815 Rtl. 4 Sgr. gelöst. Am 14ten April Nachmittags 5 ½ Uhr brach in dem Hause des Hutmachers Hötzel auf dem Steinwege Feuer aus, welches aber durch schnell herbeigeeilte Hülfe auf den Entstehungsort beschränkt und gedämpft wurde.
Die Schuhmacher-Innung schaffte einen Leichenwagen an; derselbe kostete 350 Rtl. mit Allem. Sie stellt denselben zur Verfügung des Publikums bei Beerdigungen. Die vom Magistrat genehmigten Taxpreise für Benutzung des Wagens incl. Bespannung, Begleitung und übrigen Nebenkosten betragen:
I. Begräbniß-Klasse 5 Rtl. 10 Sgr.
II. Begräbniß-Klasse 4 Rtl. 15 Sgr.
III. Begräbniß-Klasse 3 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf.
Kinderleichen 2 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf.
Am 4.Juni in den Nachmittagsstunden wurde der östliche Theil des Kreises von schweren Gewittern heimgesucht, in deren Verlauf der Blitz an einigen Orten eingeschlagen hat. An die Stelle des nach Jüterbog abgegangenen Lehrers Romanus trat der Schulamts-Candidat Ernst Moritz Schubert gebürtig aus Dobrilugk, und erhielt die Elementar-Klasse an der Vorstadtschule.
Die Stadtverordneten ertheilten den Geboten auf das Kirschobst Zuschlag: dem Obster Fischer auf die Alleen um die Stadt für 90 Rtl., dem Obster Vater auf die Alleen an der Leipziger Straße für 300 Rtl, dem Obster Hund auf die Alleen an der Dübener- und Eilenburger Straße für 71 Rtl., dem Obster Schneider auf die Anpflanzungen am Schießplatze für 3 ½ Rtl. und dem Obster Tauer auf die Alleen am Zschernitzer und Gertitzer Wege für 50 Rtl.
Am 2. und 3. Juni weilte in unserer Stadt auf seiner Durchreise nach Berlin ein alter muhamedanischer Derwisch, der durch sein auffälliges Äußere die allgemeine Aufmerksamkeit an sich zog. Er hieß Hadji Said Mahmoud, ist 70 Jahr alt und kommt aus Jerusalem. Er kam über Wien, Prag und Dresden aus Ungarn, wohin er eine Wallfahrt gemacht hatte, um das Grab eines berühmten türkischen Heiligen in Ofen zu besuchen. Von der ottomanischen Gesandtschaft in Wien ist er mit einem Passe zur Reise durch Europa versehen worden. Er ist trotz seiner hohen Jahre noch eine imponirende, interessante Erscheinung mit schöner gerader Haltung, feurigen Augen und schönem, noch wenig mit Grau gemischtem Barte. Um den Turban trägt er einen grünen Shawl ???? gewunden, wie er nur den Mekkapilgern zu tragen gestattet ist, um den Leib einen Teppich, den er beim Gebet auf die Erde breitet, und im Gürtel Waffen nebst verschiedenen eigenthümlichen Instrumenten, unter denen ein beim Beten zum Auflegen des Kopfes dienendes, ungefähr einen Fuß hohes Gestell besonders auffällig ist.S. das Bild. Der hiesige Photograph Tischlermeister Eduard Kurtze hat den Pilger in seinem Atelier photographirt.
Dem Second Lieutenant Meie von hier (Sohn des Maurermeisters Meie, vom 3ten Bataillon Potsdam) 3ten Brandenburgischen Landwehr-Regiments Nr.20, welcher bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18ten April des Jahres (Vormittags 10Uhr) und bei der Einnahme von Alsen am 29ten Juni (früh 4Uhr 20 Min.) mitgekämpft hat, - und kommandirt zur Dienstleistung beim 7ten Brandenburgschen Infantrie-Regiment ??? 60, - ist der Rothe Adlerorden 4ter Klasse mit Schwertern, verliehen worden. Dem Oebster Vater wurde der Zuschlag auf das Gebot für das Pflaumenobst im Rosenthale von 22 Rtl. 20 Sgr. ertheilt. Zur Bepflanzung der Communicationswege bewilligte die Stadtverordneten- Versammlung 375 Rtl.
An die Stelle des im März abgegangenen Pastor Schulze an der hiesigen Königl. Strafanstalt kam der Pastor Göldner hierher, bisher Hülfsprediger an der Königl. Strafanstalt in Halle. Im Jahre 1739 erlaubte die Kirchen-Inspection für 150 Rtl. dem Syndikus Dr. Lendrich den Anbau einer Betstube an der Mittagsseite der Stadtkirche zwischen der Leichhalle und dem südlichen Kreuzstück, und ein so hohes Ziegeldach, daß wieder ein Kirchenfenster zur Hälfte bedeckt, und die ohnehin düstere Seite der Kirche noch dunkler ward. Als in der Mitte der neunziger Jahre die Familie des Dr. Lendrich ausstarb, gieng die benutzung dieser Kapelle in Folge eines Vertrags mit der Kirchen-Inspection durch Kauf an mehrere Gleider der Familien Kuehne und Schmidt über. Nachdem nun das letzte zur Benutzung der Kapelle berechtigte Mitglied, die 87 Jahre alte Wittwe des 1846 verstorbenen Kaufmann und Senators F.S.Schmidt, Johanne Christiane am 15ten Junius gestorben war, wurde diese Kapelle nicht wieder verkauft, sondern sehr bald nachher gänzlich abgebrochen, und dadurch zugleich das zur Hälfte verbaute Kirchenfenster völlig frei hergestellt, wodurch wir auch durch Beibehaltung des in der Kirchmauer befindlichen, nunmehr mit eisernen Stäben gehörig verwahrten Bogenfensters, die Kirche an Licht sehr gewonnen hat.
Wer hätte wohl je geglaubt und erwartet, daß unsere schöne, freundliche, bisher so wenig benutzte Hospital-Kirche, deren Mauerwerk mit ihrem einzigen, massiv steinernen Chore ein wahres Meisterstück der gothischen Baukunst ist, endlich noch eine Orgel erhalten würde? Diese schönste Zierde fehlte ihr gleich von Anfang seit ihrer Erbauung im Jahre 1516 bis jetzt, und würde ihr auch wohl noch ferner fehlen, wenn nicht eine besondere Ursache dazu die Veranlaßung dazu gewesen wäre. Von jeher wurde nämlich blos im Laufe des Sommers vom Diaconus, welcher zugleich Hospital-Prediger ist, etwa 15 – 16 Mal Dienstags früh von 8 – 9 Uhr ein Gottesdienst mit Predigt für die Hospitalites abgehalten, welcher von anderen Gemeindegliedern fast gar nicht besucht wurde. In neuerer Zeit aber wünschte man die an vielen Orten so beliebt gewordenen Abend-Gottesdienste auch bey uns einzuführen, wozu aber vor allen Dingen der Bau einer neuen Orgel nothwendig war. Da nun auch vom Magistrat und den Stadtverordneten die Bebauung einer Gasbeleuchtungs-Anstalt auf Kosten der Commun beschloßen worden war, und deren Ausführung im nächsten Jahre bestimmt erfolgten sollte, da ferner die Hospital-Kaße bey dem sehr günstigen Stande ihrer Finanzen die Kosten sowohl des Orgelbaues als auch der Einrichtung der Gasbeleuchtung in der Kirche und den übrigen Räumen sehr gut bestreiten konnte; so wurde gleich zu Anfang dieses Jahres der hiesige Orgelbaumeister Herr Eduard Offenhauer von der Hospital-Inspection veranlaßt einen Anschlag und eine Disposition zu einer für die Hospital-Kirche zu erbauenden Orgel zu machen. Nachdem Herr Offenhauer beydes so wie auch eine Zeichnung des Propects der Orgel gefertigt hatte, übersendete er das ganze Schriftstück der Hospital-Inspection, welche daßelbe der Königlichen Regierung zur Genehmigung zuschickte. Der Königl.Orgel-Revisor, Herr Musik-Director und Dom-Organist Engel in Merseburg erklärte sich nach vorgenommener Prüfung völlig damit einverstanden, und Zwar in Hinsicht des Contracts als auch der Auswahl der Register und des Preises. Herr Offenhauer arbeitete nun sehr fleißig mit einem brauchbaren Gehülfen an der Vollendung des Werkes. Bevor es aufgestellt werden konnte, mußte erst der Fußboden des steinernenOrgelchors, weil derselbe mit Gips-Estrich belegt war, gedielt werden. In den ersten Tagen des Junius fieng Herr Offenhauer an die Orgel aufzustellen und am Ende des Julius war das Werk vollendet. Das hat folgende neun Stimmen: a) ein Manual: 1.)Pricipal 8 Fuß, die tiefe Octave gedeckt von Holz, die übrigen von englischem Zinn, 2.)Rohrfloete 8 Fuß, die beyden tiefen Octaven von Holz, die übrigen von Probezinn, 3.)Doppelfloete 8 Fuß von Holz 4.) Flauto ????amabile 4 Fuß von Holz, 5.) Octave 4 Fuß von Probezinn, 6.) Superoctave 2 Fuß von desgleichen, 7.) Cornett dreifach von desgleichen, b) im Pedal: 8.)Violonbass 8 Fuß von Holz, 9.) Subbass 16 Fuß von Holz; außerdem c) als Nebenzüge die Pedalcoppel und den Calcanteurus. Zwey Cylinder-Bälge liefern ausreichend Wind. Die Zahl der Pfeifen beträgt 468, worunter 270 von Zinn und 198 von Holz sind. Der Magistrat wollte anfangs auf den Wunsch des Herrn pp.Offenhauer diesen Orgelbau in einem etwas größerem Umfange mit einer Verstärkung von drei Manual-Registern ausführen laßen, und ließ zu diesem Zweck eine Collecte in der Stadt circuliren, deren Ertrag aber nur 46 rtl. einbrachte, so daß man von einer Vergrößerung des Werkes absehen mußte. Der Preis der nun nach der oben angegebenen Disposition gebauten Orgel beträgt 480 Rtl., welche die Hospital-Kaße mit Zunahme der eben erwähnten 46 Rtl. bezahlt hat. Am 27ten Julius wurde nun die neue Orgel von unserm dazu berufenen Organist Herrn Grellmann geprüft und übernommen; derselbe hat sich über den Befund in jeder Weise befriedigend und anerkennend in seinem an die Hospital-Inspection erstatteten Gutachten ausgesprochen, insbesondere aber hervorgehoben, daß der Meister in dieser Orgel ein Werk aufgestellt habe, wie es für seinen so mäßigen Preis von solcher Schönheit, Güte und Tüchtigkeit kaum zu erwarten war. Freitags, den 20ten Julius, fand Abends von 5 – 6 Uhr die Einweihung der Orgel statt; es wurde zuerst von der Cantorei eine Motette aufgeführt, worauf die Weihrede des Herrn Superintendenten Weinrich folgte, und alsdann Herr Grellmann mit vollem Werke zum nachfolgendem Choral „Sey Lob und Ehr dem höchstem Gut“ präludirte, von welchem Liede die drei ersten und die zwey letzten Verse gesungen wurden. Hierauf wurde der Segen gesprochen und zum Schluß „Nun danket alle Gott“ gesungen. Es ist übrigens sehr zu bedauern, daß man diesen wichtigen Act der Orgelweihe, eines so seltenen Festes, so kurz abfertigte, und ihn an einem Wochentage, wo die meisten Menschen zumal in der Erndte keine Zeit haben, vollzog. Man hatte mit Recht erwartet, daß man diese Feierlichkeit an einem Sonntage, wo dann der Nachmittags-Gottesdienst in der Stadtkirche dafür wegfallen konnte, Nachmittags um 1 oder 2 Uhr, und nicht blos mit einer Rede sondern auch mit einer Predigt, abhalten würde. Man muß sich in That sehr wundern, daß von der Geistlichkeit nicht einmal im Kreisblatte unter den kirchlichen Nachrichten eine dieser Orgel-Einweihung betreffende Bekanntmachung, wie es ja oft bey andern, selbst minder wichtigen, kirchlichen Angelegenheiten geschieht, erlaßen worden war, weßhalb denn auch die meisten Einwohner nichts davon wußten, und daher an diesem Abend noch nicht 200 Menschen in der Hospital-Kirche waren. Um wie viel feierlicher war dagegen die Einweihung der neu erbauten Orgel in der Gottesackerkirche am 8ten p.Trinit. den 1ten August 1852 (vid.pag.171). Nachträglich ist noch zu bemerken, daß die Nebenkosten bey dem Orgelbau für Zimmerarbeiten pp. 65Rtl. 24 Sgr. betragen, also für den ganzen Bau 545 Rtl 24 Sgr.
Am 22. und 23 September fand in unserer Stadt die Jahres-Versammlung des Provinzial-Vereins zur Gustav-Adolph-Stiftung statt. Dieselbe war von einigen 50 Abgeordneten und Vertretern der Zweigvereine unserer Provinz besucht, die in bereitwilligster Weise von hiesigen Mitgliedern und Freunden des Gustav-Adolph-Vereins als Gäste aufgenommen wurden. – Nachdem am 22ten um 4 Uhr Nachmittags eine Sitzung des Vorstandes des Hauptvereins im Gasthofe zum Schwan stattgehabt hatte, riefen um 6 Uhr die Glocken zum Abendgottesdienste in die mit Kränzen und Guirlanden festlich geschmückte Stadt-Kirche. Dieselbe war bald mit Andächtigen gefüllt und nach dem Gesange des Liedes: „O Jesu, Jesu, Gottes Sohn“, welches besonders gedruckt und an den Kirchthüren vertheilt worden war, hielt Herr Pastor Barthold aus Kösen eine herrliche, den Zweck und das Wesen und Gedeihen des Gustav-Adoph-Vereins behandelnde Predigt Nach Beendigung des Gottesdienstes fand noch eine Versammlung der Deputirten im Saale des Schwans statt. Am nächsten Tage um 8 ½ Uhr früh versammelten sich die Mitglieder des Vereins im Rathhause und begaben sich von hier aus in feyerlichen Aufzuge, unter dem Läuten der Glocken, Uneheliche), und 204 Personen gestorben.
Die Getreidepreis waren :
am 19ten März:
Weizen der Berliner Scheffel 2 Rtl. bis 2 Rtl. 6 Sgr. 6 Pf.
Roggen der Berliner Scheffel 1 Rtl. 11 Sgr. 3 Pf. 1 Rtl 15 Sgr.
Gerste der Berliner Scheffel 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf. 1 Rtl 7 Sgr. 6 Pf.
Hafer der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6 Pf. 1 Rtl.
am 8 ten October:
Weizen der Berliner Scheffel 2 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. bis 2 Rtl. 5 Sgr.
Roggen der Berliner Scheffel 1 Rtl. 15 Sgr. 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf.
Gerste der Berliner Scheffel 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf. 1 Rtl. 5 Sgr.
Hafer der Berliner Scheffel 27 Sgr. 6 Pf. 1 RTl.
Die Kartoffeln kosteten der Sack 1 Rtl. 5 Sgr. bis 1 Rtl. 15 Sgr.
Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Stadt für diese Jahr 550 Rtl. Zuschuß, und die Armenkaße von Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 37 Rtl 23 Sgr. – einzuschalten.
Am 16ten April 1865, den 1.Osterfeiertage, früh halb 10 Uhr, entleibte sich im Hause des Gastwirt Oehlert der Heilgehülfe und Barbier Matthes durch einen Schnitt in die Arterien und Venen der linken Seite des Halses, und starb schnell in Folge der Verblutung.
1865
Am 3ten Januar feierte unser allgemein verehrter Organist und Lehrer der 3ten Mädchenklaße erster Bürgerschule Herr Carl Gottfried Grellmann sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum. Derselbe ist geboren den 22 ten Mai 1795 zu Neumannsdorf bey Döbeln; seine Bildung erhielt er auf dem Friedrichsstädter Schullehrer-Seminar zu Dresden unter Dinters trefflicher Leitung, wo er von Ostern 1811 bis Johannis 1814 verweilte. Noch in demselben Jahre wurde er zum Lehrer nach Dürrenberg designirt, welches Amt er am 3ten Januar 1815, dem Tage seiner feierlichen Einsetzung, antrat. Nach dem im Mai 1828 erfolgtem Abgang seines Amtsvorgängers und Landsmanns Johann Gottlieb Zieger, gebürtig aus Mochau bey Döbeln, als Organist an die Nikolaikirche nach Hamburg, wurde unser Jubilar zu deßen Nachfolger als Organist und vierter Knabenlehrer vom damaligen Magistrat hierher berufen und am 1 ten September 1828 vom Superintendent M.Starcke feierlich eingewiesen. In diesen beyden Aemtern hat nun unser würdiger Jubilar fast 37 Jahre hier in Delitzsch höchst segensreich gewirkt, und auch durch Privat-Unterricht, besonders musikalischen, sich sehr verdient gemacht. Wohl äußerst selten hat ein Lehrer die allgemeine Hochachtung der Aelteren und die Liebe der Kinder mit Recht in so hohem Grade beseßen, wie Herr Grellmann. Es konnte daher nicht fehlen, daß dieses Jubelfest die allgemeinste Theilnahme fand, und wirklich glänzend begangen wurde. Ueber die Feier deßelben verweise ich auf die angefügte Beylage. In No. 2 des Delitzscher Kreisblattes sprach hierauf der Jubilar in folgenden einfachen und herzlichen Worten seinen Dank aus: „Den hochverehrten geistlichen und weltlichen Behörden dieser Stadt, meinen theuren Herren Collegen, der Bürgerschaft und namentlich meinen vormaligen lieben Schülern und Schülerinnen, welche durch so vielfache Zeichen der Liebe und Verehrung den Tag meiner fünfzigjährigen Amtsjubelfeier mir auf eine so erquickende Weise verherrlicht haben, spreche ich hierdurch öffentlich nochmals meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank aus, mit dem innigsten Wunsche, daß der Höchste diese theure Stadt, welche die Bildner ihrer Jugend durch so große Beweise der Anerkennung in ihrem schweren Werk stärkte, in allen Beziehungen segnen möge.
Delitzsch den 4ten Januar 1865.
Grellmann.“
Möge Gott ihn, den gewissenhaften und treuen Arbeiter in seinem Weinberge noch lange, wie bisher, bey rüstiger geistiger und körperlicher Kraft erhalten, und in seinem segensreichen Berufe unter uns wirken laßen; das erhebende Bewußtseyn strengster Pflichterfüllung erheitere und beglücke sein Alter!
Am 31ten Januar früh um 2 Uhr starb nach langen Leiden der hiesige praktische Wundarzt und Geburtshelfer Friedrich August Rathmann. Dieser Mann verdient hier eine anerkennende Erwähnung, weil er in den beyden genannten Zweigen der Heilkunst in einem langen Zeitraum von fast 40 Jahren mit treuer Pflichterfüllung recht viel Gutes zum Wohle der Leidenden Menschheit gewirkt hat. Derselbe war hier geboren den 20ten Januar 1803; nach dem er zu Ostern 1817 die Stadtschule verlaßen hatte, und kein Gymnasium besuchen konnte, so kam er drei Jahre nach Leipzig zum Wundarzt Hayer, und genoß dann noch ein Jahr, besonders um sich die nöthigsten Kenntniße in der lateinischen Sprache zu erwerben, den Privatunterricht des damaligen Archidiaconus M.Morgenstern, eines wegen seiner Kenntniße und trefflichen Lehrgabe sehr geschätzten Pädagogen. Nach Ostern 1821 gieng er auf die Universität nach Halle um die Chirurgie zu studieren, besuchte deßhalb besonders Weinholds Vorlesungen und deßen chirurgische Klinik; hier wurde ihm das Glück zu Theil, da Weinhold seine geistige Befähigung und schnelle Auffassungsgabe richtig erkannte, im folgenden Jahre Aßistent in deßen Klinik zu werden. In dieser Stellung, welche er bis zu seinem Abgange versah, hatte er vielfach Gelegenheit unter Weinholds gründlicher Leitung sich praktisch zu einem tüchtigen Chirurgen auszubilden, was ihm für sein ganzen späteres Leben und Wirken großen Vortheil gebracht hat; denn er war kein Wundarzt vom gewöhnlichen Schlage, sondern zeichnete sich durch wißenschaftliche Bildung im Fache, besonnenen Fortschritt und vorzügliche Technik, besonders bey der Behandlung von Cupationen , Fracturen, eingeklemmten Brüchen u.s.w. aus. Nachdem im September 1824 erfolgtem Tode seines Vaters gieng er zu Michäelis von Halle ab, um die Verwaltung des väterlichen Grundstücks mit starkem Ackerbau und der Abdeckerei-Gerechtsame zu übernehmen. Im Junius 1825 machte derselbe sein Examen als Wundarzt bey dem Provincial-Medicinal-Collegio in Magdeburg, und erhielt die Censur „sehr gut“, und im Mai 1828 bey derselben Behörde das Examen als Geburtshelfer, in welchem er die Censur „sehr gut“ bekam. Um sich zu diesem letztern Examen gründlich vorzubereiten, gieng er vorher zwey Monate lang nach Halle, hörte täglich bey Niemeyer ein collegium privattismum über Geburtshülfe und besuchte auch deßen geburtshülfliche Klinik. Auch in diesem Fach hat er mit vielem Glück und großer Kunstfertigkeit prakticirt, so daß er mit Recht das größte Vertrauen genoß, und ebenso, wie früher der selige Dr. Stoehrer und der verstorbene Wundarzt Timmermann, lange Zeit der gesuchteste Geburtshelfer bey uns war. Auch als Schriftsteller hat er sich einmal versucht durch Mittheilungen eines rein praktischen Aufsatzes über einen seltenen von ihm mit Glück behandelten
Fall „Entbindung von Zwillingen bey einem Prolaphus vaginae et uteri completus,“ abgedruckt in der Berliner medicinischen Vereinszeitung, Jahrgang 1841, pag.159. Im Jahre 1859 fieng die Gesundheit dieses sonst so rüstigen, mit einer wahrhaft athletische Körperkonstitution beglückten Mannes an sehr zu leiden; er verfiel sichtlich, verlor auffallend an Fleisch und Kräften und litt an Brustbeklemmung, welche sich öfters während des Gehens bis zu einem höchst schmerzhaften Asthma steigerte, so daß er Minuten lang nicht von der Stelle konnte; die Ursache dieser Leiden war eine Uebernährung des Herzens mit Klappenfehlern; in Folge der angewendeten Arzneimittel trat manchmal eine periodische <erleichterung ein, welche aber niemals lange bestand, und so trat denn endlich nach langem Siechthum, während deßen er aber immer noch seinen Beruf möglichst betrieb, im Frühjahr 1864 das begleitende Symptom der meisten Herzkrankheiten, die Waßersucht ein, erst durch Anschwellung der Füße und dann durch Bauch-und Brustwaßersucht so wie allgemeine Verbreitung über den ganzen Körper, und führte seinen Tod am 31ten Januar herbey. Erwähnen muß ich noch, daß der Verstorbene unserer Gottesackerkirche am 1 ten October 1849 ein freilich nur kleines Kapital von 25Rtl. als Legat geschenkt hat, über deßen Verwendung die vom Schenkgeber getroffenen Bestimmungen in dieser Chronik pag.150 zu lesen sind. Damals wollte der Geber unbekannt bleiben.
Der im vorigen Jahre in Anregung gebrachte Verschönerungs-Verein trat in diesem Jahre in Wirksamkeit. Die Mitgliederzahl bestand aus 116 ordentlichen und 24 außerordentlichen Mitgliedern, welche einen jährlichen Beitrag von circa 180 Rtl. ausbrachten. Zum Vorsitzenden wurde erwählt der Kreisgerichts-Director Lampugnani, zum Schriftführer der Bürgermeister Hagedorn und zum Cassirer der Stadtverordneten-Vorsteher Sattler. Es waren Statuten entworfen worden und jeden ersten Mittwoch im Monat wurde vom Vorstand eine Sitzung im Sessionszimmer des Magistrats abgehalten.
Der hiesige Bahnhof hätte Mittwoch Abend den 8ten Februar leicht der Schauplatz eines größeren Unglücks werden können. Ein von Berlin nach Frankfurt gehender Extrazug mit ungeprägtem Silber entgleiste in der Nähe der Dübener Straße. Die Veranlassung dazu war ein Bruch eines Rades vom dritten Wagen des Zuges gewesen. Einzelne Strecken des Schienenstranges sind wie dünner Draht gebogen worden. Unglück ist dabei dem Personale der Eisenbahn und dem den Zug begleitenden Banquire???? Nicht begegnet, und sind diese Personen mit dem blosen Schreck davon gekommen. Die Schienenstränge waren bis Donnerstag Abend schon wieder in Ordnung.
Der Erlös des diesjährigen Holzschlages in der Spröde betrug 515 Rtl. 21 Sgr.
Durch Stadtverordneten-Beschluß vom 14ten Februar wurde die Errichtung der Gas-Anstalt definitiv beschlossen, da die erforderliche Flammenzahl gezeichnet war. Die Bauungsgelder sind auf 30,000 Rtl veranschlagt und ist die Ausführung der Anstalt unter Commission aus 2 Magistrats-Mitgliedern, 2 Stadtverordneten und dem Ingenieur bestehend, übertragen. Als Ingenieur wurde der Director der Leipziger Gas-Anstalt, Westernholz, gewählt, welcher jede Woche während des Baues zweimal hierher kam.
Am Sonntage, den 14ten Mai, fand in dem Communforste in der Spröde ein Waldbrand statt, über deßen Entstehung Nichts bekannt geworden ist. Nach ungefährer Schätzung sind 3 Morgen 20jähriges Holz niedergebrannt.
An des nach Teterow in Mecklenburg abgegangen Lehrers Dr. Höhnemanns Stelle trat zu Johannis der Lehrer der Naturwissenschaften Herrmann Wilhelm Günther aus Gladitz; an des nach Löbejün Ende Mai abgegangenen Lehrers Weber Stelle trat der Schulamts-Candidat Friedrich Bernhard Breder aus Niese im Fürstenthum Lippe-Detmold.
Am 2ten August starb der Lehrer an hiesiger Bürgerschule Albert Gelbke, an dessen Stelle der Schulamts-Candidat Gotthold Paul Rocke, aus Delitzsch gebürtig, trat.
Durch die Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt, wodurch die Einwohnerzahl bedeutend erhöhte, wurde die Stadt in die II.-Steuerstufe versetzt. Die von den hiesigen Gewerbtreibenden zu zahlende Gewerbsteuer beträgt dadurch jährlich circa 1,000 Rtl. mehr.
Der am 3 Iten December 1864 verstorbene hiesige Bürger und Kaufmann Christian Friedrich Schmidt hat durch letztwillige Verordnungen: 1.) der städtischen Armenkasse ein Legat von 1,000 Rtl ausgesetzt, dessen Zinsen alljährlich am 28ten Mai 2 bis 3 verarmten Familien, sogenannten verschämten Armen ausbezahlt werden sollen; 2.) dem Frauen — und Jungfrauen — Verein als Legat seiner verstorbenen Frau, geb. Spirling, 25 Rtl. überwiesen; 3.) dem Verein zur Bekleidung männlicher Confirmanten ebenfalls ein Legat von 25 Rtl. vermacht. Die Einzahlung dieser Legate durch die Erben des Verstorbenen ist am 19ten August erfolgt.
Seine Majistät haben bei Ihrer Anwesenheit in der Provinz Sachsen im Monat September dem Kreisgerichts-Director Lampugnani den Rothen Adler-Orden IV. zu verleihen und den Kreisphysikus Dr. Kanzler zum Sanitätsrath zu ernennen geruht.
Der Kreisgerichts-Rath Pazschke ist zum Director des Königl. Kreisgerichts in Sprottau in Schlesien ernannt worden.
Gestern, Sonntag, den &en October leuchtete Abends zum ersten Male das Gaslicht. Unsere sonst im albdunkel schlummernden Straßen strahlten im schönsten Glanze; auch mehrere Restaurations-Locale und Läden, die den Erlaubnißschein zum Brennen erhalten, waren durch Gas erleuchtet. Sämmtliche Straßen waren mit einer schaulustigen Menge angefüllt, die sich nach dem Marktplatze hinzog, wo ihrer ein recht hübsches Schauspiel wartete Am Balcone des Rathhauses brannten 3 große Sterne, aus unzähligen kleinen Gasflämmchen bestehend, während vom Stadt- Musikchor, welches sich auf dem Balcone aufgestellt hatte, einige Musikstücke vorgetragen wurden. An vielen Punkten sah man bengalische Flammen und Feuerwerke abbrennen und überall gab sich die freudige Erregung des Publikums kund. Nach einem dreimaligen Hoch auf den Director der Leipziger Gasbeleuchtungs-Anstalt, Herrn Westerholz, welchem die Inbetriebsetzung der Anstalt übertragen war, und der sich seit gestern hier befand, begab sich das Musikchor zum Herrn Magistrats-Assessor Duimchen und den Herrn Bürgermeister Hagedorn, deren Häuser ebenfalls durch Sterne geschmückt waren und brachte denselben unter dem Hochruf der Menge ein Ständchen. Unfälle sind bis jetzt in keiner Weise vorgekommen, und gebührt den Leitern und Arbeitern der Anstalt deshalb alle Anerkennung.
Am 26ten October dieses Jahres starb im 33ten Lebensjahre die Gattin des hiesigen Apothekers Carl Freyberg, Friderike geborene Meißner. Um ihr Andenken zu ehren hat der hinterlassene Gatte der hiesigen Armenanstalt laut Schenkungs-Urkunde, Delitzsch den 14ten März 1866 und Recognitions-Verhandlung des Königl. Kreisgerichts hierselbst vom 8ten April 1866 einen Obstgarten von circa 2 Morgen in der Nähe der Gertitzer Spitze geschenkt, mit der Bestimmung, daß alljährlich an dem Todestage der Frau Apotheker Freyberg der Pachtertrag dieses Gartens — zur Zeit 21 Rtl. unter fünfzig Armen vertheilt werde. Sollte es einmal räthlich oder nöthig sein, dieses Grundstück zu verkaufen, so soll doch der Erlös möglichst bald in Grund und Boden wieder angelegt werden, was der Schenkgeber hiermit ausdrücklich bedingt, und zugleich wünscht, daß sein Name wenigstens bei seinen Lebzeiten, nicht öffentlich genannt werde. Die Uebergabe ist den 30ten März 1866 erfolgt.
Neue Wohnhäuser wurden in diesem Jahre gebaut von: Pannicke Zimmermeister, Richter, Karl Heinrich, Bahnhofswärter, Böhme Julius, Gärtner, sämmtlich in der Leipziger Vorstadt, Bruder August, Maurer, Voigt Wilhelm, Maurermeister, Schulze Heinrich, Dachdecker, Felix Louis, Zimmermeister, Eulenberger, Fridrich August, Tischlermeister, Bruder Eduard, Cigarrenmacher, an der Dübener Straße, Fritzsche Wilhelm, Oeconom, in der Halleschen Straße, Rathmann August, Oeconom, in der Scheungasse, Richter Franz, Tischlermeister, am Pfortenplatz, Werner Ferdinand, Seilermeister, in der Leipziger Straße, und Wittig Albert, Boten- Fuhrmann, in der Ritterstraße. Sodann wurden von der Stadt-Commun die Gebäude von der Gas-Anstalt hinterm Bahnhofe an der Eilenburger Straße bestehend aus Wohnhaus, Fabrikgebäude mit eingebautem Kesselhause, Schuppen und Gasometer, neu erbaut. Endlich stellte der Mühlenbesitzer Herrmann Wittig in der Naundorfer Sandmark am Schenkenberger Wege seine Windmühle, welche bisher in der Nähe von Leipzig gestanden hatte, auf.
In diesem Jahre wurden 339 Kinder geboren (inc1.13 Todtgeborenen und 36 Uneheliche), dagegen sind 244 Personen gestorben.
Der Einrichtung der Gasbeleuchtung nahmen von Ende October an Mittwochs die Abend-Gottesdienste in der Hospitalkirche ihren Anfang Die Armenkasse erhielt in diesem Jahre von verschiedenen Gesellschaften und Privatpersonen an Geschenken 48 Rtl. und 3 Sgr., und vom Kreis- Armenfond 550 Rtl.Zuschuß.
1866
Am llten Januar Abends nach 8 Uhr brach im Stallgebäude des Victualienhändlers Gommel in der Halleschen Straße Feuer aus. In wenigen Minuten stand das mit Holzkohle und sonst leicht entzündlichen Stoffen angefüllte Gebäude in hellen Flammen. Ein mit demselben anstoßenden Gebäude des Buchbinder Müller war ebenfalls bald vom Feuer ergriffen. Diese Feuersbrunst, welche bei dem heftig wehenden Winde ohne das schnelle Eingreifen der rasch herbeigeeilten Mannschaften wahrscheinlich einen bedeutendem Umfang und ein erhebliches Brandunglück zur Folge gehabt haben würde, ist durch die Anstrengungen der Löschmannschaften auf ihren eigentlichen Herd beschränkt und in kurzer Zeit gelöscht worden. Ganz besonders hat sich auch hier die freiwillige Feuerwehr ausgezeichnet, deren Mitglieder sich mit Selbstverleugnung der Gefahr aussetzten.
Als Folge des ebenerwähnten Feuers bildete sich im Januar dieses Jahres ein Verein, welcher sich die Aufgabe stellte, das Institut der Turner-Feuerwehr nach allen Richtungen hier zu kräftigen und sowohl durch Geld als durch Schutz —und Föderungsmittel aller Art zu unterstützen. Es kamen bis zum 12 ten Februar dieses Jahres durch freiwillige Beiträge unserer opferwilligen Bürgerschaft 162 Rtl. 27 Sgr. an die Kasse des Turner-Feuerwehr- Unterstützungs-Verein ein.
Wegen Vereinigung der Grünstraße mit der Stadt und der dadurch entstandenen Vermehrung der Amts-Geschäfte wurde noch ein dritter unbesoldeter Magistrats-Assessor in der Person des Kaufmanns C.Louis Dittmar gewählt. Derselbe wurde in der Stadtverordneten-Sitzung am 23ten Februar durch den Bürgermeister eingeführt und vereidigt.
Für Waldstreu aus der Spröde wurden 15 Rtl und für verkaufte Hölzer pp.622 Rtl. 5 Sgr. gelöst.Das Schulgeld für sämmtliche Klassen an der Bürgerschule wurde von 2 Rt1 auf 3 Rtl. jährlich erhöht, wogegen an der Volksschule (am Gottesacker) der bisherige Schulgeldsatz von 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf jährlich unverändert blieb.
In den Morgenstunden des 19ten Mai früh um 4 und 5 Uhr trat ein sehr starker Frost ein, welcher die Baumblüthe total zerstörte und die Obsternte vernichtete, auch der Blüthe des Wintergetreides erheblichen Schaden zufügte. Die Folge davon war, daß in diesem Jahr die Kirschen — und Pflaumenplantagen nicht verpachtet werden konnten und das wenige Obst sehr theuer war.
In Folge des zwischen Preußen einerseits und Oesterreich andererseits wegen der getheilten Herrschaft in Schleswig-Holstein ausgebrochenen Krieges hatten wir am 16ten Mai die erste starke Einquartierung hier, Es rückten nämlich an diesem Tage des Mittags das bisher in Halle in Garnison gestandene 2 ten Bataillon und 2 Compagnien des Füselier-Bataillons vom 27ten Infantrier-Regiment nebst dem Regiments-Stabe und den beiden Bataillons-Stäben hier ein, welche des anderen Morgens weiter in die Richtung auf Eilenburg abmarschierten. Es lagen hier an diesem Tage hier zusammen im Quartier: circa 1,700 Mann. Es haben außerdem noch 2 Batterien vom 4ten Feld-Artillerie-Regiment, am 7 und 8. Juni das 2te und Füfelier-Bataillon des 8. Westphälischen Infantrie-Regiments Nr. 57, sowie am 9ten Juni 6 Compagnien vom 3ten Rheinischen Infantrie-Regiment Nr.29 und in dieser Zeit eine Division vom 7ten Armee-Corps sowie auch das General-Commando des &en Armee-Corps unter dem General Herwarth von Bitterfeld, dem nochmaligen Führer der Elb-Armee hier im Quartier gelegen. Die gesammte Einquartierung in der mobilen Zeit hat ungefähr 6,000 Mann betragen. Durchmarschiert sind außer vielen kleinen Commandos,das 12te Husaren-Regiment, 2 UlanenRegimenter (eins vom 7ten und eins vom 8ten Armeecorps) Munitions-und Proviant-Colonnen, sowie sehr viel Infanterie und Artellerie.
Im Mai kam in eine neudotirte Stelle der Schulamts-Candidat Herrmann Theodor Gießler, gebürtig aus Questenberg in der Grafschaft Stolberg- Stolberg welcher aber schon zu Michaelis wieder abging. An dessen Stelle trat der bisherige Lehrer in Rödgen b.D. Carl Gustav Herrmann Kiemstedt, gebürtig aus Wittenberg.
Das Schulbau-Kapital von 20,500 Rtl., welches die Stadt-Commun mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten der Provinz Sachsen vom 20.Januar 1860 laut Stadt-Obligation vom 1 Oten Februar 1860 aus der Sparkasse geliehen hatte, wurde von da ab aus den Ueberschüssen der Sparkasse nach und nach getilgt und verzinst, und zwar in diesem Jahre aus den Ueberschüssen des verflossenen Jahres der Rest mit 2,500 Rtl. Die ebenfalls aus den Ueberschüssen aus der Sparkasse bewirkte Verzinsung des Kapitals beträgt zusammen 2,720 Rtl, sodaß überhaupt von der Sparkasse an kapital und Zinsen 23,220 Rtl. gezahlt wurden..
Im Juni bildete sich wie anderwärts so auch hier ein Lokal-Verein zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, welcher sich zur Annahme von Geldbeiträgen und Gegenständen zu Lazareth Bedürfnissen bereit erklärte.
Am 21 ten Juni Mittags wurden von der hier untergebrachten, der Militär- Verwaltung gehörigen Ochsen, aus dem Gehöft des Oeconom Theodor Kühne vor dem Leipziger Thore 3 Stück durch eine fremde Person, angeblich für die in Leipzig stationirten Truppen, abgeholt. Bald stellte sich jedoch heraus, daß die Ochsen durch einen Unberechtigten in diebischer Absicht abgeholt waren. Nachgesandte berittene Militairpersonen holten in der Nähe von Eutritzsch den Dieb mit den Ochsen ein und wurde derselbe des Abends gebunden hier eingeführt.
Auf König Anordnung fand wie in der ganzen Monarchie so auch hier ein Bettag wegen glücklichen Ausgang des Krieges Mittwoch den 27ten Juni durch Vor — und Nachmittags — Gottesdienst statt
Beilage: Das Schulbau-Kapital 20,500 Rtl, Welches die Stadt-Commun mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten der provinz Sachsen vom 20ten Januar 1860 laut Stadt-Obligation vom lOten Februar 1860 aus der Sparkasse geliehen hatte, wurde in folgenden Summen aus den Ueberschüssen der Sparkasse getilgt und verzinst, und zwar:
im Jahr 1860 aus den Ueberschüssen des Jahres 1859 mit 3,000 Rd Kapital
1861 1860 3,000 Rt1und 700 Rd Zinsen
1862 1861 1,000 Rd Kapital und 580 Rd Zinsen
1863 1862 2,000 Rd Kapital und 540 Rt1 Zinsen
1864 1863 3,000 Rt1 Kapital und 460 Rd Zinsen
1865 1864 6,000 Rt1 Kapital und 340 Rt1 Zinsen
1866 1865 d.Rest 2,500Rt1 Kap.und 100Rt1 Zinsen
Summa 20 500 Rtl. Kap, u. 2,720 Rd Zinsen
Am 9ten Maerz erhielt der Verfaßer dieser Zeilen von der Hospital- Inspection ein Schreiben vom 6ten des Monats mit der Benachrichtigung, daß sein Gehalt als Hospital-Arzt, welches Amt derselbe bereits 18 volle Jahre für 25 Rtl. jährlich verwaltet hatte, mit Genehmigung der König!. Regierung in Merseburg von Anfang dieses Jahres an auf 50 Rtl. erhöhet worden sey. Diese Freude war ihm eine ganz unerwartete, und dies umso mehr, als er, zumal nach den sehr unangenehmen Vorfallen vor drei Jahren bey der Wiederbesetzung der Stadt-Armen-Arzt-Stelle, nicht im Entferntesten daran gedacht oder es gar gewagt hätte um eine Gehaltszulage zu bitten. In seinem Antworts-Schreiben vom lOten Maerz sprach daher derselbe der Hospital-Inspection für diese ehrenvolle Anerkennung treuer Pflichterfüllung seinen herzlichsten und verbindlichsten Dank aus. Es hatte sich ein Frauen-Verein zur Unterstützung zurückgebliebener Landwehr-Männer-Familien gebildet, welcher bis zum 13ten Juli an baarem Gelde 154 Rt19 Sgr. durch freiwillige Beiträge eingenommen hatte. Davon sind im Monat Juni 18 Frauen mit 18 Rd und im Monat Juli 51 Frauen mit 90 Rtl. 15 Sgr. unterstützt worden, mithin ausgegeben worden 104Rt115 Sgr. und blieben noch im Bestande 49 Rtl. 24 Sgr.
Der bereits auf voriger Seite erwähnte Hülfsverein zur Unterstützung der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger hat am 27ten Juni bis 3 August an freiwilligen Beiträgen im Delitzscher Kreise 4,190 Rtl. 11 Sgr. 4 Pf eingenommen, welche besonders zu dem bald auf Höheren Befehl im hiesigen Königlichen Schloß errichteten Lazareth verwendet wurden. Ein Theil genannter Summe wurde zurückbehalten, um damit später noch Landwehrmänner, welche durch die Strapazen des Krieges an ihrer Gesundheit gelitten haben, unterstützen zu können.
Am 28ten Juni früh um 2 Uhr brach in der Eilenburger Straße in den zusammengrenzenden Glasermeister Scheibenschen und Tischlermeister Rülkeschen Hintergebäuden Feuer aus und legte diese sowie einen Stall in Asche. Den rasch herbeigeeilten Mannschaften der Turner — und städtischen Feuerwehr gelang es bald, des Feuers Herr zu werden und die hart bedrohten, theils schon in Brand gerathenen Vorder-Gebäude zu retten.
Die Nachricht von dem glänzenden Siege unserer tapferen Armee über die vereinten österreichischen und sächsischen Truppen am 3ten Juli bei Königgrätz traf den Tag darauf früh um 10 Uhr hier ein und fand durch Anschläge hier sofortige Verbreitung. Viele Häuser haften geflaggt. An demselben Tage (4ter Juli) Abends um 6 Uhr fand in hiesiger Stadtkirche ein Dank-Gottesdienst statt, wobei der Herr Superintendent Weinrich die Predigt hielt. Um 9 Uhr war auf dem Markte Choralmusik und Aufzug der Turner-Feuerwehr.
Auf Höheren Befehl wurde unser Schloß, welches zur Zeit eine Strafanstalt für weibliche Gefangene ist, zu einem Reserve-Lazareth eingerichtet. Die Sträflinge wurden auf drei Monate in der Corrections-Anstalt zu Zeitz untergebracht und das nöthige Aufsichts-Personal mitgegeben. Am lOten nun trafen 2 Extrazüge mit Verwundeten Preußen, Sachsen und Oesterreicher, zusammen 274 Mann, hier ein. Der größte Theil derselben wurde einstweilen, da das Lazareth noch nicht vollständig eingerichtet war, von hiesigen Einwohnern freiwillig in Quartier und Pflege genommen und nur ein kleiner Theil, nämlich die Schwerverwundeten, wurden im Lazareth untergebracht. Von den hiesigen Ärzten übernahmen die Behandlung der verwundeten im Lazareth: der Königl. Kreisphysikus Dr. Kanzler, die practischen Aerzte und Wundärzte Dr. Buchholz und Dr. Laue, sowie der Kreischirurg Rudloff, welche ein Jeder ein monatliches Honorar von 50 Rt1 von dem Unterstützungsverein zur Pflege der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger erhielten. Außerdem wirkten noch mehrere noch angenommene Arztgehülfen zur Besorgung der Verbände u.s.w.mit, welche Jeder ebenfalls ein Honorar, und zwar monatlich 20 RtI erhielten. Uebrigens wurde von hiesigen Einwohnern sehr viel Chargie und Leinwand zu Verbandstücke dem hiesigen Lazareth geschenkt.
Gestorben sind von den Verwundeten: 1) der Musketier Wilhelm Schulenburg, vom 3ten Magdeburgischen Infantrie-Regiment Nr. 66, aus Wiebick, Kreis Gardelegen (beerdigt am 24ten Juli Abends 6 Uhr); 2.) der sächsische Reiter Carl Eduard Zothe aus Leipzig; dessen Leiche wurde am 25. Juli um 5 Uhr von seinem Vater nach Leipzig mittelst Wagen abgeholt. 3.) der österreichische Soldat Lattner aus Wien (beerdigt am 26. Juli Abends 6 Uhr); 4.) der österreichische Infantrist Anton Kördi aus Ungarn (beerdigt am 7.August Abends 6 Uhr); 5.) Christoph Müller aus Roggendorf in Böhmen, vom 73ten österreichischen Infantrie-Regiment (beerdigt am 20ten August); der Garde-Landwehrmann Georg Beitzel aus Bodendorf, Kreis Aarwider, Reg. Bezirk Coblenz (gestorben am 5.September); 7.) Daniel Bertachini vom30ten Infantrie-Regiment aus St Puinare bei Rowigo in Venetien (gestorben am Sten September).
Sämmtliche hier Beerdigte wurde mit allen ihnen, zukommende Ehrenbezeigungen zur Ruhe bestattet. Den Trauerzug eröffnete jedesmal ein Musikchor, dann folgte die Schützengilde und die Veteranen; hierauf folgte der reich mit Kränzen und den militärischen Abzeichen des Verstorbenen geschmückte Sarg, welcher von den Schützen getragen wurde. Hieran schlossen sich die Geistlichkeit, die Verwaltungsbeamten, die leichten verwundeten Preußen, Oesterreicher und Sachsen, Mitglieder des Magistrats und des Verpflegungs-Comites. Nach Beendigung der Bestattungsfeierlichkeit gaben die Schützen eine dreimalige Salve über des Kriegers Grab und zogen dann die Militairs unter den Klängen des Düppel- Marsches u.a. nach dem Lazareth zurück.
Verwundet sind: 1., der Musketier Karl Theodor Heyme am 3.Juli bei Gröpritz. Leicht verwundet der Gefreite vom 6ten Dragoner-Regiment Ernst Blosfeld (ein Schuhmacher) am 26. Juli im Gefecht bei Roßbrunn in Baiern; der Cigarren-Arbeiter Theiß, verwundet durch einen Schuß in den Arm, wodurch 2 Finger der einen Hand steif wurden; er erhielt vom Staat eine jährliche Pension von 120 Rtl.
Gestorben sind: der Füsilier Karl August Herrmann Sparmann (Sohn des hiesigen Schneiders Sparmann) von der 6.Kompanie 36. Infantrie-Regiments, am 30.Juli im Cantoimement Remlingen in Baiern, an einer Magenkrankheit und wahrscheinlich in Folge der Kriegsstrapazen. der Landwehrmann Friedrich Theodor Franke (Schuhmacher) ein Ehemann 31 Jahre alt, am 19.August an der Cholera hier gestorben, wohin er erst den Tag vorher aus Böhmen zurückgekehrt war. Den Krankheitsstoff hatte er jedenfalls mit aus Böhmen gebracht, wo diese schreckliche Krankheit unter unsern Truppen große Verherrungen anrichtete. Der Musketier Paschy (Sohn des Handarbeiters Paschy) vom 67ten Infantrie-Regiment, starb an der Cholera in Böhmen, wohin er erst wenige Tage vorher von Wittenberg commandiert worden war. Der Secon.Lieutn. Hillmar von Zedtwitz, welcher an den Folgen eines bey Koeniggraetz erhaltenen Schußes in die Brust im Lazareth zu Dresden später starb
Zum Besten der im Kriege verwundeten und erkrankten Krieger und der Hinterlassenen der Gefallenen wurden folgende Concerte veranstaltet:
vom Herrn Organist Grellmann am 12.Juli Abends 7 Uhr in Schleichers Saale, dessen Reinertrag 15 Rtl. 17 Sgr, 6 Pf. einbrachte; von der Turner-Feuerwehr-Kapelle, dessen Ertrag 12 Rtl. 20 Sgr.3 Pf. lieferte; vom Seminarist Voigtmann (seit dem lten October 1867 Organist an der Hauptkirche in Sangerhausen), welcher am 2. August ein Orgel-Concert in unserer Stadtkirche veranstaltete, dessen Reinertrag 12 Rtl. 13 Sgr. 6 Pf. betrug. Diese Summe wurde in einem Sparkassenbuch niedergelegt und dasselbe vom Herrn Superintendent Weinrich der Wittwe des am 19.August hierselbst verstorbenen Landwehr-Manns Franke als Unterstützung überreicht. Siehe die Beilage. Voigtmann ist 1847 hier geboren.
Da die asiatische Cholera in Leipzig und Halle bereits seit der Mitte des Juli stark aufgetreten war, so mußte man mit Grund fürchten, daß dieselbe nach siebzehnjähriger Abwesenheit auch in unserer Stadt wieder einmal ausbrechen würde. Es wurden daher Vorkehrungen getroffen, um wo möglich die drohende Gefahr abzuwenden; zu diesem Zweck ward eine Sanitäts-Commißion gebildet, welche am 26ten Julius ihre erste Sitzung hielt, und ferner noch am 13ten und 28ten August, am 24ten September, am 22ten October und am 16ten November deßhalb zusammen trat. Sie bestand aus dem Magistrats-Aßeßor Heinze als Vorsitzenden und den Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler, Dr Ideler, Dr. Laue, Apotheker Freyberg, Rector Giesel, Stadtverordneter Troitzsch und den Fabrikanten Schroeter und Starkloff. Da bekanntlich die Stuhlausleerungen der Cholerakranken und selbst solcher, die an dem geringerem Grad, der Cholerine leiden, die Träger des Ansteckungsstoffes sind, so wurde um diese unschädlich zu machen und mit Beseitigung der über riechenden Ausdünstungen zugleich den Keim der Cholera zu vernichten, die Desinfection Abtritte, Düngergruben und Nachtstühle mit Chlorkalk oder Eisenvitriol verordnet. Der Magistrat ließ die Desinfection der Abtritte und Düngergruben durch drei Arbeiter besorgen, und es wurden für den vom August bis October dazu in der Auflösung verwendeten Eisenvitriol so wie auch für Arbeitslohn an Kosten 110 Rtl. 22 Sgr. 4 Pf. aus der Kämmereikaße bezahlt Dieser wohlgemeinten Maßregel widersetzten sich anfänglich mehrere Hausbesitzer, fügten sich aber nach ergangener Androhung von Geldstrafe bis 3 Rtl. oder entsprechender Gefängnißstrafe. Ueber die Vorsichtsmaßregeln, welche Jeder zur Verhütung der Cholera in Hinsicht der Kleidung, Lebensweise und der Diät zu beobachten hat, wurden die nöthigen Belehrungen und Warnungen im Kreisblatt mitgetheilt. Am 18ten August erfolgte der Ausbruch der Epidemie, welche in der zweiten Hälfte des September ihren Höhepunkt und am 18ten October ihr Ende erreichte. Die Zahl der Erkrankten betrug 69, die der Gestorbenen 48.
Von diesen 69 Cholera-Kranken waren nach den Listen behandelt worden vom Kreisphysikus Dr. Kanzler 18, von welchen 12 starben, 2 vom Dr. Ideler, wovon 1 starb, 1 vom Dr. Buchholz, welcher starb, 38 vom Dr. Laue, von welchen 26 starben, 6 vom Dr. Rathmann, von denen 4 starben, und 4 von Kreischirurg Rudloff, welche sämmtlich starben. Im Vergleich mit der Cholera-Epidemie im Jahr 1849 war damals das Resultat in Betreff der Heilbarkeit der Krankheit ein günstigeres als jetzt, indem damals von 141 Kranken nur 42 starben. Der Verfaßer dieser Zeilen hatte in jener Epidemie allein 68 Kranke zu behandeln, von welchen nur 21 starben.
Was die Uebertragung der Cholera durch Ansteckung und Verschleppung betrifft, so war in der diesjährigen Epidemie besonders in zwey Fällen dieses bis zur Evidenz nachzuweisen. Gleich der erste Krankheitsfall am 18ten August bewies dies hinlänglich; es war nämlich der schon oben erwähnte Schumachermeister Friedrich Theodor Franke am genannten Tage gegen Abend hierher zurückgekehrt, wird in der Nacht von der Cholera befallen und starb am 19ten früh um 4 Uhr. Er war als Landwehrmann aus Böhmen gekommen, und hatte den Krankheitsstoff von dort mit hierher verschleppt, denn von nun an verbreitete sich die Krankheit bey uns immer mehr.
Der zweite, vom Verfasser dieser Zeilen selbst behandelte Fall ereignete sich im hiesigen Bürger-Hospital. Die Frau des Hausvaters Schumachermeister Weckerlee hatte nämlich schon seit längerer Zeit eine sechzehnjährige Tochter im Dorfe Stötteritz bey Leipzig bey einer Pflegemutter untergebracht, welche von der dort ebenfalls stark graßierenden Cholera ergriffen, von der Pflegetochter gewartet und am 23ten September gestorben war. Auf die Nachricht hiervon hatte nun die Frau Weckerlee nicht Eiligeres zu thun, als den 25 ten September nach Stötteritz zu reisen und ihre Tochter nebst deren Wäsche, Betten und Kleidungsstücken abzuholen und hierher zu bringen, wobey ich noch bemerken muß, daß in dem Sterbehause der Pflegemutter, so wie in dem Nachbarhause, welche beyde hoch liegen, einem Besitzer gehören und von lauter armen Familien bewohnt und überfüllt sind, bereits 18 Personen an der Cholera gestorben waren, mithin die Krankheit sehr contagiös war. Kaum war die Frau Weckerlee um 9 Uhr Abends im hiesigen Bürger-Hospital mit ihrer Tochter angekommen, so wird die letztere von der Cholera in sehr heftigem Grade befallen, so daß die geängstigte Mutter mich noch denselben Abend um halb 10 Uhr zu ihr ruft. Am anderen Tag war ihr Zustand schon besser, und am dritten den 27ten September war sie außer aller Gefahr und nach wenig Tagen wieder gesund. Am letztgenannten Tage kam aber Abends um 5 Uhr bey der Frau Weckerlee auch die Cholera in hohem Grade mit den heftigsten Wadenkrämpfen zum Ausbruch; die von mir verordneten Arzneymittel versagten ihre Wirkung und um 9 Uhr war die Kranke eine Leiche. Offenbar hat in diesem Falle zur Uebertragung des Ansteckungsstoffs und Erhöhung der Receptivität für denselben die große Angst und moralische Unruhe bey der Frau Weckerleee sehr viel mit beygetragen, denn sie wußte recht gut, daß kein Hospitalit einen anderen bey sich in der Anstalt, welche von 30 Personen bewohnt ist, beherberger darf; und daß sie, wenn die durch sie eingeschleppte contagiöse Krankheit sich in der Anstalt leicht möglicher Weise weiter verbreitet hätte, eine schwere Verantwortung vor der Hospital-Inspection gahabt haben würde. Die zu befürchtende Weiterverbreitung in der Anstalt habe ich durch strenge Desinfections-Maßregeln glücklich verhütet, wobey ich vorzüglich, wie in der Epidemie des Jahres 1849, den Chlorkalk in Gebrauch zog, welchem ich überhaupt vor dem Eisenvitriol unbedingt den Vorzug gebe, weil ich überzeugt bin, daß in allen den Mitteln, wo die Salzsäure Basis ist, eine große Kraft steckt die Contagien zu entkräften und zu zerstören; der Erfolg hat dies hinlänglich bestätigt. Endlich muß ich noch erwähnen, daß das im Jahr 1860 sehr zweckmäßig eingerichtete Leichenhaus (vid.pag.349) sich in der diesjährigen Epidemie als sehr nützlich und nothwendig bewährt hat; denn die Cholera-Leichen wurden nach 12 Stunden in daßelbe transportirt, und dann nach eingetretener Fäulniß von dort aus auf dem Gottesacker in der Stille beerdigt.
Für die durch den Krieg beschädigten Einwohner des Amtes Kaltennordheim im Weimarischen Lande wurde eine Collecte veranstaltet, welche 25 Rtl einbrachte. Der Lehrer Band an der höheren Bürgerschule wurde im Juli als erster Lehrer der höhern Töchterschule in Angermünde erwählt, und ging zu Michäelis dorthin ab. An seine Stelle trat hier der Candidat des höheren Schulamts Bahmann. Nachdem am 30ten August der Friede zwischen Preußen und Oesterreich zu Prag, und am 2Iten October der Friede zwischen Preußen und Sachsen in Berlin durch Verträge zum Abschluß gebracht und somit der Krieg in Deutschland überall beendigt war, befahl der König am 28ten October, die Feier des Friedensfestes in allen Kirchen seines Landes den llten November, am 24ten p.Trinit. durch einen festlichen Dankes-Gottesdienst zu begehen, was auch in unserer Stadt geschah, worüber der Leser wie über die ganze Feier auf die angefügten No.136 und 137 des Kreisblatts verwiesen wird.
Am 24ten November starb im hiesigen Bürger-Hospital der Drechslermeister Christian Gottlieb Wuerker, 81 Jahre alt. Er hatte in dieser Anstalt 33 Jahre gewohnt, war ein stiller, gutmüthiger Sonderling, auch in seiner äußern Erscheinung, lebte höchst einfach und sparsam, und hatte, wie man hörte, von seinen Aeltern ein kleines Vermögen von vielleicht 150 Rtl. geerbt. Wie groß war daher das Erstaunen, als man bey der nach seinem Tode von dem Hospital-Vorsteher Weidenhammer und dem Hausvater Weckerlei vorgenommenen Inventur seines guten Nachlaßes an Wäsche, Betten und Kleidungsstücken noch außerdem 337 Rtl. in lauter einfachen und Doppelthalern vorfand. Da nach den Statuten der Nachlaß eines jeden Hospitaliten der Anstalt zufällt, so erhielt dieselbe in diesem schon einmal 1696 hier vorgekommenen Falle eine ganz unerwartete, nicht unbedeutende Erbschaft. Der Verstorbene hatte, um noch etwas nebenbey zu verdienen, eine lange Reihe von Jahren in der Zeit der Aerndte bey benachbarten Rittergutsbesitzern und Bauern der Feldhüter und Obstwächter gemacht, und den dafür erhaltenen Lohn gesammelt, ohne ihn auszuleihen.
Wegen Mangels eines Klassenlokals und um für die Zukunft die nöthigen Klassenlokale zu gewinnen, wurde das Mädchen-Schulgebäude um ein Stockwerk übersetzt. Die Kosten dafür betrugen 3,000Rt1 und wurden mit Genehmigung des Herrn Ober-Präsidenten von Witzleben aus den Ueberschüssen der Sparkasse entnommen.
Neue Wohnhäuser wurden gebaut von dem Handarbeiter Heinrich Keller an der Dübener Straße, dem Mühlenbesitzer Louis Dittmar, dem Posthalter August Scharff und dem Maurergesellen Franz Edler an der Promenade links vor dem breiten Thore, dem Schiefer —und Dachdeckermeister Robert Uhlig und dem Schuhmachermeister Friedrich Kunze zwischen der Dübener und Eilenburger Straße, dem Viehkastrirer Karl Kunze in der Lindenstraße, dem Bahn- meister Wilhelm Kittel und dem Zimmermeister Ludwig Gieseler in der Bahnhofstraße und von dem Oekonom Wilhelm Fritzsche in der Halleschen Straße ein Hintergebäude als Wohnhaus.
In diesem Jahre sind 334 Kinder geboren (worin 14 Todtgeborene und 49 Uneheliche) und 347 Personen verstorben (worunter in den ersten fünf Lebensjahren 195 und im Alter von 60 bis 90 Jahr 57).
Die Getreidepreise betrugen.
am 3.März
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 15 Sgr. bis 2 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf
Roggen 1 Rd. 28 Sgr. 9 Pf 2 Rtl.
Gerste 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 18 Sgr. 9 Pf
Hafer 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf 1 Rd. 3 Sgr. 9 Pf
am 11.August
der Berliner Scheffel Weizen 2 Rtl. 11 Sgr. 3 Pf bis 2 Rtl. 15 Sgr.
Roggen 2 Rtl. 5 Sgr. 2 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf.
Gerste 1 Rtl, 15 Sgr. 1 Rtl. 16 Sgr. 3 Pf
Hafer 1 Rtl. 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf
Die Kosten für die Unterhaltung der 108 Laternen an Gas betrugen diese Jahr 687 Rd. Die höhere Bürgerschule ward in diesem Jahre von 158 Schülern besucht. In diesem Jahre wurden 1,037 Rtl. 22 Sgr. 5 Pf für Instandhaltung der Spritzen und Löschgerätschaften verwendet; für den Neubau des Steigerhauses allein im Hofe des Mädchenschul-Gebäudes erhielt der Zimmermeister Gieseler 325 Rtl. Aus dem Kreis-Armenfond erhielt die Armen-Kaße für dieses Jahr wieder 550 Rtl. Zuschuß.
Der Communförster Karl Friedrich Pabst ward auf sein Ansuchen in diesem Jahre mit einer jährlichen Pension von 183 Rtl. pensionirt, und trat vom 1.November ab der bisherige Königliche Hülfs-Aufseher Ernst Gustav Herrmann Köring zu Dietendorf bei Zeitz an seine Stelle. Derselbe bezieht außer freier Wohnung und der Schankgerechtigkeit Nutzung des Grases und der Holzfrüchte, Holzdeput und Anweisegeld von 1 Sgr. pro Thaler ein jährliches Gehalt von 175 Rtl. An die Stelle des am 12ten Mai des Jahres verstorbenen Bauverwalters Riemenmeister Johann Christian Heinrich Peisker wurde der Gürtlermeister Karl Krause ( in der Halleschen Straße) angenommen und derselbe am 1.August verpflichtet.
Am 17ten November tobte ein heftiger Sturm aus Westen. (Barometer niedrig)
1867
Von Neujahr des Jahres ab wird die bisher in den Thoren unserer Stadt erhobene Pflastergeleits-Abgabe nicht mehr erhoben.
Zu Anfang dieses Jahres mußte der Kaufmann Johann Samuel Schumann das Amt eines Vorstehers der hiesigen Stadticirche und der damit verbundenen Kirchenlcaßen-Rendantur niederlegen, weil derselbe seit dem 6ten Julius vorigen Jahres in Concurs verfallen ist, und nach dem Gesetz keiner, der Bankrott gemacht hat, ein solches Amt ferner verwalten darf. Schumann ist übrigens ein naher Verwandter des Bürgermeisters Hagedorn, und hat dieses Amt seit dem lten Januar 1862 verwaltet. Daßelbe ist nun dem Kaufmann Ferdinand Zeising übertragen worden.
Nach Wegfall des Pflastergeleits wurden, und zwar das Breitethorhaus an den Schuhmachermeister Gottlob Kunze für 1,600 Rtl. (welcher dasselbe abbrechen ließ und ein neues schönes übersetztes Wohnhaus dahin erbaute), das Hallesche Thorhaus zum Abbruch an den Glasermeister Ferdinand Scheibe für 130 Rtl. im öffentlichen Bietungstermine meistbietend verkauft. Das Leipziger Thorhaus wurde vermiethet.
Dem Königl. Landrath von Rauchhaupt auf Storcicwitz und dem practischen Arzt Dr. Buchholz hierselbst wurde von Seiner Majistät dem König in Anerkennung der während des Feldzuges um die Pflege verwundeter oder erkrankter Krieger erworbenen Verdienste, der Kronen-Orden vierter Klasse verliehen.
Am Sonntage Judica (den 7. April) fand die Einweisung des Diaconus Blankmeister (bisher Hülfsprediger in Döbernitz) durch den Superintendenten Weinrich statt.
Von Neujahr dieses Jahres ab das Gehalt des seit dem 31.März 1860 bei der hiesigen städtischen Sparkasse angestellten Assistenten Friedrich Julius Braune von jährlich 240 Rt1 auf 300 Rtl. erhöht.
Am 10.Mai früh gegen 4 Uhr brach in der Dörfchenmühle in der dortigen Lohmühle Feuer aus und legte dieselbe, sowie die dabei befindliche Wasser- Mühle in kurzer Zeit in Asche. Den angestrengten Bemühungen der von allen Seiten herzugeeilten Löschmannschaflen gelang
es, das hart angrenzende Wohnhaus und die daneben stehende Scheune zu retten. Wie verlautet, war das Mühlengrundstück nicht versichert und ist demnach der entstandene Verlust nicht unerheblich. Auch bei dieser Gelegenheit hat sich die Turner-Feuerwehr ausgezeichnet.
Zu den Seite 389 aufgeführten Unterstützungsgeldern von 4,190 Rd 11 Sgr. 4 Pf kamen noch bis 26.Juni dieses Jahres hinzu 52 Rtl 17 Sgr. 10 Pf., sodaß die Gesammt- Einnahme betrug 4,242 Rtl 29 Sgr. 2 Pf. Hiervon wurden bis zu obigem Tage verausgabt an Zuschüssen zur Erhaltung des Lazareths, Unterstützungen an Verwundete und Wittwen von Gefallenen, Cigarren und Tabak pp. 1,370 Rtl. 11 Sgr. 8 Pf., sodaß ein Bestand verblieb von 2,872 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf, welcher auf hiesiger städtischer Sparkasse deponirt ist.
In den Morgenstunden des 23. Und 24. Mai früh gegen 5 Uhr hatten wir die um diese Zeit seltene Erscheinung eines nicht unbedeutenden Schneefalls; das Thermometer stand blos — 2 Reaumur.
Seit 1. August dieses Jahres wurde für hiesige Gas-Anstalt der Gastechniker Friedrich Bendert mit einem jährlichen gehalt von 500 Rtl. und freier Wohnung als Gas-Inspector angestellt und der bisherige Gasmeister Herrfurth entlassen, da des letztern Stelle unnöthig wurde.
Am 4. August ist unserer Feuerwehr ein großer Wunsch erfüllt worden. Sie empfing eine neue Zubringer-Spritze von Baldauf in Chemnitz, welche für den Preis von 308 Rtl. von der Kämmereikasse angekauft worden ist. Um diese Spritze zu probieren und zu übernehmen, war eine größere Uebung der gesammten Compagnie früh 1/4 6 Uhr angesetzt, der unsere städtischen Behörden und die Lösch-Deputation beiwohnten, und bei welcher die meist vorkommenden Exercitien ausgeführt wurden Nach diesen rückte die Compagnie nach dem Halleschen Thore zu der eigentlichen Probe der neuen Spritze. Bei Anlage von 100 Fuß Schlauch trieb die Spritze den Strahl bis auf das Dach des Halleschen Thurmes. Die Kraft des Strahls war ferner so stark, daß, als derselbe auf die Stadtmauer gerichtet wurde, von daher in wenigen Secunden ein Stück zusammenstürzte. Alles war so vollkommen mit der Leistung dieser Zubringer-Spritze zufrieden, daß solche unter der nöthigen Garantie von Herrn Baldauf übernommen und der Feuerwehr übergeben wurde, welche nun im Besitz zweier ausgezeichneter Werke ist Für die Hinterbliebenen der am 1.Juli des Jahres auf der Neuen Fundgrube bei Lugau inm Königreich Sachsen durch den Schacht-Einsturz verunglückten 102 Bergleute sind bei uns durch eine Collecte 101 Rtl. 17 Collecte für Lugau Sgr. 1 Pf. eingekommen, welche an das dortige Hülfs-Comite abgeliefert wurden.
Am 19. August brach in der im Königreich Sachsen gelegenen Gebirgsstadt Johanngeorgenstadt Feuer aus, welches einen großen Theil der Stadt in Asche legte. Für die Beschädigten wurde in unserer Stadt eine Collecte ausgebracht auf Veranlassung des Königl. Ministerii, welche einen Ertrag von 46 Rtl. 23 Sgr. 4 Pf ergab, der an das Königl. Landraths-Amt zur Weiterbeföderung abgeliefert wurde. Außerdem war hier selbst ein großes Vocal- und Instrumental-Concert (bei welchem sämmtliche hiesigen Gesangsvereine mitwirkten) unter Leitung des Cantor Thierbach veranstaltet worden, dessen Einnahme mit 42 Rtl. 3 Sgr. 6 Pf. direct dem Comite in Johanngeorgenstadt zugesandt wurde. Ferner waren durch die Redaction des hiesigen Kreisblattes an Beiträgen zusammen 118 Rtl. 22 Sgr. 9 Pf, sowie 5 Packete Sachen eingesammelt und ebenfalls dem Hülfs-Comite in Johanngeorgenstadt übersendet worden.
Am 19. September Nachts gegen 12 Uhr ertönte Feuerlärm in unserer Stadt. Im Locale der hiesigen Schuhmacher-Association im Hause des Schuhmachermeisters Wilhelm Brendecke in der Zscherne, welcher Lagerhalter der Association ist, war Feuer ausgebrochen, welches aber durch schnell herbeigeeilte Hülfe sofort gedämpft wurde. Trotzdem soll der verursachte Schaden in jenem Warelager ein sehr bedeutender sein, da durch die große Hitze ein Theil der Waaren unbrauchbar geworden ist. Nach einigen Tagen wurde der Brendecke wegen Verdachts der Brandstiftung durch das hiesige König]. Kreisgericht verhaftet und zur Untersuchung gezogen, später aber wieder entlassen, und freigesprochen.
Der Organist Grellmann erhielt für den Organistendienst in der Hospitalkirche von Michäelis diese Jahres ab jährlich 8 Rt1 aus der Hospitalkasse als Besoldung.
Am 21. September wurde der Neubau der Kirche nebst Pfarre-und Schulwohnung für die hiesige katholische Gemeinde gerichtet. Mit der Ausführung des Baues sind der I. Creisbaumeister Lipke, der Maurermeister Taneck und der Zinzenermeister Pannicke betraut. Die Kosten des Baues wurden durch Liebesgaben bestritten.
Sonntag den 6ten October früh 5 Uhr brach in der Scheune des Mühlenbesitzers Höhnemann in Gertitz Feuer aus, welches dasselbe mit den Erntevorräthen in kurzer Zeit einäscherte. Den angestrengtesten Bemühungen, besonders der hiesigen Turner-Feuerwehr gelang es das angrenzende Wohnhaus zu retten.
Am 15ten October Abends gegen 10 Uhr starb der Bürgermeister Carl Hagedorn im 50ten Lebensjahre. Derselbe war geboren in Nordhausen den löten Februar 1818, und war bisher Polizeysecretär in Roßla, von wo er als von den damaligen zwölf Stadtverordneten mit acht Stimmen erwählter Bürgermeister hierher kam, und am 2ten Januar 1850 in sein Amt eingeführt und verpflichtet wurde. Obgleich er nicht Jurist und überhaupt kein Gelehrter war, so besaß er doch eine gute geistige Befähigung und Bildung, wie auch eine bedeutende Geschäftsgewandheft. Aber in seiner Amtsverwaltung war er oft nachläßig, und, was die hauptsache ist, in dem städtischen Haushalte zum großen Unglück für unsere Stadt kein guter Finanzvvirth. Als der selige Bügermeister Securius am lten Januar 1850 sein Amt niederlegte, betrugen die Stadtschulden 18000 Rtl., und bey dem Tode des Bürgermeister Hagedorn nach ebenfalls achtzehn Amtsjahren circa 91000 Rtl. mithin 73000 Rd mehr, wovon allein beynahe 40000 Rtl. auf das gefährliche spekulative Unternehmen des Braunkohlenwerkes kommen, wobey der pp.Hagedorn besonders aber auch sein eignes Intereße mit im Auge hatte, indem er sich schon vorher, noch ehe daran zu denken war, daß das Werk in Betrieb kommen würde, von den zu hoffenden Gewinn- Ueberschüßen zehn Procent ausbedungen hatte, welche ihm aber die Königl. Regierung in Merseburg strich. Das bedeutende, auf das Kohlebergwerk verwendete Kapital, ist leider! ganz nutzlos verschwendet worden und unserer Commun für immer verloren gegangen; unserer Bürgerschaft und den übrigen Einwohnern ist zur Bezahlung der Zinsen dieses Kapitals seit dem lten April 1859 (vid.pag. 318) eine neue Communal-Steuer vom Magistrat auferlegt worden; das Kapital selbst ist aus der hiesigen städtischen Sparkaße, welche unser Rettungsanker in der Noth ist, geliehen worden. (vid.pag. 366). Sehr ist auch zu bedauern, daß, nachdem das ganze Unternehmen längst verunglückt und buchstäblich zu Wasser geworden ist, unsere Kämmerei-Kaße noch jetzt und in alle Zukunft jährlich mindestens 100 Rtl. sogenannte Auskohlungsgelder an mehrere Feldbesitzer zu bezahlen hat, weil der pp. Hagedorn vergeßen hatte in dem Contrackt mit den Feldbesitzern zu bemerken, daß, wenn das Kohlenwerk nicht in Betrieb käme, diese Gelder selbverständlich wegfielen. So ist auch noch dieses Unglück dazu gekommen.
Das zweite großartige von dem pp. Hagedorn angeregte und eifrigst betriebene Unternehmen war die Errichtung einer Gasbeleuchtungs-Anstalt im Jahre 1865, deren Baukosten 35000 Rtl. betragen, von welchen 30000 Rtl. bey der Leipziger Feuer-Versicherungs-Gesellschaft dazu geborgt wurden. Bis jetzt hat diese Anstalt der Commun noch sehr wenig reinen Gewinn eingebracht, zumal da immer noch Reparaturen und Baulichkeiten dabey vorgekommen sind, und manche kein Gas mehr brennen; wir wollen hoffen und wünschen, daß es in Zukunft beßer wird. Das dritte vom pp. Hagedorn ausgeführte Projekt ist die Einrichtung der Kellerräume unter dem Rathhause zu einer Rathskellerwirthschaft, welcher Bau 1000 Rtl. gekostet hat und im Sommer 1863 vom Maurermeister Voigt übernommen wurde. Der Pächter erhielt eine Wohnung in dem gleichzeitig an der Stelle des Marstall-Gebäudes auf dem Rathhaushofe erbauten Hintergebäude. Die gehegten Erwartungen von dem Ertrag der Kellerwirthschaft giengen aber nicht in Erfüllung, indem bis jetzt kein Pächter lange bestehen konnte, und der Pacht in der kurzen Zeit von vier Jahren von 220 Rtl. auf 80 Rtl. herab gesunken ist.
In Delitzsch ist übrigens diese Keller-Wirthschaft niemals im Rathhause selbst eingerichtet, sondern immer nur im Hause eines Bürgers, welcher sie pachtete, gewesen; von jeher hat man nur in kleinen Städten und Marktflecken diese Einrichtungen im Rathhause selbst gefunden. Es scheint ferner mit dem Ansehen eines solchen Hauses, in deßen Paterre-Räumen der Magistrat und in der ersten, zweiten und dritten Etage ein höheres Dicasterium (Gerichtshof) ihren Sitz haben, gar nicht recht vereinbat zu seyn, wenn in den Souterrains sich eine solche Kellerwirthschaft und Kneipe vorfindet. - Was unter der Verwaltung des Bürgermeisters Hagedorn zur Erweiterung unserer Schulen durch Neubaue und Vermehrung der Lehrkräfte geschehen ist, war unbedingt nothwendig; so wurde im Jahr 1857 die neue Knabenschule am Gerberplan mit einem Kostenaufwand von 20500 Rtl. erbauet; dieses Kapital wurde nebst 2720 Rtl. Zinsen in den sieben Jahren von 1860 bis 1866 aus den Ueberschüßen der städtischen Sparkasse mit Genehmigung des Herrn Oberpräsidenten von Witzleben nach und nach ganz getilgt. Ebenso wurde auch, um noch zwey geräumige Klaßen-Locale zu erhalten, im Jahre 1860 die Vorstadtschule mit einem Kostenaufwand von 1500 Rtl um ein Stockwerk übersetzt, so wie endlich noch ihm Jahre 1866 die Mädchenschule, um bey der stark zunehmenden Bevölkerung mehrere nöthige Klaßen-Locale zu gewinnen, mit einem dritten Stockwerk übersetzt, wofür die Kosten 3000 Rtl. betrugen, und ebenso aus den Ueberschüßen der Sparkasse entnommen wurden. In den 1854 und 55 wurde auch der Neu—und Umbau des Bürger-Hospitals ausgeführt, welcher 8000 Rtl. kostete, und im Jahre 1864 erhielt die schöne Kirche deßelben eine neue Orgel, worüber, wie über die Verbesserung der Schulen, jeder wahre Menschenfreund sich nun freuen kann, zumal da die Mittel dazu vorhanden waren, und keine Schulden deßhalb gemacht zu werden brauchten, denn unser Hospital hat deren keine, und in der Einrichtung deßelben ist nichts weiter zu wünschen übrig, als daß die Bewohner dieser trefflichen Anstalt noch das Brod bekommen, um das wir alle täglich Gott bitten, was aber wegen des jährlichen Zuschußes von 200 Rtl. zur Kinder-Bewahr-Anstalt bis jetzt leider noch nicht möglich geworden ist. Zieht man nun einen Vergleich zwischen der achtzehnjährigen Verwaltung des seligen Bürgermeister Securius und der ebenso langen seines Amts-Nachfolgers Hagedorn, so ergiebt sich von selbst, daß der erstere ein ausgezeichneter Finanzwirth war, daß zu seiner Zeit bey halb so viel Einkünften es doch in der Kämmerei-Kaße niemals an Gelde fehlte, daß er stets den Grundsatz befolgte seinen Mitbürgern alte Communal-Abgaben abzunehmen, aber keine neuen aufzulegen; als Beweise dafür müssen angeführt werden; daß im Jahre 1834 das Schutzgeld und vom lten Januar des Jahres 1848 das Schoß- und Wächter-Geld, welches letztere jährlich der Kämmerei-Kaße 386 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf. einbrachte, für immer wegfielen; daß ferner die Stadt-Kriegsschuld von 7980 Rtl. , welche der pp. Securius bey seinem Amtsantritt vorfand, bis zum Jahre 1839 getilgt wurde; daß endlich im Jahre 1848 der 1474 Rtl. 24 Sgr. 2 Pf. betragende Kosten- Antheil unserer Stadt-Commun für die Erneuerung des Daches der Stadtkirche auf der Mittags-Seite mit Genehmigung der Königl. Regierung aus der Kämmerei-Kaße, weil Geld da war, entnommen werden konnte, wodurch den Einwohnern eine große Erleichterung gewährt wurde. Die drei Schöpfungen des seligen Securius, nämlich die Einzel-Verpachtung des Commun-Gutes, die Errichtung der Sparkaße. Beyde im Jahre 1848, und die Uebersetzung des Rathhauses mit noch zwey Stockwerken im Jahre 1849, sind noch heute die reichsten Segensquellen und Retter für unsere Commun. Von der Verwaltung des Bürgermeisters Hagedorn können solche erfreulichen Nachrichten leider nicht berichtet werden; wenn wir auf der einen Seite der Wahrheit gemäß das bereits erwähnte Gute, was er gewirket hat, gern anerkennen, so ist doch aber auf der andern Seite durchaus nicht zu leugnen, daß derselbe durch die von ihm eifrig betriebene Ausführung zweyer großartiger spekulativer Projecte, des verunglückten Braunkohlenwerkes und der bis jetzt noch wenig rentirenden Gasbeleuchtungs-Anstalt, eine sehr drückende Schuldenlast unserer Commun aufgebürdet und dadurch ihre Finanzen im Vergleich gegen ihren früheren blühenden Zustand zerrüttet hat, wovon die traurigen Folgen noch in das künftige Jahrhundert sich hinüber ziehen werden. Den Eingeborenen, welcher wahre Liebe zu seiner Vaterstadt hat, berührt dies schmerzlich, den Fremden in der Regel nicht. Möge unter der neuen Verwaltung Gottes reichster Segen als Folge weiser, dringend gebotener, Sparsamkeit recht bald wieder bey uns einkehren!
Am 24ten November erreichte bey hellem und trockenem Wetter das Barometer beynahen den Höchsten Stand, 28,10, und am lten December fiel es auf 27. Am 9ten und lOten war starker Schneefall, am 1 lten Thauwetter und Sturm, am 13ten, 14ten und 15ten tobte wieder heftiger Sturm.
Für die Kirschen an der neuen Straße bis bei Schleicher, sowie an der Leipziger-Brodauer Straße und am Döbernitzer Wege wurden in diesem Jahre 215 Rtl. , für die an der Dübener und Eilenburger Straße 45 Rtl. , am Schießplatze 17 Rtl. , am Gertitzer und Zschernitzer Wege 37 Rtl. 15 Sgr., von der Pflaumenplantage im Hain 62 Rt1 und für die Pflaumenplantage mit Grund und Boden an der Weintraube 123 Rtl. 2 Sgr. Pacht bezahlt.
Die höhere Bürgerschule wurde in diesem Jahre von 162 Schülern besucht.
Die diesjährige Ernte war eine gute Mittel-Ernte, doch sind die höheren Getreidepreise, welche wir schon einige Zeit haben, nicht gefallen, sondern sogar noch gestiegen, da in mehreren Gegenden, unter andern in Ostpreußen, Mißernte war. Bei uns gab es auch sehr viel Obst, besonders Aepfel, Birnen und Pflaumen. Der Scheffel Pflaumen kostete 1 Rtl. bis 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf.
Das Reformationsfest wurde, da es das 350 jährige Jubiläum war, auf Verordnung des Königl. Consistoriums zu Magdeburg Donnerstag am 31. October durch Vormittags—und Nachmittags-Gottesdienst festlich begangen. Mit dem Beginn des Geläutes der Glocken von der Stadtkirche früh 9 Uhr begaben sich vom Rathhause aus im festlichen Zuge die Geistlichkeit, die Magistrats- und Gerichtsbeamten, Gemeinde-Kirchenrath, sowie Stadtverordnete und Lehrer, unter Vorantritt der Knaben und Mädchen aus den ersten Klassen der hieseigen Schulen in die Stadtkirche, deren Portal mit Guirlanden geschmückt war. Die Jubelpredigt hielt an Stelle des inzwischen erkrankten Superintendent Weinrich der Diaconus Blankmeister. Als Kirchenmusik ward ein Psalm von Otto aufgeführt.
Die Stadt Delitzsch hatte bei der am 3.December vorgenommenen allgemeinen Volkszählung 7989 Einwohner. Die Häuserzahl (incl. Kirchen und Anstalten) betrug 645. Am 3. December früh fand man im Stadtgraben zwischen den Kastanienbäumen und dem Haßertschen Grundstück, Pfotenhauers Zwinger gegenüber, den Leichnam des Steinsetzermeisters Nuhahn aus der Grünstraße ertrunken liegend. Er war wahrscheinlich in der Frühe, um der Arbeit nachzugehen, wo es noch dunkel war, bei der sehr stürmischen Witterung dort hineingefallen. Er war den Spirituosen zugethan, doch vermuthet man eine Selbstentleibung nicht.
Am 30. December fand Seitens der Stadtverordneten-Versammlung die Bürgermeisterwahl Bürgermeister-Wahl statt; es wurde zum Bürgermeister hiesiger Stadt der Stadtrath, frührer Gerichts-Assessor Waldemar Born in Nordhausen gewählt. Der Vater desselben ist Pastor in Flemmingen bei Naumburg und der Großvater war Pastor in Brinnis. Siehe den Brief des Prediger Baltzer.
Das Vermögen der Stadtkirche Set. Petri et.Pauli betrug am Schlusse dieses Jahres 24,897 Rtl. 22 Sgr. 11 Pf ( incl. 1,075 Rtl. Meischnersches Legat und 7,375 Rtl. mit 25 % Kapitalisirter Werth der Erbzinsen), das des 1833 neu eingerichteten Pfarrkapitals 1,694 Rtl., der von Luckowennschen Legatenkasse 6,991 Rtl. 20 Sgr., der Archidiaconats-Vacanzkasse 123 Rtl. 7 Sgr. und der Diaconats-Vacanzkasse 278Rtl. 24 Sgr. 8 Pf.
Es sind in diesem Jahre 345 Kinder geboren (worunter 36 Uneheliche) und 214 Personen gestorben (worunter 2 über 90 Jahre).
Der Lehrer Wernicke (aus Eilenburg gebürtig) kam an die Vorstadtschule in eine neu dotirte Lehrerstelle.
Es wurden in diesem Jahre neu Wohnhäuser gebaut von dem Handarbeiter Franz Hönicke, dem Weichensteller Friedrich Klepzig, dem Steinhauer Friedrich Zwanzig, dem Zimmermann Friedrich Wilhelm Dietrich, dem Zimmermann Karl Zeising, dem Cigarrenmacher Wilhelm Letzel (genannt Heßler), sämmtlich in der Nähe des Bahnhofs, sowie von dem Schuhmachermeister Gottlob Kunze (am Breitenthore), dem Fabrikant Gustav Krieg in der Leipziger Vorstadt (Wohn-und Fabrikgebäude), dem Müllermeister Ferdinant Donath in der Halleschen Straße (Umbau eines Seitengebäudes des früheren Christian Friedrich Schmidtschen ausgrundstücks zu einem Wohnhause), dem Maurerpolier August Böttcher in der Grünstraße; endlich erbaute Bischöfliche Stuhl in Paderborn für hiesige kleine katholische Gemeinde eine Kirche nebst Pfarr- und Wohnhaus(vide S.402.), wozu im August der Grundstein unter besonderer Sicherheit gelegt worden ist.
Die Stadt-Commun kaufte, um die Straße von dem Galgthore bis zum Bahnhofe in eine gerade Richtung zu bringen und um die Straße an dieser Stelle breiter zu machen, von der Wittwe Dietrich das derselben gehörige, an der Ecke der Querstraße gelegene Wohnhaus laut Kaufs vom 18ten April 1867 für 1,525 Rtl. Das Haus wurde einstweilen vermiethet.
Die Stadt-Commun kaufte zur Anlegung einer Straße und zur Ablassung von Baustellen an Bauunternehmer laut Kaufs vom lten April des Jahres von dem Apotheker August Friedrich Ludwig Vorpahl in Halle dessen hierselbst belegenes Feldgrundstück von der Ziegelbreite auf der Sandmark von 3 Morgen Feld zwischen der Dübener-und Lindenstraße für 2200 Rtl. Aus dem Kreis-Armen-Fond erhielt die Armenkaße für dieses Jahr wieder 550 Rtl. Zuschuß.
1868
Dem Lehrer der neuem Sprachen an der hiesigen höheren Bürgerschule, Herrn Kayser, ist von dem Hr.Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medecinal- Angelegenheiten das Prädicat „Ober-Lehrer" beigelegt worden. In diesem Jahr sollte die hiesige höhere Bürgerschule zu einer Realschule I.Ordnung umgestaltet werden, allein da die Zinsen von dem vom Herrn Oberpräsidenten der Provinz Sachsen genehmigten Dotationsfond noch nicht zur Bestreitung der Kosten ausreichen, so wurde davon Abstand genommen und soll die Errichtung der Prima erst in zwei Jahren stattfinden, zu welcher Zeit der erwähnte Dotattionsfond die entsprechende Höhe haben wird. Der Letztere war aus den Gewinn-Überschüssen der Sparkasse vom Oberpräsidenten auf Höhe von 12,000 Rtl., genehmigt worden und da über 6,000 Rtl. pro 1867 wieder vorhanden waren, so kam man bei dem Oberpräsidenten dahin ein, daß diese 6,000 Rtl., welche über die statutenmäßige Höhe des Reserve-Fonds der Sparkasse vorhanden wären, ebenfalls zu dem Schul-Dotationsfond verwendet werden können, was genehmigt wurde. So wurde denn in diesem Jahre aus dem Reservefond der Sparkasse zur Kämmereikasse zur Bildung eines eigenen Schuldotationsfonds" 18,000 Rtl. überwiesen, deren Zinsen zur Schulunterhaltung verwendet werden sollen.
Vom Anfang dieses Jahres an haben folgende Lehrer Gehalts-Zulagen erhalten, nämlich- Diedicke, Bader und Beyer je 30 Rtl., Schubert und Klein je 25 Rtl., Breder 20 Rtl.; und außerdem Rocke und Kiemstedt je 20 Rtl. Gratifikation . Am 23ten März fand unter dem Vorsitze des Herrn Superintendenten Weinrich, den die Königliche Regierung mit der Stellvertretung des behinderten Departements-Rathes beauftragt hatte, der mündliche Theil der Prüfling der diesjährigen Abiturienten unserer höheren Bürgerschule statt, dem schon vor einigen Wochen der schriftliche Theil vorangegangen war. Auf Grund der schriftlichen und mündlichen Prüfung wurden sämmtliche fünf Schüler, die sich dem Examen unterzogen, fiir reif erklärt, und zwar erhielten zwei derselben das Prädicat „genügend bestanden", einer „gut bestanden", zwei derselben sogar die Censur „vorzüglich bestanden".
Am 2ten April Vormittags 11 Uhr fand die öffentliche Einführung des von der Königl. Regierung zu Merseburg bestätigten Bürgermeisters Born durch den Königl. Landrath von Rauchhaupt im hiesigen Rathhaussaale statt.
Am 14ten April verließ uns der Rector Giesel, Dirigent sämmtlicher hiesiger Schulen, um das Amt des Director der Realschule zu Leer in Ostfriesland in der Provinz Hannover zu übernehmen. Derselbe hat sich um die Gründung und Hebung unserer höheren Bürgerschule während seiner zehnjährigen Amtsführung große Verdienste erworben.
Im April war auf Ersuchen beim Ministerium des Cultus der Geheime Regierungs-und Schulrath Wiese aus Berlin hier anwesend, um die höhere Bürgerschule zu prüfen. In Folge dessen wurde dieselbe durch Ministerial- Rescript zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Qualification zum einjährigen Freiwilligen Militairdienst für berechtigt erklärt.(Militair-Ersatz-Instruction vom 26ten März 1868 §.154 Nr. 2£) Nachträglich ist hier noch zu bemerken, daß nach Abgang des Rector Giesel der Ober-Lehrer Kayser die Leitung der höhern Bürger- (Knaben) Schule erhalten hat und ihm auch die Dienstwohnung des Rectors Giesel überwiesen worden ist.
Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute in Neu-Iserlohn in Westphalen wurden auch hier freiwillige Gaben durch die Expedition des Kreisblattes eingesammelt und nach und nach in Summa 67 Rtl. an das Hülfs-Comite in Neu-Iserlohn abgesendet.
Seit dem März bis mit 11 ten Juli wurden für die Nothleidenden in Ostpreußen Beiträge gesammelt und nach und nach 511 Rtl. 4 Sgr. 3 P£ von dem hiesigen Hülfs-Comite an den Herrn Regierungs-Präsident Rothe in Merseburg zur Weiterbeförderung abgesendet.
Im Monat Juli wurde ein alter Mutter-Schwan, dem Fischerei-Pächter (Sattlermeister Ch. Rotntiger gehörig) von zwei Schülern der höhern Bürgerschule, einem Sohne des hiesigen Faktors Schimpf und einem Sohne des früher in Döbemitz, seit vorigem Jahre bei Lützen angestellten Schullehrers Böhmichen, mit großen starken Steinen geworfen, sodaß dem armen Thiere der obere Knochen des einen Flügels ganz zerschmettert wurde und er in Folge dieser Verwundung starb. Dieser ruchlose Frevel erregte allgemeine Entrüstung, die Sache kam deshalb beim Königl. Kreisgericht zur Verhandlung und wurden beide Knaben ein Jeder mit zwei Tagen Gefängniß bestraft. Die Eltern hatten dem Meister Ronniger Schadenersatz (mit 25 Rtl.) geleistet.Einige Wochen später, am 13ten August, sind von den auf dem Stadtgraben befindlichen jungen Schwänen vier und einige Tage später noch ein alter Schwan von ruchloser Hand vergiftet geworden. Die Thäter sind in diesem letztem Falle leider, trotzdem, daß der Fischereipächter, Sattlermeister Ronniger 10 Rtl. Belohnung auf die Entdeckung derselben gesetzt hatte, nicht ermittelt wurden.
Für die höhere Töchterschule, sowie 1.und 2 Bürgerschule wurde in der Person des Dr. phil.Friedrich Bartels in Göttingen ein Rector mit einem Gehalte von 500 Rtl. vom lten September angestellt und derselbe Montag den 14ten September in der Aula der ersten Bürgerschule durch den Superintendenten Weinrich eingeführt.
Sonnabend den 19. September Mittags zwischen 12 und 1 Uhr brannte ein kleines Wohnhaus im Gehöft des Kohlenhändlers und Hausbesitzers Friedrich Karl Paatz in der Grünstraße (Haus-Nr. 452) bis auf die Umfassungswände nieder. Durch den schadhaften Schornstein war das Feuer auf dem Oberboden herausgekommen. Leider ging dadurch fast die ganze Habe der darin wohnenden armen Müllerschen Familie verloren.
Die Handwerker-Fortbildungsschule wurde Sonntag den 18ten October für das Winterhalbjahr 1868/69 wieder eröffnet. Das Schulgeld beträgt monatlich für Lehrlinge 1 Sgr. 3 Pf., für alle anderen Theilnehmer aber Fortbildungsschule 3 Sgr.
Die am 27ten Mai des Jahres hier verstorbene verwittwete Frau Stadtschreiber Schlockwerder, Therese Pauline geb.Krieger, hat in ihrem Testamente vom 24ten Mai, publiciert loten Juni, der Armenkasse hiesiger Stadt ein Legat von 100 Thalern vermacht. Dasselbe wurde am 3 lten October zur Armenkasse gezahlt.
Nachdem der Neu — und Umbau des hiesigen Bürger-Hospitals zu Ende des August 1855 beendet war, befahl die Königl. Regierung bald nachher im September 1855, daß nunmehr das noch vorhandene Kapital-Vermögen dieser Anstalt, um daßelbe für alle Zukunft sicher zustellen und einen ähnlichen unglücklichen Vorfall, wie den zu Ende des Januar 1826 ganz unerwartet entdeckten (vid.pag 14), dadurch zu verhüten, in Feldgrundstücken sicher angelegt werden sollte. Demgemäß kaufte nun die Hospital-Inspection noch im October 1855 für die Anstalt von der verwittweten Frau Gastwirth Barth 2 1/2 Hufen Feld in Werbener Mark für den Preis von 12,000 Rtl. (vid.pag.253); ferner kaufte die Inspection im Januar 1863 von dem Maurermeister Meie die demselben gehörige, an den Hospitalgarten angrenzende, circa 2 Morgen enthaltende Wiese im Schloßgraben für 1000 Rtl., welche aber nur 2 1/2 Proc.rentirt, mithin zu theuer bezahlt ist; endlich kaufte die Inspection noch im September 1868 von dem Obersteuermann Wilhelm Kuehne 10 Morgen Feld in Rubach Mark für den Preis von 1800 RT1. (Weizenboden).
Am 26ten April wurde Vormittags um 11 Uhr plötzlich der Stadtsecretär Christian Gottfried Roenicke, 60 Jahre alt, verhaftet, angeblich wegen Urkundenfälschung und Unterschlagung amtlich empfangener Gelder. Diese Nachricht erregte im Publikum große Sensation und Verwunderung, weil der Stadtsecretär pp. Roenicke bisher bey Jedermann nur als ein ehrlicher Mann bekannt war. Vom Magistrat ward nun die weitere Untersuchung der ihm zur Last gelegten Verbrechen dem hiesigen Königl. Kreisgericht übergeben, in deßen Gefangenen-Anstalt der pp. Roenicke neun Wochen in Untersuchungshaft saß, und erst nach Ablauf dieser Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt, blieb aber noch von seinem Amte suspendirt . Am 7ten November kam zuletzt noch diese Sache bey dem Schwurgericht in Halle zur Untersuchung; aus der hier beygefügten Mittheilung der ganzen Verhandlung geht deutlich genug hervor, daß der pp. Roenicke bey den ihm angeschuldigten Vergehen durchaus keinen Betrug beabsichtigt hat, sondern vielmehr die schlaffe Verwaltung des vorigen Bürgermeisters Hagedorn durch mehrere Jahre lang unterlaßenen Revision und Controle und die dadurch entstandene Unordnung hauptsächlich die Schuld an dem den pp.Roenicke betroffenen Unfall trägt. Die Geschwornen sprachen daher den Letzteren in allen Punkten der Anklage frei.
Am 22ten p.Trinit. den 8ten November hielt der Herr Superintendent Weinrich, welcher vorn Consostorio nach Wollmersleben bey Magdeburg, einer sehr einträglichen Pfarrstelle berufen worden ist, seine Abschieds- Predigt, und am lOten verließ er unsere Stadt. E s ist sehr zu bedauern, daß dieser von Seiten seines Charakters wohlwollende, gefällige und gegen die Armen sehr wohlthätige Mann gleich in den ersten_durch den furchtbaren vierjährigen Streit wegen der zwangsweisen Einführung eines Gesangbuchs-Anfangs (vid.pag.332) das kirchliche Leben in unserer Gemeinde fast total zerstört, und sich durch sein schroffes Auftreten, dabey um die Liebe derselben gebracht hat. Diese niederschlagende und betrübende Erfahrunghat derselbe auch noch bey seiner Abschiedspredigt machen müßen, indem die Kirche selbst bey diesem Gottesdienst nur mittelmäßig besucht war. Im Eingange zu dieser Predigt sprach er noch in Bezug auf den unglücklichen Gesangbuchsstreit folgende Worte: „was er an der Gemeinde sich versündigt hätte, das bäte er möge sie ihm verzeihen und vergeben; was die Gemeinde an ihm verschuldet hätte, das wäre bey ihm vergeben und vergeßen, er bedaure nur, daß lautere Absichten verkannt worden wären." Die Kirchengemeinde wollte aber von diesen Absichten, welche sie mit vollem Recht nicht für rein hielt, durchaus nichts wißen, und verurtheilte auf das Entschiedenste seine Hartnäckigkeit und geistliche Herrschsucht. In seinen theologischen Ansichten und Grundsätzen war der Superintendent Weinrich ganz ein Anhänger der seit längerer Zeit von den höheren Kirchenbehörden so sehr begünstigten exklusiv altlutherischen Richtung und somit auch der sogenannten Blut-und Wunden-Theologie. Diese religiöse Anschauung findet aber heut zu Tage bey den wahren und denkenden Christen gar keinen Anklang und Beifall mehr, weil diese blos den Grundsatz allein ftir protestantisch halten, daß die religiösen Ueberzeugungen sich in stetigem Zusammenhang mit der gesammten Culturentwickelung zu entwickeln und weiter fortzubilden haben, und daß die christliche Moral das allein das ewig wahre und bleibende im Christenthum ist, welche Ansicht die größten und scharfsinnigsten Theologen unserer Zeit, Männer wie Schleiermacher, Tzschirner, Röhr, Schwarz, Krause und viele andere in Schriften (der selige Großmann in Leipzig sagt von Christo: „Christus ist die Sonne, um die sich in der sittlichen Welt Alles dreht.") und auf der Kanzel oft ausgesprochen haben. Das Predigen über dürre, unfruchtbare Dogmen läßt kalt und erbaut Niemand; die Hauptsache bleibt immer die Anwendung und Verwerthung der vortrefflichen Sittenlehren Christi und seines Beispiels im praktischen Leben, wie er es fordert. (Matth.7.20,21.)
Am 5ten November feierte unser berühmter Landsmann, der große Naturforscher Herr Geheimer-Medic.-Rath und Ritter Dr. medic. Und Prof. ord. Christian Gottfried Ehrenberg in Berlin sein fünfzigjähriges Doctor- Jubilaeum. Derselbe ist geboren zu Delitzsch den 19ten April 1795, studierte in Schulpforte, dann in Leipzig, wo er nach einem halben Jahre das theologische Studium, weil er kein Redner ist, verließ und zum medicinischen überging zuletzt in Berlin, und widmete sich ausschließlich den Naturwißenschaften, auf deren unendlichem Gebiete derselbe sich durch große Entdeckungen bleibende hohe Verdienste erworben, und dabey immer bey allem Reichthum seines Wissens eine höchst anspruchslose Bescheidenheit und Humanität sehr ausgezeichnet hat. In den Jahren 1820 bis 1826 machte er auf Kosten der Königl. Academie der Wißenschaften die große Reise nach Asien und Afrika mit seinem Freunde Dr. Hemprich, welcher letztere aber 1825 in Maßaua in Abyßinien starb. Bald nach seiner Zurückkunft im Frühjahr 1826 wurde derselbe vom verstorbenen König Friedrich Wilhelm III zum Profeßor ernannt, erhielt den rothen Adler-Orden dritter Klaße und 1000 Rtl. Geldgeschenk, wovon er aber in edler Uneigen- nützigkeit 500 Rtl. der damals noch in Schlesien in Glatz lebenden Mutter seines Freundes und Reisegefährten Hemprich schenkte. Die Berliner Museen hat er durch bedeutende Sendungen, als Früchte und Resultate seiner Reise, sehr bereichert. Im Jahre 1827 erschien von ihm eine kleine aber sehr intereßante Schrift „Beitrag zur Charakteristik der nordafrikanischen Wüsten". Im Jahre 1829 unternahm er noch eine zweyte Reise mit dem größten Naturforscher unserer Zeit Alexander von Humboldt und seinem Freunde Rose in den Caucasus, Altai und Ural bis nach Kiachta an der chinesischen Grnze; das Ural-Gebirge ist bekanntlich sehr reich an Edelsteinen und edlen Metallen, so daß nach seiner Versicherung das Gold in den Fuhrgeleisen sogar als Goldsand glänzend. Die Rückreise der genannten Herren erfolgte nach zehnmonatlicher Abwesenheit über Petersburg, wo derselben von dem Kaiser Nicolaus in einer Audienz ehrenvoll empfangen wurden und unser Ehrenberg den rußischen Annen-Orden zweiter Klaße erhielt. Im Jahre 1833 schrieb derselbe zur Feier des fünfzigjährigen Doctor- Jubilaeums des seligen Leibarztes und Staatsraths Hufeland die kleine sehr gehaltvolle Schrift de hanguinis globulorum uhu, und im Jahre 1843 erschien von ihm das große berühmte Werk „Verbreitung und Einfluß des mikroscopischen Lebens in Süd — und Nordamerika. Mit 4 colorirten Kupfern, in folio ! Von den vielen ihn jetzt bey seinem Jubilaeum zu Theil gewordenen Ehrenbezeugungen erwähnen wir nur, daß seine Majistät der König ihm den Stern zum rothen Adler-Orden zweiter Klaße mit Eichenlaub verliehen hat, daß das Berliner FestcomiM ihm seine eigene von Julius Moser in Marmor gearbeitete Portraitbüste überreicht hat, daß ferner die medicinische Facultät der Universität Berlin ihm das Jubel-Doctor-Diplom überbracht, und daß seine Vaterstadt ihm das Ehrenbürgerrecht in einer vom hiesigen Gas-Inspector Bendert sehr schön geschriebenen, mit paßenden gemalten Randverzierungen, unter denen besonders sein Geburtshaus am Halleschen Thore mit deßen Thurme bemerklich ist, versehenen Urkunde in roth-sammtner Kapsel übersendet hat. Von den zahlreichen Anerkennungs — und Glückwünschungs — Schreiben wird hier das von der König!. Akademie der Wißenschatlen dem hochverdienten Jubilar überreichte zum Verständniß des Ganzen noch beygeftigt, und zugleich bemerkt, daß im Jahre 1828 der Bericht über seine erste Reise unter dem Titel „Naturgeschichtliche Reisen in Nordafrika und Westasien," und 1838 sein großes Epoche machendes Werk „die Infußionsthierchen als vollkommne Organismen" erschienen. Möge dem ehrwürdigen Jubilar im Rückblick auf eine so ruhmvolle Vergangenheit ein recht heiterer Lebensabend bescherrt seyn!
Die dem Herrn Geh. Rath Dr. und Prof Ehrenberg überreichte große goldene Medaille zeigt auf der Vorderseite sein wohlgetroffenes Brustbild, und trägt auf der Rückseite folgende Innschrift: Christiano Godofredo Ehrenberg, Medicinae per L annos Doctori, naturae investigatori sagacissimo, Latentium indagatori adrnirabili. Die V mens. Nov. 1868. Durch Rescript des Cultus-Ministers vom 23ten October cr.0 28,441 sind der hiesigen höheren Bürgerschule die erweiterten Berechtigungen verliehen worden, durch welche dieselbe den Klassen Sexta bis Seeunda einer Realschule erster Ordnung gleichgestellt worden ist und werden nunmehr die Berechtigungen der Schüler schon durch den einjährigen erfolgreichen Aufenthalt in der Secunda zum einjährigen freiwilligen Militairdienst und zur Annahme als Postexpedinten-Anwärter berechtigt, während früher beide Berechtigungen nur durch Absolvirung des Abiturienten-Examen erworben werden konnten. Nachdem durch die Versetzung des bisherigen Strafanstalts-Directors von Valentini im Jahre 1866 die erledigte Stelle interimistisch, und zwar zuerst durch einen Herrn von Schlabberndorff und dann durch einen Grafen von Klinckowström verwaltet worden war, ist dieselbe seit lten November dieses Jahres dem bisherigen Straf- Anstalts-Director Nolte in Meringen in der Provinz Hannover definitiv übertragen worden.
Die Um — und Neupflasterung der Halleschen Straße begann am lten September und wurde bis zum Halleschen Thore hinaus Sonntag den 18ten October (bis auf einige noch nöthig gewordenen Nebenpflasterungen) vollendet. Die gesammten Kosten an Steinsetzerarbeiten, Fuhrlöhnen u.a. betrugen 559 Rtl. 5 Sgr.
Der Bürgermeister Born war, nachdem er kaum 3 Monate hier im Amt fungirte, zum Bürgermeister der Stadt Zeitz erwählt und von Seiner Majistät dem König als solcher bestätigt worden. Es wurde deshalb eine Neuwahl nöthig.In der Stadtverordneten-Sitzung am 20ten November wurde der Stadtrath Heinrich Bernhard Reiche aus Guben zum Bürgermeister hiesiger Stadt gewählt.
Laut Kaufs vom 9/17 September 1868 kaufte die Stadtcommun von dem Bischöflichen Stuhl zu Paderborn von dem dem letztern gehörigen, hierselbst gelegenen Grundstück zur Verbreiterung des von der Linden — zur Dübener Straße führenden Weges und zur Anlegung einer Straße vom Schäfergraben für 268 Rtl. 22 Sgr. 6 Pf.
An der Vorstadtschule sind wieder zwei neue Lehrer in den Personen des bisherigen Lehrers Christian Ruhmann zu Einbeck in der provinz Hannover und des Schulamts-Candidaten Hoppe aus Staritz bei Belgern angestellt worden. In diesem Jahre sind von dem Cigarrenfabrikant Schellenberg (an der Dübener Straße) und von dem Posamentier Eduard Pernitzsch (neben der katholischen Kirche) neue Wohnhäuser gebaut, und von dem Stadtmühlenbesitzer Maasch (welcher zu Johannis dieses Jahres die Stadtmühle von dem bisherigen Besitzer Schrödter erkauft hat) das gehende und treibende Zeug der Mühle, sowie das Gerinne und die daran grenzende Mauer ganz neu erbaut worden. Die Treibräder im Innern der Mühle sind von einer Eisengießerei gefertigt worden.
Die Getreidepreise in diesem Jahre waren:
am 29ten Februar
der berl. Scheffel Weizen 3 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf bis 4 Rtl.
Roggen 3 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf 3 Rtl, 5 Sgr.
Gerste 2 Rtl. 5 Sgr. 2 Rtl. 7 Sgr. 6 Pf
Hafer 1 Rtl. 15 Sgr. 1 Rtl. 17 Sgr. 6 Pf
am 29ten September
der berl. Scheffel Weizen 2 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf bis 2 Rtl. 28 Sgr. 9 Pf
Roggen 2 Rtl. 12 Sgr. 6 Pf 2 Rtl. 16 Sgr. 9 Pf
Gerste 1 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf 1 Rtl. 28 SFJ. 9 Pf
Hafer 1 Rtl. 3 Sgr. 9 Pf 1 Rtl. 6 Sgr. 3 Pf
Die von den Einnahmen der Stadt Delitzsch zu zahlenden jährlichen Steuern betragen zur Zeit:
5,533 Rtl. an Klassensteuer
1,828 Rtl. 1 Sgr. 6 Pf an Grundsteuer
1,727 Rtl. 9 Sgr. an Gebäudesteuer
3,926 Rtl. an Gewerbesteuer
13,014 Rd 10 Sgr. 6 Pf zusammen
Nach der in diesem Jahre aufgestellten Klassensteuer-Rolle beträgt die Einwohnerzahl 8,031 (worunter 282 Gefangene der hiesigen Königl. Strafanstalt und des Königl. Kreisgerichts). Es sind 4,992 Personen über 16 Jahre und 3 039 Personen unter 16 Jahre vorhanden
Der Witterungslauf zeigte in diesem Jahre viel Abweichendes und Merkwürdiges. Der Winter war gleich von Neujahr an bey fast durchgängig niedrigem Barometerstande milde, unbeständig, Regen und Schnee oft mit einander abwechselnd, noch den ganzen April anhaltende Näße, so daß man deßhalb für das Gedeihen der Wintersaaten fürchtete und für die Bestellung der Sommersaaten dadurch aufgehalten wurde. Aber vom lten Mai trat plötzlich das herrlichste und fruchtbarste Wetter ein, die Näße hörte auf, und in der ganzen Natur zeigte sich als ein wahres Wunder Gottes die gewaltigste Triebkraft, so daß nach nur wenigen Tagen die Bäume in schönster Blüthe standen und die Kornähren sichtbar waren. Es war übrigens ein großes Glück, daß die Erde so viel nachhaltige Winterfrucht erhalten hatte, denn von nun an trat den ganzen Sommer hindurch bis zum 17ten September anhaltende große Hitze und Dürre ein. Das Barometer stand während dieser ganzen Zeit gewöhnlich auf 28,4 — 6, und das Thermometer Nachmittags um 3 Uhr in der Sonne in der Regel auf + 36 — 40 Reaum., wodurch natürlich das Reifen der Früchte sehr befördert wurde; denn kaum war die recht gut ausgefallene Heuerndte, vom schönsten Wetter begünstigt, eingebracht, so nahm auch schon die Getreideerndte ihren Anfang, so daß, was wir noch nie erlebt haben, bereits am 26ten Junius bey Benndorf und selbst in beßerem Boden bey Beerendorf die ersten Kornmandeln standen. Das herrlich und sehr warme und trockne Wetter beförderte die Erndtearbeit außerordentlich, so daß bis zum Ende des Julius alle vier Getreidearten glücklich eingebracht waren. In jeder beziehung, sowohl im Körnerertrag als auch im Stroh, war der Roggen vorzüglich gerathen, der Weizen ausgezeichnet, auch die Obstfrüchte recht gut, minder gut, aber noch befriedigend der Hafer und die Gerste, weil bey diesen sich zum Theil die nachtheiligen Folgen der anhaltenden Dürre zeigten. Gewitter hatten wir in diesem Sommer blos am 19ten Julius Nachmittags um 3 und Abends um 11 Uhr mit starkem Regen, ferner am 29ten des Monats Nachmittags 3 Uhr, und am 1 lten August Abends, welche letztere beyde sich aber ohne Regen hier entladen; Das Barometer stand beyde Mal auf 27,8, das Thermometer zeigte Nachmittags in der Sonne + 40, der Wind kam aus Süden. Endlich bildeten sich in Folge großen Hitze bey Süd-Westwind am 19ten August gegen Abend in allen vier Weltgegenden schwere Gewitter, welche mit einem längst ersehnten starken Regen von 7-8 Uhr die ausgedorrten Fluren erquickten. Aber für die Kartoffeln, deren Knollenbildung vom Anfang des August an statt findet, kam dieser Regen leider um drei Wochen zu spät, daher diese in der Ausbildung sehr zurück blieben, zum Theil auch zweywüchsig wurden, und die Kartoffelerndte im Ganzen nur als eine mittelgute zu bezeichnen ist. In gleicher Weise litten auch durch den Mangel an Regen die Futterkräuter, was zur Folge hatte, daß seit Ende des Julius der Preis der Butter hoch stieg; das Stückchen kostete von da an 7 Sgr. und ist noch bis zum Ende des November gewöhnlich mit 6 Sgr. bezahlt worden. Die Obstemdte ist recht gut ausgefallen, der Wein vorzüglich gerathen. Noch ist zu bemerken, daß in Monaten Junius und Julius die Windrichtung von der Art war, daß die Fahne abwechselnd, aber nicht lange, entweder im Osten oder Norden stand, und sich bald vom Norden nach Westen, oder noch öfters von Osten nach Süden bewegte, mithin im Halbkreis zwischen N.W. und N.O. und S 0 stand. Von der Grummterndte ist endlich noch zu berichten, daß diese in Folge der Nachwirkungen der großen Dürre nur mittelmäßig im Ertrag gewesen ist.
Der Herbst war im Ganzem angenehm und milde und brachte noch manche schöne Tage; in der Mitte des September blüheten zum Erstaunen Kastanien und Erdbeeren noch einmal, von deren letztere im October zum zweiten Mal Früchte brachten; aber vom 15ten September trat eine besonders an den Morgen und Abenden auffallend merkliche Abkühlung ein. Am lten October, einem trüben Tage, deren wir ebenso, wie regnigte in diesem Monat mehrere hatten, zog Abends um 5 Uhr ein Zug wilder Gänse von Westen nach Osten über unsere Stadt weg. Am 20ten des Monats war früh von 2-3 Uhr ein Gewitter mit Regen, am 25ten tobte ein Sturm (Barometer 27,3), und am 26ten erfolgte ein Landregen. Der Wind kam den ganzen Herbst hindurch meistens aus Westen mit abwechselnder Neigung nach Norden und Süden; das Barometer war öfteren Schwankungen unterworfen. Im November gab es mehr trübe, kühle und regnigte Tage, als helle und schöne; am 4ten war ein Sturm, an mehreren andern dichte Nebel und Schneefall. Am 7ten December früh von 1 — 2 'A Uhr hatten wir die für diese Jahreszeit nur äußerst seltene Erscheinung eines starken Gewitters mit Regen; der Verfaßer dieser Zeilen weiß sich nur noch eines solches Falles in seinem Leben zu errinnem, nämlich am 2ten Advent im Jahre 1822 früh um 9 Uhr, wo während seines damaligen Aufenthalts als Student in Leipzig bey hellem Himmel ganz unerwartet ein ziemlich heftiger Donnerschlag, aber ohne Regen und Sturm, erfolgte. Dem jetzigem Gewitter gieng aber an dem durchweg trüben Sten December des Nachmittags eine ungewöhnlich schwüle Temperatur voraus (Thermometer + 16), welche den 6ten noch anhielt (Barometer 27,8) Hierauf brach nun am 7ten December bald nach Mitternacht ein furchtbarer Orkan aus Westen los, und wütete mit einer seit fast fünfzig Jahren (im Julius 1819) nicht dagewesenen Heftigkeit (Barometer 27,4), entwurzelte die stärksten Bäume, warf Planken um, deckte viele Dächer ab, fügte dem Dache unserer Stadtkirche bedeutenden Schaden zu, und hob auf dem langen maßiven Seitengebäude des Brauereibesitzers Offenhauer, welches derselbe erst in diesem Jahre zum Zwecke der Luftmalz-Bereitung erbaut hatte, das mit Steinpappe gedeckte Dach mit großer Gewalt in die Höfe und riß daßelbe mit sammt den Dachbalken und Brettern in Trümmern herunter. Nachmittags um 2 Uhr legte sich der Sturm, am ärgsten hatte er Vormittags von 9-12 Uhr getobt. Offenbar war derselbe eine Folge der in den letzten zwey Wochen vorher statt gefundenen schrecklichen, von Erdbeben begleiteten, vulkanischen Ausbrüche des Vesuv und Aetna. Bis zum Jahresschluß war sehr mildes Wetter.
Auch in diesem Jahre hat sich die alte Erfahrung wieder bestätigt, daß anhaltende gleichförmige Witterung, gleichviel ob sehr warm oder kalt, für die Gesundheit weit vortheilhafter ist, als häufiger Wechsel derselben; denn während der vier Sommermonate war der Gesundheitszustand, selbst unter den sauren und anstrengenden Arbeiten der Erndte, recht befriedigend, während dagegen im Frühjahr und Herbst alte an Schleim-Asthma Leidende; mehr aber noch junge der lungenschwindsucht verfallene Personen weit mehr zu leiden hatten; die letztere, in der Regel unheilbare Krankheit hat überhaupt seit etwa 20 Jahren unter unsern jungen Leuten, den Fabrik- besonders den Cigarren-Arbeitern in starker Progreßion zugenommen, und decimirt ihre Reihen gewaltig. Geboren wurden in diesem Jahre 350 Kinder (worunter 43 Uneheliche), und gestorben sind 257 Personen, worunter 158 Kinder. Am 22ten December Nachmittags wurde auf dem Thurm der neuen katholischen Kirche eine Glocke aufgezogen; dieselbe ist vom Glockengießer Ullrich in Apolda gegoßen, kostet 103 Rtl. und wiegt 2 Centner. Auch ist seit Anfang dieses Jahres als Lehrer an der katholischen Schule der Schulamts-Candidat Reuter aus Hildesheim angestellt.
Als ein Curiosum ist noch nachträglich zu erwähnen, daß, da erfahrungsmäßig in diesem wie in jedem Schaltjahr ein starker Maikäfer-Flug zu erwarten war, von den Behörden ein förmlicher Vertilgungskrieg gegen diese Bestien beschloßen wurde; sie wurden zu Millionen vertilgt, der Centner mit 15 Sgr. bezahlt, eingestampft, und als Dünger verwendet.
1869
Am 6ten Januar legte der Herr Bürgermeister Born sein Amt nieder und reiste noch an demselben Tage ab, um das Bürgermeister-Amt in Zeitz zu übernehmen. Das Urtheil unsers frühern Diaconus Baltzer, seit Anfang 1847 Predigers bey der Dißidenten-Gemeinde in Nordhausen, über ihn hat sich vollkommen bestätigt; um so mehr ist es zu bedauern, daß derselbe unsere Stadt nach nur neunmonatlicher Amtsverwaltung schon wieder verlaßen hat. Als sein Nachfolger wurde der von den Stadtverordnetenerwählte bisherige Stadtrath Reiche in Guben am 2 lten Januar Vormittags um 11 Uhr im hiesigen Rathhaussaale von dem Königl. Landrath Herrn von Rauchhaupt in sein Amt als Bürgermeister unserer Stadt eingeführt.
Seit dem Anfang dieses Jahres ist vom Magistrat im Einverständniß mit dem Schulvorstand und den Stadtverordneten das Schulgeld in der 2ten und 3ten Klaße der höhem Töchterschule und von der lten Klaße der Vorschulen um je 2 Rtl. pro Jahr erhöht worden, weil man das bisherige im Vergleich zu dem Aufwande mit Recht für zu gering befunden hat; sie hat 6 Klaßen.
Die seit Anfang des Jahres 1807 im Besitz der Familie Pfotenhuer befindlich gewesene privilegirte Löwenapotheke in der breiten Straße hat zu Michaelis 1868 der Apotheker Gustav Jonas aus Eilenburg von der Frau Wittwe Pfotenhauer für den Preis von 21000 Rtl. gekauft, und das Geschäft am lten Januar dieses Jahres übernommen. Am 29ten Januar Nachmittags um 4 Uhr wurde in der öffentlichen Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung der von derselben an des abgegangenen Herrn Fabrikant Duimchen Stelle zum unbesoldeten Magistrats-Aßeßor erwählte Herr Fabrikant Starckloff nach erfolgter Bestätigung der Königl. Regierung zu Merseburg von dem Herrn Bürgermeister Reiche in sein Amt eingeführt. In der am 15ten Februar gehaltenen ersten diesjährigen Sitzung des König!. Kreis-und Schwurgerichts zu Halle wurde der Nagelschmiede- meister und Pantoffelmacher Johann Carl Mohs aus Delitzsch wegen mit Beil und Messer versuchten Mordes an seiner von ihm geschiedenen Ehefrau zu zwölfjähriger Zuchthausstrafe und achtjähriger Stellung unter Polizey- Aufsicht verurtheilt. Am 26ten Februar wurde unter dem Vorsitze des Herrn Regierungs-und Schulraths Haupt aus Merseburg die mündliche Prüfling der sechs Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon zu Anfang dieses Monats stattgefunden hatte. Das Ergebniß war ein erfreuliches, da sämmtliche Schüler das Examen bestanden hatten, von denen vier wegen ihres künftigen Berufs es nicht brauchten. Einer erhielt die Censur „gut", die übrigen „genügend".
Um den sehr großen Schaden, welchen der furchtbare Weststurm am 7ten December vorigen Jahres den beiden Thurmstitzen unserer Stadtkirche und dem Dache derselben, besonders der südlichen zu drei Viertheilen dadurch vom Schiefer entblößten Seite, zufügte, zu repariren, wurde diese Arbeit dem hiesigen Schieferdeckermeister Robert Uhlich übertragen, der durch das milde Wetter begünstigt mit drei Gehülfen sein Werk ohne Unterbrechung betreiben und glücklich vollenden konnte, und zwar in der verhältnißmäßig kurzen Zeit vom Anfang des Februars bis zum Anfang des Aprils. Beym Beginn der Arbeit fand sich aber noch, daß auch die beyden Thurmknöpfe und Fahnen der reparatur bedürften, weßhalb dieselben am 9ten Februar abgenommen, und dem hiesigen Klempnermeister Hopfer zur Ausbeßerung und neuen Vergoldung übergeben wurden. Die bey der Abnahme im südlichen Thurmknopfe vorgefundenen in einer versiegelten Holzkapsel und blechernen Büchse verwahrten Schriftstücke von 1691 und 1819, wie auch die Münzen sind in der Hierbey angefügten Beylage zum Delitzscher Kreisblatte No. 19 vom 12ten Februar verzeichnet, und bey der am 2ten April statt gefundenen Aufsetzung der reparirten und neu vergoldeten Knöpfe und Fahnen wieder eingelegt worden.
Außerdem ist vom Magistrat noch ein Schriftstück vom 30ten Maerz mit beygefügt worden, welches die wichtigen neuesten unsere Stadt betreffenden Ereigniße, die am 21ten September 1857 erfolgte Grundsteinlegung zu dem neuen Bürgerschulgebäude am Gerberplan, die Vollendung deßelben im Junius 1858, und die seit dem bis zu Ostern 1868 nach und nach eingetretene Reorganisation der Schule, sowie auch die Kriegsereigniße des 1866 und die Feier des Friedensfestes am Ilten November registrirt. Alle diese Vorfälle sind übrigens nebst dem im Schriftstück nicht erwähnten vom Anfang des Julius 1855 bis zum Ende des October 1859 geführten, aber leider total ver- Unglückten Bau des Braunkohlenwerkes, wie auch die Cholera-Epidemie im Sommer 1866, unter den betreffenden Jahren in dieser Chronik auf das Vollständigste beschrieben. In dem Schriftstück des Magistrats folgen nun noch die Namen der Personen, durch welche die Kreis- und Stadtbehörden zur Zeit repräsentirt werden: I. Kreislandrath Herr von Rauchhaupt in Storkwitz; II. Magistrat, Bürgermeister Heinrich Bernhardt Reiche, Beigeordneter, Magistratsaßeßor Friedrich Gottlob Heinze, unbesoldete Magistratsaßeßoren Carl Freyberg, Louis Dittmar, Heinrich Starkloff; Stadtverordneten-Vorsteher Sanier; Stadtverordnete: Justizrath Hassen, Dr. med.Laue, Schoenbrodt, A.Schladitz, Rathmann, Wagner, Pannicke, Felix, Lindenhahn, Fuhrmann, Fleischer, Rose, Troitzsch, Platen, Hoffmann, Kunze, Rabe.
Subaltembeamte des Magistrats: Kämmerer Eduard Weidenhammer, Steuereinnehmer Robert Ufer, Sparkaßen-Rendant Carl Thaerigen, Aßistent Julius Braune, Armenkaßen-Rendant Friedrich Thaerigen, die Stelle des Stadtsecretärs ist jetzt unbesetzt.
Das geistliche Ministerium: die Stelle des Oberpfarrer und Superinten- denten ist jetzt vacant, Archidiaconus und Katechismusprediger Albert Goedicke, Diaconus und Hospitalprediger Blankmeister, Cantor Albin Thierbach, Organist Carl Gottfried Grellmann, Kirchner Baumgaertel, Kirchenvorsteher Ferdinand Zeising. Rectoren der städtischen Schulen: an der höheren Bürgerschule Oberlehrer Heinrich Kayser, an der höhern Mädchenschule, erster und zweiten Bürgerschule Dr. phil. Friedrich Banels. Die Kosten der Kirchendach-Reparatur betragen 1470 Rtl., welche aus dem Kirchenvermögen bezahlt wurden.
Am 5ten April hat sich der vor etwa vier Jahren von Schenkenberg hierher gezogene Gärtner Schroeter, welcher wegen mehrerer Diebstähle beym Kreisgericht in Haft und Untersuchung war, im Gefangniß erhängt. Desgleichen hat sich auch die Woche vorher im hiesigen Zuchthause eine Frau erhängt. Die Leichname beyder wurden an die Anatomie nach Halle abgeliefert. Schroeter war einsehr gefährlicher und verstockter welcher im Publikum im schlechtestem Rufe und Verdachte stand.
Am 27ten April hat der Kreisgerichts-Director Campugnani sein Amt niedergelegt, weil er in gleicher Eigenschaft an das Kreisgericht Goerlitz versetzt wurde. Tags vorher ward dem mit Recht allgemein verehrten, würdigen Manne ein zahlreich besuchtes Abschieds-Diner im Gasthof zum Schwan gegeben, und den 28ten verließ er unsere Stadt. Er war auch Deputirter zur zweiten Kammer, legte bey seinem Abgange sein Mandat für den hiesigen Kreis nieder, wurde aber bey der am 16ten Junius statt gefundenen Neuwahl eines Abgeordneten mit 193 gegen 120 Stimmen, welche letztere der Stadtgerichtsrath Klotz in Potsdam erhielt, wieder gewählt.
Bey dem am Sten November 1868 Abends zwischen 7 und 8 Uhr in der Wohnung des Buchbindermeister Bernstein in der Ritterstraße verübten Attentat des Nagelschmiedemeister Mohs gegen seine von ihm geschiedene Frau hat sich die Frau des ersteren in höchst lobenswerther Weise ausgezeichnet, und ist ihr deßhalb in Anerkennung ihrer mit eigner Lebensgefahr verknüpften Aufopferung bey Verhinderung des Mordversuchs, auf Befehl Seiner Majestät des Königs aus Staatsfonds eine Belohnung von 30 Rtl. bestimmt worden; dieselben wurden der Frau Bernstein, für ihre muthvolle und entschloßene Haltung, am 26ten Mai des Jahres aus der hiesigen Königl. Kreiskaße gezahlt.
Am 30ten Mai, den Iten post Trinitat., hielt der zum Oberpfarrer und Superintendenten vom Königl. Consistorii in Magdeburg designirte bisherige Gesandschafts-Prediger in Rom Herr Carl Friedrich Wilhelm Leipoldt seine Probepredigt, zu deren Abnahme der Superintendent Vicar Herr Pastor M.Krtieger aus Schenkenberg vom Consistorii beauftragt war. Bey der nachher erfolgten Anfrage hatte niemand etwas gegen seine Lehre und Wandel einzuwenden, seine Predigt war gediegen und durchdacht, sein Vortrag sicher und gewandt, nur hörte man nachher in der Gemeinde Besorgniße wegen seiner für unsere große Stadtkirche allerdings zu schwachen Stimme auszusprechen. Am 6ten Julius kam er, nachdem vorher seine Amtswohnung eine durchgreifende Reparatur erfahren hatte, hier mit seiner Gattin an und hielt am 18ten, den Sten nach Trink, nachdem er vorher vom genannten Superintendenten Vicar in sein Amt eingesetzt war, mit Beyfall seine Antrittspredigt als Oberpfarrer, bey welcher derselbe seine Stimme zur Freude der Kirchengemeinde schon mehr hob und besser verstanden ward, so daß man auch in dieser Hinsicht für die Zukunft das Beste von diesem achtungswerthen Mann erwarten kann.
Im Julius wurde von der Commun der an der Dübener Straße stehende Pulverthurm wegen der in seiner Nähe seit zehn Jahren erstandenen zahlreichen Bahnhofs — und anderen Wohngebäuden zum sofortigen Abbruch für das Meistgebot von 14 Rtl. 15 Sgr. an den Viehhändler Deutschbein verkauft. Früher hatte dieser Thurm noch bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der südlichen Stadtmauer in geringer Entfernung von der Malzdarre gestanden, und ward erst nach einem um diese Zeit entstandenen Brande derselben als ein der Stadt sehr gefährlicher Nachbar an den Ort verlegt, wo er sich bis jetzt befand.
Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von 483 Rtl, 15 Sgr. und die Pflaumenplantagen im Rosenthal für 5 Rd. verpachtet worden.Der Kreisgerichts-Director Campugnani hatte seit acht Jahren den im Hospitalgarten an der Schloßmauer gelegenen Weinberg für einen jährlichen Zins von 5 Rtl. 15 Sgr. erpachtet, und in denselben zur Verschönerung noch mindestens 100 Rtl. für Anlegung einer Treppe mit steinernen Stufen und Erbauung eines Gartenhauses verwendet. Bey seinem Abgange von hier erhielt derselbe seinem Antrage gemäß für diese Verbeßerungen als Entschädigung die billige Summe von 30 Rtl., welche der edle Mann aber in Folge eines Schreibens an den Magistrat vom 9ten Julius zu einem Legat für die Kinder-Bewahr- Anstalt bestimmte mit dem Bemerken, daß die Zinsen des kleinen bey der städtischen Sparkaße niedergelegten Kapitals in Zukunft als sein jährlicher Beitrag zur Weihnachts-Bescherung für arme Kinder mit verwendet werden sollten. Gleichzeitig hat derselbe auch noch der Armenkaße 10 Rtl. geschenkt. Den oben erwähnten Weinberg hat jetzt der Kreisrichter Rohland für den jährlichen Zins von 15 Rtl. vom Hospital erpachtet, und denselben zum Vergnügen auf seine Kosten noch mehr verschönert.
Am 26ten Julius Vormittags 11 Uhr verunglückte der Oeconom Wilhelm Fritzsche, 34 Jahre alt; er kam mit einem schwer mit Roggen beladenen Leiterwagen die Hallische Scheunen-Gaße sehr rasch herein gefahren, da er noch Nachmittags nach Eilenburg reisen wollte, und begieng die große Unvorsichtigkeit sich unmittelbar hinter der Wage auf die Deichsel zu setzen; beym schnellen Umbiegen um die Straßenecke nach der südlichen Scheunengaße trieb er zugleich die Pferde noch schärfer an, fiel in diesem Augenblick von der Deichsel herab, das eine Rad gieng ihm über den Unterleib, das andere über die Brust, so daß er förmlich gerädert wurde, das Bewußtsein gleich verlor, und nach wenigen Minuten starb. Ein Blutstrom aus dem Munde bewies, daß die Lungen höchst wahrscheinlich geborsten waren.
Der bisherige Kreisgerichtsdirector Hesse zu Habelschwerdt in Schlesien ist in gleicher Eigenschaft an des abgegangenen Campugnani Stelle an das hiesige Kreisgericht versetzt worden, und hat sein Amt am lten Julius angetreten. Am 22ten August prangte unsere Stadt in einem außerordentlichen Festschmucke, bestehend in zwei—und dreifarbigen Flaggen, Quirlanden, Kränzen pp., weil eine ziemlich große Anzahl Feuer-Wehrmänner und Deputirte des Sächsisch-Anhaltinischen Feuerwehr- verbandes eintrafen, um einmal in einer Conferenz, die um 11Uhr im Saale des Hotels zum Schwan abgehalten wurde, über die Angelegenheiten der freiwilligen Feuerwehren zu berathen und dann zum zweiten Male den Uebungen der hiesigen Feuerwehr beizuwohnen.
Diese fanden denn Nachmittags von 3 bis 5 Uhr auf dem Markte unter dem Zudrange eines sehr zahlreichen Publikums statt; unter diesen sind besonders die vielfachen Fahrübungen mit den Geräthen zu erwähnen, sodann ein wirklich imposanter, langdauernder Dauerlauf, der nach den Klängen einer gut rhytmisirten Musik erfolgte. Nach den schulmäßigen Uebungen folgte das Manöver eines Großfeuers an dem früher dem Magistrats-Aßeßor Meissner, jetzt dessen Schwiegersohn Dr. Laue gehörigen Hause, welcher daßelbe gegen 6 Rtl. Entschädigung der Feuerwehr zu diesem Zwecke zur Dispo- sition gestellt hatte. Die Geschwindigkeit, Präcision und Kraftanstrengung Der Mannschaften, wie auch die glückliche Ausführung der kühnsten Evolutionen übertraf wohl aller Erwartung, und gewiß ist das Gefühl der Sicherheit für unsere Stadt in den Herzen der Zuschauer um ein bedeutendes dadurch gesteigert worden. Der unermüdliche und aufopfernde Eifer der Herren Commandeure Schulze und Meyner, sowie ihrer ebenso gesamten muthvollen Mannschaften ist über alles Lob erhaben. Bey dem von 5 Uhr an erfolgenden Festzuge durch die Stadt empfingen die Feuerwehrmannschaften in den außerordentlichen Begrüßungen und Blumengaben die sichersten Beweise, daß das Institut der Feuerwehr sich der lebhaftesten Theilnahme der Bürgerschaft zu erfreuen hat Von auswärtigen Feuerwehren waren 17, worunter Halle, Eilenburg, Dueben, Jesstütz, Wittenberg, Zoerbig pp. durch Deputationen, im Ganzen etwa 180 Mann, vertreten. Das Mittagessen im Schwan, an welchen ca 100 Personen Theil nahmen, worunter auch der Freund und Förderer der Feuerwehren Herr General-Director von Huelsen aus Merseburg nebst anderen höheren Beamten sich befand, verlief in sehr heiterer Stimmung, desgleichen auch das Abends abgehaltene sehr zahlreich besuchte Concert, so wie der darauf folgende bis zum Morgen des Montags währende Ball. Vom 28ten August bis zum 9ten September lag wegen der bey Zoerbig, Bitterfeld und in Anhalt stattfindenden Divisions-Manöver ein Bataillon des Thüringischen Infanterir-Regiments No.96 mit dem Stabe hier im Quartier. Es bestand aus den Contingenten von Altenburg, beyde Reuß und Schwarzburg, und hatte ein 85 Mann starkes Musikchor, deßen Leistungen vortrefflich waren. In dem in der Ritterstraße gelegenen Hause des Fuhrmann Wittich erhing sich am Sten August früh zwischen 9 und 10 Uhr die junge Frau des Aßistent Ternau, welcher jetzt, da seit Anfang des Junius der Bau der Halle — Sorauer Eisenbahn hier in Angriff genommen, in deren Büreau angestellt ist. Dem sehr tüchtigen Lehrer der Naturwißenschaften der hiesigen höhern Bürgerschule ist zu Michäelis von dem Herrn Minister des Cultus pp. das Prädicat als „Oberlehrer" ertheilt worden. Herr Guenther hat diese Auszeichnung schon durch sein vorjähriges, in anatomischer, physiologischer und optischer Hinsicht sehr gut ausgearbeitetes Osterprogramm über das „menschliche Auge und die Gesichts-Wahrnehmungen" vollkommen verdient.
Im März erfuhr der Lehrer Bader, daß in Hoerde, einer Stadt von 9700 Ein- wohnern in der Provinz Westphalen, an der Bürgerschule eine Stelle mit 360 Rtl. Gehalt vacant sey. Er hielt sofort mit Beylegung seiner Zeugniße um die dieselbe an, ward nach einigen Wochen zu einer Probe berufen, wofür er Beyfall gefunden hafte, im Mai vom Magistrat erwählt, und reiste am 1 ten Junius von hier nach Hoerde ab. Kaum war er einen Monat dort, so hörte er, daß in dem benachbartem Witten, einer Stadt von 12300 Einwohnern, eine Stelle mit 400 Rtl. Gehalt an der höhem Bürgerschule sey; er meldet dies sogleich seinem hiesigen Freunde Breder, einem unserer besten Lehrer; derselbe säumte nicht zu Ende des Junius sich um die Stelle zu bewerben und erhielt nach nur drei Wochen vom dortigen Rector Dr. Zerlang die Nachricht, daß er in Berücksichtigung seiner vortrefflichen Zeugniße vom Eisleber Seminar und vom früheren Rector Giesel ohne Probe vom Magistrat zu Witten erwählt ist. Vier Wochen von seinem Abgange von hier, welcher am 1 ten October erfolgte, erhielt er ncoh eine besondere Zulage von 25 Rtl. für Ertheilung einer wöchentlichen Sing- stunde. Die durch den Herrn Baders Abgang erledigte Stelle erhielt der Lehrer Rocke, und die des Herrn Breder der bisherige Lehrer Wenzel in Kökern bey Zoerbig, gebürtig aus Bleicherode in Thüringen. Nachdem bereits im Jahre 1868 das Dach der Hospitalkirche mit einem Kostenaufwand von 24 Rtl. reparirt worden war, fügte der furchtbare Orkan am 7ten December deßelben Jahres auch dem Dache dieser Kirche eine bedeuten- deren Schaden zu, weßhalb im April und Mai dieses Jahres durch den von der Hospital-Inspection damit beauftragter Schieferdeckermeister Uhlich jun. eine Reparatur vorgenommen wurde, deren Kosten 89 Rtl. 21 Sgr. betragen und aus der Hospital-Kaße bezahlt wurden. Am 8ten Mai wurde noch in den Knopf des Kirchthurms, in welchem sich bey der Abnahme nichts vorfand, bey der Wiederaufsetzung eine vom Hospital-Vorsteher Weidenhammer verfaßte Urkunde mit Nachrichten über die Anstalt und einem Verzeichniß der jetzigen Inspections-Mitglieder und Beamten des Hospitals in einem wohl verwahrten Glas-Cylinder eingelegt; der Knopf war übrigens neu angestrichen und in der Mitte vergoldet worden.
Da die Hospital-Inspection schon seit längerer Zeit den Plan gefaßt hafte eine Erneuerung dieser schönen Kirche mit ihren herrlichen Gewölben im Innern vorzunehmen, was freilich zweckmäßiger schon früher vor Aufstellung der neuen Orgel im Jahre 1864 hätte geschehen sollen, so wurde nunmehr zur Ausführung dieser Restauration im Junius geschritten, und die Uebernahme und Leitung des Ganzen dem Zimmermeister Felix übertragen. Zuerst wurden nun die alten Stühle abgebrochen und das Holz verkauft, sodann die Steinplatten ausgehoben und der Fußboden durch Ausfüllung mit Kies und Sand um einen halben Fuß in der ganzen Kirche erhöhet, und hierauf die Steinplatten wieder eingelegt. Beyläufig sey hier noch bemerkt, daß die Kirche im Innern 67 Fuß lang, 25 Fuß tief und 30 Fuß hoch ist. Um die Gewölbe und Wände derselben abweißen zu können, wurden nunmehr von Zimmerleuten Gerüste aufgerichtet, auf denen der Maler Lohse mit drei Gehülfen diese Arbeit verrichtete und sehr gut ausführte, auch die Kanzel neu anstrich. Hierauf wurden nun mitten im Schiff der Kirche bis an das Altarstück die neuen Weiberstühle in 13 Reihen auf dem vorher gedieltem Fußboden aufgestellt, so daß noch zu beyden Seiten ein 5 Fuß breiter Gang übrig blieb. Da in Zukunft die Kirche im Winter geheizt werden soll, so wurde in jedem dieser beyden Gänge am Ende derselben im Winkel ein eiserner Ofen von der Größe und Höhe eines kleinen Tisches, um darin mit Gas zu Heizen, aufgestellt. Um das Eindringen der kalten Luft in die Kirche zu verhüten, wurde an der großen Kirchthüre im Innern noch ein Vorbau angebracht, welcher freilich den Uebelstand verursacht, daß bey voller Kirche die Entleerung derselben beiym Ausgange langsamer erfolgt, manchmal sogar ein Drängen entsteht. Da die Orgel während des Baues leider nicht gehörig verwahrt und verdeckt war, so war dieselbe durch Staub und Kalkfarbenflecke sehr verunreinigt, und mußte daher vom Herrn Orgelbauermeister Offenhauer sorgfältig gereinigt und alle Pfeifen deßhalb heraus genommen werden. Nach halbjähriger Unterbrechung des Gottesdienstes ward derselbe am 13ten October wieder eröffnet, wobey der Herr Superintendent Leipoldt die Predigt über Psalm 26, v.8 hielt. Die sämmtlichen Baukosten betragen nun 502 Rtl. 10 Sgr. mit Einschluß der Gasöfen und der Orgelreparatur.
Am 25ten October früh zwischen 8 und 9 Uhr hat sich der Postexpedient Wagner, 37 jahre alt, in seiner Wohnung in dem in der breiten Straße gelegenen Hause des Horndrechslermeister Pabst durch Vergiftung mit Strychnin das Leben genommen.Er hatte das Gift, 4 Gran deßelben, unter dem Vorwande seinen Hund damit tödten zu wollen, gegen Ausstellung des gesetzlichen Giftscheins in der Löwen-Apotheke selbst geholt. Wie man fast allgemein hört, soll der pp. Wagner das Lagerbier und die geistigen Getränke stark gemißbraucht, und deßhalb schon mehrmals von seinen Vorgesetzten ernste Warnungen und Verweise erhalten haben.
Für die Hinterlaßenen der am 2 ten August des Jahres früh gegen 6 Uhr in Folge einer Explosion von schlagenden Wettern und dadurch erfolgten Schacht-Einsturzes in den Burgkschen Steinkohlenwerken im Plauenschen Grunde bey Dresden verunglückten 276 Bergleute wurde von der Expedition des Kreisblattes in Delitzsch und der Umgegend eine Collecte veranstaltet, deren Ertrag bis zum Anfang des November 274 Rtl. 18 Sgr. einbrachte, desgleichen eine für die im August in Herzberg Abgebrannten, deren Ertrag 23 Rtl. 6 Sgr. lieferte; beyde Summen wurden an die betreffenden Hülfscomites nach Dresden und Herzberg gesendet. Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unsere Armenkaße auch im vorigem und in diesem Jahre wieder einen Zuschuß von je 550 Rtl.
Am l0ten November, dem Geburtstage unseres großen Reformators Dr. Martin Luther, wurde der von Seiner Majestät dem Könige in allen evangelischen Kirchen der Monarchie angeordnete außerordentliche Bettag, um den Segen Gottes für die glückliche Ausführung des jetzt angestrebten Verfaßungswerkes unserer evangelischen Kirche zu erflehen, auch bey uns feierlich begangen. Der Vormittags-Gottesdienst in der Stadtkirche war leider nur mittelmäßig besucht; dagegen war aber beim Abend-Gottesdienst um 6 Uhr die Hospitalkirche mit andächtigen Zuhörern ganz überfüllt; überhaupt wird diese freundliche Kirche seit ihrer Erneuerung sehr fleißig, weit mehr als früher, besucht. S.die Beilage No. 131 des Delitzscher Kreis- Blattes. In der Nacht vom 9 ten zum 10 ten November entleibte sich der Stadtmühlenbesitzer Maasch, 47 Jahre alt, in seinem Schlafzimmer eine Treppe hoch durch einen langen Schnitt mit dem Barbiermeßer in die Schlag-und Blutadern des Halses zu beyden Seiten. Derselbe war durch den starken Mißbrauch geistiger Getränke schon länger in eine stille Melancholie und Geistesschwäche verfallen, welche durch die in Folge des kostspieligen Neubaues des gangbaren Zeuges der Mühle entstandene bedeutende, sehr drückende Schuldenlast noch mehr gesteigert wurde.
Der am 18 ten August des Jahres hier verstorbene Rentier Herr Christian Zschieke, früher Gutsbesitzer in Brodau, hat durch Testament bestimmt: 1) daß ein Legat von 400 Rtl. der hiesigen Volksschule aus seinem Nachlaße gezahlt werden soll mit der Bedingung, daß die Zinsen zur Bekleidung armer Confirmanden verwendet werden sollen; 2) daß an die hiesige Kirche ein Legat von 50 Rtl. gezahlt werde zur Erhaltung seiner Grabstätte. Auch hat der pp. Zschieke vor vier Jahren der hiesigen Schützen-Compagnie neue Käppis und drei neue flache Meßing- Trommeln geschenkt, wofür der Kostenaufwand im Ganzen 212 Rtl. beträgt. Der bisherige Diaconus und Hospitalprediger Bernhard Adolph Blanckmeister, der an des zu Michäelis 1866 als Pfarrer nach Hayna abgegangenen Diaconus Hofmann, welcher am 20ten post Trinit., 14ter October 1866 seine Abschiedspredigt hielt, Stelle trat, erhielt vor Kurzem den Ruf als Pfarrer nah Paupitsch und Benndorf. In Folge deßen hielt er den 21ten November am 26ten p.Trinit. (dem Todtenfeste,) früh in der Stadtkirche und Mittags in der Gottesackerkirche, beyde Mal vor einer sehr vollen Versammlung, seine Abschiedspredigt, und verließ dann am 24ten November unsere Stadt.
Der Mühlenbesitzer Wittig erbaute in diesem Jahre auf einem vom Rentier Wilhelm Kühne erkauften Gartenfleck vor der Pforte ein neues Wohnhaus, und der Cigarren-Arbeiter Friedrich Wilhelm Jentzsch ein dergleichen auf einer schon vor mehreren Jahren vom früheren Cigarrenfabrikant Haschert erkauften, zwischen der Eilenburger und Dübener Straße gelegenen Feldparcelle.
In Folge des erwähnten Feuers im Locale der Schuhmacher-Association und der schlechten Verwaltung derselben, sowie mangelhaften Buchführung, welche sich in Folge dessen herausstellte, hatte sich schon im vorigen Jahre die Schuhmacher-Association aufgelöst. Es wurde ein großer Theil der Mitglieder von den Gläubigern verklagt, zum Theil schweben diese Processe jetzt noch und Viele haben in Folge der eingetretenen exceutirischen Maaßregeln zahlen müssen. Es konnte nicht fehlen, daß hierbei manche Unschuldige mit dem Schuldigen leiden mußte. Wie man hört soll das Warenlager der Association bei der Aachener-Münchener— Feuerversicherungs-Gesellschaft mit 4,200 Rtl. versichert gewesen sein. Letztere hat sich geweigert die versicherte Summe zu zahlen, und hat auch im Proceßwege nicht dazu verurtheilt werden können, weil die Schuhmacher-Association den durch die Feuersbrunst angeblich erlittenen Verlust nicht genau und zuverlässig nachzuweisen im Stande gewesen ist.
Die Sache ist also faul. Als im Frühjahr des Jahres Vorarbeiten, Vermeßungen und Anfuhren von Baumaterialien zum Bau der Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn, und zwar zur Strecke von Eilenburg nach Delitzsch vollendet waren, wurde gleich vom Anfang des Julius an mit den Erdarbeiten vom Dorfe Hohenrode an bis Delitzsch begonnen, ebenso auch bald nachher mit den Maurerarbeiten. Die Bahn geht zwischen Bärendorf und Mannsfelds Windmühle in ziemlich gerader Linie nach unserer Stadt unmittelbar auf deren südlicher Seite vorüber nach Gertitz; der Bau derselben ist indeß bis zum December nur langsam fortgeschritten, der oberhalb der Eilenburger Straße beginnende und bis an die Leipziger Chaußee sich erstreckende ziemlich hohe Damm ist zwar fast fertig, dagegen von Brückenbauten nur der Durchgang unter der Eilenburger Straße und der auf den Loberwiesen, so wie der von Delitzsch nach Döbernitz vollendet; die Brücke über den Lober oberhalb der Elberitzmühle fehlt noch. Jeder Morgen Feld wird vom Bahn- Comite mit 600 Rd. bezahlt.
An die Stelle des am 8ten August des Jahres verstorbenen Friedrich Thaerigen ist der bisherige Kanzlist beym hiesigen Kreisgericht Heinrich Gelpke vom Magistrat als Registrator und Armenkaßen-Rendant erwählt undam 15ten December verpflichtet worden; Gehalt 240 Rtl. Wie in früheren Jahren, so fanden auch diesmal zu Weihnachten Christbescheerungen statt; in der im Seitengebäude des Hospitals befindlichen Kinder-Bewahr-Anstalt wurden am 23ten December Abends um 5 Uhr 42 arme Kinder mit Kleidungsstücken, kleinen Stollen pp. beschenkt; die Mittel dazu waren durch eine von der erst seit Michäelis hier angestellten, sehr tüchtigen Vorsteherinn, dem Fräulein Stemmer, einer Diaconißin aus Kaiserswerth, veranstalteten Collecte, welche 51 Rtl. einbrachte, beschafft worden; desgleichen empfingen Tags darauf die Hospitaliten nach vorgängigem Abendgebet, in welchem der Herr Superintendent Leipoldt eine herzliche Ansprache an dieselben richtete, die gewöhnliche auf dem Etat der Hospitalkaße stehende Christbescheerung bestehend aus großen Stollen und Pfefferkuchen; endlich hatte noch die Lehrerinn Fräulein Eppner am 20ten December durch freiwillige Beiträge eine Bescheerung für arme Kinder aus der Volksschule mit Kleidungsstücken und Büchern im Mädchen- Schulgebäude zu Stande gebracht.
Der Witterslauf war in diesem Jahre von dem des vorigen in mehrfacher Hinsicht sehr abweichend. Der Winter war bey fast durchweg hohem Barometerstande (Bar. 28,3 — 8) im Januar und niedrigerm unter 28 im Februar und März, bey vorwaltendem Süd-und Westwinde größten Theils milde; dichte Nebel, Regen, Schnee und Thauwetter wechselten oft einander; nur die Tage vom 14ten bis 25ten Januar machten hiervon eine Ausnahme, wo bey dem angegebenen sehr hohem Barometerstande und vorherrschendem Ostwinde das Thermometer früh um 7 Uhr nach Reaum. -5 — 11 zeigte. Dagegen war als eine wahre Seltenheit der April ungewöhnlich schön und warm, wodurch die Vegetation sehr befördert ward; der Barometerstand war mehr hoch, Süd-West und Süd-Ostwind vorherrschend. In der Nacht vom 15ten zum löten April war ein Nordlich von 17-2 Uhr sichtbar, und seit Mittags hatten Gewitter von Süden nach Norden herauf ziehend unsere Gegend einigermaßen gestreift. Der Mai war weit mehr rauh und kühl, als schön, die Windrichtung oft wechseld; trotz einiger Land-und Gewitterregen die Dürre anhaltend; Maikäfer und Raupen sehr wenig vorhanden. In der Nacht vom 13ten zum 14ten Mai war von 10 Uhr an wieder ein Nordlicht mit breiten roth und weißen bis an das Zenith reichenden Lichtstreifen sichtbar, welches von 12 Uhr nach den astronomischen Beobachtungen und Berichten in solcher Intensität und Ausströmung der Lichtstärke bis zum frühen Morgen wuchs, daß der ganze Himmel erhellt erschien, und selbst südlich stehende Fixsterne erbleichen mußten. Am 13ten war früh bey Nordwind dichter Nebel, das Barometer stand an diesem und demfolgendem Tage auf 28,2. Noch rauher und auffallend kühler als der Mai war der Junius, so daß Viele noch in den längsten Tagen einheizten. Land- und Gewitterregen fehlten auch in diesem Monat nicht; dennoch war in diesem Sommerhalbjahr in Folge der großen Dürre des vorigen Jahres der Waßerstand im Lober in ungewöhnlich seltner Weise bis zum Anfang des October außerordentlich niedrig. Die Heuerndte ist gut gewesen und glücklich eingebracht worden. Der Julius war bey oft wechselnder Windrichtung mit Ausnahme weniger Tage schön und warm; das Barometer stand hoch, auf 28,2 — 5; das Thermometer zeigte Nachmittags 3 Uhr + 30 — 36 Reaum. in der Sonne. Die Getraide-Erndte fand zur gewöhnlichen Zeit statt; der Roggen ist gut gerathen, noch beßer der Weizen, minder gut die Gerste und der Hafer. Am 2ten und lOten hatten wir einen Land-und Gewitterregen. Der August brachte gleich zum Anfang starke Gewitterregen, und war überhaupt größten Theils trübe, stürmisch, rauh und naßkalt; der Wind kam am meisten aus Nord-Westen.
Der September fing bey derselben Windrichtung gleich am lten dem Aegidius Tag früh mit Frost an, wie denn überhaupt die meisten Tage dieses Monats sehr kühl, trübe, regnigt und stürmisch waren. Am 12ten und 28ten hatten wir Gewitterregen und am 29ten Abends 7 % Uhr war ein Nordlicht (das dritte in diesem Jahre) von kurzer Dauer und matter Leuchtkraft bey hellem Himmel und dunstfreien Horizont sichtbar; der Stand des Barometer mehr niedrig. Die gute Grummterndte ward noch glücklich eingebracht. Der October war bey fast durchweg höhern Stande des Barometer und öfterem Ostwind noch rauher und naßkalter, als der September, überhaupt der ganze Herbst schlecht, weßhalb denn auch natürlich schon wegendes Mangels der Sommerhitze der Wein buchstäblich zu Eßig ward; die kalte Herbstwitterung brachte den Trauben den Tod. Vom Obst sind nur Kirschen und Birnen gut gerathen, weniger gut die Aepfel, am wenigsten die Pflaumen, von denen der große Scheffel bis 3 Rtl. im Preise stieg. Die Kartoffelerndte ist im Allgemeinen nur mittelmäßig ausgefallen, der große Scheffel kostete I Rtl., ausgesuchte I Rtl. 10 Sgr. Was von der Witterung des October gesagt ist, gilt noch in höherem Grade von der des November, deßen meiste Tage bey den öftern Schwankungen des Barometer, deßen bald höherem bald niederm Stande, so wie bey vorherrschendem Nordwest- und Ostwind sehr stürmisch, kalt und trübe waren, und abwechselnd Frost, dichte Nebel, Schnee und Regen brachten. Die Hauptursache dieser anomalen Witterung des ganzen Herbstes ist wohl darin zu finden, daß vom 29ten October an und den November hindurch im südlichen Deutschland, besonders in der Gegend von Frankfurt am Main und Darmstadt und vorzugsweise in dem zwischen diesen Städten gelegenen Heßischen Dorfe Groß-Gerau fast täglich Erdbeben statt fanden, welche oft in den Nächten so heftig wurden, daß sie in dem genannten Dorfe, als dem Mittelpunkte dieser furchtbaren Naturerscheinung, die Bewohner aus dem Schlafe weckten, und diese aus ihren Wohnungen wegen des zu befürchtenden Häuser-Einsturzes auf das freie Feld flüchten und dort campiren und frieren mußten. Diese Erderschütterungen hörten mit dem Anfang des December, (am 6ten Nebel, Barom.28,7) deßen Witterungslauf in der bisherigen Weise fortdauerte, auf, und kehrten noch einmal in der Nacht vom löten zum 17ten mit großer Heftigkeit zurück; an letzterem Tage tobte ein gewaltiger Orkan aus Westen, das Barometer, welches in der nacht 7 Linien gefallen war, stand früh um 8 Uhr äußerst niedrig, 27,1, und Abends 8 Uhr, 27,9. Dieser Sturm richtete an den Dächern Unheil an, fügte auch dem Thurme und dem Dache unserer Stadtkirche wieder einen neuen, wenn auch diesmal zum Glück nicht so bedeutenden Schaden zu; und entwurzelte auch eine hart an der Kohlthorbrücke auf der östlichen Seite der Chaußee stehende hohe und starke italienische Pappel, in welche vor etwa fünf Jahren ein gewaltiger Blitzstrahl geschlagen und die dicke Rinde derselben unten in der Höhe von fünf Fuß im halben Umfange des Baumes abgesprengt hatte.
Was den Gesundheitszustand betrifft, so herrschten von Mai bis September die Spitzpocken und Varioloiden (modificirte Menschenpocken) epidemisch, an letzteren starben drei Frauen. Von Anfang des Julius bis zum Jahresschluß aber graßirte in bösartiger Weise das Scharlachfieber epidemisch, und forderte unter den Kindern viele Opfer. Geboren wurden in diesem Jahre 331 (worunter 44 Uneheliche), und gestorben sind 241, worunter 146 Kinder. Es muß aber hierbey bemerkt werden, daß die Geborenen und Verstorbenen der kleinen Katholischen, jüdischen und freien Gemeinde, deren Mitgliederzahl vor zwey Jahren zusammen 233 Personen betrug, so wie auch der Strafanstalt, selbstverständlich, wie allemal, hierin nicht mit inbegriffen sind. Was den Witterungslauf betrifft, so war dieses Jahr wohl das regelwidrigste und wechselvollste, welches die jetzige Generation erlebt hat.
1870
Vom 1ten Januar des Jahres an haben nachbenannte Herren Lehrer folgende nach den Dienstjahren bemeßene Gehalts-Zulagen erhalten: 1) Schneider 40 Rtl. 2) Berger 15 Rtl. 3) Petermann 40 Rtl. 4) Hoffmann jun. 65 Rtl. 5) Beyer 30 Rtl. 6) Rocke 25 Rtl. 7) Thierbach 61 Rtl. 8) Jost 40 Rtl. 14)Klein 25 Rtl, 10) Schubert 25 Rtl. 11) Wenzel 25 Rtl. 12) Grellmann 68 Rtl. 13) Hofmann sen. 64 Rtl. 14) Kiemstedt 25 Rtl. 15) Diedecke 45 Rtl. 16) Ruhmann 20 Rtl. 17) Wernicke 25 Rtl.
Es betragen also die jetzigen Gehalte der genannten Herren mit Einschluß der betr. dem Werthe nach billig berechneten Amtswohnungen und der resp.Cantoren- und Organisten-Besoldungen nach dieser Reihenfolge: 1) 390 Rtl. 2) 340 Rtl. 3) 450 Rtl. 4) 365 Rtl. 5) 280 Rtl. 6) 225 Rtl. 7) 500 Rtl. 14)400 Rtl. 9) 275 Rtl. 10) 250 Rtl. 11) 225 Rd 12) 475 Rtl. 13) 400 Rtl. 14) 225 Rtl. 15) 325 Rtl. 16) 250 Rtl. 17) 225 Rd. Uebrigens darf auch bey uns seit einem Jahre kein Elementarlehrer unter 200 Rtl. angestellt werden. Für die am 6ten und 7ten Februar in Havelberg Abgebrannten, an welchem Brande an 700 Personen ihre Habe und Obdach verloren, wurde von der Expedition des Kreisblattes eine Collekte veranstaltet, deren Ertrag 86 Rtl. 6 Sgr, 9 Pf. betrug, und am 24ten Februar an den Magistrat in Havelberg eingesendet worden ist. Kleidungsstücke waren schon vorher abgeliefert. Mit den nach dem Schluß dieser Sammlung noch eingegangenen Beyträge hat der Gesammt-Ertrag derselben am Ende des Februar die Summe von 91 Rtl. und 29 Sgr. 9 Pf. ergeben, welche nach Havelberg gesandt wurden.
Am 29ten Maerz wurde unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs- und Schulraths Haupt aus Merseburg die mündliche Prüfung der Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten. Einer von den drei Schülern, welche sich diese Ostern der Abgangsprüfung unterzogen, konnte in Folge des sehr guten Ausfalls seiner schriftlichen Examenarbeiten und auf Grund der günstigen Zeugniße der Lehrer über seine Klaßenleistungen durch Dispensation von der mündlichen Prüfung ausgezeichnet werden; auch die beyden anderen Abiturienten bestanden das Examen. Censuren 1 gut, 2 genügend. Die Witterung des November und December des vorigen Jahres mit ihrem schroffen Wechsel dauerte im Januar des Jahres fast ganz in derselben Weise, und zwar in der ersten Hälfte deßelben bey vorherrschendem West—und Südwest—Winde und niedrigerm Barometerstande unter 28, dagegen in der zweiten Hälfte bey vorherrschenden Nordwest — und Ostwinde, höherem Barometerstande über 28, und mäßigem Frost, wie bisher fort. Die im südlichen Deutschland statt gefundenen pag.452 erwähnten Erderschütterungen kehrten im Januar bis zu deßen Ende noch mehrere Male in größerer und geringerer Stärke zum Schrecken der Einwohner zurück, ja sogar noch einige Mal im Februar und März.
Noch verdient als eine große Seltenheit erwähnt zu werden, daß im Laufe des Januar vier Nordlichter erschienen, und zwar am lten, 6ten, 20ten und 30ten, von denen das erste am Neujahrsabend von 11 bis 12 Uhr nach den übereinstimmenden astronomischen Zeitungsberichten als ein prachtvolles Phänomen, wie eine rote Feuersäule, sich zeigte, die andern drei aber minder glänzend waren Eine offenbare Folge davon trat denn gleich vom Anfang des Februar bis Mitte deßelben bey hohem Barometerstande (28,2 — 5) strenge Winterkälte ein; das Thermometer zeigte mehrmals früh 7 Uhr-15 Reaum. Scharfer Ostwind war vorherrschend. In der zweiten Hälfte des Februar schlug bey vorwaltendem Westwind die Kälte bedeutend ab; statt der kalten und hellen Tage der ersten Hälfte des Monats hatten wir wieder, wie im Januar, mildere, trübe und nebelvolle mit Schneefall bey niedrigem Barometerstand. An die Armen wurde von der Armen-Deputation 120 Tonnen ausgesiebte Knorpelkohle vertheilt. Die beyden letzten Tage des Februar und die drei ersten des Maerz waren sehr schön und milde, und man hoffte, daß der Winter, welcher diesmal schon zu Michäelis vorigen Jahres anfing, nun endlich Abschied nehmen würde; dennoch kehrte er noch einmal am 4ten Maerz zu uns zurück, und hielt bis zum Ende des Monats aus; die meisten Tage deßelben waren, obgleich bey mäßigem Frost und nur geringen Kältegraden, sehr trübe, naßkalt und rauh, auch durch anhaltende dichte Nebel, vielen Schneefall, Thauwetter und empfindlichen Nord — und Ostwind bezeichnet. Am 12ten Abends um 8 Uhr war ein Schneesturm (Barometer 27,4); der Stand des Barometers war häufigen Schwankungen unterworfen. Dieser ungewöhnlich lange anhaltende zum Theil harte Winter von der Dauer eines vollen halben Jahres hatte natürlich auch auf die Gesundheit der Menschen einen sehr nachtheiligen Einfluß und ward besonders Kindern und Brustkranken, noch mehr aber alten Personen verderblich; unter den letzteren war die Sterblichkeit sehr groß. Von Scharlach und Spitzpocken kamen nur noch vereinzelte Fälle vor; Catarrhe waren aber an der Tagesordnung. Noch ist zu bemerken, daß wegen der großen Näße die sehr gewünschte Bestllung des Feldes für die Sommersaaten leider noch nicht hat statt finden können.
Als der jetzige Besitzer der hiesigen Buchdruckerei Herr Bernhard Meyner diese nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1854 übernahm (S.pag.219), befand sie sich schon in einem recht gutem Zustande. Derselbe, ein Mann des besonnenen Fortschritts, vervollkommnete sie aber immer noch mehr durch Einführung zeitgemäßer Verbeßerungen. Da bey dem bedeutend vermehrten Geschäftsbetrieb die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten, so unternahm Herr Meyner zuerst im Jahre 1861 den Umbau des Wohnhauses, und führte dann 1862 mit vielem Kostenaufwand den totalen Neubau des langen in der kleinen Schloßgaße stehenden Seitengebäudes in höchst zweckmäßiger Weise aus, so daß die Officin die völlig ausreichenden Localitäten in den Parterre-Räumen des ganzen Grundstücks erhielt, und die obere Etage von dem Besitzer zur Wohnung benutzt wird. Zur schnelleren Förderung des Geschäftsbetriebes kaufte nun noch Herr Meyner im Mai 1870 auf der Leipziger Ostermeße für den Preis von vierzehnhundert Thalern aus der Fabrik von Klein, Forst und Bohn in Johannisberg am Rhein eine vortreffliche Schnelldruckpreße, welche vom Monteur Jacob Kempnich hier aufgestellt wurde, nur drei Mann zur Bedienung braucht, und deren erste Arbeit die No. 62 des Kreisblatts von 1870 war. Sie ist selbstverständlich ganz von Eisen, und wird durch ein etwa fünf Fuß im Durchmeßer haltendes Schwungrad, welches von einem Menschen gedreht wird, in Betrieb gesetzt. Am lten April legte der bisherige Lehrer an der höheren Bürgerschule Cand.Theol. Blindow nach nicht ganz zweyjähriger Wirksamkeit sein Amt nieder; derselbe war Ordinarius von Quinta, konnte aber leider, wie man oft hörte, bey aller Gelehrsamkeit doch keine Zucht und Ordnung in den Lehrstunden halten, weßhalb denn auch zu Michäelis vorigen Jahres dem um diese Zeit neu angestellten Lehrer, Cand.des höheren Schulamts, Carl Achten aus Breslau das Ordinariat dieser Klaße übertragen ward.
Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen 396 Rtl. verpachtet worden, und die Pflaumenplantage im Rosenthal für den Preis von 75 Rtl.
Die Witterung des April war in der ersten Hälfte deßelben bey höherem Juni Barometerstande und fast täglich wechselnder Windrichtung in der ganzen Windrose größten Theils angenehm und milde. Am Sten Abends von 8 — 9 Uhr war bei heiterm Himmel und hohem Barometerstande (28,6) ein prächtig glänzendes Nordlicht sichtbar, von welchem feuerrothe Strahlen bis in das Zenith stiegen; nach den astronomischen Berichten hatte daßelbe 30 Grade Breite, 55 Grade Höhe, und der Hauptstrahl allein, welcher bis zum Polarstern reichte, 3 Grade Breite. Die zweite Hälfte des April war bey vorherrschendem Nordost- und Nordwest-Wind weit mehr stürmisch, trübe und kalt als schön; besonders am 15ten und löten hatten wir Stürme mit Graupeln.(Thermfrüh — 8), (Barom. 28,4). In Folge des fast gänzlichen Mangels an Regen war während des ganzen April die Dürre sehr groß, welche noch im Mai fortdauerte, bis endlich noch zu rechter Zeit am lOten, 14ten, 16ten und 17ten Mai mehrere starke Gewitterregen die ausgedorrten Fluren erquickten, worauf wieder bey hohem Barometerstand und vorherrschenden Nordwestwind sehr schöne und warme Tage bis zum 22ten des Monats eintraten, denen aber wieder stürmische und sehr rauhe Tage bis zum 31ten , an diesem Abends mit einem Gewitterregen, folgten. Maikäfer und Raupen waren nicht vorhanden. Die Saaten standen gut, nur der Mangel an Futterkräutern war bedeutend, weßhalb die Marktpreise stiegen, die Kanne Butter bis zu dem enormen Preise von 1 Rtl., welcher aber bald wieder um 1/3 fiel. Die rauhe und unfreundliche Witterung hielt bey hohem Barometerstand (28 — 28,4) und vorherrschendem West und Nordwestwind noch bis zum 13 Junius an, worauf dann bey noch immer anhaltender Trockenheit herrlicher sehr warmes, die Heuerndte begünstigendes, Wetter bis zum 24ten folgte. Aber von diesem Tage an bis zum Ende des Junius regnete es bey empfindlicher Kühle viel bey Tag und Nacht, so daß leider ein großer Theil der wirklich schönen Heuerndte verloren gegangen ist. Der Waßerstand im Lober war während des ganzen Vierteljahrs sehr niedrig. In Hinsicht des Gesundheitszustandes ist noch zu erwähnen, daß im April vereinzelte Fälle von natürlichen Menschenpocken bey Erwachsenen vorkamen, welche tödlich endeten; überhaupt ist in diesem Frühjahr die Sterblichkeit, besonders unter den Schwindsüchtigen und Kindern, bedeutend gewesen; unter den letzteren herrschte auch der Keuchhusten. Am 4ten post Trinit.(d. 1 Oten Julius) hielt im Vormittags- Gottesdienst der Candidat Meinhardt aus Eisleben seine Antrittspredigt als Diaconus, nachdem er zuvor vom Oberpfarrer und Superintendent Vicar Leipoldt in sein Amt eingeführt war. Der Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer, welcher seit sieben Jahren, besonders im Winter und Frühjahr, in seiner Amtsverwaltung öfters durch Krankheit unterbrochen wurde und daher vertreten werden mußte, ist vom lten August des Jahres an mit einer Pension von 300 Rtl. emeritirt worden.
Als deßen Nachfolger in den genannten beyden Aemtern wurde der bisherige Stadt-Steuereinnehmer Robert Ufer, und als Nachfolger in deßen Amte der bisherige Sparkaßen-Aßistent Julius Braune vom lten October an angestellt. Am 4ten October hat sich die Frau des Handarbeiter Raetz in ihrer Wohnung in der Leipziger Vorstadt erhängt; deßgleichen auch an demselben Tage eine Frau im hiesigen Zuchthause. Die Witterung des Julius war bis zum 6ten trübe und kühl; am lten Abends um 5 und 7 Uhr hatten wir zwey Gewitter, und am 2ten noch ein starkes mit Graupeln um 6 Uhr Abends. Vom 6ten Julius an trat aber bey höherem Barometerstande ( 28,1 — 3 ) und vorherrschenden Nordwestwind und Südostwind sehr schönes warmes Wetter ein, (Thermometer + 33), am 13ten und 2 lten mit milden Landregen; der 28te und 29te, an welchem letzterem Tage früh ein sehr dichter Nebel war, brachte und Abneds um 4 und 10 Uhr starke Gewitterregen; die Roggenerndte wurde noch glücklich eingebracht; sie war im Ertrag in jeder Hinsicht gut. Das sehr schöne, warme Wetter des Julius (Thermometer +36) hielt bey niedrigem Barometerstande noch bis zum 9ten August an; von diesem Tage an trat aber eine bedeutende Abkühlung ein, und das Wetter war bis zum Ende des Monat sehr kühl, trübe, stürmisch und regnigt; auch hatten wir bey größten Theils niedrigen Barometerstande und vorherrschendem Nordwestwind und Nordostwind viele Regentage, und am 6ten, 8ten, lOten, 12ten und 19ten starke Gewitter, von denen das an dem schwülen Tage des 12te Abends von 5-7 Uhr sich durch seinen förmlich wolkenbruchartigen Regen auszeichnete, auch der Blitz im Dorfe Grabschütz in einem mit Stroh gedeckten Wirthschaftsgebäude zündete. In Folge der lange anhaltenden bedeutenden Näße wurde natürlich das Einbringen der Weitzen-, Gersten- und Hafererndte sehr erschwert und verzögert, indem die Feldbesitzer drei volle Wochen täglich mit dem Wenden und Aufstellen der Mandeln und Garben vollauf zu thun hatten, und trotz aller Arbeit und Mühe doch noch ein großer Theil dieser drei Fruchtarten durch Auswachsen verloren gieng. Es kann daher der Ertrag derselben nur als ein mittelmäßiger bezeichnet werden, zumal da der Weitzen schon im Frühjahr durch Auswintern sehr gelitten hatte und an vielen Stellen sehr dünn stand, und der große Scheffel deshalb bis 6 Rtl. 15 Sgr. stieg. Der Winter- Rübsen und Raps hat ebenfalls durch Auswintern so gewaltig gelitten, daß dieselben an vielen Orten haben umgepflügt werden müßen; die Erndte dieser Oelfrüchte ist mithin schlecht ausgefallen. An den kalten und stürmischen Tagen des 29ten und 30ten hat der Sturm von den Obstbäumen, welche dieses Jahr, besonders die Pflaumen, sehr voll hiengen, recht viel Früchte abgeworfen ; doch hängen noch viel.
Am 1ten September, dem Aegidius-Tage, war das Wetter sehr schön und angenehm, und wir hatten also nach der alten in den meisten Fällen bestätigten Wetter-Regel einen durchweg schönen September zu hoffen; allein trotzdem war die Witterung deßelben mit Ausnahme einiger warmen Tage zu Anfang und Ende des Monats bey oft wechselnder Windrichtung sehr kühl, trübe, nebligt und reg,nigt, am am Sten Morgens 2 Uhr auch ein Gewitterregen; der größere Theil der guten Grummterndte konnte, weil der Wind öfters wieder abtrocknete, noch mit genauer Noth eingebracht werden, der kleinere dagegen verdarb wegen der Naßkälte auf den Wiesen. In der Nacht am 24ten war von Abends 10 Uhr bis früh 4 Uhr ein prachtvolles Nordlicht sichtbar, von Farbe tief dunkelroth mit untermischten gelben Streifen, und sehr breitem Umfang; am folgenden Abend ward noch eins von derselben Stärke und Schönheit beobachtet . Das Barometer stand in der letzten Woche des Monats hoch, am 23ten und 30ten, 28,7. Noch ist zu bemerken, daß die Seite 452 erwähnten Erderschütterungen im Dorfe Groß- Gerau nach längerer Ruhe zu Anfang des Monats erst in geringerm Grade, dann aber vom 17ten an in bedeutenderer Stärke sich wiederholt haben.
Über den Gesundheitszustand ist zu berichten, daß normale Menschenpocken nicht mehr vorgekommen, auch für das verfloßene Vierteljahr.
Am 17ten October, Montags früh um 10 1/2 Uhr, entstand Feuerlärm; es brannte in der Hallischen Straße im Hofe des Gasthofsbesitzers Boehme zum goldenen Adler ein Stallgebäude, in welchem Braunkohlen, Reißholz, Stroh und Heu aufbewahrt wurden. Unsere trefflich organisirte und schon mehrfach bewährte Feuerwehr machte auch diesmal kurzen Proceß mit dem Feuer; nach Verlauf einer Viertelstunde war daßelbe gelöscht und die Gefahr vorüber. Die Entstehungsursache ist bis jetzt nicht entdeckt worden. Der Herr Kreisphysikus und Dr Kanzler hat im November unmittelbar vor seinem Wohnhause am Leipziger Thor ein Stück Stadtgraben von der Stadtkommun für den Preis von 78 Rtl. 15 Sgr. gekauft; die Linie wurde vom Brückenpfeiler bis an die aus der Holzstraße abgeleitete Schleuße gezogen, und der gewonnene Flächenraum beträgt 471 Quadrat Fuß; zum Schutz des Ufers hat der Besitzer nunmehr eine 5 Fuß hohe starke Mauer aus Bruchsteinen mit einem nicht unbedeutendem Kostenaufwand aufgeführt. Der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn ist in diesem Jahre in Folge des am löten Julius zwischen Frankreich und Deutschland plötzlich ausgebrochenen furchtbaren Krieges sehr ins Stocken gerathen, und die Actien dieser Bahn sind im December bis zum Jahresschluß nach und nach sogar bis auf 42 1/2 Rtl. gesunken. Von den Brücken sind die gleich oberhalb der Elberitz-Mühle befindliche maßive hoch gewölbte Loberbrücke und in geringer östlichen Entfernung davon wegen manchmal hohen Waßers eine ebenso schöne Flutbrücke erbaut, auch die beyden hohen Mauerpfeiler für den Durchgang der Berlin-Anhalter Eisenbahn vollendet worden, deßgleichen auch rechts von der Leipziger Chausee ein Güterschuppen und ein Waßerhaus. Dagegen sind aber die Erdarbeiten zu dem Damme zwischen den genannten Brücken und über diese hinaus noch sehr zurück; der Damm selbst ist hier an manchen Stellen 15 — 25 Fuß hoch, und giebt unserer Stadt von der südöstlichen Seite leider das Ansehen einer kleinen Festung; Gott gebe, daß dieser Damm bey einem Kriege in spätem Zeiten nicht einmal das Unglück für unsere Stadt wird. Aus der ursprünglich projectirten Eröffnung dieser Eisenbahn zum lten janura 1871 ist natürlich unter diesen Umständen bey dem Mangel an Eifer im Betrieb und wohl auch an Geld nichts geworden.
Die Witterung des October war in den ersten Tagen bey sehr hohem Stande des Barometer (28,4 — 8) hell und schön; bald fiel jedoch daßelbe bedeutend (bis 27,2.), der bisherige Ostwind ging in Nordwind und bald in Westwind über, worauf viele, trübe und kühle, auch regnigte Tage folgten. Am 24ten Abends von 6 bis 9 Uhr war bey hellem Himmel ein prachtvolles Nordlicht von sehr breitem Umfange nach Osten und Westen mit purpurrothen und gelben bis hoch an das Zenith aufsteigenden Strahlen sichtbar; am nächstfolgendem Abend wurde wieder ein solches, das neunte in diesem Jahre, bey trüberem Himmel, aber nicht so umfangreich und glänzend, wie das gestrige, von 6 1/2 - 8 Uhr beobachtet. Der Aberglaube des unwißenden großen Haufens erhielt durch diese Naturerscheinungen wegen des jetzigen blutigen Krieges mit Frankreich sehr reiche Nahrung Zu bemerken ist noch, daß die Kartoffelerndte recht gut ausgefallen ist, ebenso auch die Obsterndte, dagegen ist der Wein ganz mißrathen. Die Witterung des November war diesmal bey Anfangs höherem, dann größten Theils niedrigem Barometerstande und vorherrschendem Südwestwind und Westwind ungewöhnlich milde und schön; nur die letzten drei Tage deßelben waren bey hohem Barometerstand (B 28,4) und bey Nordwestwind trübe und kühl und voll dichten Nebels. Gleich vom Anfang des December trat starker Frost mit Schnee an mehreren Tagen ein bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (B. 28,1 — 5), das Thermometer fiel bis auf —10 Reaum früh 7 Uhr. Vom 13ten bis zum 20ten hatten wir bey niedrigerm Barometerstande und bey Westwind Thauwetter, worauf wieder vom letztgenannten Tage an bis zum 3 lten helles Wetter bey hohem Barometerstande und anhaltendem Ostwind und Nordostwind mit bedeutenden Kältegraden folgte; die beyden kältesten Tage waren der 24te und der 25te; an ersterem zeigte das Thermometer früh 7Uhr — 18, und Nachmittags 3 Uhr noch — 12; an letzterem früh 7 Uhr — 15. Zu erwähnen ist noch, daß die bereits verzeichneten Erderschütterungen in dem Heßischen Dorfe Groß-Gerau am 18ten des Monats in heftigem Grade wiedergekehrt sind. —
Der Gesundheitszustand war wie überhaupt dieses Jahr, im Ganzen genommen befriedigend; im letzten Vierteljahr waren Catarrhe nicht selten, so wie bey älteren Personen asthmatische Brustbeschwerden; auch kamen mehrere Fälle von maskirtem Scharlachfieber, wo der Ausschlag auf der Oberhaut gar nicht sich zeigte, sondern seine Rolle blos auf den Mandeln und den Schlingwerkzeugen abspielte, dann aber durch die nachfolgende Waßersucht sich manifestirte und mehrmals tödlich endete, zur Behandlung.
Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 392, worunter 51 Uneheliche, und gestorben sind 266, worunter 169 Kinder, so wie 2 Personen über 80, und 1 über 90 Jahre sind.
Der Gasthofbesitzer Becker erbaute in diesem Frühjahr und Sommer, nachdem er vorher einen großen Theil seines alten in der Zscherngaße gelegenen, bisher nur Stallungen enthaltenden, Seitengebäudes weggerißen hafte, an deßen Stelle ein sehr schönes maßives, unmittelbar an das Wohngebäude stoßendes, zweimal übersetztes, Wohnhaus, welches in jeder der bey den obern Etagen eine Fronte von 13 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten mögen nach ohngefährer Schätzung wohl mindestens 10000 Rtl. betragen. Desgleichen erbaute auch der Windmühlenbesitzer Dittmar, nachdem er sein vor fünf Jahren neu erbautes maßives an der Allee vor dem breiten Thor gelegenes Wohnhaus mit Zubehör an den praktischen
Arzt Dr. med. Rathmann für 5200 Rtl. verkauft, und das Grundstück seines verstorbenen Vaters in der breiten Straße übernommen hatte, nach Nieder- reißung des alten in der Mauergaße liegenden Seitengebäudes an deßen Stelle ein schönes maßives, einmal übersetztes, mit dem Wohngebäude in Verbindung gebrachtes Wohnhaus, das im obern Stock eine Fronte von 8 Fenstern nach der Straßenseite hat; die Baukosten dürften wohl 4000 Rtl. betragen. — Nachdem in diesem Frühjahr von den städtischen Behörden wegen abermaliger Zunahme der Schülerzahl und theilweiser Halbtagsschule in der zweyten Bürgerschule die Erbauung eines neuen Volksschulgebäudes für die Knaben an Stelle der der Commun gehörigen, in der Bitterfelder Straße gelegenen, früher Rohrschen Scheune beschloßen worden war, wurde mit dem Verkauf der letzteren selbst zum Abbruch, jedoch mit Ausschluß der Umfaßungsmauern von Lehm, da solche mit zur Ausfüllung der in einen Spielplatz für die neue Schule umzuwandelnden Pferdetränke verwendet werden sollen, vorgeschritten. Es wurde dafür im Wege des Meistgebots die Summe von 500 Rtl. gelöst; Ersteher war der Gutsbesitzer Dorn aus Paupitzsch. Das auf dem Gehöft genannter Scheune stehende Stallgebäude erstand der Agent Winter von hier für die Summe von 40 Rtl. Das Einreißen der von der Scheune und dem Stallgebäude stehen gebliebenen Lehmwände wurde an den Mindestfordernden verdungen; der Drainirmeister Naumann übernahm diese Arbeit für 60 Rtl. Am lten Julius wurde nun der Bau angefangen; die Maurerarbeiten wurden vom Magistrat dem hiesigen Maurermeister Taneck und die Zimmerarbeiten von diesem dem Zimmermeister Berthold in Bitterfeld übertragen; auch wurde noch zur stetn Aufsicht der Bauführer Schlodensky aus Breslau mit 75 Rtl. monatlichen Gehalts angestellt. Nachdem zu Anfang des December die Maurerarbeiten beendet waren, wurde vom 7ten bis 20ten des Monats bey leider sehr ungünstigem Winterwetter das Dach aufgerichtet. Das Gebäude selbst, deßen innerer Ausbau natürlich erst im nächsten Jahre vollendet werden kann, ist ansehnlich und schön maßiv, zweimal übersetzt, und hat in jedem der beyden obern Stockwerke eine Fronte von 10 großen, hohen Fenstern nach der Straßenseite, ebenso auch nach der Hofseite.
Deutschland erhielt im Monat Julius ganz unerwartet zwey Kriegserklärungen; die erste gegen die geistige und religiöse Freiheit gerichtete, vom Papste Pius IX in Rom durch die am 18ten des Monats vom ökumenischen Concil im Vatikan proclamirte Unfehlbarkeitserklärung diese vergötterten Menschen; die zweyte vom Kaiser Napoleon und dem französischem Volke am 19ten des Monats wodurch die politische und nationale Freiheit Deutschlands sehr stark bedroht und gefährdet war. Beyden ist für diesen unerhörten Frevel die furchtbare Strafe auf dem Fuße nachgefolgt; denn, was die erstere betrifft, so wurde, nachdem der französische Kaiser zu Ende des August seine Truppen, welche als Söldner zur Schande Frankreichs den Papst wegen der Erhaltung seiner usurgirten weltlichen Herrschaft beschützen, aus dem Kirchenstaat abberufen mußte, bald nach deren Abzug am 20ten September Rom nach einer fünfstündigen Schlacht von den italienischen Truppen erobert, und dem Königreich Italien als deßen Hauptstadt und Residenz einverleibt, wofür der Papst den König von Italien und seiner Minister in den Bann that. Wie gleichgültig und lächerlich dieser von allen Vernüftigen mit Recht verspottete Act dem Könige Victor Emanuel war, bewies derselbe dadurch, daß er diese saubere Bulle, wie wir in den Zeitungen gelesen haben, bald nachher in den Regierungs-Amts-Blättern seinen Unterthanen bekannt machen ließ, worauf dann nach etwa zwey Monaten der Papst dieselbe wieder zurück nahm. Eine empfindlichere Blamage und Beschimpfung konnte diesem Antichrist (wie ihn unser Luther nennt) nicht widerfahren. Man muß sich nur darüber wundern, daß der Papst es wagen konnte im erleuchteten neunzehnten Jahrhundert ein solches Attentat auf das Christenthum und die gesunde Vernunft, wie das Unfehlbarkeits-Dogma ist, der erstaunten Welt zu bieten; offenbar war dieser schwache Mensch hierbey nur das blinde Werkzeug der Jesuiten, im Concil hatten 88 aufgeklärte, freisinnige Bischöfe dagegen gestimmt.- Was nun die zweite, nämlich die von Frankreich an Deutschland erfolgte, Kriegserklärung betrifft, so hat die Geschichte wohl keinen Fall der Art weiter aufzuweisen, daß eine solche in so widerrechtlicher, plumper Weise in die Welt geschleudert wurde, wie diese. Wie sehr übrigens Frankreich in dieser Hinsicht seit vier Jahrhunderten an Deutschland sich versündigt hat, beweist der hier beygefügte Aufsatz „Frankreichs Angriffskriege gegen Deutschland." Diesmal war die angebliche Veranlaßung dazu die spanische Thronkandidatur; nachdem nämlich die spanische Nation im September 1868 die Königin Isabella vertrieben hatte, wählten seitdem die Cortes als Volksvertreter verschiedene Candidaten für den Thron, wie den Herzog von Montgensier, den Prinzen von Asturien, den Herzog von Aosta, (welcher letztere nach den veränderten politischen Verhältnißen am Schluße dieses Jahres noch König von Spanien geworden ist); diese drei Candidaten waren aber theils dem Kaiser Napoleon, theils seiner Frau, welche ungebührlicher Weise auch Politik treibt, nicht angenehm und wurden abgelehnt. Man muß sich sehr darüber wundern, daß das spanische Volk bey seinem Nationalstolz sich diese rechtswidrige, unverschämte und demüthigende Bevormundung gefallen ließ und ruhig hingenommen hat. Hierauf wählte daßelbe im Junius des Jahres den Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen, einen Verwandten unsers Königshauses. Auch dieser vierte Thronkandidat wurde von Napoleon, der gar keinen Rechtsgrund zur Einmischung in diese Angelegenheit hatte, abgelehnt; zugleich wurden in der ersten Hälfte des Julius deßhalb Verhandlungen mit unserm König angekündigt; der französische Gesandte in Berlin erhielt den Befehl sich nach Ems zu begeben, wo unser König um diese Zeit wegen des Gebrauchs einer Badecur verweilte. In zwey Audienzen erklärte der König dem Gesandten Benedetti, daß er sich bey dieser Sache aller Einwirkung auf die freie Selbstbestimmung des Prinzen Leopold enthalten habe, und sich deßhalb mit Frankreich nicht veruneinigen wolle. Bald nachher erfolgte denn auch von dem genannten Prinzen und deßen Vater die officielle Erklärung, daß der Prinz auf die angetragene Wahl verzichtet habe, was Benedetti auch in der zweiten Audienz mitgetheilt wurde, wodurch der Gegenstand des Streits beseitigt und die Sache somit erledigt war. Deßen ungeachtet verlangte dieser Diplomat noch, gewiß im Auftrage Napoleons, daß unser König darüber, daß auch in Zukunft kein Hohenzoller auf den spanischen Thron käme, eine besondere Urkunde ausstellen sollte. Es war offenbar darauf abgesehen unsern ehrwürdigen König durch diese empörende Forderung zu beleidigen, weßhalb derselbe aber auch, als Benedetti noch um eine dritte Audienz nachsuchte, diesem durch seinen General-Adjutanten, den Grafen Lehrndorf, sagen ließ, daß er nichts weiter mit ihm zu verhandeln habe, worauf die unter diesem elenden, grundlosen Vorwande frevelhaft herauf beschworne Kriegserklärung vom löten Julius am 19ten des Monats an den Grafen Bismark übergeben wurde. Diese war ursprünglich nur gegen Preußen gerichtet, und die französischen Gesandten an den süddeutschen Höfen waren sehr geschäftig diese unter allerhand trügerischen Versprechungen und Verlockungen vom Bunde mit Norddeutschland abzuziehen. Allein diese, belehrt durch die Geschichte der letzten vier Jahrhunderte, wußten recht gut, was sie von Frankreichs lügenhaften Vorspiegelungen zu halten hatten, und erklärten entschieden, daß sie sich nicht von der gemeinsamen Sache Deutschland trennen würden. So wurde nun dieser Krieg die Ursache zu der längst erstrebten festen Vereinigung aller deutschen Volksstämme, wie sie in der Geschichte bisher noch nicht bestanden hat. Unser König, welcher am 14ten Julius von Ems nach Berlin zurück reiste, erließ sogleich den Befehl zur Mobilmachung der gesammten norddeutschen Armee, und verordnete auch zugleich die Abhaltung eines Bettags am 27ten des Monats, um den Segen Gottes für unsere gerechte Sache zu erbitten. Ebenso wie bey uns wurde auch die Mobilmachung der süddeutschen Armeen eifrig betrieben, und auf den besonderen Antrag und Wunsch des Königs von Bayern übernahm unser als Feldherr bewährter Kronprinz den Oberbefehl über dieselben, und reiste in den letzten Tagen des Julius nach München. In raschem Fluge eilten nun die deutschen Armeen dem Rheine zu, und standen schon am lten August auf Frankreichs Boden. Bis zu diesem Tage waren die Franzosen nicht weiter gekommen, als bis Saarbrücken, und hatten diese offene, nur mit einer schwachen Garnison besetzte preußische Grenzstadt, mit Uebermacht angegriffen und besetzt, auch noch dazu ohne Noth brutaler Weise bombardirt und zum Theil in Brand gesteckt und mehrere Straßen eingeäschert; sie wurden aber schon am 6ten früh von den preußischen Generalen Steinmetz und von Goeben wieder daraus vertrieben, und am Nachmittag von denselben aus ihrer auf den Bergen auf Spicheren eingenommenen festen Stellung, welche mit Sturm genommen wurde, verjagt. Nun folgten vernichtende Schläge für die französischen Armeen in kurzer Zeit schnell aufeinander, von denen nur die entscheidensten hier erwähnt werden sollen. Schon zwey Tage vor dem Gefecht in und bey Saarbrücken am 4ten August schlug unser Kronprinz mit preußischen und bayrischen Armeecorps bey Weisenburg die französischen Armeen der Marschälle Mac Mahon und Canrobert total und vollständig; ebenso auch dieselben noch einmal am 6ten des Monats in der Schlacht bey Wörth, wo auch eine Württembergische und Badensche Division mit kämpfte; bey Weißenburg ist der Kampf besonders mörderisch und die Verluste sehr groß gewesen, weil diese Stadt, so wie auch die dabey liegenden, in der Kriegsgeschichte vom Jahre 1793 schon bekannten, Weißenburger Linien, welche mit dem daran stoßenden Geisberge gleichsam ein verschanztes Lager bilden, erstürmt werden mußten. Nun folgten die Schlachten vor Metz, am löten August bey Mars la Tour und Vionville so wie am 18ten des Monats bey Gravelotte und Rezonville; beyde, besonders die letztere, waren furchtbar; bey dieser führte unser König selbst den Oberbefehl; das 150000 Mann starke Corps des französischen Marschall Bazaine wurde gänzlich geschlagen, verlor an Todten, Verwundeten und Gefangenen 30000 Mann, und die noch übrigen 120000 Mann wurden, nachdem ihnen den Rückzug nach Paris durch die Armee des Prinzen Friedrich Carl, bey welcher auch unmittelbar neben den preußischen Garden das Königl. Sächsische Armeecorps tapfer mitkämpfte, abgeschnitten und versperrt war, in die Festung Metz hinein geworfen. Aus dieser versuchte nun der Marschall Bazaine am 3 lten August und lten September mit mehreren Corps durchzubrechen; aber alle diese Versuche wurden unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Carl vom General von Manteuffel in ruhmvollen Kämpfen, bekannt unter dem Namen der Schlacht bey Noiseville, blutig zurückgeschlagen. Hierauf folgte am lten und 2ten September die in der Geschichte ewig denkwürdige Katastrophe von Sedan; die Schlacht war hauptsächlich ein furchtbarer Artillerie-Kampf; die preußische, bayrische und sächsische Artellerie verbreiteten durch ihr mörderisches Feuer in den französischen Linien überall Tod und Vernichtung, und gaben dadurch den Beweis, daß sie der französischen Artellerie und deren neu erfundenen Mitrailleusen (Kugelspritzen) weit überlegen sind, besonders in der großen Treffsicherheit. Unser König war selbst in der Schlacht mit gegenwärtig, und da fand ganz unerwartet am 2ten September Nachmittags 1/2 2 Uhr das große Ereigniß statt, daß der Kaiser Napoleon, von deßen Gegenwart auf unserer Seite Niemand etwas wußte, weil er seine Sache als verloren und jeden ferneren Widerstand für unnütz hielt, sich unserm König als Gefangener übergab mit den Worten,, da ich nicht habe an der Spitze meiner Truppen sterben können, so übergebe ich meinen Degen Ew.Majestät." Die Begegnung und Unterredung beyder fand in Frtois, einem kleinem Schlößchen bey Sedan statt, und dauerte eine Viertelstunde. Gleichzeitig wurde auch die Capitulation mit dem General Wimpfen, welcher das Obercommando an des verwundeten Marschall Mac Mahon Stelle übernommen hatte, abgeschloßen, wodurch die französische Armee kriegsgefangen wurde. Unser edler, ritterlicher König behandelte den besiegten Kaiser, obgleich er den Krieg verschuldet hafte, dennoch großmüthig und wies ihm das herrliche Schloß Wilhelmshoehe bey Caßel zu seinem künftigen Aufenthalte an. In Paris hat sich nun eine provisorische Regierung gebildet, in welcher Taore und besonders der Advocat Gambetta, welcher wiederholt die Fortsetzung des Krieges bis aufs Meßer verlangt, die Hauptrolle spielen. Am 28ten September capitulirte Strassburg, nachdem die Stadt sehr durch ein mehrwöchentliches Bombardement gelitten hatte, und die Citadelle zerstört war; die Einnahme durch Sturm stand bevor, da im Wall bereits eine Bresche geschoßen war. Die Besatzung ist kriegsgefangen.
Nicht lange vorher war auch die Festung Laon gefallen; nach der am 9ten September abgeschloßenen Capitulation besetzte die vierte Compagnie des Sangerhäuser Jägerbataillons die Citadelle. Als der letzte Mann der französischen Mobilgarde diese verlaßen, sprengte der Feind vertragsbrüchig das Pulvermagazin in die Luft, wodurch eine furchtbare Zerstörung in der Citadelle und in der Stadt angerichtet ward, und 95 Jäger und über 300 Mobilgarden theils getödtet, theils verwundet wurden. Mittlerweile war in Paris von der neuen Regierung die Republik proclamirt worden, Nachdem der Marschall Bazaine am 7ten October noch einen letzten verzweifelten Versuch die Belagerungs-Armee vor Metz mit größter Gewalt zu durchbrechen unternommen hatte, aber auch diesmal wieder mit großem Verlust in die Festung zurück geworfen wurde, so mußte derselbe, da die Hungersnoth mit jedem Tage schrecklicher ward, indem man auf einen Zuwachs von 120000 Mann mehr nicht mit Proviant versehen war, nunmehr ernstlich an die Uebergabe denken; und so fiel denn am 70ten Tage der Be- Lagerung, den 27ten October, Metz, die stärkste, bisher noch niemals eroberte Festung Frankreichs durch Capitulation; in derselben fanden sich, wie in Strassburg, ungeheure Vorräthe von Kriegsmaterial aller Art vor, welche dem Sieger in die Hände fielen; die ganze Besatzung ward kriegsgefangen, und das starke Corps des Prinzen Friedrich Carl, mit Ausnahme von 25000, welche unter dem General von Kummer als Besatzung in Metz einrückten, zu anderweiten Zwecken an der Loire zu rechter Zeit verwendet. Außer den genannten vier Festungen sind noch bis zum Jahresschluß durch Bombardement und Capitulation folgende gefallen: Cuetzelstein, Lichtenberg, Lauterburg, Weissenburg, Marsal, Vitry, Toul, Soissons, Schlettstadt, Verdun, Neubreisach, Thionville, La Fere, Amiens, Montmedy, St. Quentin, Pfalzburg und Hagenau. In Bezug auf Metz ist noch zu erwähnen, daß die Versuche Mac Malions diese Festung zu entsetzen und Bazaine aus derselben zu befreien durch die Kämpfe bey Varennes am 29ten 30ten und 3 lten August, bey welchen unser König selbst mit gegenwärtig war, ganz vereitelt wurden, Mac Mahon über die Maaf3 zurück gedrängt wurde und sich mit großem Verlust nach Sedan zurück zog, wo ihn gleich nachher sein Schicksal ereilte. Nachdem am lOten October der prinz Albrecht und der bayrische General von der Tann eine feindliche Division der Loire-Armee bey Artenay geschlagen hatten, wurde am 17ten des Monats Orleans gestürmt. Leider mußte es der General von der Tann am 9ten November, weil er vom Feinde mit Uebermacht angegriffen wurde, wieder räumen, was aber im einem meisterhaften, wohlgeordnetem Rückzuge geschah, wobey er die sämmtlichen Angriffe des Feindes mit großem Verluste für denselben zurückwies, und erst hierauf den Abmarsch antrat. Später nach dem Eintreffen von Verstärkungen wurden der Bahnhof und die Vorstädte von Orleans am 4ten December vom Prinzen Friedrich Carl erstürmt, und die Stadt in der Nacht zum Sten wieder besetzt, und derselben eine Contribution von 600000 Franken auferlegt. Seit dem 19ten September ist Paris nun ringsum von mindestens 200000 Mann deutscher Truppen cernirt das Hauptquartier unsers Königs ist jetzt im Schloße zu Versailles. Der Krieg hat nun eine weitere Verbreitung dadurch erhalten, daß Gambetta, welcher jetzt der Dictator Frankreichs ist, den Volkskrieg anbefohlen hat, und Banden von Franctireurs (Freischützen), welche in Wäldern und Verstecken den sogenannten kleinen Krieg meuchelmörderisch führen, organisirt. Seit der Mitte des November hat er hierzu noch einen Bundesgenoßen an dem Bandenhauptmann Garibaldi von der Insel Caprera bekommen, welcher unberufener Weise mit italienischen, polnischen und spanischen Sturm- vögeln nach Frankreich gekommen ist, und sich mit seinen zusammen- gelaufenen Horden in den Wäldern und Gebirgen, besonders den Vogesen, herum treibt. Durch die gleich zu Anfang des Krieges verfügte Austreibung der Deutschen hat sich Frankreich vor der gebildeten Welt geschändet; ebenso sehr hat es sich aber auch durch die oft gehörte und gelesene prahlerische Aeußerung blamirt, daß es an der Spitze der Civilisation marschire; den schlagendsten Beweis vom Gegentheil hat es dadurch gegeben, daß es sich nicht schämte die barbarischen Afrikanischen Horden, wie die Turkos, Zuaven pp. diese wilde Bestien, gegen die hochgebildeten deutschen Truppen ins Feld zu führen, welche aber mit diesen schreckhaften Popanzen kurzen Proceß machten, ebenso mit den Banden Garibaldis, die am 27ten November bey Dyon und bey Pasques vom General von Werder förmlich auseinander gesprengt wurden, die Waffen und das Gepäck wegwarfen, und in wilder Flucht davon eilten. An demselben Tage wurde auch die französische Nord-Armee, trotz ihrer Ueberlegenheit, bey Amiens vom General von Manteuffel geschlagen, und am 23ten December noch einmal, worauf sie sich nach Arras zurück zog und dorthin verfolgt ward.
Die Beschießung der Außenwerke von Paris hat am 26ten des Monats begonnen. So stehen denn jetzt am Jahresschluß die Sachen in Hinsicht des Krieges. Die Franzosen haben, trotzdem daß sie überall durch feste Stellungen in Gebirgen und Wäldern, durch Wälle, Schützengräben, Gebäude und Verhaue sich zu decken wußten, bisher nicht eine einzige Schlacht gewonnen, dagegen die deutschen Truppen die glänzendsten Siege erkämpft, was der beste Beweis für die treffliche Führung und Kriegs- tüchtigkeit derselben ist; die sämmtlichen deutschen Armeen und Con- tingente haben in unvergleichlicher Tapferkeit mit einander gewetteifert.
Die Kriegsbeute, welche die deutschen Heere bis jetzt in den Schlachten und Festungen erobert haben ist unermeßlich; nach ohngefahrer Berechnung 6000 Kanonen verschiedenen Kalibers (in Metz und Strassburg allein 2477) über 600000 Gewehre (in Metz allein gegen 300000), ungeheure Vorräthe von andern Armaturstücken, Munition, Schießpulver und Bauholz, sehr viele Militärfahrzeuge, Pferde, Adler und Fahnen (von beyden letzteren in Metz allein 53). Das gesammte deutsche Volk brachte aber auch große Opfer; es wußte recht gut, daß diese im Verhältniß zu dem, was wir verloren hätten, wenn die Franzosen nach Deutshland kamen und uns ausgeplündert hätten, immer nur klein sind. Ueberall war man entrüstet über die schändliche Beleidigung unsers greisen Heldenkönigs; daher war die Begeisterung allgemein und mindestens ebenso groß, wo nicht noch größer, wie in den Jahren 1813, 14 und 15 Von den Universitäten und den obern Klaßen der Gymnasien und sonst noch traten Tausende freiwillig in die Armee, welcher ein herrlicher Geist beseelte. Das Volk zeigte seine Opferfreudigkeit und echt christliche Wohlthätigkeit im schönsten Lichte, indem es zunächst für die Unterstützung der Verwundeten sorgte; hier in Delitzsch und deßen nächster Umgegend waren zu diesem Zweck vom Anfang des August bis zum 6ten December bereits 4372 Rtl. eingegangen und an den Herrn Ober- präsidenten von Witzleben in Magdeburg vom Königl. Landraths-Amte eingesendet worden. Der ganze Delitzscher Kreis hatte schon in den beyden Monaten August und September 11323 Rtl. und 16 Sgr. collectirt. Die Zahl der Verwundeten ist sehr groß gewesen, noch weit größer aber die Zahl der gefangenen Franzosen, welche bis jetzt in noch nie vorgekommener Weise die ungeheure Ziffer von 430000 Mann beträgt, die alle in Deutschlands Festungen und großen Städten untergebracht sind. Nächst unsern Verwundeten erstreckte sich aber auch bey uns, wie im ganzen Volke die Fürsorge auf die Frauen und Kinder der einberufenen Wehrmänner, welche durch Collecten freiwilliger Beyträge und Steuerzu- schläge ansehnlich unterstützt wurden. Den 142 Kindern der letzterenwurde durch Bemühungen einiger Damen am 28ten December Nachmittags im Saale des Herrn Gatswirths Graul eine reichliche Christbescheerung bereitet, wozu die Mittel durch eine Lotterie-Collecte und andere freiwillige Bey- träge, im Betrag von zusammen 203 Rt1 und noch anderweite Liebesgaben beschafft wurden. Die Geschenke bestanden haupsächlich aus wollenen Kleidungsstücken aller Art und Schulbüchern nebst Tafeln, Wie überall, so wurden auch bey uns, sobald eine telegraphische Depesche eine Siegesnachricht brachte, die Straßen mit Flaggen in den preußischen und deutschen (schwarz, weiß und roth) Farben schön geschmückt, und bey Eingang großer Siegesnachrichten, wie von Gravelotte, Sedan und den Falle von Metz fand Abends eine glänzende Illumination statt, wobey auch von den Bürgern und den obern Knabenldaßen ein Umzug mit Fackeln abgehalten, und dabey "Heil Dir im Siegerkranz" und „die Wacht am Rhein" gesungen wurde. Der Fall von Metz wurde auch der Stadt durch das Läuten mit allen Glocken Abends um 6 Uhr sogleich verkündigt. —
Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weitzen 6 Rtl. 20 Sgr. Roggen 4 Rtl. 5 Sgr. Gerste 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. Kartoffeln 1 Rtl.
1871
Der pensionirte Kämmerer und Hospital-Vorsteher Eduard Weidenhammer ist am 29ten Januar nach längeren Leiden im 70ten Lebensjahr gestorben. Vid.pag. 460. Der Stadtgraben war das letzte Mal in den Jahren 1836 und 1837 geschlämmt worden. Da sich seit dieser Zeit in sehr großen Maßen der Schlamm wieder angehäuft hatte, so wurde zu Michäelis 1870 aus wohlbe- gründeten sanitäts-polizeylichen Rücksichten vom Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler beym Magistrat eine neue in diesem Winter vorzunehmende Reinigung des Stadtgrabens gutachtlich beantragt. Da dieser Antrag bey dem in der Nähe der Stadtmühle wohneneden Vermeßungs-Beamten Hundertmark aus unhaltbaren Gründen Widerspruch fand und derselbe sogar sich deßhalb an die Königl. Regierung zu Merseburg mit einer Beschwerde wendete, so wurder der Verfaßer dieser Zeilen, als der älteste hiesige praktische Arzt, welcher die letzte Schlämmung erlebt hat, vom Herrn Dr. Kanzler freundlichst ersucht in dieser Angelegenheit auch ein Gutachten abzugeben; ich that dies in der Mitte des October und wies in demselben ausführlich die Nichtigkeit der von dem pp. Hundertmark gegen die Schlämmung vorgebrachten Gründe nach, besonders auch, daß durch das Auswerfen des Schlammes keine Sumpfmiasmen, welche in seiner Familie die Erzeugung und Verbreitung des Wechselfiebers bewirken könnten, entwickelt würden, weiö selbstverständlich die Schlämmung nur im Winter stattfinden darf, und die Kälte die Effluvirn und Contagien zerstört; endlich bemerkte ich noch, daß es die höchste Zeit sey wieder einmal eine Reinigung unsers Stadtgrabens vorzunehmen, und nicht erst den sonst gewiß nicht mehr fernen Zeitpunkt abzuwarten, wo uns dann eine hartnäckige Wechselfieber- Epidemie, wie die in den Jahren 1832 — 38 hier herrschende dazu drängt. Hierauf genehmigte nun die Königl. Regierung die Schlämmung, welche vom Magistrat dem Drainirmeister Naumann für den südlichen Theil des Stadtgrabens übertragen ward, am 7ten November ihren Anfang nahm und den 28ten März 1871 beendet ward, Um von diesem südlichen Theil während des Schlämmens den Wasserzufluß aus dem Lober abzuhalten und doch der Stadtmühle noch zufließenzulassen, wurde dieselbe Vorrichtung getroffen wie im Jahre 1836 (S. pag. 56). Diese Reinigung kostete der Commun 731 Rtl, 14 Sgr. 6 Pf ; der Verkauf des Schlammes ertrug 488 Rd. 24 Sgr. Der Kreisgerichts-Director Hesse ist im December 1870 in gleicher Eigenschaft an das Kreisgericht Naumburg versetzt worden, und hat am Jahresschluß unsere Stadt verlaßen. An seine Stelle trat am 15ten März des Jahres der bisherige Staatsanwalt Thilo aus Glatz. Der Kreisgerichtsrath von Gansauge ist als Appelationsrath nach Posen versetzt und Anfangs April dorthin abgegangen.
Am 14ten März früh 6 1/2 Uhr entstand Feuerlärm; es brannte in der Kohlgaße in dem Gehöfte des Gärtner Dorn ein an deßen Wohnhaus unmittelbar angrenzendes übersetztes Stallgebäude zur Aufbewahrung von Holz, Kohlen und andern Dingen; das Feuer hatte schon die Balken im Giebel des Wohnhauses ergriffen; unsere vortreffliche Feuerwehr wurde aber auch diesmal sehr bald Herr des Feuers, denn nach einer halben Stunde war das Feuer gelöscht, worauf dieselbe mit ihrem Musikchor wieder in die Stadt einzog, Ueber die Entstehung des Feuers wurde nichts entdeckt. Als am 28ten Februar 11 1/2 Uhr Vormittags die Unterzeichnung der am 26ten des Monats zu Versailles zwischen dem Deutschen Reiche und Frankreich abgeschloßenen Friedens-Präliminarien bekannt wurde, äußerte sich auch bey uns die Freude über dieses glückliche Ereigniß laut und unverholen durch Glockengeläute, Aushängen sehr vieler deutscher und preußischer Flaggen in den Straßen, wie auch durch Schießen, welches aber sehr bald so arg ausartete, daß man wirklich hätte glauben können, es werde in den Straßen eine Schlacht geliefert, und man auch in der That seines Lebens nicht sicher war. Leider ließen die traurigen Folgen dieser Ungebühr nicht lange auf sich warten, denn um 1 Uhr erfuhr man, daß der Gehülfe des im Felde stehenden Buchhändlers Pabst, Adolph Sieg aus Eilenburg, 18 Jahre alt, von seinem guten Freunde dem Realschüler Pabst, einem Verwandten seines Pricipals, am großes Schutze der Kirschallee einen Schuß mit einem Papierpfropf in den Unterleib erhalten hatte, woran er in Folge eines Darmrißes den lten März starb.
Am 17ten März wurde unter dem Vorsitze des Herrn Regierungs- und Schulraths Dr. Betzenberger aus Merseburg die mündliche Prüfung der drei Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon drei Wochen früher statt gefunden hatte; zwei erhielten die Censur „gut", einer „genügend". Der Winter war sehr hart und anhaltend, die schon zu Anfang des December eingetretene strenge Kälte stieg im Januar noch höher bey vorherrschendem Nordwind und Ostwind (Barometer 28 — 28,3)das Thermometer zeigte am 2ten früh 7 Uhr — 22 Wenn auch die Kälte nachher um mehrere Grade abnahm, so blieb sie doch immer noch empfindlich genug, zumal da besonders die Armen die Holz — und Kohlennoth wegen des Mangels an Transportmitteln auf den Eisenbahnen bey deren Benutzung zu Kriegszwecken sehr drückte. Dichte und rauhe Nebel waren am lten , 4ten und 22ten Januar, und vielen Schneefall hatten wir, wie schon in den letzten Tagen des December, am llten, 12ten und vom 26ten bis 29ten Januar. Im Februar dauerte die Witterung ganz in derselben Weise bey den erwähnten höhern Kältegraden bis zum 15ten des Monats fort; von diesem Tage trat ununterbrochen bey Westwind Thauwetter ein, so daß wir am 20ten großes Waßer hatten (Barometer 27,17), welchem alsdann Schnee und Regen, milder Wind und am 28ten ein heftiger Sturm folgten. (Baromter 27,9). Die Witterung im Maerz war diesmal ungewöhnlich schön, bey vorherrschendem Südost- und Südwestwind fast durchgängig Frühlingswetter, der Barometerstand größten Theils hoch, gleich in der Nacht zum lten März war derselbe auffallend schnell um Linien gestiegen (28,8); das Thermomter in der Sonne zeigte gewöhnlich in den Nachmittagsstunden + 15 bis 30 Reaum; nur in den letzten Tagen vom 28ten bis 3 Iten ward das Wetter nach einem am 27ten Abends 10 Uhr statt gefundenen Gewitterregen kühl und windig, und brachte bey Norwestwind abwechselnd Regen, Graupeln und Schnee; es war dies der Uebergang zum Aprilwetter. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ebenso wie in dem ersten des vorigen Jahres keineswegs befriedigend; Lungen — und Luftröhren- Catarrhe kamen sehr häufig vor; schwindsüchtige und besonders alte Personen machte die strenge Kälte dieses Winters mürbe und brachte nicht wenigen derselben den Tod; auch hörte man öfters von Fällen erwachsener, besonders alter Leute auf dem Glatteis mit zum Theil sehr übeln Folgen.
Ueber den weitern Verlauf und das Ende des deutsch-französischen Krieges ist ferner zu berichten, daß die Beschießung der Forts von Paris in den letzten Tagen des vorigen Jahres ihren Anfang nahm; vom 27ten bis 29ten December wurde der befestigte Mont Aoron aus 76 Geschützen mit so gutem Erfolg bombardirt, daß derselbe schon am letztgenannten Tage durch Abtheilungen des Sächsischen Armee-Corps besetzt wurden. Seit Neujahr 1871 hat durch die bereits dreimonatliche strenge Absperrung von Paris die Hungersnoth in dieser Weltstadt einen furchtbar hohen Grad erreicht, daß deßhalb öftere Ausfälle, von denen der in der Nacht vom 13ten zum 14ten Januar aus der Stadt, so wie der am 19ten von dem Mont Valerien aus die heftigsten waren, unternommen, aber von den deutschen Truppen überall siegreich zurück geschlagen wurden. Auch von außen wurden sehr große Anstrengungen von den starken Armee-Corps der Generale Chancy und Bourbaki gemacht, um Paris, aber auch die wichtige Festung Belfort zu entsetzen; die Versuche zum Entsatz von Paris hat der Prinz Friedrich Carl durch seine siegreichen Kämpfe vom 6ten bis 12ten Januar, welche am letzten Tage mit der Eroberung der Stadt Le Mans endeten, gänzlich vereitelt, die Entsatz-Versuche auf Belfort aber sind durch den heldenmüthigen Widerstand des Generals von Werder vom 15ten — 17ten Januar durchaus vernichtet worden, trotzdem daß der Feind bedeutend stärker war. Auch die französische Nordarmaee unter dem General Taidherbe, welche Paris mit entsetzen sollte, wurde vom General von Goeben und Truppen des sächsischen Generals Graf Lippe am 19ten des Monats bey St. Quent in total geschlagen. Die Verluste an Todten und Verwundeten in diesen erbitterten Kämpfen waren allerdings bey unsern Truppen nicht unbedeutend, aber noch weit größer bey dem Feinde, welcher allein in der letzten Schlacht 6000 Todte und Verwundete so wie 9000 Gefangene, und bey Le Mans 20000 Gefangene und viele Gewehre, Kanonen, Munition, große Proviant-Vorräthe pp.verlor. Von Festungen haben nach vorgängigem kürzerem oder längerem Bombardement im Laufe des Januar noch folgende kapitulirt: Mezikes, Rocroy, Peronne und Longwy. Noch vor Abschluß eines Waffenstillstandes trat ein großes weltgeschichtliches Ereigniß ein; es hatte nämlich schon in der Mitte des December vorigen Jahres der jugendliche, talent — und geistvolle König Ludwig von Bayern, welcher gleich beim Anfang des Krieges durch seinen schnellen Beitritt zur gemeinsamen Sache Deutschlands sich das größte Verdienst erworben, bey sämmtlichen deutschen Fürsten und freien Städten den Antrag gestellt zur festen Begründung der Einheit Deutschlands an unsern ritterlichen König Wilhelm den Ruf um Erneuerung und Uebernahme der seit 64 Jahren ruhenden deutschen Kaiserwürde zu richten, und fand damit bey Allen Anklang und Zustimmung. In Folge dieses ergangenen Rufes erließ nun unser König aus dem Hauptquartier zu Versailles eine Proclamation an das Deutsche Volk am 17ten Januar, in welcher er es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet, diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten, und daß demgemäß er und seine Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen werden, und die Kaiserwürde in dem Bewußtseyn der Pflicht übernehmen, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, und die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu vertheidigen. Am Tage nach dieser Bekanntmachung, den 18ten Januar, fand nun im großen Saale des Schloßes ZU Versailles Vormittags die Vollziehung und Weihe dieses hochwichtigen Actes unter angemeßenen Fest- und Feierlichkeiten, Gottesdienst, Kirchenparade pp. statt, bey welchen viele deutsch Fürsten und Prinzen, Minister, der deutsche große General-Stab und von allen deutschen Truppen- Contingenten Deputationen mit ihren Fahnen gegenwärtig waren. Bald nachher reiste auch eine Deputation von 30 Reichstags-Abgeordneten, an der Spitze den berühmten Präsidenten Dr. Simson von Berlin nach Versailles und überbrachte dem Kaiser Wilhelm, welcher dieselbe sehr huldvoll empfing, den Dank, die Zustimmung und Glückwünsche der deutschen Volksvertreter zu dem frohen Ereigniß. Mittlerweile hatte sich in dem streng abgesperrten Paris, weil das Elend und die Hungersnoth täglich höher stieg, auch die Mehrzahl der Forts und die Stadt selbst durch die anhaltende Beschießung sehr gelitten hatten, und sogar bedeutende Feuersbrünste entstanden waren, das dringende Verlangen nach einem Waffenstillstande immer stärker ausgesprochen, zumal da zuletzt auch der Dictator Gambetta, das nahe und für ihn wahrscheinlich tragische Ende seiner Schreckens- herrschaft voraussehend, in einem Luftballon aus Paris geflüchtet war, um nimmer wiederzukehren; und so wurde nun am 28ten Januar von dem Reichskanzler Grafen Bismark und dem französischen Minister der aus- wärtigen Angelegenheiten Jules Favre die Kapitulation aller 16 Pariser Forts Zahlungen von 200 Millionen Franken ein dreiwöchentlicher Waffenstillstand zu Lande und zu Wasser unterzeichnet, welcher jedoch auf den südöstlichen Theil des Kriegsschauplatzes, die Gegend von Belfort, Dijon bis an die Schweizer Grenze sich nicht erstreckte. Die Pariser Armee, wenigstens 160000 Mann stark, blieb in der Stadt Kriegsgefangen; nach Ablieferung der Waffen durfte sich Paris mit Lebensmitteln verpflegen. Hierauf hat am 20ten des Monats die Besetzung von St. Denis und sämmtlichen Forts ohne alle Widersetzlichkeit und Störung stattgefunden. Hier in Delitzsch wurde dieses entscheidende, große Ereigniß am 29ten Abends um 5 Uhr auf einem Dankgottesdienste festlich gefeiert, worauf um 7Uhr Illummination und ein Auszug der Feuerwehr und aller Corporationen mit Fackeln stattfand. Nach Abschluß dieses zu Versailles unterzeichneten Waffenstillstandes wurde nun eine unterdeßen gesetzlich frei gewählte National-Versammlung (Constituante) 14 Tage später nach Bordeaux einberufen. Während dieser Zeit und der noch bewilligten Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 24ten Februar wurden nun ebenfalls zu Versailles zwischen dem Reichskanzler Herrn Grafen von Bismark, den Ministern der auswärtigen Angelegenheiten der Könige von Bayern und Württemberg sowie des Großherzogs von Baden, den Herren Grafen von Bray-Steinburg, Freiherrn von Waechter und Dolly, welche das deutsche Reich vertraten, einerseits, und dem Chef der Exekutivgewalt der französischen Republik Herrn Thiers und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Herrn Favre, welche Frankreich vertraten, die Friedens-Präliminarien verhandelt und festgestellt. Unterdeßen hatten die Kriegsoperationen auf dem südöstlichen Kriegsschauplatzeihren steten Fortgang; es handelte sich nur noch darum die schon mehrmals in den letzten Wochen vom General von Werder geschlagene Armee des General Bourbaki, deren Elend bey einer für die Franzosen empfindlichen Winterkälte sehr groß war (- 10 Reaum), unabläßig zu verfolgen und zu vernichten. Diese Aufgabe löste der unermüdete General von Manteuffel mit der tapfern von ihm kommandirten Südarmee in der glänzendsten Weise, indem er die noch immer 80000 Mann starke Armee Bourbalcis unter fortwährenden Kämpfen und großen ihr zugefügten Verlusten in das Grenzgebirge zurückdrängte, so daß dieselbe am 3 lten Januar bey Pontarlier in die neutrale Schweiz übertreten mußte, wo dann diese unwillkommenen Gäste von den Schweizer Truppen entwaffnet wurden. (Daßelbe Schicksal hatte schon einmal bey Sedan am 2ten September vorigen Jahres fast 15000 Franzosen betroffen, welche über die Grenze nach Belgien geworfen wurden) Unmittelbar nach diesem Vorfall hatte auch der Bandenführer Garibaldi, welcher sich gleichzeitig in Dijon in der Gefahr befand, umzingelt zu werden, diesem Schicksale nur durch die eiligste Flucht sich entzogen, und war unverrichteter Sache sogleich nach Caprera zurück- gekehrt; Dijon wurde nach leichtem Gefechte von unsern Truppen am lten Februar besetzt. Die Abgabe der Geschütze und Waffen der Armee von Paris hat am 7ten des Monats begonnen. Endlich hat auch die Festung Belfort nach Erstürmung zweyer starker auf felsigen Anhöhen gelegenen Forts am 8ten des Monats, wobey unsere Truppen nicht unbedeutende Verluste erlitten, am löten des Monats kapitulirt, und ist am 'Sten mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden Material übergeben und von unsern Truppen besetzt worden; dem Conunandanten Den Fert und der 12000 Mann starken Garnison ist in Anbetracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren bewilligt worden. Dieses Ereigniß beschleunigte zugleich den etwas verzögerten Abschluß der Friedens-Präliminarien, welcher nun am 26ten des Monats zu Versailles erfolgte, und die schuldenfreie Abtretung von Elsass außer Belfort, von Deutsch-Lothringen einschließlich Metz, eine Contribution von fünf Milliarden Franken, in drei Jahren zahlbar, und bis dahin Besetzung von Theilen Frankreichs außerhalb der neuen Grenzen enthielt. Außerdem wurde noch die Besetzung eines am rechten Ufer der Seine gelegenen Theiles von Paris durch die deutschen Truppen ausbedungen; die zur Occupation bestimmten Abtheilungen aller Waffen bestanden in der Stärke von 30000 Mann aus dem 6ten und 1 lten preußischen und dem ersten bayrischen Armeecorps, rückten am lten Maerz früh ein, wurden theils bey den Bürgern, theils in öffentlichen Gebäuden einquartiert, und verließen Paris wieder am 3ten Maerz Vormittags gemäß der Convention; das Wetter war sehr schön, und keine Störungen vorgefallen. Diese durchaus gerechte, °gleich nur zweytägige, Occupation von Paris war den Franzosen höchst empfindlich und unangenehm, zumal da die deutschen Truppen beym Abzug durch den großen Triumphbogen, in welchen die früheren Siege stolz eingemeiselt waren, marschirten, wodurch dieser seine Bedeutung verlor, gern wollten sie, um diese Demüthigung abzuwenden, lieber noch einige Millionen zahlen; allein unser Kaiser und Graf Bismark ließen sich durch kein derartiges Anerbieten dazu bewegen. Am lten Maerz war nun auch von der National- Versammlung in Bordeaux mit sehr großer Stimmenmehrheit der Friedensschluß angenommen worden, worauf ihn unser Kaiser und König am 2ten des Monats ratificirte. Hierauf hielt derselbe am 3ten und 7ten des Monats noch Heerschau und Paraden über preußische, bayrische, sächsische und württembergische Truppenkorps ab, und verlegte am letztgenannten Tage sein Hauptquartier nach Ferneres, von wo er nach 7 1/2 monatlicher Abwesenheit (seit dem 3 Iten 1870) am 15ten Maerz nach Deutschland zurückkehrte, überall mit Jubel empfangen und herzlichst begrüßt wurde, und mit seinen Begleitern Bismark und Moltke am 18ten des Monats in Berlin eintraf, Bald nachher erhob er den ersteren, den größten Staatsmann unserer Zeit, in den Fürstenstand, und den letzteren, den größten Feldherrn unserer Zeit, in den Grafenstand.
Als hier in Delitzsch am 28ten Februar Mittags die frohe Nachricht von der Unterzeichnung der Friedens-Präliminarien eintraf, äußerte sich die Freude darüber durch die bekannten Kundgebungen, von denen aber das Schießen zur zügelloßen Ungebühr dermaßen ausartete, daß nach Verlauf von kaum einer Stunde ein tödlicher Unglücksfall erfolgte, über welchen das Nähere pag.486 mitgetheilt ist. Hierauf wurde vom Magistrat das Schießen streng verboten. Wenige Tage nach der Annahme und Ratification der Friedens- Präliminarien begaben sich die Deligirten Deutschlands und Frankreichs nach Brüßel, um das Friedens-Instrument zum definitiven und formellen Abschluß zu bringen, was jedoch die französischen Unterhändler durch allerhand elende Ausflüchte und Winkelzüge Wochen lang zu erschweren suchten; dieselben hatten nämlich gehofft durch die am 18ten Maerz in Paris mit dem schrecklichsten Bürgerkrieg ausgebrochene furchtbare Revolution, welches das Gespenst der rothen Republik durch allerlei Greuel, Niederbrennen des vierten Theils von Paris pp. sich kennzeichnete, und erst am 29ten Mai Abends durch den Sieg der Versailler Truppen bekämpft wurde, günstigere Bedingungen zu erlangen besonders in Hinsicht der Contribution. Da gieng aber endlich auch dem Fürsten Bismark die Geduld aus; er verlegte nun den Sitz der Verhandlungen nach Frankfurt am Main, reiste am 4ten Mai selbst dorthin, wo auch auf sein Verlangen wenige Stunden später der französische Minister des Auswärtigen Favre eintraf Der Energie, dem richtigen Tact und der diplomatischen Gewandheit des Fürsten Bismark gelang es vom Sten Mai an die Verhandlungen bald in Fluß zu bringen, so daß bereits am Ißten Mai Nachmittags 2 Uhr der definitive formelle Abschluß des Frankfurter Friedens erfolgte und von Bismark und Favre unterzeichnet wurde. Von der Contribution war kein Groschen erlaßen, und für Deutschland noch ein vorteilhafterer Zahlungsmodus derselben erwirkt worden; Frankreich wurde dagegen um Belfort herum ein vergrößerter Festungs-Rajon bewilligt, wofür dieses in der Gegend von Metz und Thionville 12 deutsch redende Dörfer an Deutschland abtrat. Hierauf wurde der Friedens-Abschluß am 18ten Mai von der Versailler National-Versammlung einstimmig angenommen und am 20ten des Monats von unserm Kaiser und König ratificirt, worauf endlich am 24ten des Monats zu Frankfurt am Main die gegenseitige Auswechslung der Friedens-Urkunden zwischen Bismark und Favre erfolgte. Die Verluste der deutschen Armeen an Todten und Verwundeten in diesem blutigen Kriege betragen nach officieller Zusammenstellung 4990 Officiere und 112038 Unterofneiere und Soldaten, Der Delitzscher Kreis hat für die Verwundeten außer anderen bedeutenden Liebesgaben an Lebensmitteln pp. so wie für die Frauen und Kinder der einberufenen Landwehrmännern beinahe 30000 Rtl. zum Opfer gebracht. Einquartierung haben wir in Delitzsch wenig gehabt, nämlich am Sten und 6ten August vorigen Jahres 6 Compagnien vom Erfurter Landwehr-Regiment, und am 2ten April das Hallische Landwehrbataillon auf dem Marsch nach Torgau, von welchem 200 Mann am 21 ten April von dort zurück kehrten und einen Tag hier blieben, Verwundet sind aus unserer Stadt: 1) Grenadier Franz Bretschneider im Gefecht bey St. Privat la montagne am 18ten August 1870; Schuß durch das linke Schienbein; 2) Gefreiter Wilhelm Doemel im Gefecht bey Beaumont am 30ten August; Schuß durch die rechte Schulter und Arm; 3)Gefreiter Bruno Weidenhammer in der Schlacht bey Sedan am lten September, leichter Streifschuß am Unterleib; 4) Füs. Heinrich Wilhelm Haering im Gefecht bey Berneville den 18ten August, Schuß durch den rechten Unterschenkel; 5) Füs. Carl Friedrich Bauer im Gefecht bey Chautraine am 18ten August, Schuß am Kopf; 6) Hornist Friedrich Wilhelm Wagener im Gefecht bey Beaumont am 30ten August, Schuß durch die rechte Schulter; 7) Wehrmann Herrmann Hassen im Gefecht auf der Dorfstraße in Bougival am 2 Iten October, Schuß durchs Knie; 8) Musketier Carl Scholz auf Vorposten bey Ville d Aoray am 23ten November, Granatsplitter im Rücken; 9) Füs, Johann August Eschke im Gefecht bey Cotelles am 28ten November, Schuß durch den Oberschenkel; 10) Musketier August Franz Hoppe, im Gefecht bey Bavilliers am 13ten December; Schuß in den rechten Arm; 11) Kanonier Johann Friedrich Kuimmelberg, beym Bombardement auf Meziöres den 31ten December; Schuß durch das linke Schienbein. Auf den Schlachtfeldern sind geblieben: 1) Unterofficier Wilhelm Schmidt in der Schlacht bey Gravelotte den 18ten August, Schuß in den Kopf und in die Brust; 2) Füs. Christian Otto Cattermann in der Schlacht bey Sedan den lten September, Schüße in Brust und Hals. Uebrigens sind aus hiesigem Orte noch in Folge von Kriegs- Strapazen gestorben: 1) Wehrmann Louis Knopf, am 6ten April 1871 im Garnison-Lazareth zu Dessau an Nervenfieber; 2) Wehrmann Eugen Hassen, im Maerz in dem Lazareth zu Berlin am Typhus; 3) der Mützenmacher Ferdinand Sparmann, 51 Jahre alt am 7ten Mai an einem Blutsturtz während seiner Berufsthätigkeit im Hallischen Baracken-Lazareth In dem ihm von dem Oberbürgermeister von Voss und dem Stadtverord- Neten-Vorsteher Justizrath Gloeckner in der Hallischen Zeitung am 8ten Mai gewidmeten ehrenden Nachruf heißt es: "Derselbe hat länger denn 8 Monate hindurch mit ungewöhnlicher Sachkenntniß unermüdlicher Pflichttreue und liebender Sorgfalt die ihm anvertrauten Kranken und Verwundeten gepflegt, welche ihm mit uns ein dankbar ehrendes Andenken bewahren werden." In gleicher Weise hatte sich derselbe schon im Jahr 1866 als Krankenwärter im Lazareth auf hiesigem Schloße ausgezeichnet. —1\ ‚fit dem eisernen Kreutz 21er Klaße sind folgende Personen decorirt worden: 1) Wilhelm Meie, Premier-Lieutnant vom großen General-Stabe, betheiligt in diesem Kriege als Compagnieführer beym 52ten Infantrier-Regiment,(Vid.pag 370); 2) Carl Dietze, Second.Lieutnant im Magdeburger Füsel. Bataillon No.36, Sohn des hiesigen Kreisgerichts-Rath Dietze; 3) Georg Voerkel, Secondlieutnant im Rangerhöhung und Brandenburger Infanterie-Regiment Na 20, Sohn des verstorbenen Kreisgerichts-Rath Voerkel; 4) Bruno Weidenhammer, Unterofficier bey dem Garde-Artillerie-Regiment, Sohn des verstorbenen Kämmerers Weidenhammer; 5) Heinrich Weber, Sergeant bey dem Stabe der 33ten Infantrie-Brigade, Sohn des verstorbenen Wachtmeisters Weber. Im April ist dem bisherigen Kreisrichter Rohland der Character als Kreisgerichtsrath und dem Rechtsanwalt Weihe der Charakter als Justizrath verleihen worden. An die Stelle des Appellationsrath nach Posen versetzten Kreisgerichtsrath von Gansauge ist der Kreisrichter Huehne von Zörbig getreten. Am 19ten Mai früh um 3 Uhr ist der 52 Jahre alte Kaufmann Gustav Barth im Stadtgraben nicht weit vom großen Schutze ertrunken. Derselbe hatte am Abend vorher, dem Himmelfahrtsfeste, von 7 Uhr an in der blauen Taube an der 25jährigen Stiftungsfeier der Liedertafel Theil genommen, und war von dort erst kurz vor 3 Uhr allein nach Hause gegangen. Er betrieb ein kleines Geschäft mit Cigarren, war übrigens ein gutmüthiger Mann, aber periodisch dem Trunke ergeben, so daß man hier fast allgemein glaubt, daß der Verunglückte, da es in den jetzigen langen Tagen früh um diese Zeit schon ziemlich hell ist, im berauschten Zustande in den Stadtgraben hinein gestürzt, und unvermögend sich selbst zu helfen, ganz in der Nähe des Ufers ertrunken ist. Am lten Junius hat der Lehrer Wenzel, welcher zu Michäelis 1869 hier angestellt wurde, uns wieder verlaßen, um nach Witten in der Provinz Westphalen zu übersiedeln, und eine Stelle an der dortigen höhern Töchterschule mit 450 Rtl gehalt zu übernehmen; er hat diese Beförderung theils seinem sehr gutem Zeugniß vom Eisleber Seminar, theiils aber auch seinem Freunde dem Lehrer Breder auf deßen Empfehlung und Verwendung zu verdanken; der Gehalt des Letzteren ist bereits seit Ostern vorigen Jahres auf 550 Rtl. erhöht worden, und zwar 25 Rtl. ftir eine zweyte wöchentliche Singstunde, und 100 Rtl. für vier wöchentliche Unterrichtsstunden in der Handwerker- Fortbildungsschule.V.p.441. In Folge des durch Wenzels Abgang statt gefundenen Aufrückens jüngerer Lehrer wurde noch im Junius ein neuer Elementarlehrer in der Person des Lehrer Werner aus Riestedt bey Sangerhausen gebürtig angestellt, für jetzt an der Vorstadtschule, ferner die Friedens-Dankfest Lehrer Muehlner, vorher in Brehna, und Fischer, vorher in Zeitz an der Bürgerschule.
Am 2ten p. Trinit.den 18ten Junius, dem Jahrestage der Schlacht von Waterloo (1815), wurde bey uns das Friedens-Dankfest, nachdem daßelbe den Abend vorher mit allen Glocken von 6 Uhr an eine Stunde eingeläutet worden war, mit Vor—und Nachmittags-Gottesdienst feierlich begangen, und dabey in der Frühkirche nach der Predigt statt des angeordneten langweiligen, wenig erbauenden „Herr Gott dich loben wir" das herrliche Dankeslied unserer evangelischen Kirche „Nun danket alle Gott" mit Begleitung der Posaunen in erhebender Weise gesungen. Eine Illumination fand bey den jetzt längsten Tagen nicht statt, ebenso auch keine Aufzüge; die Straßen der Stadt waren aber mit sehr vielen deutschen und preußischen Flaggen auf das schönste geschmückt. Am 22 ten Junius in der Nacht früh 1 Uhr ereignete sich auf der Berliner-Anhaltischen Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz ein schrecklicher Unglücksfall mit einem Militärzuge, deßen ausführliche Beschreibung in dem hierbey angefügten Delitzscher Kreisblatt vom 24ten Junius mitgetheilt ist. Eine Zeitungsnachricht aus Leipzig vom 6ten Julius berichtet hierüber noch folgendes: „In Bezug auf die bey dem Unglück auf der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn verunglückten Soldaten können wir heute erfreulicher Weise mittheilen, daß von den ursprünglich in das Lazareth Aufgenommenen 43 an der Zahl, 16 bereits wieder zum Regiment haben entlaßen werden können. Gestorben ist nur ein Soldat, und die noch in Pflege befindlichen 26 Mann werden nach dem Ausspruche der Aerzte ebenfalls zum großen Theil in einigen Wochen und nur zum kleinen Theil in einigen Monaten das Lazareth geheilt verlaßen." Ein glänzendes Resultat!
Die Witterung dieses Frühjahrs war mit Ausnahme von höchstens vierzehn einzelnen schönen Tagen bey vorherrschendem Nordwestwind sehr rauh, stürmisch, naßkalt und regnigt, wirklich abscheulich; bis zum längsten Tage mußte eingeheizt werden; seit langen Jahren haben wir keinen so strengen Winter erlebt, welcher den Krieg gegen das Frühjahr bis zum Ende deßen so fortsetzte und es besiegte, wie diesen. Die ersten vier Tage des April waren sehr stürmisch mit vielem Schneefall;(Barometer 27,7), die Tage vom 13ten bis 17ten stürmische Regentage, am letzterem mit einem Gewitter; am 23ten Abends 6 1/2 Uhr entladete sich ein Gewitter mit Graupeln und starkem Regen, der die ganze Nacht über in einen Landregen übergieng; der 29te und 30te waren bey niederem Barometerstande ebenfalls Regentage. In gleicher Weise hielt das Wetter bey derselben vorherrschenden Windrichtung den ganzen Mai über an; wir hatten viele kalte und Regentage, der Himmel war, wie im April, größten Theils trübe und bewölkt. Ebenso höchst ungünstig und noch schlechter war die Witterung im Junius bis zum 29ten; an vielen Tagen regnete es stark; bedeutende , beynahe wolkenbruchartige Gewitterregen waren am 21ten Junius Vormittags und am 26ten Nachts 12Uhr, von welchen der letztere in einen Landregen übergieng, worauf wir dann am letzteren Tage in Folge der lange anhaltenden Näße sehr große Waßer hatten, welches das wenige bis jetzt geschnittene Heu theils verschlämmte, theils wegschwemmte; überhaupt ist durch die Ungunst des Wetters diesmal die Heuemdte um wenigstend 14Tage verzögert worden Zu bemerken ist noch, daß der 30te Junius einer von den äußerst wenigen schönen und hellen Tagen im ganzen Frühjahr war, trotzdem daß 100 Tage vorher am 23ten März den Morgen und Vormittag über ein sehr dichter Nebel, der einzige in diesem Monat, statt fand; denn nach den Wetterprophezeiungen der Oeconomen, welche aber nicht immer eintreffen, soll der hundertste Tag nach einem Märznebel allemal ein Regen- tag seyn. Die Hauptursache dieses so rauhen und überaus unfreundlichen Frühjahrs ist gewiß darin zu finden, daß, wie wir in den Zeitungen vor Kurzem gelesen haben, durch die gewaltig vorherrschenden Nord-West- Winde im April und Mai von der nördlichsten Spitze des Bothnischen Meerbusens große Eismaßen, sogenannte Eisberge, bis an die deutsche Ostseeküste getrieben worden sind, daselbst schmolzen und dadurch den Wärmestoff verzehrten, und viel Kälte verbreiteten. Dieser Umstand war auch schon im Jahre 1816 die Ursache des damaligen sehr rauhen und kalten Sommers. Welche schreckliche Verheerungen der letzte harte Winter im Pflanzenreiche angerichtet hat, das sehen wir jetzt erst recht deutlich; unzählige Kirsch,—Nuß- und Pflaumenbäume, wie auch die meisten Weinstöcke hat der Frost getödet, und die kleinere Zahl der noch übrig gebliebenen sind, was auch die vielen abgestorbenen verdorrten Aeste bezeugen, bereits halb todt, und bringen keine oder selten nur sehr wenige, durch das rauhe Frühjahr noch dazu verkümmerte Früchte, so daß von einer Verpachtung der Alleen gar nicht die Rede seyn kann. Blos die Apfelbäume scheinen etwas Ertrag zu versprechen, weil sie in der Blüthe nicht so viel litten.
Dagegen steht das Winter—und Sommer—Getraide ausgezeichnet schön, wozu die starke Schneedecke und die davon abhängige reiche Winterfrucht natürlich sehr viel beygetragen hat; auch hat daßelbe durch die viele Näße des Frühjahrs nicht gelitte, weil der Wind immer wieder bald abtrocknete, die kalte Witterung die diesmal sehr langen Halme abhärtete, und dadurch mit Hülfe des Windes das Lagern derselben größten Theils verhütete. Wenn Gott unsere Fluren noch vor Hagel und Schloßen, wie auch Wolkenbrüchen gnädig bewahrt, so haben wir eine reich gesegnete Getraide-Emdte zu erwarten. Auch der Klee ist sehr gut gerathen, und steht schön, jetzt im üppigsten Wuchse da, so daß an Futterkräutern durchaus kein Mangel ist. Was den Gesundheitszustand betrifft, so ist derselbe nicht befriedigend und die Sterblichkeit nicht unbedeutend; die natürlichen Menschenpocken, wie auch die modificirten sind epidemisch stark verbreitet, an den ersteren sind etwa einige zwanzig Erwachsene gestorben; auch die Lungenschwindsucht hat wieder so manches Opfer gefordert ebenso starben auch viele Kinder in den ersten Lebensjahren.Am lten Julius Nachmittags 4 Uhr ist der 12 '/2 Jahre alte Sohn des Schießhausbesitzers Rausch, Wilhelm Oskar auf der Bitterfelder Straße nahe der Offenhauerschen Brauerei von einem Leiterwagen des Oeconom Wachsmuth, geführt von deßen erwachsenen im Dienste des Vaters stehenden Sohne, überfahren worden; der Knabe war von der Deichsel herab gesprungen, in einem Strange mit einem Fuße hängen geblieben, so daß nun ein Vorder-und Hinterrad über seinen Unterleib hinweg giengen und er eine Stunde nachher starb Unbesonnenheit und Mangel an Vorsicht sind Ursache des Unglücks.
Auf den Beschluß des Magistrats und der Stadtverordneten wurde die im Jahre 1863 eingerichtete Kellerwirthschaft diese elende, gleich von vornherein als Spielhölle verrufene Kneipe, aus dem Rathhause mit Recht wieder entfernt, und soll in Zukunft der schöne Keller mit seinen bedeutenden Räumen, wie früher, blos zum Zwecke der Aufbewahrung von Victualien, Obst, Kartoffeln u. s.w. anderweit vermiethet werden; diese Veränderung erfolgte am lten Julius. In demselben Monat verkaufte die Stadt-Commun das Dietrichsche Wohnhaus, welches dieselbe am 18ten April 1867 (vid.pag.411) für 1525 Rtl. gekauft hatte, für 510 Rtl. an den Schmiedemeister Haschert mit der Bedingung des sofortigen Abbruchs, welcher den lten August statt fand Auch wurde in diesem Sommer die Grünstraße und die Quergaße planirt, der Bürgersteig daselbst gepflastert, und die Fahrbahn mit geklopften Bruchsteinen gut chaußirt; dies kostet 896 Rtl. 21 Sgr. 3 Pf In Bezug auf den bereits mitgetheilten Unglücksfall auf der Eisenbahn zwischen Zschortau und Rackwitz (vid.pag.502) ist noch zu bemerken, daß für die Angehörigen der verunglückten deutschen Soldaten in Leipzig 1300 Rtl. gesammelt worden sind, und daß die Direction der Berlin-Anhalter Eisenbahn dem Lazareth daselbst für die Verwundeten 800 Rtl. gesendet, und jeder Wittwe vorläufig 20 Rtl. geschenkt hat. Gestorben sind nur 3 Mann im Lazareth. In der hiesigen Strafanstalt befinden sich jetzt 245 weibliche Strafgefangene. Am lten November vorigen Jahres wurde, wie hiermit noch nachträglich bemerkt wird, der bisherige Direktor derselben Nolte (vid.pag.422) in derselben Eigenschaft nach Striegau in Schlesien, und der dortige Straf-Anstalts Direktor Heinrich Friedrich Haensler gleichzeitig hierher versetzt. Am 26ten August starb nach längeren Leiden der frühere Rector an hiesiger Bürgerschule, seit 1858 Lehrer an der höhern Bürgerschule Johann Gottlob Barthel, 68 Jahre, 12 Tage alt; er war 22 Jahre hier und in seinem Amt sehr treu und gewissenhaft. Am 30ten September Vormittags 10 Uhr fand in der Aula der hiesigen höheren Bürgerschule ein seltenes Fest statt. Der Senior unseres Lehrer- Collegiums, Herrn Organist Grellmann, welcher mit diesem Tage in den Ruhestand trat, war von Seiner Majestät dem König der Kronen-Orden vierter Klaße in Anerkennung seiner langen, musterhaften, fast 57 jährigen Amtsverwaltung verliehen worden. Zur Verherrlichung dieses Tages hatten sich die Herren Lehrer und die Schülerinnen der 1, 2 und 3 Mädchenldaße der höheren Töchterschule und der 1 und 2 Klaße der Bürgerschule versammelt. Nach Absinger eines der Feier entsprechenden Liedes begrüßte Herr Superintendent Leipoldt den Gefeierten in längerer Ansprache, welcher demselben auch im Auftrage der Königlichen Regierung den oben erwähnten Orden überreichte. Herr Rector Dr. phil. Barthels hielt dann im Namen des Lehrer-Collegiums eine ergreifende Rede, worauf noch Magistrats-Aßeßor Heinze, in Vertretung des Magistrats als Schulpatron, den Scheidendenden in kurzen bündigen Worten die ärmste Anerkennung und gleichzeitig sein Bedauern über den Verlust, welchen die Schule mit seinem Ausscheiden erleidet, aussprach. Mit der Absingung noch eines Liederverses schloß diese schöne Feier. Zu Thränen gerührt schied Herr Organist Grellmann aus seinem Wirkungskreise in Kirche und Schule Möge derselbe in dieser Feier, an welcher sich unsere Kinder betheiligten, die wärmste Anerkennung unser Aller finden, und noch lange möge er sich einer rüstigen Gesundheit wie bisher erfreuen, damit ihm vergönnt sei, auch die letzten Früchte seiner Thätigkeit zur vollen Reife gelangen zu sehen. Zu bemerken ist noch, daß derselbe vom lten October an mit einer anständigen wohlverdienten Pension von 315 Rtl und Beibehaltung seiner seiner ganzen Amtswohnung auf Erlaubenszeit vom Magistrat in den Ruhestand versetzt worden ist.
Zu Michäelis hat gegolten der große Scheffel Weizen 6 — 7 Ril. Roggen 4 RtL 22 'A Sgr. — 5 RtL Gerste 3 Rtl. 15 Sgr. — 4 Rtl. Hafer 2 Rtl. 5 Sgr. — 2 Rtl. 10 Sgf. Kartoffeln 1 Ra 15 Sgr. — 2 Rtl. Raps 8 Rtl. 15 Sgr.
Der Apother und Magistrats-Aßeßor Freyberg hat am lten October ein vor seinem frühem am Gerberplan gelegenen, jetzt dem Magistrats-Aßeßor Heinz gehörigen, Hause liegendes Stück Garten von 22 Quadrat Ruthen Umfang von der Stadt-Commun für 300 Rtl. gekauft. Am 6ten August wurde auch in unserer Stadt ein Kriegerfest zu Ehren der glücklich aus dem Felde zurück gekehrten Krieger in glänzender und würdiger Weise festlich begangen; über den Verlauf der Festfeier verweise ich auf die hier beygefügte in der No.93 des Delitzscher Kreisblattes befindliche ausführliche Beschreibung derselben. Die Witterung im Julius war mit Ausnahme einiger schönen Tage nicht viel beßer als im Junius, sondern trübe, kühl und naßkalt, so daß man wegen des glücklichen Einbringens der Feldfrüchte große Besorgniße hatte, zumal wir am 3ten Abends um 6 Uhr ein Gewitter in Süd, ferner am 10ten des Monats nach schwüler Hitze (Thermometer + 32) Mittags zwey starke Gewitter in Ost und Nord-West mit vielem Regen, so wie am 1 lten bey Süd-Ost-Wind (Thermometer +33) von Abends 7 Uhr bis 8 'A Uhr viere schwere Gewitter rings umher mit den gewaltigsten Blitzen und Donnerschlägen und wolkenbruchartigen Regen hatten, worauf am 12ten nach erfolgter Abkühlung (Thermometer +15) sehr großes Waßer Abends eintrat, und zwey Tage anhielt. Am 20ten um 4 Uhr Nachmittags tobte ein Gewittersturm (Barometer 27,8) aus Nord-Westen, welche Windrichtung überhaupt noch vorherrschend war; hierauf folgten noch mehrere regtügte Tage, und am 27ten in der Nacht ein Landregen.
Da die Erndte bereits um fast zwey Wochen verspätigt war, so war es die höchste Zeit, daß schönes und trocknes Wetter eintrat, was denn auch vom 2ten August an bis zum Ende deßelben fast durchgängig der Fall war, so daß die Grtraide-Erndte glücklich eingebracht werden konnte; das Barometer stand bey abwechselnden Nord-West-Wind, Nord-Ost-Wind und Süd-Ost- Wind hoch (Barometer 28-28,4), das Thermometer stieg Nachmittags in der Sonne auf einige 30 Grad, am am 14ten sogar bis 38 Reaum. Die Emdte des Winter- und Sommergetraides ging nun begünstigt durch die schöne Witterung rasch hinter einander sehr gut von statten; der Ertrag der Feldfrüchte ist durchgängig als eine gute Mittel-Erndte zu bezeichnen, besonders im Stroh sehr lang Am 23ten August früh um 2 Uhr und Abends von 8 —9 Uhr entladeten sich zwey Gewitter mit starkem Regen, welcher für den auf den Schwaden hegenden Hafer zu rechter Zeit kam. In Folge der übrigens in diesem Monat anhaltenden Dürre erschien in der zweyten Hälfte deßelben plötzlich die Landplage der Feldmäuse, welche in zahlloser Menge sich schrecklich vermehrten, und noch zu Anfang des October derart zugenommen hatten, daß die Feldbesitzer sich genöthigt sahen zur Vertilgung derselben Giftpillen (Phosphor) anzuwenden. Das schöne, sehr warme und trockene Wetter des August ging auch in den September bey derselben wechselnden Windrichtung und demselben hohen Stande des Barometers und Thermometers über, und dauerte bis zum 18ten des Monats fort so daß die wirklich sehr reichliche Grummterndte glücklich eingebracht werden konnte; vom 18ten an aber trat aber plötzlich bey niedrigem Stande des Barometer und Thermometers sehr trübe, naßkalte stürmische Witterung ein und hielt an bis zum Ende. Die Kartoffelemdte ist im Ganzen nur als eine leidliche Mittelemdte zu bezeichnen, weil durch die anhaltende Dürre im August und September die Ausbildung der Knollen sehr gelitten hat, so daß man allgemein die Klage hört, daß dieselben, obgleich gesund, doch nicht gut sammeln. Die Obstemdte ist in Folge der bereits oben Seite 504 erwähnten Ursachen durch Wittertmgs-Einflüße ganz verloren gegangen, höchstens etwa Aepfel in geringer Zahl sind noch zu theuren Preisen zu erhalten; ebenso wurde als Seltenheit ein Schock Pflaumen mit 3 Sgr. 9 Pf bis 7 Sgr. 6 Pf. bezahlt Weintrauben sind gar nicht zu haben. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal ziemlich befriedigend, und die Sterblichkeit, besonders im September, nicht bedeutend. Die Pocken- Epidemie erlosch in der Mitte des August; dagegen traten von diesem Zeitpunkt an bis zu Michäelis öfters Durchfälle auf; welche aber in der Regel leicht geheilt werden konnten. Im Leipziger Tageblatt vom 12ten October, abgedruckt auch im Delitzscher Kreisblatt vom 14ten October des Jahres heißt es: "Am 11 ten des Monats Mittags ereignete sich auf der Gerberstraße eine tragische Scene Ein Schüler der Delitzscher Realschule, Ferdinand Gustav Mafins aus Hohenleina, Sohn des dortigen ersten Lehrers, der sich vor einigen Tagen aus dem elterlichen Hause, in dem er sich während der Schulferien aufgehalten, unter Mitnahme eines Sparkaßenbuchs heimlich entfernt, und von dem Gelde 40 Rtl. in Delitzsch erhoben, sich aber dann nach Leipzig herein verfügt und in einem hiesigen Gasthofe Quartier genommen hatte, wurde von seinen Eltern, welche von dem Aufenthaltsorte ihres Sohnes Kenntniß erhalten hatten, hier aufgesucht. Der noch nicht ganz 20jährige Mensch fuhr eben in einer Droschke vor dem Gasthause vor, als er seinen Vater in Begleitung eines andern Mannes aus der Heimath erblickte. Noch in der Droschke sitzend, zog derselbe plötzlich einen geladenen Revolver aus der Tasche und feuerte zwey Schüße gegen seine Brust ab, ohne sich jedoch gefährlich zu verwunden. Keiner der beyden Kugeln drang ein, und sah sich der leichtsinnige junge Mensch bald darauf in den Händen der Polizey." Hierauf hat der Vater seinen verlornen Sohn sofort von unserer Realschule weggenommen, und ist dadurch der unvermeidlichen Exklusion deßelben zuvorgekommen. — Es ist sehr zu beklagen, daß seit dem zu Ostern 1868 erfolgten Abgange des trefflichen Rectors Giesel in unserer Realschule sich mehrere recht unangenehme Vorfälle und Exceße ereignet haben, welche einer solchen Anstalt keinen Segen und Vortheil bringen, sondern nur schaden können.
Am 18ten October früh um halb neun Uhr brach in dem Hause der Nagel- Schmieds-Wittwe Schmidt in der Holzgaße, unmittelbar neben der Wohnung des Verfaßers dieser Zeilen, im obern Stock Feuer aus Schnell herzugeeilter Hülfe gelang es sofort demselben Einhalt zu thun, und verbrannte nur ein Bett und einige andere Gegenstände, armen Leuten gehörig, welche zur Zeit nicht in ihrer Wohnung anwesend waren. Wie man hört, haben ohne Aufsicht allein zurückgelaßene Kinder mit Streichzündhölzchen gespielt, und das Bettstroh angebrannt.
Am 4ten November Mittags halb 12 Uhr ist der Hausbesitzer und Fuhrmann Gottlieb Ziecke 61Jahre 9 Monate alt, durch Ueberfahren verunglückt. Derselbe kam, wie gewöhnlich, um diese Zeit mit seinem schwer mit Braunkohle beladenen Kastenwagen von Bitterfeld gefahren, begieng aber dabey die große Unvorsichtigkeit sich unmittelbar hinter der Wage auf die Deichsel zu setzen und dazu noch auf diesem gefährlichem Sitze zu schlafen, in diesem Zustande fiel er nahe bey dem zwischen Delitzsch und Benndorf liegenden Bahnwärter-Häuschen vorwärts auf die Erde, so daß das Vorder- und Hinterrad in gerader Richtung über die rechte Seite seines Rückens gieng, das Schulterblatt und mehrere Rippen zerbrachen, und ein starker Blutstrom in Folge der geborstenen rechten Lunge aus dem Munde trat; der Tod erfolgte sogleich. Noch ist zu bemerken, daß der Verunglückte, wie man hört kein Trinker, sondern ein ganz ordentlicher Mann war. Im Monat August wurde ein dringend nothwendige Reparatur an der alten Orgel unserer Stadtkirche vorgenommen; dieselbe bestand in der Herausnahme särmntlicher Pfeifen, Reinigung derselben und Belederung der sehr defecten Bälge und Windladen. Herr Orgelbaumeister Offenhauer erhielt dafür 90 Rtl., welche aus dem Kirchenvermögen bezahlt wurden. Auch in diesem Jahre hat der Bau der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn keine sonderlichen Fortschritte gemacht; der hohe Bahndamm vor der Elberitz-Mühle ist noch in einer ziemlich langen Strecke nicht vollendet, und es müßen noch bedeutende Erdmaßen aufgeschüttet werden; die Zahl der bey den Erdarbeiter angestellten Arbeiter war in diesem Jahre überhaupt viel zu gering. Dagegen sind die Schwellen und Schienen von Eilenburg bis nahe an unsere Stadt, da wo die Bahn die Eilenburger Straße überschreitet, gelegt, und das sehr schöne, ansehnliche, zvveymal übersetzte maßive Bahnhofs- Gebäude, welches unmittelbar am Uebergange der Bahn über die Berlin- Anhalter westlich gelegen ist, noch im Spätherbst unter Dach und Fach
Beamten Wechsel gebracht worden Außerdem wurden noch im Laufe des Sommers und bis in den Herbst die Erdarbeiter am Bahnkörper durch die Feldmark Rubach und die Fluren und Gärten des Dorfes Gertitz in der Richtung nach Kyhna zu, aber leider nur mit geringen Kräften unternommen und langsam fortgeführt.
An die Stelle des bisherigen nach Teglitz abgegangenen Gasinspektor Friedrich Bendert ist vom 15ten Junius des Jahres an der Gastechniker Hugo Franke aus Fraustadt im Regierungs Bezirk Posin als Gasinspecktor hier angestellt worden. Deßgleichen ist auch an die Stelle des im Frühjahr verstorbenen Polizei-Sergeanten Tronicke der bisherige Marktmeister Ludwig August Steinborn aus Diersen als erster Polizei- Sergeant und Marktmeister für hiesige Stadt angestellt worden, und hat am 1ten September sein Amt angetreten. Die am lten December stattgefundene Volkszählung hat folgendes Resultat ergeben: es waren vorhanden 1) bewohnte Häuser 667, 2) Haushaltungen 1891, 3) wirkliche ortsangehörige Bevölkerung 8160, mithin 171 mehr als im Jahre 1867, wo unsere Stadt 7989 Einwohner hatte. Am 5ten December wurde die in der Bitterfelder Straße neu erbaute Bürger-Knabenschule feierlich eingeweiht. Das Haus selbst ist ein wahres Prachtgebäude, eine große Zierde unserer Stadt; die Klaßen- Lokale in demselben sind sehr geräumig, hell und in jeder Hinsicht zweckmäßig. Was den Act der Weihe selbst betrifft, so beziehe ich mich und verweise auf die hier beygefügte Beschreibung deßelben in den Nummern 146 und 147 des Delitzscher Kresblatts, welche sehr ausführlich ist. Die Baukosten laßen sich noch nicht bestimmen, sollen aber, wie man hört, mindestens 25000 Rtl. betragen Vid.pag.468. Am 15ten December kam vor der ersten Abtheilung des hiesigen Kreisgerichts die Untersuchung wider den Locomotivenführer Pius David Louis Sarpe aus Berlin, 34 Jahre alt, zur Verhandlung. Derselbe war angeklagt: am 22ten Junius zwischen Rackwitz und Zschortau fahrläßiger Weise den Transport auf der Eisenbahn (einen Militärzug, vid.pag.502) in Gefahr ge bracht und dadurch den Tod von Menschen verursacht zu haben. Die Hauptschuld des Locomotivführer Sarpe ist nach der Aussage und Erklärung von Sachverständigen darin begründet, daß derselbe, nachdem er die Trennung des Zuges von der Locomotive bemerkt hat, diese sofort anhielt, und nicht, wie es § 24 der Instruction der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft verlangt und bestimmt, so lange vorwärts gefahren ist, bis er die bestimmte Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Zug stand, oder doch so weit entfernt war,daß kein Zusammenstoß mit der Maschine mehr erfolgen konnte Die Verhandlung, welche eine große Zuhörerschaft herbeigezogen hatte, dauerte ohne Unterbrechung von 9 1/2Uhr des Morgens bis nach 6Uhr des Abends. Nachdem von der Staatsanwaltschaft 1Jahr Gefangniß und Aberkennung der Fähigkeit zum Eisenbahndienst, vom Vertheidiger Herrn Justizrath Hassen aber die Freisprechung beantragt wurde, erkannte der Gerichtshof unter theilweiser Annahme mildernder Umstände, wegen gemeingefährlichen Vergehens auf 6Monate Gefängniß. Eine viel zu milde und geringe Strafe für einen Verbrecher, der, wenn auch nur durch Fahrläßigkeit und Unbesonnenheit, den Tod von 22 braven Soldaten, deren leben die Kugeln auf Frankreichs Schlachtfeldern verschonten, verschuldet und auf seinem Gewißen hat; dieses letztere untrügliche Tribunal wird unaufhörlich ihn verurtheilen in Zeit und Ewigkeit. Außer den bereits erwähnten herrlichen Gebäuden, des Halle- Sorauer Bahnhofs-Gebäudes und des neuen nun vollendeten Schulgebäudes ist wegen des Krieges wenig gebaut worden. Das früher dem Schumacher Gneist gehörige sehr banfällige Haus in der Schloßgaße hat ein Subaltern- Beamter in der Strafanstalt, Namens Dehahn gekauft, niedergerißen und ein maßives übersetztes Wohnhaus dafür erbaut. Deßgleichen hat der Schumachermeister Gallwitz das Haus seines Schwiegervaters Weidenhahn in der Holzgaße sehr gut maßiv umgebauet.
Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unser Armenkaße auch im vorigen und in diesem Jahre einen Zuschuß von je 550 Rtl., wie dies bereits seit mehreren Jahren der Fall ist. Die trübe, kühle und regnigte Witterung der zweiten Hälfte des September hielt auch im October bey niedrigem Barometer und Thermometer-Stande und Südwestwind bis zum 12ten an; von da an hatten wir bey fast täglich wechselnden Windrichtungen in der ganzen Windrose und hohem Barometer (28,3-6) bis zum 22ten schöne und milde, helle Tage, von da an aber bis zum Ende des October bey demselben hohen Barometer und vorherrschendem Ost- und Nordost-Wind trübe und kühle Tage mit dichtem Nebel. Fast in derselben Weise gieng diese Witterung auch in den November über; die meisten Tage waren mäßig kalt, und sehr trübe wegen der häufigen dichten Nebel, Barometer und Windrichtung die zuletzt angegebene. Noch ist zu bemerken, daß am 9ten des Monats ein schönes Nordlicht sich zeigte, und am lOten, dem Geburtstage Luthers und Schillers, ein noch weit glänzenderes von Abends 9% bis 10 WW sichtbar war; das letztere zog sich vom direkten Norden bis zum direkten Westen, färbte des ganzen eingenommenen Himmelsstrich prächtig roth, und reichte bis nahe an das Zenith. Schnee fiel nur in den letzten Tagen des Monats. Der December brachte gleich vom Anfang an Licht, Frost, Schnee und mäßige Kälte, welche letztere bey Nordost- und Nordwest-Wind bald stieg (Barometer 28,1), so daß das Thermometer am 11 ten und 12ten früh 7Uhr — 14 Reaum zeigte bey Südwest-Wind Barometer 28,5, gleich nachher wieder abnahm und bey vorherrschendem Südwest-Wind und hohem Barometer nur in sehr mäßigen Graden, abwechselnd mit Thauwetter, bis zum Jahresschluß anhielt. Der Gesundheitszustand ist nicht befriedigend, die Sterblichkeit bedeutend gewesen; viele alte Personen sind gestorben in diesem Quartal, viele junge an der Schwindsucht, und eine große Zahl Kinder an der häutigen und Rachenbräune. Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchgemeinde 307, worunter 50 Uneheliche, und gestorben sind 283, worunter 165 Kinder, und 50 Personen vom 60ten bis zum 90ten Lebensjahre. Die Sterblichkeit beträgt bey uns seit 1858 nach statistischen Nachrichten 25 Procent.
1872
Vom 1ten Januar des Jahres an ist bey Uns, wie im ganzen Deutschen Reiche, einheitliches Maaß und Gewicht, nämlich das französische metrische Maaß- und Gewichts-System gesetzlich eingeführt worden. Schon im Jahre 1867 fanden in Berlin auf dem damaligen Norddeutschen Reichstage Verhandlungen deßhalb statt, welche aber durch den Krieg 1870 und 71 unterbrochen, und erst nach dem Frankfurter Frieden und der bereits während des Krieges erfolgten Einigung von ganz Deutschland auf dem Deutschen Reichstage im Sommer vorigen Jahres zum Abschluß gebracht wurden. Es ist diese Sache allerdings ein Fortschritt zum Beßeren; nur ist dabey zu bedauern, daß dadurch die Eitelkeit und der Dünkel der französischen, in moralischer und anderer Hinsicht sehr tief gesunkenen Nation, welche sich für die große der ganzen Welt hält, neue Nahrung erhält. Uebrigens wird diese neue Einrichtung, ehe das Volk sich daran gewöhnt, längere Zeit im Handel manchen noch viel Herzleid und Verdruß bereiten, vielleicht auch zu gehäßigen Denunciazionen Anlaß geben. Am 14ten Januar, dem 2ten Epiphanias-Sonntage hielt der General-Superintendent Dr. Möller aus Magdeburg hier Vor- und Nachmittags eine Kirchenvisitation ab, und nach der Frühpredigt des Superintendenten Leipoldt eine Rede am Altare. Tags darauf setzte Moeller, nachdem er vorher erst noch eine Predigt gehalten, unsern Superintendent in sein Ephoral-Amt ein, wozu alle Geistliche und Lehrer der Delitzscher Diöces einberufen waren; dieser letztere Gottesdienst dauerte von früh 10 Uhr bis Mittag 1 Uhr. Uebrigens war an beyden Tagen die Theilnahme unserer Kirchengemeinde äußerst gering, so daß Moeller die Ueberzeugung hat gewinnen und mitnehmen müßen, daß unser kirchliches Leben in Folge des viejährigen Anhangs- Streites (vid.pag.332) durch die Schuld der damaligen Kirchenbehörden und Geistlichen fast total zerstört worden ist. Moeller ist wie sein verstorbener Vater streng orthodox und eben auch kein sonderlicher Kanzelredner; seine Leistungen sind nur gewöhnlicher Art; von einem so hochgestellten Geistlichen erwartet und verlangt man weit mehr. Was unsern Superintendenten betrifft, so ist sehr zu bedauern, daß die Hoffnungen, die man vor fast drei Jahren bey seiner Probe und Amtsantritts (v.p.435) hegte, daß seine schwache Stimme mit der Zeit heller und Stärker werden würde, leider bis jetzt nicht in Erfiillung gegangen; sein Stimmorgan ist und bleibt für unsere große Stadtkirche, zumal bey schnellem Vortrag, zu schwach.
Bey dieser Gelegenheit muß ich hier, da einmal von kirchlichen Angelegen- heiten die Rede ist, daß neueste hochwichtige Tagesereigniß, nämlich den endlichen Sturz des Cultusminister von Muehler, erwähnen; dieser Mann, welcher zur Partei der Ultramontanen und Finsterlinge gehört, hat während seiner fast zehnjährigen Amtsführung unendlich viel Böses gestiftet, weßhalb denn auch seit dem Tage von Sedan über kein Ereigniß in ganz Deutschland die Freude so allgemein und groß gewesen ist, als über den Fall dieses Mannes, wodurch endlich Kirche und Schule von einem furchtbar schweren Alpdruck und geistiger Knechtschaft erlöst worden sind. Seine Stellung war schon längst erschüttert und unhaltbar, und jeder andere fein fühlende Mann hätte nach den vielen gewaltigen Angriffen und derben Wahrheiten, die er im Hause der Abgeordneten, z.B. vom Abg. Ziegler aus Breßlau mit dem Ausruf „fort mit dem Minister Muehler" anzuhören bekam, sogleich abgedankt; ihn aber rührte dies nicht. Endlich aber mußte er doch bey unserm ehrwürdigen Kaiser und König am 12ten Januar um seine Entlaßung , welche der Fürst Bismark und sämmtliche Minister in einer Sitzung befürworteten, ansuchen; hierauf entließ ihn der Kaiser am 17ten des Monats. In den Zeitungen erfuhr Muehler noch viel Hohn und Spott in Nachrufen, die ihn wahrlich nicht ehrten.
Nachdem noch in den letzten Tagen des Januar als Nachfolger Muehlers vom König der bisherige Geheime Ober-Justizrath Dr.jur.Falk zum Cultusminister erwählt war, brach unter der Leitung dieses freisinnigen und humanen Mannes in Preußen und somit auch in Deutschland eine neue Glück verheißende Zeitperiode für Kirche und Schule an. Die erstere erhielt ihre Freiheit durch die Anerkennung der gesetzlich fest begründeten Rechte und Selbständigkeit der Kirchengemeinden, welche diesen die Hierarchie des Oberkirchenraths und der Consistorien in der neuesten Zeit widerrechtlich entzogen hatten, völlig zurück; so entschied z.B. der neue Cultusminister in dem bereits seit einem halben Jahre in Reichenbach bey Breslau heftig entbrannten Gesangbuchsstreite, welcher mit unserm Delitzscher die größte Aeludichkeit hat (vid.pag.332), „daß das Gemeinde-Prinzip stets gewahrt werden müßte", womit diese Streitsache nun erledigt war, und die beyden höchst ehrenwerthen freisinnigen, treu zur Kirchengemeinde stehenden Geistlichen, die Pastoren König und Lauterbach, welche schon seit fünf Monaten vom Breslauer Consistorium von ihren Aemtern suspentirt waren, dieselben wieder erhielten; die amtliche Wiedereinsetzung derselben erfolgte jedoch erst am 16ten Julius Vormittags 11 Uhr durch den Superintendenten Rolffs aus Schweidnitz.Ein diesem in gewif3er Hinsicht ähnlicher Vorfall ereignete sich vor Kurzem in Berlin; es waren nämlich die beyden allgemein hochverehrten und geliebten Kanzelredner, der weise Jubilar Dr. Sydon und der r. Ciscon wegen ihrer am 12ten Januar des Jahres im Berliner Unions- Verein in einem öffentlichen Vortrage ausgesprochenen freimüthigen Ansichten über das Apostolische Glaubens-Bekenntniß auf Betrieb des streng orthodoxen Brandenburger Consistoriums, welches Sie schon mit der Amtssuspension belegte, zur Verantwortung vor den Ober-Consistorialrath und General-Superintendent der Residenz Berlin, den ProtDr.Theol. Brueckner, früher in Leipzig, vorgeladen. Nach erfolgter Vernehmung der beyden ehrwürdigen Geistlichen gab als Resultat derselben dieser treffliche, liberale und gelehrte Mann folgende Entscheidung: „daß das Apostolische Glaubens-Bekenntniß als Grundlage der kirchlichen Gemeinschaft und als historisches Zeugniß Glaubens im Reformations- Zeitalter aus dem Geiste der damaligen Zeit hervorgegangen sey, aber nicht die Absicht gehabt habe, die Geister für alle Zeiten an seinen Buchstaben zu binden; es sey vielmehr ein Gegenstand freier wißenschaftlicher Forschung und Untersuchung, worüber sich jeder sein subjecktives Urtheil bilden könne." Somit war auch diese verdrießliche Angelegenheit zur Ehre und Rechtfertigung der Angeklagten in rationeller Weise richtig entschieden und erledigt worden. Welcher vernünftige und denkende Menschglaubt wohl heute noch an die Fabel vom Sündenfall, (denn jede Religion, und auch die christliche, hat ihre Mythologie), an den Teufel, ferner an die Himmel- und Höllenfahrt Christi, so wie an die grob sinnliche Idee der Auferstehung des Fleisches, welches den Elementarstoffen verfällt? Welcher aufgeklärte Mann glaubt jetzt noch an die Schwängerung vom heiligen Geist, so wie an den Tritheismus, statt des allein mit der gesunden Vernunft überein stimmenden Monotheismus? Unser früherer mit Recht gefeierter vorzüglicher Kanzelredner Superintendent Foerster sprach sich in einer am 18ten p.Trinitat.1842 gehaltenen Predigt über die Person und Natur Jesu Christi sehr treffend also aus: „Ihm gebührt nicht das Prädikat Gottheit, sondern nur Göttlichkeit, göttlicher Wandel " Zwey ganz verschiedene Begriffe. —
Nachdem wir nun über die durch den neuen Cultusminister wieder erhaltenen Rechte und Selbständigkeit der Kirchengemeinden das Nöthige mitgetheilt haben, so wollen wir nun noch Einiges über die großen Errungenschaften der Schule durch das neue Schulaufsichts-Gesetz, wodurch dieselbe zu ihrem wahren Heil von der geistlichen Ireneetim ganz emancipirt worden ist, hinzufügen. Das Recht der Aufsicht über die Schule, besonders die Volksschule, und die BefugniI3 zu diesem Zweck Fachmänner als Kreis-Schulinspectoren anzustellen hat bereits seit der Reformation dem Staate allein zugestanden, und ist von demselben auch bis zu dem im Jahre 1840 erfolgten Tode des erleuchteten Cultusministers von Altenstein ungeschmälert ausgeübt worden. Erst unter deßen Nachfolgern Eichhorn, von Raumer und von Muehler; welche mit den Ultramontanen und Priestern sehr liebäugelten, ist dieses unzweifelhafte Recht dem Staate, ebenso wie den Kirchengemeinden ihre Rechte bisher, durch die Hierarchie auf schlaue Weise verkümmert und entzogen worden. Es wurde nun von der Staatsregierung dieses neue Schulaufsichts-Gesetz in der Mitte des Februar dem Abgeordneten-Hause zur Berathung vorgelegt, und, wie sich nicht anders erwarten ließ, trotz einiger ultramontanen und feudalen Gegner, von demselben mit großer Majorität angenommen. Hierauf wurde dieses Gesetz zu Ende des Monats dem Herren-Hause vorgelegt; da es allgemein bekannt war, daß deßhalb in diesem Hause noch schwere Kämpfe statt finden würden, überhaupt die Annahme daselbst immer noch zweifelhaft war, so machte der König, um dem Gesetze bey der Abstimmung darüber die Majorität zu sichern, von seinem Rechte Gebrauch, und wählte noch eine hinlängliche Anzahl Mitglieder (Pairs), aufgeklärte große Männer, wie Moltke, Roon u.m.A.in das Herrenhaus, wodann daßelbe am 7ten März mit einer Majorität von 125 gegen 76 Stimmen nach erbitterten Kämpfen angenommen wurde, und somit der Staat sein gutes Recht wieder erhielt. Um die Durchbringung dieses Gesetzes hat übrigens der jetzige Lenker von Deutschlands Schicksalen, der Reichskanzler Fürst Bismark sich das größte Verdienst erworben, indem derselbe allen Sitzungen beyder Häuser beywohnte, und die gewaltigen, oft unsinnigen Anstrengungen der Polen, Pietisten, Feudalen, Ultramontanen und Jesuiten in seinen glänzenden Reden mit schlagenden Gründen widerlegte, durch seine äußerst dialektische Gewandheit seine Gegner ad abhurdum demonstrirte und durch Blosstellung ihrer Unwißenheit ganz vernichtete. Die Freude über diesen neuen Sieg des Lichtes über die Finsterniß war in ganz Deutschland außerordentlich groß und herzlich, und aus allen Theilen deßelben erhielt der ausgezeichnete Staatslenker und gefeierte Mann des Volkes dafür von Behörden, Corporationen und Privatpersonen begeisterte Anerkennungs-Dankes- und Zustimmungs-Addreßen zu Tausenden in Telegrammen und Schreiben; eine solche, mit circa 600 Unterschriften bedeckte, erhielt derselbe, desgleichen auch der Cultusminister Dr Falk, in Folge einer hier am lten Maerz deßhalb stattgefundenen Versammlung von der hiesigen und der Bitterfelder Bürgerschaft gemeinschaftlich zugesendet. Am 4ten Maerz wurde unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs-und Schulraths Dr.Betzenberger aus merseburg die mündliche Prüfling der zwey Abiturienten der hiesigen höheren Bürgerschule abgehalten, nachdem der schriftliche Theil des Examens schon vom Sten bis 9ten Februar statt gefunden hatte; einer erhielt die Censur „gut", der andere „genügend". Da in den letzten vier Jahren in dieser Anstalt mehrere schwere disciplinarische Vergehen vorgekommen waren, (Vid.pag.413, 486, 512), so war es die höchste Zeit, daß endlich einmal, um die gesunkene Disciplin wieder zu heben, ein strenges Exempel statuirt wurde; es wurden daher der 14Jahr alte Sohn des Fleischermeister Kuhn, und der ebenso alte des Bäckermeister Riehl von hier, welche in einer Kneipe der Leipziger Vorstadt oft Hazard-Spiel getrieben hatten, zu Anfang des Maerz aus der Anstalt eddudirt.
In der Nacht vom 29ten zum 30ten Maerz hat sich die fast 47 Jahre alte Frau des Schmiedemeisters Riemay, welcher aus Schlesien hierher gekommen war, um an der Halle-Sorauer Eisenbahn Arbeit zu suchen, in ihrer Wohnung in der Leipziger Vorstadt erhängt; sie hinterläßt drei kleine Kinder, und soll, wie man hört, in einer höchst ungücklichen Ehe gelebt und großen Mangel gelitten haben. Ganz im Gegensatz zu den vorjährigem sehr hartem und strengen Winter ist der diesjährige ungewöhnlich milde; die gelinde Witterung des December gieng in den Januar über, und die meisten Tage deßelben waren bey vorherrschendem Südwind oder Südwestwind und mehr niedrigem als hohem Barometerstande sehr milde, hell und schön; Schnee, welcher aber schnell wieder schmolz, fiel wenig; dichte Nebel hatten wir besonders bey Südwind und Westwind vom 13ten bis 17ten früh, so wie am 22ten und 28ten; der 31te war ein wahrer Frühlingstag Ganz in derselben Weise, jedoch bey großen Theils höherem Barometerstande und mehr vorherrschendem Ostwind mit der abwechselnden Neigung der Fahne nach Nord oder Süd hielt das Wetter auch den ganzen Februar an; am 4ten des Monats war von Abends 6 Uhr an bis Mitternacht am nördlichen und nordöstlichen Himmel ein prachtvolles Nordlicht sichtbar, welches größten Theils lange und breite Gluth-roth glänzende Bündel und Strahlen, zum Theil auch einige ganz weiße Streifen bis an das Zenith aussendete, und von 9 Uhr an allmählich an Intensität abnahm: Der Maerz brachte bey der angegebenen Windrichtung und mehr hohem Barometer- und Thermometer- Stande (Barometer 28-28,5, Thermometer + 26 Reaum) in seiner ersten Hälfte fast durchgängig schöne Frühlingstage, aber auch zugleich eine bey uns sehr seltene Furcht und Schrecken erregende Naturerscheinung. Nachdem nämlich zufolge späteren Nachrichten der Vesuv am 4ten und Sten Maerz einen gewaltigen vulkanischen Ausbruch gemacht hatte, so wurden auch in dem größerem Theile Deutschlands die Nachwirkungen davon beobachtet, welche nicht lange auf sich warten ließen. Bey uns hier wurden am 6ten Maerz Nachmittags 8 Minuten vor 4 Uhr zwey schnell aufeinander folgende stark bemerkbare wellenförmige Erderschütterungen, jede von 6 Secunten Dauer, in der Richtung von Südwest nach Nordost wahrgenommen; das unterirdische Geräusch, welches im Parterre weniger auffallend, sich bis in die ersten und sogar in die höchsten Etagen der Häuser schnell fortpflanzte, und da besonders in den zitternden Fensterpfeilern am stärksten hörbar war, gleich dem Rollen eines rasch dahin fahrenden schwer beladenen Wagens. Unsere Thürrner haben, wie auch viele Personen in den Häusern, sehr deutlich Schwankungen beobachtet; es wankten Fußböden, ebenso auch Tische und auf denselben stehende Gegenstände; an den Wänden und Decken frei hängende Dinge, z.B. Kronleuchter, bewegten sich schwingend hin und her, und Pendeluhren blieben sogleich stehen. Der Schreck in unserer Stadt war so groß und allgemein, daß die Menschen aus den Häusern liefen, und truppweise auf den Straßen beysammen standen. Uebrigens war das Wetter an diesem Tage sehr schön und milde, der Himmel rein und ganz hell und unbewölkt, der Wind Ostwind, das Barometer stand auf 28,1., das Thermometer auf +22 Reaum um diese Zeit. Ein ähnliches Phänomen, aber von weit geringer Intensität und Stärke hatten wir schon einmal am 7ten Amins 1857 zu beobachten Gelegenheit (Vid.pag.280). In der zweiten Hälfte des Maerz waren die meisten Tage bey vorherrschendem Westwind und Nordwestwind und niedrigem Barometer-und Thermometer-Stande größten Theils trübe, kühl und nebligt, auch einige Mal durch Regen und Schneegestöber unangenehm, und am Abend des 19ten tobte von 8 bis 10 Uhr ein heftiger Orkan aus Westen (Barometer 27,5). Zu bemerken ist noch, daß die Feldmäuse, welche in dem letztem Herbste in zahlloser Menge vorhanden waren, und den Wintersaaten bedeutenden Schaden zufügten, erst in der Mitte des Januar von den Feldern verschwanden; mehrere Feldbesitzer mußten deßhalb im Maerz ihre mit Wintergetraide besäeten Aecker umpflügen.
Der Gesundheitszustand ist auch in diesem ersten Quartal durchaus nicht befriedigend gewesen, und gilt in dieser Hinsicht ganz das im letzten Quartal des vorigen Jahres darüber gesagte; zu bemerken ist aber noch, daß die Pocken-Epidemie, welche im August erloschen war, leider wieder aufgetreten ist und ihre Opfer forderte, weßhalb die Königl. Regierung zu Merseburg wiederholt Bekanntmachungen erließ wegen der Vaccination
Am 6ten April Nachmittags halb 2 Uhr brach in dem in der engen Kreuzgaße befindlichen Fabrikgebäude des Seifensiedenneisters Fuhrmann beym Sieden von Palmöl, Feuer aus, welches an den Fetten, Seifen pp. so reichliche Nahrung fand, daß binnen wenigen Minuten das ganze Gebäude in Flammen stand. Eine Möglichkeit das brennende Haus zu löschen, war schon nicht mehr, als die schnell herbeyeilende Feuerwehr an der Brandstelle erschien, und konnte es nur deren Aufgabe seyn die Nachbargebäude, welche bey der intensiven Hitze Feure fingen, zu schützen. Diese, der beschränkten Lage und leichten Bauart nach sehr schwierige Aufgabe ist glücklich gelöst worden, und haben sämmtliche Mannschaften ihre Schuldigkeit in höchstem Maaße gethan, und auf ihren gefahrvollen Posten mit Heldenmuth und wahrer Todesverachtung gearbeitet, so daß ihre Leistungen über alles Lob erhaben sind. Daß es bey Anfang der Löschoperationen an Waßer fehlte, lag theils daran, daß alle Pferde auswärts oder auf dem Felde waren, theils, daß nach einer vier Tage vorher statt gefundenen Uebung alle Schläuche des Trocknens wegen noch im Steigerhause aufgehangen waren, und sich noch nicht wieder bey den Spritzen befanden. Glücklicher Weise hat dieser Fehler, der hoffentlich nicht wieder vorkommen wird, keinen nachtheiligen Einfluß gehabt, denn, wenn auch die Spritzen zehn Minuten eher gegen das Feuer, welches durch einen Sprung des eisernen Keßels entstanden war, kämpften, so blieb doch das Endresultat, das Feuer auf die vier Mauern zu beschränken, ganz daßelbe; um 3 Uhr war schon die größte Gefahr vorüber. Das Gebäude erstand bald wieder aus der Asche.
Nachdem unser bisheriger, jetzt 77 Jahre alter, würdiger Organist und Lehrer Grellmann zu Ende des April vorigen Jahres theils in Folge von längerer häuslicher Noth und Kummer, theils aber auch in Folge von Altersschwäche plötzlich invalid geworden war und mithin unfähig zu fernerer Amtsverwaltung, so wurden seine beyden Aemter bis Michäelis stellvertretend durch die Lehrer der ersten und zweyten Bürgerschule verwaltet; im Junius suchte derselbe daher bey dem Magistrat um seine Versetzung in den Ruhestand an, welche am 30ten September auf die ehrenvollste Weise erfolgte.(Vid.pag.507). Bald nach Johannis machte der Magistrat als Patron in öffentlichen Blättern die Erledigung der Stelle bekannt mit der Aufforderung, daß sich qualificirte Bewerber deßhalb melden mögten. Unter mehreren eingegangenen Anhaltungsschreiben von Bewerbern wurden vier berücksichtigt, und diese letzteren zur Ablegung einer Orgel-und Schulprobe vorgeladen, aus welchen dann kurz vor Michäelis der bisherige Lehrer in Neuhaldensleben Max Schulle (der Namen thut nichts zur Sache) als Organist an der Stadtkirche und Lehrer der 3ten Mädchenklaße in der lten Bürgerschule erwählt und mit 350 Rtl. Gehalt, aber ohne freie Wohnung angestellt wurde. Sein Antritt verzögerte sich aber noch ein volles Halbjahr, so daß die Vacanz fast 11 Monate dauerte; denn erst am 2ten Osterfeiertage, den lten April 1873, trat er sein Amt in der Frühkirche und den 8ten des Monats in der Schule an. Obgleich derselbe kein Virtuos auf der Orgel ist, so spielt er doch in ähnlicher Weise wie sein Amtsvorgänger, den Choral einfach und regelrecht. Bey dieser Gelegenheit wunderten sich viele, daß der Magistrat die Organisten-Stelle dem Lehrer Jost nicht übertragen hatte, deßen vorzügliche künstlerische Leistungen auf der Orgel und dem Pianoforte unserm Publikum längst bekannt sind, und deßhalb auch seit vielen Jahren einer der gesuchtesten Musiklehrer im Orte ist, der ferner die 1852 neu gebaute Orgel in der Gottesackerkirche 14 Jahre unentgeldlich gespielt und erst seit 6 Jahren 25Rtl. Gehalt dafür erhalten hat, und dem der Magistrat auch seit Anfang vorigen Jahres zugleich das Organistenamt bey den Abend-Gottesdiensten in der Hospitalkirche übertrug; allein Herr Jost hatte absichtlich nicht um die Stelle angehalten, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil derselbe wegen der Pensionirung des Herrn Grellmann in baarem Gehalte um die Hälfte deßelben, um 50Rtl. gekürzt ist; dies kann sich wohl ein junger Lehrer leicht gefallen laßen, aber kein älterer, welcher bereits 26 Jahre im Amte ist. Dagegen hat Herr Jost seit der Einweihung der neuen Bürger-Knaben-Schule eine besonders expinirte Stellung erhalten, indem ihm nach Abgabe seines bisherigen Ordinariats der lten Klaße iter Bürgerschule nunmehr in allen fünf Knabenklaßen derselben ausschließlich der Unterricht in Mathematik, besonders der Geometrie und dem Rechnen übertragen worden ist, weil er in diesen Lehrfächern unter den sämmtlichen Lehren der lten und 2ten Bürgerschule unbedingt der tüchtigste und befähigste ist, welches Unheil über ihn schon früher ein competenter Richter, der uns unvergeßliche und unersetzliche Rector Giesel ausgesprochen hat.
Bey der starken Zunahme der Aufgaben war die Einstellung eines dritten Polizey-Sergeanten recht nothwendig geworden; es wurde daher nunmehr der Civilversorgungs-Berechtigte Unterofficier Blender aus Wittenberg als solcher und zugleich als Kastellan in der neuen Bürger- Knabenschule mit freier Wohnung in derselben angestellt; er trat sein Amt am 17ten April an; Gehalt 186Rtl. Am 20ten April Nachmittags fand man bey einer Waßer-Partie oberhalb der Elberitzmühle an einer Stelle, wo der Lober unmittelbar am Park des Ritterguts Döbemitz vorbey ffießt, im Waßer den in ein Stück Leinwand eingenäheten Leichnam eines neugeborenen Kindes männlichen Geschlechts. Nach der erfolgten Section und vorgenommenen hydro-statischen Lungenprobe erklärte der Herr Kreisphysikus Dr.Kanzler als Resultat, daß das Kind ein todtgeborenes sey, und wenigstens schon zwey Monate im Lober gelegen haben müße. — Ani 22ten April Abends fuhr ein dem Strumpfwaaren-Fabrikant Krieg gehörender mit Leipziger Meßgütern beladener Rollwagen beym Einfahren in die Kriegsche Fabrik gegen einen Thorpfeiler, welcher sogleich einstürzte, wodurch zwey dahinter stehende Arbeiter das Unglück hatten darunter zu kommen. Der Arbeiter Bergmann wurde sofort todt unter den Trümmern hervor gezogen, der andere, Thier, dagegen war nur betäubt und ist mit einigen Fleischwunden davon gekommen. Der erstere hinterläßt zehn Kinder. — Am 23ten April Abends wurde die fünfjährige Tochter des Cigarren-Arbeiters Fiedler von einem schwer beladenen, dem Rittergute Döbemitz gehörenden, Wagen vor dem Eckhause des Bäckereimeister Donath beym Einlenken in die Kohlgaße dergestalt überfahren, daß dieselbe nach wenigen Minuten starb Das Resultat der Section war, daß das Rad ihr über die Brust gegangen und dadurch die Lungen geborsten waren, mithin der Tod mit starker innerer Verblutung in Folge Zerreißung großer Blutgefäße schnell eintreten mußte. Wie man hört, soll der Döbemitzer Knecht nicht frei von Schuld seyn, weil derselbe bey dem Einlenken von der Eilenburger Straße in die Kohlgaße, wo doch der Raum wahrlich groß und breit genug ist, dennoch unvorsichtiger Weise an den Eckstein des Donathschen Hauses anfuhr. — Da seit mehreren Jahren ein großer Mangel an Volksschullehrern sich auffallend gezeigt hat, zumal da im vorigen Jahre aus unserer Provinz mindestens 70 Lehrer im Königreich Sachsen angestellt worden sind, so hat die Königl. Regierung beschloßen für den Regierungs-Bezirk Merseburg noch ein viertes Seminar mit 75 Stellen auf Staatskosten in Delitzsch erbauen zu laßen. Am 22ten und 23ten April waren deßhalb zwey Commißarien, die Schulräthe Wöpke von Magdeburg und Haupt von Merseburg, hier anwesend, um mit dem Magistrat wegen unentgeldlicher Ueberlaßung eines Bauplatzes von 8 Morgen zu verhandeln, welcher auch von den Stadtbehörden auf einer Commun-Feldbreite an der Dübener Straße gern bewilligt worden ist, da dieses nicht unbedeutende Opfer der Stadt Vortheil bringt.
Dem Rector Dr. phil.Bartels wurde im Mai als Unterstützung zu seiner Ostern vorigen Jahres errichteten Seminar- Präparanden-Anstalt auf Verordnung des Cultusministers Dr.jur.Falk von der Regierung in Merseburg, welche diese Sache befürwortet hatte, die gewiß sehr willkommene Summe von 400Rtl. für das Jahr 1872 ausgezahlt.
Seit dem lten Februar des Jahres ist die Communalsteuer von 75 auf 100 Procent erhöhet worden, mithin seit dem lten April 1859 um 70 Proc,ent nach und nach gestiegen (vid.pag.318); eine schreckliche Folge der damaligen verschwenderischen Finanzwirthschaft in der Communal- Verwaltung. Im Monat Mai wurden unsere sämmtlichen schönen Schulgebäude mit Blitzableitern, deren starke ableitende Drähte von Kupfer sind, versehen; dieselben sind vom hiesigen Klempnermeister Hopfer verfertigt, und kosten deßen Angabe 300 Rtl. Nachdem im vorigen Jahre glücklich beendigten Kriege mit Frankreich wurden nunmehr die zeither durch denselben sehr ins Stocken gerathenen Arbeiten an der Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn mit sehr großem Eifer und bedeutend vermehrten Arbeitskräften in diesem Jahre wieder in Angriff genommen, mit dem festen Vorsatz das große Werk bald zu vollenden. Da die ungewöhnlich milde Witterung dieses Winters es gestattete, so wurde schon zu Anfang des Februar mit den Erdarbeiten begonnen, um die noch immer vorhandene große Lücke auf dem an dieser Strecke von der Eilenburger Straße an, vor der Elberitzmühle und bis an den Durchgang nach Döbemitz 20 bis 25 Fuß hohen Bahndamme endlich auszufüllen, weßhalb noch ungeheure Erdmaßen in Bewegung gesetzt und aufgeschüttet werden mußten; zu Anfang des Mai war diese Arbeit beendet, deßgleichen auch die Verbindungsbahn für den Güter-Transport nach der Berlin-Anhalter Bahn. Mittlerweile war auch sehr fleißig unter der Leitung des Zimmermeister Ringsleben aus Crossen an der Vollendung und dem Ausbau des prächtigen, mit Schiefer gedeckten und mit zwey niedlichen achteckigen Thürmchen an der Ostseite gezierten Bahnhofsgebäudes gearbeitet worden; daßelbe enthält im Parterre und im ersten Stock schöne Wohnungen und Expeditions-Lokale für die Beamten, Post-und Telegraphen Büreau, ganz besonders aber im zweiten sehr hohen Stock, deßen Fronten nach Mittag und Mitternacht jede zwölf hohe Bogenfenster hat, elegante Wartesäle für die Reisenden und Restauration nebst der Wohnung für den Pachter derselben. Auf der ganzen Strecke von hier nach Halle wurde im Mai und Junius das Planum des Bahnkörpers völlig in Stand gesetzt, die Bahnwärter- Häuschen gebaut, Telegraphen aufgestellt und die Schwellen und die Schienen gelegt, so daß am 20ten Junius der Bau der Bahn vollendet war. Um dieses noch über alle Erwartung schnelle Zustandekommen deßelben hat sich der Abtheilungs-Ingenieur Pritzel in den drei letzten Monaten durch seine Energie und treffliche Leitung die größten Verdienste erworben. Hierauf fand nun die Abnahme und Uebergabe der Bahnstrecke Halle- Delitzsch-Eilenburg am 21ten Junius statt. Gegen 1/2 12 Uhr Mittags langte der erste Personen-Zug hier an, in welchem jedoch nur die Vertreter der Königl. Regierung, die Verwaltungskräfte der Bahn und die Spitzen des Halleschen und Delitzscher Kreises so wie der betr. Städte Platz fanden. Ein zahlreich versammeltes Publikum erwartete diesen Zug am Bahnhofsgebäude, welches von dem hier stationirten Bahnpersonal auf das Geschmackvollste decorirt und mit Fahnen und Flaggen reich verziert war. Nachdem nun noch am 29ten und 30ten Junius mehrere unentgeldlichen Probefahrten statt gefunden hatten, wurde die genannte Bahnstrecke am lten Julius unter der Leitung des Ober-Betriebs-Inspector Haag, dem Krieger Denkmal allgemeinen Verkehr eröffnet. Siehe die Karte.
Am 22ten Junius fand die feierliche Einweihung des schönen Denkmals in Zschortau statt, welches die Kreisstände den 19 am Jahrestage vorher auf der Eisenbahn verunglückten Soldaten haben errichten laßen. Auf die Feierlichkeit selbst verweise ich auf die beyliegende im Delitzscher Kreisblatt No.74 befindliche Beschreibung und die Abbildung.
Die Stadtverordneten haben im Junius dem Bürgermeister Reiche auf sein Ansuchen eine Gehaltszulage von 100Rtt aus der Sparkaße von Anfang dieses Jahres an bewilligt, so daß nunmehr sein fixer jährlicher Gehalt 1000Rt1 beträgt. Im April hatten wir bey vorherrschendem Nord-West-Wind und Nord-Ost-Wind und häufigen Schwankungen des bald hoch bald niedrig stehenden Barometers (Barometer 28,5 — 27,4)wenig schöne, sondern weit mehr trübe, kühle, nebligte und stürmische Tage, auch einige Mal Regen und am 29ten Abends 9 Uhr ein Gewitter ohne Regen, so wie am 30ten Abends 6 Uhr ein solches mit Regen, wobey der Blitz in einen Kuh-und Pferdestall des Rittergutes Storkwitz einschlug, jedoch ohne zu zünden, blos Menschen und Tiere betäubte, aber das auf dem Stallgebäude befindliche Thürmchen zum Theil im Holzwerk zertrümmerte. Der Mai brachte bey mehr niederm Barometerstande und vorherrschendem Süd- West-Wind und West-Wind mehr schöne und warme, als trübe und kühle, Tage, und sehr fruchtbare Witterung, indem wir am lOten, 14ten, 20ten und 22ten milde Landregen, so wie am 19ten von 4 bis Abends 9 Uhr, und am 21ten von 9 bis 10 1/2 Uhr Abends schwere Gewitter mit vielem Regen hatten. In dieser Weise gieng das Wetter auch in den Junius über, wo an den heißen und schwülen Tagen (Thermometer +31 N.M.3 Uhr) des 5ten in der Nacht früh ein Landregen und dann Abends 5 1/2 Uhr ein Gewitterregen, so wie des 9ten ebenfalls am Abend ein Gewitter, welches in der Nacht zum lOten in einen Landregen übergieng, statt fanden. Vom 14ten bis zum 27ten war aber bey hohem Barometer-und Thermometerstande und vorherrschendem Nord-West-Wind und Nord-Ost-Wind die Witterung so außerordentlich günstig, wie sie die Feldbesitzer zum glücklichen Einbringen der vortrefflichen, überaus reichen Heuemdte nicht beßer wünschen konnten. Am 27ten früh 9 Uhr und N.M.2 U. entladeten sich noch zwey Gewitter mit Regen und nachfolgender dreitägiger Abkühlung. Bey dieser sehr großen Fruchtbarkeit im Frühjahr konnte es denn auch nicht fehlen, daß sowohl das Winter- als auch das Sommer-Getraide vortrefflich steht und in jeder Hinsicht einen reichen Ertrag verspricht, besonders sind diesmal im Roggen die meisten Aehren sehr lang und mit großen Kämen dermaßen gefüllt, daß die Hülsen derselben aufplatzen; daßelbe gilt auch vom Weitzen, Gerste und Hafer, nur daß im letzteren zumal im Sandboden in manchen Feldbreiten denselben das Unkraut, der Hedderich arg überwuchert hat. Der Klee, welcher hier und da auf einzelnen Stellen ausgewintert erscheint, steht im Ganzen gut, und es ist überhaupt an Futterkräutern kein Mangel. Das im Maerz von einigen Feldbesitzern vorgenommene Umpflügen der mit Wintergetraide besäeten Feldstücke haben diese Herren alle Ursache gehabt zu bereuen. — In Bezug auf den Gesundheitszustand ist zu berichten, daß derselbe in der ersten Hälfte dieses Quartals noch immer nicht befriedigend und die Sterblichkeit nicht unbedeutend war, wozu besonders die Lungenschwindsucht und die immer wieder auftretenden Menschenpocken, natürliche sowohl als Varioloiden, ihr Contingent lieferten. Erst von der Mitte des Mai an und im Juni ward es in dieser beßer; Krankheiten und Sterblichkeit nahmen ab. Heber die Gründung der Kirchenbibliothek sagt Kirchenbibliothek unser gelehrter Chronist der selige Actuarius Lehmann in seiner 1839 im Druck erschienenen Geschichte des Baues der Stadtkirche zu Delitzsch Seite 10 folgendes: „Im Jahre 1717 ließ der Superintendent Strenge die südliche Kapelle am Thurme, vormals der Kalandherren, durch einen Boden theilen, und die obere Hälfte zu einem freundlichen Zimmer einrichten, in welchem er die Bücher aufstellte, die er von Fremden und Heimischen mit unermüdlichem Eifer für die Kirche erbat. Man gab natürlich nicht das Beste, doch einiges Gute, was denn auch von Zeit zu Zeit seine Liebhaber gefunden hat." Aus dem letztem Satze kann man deutlich durch die Zeilen lesen, daß, wie bekannt und mir auch mein unvergeßlicher Freund Lehmann mehrmals mündlich versichert hat, in früherer Zeit bey der damaligen sehr geringen Aufsicht über diese Bibliothek manche aus derselben Bücher geliehen aber wieder zurück zu geben vergeßen haben, wodurch noch manches recht gute Buch derselben verloren gegangen ist.
Aus diesem Grunde und weil die Bibliothek überhaupt fast gar nicht benutzt wird, und die Mäuse und Würmer ihr Zerstörungswerk an den Büchern seit vielen Jahren auf die schrecklichste Weise getrieben haben, faßte die Kirchen-Inspection schon in den vierziger und fünfziger Jahren den Beschluß dieselbe zu verkaufen, der aber beyde Mal nicht zur Ausführung kam. Endlich entschloß man sich in diesem Frühjahr den früher gefaßten Plan nunmehr konsequent durchzuführen, zu welchem Zweck folgende Herren zusammen traten: Magistrats-Aßeßor Heintze, früher Antiquar in Halle, Superintendent Leipoldt, Diaconus Meinhardt, Kirchenvorsteher Zeising und der Verfasser dieser Zeilen, der von dem Magistrat zur Theilnahme daran besonders ersucht worden war. Nachdem wir nun vom lten Mai an aller 14Tage Mittwochs Nachmittags von 3 bis 7 Uhr in der betr. Kapelle, im Ganzen viermal, uns versammelt hatten, war unsere Arbeit beendet; wir hatten sämmtliche Bücher durchgeselm und geprüft, und die der Aufbewahrung werthen, worunter noch manche recht gute und brauchbare, z.B. eine vollständige, wohl erhaltene Ausgabe von Luthers sämmtlichen Werken in zehn starken, schönen Folio-Bänden in Schweins- leder, wie auch mehrer alte Claßiker, Aristoteles, Flavius, Josephus sich befinden, in einem Schrank besonders aufgestellt, welche nach dem Beschluß des Magistrats bald nachher in der dritten Woche des Junius an die Bibliothek der Realschule als Geschenk abgeliefert wurden; die Zahl der Bände mag höchstens 200 betragen. Die übrigen circa 1600 Bände sind an einen Antiquar verkauft worden, welcher das darin noch vorhandene Gute heraus suchen, das Uebrige als Maculatur verwerthen mag. Derselbe, Namens Schilling, aus Leipzig, hat gegen baare Bezahlung von 60Rtl. diese Bücher erhalten, und am 15ten Julius auf einem großem, voll damit beladenen Leiterwagen, abgeholt. Diese 96Rtl. sind nun zum Kirchen- Baufond geschlagen worden. Auch die alten Schränke und Regale wurden zu Michäelis für 36Rtl. in der Auction verkauft. Am 9ten Julius wurde im Rosenthal früh Morgens von einem Manne beym Angeln im alten Lober zwischen der Schafbrücke und der Gerberwäsche der Leichnam eines neugebornen Knaben gefunden; dem armen Kinde war der Mund mit einem Tuche verbunden und an den Füßen Steine befestigt; es war aber bey dem jetzigen niedrigem Waßerstande an einem ausgestellten Fischnetz hängen geblieben. Nach dem von dem Herrn Kreisphysikus Dr.Kanzler als Resultat der Section abgegebenen Gutachten hatte es gelebt und geathmet.
Am 24ten und 25ten Julius wurde unsere Stadt zweymal nacheinander durch Feuerlärm erschreckt; das erste Mal sahen Abends % auf 10 Uhr vorübergehende Personen in der ersten Kohlthor-Scheunengaße, daß an der dem Zimmermeister Felix gehörenden Scheune, aus der in dem einem Thorflügel befindlichen kleinen Thüre aus einem noch unbedeutendem Loche Feuer heraus brannte; die schnell herbey geeilte Feuerwehr schlug sogleich die Thüre ein, riß das brennende Brett heraus und löschte das Feuer im Entstehen, wodurch gewiß ein großes Unglück verhütet wurde, zumal da auf der Scheuntenne noch ein voll mit Korn beladener Wagen stehen geblieben war. Bey dieser Gelegenheit fand man auch das corpus delicti, den Rest einer brennenden Cigarre, welche Jemand auf den Querbalken der Thüre gelegt hatte, aber wieder mitzunehmen vergaß; wer der strafbare Verbrecher seyn mag, ist bis jetzt nicht entdeckt worden. Im zweyten Falle am 25ten des Monats Mittags 1/2 2 Uhr brannte im Hofe des früher Parreidtschen, jetzt dem Rentier Schoenbrodt gehörenden, Hauses in der Schloßgaße ein Haufen Reißbunde, wodurch zunächst ein ganz nahes Stallgebäude des Nachbars bedroht war; auch in diesem Falle gelang es das Feuer, welches wie man hört, durch unvorsichtig hingeworfene noch glühende Asche verwahrlost seyn soll, gleich im Entstehen zu ersticken. — Feldbrand Am 23ten Julius Abends zwischen 10 und 11 Uhr sind durch ruchlose Hand acht dem Gutsbesitzer Boelune in Spröda gehörige Roggenmandeln auf den Communalländereien, unweit des Delitzscher Forsthauses, in Brand gesetzt worden. Boehme hat auf die Entdeckung des Verbrechers 10Rtl. Belohnung gesetzt, bis jetzt ist der Thäter nicht entdeckt. Die der Commun gehörenden Verpachtung der Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen von 248Rtl. verpachtet worden; dagegen hat eine Verpachtung der Pflaumen-Plantagen leider nicht statt finden können, weil die meisten Bäume in Folge des vorjährigen anhaltend strengen Winters durch den Frost getödet und eingegangen sind, und auf den übrigen fast gar keine Pflaumen hängen. Jahre werden vergehen, ehe dieser Schade wieder ausgeglichen wird.
Der Tag, an welchem vor zwey Jahren bey Sedan der Kaiser Napoleon als Gefangener seinen Degen unserm König Wilhelm übergab (Vid.pag.477) wurde auch bey uns, wie an vielen anderen Orten, festlich begangen. Am Vorabend den Iten September ward ein großer Zapfenstreich, und am andern Morgen den 2ten früh eine Reveille ausgeführt. Ferner wurde an diesem Tage von 9 bis 10 mit allen Glocken gelauten, worauf von 10 bis 11 Uhr ein liturgischer Gottesdienst in der Stadtkirche abgehalten ward, zu welchem sich die Behörden, Geistlichen und Lehrern mit den Schulkindern im Zuge nach der Kirche begaben, nach deßen Beendigung vom Balkon des Rathhauses ein Choral geblasen wurde. Von Nachmittags 2 Uhr an fand das Volksfest auf dem Schützenplatze beym herrlichsten Wetter statt, wohin im langen Festzuge mit Musikbegleitung sich die Schulen, Innungen und sehr viele Andere bewegten und in anständiger Heiterkeit die Freude dieses denkwürdigen Tages erhöheten. Als es dunkel geworden war, wurde daselbst noch ein schönes Feuerwerk abgebrannt, und dann auf einem nahe liegendem Feldstücke ein sogenanntes Freudenfeuer von der Feuerwehr, welche das Brennmaterial zu diesem, altes Holzwerk und dergl. in der ganzen Stadt gesammelt hatte, angezündet. An Speise und Trank fehlte es nicht. Da gleich vom Anfang des Julius an eine sehr große Dürre mit äußerst niedrigem Waßerstande eintrat und bis Michäelis anhielt, wodurch natürlich besonders die Futterkräuter, Rüben und Krautpflanzen förmlich verkümmer- ten, letztere auch noch dazu durch ekelhaften Raupenfraß litten und wie skeletirt dastanden, so stiegen bald die Preise sämintlicher Lebensmittel, vorzüglich der Butter, außerordentlich hoch; von letzterer kostet das Stückchen 8Sgr.; da nun die Bauern hierbey noch mit dem Gewicht betrogen und ein Stückchen statt 15 Loth oft nur 12 Loth höchstens 13 Loth wog, dabey auch noch oft beleidigende Redensarten ausstießen, wie z.B. „ wenn ihr keine Butter bezahlen könnt, so freßt Salz," so brach endlich am 28ten August früh auf dem Wochenmarkte auch bey uns, wie vorher schon in mehreren anderen Städten unserer Provinz, der lange verhaltene Zorn im Sturm los, und artete bald dermaßen in Thätlichkeiten aus, daß die Butterhändler und Bauerweiber die Flucht ergreifen mußten. Von nun an wurde eine strengere Marktpolizey ausgeübt; zu leichte nicht vollwichtige Butterstückchen wurden von den Polizey-Sergeanten zerschnitten, und die Verkäufer derselben noch außerdem mit Geldstrafen bis 2Rtl. belegt. Leider sind aber bis jetzt bis Anfang October die sehr hohen Preise von 7 1/2 bis 8Sgr. noch geblieben. Seit Freitag, den 27ten September, bewegt die hiesigen Gemüther ein an dem 81jährigen Schleifermeister Richter hier in seiner Parterre-Wohnung im Milchgäßchen versuchter Raubmord. Demselben war in den letzten Wochen zu verschiedenen Malen Nachts seine ganze Baarschaft geraubt worden, worüber derselbe in seiner bekannten heitern Laune sich in einem Inserat im hiesigen Kreisblatt so äußerte, daß er seine wenigen Sparpfennige gern hinnehmen ließe, nur sollte man ihm nicht an das Leben gehen. Leider wäre es bey dem letzten Einbruch doch bald um das Leben geschehen gewesen. Am Donnerstag Abend hatte sich der pp. Richter, wie gewöhnlich, gegen 7 Uhr zu Bett begeben. Bey dem tobenden Sturme mag er nicht bald eingeschlafen seyn, so daß er nach 2 Uhr noch wach gewesen und in seiner Stube ein Fenster klirren hörte. Um nach der Ursache zu suchen, steht er auf, zündet Licht an und durchsucht seine Wohnung, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu merken. Endlich entschließt er sich die Stubenthür zu öffnen, um der Sache auf den Grund zu kommen, und bemerkt hier, fest an den Küchenofen gedrückt, einen jungen Mann, welcher ihm, ehe er sichs versieht, mit einem Hackemeßer, das Richter Tags vorher geschliffen und in der Hausflur aufbewahrt hatte, einen Schlag auf die Hand versetzt, so daß er die Lampe fallen läßt; gleich darauf erhält Richter mehrer Schläge auf den Kopf, worauf Beyde sich faßen. Hierbey versuchte Richter mit Aufbietung aller Kräfte in den Besitz des Hackemeßers zu gelangen, was ihm auch gelingt, und versetzte damit dem frechen Eindringling einen derben Hieb an den Kopf Letzterer damit noch nicht zufrieden, versucht nochmals das Hackemeßer zu ergreifen, greift dabey aber in die ziemlich scharfe Schneide und verwundet sich dermaßen an der linken Hand zwischen dem Mittel- und Zeigefinger, daß er baldigst von einem weiterem Kampfe absteht und die Flucht ergreift. Morgen war diese ganze schreckliche Geschichte ruchbar und verhaftete man den etwa 22 Jahre alten Cigarrenarbeiter Ranscht, Sohn des verstorbenen Polizey-Sergeanten, als der That verdächtig. Wohl einsehend, daß ihm langes Leugnen nicht helfen würde, indem die erhal- tenen Wunden der sicherste Beweis sind, und auch seine auf dem Kampfplatze zurückgelaßenen Mütze für das Verbrechen sprach, gestand derselbe nicht nur diese That ein, sondern machte auch noch das Geständniß, daß er dem pp.Richter früher auch deßen Baarschaft gestohlen habe. Da derselbe schon einmal wegen Diebstahl, Desertion vom Militär und wegen versuchter Körperverletzung einer Person mit 3 Jahr Zuchthausstrafe belegt worden ist, so dürfte ihn wohl für dieses Verbrechen eine strenge Strafe erwarten. Als Coriosum seyen noch die Motive zu dieser schrecklichen That erwähnt. Der Verbrecher hat hier, wie man allgemein hört, ein Liebesverhältniß mit einer Tochter des Schumachermeister
H. Schnittspan; um sich galant zu zeigen, hat er von der ersten Eroberung, die er bey Richter gemacht, seiner Auserwälten ein Präsent (wohl in gol- denen Ohrringen pp.bestehend) gemacht; und sollte der jetzige Kaßen- bestand des Richter zu einem Geburtstagsgeschenke für dieselbe verwendet werden. Eine starke Verrechnung!
In den ersten Tagen des Julius war das Wetter trübe, kühl und windig; am 3ten hatten wir Vormittags von 10 bis 11 Uhr und Abends um 6 Uhr bey Nord-West-Wind Gewitterregen. Vom Sten an trat bey oft wechselnder Windrichtung und mehr hohem Barometerstand sehr schönes, warmes Wetter ein und am lOten früh um 3 Uhr wieder ein Gewitterregen; drei Tage vorher am 7ten war auch Abends von 10 bis 11 Uhr ein schönes Nordlicht sichtbar. Am 14ten früh von 1 — 1 1/2 Uhr folgte auf den vorigen schwülen Tag ein starker Gewitterregen und am löten früh ein Landregen_ Von der zweyten Hälfte des Monats an bis zum Ende deßelben war das Wetter anhaltend schön und sehr heiß, wodurch das glückliche Einbringen des Wintergetraides sehr gefördert ward. Das Thermometer stieg an manchen Tagen N.M.3 U. in der Sonne von +33 bis auf +37 Reaum. Barometer 28- 28,3. Am schwülen 29ten war früh 8 V2 Uhr ein Gewitterregen. Die gleich vom Anfang des Monats beginnende und wegen Mangels an starken Landregen anhaltende große Dürre gieng bey mehr hohen Barometerstande und vorherrschendem Nord-Wset-Wind und Nord-Ost-Wind auch in den ganzen August über, so daß ein empfindlicher Mangel an Futterkräutern entstand und die Preise der Lebensmittel, besonders der Butter sehr hoch stiegen; wir hatten überhaupt im August mehr trübe und kühle, als schöne und warme Tage und nur zwey Gewitterregen; das erstere südöstlich stehende starke, wobey der Blitz in Schladitz, Podelwitz und Göbschelwitz einschlug und zündete, fand mit vielem Regen bey Süd- Wind (Barometer 27,9) am 7ten des Monats Abends von 6 —7 Uhr, und das zweyte minder heftige Gewitter am 27ten des Monats Abends von 5— 1/26 Uhr statt. Die Emdte des Sommergetraides wurde, durch die Witterung sehr begünstigt, ebenfalls glücklich in die Scheunen gebracht. Uebrigens ist bey allen vier Getraidearten der Ertrag, sowohl was die Körner als das Stroh betrifft, recht reichlich ausgefallen. Der September war in seiner ersten Hälfte schön und sogar sehr heiß; das Thermometer stand gewöhnlich auf +30 bis +37, am Sten stieg es sogar N.M.3 U. in der Sonne bis auf +40 Reaum., und das Barometer stand auf 28 — 28,3. Die große Düne und sehr niedriger Waßerstand hielten ferner an, in Folge davon die Grummterndte natürlich sehr dürftig und gering ausfiel; die Windrichtung war theils Süd-West theils West-Wind und am 14ten Mittag von 1 — 2Uhr entladete sich bey Nord-West-Wind ein starkes Gewitter mit vielem Regen. Die zvveyte Hälfte des September war bey vorherrschendem West-Wind und niedrigem Stande des Barometer und Thermometer fast durchgängig trübe, sehr kühl, rauh und windig, am 27ten sogar stürmisch; in der Nacht vom 28ten zum 29ten erfolgte bey Windstille ein schöner Landregen. Die Kartoffel-Erndte, welche diesmal zwey Wochen früher begonnen hat, ist trotz aller Befürchtungen bey der großen Trockenheit wider Erwarten sowohl im Ertrag als auch in der Größe der Knollen ganz befriedigend und gut ausgefallen; beßer als im vorigen Jahre. Dagegen ist die Obsterndte gering gewesen; Birnen und Aepfel, von denen noch der oft heftige Wind viele vor der Reife abwart sind nur leidlich gerathen und theuer im Preise. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal keineswegs befriedigend und die Sterblichkeit bedeutend, wozu die besonders unter den Kindern epidemisch herrschenden Masern und Scharlach mit ihren Nachkrankheiten nicht wenig beytrugen. Außerdem kamen noch Diarrhöm, gastritische und galligte Fieber, vereinzelt auch Neßelfriesel zur Behandlung mit glücklichem Ausgang. Die Menschenpocken und Varioloiden waren erloschen. Die Getraidepreise waren zu Michäelis in Folge von Mittheilungen aus amtlicher Quelle und nach (100 Pfund) berechnet folgende: Weizen 3Rtl. 235gr. bis 3Rtl. 27Sgr., Roggen 2 Rtl. 23Sgr. bis 2Rtl. 27Sgr., Gerste 2 Rtl. 20Sgr. bis 2Rtl. 24Sgb, Hafer 2Rtl. 2Sgr. bis 2Rtl. 5Sgr., Kartoffeln 20Sgr. Seit dem Anfang dieses Jahres wird in der Provinz Sachsen im Getraide-Handel nur nach dem Gewicht, der Centner zu 100 Pfund, ge- und verkauft. An die Stelle des zu Beamten Wechsel Ende Junius wieder abgegangenen Pilizey-Sergeant Blender (Vid.pag. 528) ist als dritter Polizey-Sergeant Friedrich Michel erwählt worden; derselbe ist gebürtig aus Wittstock, kam vom Militär aus Flavelberg und trat hier sein Amt am 15ten Julius an, ging aber schon am 15ten October zum Eisenbahndienst ab.
Nachdem der Midicinalrath und Director der Irren- und Pflegeanstalt Thonberg bey Leipzig Herr Dr.medi Eduard Wilhelm Guentz bereits im Jahre 1852 (vid.pag 208) in Erfüllung eines letzten Wunsches seiner verstorbenen Gattin Amalie Auguste geb.Mueller 100RTI. dem Magistrat übergeben hat und mit der Bestimmung die Zinsen hiervon an ein unbescholdenes Mädchen hiesiger Stadt auszuzahlen, hat Derselbe zur Vergrößerung dieser Stiftung am 7ten November abermals 200Rtl. dem Magistrat übersendet. Der Cigarrenarbeiter Georg Franz Ernst Ranscht aus Delitzsch ist wegen verübten Diebstahls und versuchten Raubmordes beym hiesigen Schleifermeister Richter vom Königl. Kreis-und Schwurgericht in Halle in der Sitzung am löten November zu zehnjähriger Zuchthausstrafe, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Stellung unter Polizeyaufsicht verurtheilt worden. Siehe die Beilage zum Delitzscher Kreisblatt vom 21ten November. Am lten October ging der hiesige Strafanstalts-Prediger Goeldner als Pastor nach Ragösen bey Brandenburg ab; an seine Stelle trat an demselben Tage der bisherige Strafanstalts-Prediger Emil Albertus von Spandau. Auch in diesem Jahre ist wegen der anhaltenden, immer noch steigenden Theuerung aller Lebensbedürfniße, so wie der Baumaterialien und hohen Arbeitslöhne wenig gebaut worden. Der Bäckermeister Teubner, welchem sein Schwiegervater der Schmiedemeister Haschert die Baustelle des Dietrichschen Hauses überließ, hat auf derselben ein sehr schönes maßives zweimal übersetztes Wohnhaus erbaut und zu Michäelis bezogen. Deßgleichen hat auch der Zimmermeister Felix auf seinem Grundstück in der Leipziger Vorstadt unmittelbar neben Kriegs Fabrik ein Maßives zweymal übersetztes Wohnhaus erbaut. Ferner hat die Stadtcommun an den Kaufmann Mittelstrass von dem zwischen der Pflaumen-Plantage und der Bahnhof-Straße gelegenen Feldplan (No.452 der Karte an 11 Morgen 54 Quadrat-Ruthen) eine Parcelle von 76,56 Quadrat-Ruthen für 459 Rtl. 10Sgr. 9Pfennig verkauft. Der neue Besitzer hat für jetzt erst ein maßives Stallgebäude gebauet, und gedenkt dann im nächsten Jahr auf dieser Baustelle ein Wohnhaus zu erbauen. Nachträglich muß hier noch in Bezug auf das herrliche Bahnhofsgebäude der Halle- Sorau-Gubener Eisenbahn (vid.pag.530) erwähnt werden, daß der Zimmermeister Ringsleben aus Croßen sich unbestritten um den Riß so wie um den Bau deßelben, deßen Kosten 62000 Rtl.betragen, die größten Verdienste erworben hat. Laut Bekanntmachung des Magistrats vom 29ten November des Jahres betragen die Schulgelder an unserer höheren Schulgelderhöhung Bürgerschule vom lten Januar kommenden Jahres ab: a, II Vorschulklaße 7Rtl. b, I Vorschulklaße 10Rtl., c, Sexta 14I111., d, Quinta 16Rtl., e, Quarta 18Rtl., f, Tertia 20Rtl., g, Secunda 22Rtl. — Deßgleichen ist auch von diesem Zeitpunkt an in der ersten Bürgerschule in deren beyden ersten Klaßen das Schulgeld monatlich von 7 1/2 Sgr. auf 10 Sgr. erhöhet worden Die Zahl der Schüler und Schülerinnen beträgt jetzt seit Michäelis in den hiesigen Schulen: 198 in der höheren Bürgerschule (incl. 51 in der Vorschule), 674 (inc1.9 von auswärts) in der ersten Bürgerschule, 530 in der zweiten Bürgerschule, 81 in der höheren Töchterschule, 38 in der Vorschule zu derselben, im Ganzen also 1521. Da man schon seit längerer Zeit bemerkt hatte, daß die Gasflammen in den Straßenlaternen nicht mehr so hell, sondern matter als früher brannten, so glaubten sachverständige Techniker die Ursache davon in dem durch den zu engen Durchmeßer der Gasröhren des Hauptstranges bedingten geringem Zufluß von Gas zu finden, was sich auch später bestätigte. Es wurden daher, um diesen Uebelstand zu beseitigen, im Laufe dieses Sommers statt der bisherigen vierzölligen nunmehr sechs Zoll im Durchmeßer haltende eiserne Gasröhren von der Gasbereitungs-Anstalt an entlang der Lindenstraße, dem Steinweg, der breiten Straße, über den Markt, durch die Hallesche Gaße bis an das Thor gelegt, was der Stadt-Commun einen Kostenaufwand von 2354 Rtl verursachte, welche lediglich der Direktor der Leipziger Gasbeleuchtungs-Anstalt Herr Westerholz durch die ursprüng- liche fehlerhafte Anlage und Berechnung offenbar verschuldet hat. Vid.pag.385. Nach dieser kostspieligen Reparatur leuchteten die Gas- flammen in Folge des durch die weiteren Röhren vermehrten Zuflußes von Gas intensiv stärker und heller. Die Stadt-Commun hat von dem Kaufmann Ferdinand Mueller aus Leipzig das von demselben in der Subhastation Die Commun kauft erstandene Wohnhaus des Cigarrenarbeiters Carl Bernhardt in der Bitterfelder Straße für 3150 Rtl. erkauft, und ist nun seit dem lten October des Jahres im Besitz deßelben. Sie hat es zu dem Zwecke gekauft, um es auf den Wunsch der Königl. Regierung miethweise zu Wohnungen für die Lehrer des zum April künftigen Jahres hier zu errichtenden Königl. Schullehrer-Seminars zu überlaßen, wofür die Regierung jährlich 250Rtl. Miethzins zahlt. Außerdem überläßt die Stathcommun der Regierung noch zu Seminarzwecken bis dahin, wo der Bau des Königl. Seminar-Gebäude vollendet ist, die ganze zweite obere Etage des neuerbauten Knaben- Schulgebäudes für den Miethzins von jährlich 350Rtl. Nachdem die während des Krieges mit Frankreich von unserm Volke gebrachten bedeutenden patriotischen Leistungen und Opfer den einzelnen Kreisen aus der französischen Milliarden-Contribution von der Regierung wieder zurück erstattet worden sind, hat die letztere zugleich bestimmt, daß diese Summen blos im Ganzen zu guten Zwecken für jeden Kreis verwendet werden dürfen. Es haben daher dem gemäß, zumal da die neue Kreisordnung am lten Januar 1874 eingeführt wird und von da an in Wirksamkeit tritt, die Stände des Delitzscher Kreises zum Zweck eines Ständehauses das an dem Markte gelegene, sehr schöne und geräumige Wohnhaus, in welchem seit 1850 im Parterre das Landraths-Amt sich befindet, so wie das in der Schloß gaße liegende ebenfalls maßive, an das erstere von hinten unmittelbar angrenzende Wohnhaus im December des Jahres von den Erben des Kauf- manns und Conditor Krause für den Preis von 11500 Rtl. gekauft. Die Witterung des October war bey vorherrschendem Süd-West-Wind und abwechselnd höhern und niedrigem Stande des Barometer und Thermometer mehr hell und schön als trübe und kühl; Landregen hatten wir am Sten, lOten bey Nord-West-Wind, am 12ten ferner am 1 6ten, in den Nächten am 25ten und 26ten, so wie am 29ten; dichte Nebel erschienen früh am 14ten, 15ten, am 23ten, 24ten und 25ten mit nachfolgendem hellen und schönen Wetter. Bey derselben Windrichtung und mehr niedrigem Barometer ging die Witterung in ähnlicher Weise in den November über nur mit dem Unterschied, daß wir in diesem Monat größten Theils trübe, kühle und stürmische Tage mit dichten Nebeln und Landregen bey Tag und Nacht und besonders merkwürdige Naturerscheinungen aufzeichnen konnten; so wurde am 7ten des Nachts % 12Uhr hier am südlichem Himmel ein prächtiges Meteor beobachtet, welches fast lothrecht sehr schnell niederfallend mit blaßgrünem Lichte so hell leuchtete, wie ohngefahr das erste Viertel des Mondscheins, so daß es deutliche Schatten gab. (Barometer 28,4, Thermometer +10). Am 13ten hatten wir vielen Schnee, welcher gleich wieder schmolz, und einen gewaltigen Orkan aus Nord-Osten, der an den Ostseeküsten, besonders in Stralsund, Greifswald, Kiel und Eckernförde durch die in Folge des Anstauens der Sturmfluthen bewirkten Ueberschwemmungen schreckliche Verheerungen angerichtet hat. (Barometer 27,6). In der Nacht vom 27ten zum 28ten schon von Abends 1/27Uhr bis 11Uhr Nachts bot sich uns ein herrliches Schauspiel in dem Fallen von Tausenden von Sternschnuppen dar, und zwar am ganzen Himmelsgewölbe, vorzüglich im Westen; die größeren Meteore zeigten einen längern oder kürzeren Schweif, der jedoch stets sehr bald wieder erlosch. Dieselben konnten blos durch die Einwirkung der Gravitation der Erdathmosphäre losgerißene Partikeln vom Bielaschen Cometen seyn, der aber schon einige Monate früher die Erdbahn durchkreuzt hatte, und deßen Umlaufszeit um die Sonne 7Jahre beträgt.
Ein von den Profeßoren der Astronomie, Galle in Breslau, Foerster in Berlin und besonders Klinkerfuess in Göttingen gefürchteter Zusammenstoß unserer Erde mit dem Bielaschen Cometen konnte daher, Gott sey Dank, nicht statt finden; ein solcher hätte aber auch ohnfehlbar durch eine schreckliche Katastrophe bey den Weltkörpern und ihren Bewohnern den Untergang bereitet. Errare humanum! Die Witterung im December war der des November ähnlich, nur milder, die Windrichtung ziemlich dieselbe (S.W.W. und W.W.) der Stand des Barometer meistens niedrig unter 28.; sehr wenig Schnee und gelinder Frost; nebligte, kühle, stürmische (vom 9ten bis 1 lten Barometer 27,4 — 2), und Regentage wechselten mit wahren Frühlingstagen (24 — 3 lten Barometer 28,3 — 1). Da konnte es denn freilich nicht befremden, daß bey der für diese Jahreszeit so ungewöhnlich milden Witterung die Vegetation zum zweyten Mal erwachte, die Knospen an Bäumen und Sträuchern ausschwollen und trieben, und Erdbeeren, Kornblumen, Veilchen pp., wie vor 20Jahren im Freien blüheten. Uebrigens hat die Erde nach der großen Dürre im Sommer seit der Mitte des October durch die öftem Landregen bey Tag und Nacht bis Weihnachten die reichlichste Winterfrucht erhalten, was auch die Wintersaaten beweisen, über deren vortrefflichen Stand, so wie auch über das gänzliche Verschwinden der Feldmäuse aus allen Provinzen die erfreulichsten Nachrichten eingehen. Was den Gesundheitszustand betrifft, so gilt das im 3ten Quartal darüber Gesagte auch für dieses mit dem Beisatz, daß alte Leute von Schlaganfällen und Lungenentzündungen mit manchesmal tödlichem Ausgange befallen wurden, die Zahl der Schwindsüchtigen zunahm und viele Kinder an der häutigen und Rachenbräune starben. Geboren wurden in diesem Jahre in unserer evangelischen Kirchengemeinde 371, worunter 40 Uneheliche, und gestorben 279, worunter 165 Kinder und 35 Personen vom 60ten bis zum 90ten Lebensjahr.
Vom Kreis-Armen-Fond erhielt unsere Armen-Kaße auch in diesem Jahre 550 Rd Zuschuß. Die vom Magistrat in der Stadt veranstaltete Hauscollecte für die durch die Sturmfluthen Ueberschwemmten an den Ostseeküsten ergab vom lten bis 14ten December, wo sie geschloßen wurde, einen Ertrag von 249Rtl. 26Sgr. 9Pf Die zu demselben Zwecke von dem Buchbinder Meyner durch die Expedition des Delitzscher Kreisblattes besorgte Collecte in der Stadt und auf dem Lande lieferte einen Ertrag von 342 Rtl. 13 Sgr. Unser Bürger- Hospital hat in diesem Jahre von zwey Hospitaliten außer ihren guten Nachläßen an Betten und Kleidungsstücken an baarem Gelde erhalten, 1, von der am 7ten Januar verstorbenen 85Jahre alten Maurers-Wittwe Boettcher ein Sparkaßenbuch mit 76 Rtl. 2, von dem am 9ten December verstorbenen 64Jahre alten Schneidermeister Winkler 200 Rtl., mit welcher Summe sich derselbe in eine heitzbare Stube dieser treflichen Anstalt eingekauft hatte. Da er schon seit Jahren sehr kränklich war und besonders an einer eingewurzelten habituellen Diarrhoe litt, so starb er schon nach einem Aufenthalt von 4 '/2 Monaten trotz aller sorgfältigen Pflege und Behandlung. Die Arzneymittel-Rechnung ftir die Kranken des Hospitals betrug überhaupt in diesem Jahre die bedeutende Summe von 69Rtl. 9Sgr. — Die bereits seit mehreren Jahren üblichen Weihnachts-Bescheerungen im Bürger-Hospital und in der Kinder-Bewahr-Anstalt haben auch diesmal statt gefunden; die letztere Anstalt erhält auch aus der Hospital-Kaße seit Anfang dieses Jahres noch 100 Rtl. Zuschuß, mithin aus derselben nunmehr jährlich 300 Rtl. Unsere Commun hat im Jahre 1870, 144 Rtl., 1871, 162 Rtl. und 1872, 352Rtl. 15Sgr. von der Berlin-Anhalter Eisenbahn-Gesellschaft als jährliche Steuer erhalten.
1873
An die Stelle der am lten Januar nach Gera abgegangenen Lehrer Wilhelm Fischer, (5ter Lehrer an der I"Bürger-Mädchen-Schule) und Ernst Muehlner (3ten Lehrer an der II" Bürger-Schule) sind eingetreten: an Fischers Stelle, August Schnelle, seither Lehrer in Enbeck und an Muehlners Stelle Felix Scheer, bisher Lehrer in Wettin. Ferner hat am 23ten Januar der bisherige Rector Dr. phil.Bartels, nachdem ihm aus nahe liegenden Gründen die Wiederbesetzungs-Kosten im Betrag von 31 Rtl. auf sein dringendes Gesuch von den Stadtverordneten, aber nur mit einer sehr geringen Majorität bey der Abstimmung, erlaßen worden sind, unsere Stadt verlaßen, und ist als Rector zweyer Bürgerschulen nach Gera abgegangen. An seiner Stelle wurde der vom Magistrat am 29ten November 1872 gewählte Ernst August Niebecker, geboren am llten Maerz 1838 im Städtchen Morungen bey Goettingen, seit Ostern vorigen Jahres Rector zu Ellrich am Harz, am 24ten Januar des Jahres Vormittags 11Uhr vom Superintendent Leipoldt in sein Amt eingeführt. Heim Dr. Gerhard Rohlfs, der berühmte Afrika-Reisende, geboren zu Vegesack 1832, hielt nachdem er vor Kurzem in Eilenburg und früher in Torgau Vorträge über einige seiner Reisen gehalten hatt, am 2 Iten Februar Abends auch bey uns im Saale der Stadt Leipzig vor einem Zu- hörerkreis von mindestens 500Personen einen anderthalbstündigen sehr intereßanten Vortrag über seine Reiseerlebniße in Afrika, besonders über seinen Aufenthalt in Fez und Marocco, mit sehr großem Beifall.
Am 6ten Maerz ist am Eingange zum Gottesacker statt des alten defect gewordenen hölzernen Thores ein sehr schönes neues von unserm geschickten Schlossermeister F.W.Bier solid und geschmackvoll gearbei- tetes eisernes Gitterthor angebracht worden, ebenso auch eine dergleichen Gitterthüre an dem rechter Seits neben dem Thore befindlichen Eingange; die Kosten für beyde Stücke betragen 260 Rtl. und wurden bezahlt aus Dr.Gerbers Legat. Am ersten Maerz in der Nacht zwischen 12 Uhr bis 1Uhr hat sich der bisher unbescholtene Hospitalit, Webermeister Wilsdorf, 63 Jahre alt, welcher bereits seit längerer Zeit an einem veralteten Leberleiden mit organischem Fehler und hartnäckiger Gelbsucht litt, in einem Anfall von Melancholie aus Lebensüberdruß in der männlichen Krankenstube des Bürger-Hospitals erhängt Ein seltenes Fest beging am 24ten Maerz die hiesige Weber-Innung. Drei Meister derselben, Hesse, Koeltzsch und Schoenbrodt, welche vor 50Jahren zusammen ihr Meisterstück gemacht, feierten heute, alle drei noch in ziemlicher Rüstigkeit, das 50jährige Jubiläum. Eine Deputation der Innung überreichte den Jubilaren je eine Urkunde und ein auf die Feier des Tages bezügliches Geschenk. Später versammelten sich die übrigen Mitmeister und eine solenne Festlichkeit im heiterem Familienkreise vereinigte dieselben mit den Jubilaren in einigen recht vergnügen Stunden. Bey dieser Gelegenheit muß von dem Jubilar Schoenbrodt noch ehrenvoll und dankbar erwähnt werden, daß er bey seinen Mitbürgern wegen seiner höheren Bildung und strengen Rechtlichkeit stets als ein wahrer Vertrauenmann in hoher Achtung gestanden, und 21Jahre lang als Stadtverordneter, besonders als Mitglied des Curatoriums der städtischen Sparkaße, seiner Vaterstadt sehr treu, redlich und gewißenhaft gedient hat. An die Stelle des wieder abgegangenen Polizey-Sergeanten Michel (vid.pag 540) ist der bisherige Weichensteller Carl Gottlieb Lehmann, gebürtig aus Zöckritz bey Torgau, bisher in letzterem Orte stationirt, seit
dem 8ten Maerz gegen ein jährliches erhöhtes Gehalt von 230 Rtl. als dritter Polizey-Sergeant angenommen und verpflichtet worden.
Laut Kaufs vom lOten Maerz hat die Stadtcommun Delitzsch das dem Handarbeiter Mange gehörige, an der Eilenburger Straße gelegene Wohnhaus No.471 in Folge Verbreiterung der letzteren Straße durch Anlage einer Verbindungsbahn von dem Güter-Bahnhofe der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn nach dem Güter-Schuppen der Berlin-Anhaltischen bis dicht vor das Mangesche Haus, Behufs Abbruchs für 950 Rtl. erkauft. Zu dieser Kaufsumme haben der Delitzscher Kreis 300 Rtl. und die Halle-Sorau- Gubener Eisenbahn 450 Rtl. beygetragen. Der ganze diesmalige Winter war äußerst milde. Die Witterung des December gieng ganz in derselben Weise und bey derselben Windrichtung (S W W und S.W.) in den Januar über; die Mehrzahl der Tage war mehr trübe, feucht, nebligt und regnigt, als hell und schön; der Stand des Barometer war in der ersten Hälfte dieses Monats höher (27,11-28,3), in der zweiten dagegen, besonders an den beyden sehr stürmischen Tagen des 19ten und 20ten auffallend schnell niedrig (27,3, und 26,11); gelinder Frost und Schnee trat bey Ost-Wind und hohem Barometer (28,2 — 4) vom 26ten bis 3 Iten des Monats ein, wo das Thermometer früh 7Uhr auf 0 bis-5 fiel. Im Februar war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und schnellen Barometer- Schwankungen die Witterung ebenso beschaffen; in Bezug auf die letzteren muß besonders erwähnt werden, daß an den beyden sehr nebligten tagen des 18ten und 19ten das Barometer die höchste Scala (28,8) erreichte, was seit vielen Jahren nicht der Fall gewesen ist; in den beyden letzten Tagen des Monats stand es auf 27,4. Schnee, welcher am 8ten, 13ten, 24ten und besonders stark am 25ten fiel, schmolz recht bald wieder. Im Maerz hielt das Wetter ganz in der bisherigen trüben und rauhen Weise mit Ausnahme des lten, 2ten und lOten an; die Windrichtung war sehr wechselnd, der Süd- Ost-Wind jedoch vorherrschend; dichter Nebel hatten wir früh am 3ten, 9ten, 18ten 20ten 22ten und 25ten; Schnee fiel stark am 14ten und 20ten, schmolz aber gleich, weil im ganzen Maerz der Frost fehlte bey mehr niedrigem Barometerstand, Vom 24ten an trat endlich bey höherm Stande des Barometer das herrlichste Frühlingswetter ein und dauerte fort bis zum Ende des Maerz. In den Nachmittagsstunden dieser schönen Tage stand das Thermometer auf +20-25 in der Sonne. Die Vegetation erwachte nun wie mit einem Zauberschlage; die Wintersaaten stehen sehr gut. Der Gesundheitszustand war auch in diesem Quartale noch immer nicht befriedigend; zur Behandlung kamen besonders Lungenkatarrhe, gastritisch- katarrhalische Fieber, Abdominal-Typhus mit öfters tödlichem Ausgange bey Erwachsenen, und Scharlach. Die Sterblichkeit war nicht unbedeutend vorzüglich unter den Kindern, welche in Folge des krankhaften Zahnens starben. Da die Schlämmung des nördlichen und östlichen Theiles wegen des sehr milden und schlaffen letzten Winters in diesem nicht unternommen werden konnte, so machte man nun erst am 25ten Maerz des Jahres den Anfang damit, und beendigte das Unternehmen am 3ten Mai. Daßelbe wurde zum Glück durch die fast durchgängig kalte und rauhe Witterung und den anhaltenden scharfen Ostwind außerordentlich begünstigt und gefördert, so daß bis jetzt keine Spur und Entstehung von Wechselfieber sich zeigte. Der Unternehmer Drainirmeister Foerster aus Laue griff die Sache sehr scharf an und erhielt für diese Reinigung von der Commun 600Rtl. baar. Geld und die Ueberlaßung des Schlammes. Von Seiten der Stadt wurden im Auftrage der Königl.Regierung die Localitäten des dem Cigarrenarbeiter Schellenberg gehörigen an der Dübener Straße gelegenen Hauses zu Wohnungen für die Lehrer des hier neu zu errichtenden Schullehrer- Seminars gemiethet, und erhält derselbe dafür außer seiner freien Wohnung, welche er darin behält, jährlich 200 Rtl. Miethzins. Am 29ten April war nun der Consitorial- und Schulrath Woepke aus Magdeburg in unserer Stadt und nahm mit dem Bürgermeister die Localitäten der Seminar- Lehrer so wie auch die Räumlichkeiten im neuen Schulgebäude, welche bis nach Beendigung des Seminarbaus von der König!. Regierung gemiethet worden sind, in Augenschein; es dürfte daher in kurzer Zeit die Eröffnung des Seminars erfolgen. (Vid.pag. 529 und 543, und 557) Schon seit zwey Jahren hatte es sich herausgestellt, daß auf dem Gottesacker ungeachtet der seit 25Jahren mehrere Male geschehenen Vergrößerungen deßelben durch Hinzunahme von Grundstückstheilen des ehemaligen Commun-Gutes und durch Ankauf des Gürtlermeister August Krauseschen Scheuengartens in kurzer Zeit Beerdigungen nicht mehr statt finden können, und wurde deßhalb als Nothbehelf vor Jahresfrist vom Magistrat bekannt gemacht, daß die nach der vorgeschriebenen Zeit verfallenen und anderweit nicht wieder gelösten Gräber weiter vergeben würden. Es ist daher laut Punkation vom 12ten April des Jahres Seitens der städtischen Behörden zur Anlegung eines neuen Friedhofes von dem Müllermeister David Thormann hier ein Feldstück von 15Morgen rechts der Bitterfelder Straße, hinter der Offenhauerschen Brauerei gelegen, für den Preis 2700 Rtl. (der Morgen zu 180Rtl.) angekauft, und der nicht benutzte Theil dieses Feldes dem pp.Thormann gegen einen jährlichen Pachtzins von 7Rtl. für den Morgen in Pacht gegeben worden. An den Futtermauern und Pfeilern der zweiten über den Lober führenden Brücke an der „blauen Taube" vor dem Halleschen Thore war eine Reparatur dringend nöthig, welche man von Seiten der Stadt ausführen ließ. Da nach alten Nachrichten der Fiskus die Brücke hergestellt und reparirt hat, wie auch aus der in der nördlichen Brückenwand angebrachten Steintafel mit der Inschrift: F.W.IV. hervorgehen dürfte, so beantragte der Magistrat bey Straßenbau-Fiscus die Erstattung der ganzen auf oben erwähnte Reparatur verwendeten Kosten mit 49 Rd. 26 Sgr. 6 Pf. Der Straßenbau-Fiscus verweigerte es aber, dieselben zu bezahlen und anerkannte nur nach mehrfach geführter Correspondenz seine Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die stattgehabte Reparatur an den Pfeilern der Brücke mit 31 Rtl. , wogegen er die Ersetzung der Kosten für die Reparatur an den Futtermauern ablehnte. Letztere betrugen 18 Rtl. 26 Sgr. 6 Pf Und wurden im April an den Maurermeister Voigt aus der Kämmereikaße bezahlt. Früher in sächsischer Zeit und später noch bis zu der im Jahre 1862 erfolgten Vereinigung der Amtsvorstadt Grünstraße mit der Stadt stand die nördliche Häuserreihe des Brückendammes unter der Jurisdiction des Amtes, die südliche dagegen unter der des Rathes. Der dritte ordentliche Lehrer an der höheren Bürgerschule Carl Achten ging am lten April als solcher an die Realschule erster Ordnung zu Sprottau in Schlesien, und trat an seine Stelle der bisherige, seit drei Jahren hier angestellte, vierte ordentliche Lehrer Dr. Schroeder. An deßen Stelle wurde vom Magistrat der bisherige Lehrer an der höheren Knabenschule zu Finsterwalde Carl Eduard Emil Hanow, geboren den 3 lten Maerz 1839 zu Cobsens, welcher seine Studien in Halle absolvirt hat, gewählt. — An der Bürger-Knabenschule ging der bisherige fünfte Lehrer Carl Werner am lten April hier ab, um sich in Leipzig ganz der Musik zu widmen, und wurde vom 15ten April ab in seine Stelle der bisherige Lehrer Friedrich Gloeckner in Gerbstaedt, geboren am 6ten Maerz 1851 zu Züllsdorf bey Torgau, angenommen. An die Stelle des am lten April nach Hoerde in Westphalen abgegangenen Lehrers Carl Ruhmann trat Mitte Aprils der bisherige Lehrer in Ellrich Carl Wilhelm Buerner, geboren den 15ten December 1841 zu Kindelbrueck, und auf dem Schullehrer-Seminar zu Erfurt gebildet. Für den am lten April nach Huenxerwalde bey Wesel abgegangenen Lehrer August Grueneberg ist der bisherige Seminarist in Weißenfels Robert Meister, geboren in Delitzsch, ein Sohn des hiesigen Buchhalters Meister, als Lehrer erwählt worden.
Vom Anfang dieses Jahres an haben nachbenannte Herren Lehrer an unserer höheren Bürgerschule bedeutende Gehalts-Zulagen erhalten, worüber die hier beygefügte von dem Kämmerer Ufer gefertigte tabellarisch Uebersicht die vollständigst Auskunft giebt. Die alte war unmittelbar defect geworden, daß die Paßage mit Fuhrwerk über dieselbe gefährlich wurde, und man mithin auf einen baldigen Neubau bedacht seyn mußte. Es wurde daher im April und Mai an deren Stelle eine neue solide steinerne Brücke mit zwey Bogen erbaut; den Bau übernahm und leitete der Maurermeister Voigt, und die Kosten betrugen 250 Rd. Der landwirtschaftliche Verein des Kreises Delitzsch und Bitterfeld veranstaltete am 14ten Mai auf dem Schießplatze eine Thierschau, überhaupt eine landwirthschafiliche Ausstellung, welche sehr besucht war, und die im Jahre 1860 hier abgehaltene noch übertraf. (Siehe den hier beygefügten Bericht im Delitzscher Kreisblatt No. 57). An den Maurermeister Voigt wurden im Mai für Reparatur der Thorpfeiler am südlichen Eingange des Gottesackers, so wie die Erneuerung des Putzes der Südseite der Mauer 44 Rtl. 25 Sgr. 6 Pf. Kosten bezahlt.
Deßgleichen sind auch statt der alten oben an den Pfeilern befindlich gewesenen Holztafeln vom Jahre 1826, welche durch die Witterung sehr gelitten hatten, sehr schöne neue von weißen Marmorplatten mit denselben schönen Worten aus Tiedges Ostermorgen „Laßt die Hügel uns umwandern" pp.an derselben Stelle wieder angebracht worden; sie sind von dem hiesigen Bildhauer Zwanzig sehr sauber verfertigt, und kosten 13 Rtl. Die der Commun gehörigen Kirsch-Alleen sind in diesem Jahre für den Preis von zusammen 253 Rtl. 15 Sgr. verpachtet worden. Am 28ten Mai Nachmittags 4 1/2 Uhr verstarb plötzlich bey Gelegenheit eines Spazierganges mit seinen Schülern auf dem Wege von der Dörfchenmühle nach Rödgen an einem Herzschlage der Cantor Moritz Albin Thierbach, 53Jahre alt. Er war seit dem 3ten November 1853 hier angestellt, und hatte zugleich als Lehrer das Ordinariat der zweyten, später seit 1858 bis Ostern 1861 das Ordinariat der ersten Knabenklaße I Bürgerschule zu verwalten. Er besaß gute mußikalische Kenntniße, war ein vorzüglicher Sänger, ein Baßist mit einer umfangreichen, kraftvollen Stimme, aber kein Orgel- und Choral- spieler, in dem er den Choral mitunter dadurch verdarb, daß er die Melodien und Harmonien durch unnütze Verzierungen störte, und die regelrechte Einfachheit und edle Reinheit des Chorals verloren ging Als Dirigent wäre ihm mehr Energie und Ausdauer zu wünschen gewesen, so wie auch der richtige Tact die Mitglieder unter einen Hut zu bringen, weßhalb mehrerer von ihm angekündigte Concerte nicht zur Aufführung kamen, und die Cantorei im Jahre 1865 sich auflöste. Als Lehrer ist ihm nachzurühmen, daß er brauchbar war, besonders ein geübter Rechner, und gute Diciplin hielt.
Die Witterung in diesem ganzen Frühjahr war mit Ausnahme weniger Tage sehr trübe, rauh, naßkalt und windig; Nord-West-Wind war vorherrschend; das Thermometer stand in der Regel niedrig, der Stand des Barometer hielt sich bey öfteren schnellen Schwankungen auf der mittleren Höhe. An fruchtbaren Land-und Gewitter-Regen fehlte es nicht; die letzteren bildeten sich schnell nach einem einzigen heißen Tage bey sehr raschem wechselnder Windrichtung in der ganzen Windrose in Zeit von einer Stunde. Die Gewitter im Junius häufig größten Theils schwer mit gewaltigen Schlägen, starken Regengüßen und Graupeln; die schwersten waren die am 6tem Junius gegen Abend in Süd-Osten nach Leipzig und Eilenburg sich entladenes Gewitter, ganz besonders und noch mehr aber die nach wenigen schwülen Tagen bey uns am 23ten Junius entstandenen Gewitter; das erste stand im Nord-Westen und dauerte von Nachmittags % 2 Uhr bis 3 Uhr, das zweyte gleich nachher von da an bis gegen 5 Uhr, dieses stand im Nord-Osten. Beyde zeichneten sich durch ihre vielen furchtbaren Blitze, gewaltigen Donnerschlägen und strömenden Regengüße mit großen Graupeln aus. In den Dörfern Groß-Kyhna und Zschortau schlug der Blitz ein, desgleichen in der hiesigen Königl. Telegraphen- Anstalt, wo derselbe die Apparate so zerstörte, daß diese 24 Stunden unbrauchbar waren. In Folge der großen Fruchtbarkeit stehen alle Feldfrüchte recht gut, und versprechen einen reichen Ertrag. Die Heuerndte ist ganz gut ausgefallen, nur das unsichere regnigte und trübe Wetter um etwa 14 Tage verspätigt, aber doch noch glücklich eingebracht worden, Feldmäuse, Raupen und Maikäfer gab es natürlich auch äußerst wenig. — Der Gesundheitszustand war sehr ungünstig, die Sterblichkeit groß; es gab viel Schwindsüchtige, ferner zeigten sich der Abdominaltyphus, versatile Nervenfieber und Schlagflüße mit schnell tödlichem Ausgange.
Am lten Julius trat der bisherige Stadtmusikus Franz Hofrnann mit einer jährlichen Pension von 25 Rtl. freiwillig in den Ruhestand; sein Nachfolger wurde der vom Magistrat erwählte Stadtmusikdirector Bergmann aus Wittenberg, welcher an demselben Tage sein Amt antrat.
Nachdem am 18ten und 19ten Julius die Prüfungen der angemeldeten 21 Präparanden in der Aula der ersten Bürgerschule vom Herrn Consitorial- und Schulrath Woepke aus Magdeburg, dem Regierungs- und Schulrath Betzenberger aus Merseburg, so wie den mittlerweile hierher berufenen Lehrer-Seminar-Director Trinius aus Cammin, dem Musikdirector Kuntze aus Aschersieben, Hülfslehrer Schroeder und dem noch besonders dazu bestimmten ersten Seminar-Lehrer Jaenecke aus Halberstadt abgehalten worden waren, ergab sich als Resultat derselben folgendes: Zufrieden war die Prüflings-Commißion mit der Mehrzahl blos im Zeichnen und im Pianoforte-Spiel, aber in allen übrigen Lehrgegenständen, besonders der deutschen Sprache, gar nicht, weil die Leistungen selbst nicht den geringsten Anforderungen genügten, was man zum Theil dem dürftigen Unterricht zuschrieb. In Folge deßen ließ man bey dieser ersten Aufnahme-Prüfung große Milde und Nachsicht vorwalten; 5 Präparanden wurden unbedingt aufgenommen, 10 nur unter Bedingung, und 6 fielen durch; letzteren wurde jedoch gestattet an den Unterrichtsstunden Antheil zu nehmen. Am 22ten Julius Vormittags um 11 Uhr erfolgte nun die feierliche Eröffnung des Königl. evangelischen Schullehrer-Seminars. Siehe über diesen hochwichtigen Act die Beilagen. —
Die der Commun gehörige Plantagen der Pflaumen im Hain und Rosenthal ist in diesem Jahre für 28 Rtl. meistbietend verpachtet worden. Das von der Stadt-Commun angekaufte Mangesche Wohnhaus wurde im öffentlichen Termine zum Abbruch — jedoch mit Ausnahme der stehen bleibenden westlich gelegenen und an das Gehöft des Nachbars, Hausbesitzers August Thieme, angrenzenden 7 Fuß hohen Wand, welche derselbe nebst dem darunter befindlichen Grund und Boden im Wege der freiwilligen Offerte für 20 Rtl. zu seinem Gehörte käuflich erhielt — von dem Bau-Unternehmer Edler für die Hebamme Mietzsch meistbietend für 132 Rtl. erstanden, und erhielt den Zuschlag. Die pp. Mietzsch will sich von dem gewonnenem Baumaterial ein Miethaus auf ihrem Gehöft erbauen.
Die Feier des Tages von Sedan ist diesmal am 2ten September fast ebenso, wie im vorigen Jahre, begangen worden, wobey der Herr Bürgermeister Reiche eine kurze, aber gehaltvolle Rede auf dem Marktplatze hielt. Siehe die Beilage. Bey dieser Gelegenheit muß noch erwähnt werden, daß schon einige Wochen früher bey unserer Schützen-Compagnie sich eine zweite, nach ihrer Uniform „Jopenschützen" benannte, Abtheilung in der Stärke von etwa 40 Mann gebildet hat, welche in Verbindung mit der ersten an diesem Tage an der Sedanfeier zum ersten Male mit ausrückte; der Commandeur beyder Abtheilungen ist jetzt der geachtete Zimmermeister Felix. Am 20ten September starb der seit dem Iten April 1852 angestellte StadtsecretärChristian Gottfried Roenicke, fast 65 Jahre alt. Im Jahre 1868 kam derselbe leider in eine sehr unangenehme Untersuchung, in welcher er aber unschuldig befunden und gänzlich frei gesprochen wurde. Bey der nach her bald erfolgten Entlaßung aus seinem Amte erhielt er, wie billig, eine jährliche Pension von 150 Rtl. aus der Kämmerei-Kaße. Die Witterung war in den ersten drei Wochen des Julius bey mehr hohem Barometerstande (28-28,4) und vorherrschendem West und Nord-West-Wind trübe, kühl und windig; am 13ten, 16ten, 19ten und 21ten hatten wir in den Nächten Landregen, und am 15ten nach einem voraus gegangenen sehr schwülen Tage (Th. +28) ein starkes Gewitter aus Süd-West mit Regen von 1-3 Uhr Morgens. Vom 22ten des Monats an trat aber plötzlich sehr große Hitze ein. (Thermometer +30 — 34 N.M.3Uhr in der Sonne), in folge davon den 20ten sich in Ost, Süd und West drei starke Gewitter bildeten und Abends von 5 bis 6 Uhr mit heftigen Schlägen und vielem Regen sich entladeten, welchen am 30ten früh von 6 bis 7 Uhr noch ebenso ein solches folgte. Die gewaltige Hitze hielt nun bey demselben hohen Barometer- und Thermometerstande den ganzen August hindurch fast ununterbrochen an; die Windrichtung war in der ersten Hälfte des Monats die bisherige, in der zweiten dagegen der Süd-Wind mit der Neigung der Fahne nach West oder Ost vorherrschend. Gewitterregen hatten wir am 9ten Abends um 5 Uhr, am 1 lten um 1 Uhr Mittags und am 27ten früh um 8 Uhr, ferner Landregen am 12ten und 13ten Vormittags. Da aber diese Regen fast sämmtlich nicht von Bedeutung waren, so konnte es nicht fehlen, daß bey der großen Hitze nunmehr Dürre eintrat und der Waßerstand in den Flüßen und Bächen sehr niedrig ward; denn von den eben erwähnten fünf Regen war nur der Gewitterregen am 9ten Abends stark, und kam besonders zur höchsten Zeit den Kartoffeln zu Gute wegen der ICnollenbildung. Im September trat wieder plötzlich ein bedeutender Abfall und Umschlag in der Witterung ein, denn gleich vom Anfang an war dieselbe fast durchgängig bey wieder vorherrschendem West- und Nord-West-Wind trübe, kühl, naßkalt und regnigt, und zwar bey niedrigem Barometerstande bis zum 20ten, (Barometer 27,9); Gewitterregen fanden bis dahin statt am 2ten, vier am 16ten und einer am 17ten; vom 20ten an war das Wetter bey durchweg bey hohem Stande des Barometer (28-28,5) trübe, sehr kühl. Rauh und windig, ohne Regen. Was nun die Erndte betrifft, so ist dieselbe trotz der im Frühjahr bey dem damaligen gutem Stande der Saaten gehegten Hoffnungen doch nur als eine mittelmäßige in allen vier Getraidearten zu bezeichnen; der Grund davon liegt in dem anhaltend rauhen und naßkaltem Frühjahr und der nachfolgenden großen Dürre. Die Grummterndte war gut, ist aber durch die anhaltende Näße, in welcher es im September zwey Wochen lang iegen mußte, zum Theil leider verdorben. Dagegen sind Rüben und besonders die Kartoffeln sowohl in Quantität als Qualität gut gerathen, die Obstemdte aber wieder nicht gut ausgefallen und das Obst theuer. Die Getraidepreise waren zu Michäelis, nach dem Centner zu 100 Pfund berechnet, folgende: Weitzen 4 Rtl. 14 Sgr. 6 Pf , Roggen 3 Rtl. 24 Sgr., Gerste 3 Rtl. 18 Sgr., Hafer 3 Rtl, Kartoffeln 1 Rtl. 2 Sgr. 6 Pf. — Der Gesundheitszustand war in der ersten Hälfte dieses Quartals etwas beßer als im vorher gehenden, jedoch immer noch nicht befriedigend, wurde es aber völlig in der zweiten Hälfte, wo Krankheiten und Todesfälle bedeutend abnahmen. Von der Cholera sind wir, Gott sey Dank, verschont geblieben; da dieselbe jedoch in der Provinz Sachsen an mehreren Orten heftig aufgetrat, und besonders seit Anfang des Julius in Magdeburg durch Maßen-Erkrankungen und viele Todesfälle schreckliche Verheerungen anrichtete, so hielt auch unsere Sanitäts- Commißion am 18ten Julius und 21ten August Sitzungen, und ordnete zur Abwehr der Krankheit die schon 1866 angewendeteten Maaßregeln an (vid.pag.393); als Desinfections-Mittel wurde diesmal statt des Eisenvitriols die stärker wirkende Carbolsäure gebraucht.
Die durch den am 4ten Februar des Jahres in der Charite zu Berlin erfolgten Tod des zweiten Lehrers der hiesigen höheren Bürgerschule Bahmann erledigte Stelle ist dem Dr.phil. Karl August Bruno Holtheuer, geboren 1844 zu Wettenburg bey Naumburg, bisher Lehrer der höheren Bürgerschule zu Naumburg, verliehen worden und hat derselbe am 13ten October sein Amt angetreten; derselbe ist auf dem Domgymnasium zu Naumburg und der Universität zu Halle gebildet. Die Stadtcommun erstand am 25ten September in der nothwendigen Subhastation das bisher den Seilermeister Thierschen Erben gehörige Wohnhaus in der Bitterfelder Straße für 1840 Rtl. zu dem Zwecke, um daßelbe später wegen Verengung der Paßage und wegen Ungleichheit der Straße an dieser Stelle, zum Abbrch verkaufen zu können, bis dahin aber zu vermiethen. Die durch den vor vier Jahren hier angestellten, am lten October nach Minden abgegangenen Dr. phil. Schroeder erledigte dritte Lhererstelle an der höheren Bürgerschule ist dem bisherigen Lehrer Hanow verliehen worden, und die durch deßen Beförderung in die dritte Stelle erledigte vierte Stelle ist dem bisherigen Hülfslehrer Dr. phil.Rinne aus Halberstadt, geboren zu Halle, übertragen worden. Am 12ten November fand im hiesigen Seminare unter dem Vorsitz des Consitorialrath Woepke die Nachprüfung 10 Seminaristen statt, die bey der im Julius stattgehabten Prüfling nur bedingungsweise aufgenommen waren. Das Resultat der Prüfung war, daß sämmtliche Eximinanden bestanden und aufgenommen wurden. Ueber die Leistungen und die Einrichtung der jungen Anstalt, welche einer Revision unterzogen worden, hat sich, wie wir aus guter Quelle erfahren, der Herr Consistorial- rath äußerst befriedigt und belobend ausgesprochen. Mit bloßem Auge kann man den angekündigten Cometen gegen 4 Uhr des Morgens im Osten sehen. Größer als jeder andere Stern, hat er die Gestalt einer Feuerkugel, keinen Schweif und einen glänzenden rothen Schein. Am 21ten November Abends 7 1/4 Uhr starb in Folge von Altersschwäche der Maurermeister Johann Gottfried Samuel Rose im 86ten Lebensjahre. Er war geboren zu Delitzsch den lten Mai 1788, und einer unserer besten und achtungswerthesten Bürger, der auch in seinem Berufsfache ein geschmackvoller Baumeister mit Recht geschätzt wurde. Dieser Mann verdient hier noch ganz besonders deßhalb eine dankbare Erwähnung, weil er, als bey einem starken Gewitter am ICnen Mai 1820 Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr ein Blitzstrahl in die nördliche Thurmspitze der Stadtkirche eingeschlagen hatte, von da auf dem Forste des Kirchdaches hingefahren war mit Hinterlaßung von Spuren geschmolzenen Bleches, und dann auf dem Dache über dem Altarstück ein Dohlennest angezündet hatte, der Retter unserer Stadtkirche wurde. Der muthvolle und entschloßene Mann kletterte, wie er mir selbst erzählt hat, in Gegenwart mehrerer Bürger, indem er einen mit Waßer gefüllten Hut an der Krämpe zwischen den Zähnen festhielt, an dem oben schon glimmenden Dachsparren, hinter welchen das brennende Nest sich befand, bis unter den Forst hinauf und löschte mit dem Hute voll Waßer das Feuer im Entstehen, und erwarb sich so das größte Verdienst. (S.pag.8) Der Blitz hat schon früher einmal im Jahre 1475 in unsere Stadtkirche geschlagen, jedoch ohne zu zünden. (S. Lehmann Chronik der Stadt Delitzsch Th. Lpag.65). Außerdem wurde dieselbe auch am 24ten September 1711 bey dem Feuer in der großen Schloßgaße, welches sechs Häuser gänzlich zerstörte, vom Flugfeuer entzündet, welches aber auch gleich im Entstehen gelöscht wurde. Möge das herrliche gothische Bauwerk, wie bisher, auch ferner unter Gottes Obhut und Schutze stehn, und einst einmal in seinem Baustyl rein restaurirt werden.
Das Bürger-Hospital mit der Kinderbewahr-Anstalt wurde in der Zeit von Mitte des October äußerlich neu abgeputzt, auch zum Theil die Fenster mit Oelfarbe angestrichen. Die Arbeiten hatte der Maurermeister Voigt übernommen und erhielt dafür 234 Rtl. 27 Sgr. 6 Pf. Der dritte Lehrer an der erster Bürger-Knaben-Schule Carl Wemecke ging am lten September nach Gera; seine Stelle wurde dem bisherigen vierten Lehrer an derselben Schule Julius Klein, letztere Stelle aber dem bisherigen fünften Lehrer Friedrich Gloeclmer, und die dadurch offen gewordene fünfte Lehrerstelle dem bisherigen Lehrer in Eisleben Otto Krebs verliehen, welcher sein Amt hier am lten October antrat Am 29ten November feierte der Verfaßer dieser Zeilen sein fünfzigjähriges Doctor-Jubiläum. Da demselben Alles, was Aufsehen erregt, durchaus zuwider ist, so hatte er schon am 1ten Julius des Jahres in einem deßhalb an seinen hochverehrten Freund Herrn Kreisphysilcus Dr.Kanzler gerichteten, persönlich übergebenen, Schreiben bestimmt sich dahin ausgesprochen, daß er alle bey solchen Jubiläen üblichen Auszeichnungen, wie Ständgen und Zweckeßen, Titel und Orden mit der eingravierten Zahl 50 auf das Entschiedenste ablehnen würde und müßte, weil diese in seinen Augen am Rande des Grabes gar keinen Werth haben, indem besonders durch die letzteren nicht das wahre Verdienst, sondern offenbar blos die 50 Jahre decorirt werden, was man doch nur Gott zu verdanken hat. Der Herr Dr. Kanzler unterließ nun die officielle Anzeige an die Regierung zu Merseburg, machte dagegen auf meinen ausdrücklichen Wunsch der Hochlöbl. Medicinischen Facultät zu Berlin eine Anzeige von meinem nahen Jubiläum mit der ergebensten Bitte um die Zusendung des Jubel-Doctor-Diploms, welches denn auch in der nobelsten Form und typographischer Schönheit nebst einem herzlichstem Glückwünschungsschreiben des Decans, Herrn Geheimen- Medicinal-Raths Dr.und Prof Ord.Bardeleben zur großen Freude des Jubilars, welcher auf diese hohe Ehre und Auszeichnung den größten Werth legt, am Jubelfesttage früh um 8 Uhr hier eintraf. Noch ist zu bemerken, daß der Jubilar seine gründliche wißenschaftliche Bildung in den Jahren von Ostern 1815 bis Ostern 1824 in der Fürstenschule zu Pforte und auf den Universitäten zu Leipzig und Berlin erhalten hat; in der letzteren, wo besonders der berühmte, treffliche Staatsrath und Leibarzt Dr.Hufeland, der Freund seines Vaters, sein großer Gönner und Wohlthäter war und ihm freie Collegia verschaffte, promovirte er am 29ten November 1823; seine Dissertatio in auguralis handelte de Angina membranacea. Außerdem hat der Jubilar im Jahre 1838 zvvey Aufsätze über zwey seltene praktische Fälle in das Hufelandsche Journal der praktischen Heilkunde geliefert (S.C.86 und 87), welche der Herausgeber deßelben, Geheime Medicinalrath Dr.und Prof Ohann sogleich abdrucken ließ und ihm dafiir 16 Rtl. Honorar sendete; diese waren: 1, Geschichte eines glücklich geheilten Phoas-Absceßes, und 2, Beobachtung eines Lepra tuberculosa ex causa atrabilaria. Ueber meine ärztliche und sonstige Wirksamkeit in meiner lieben Vaterstadt siehe diese Chronik pag.93, 140, 142, 154, 179, 191, 329, 358, 389, 392, 484, 567. Der Wille den leidenden Mitmenschen zu helfen und auch außerdem auch Gutes zu wirten, ist bey mir immer der beste gewesen. Leider bin ich seit dem Jahre 1848 ohne mein Verschulden in mannigfache Streitigkeiten und Kämpfe verwickelt gewesen, von welchen der vierjährige Anfangsstreit der schwerste war.
Nach der im Jahre 1868 erfolgten Pensionierung des Stadtsecretär Roenicke (S.pag. 415u.559), wurde der frühere Kanzlist Eduard Braune, dem seit einigen Jahren mehrere Ritterguts-Herrschaftliche Polizey-Verwaltungen zur Besorgung übertragen worden waren, zum Nachfolger Roenickes vom Magistrat erwählt, jedoch die ersten Jahre, weil der pp. Braune die erwähnten ländlichen Polizey-Verwaltungen nicht gern aufgeben konnte oder mogte, interimistisch, später aber erst in diesem Jahre definitiv angestellt, weil durch die zum lten Januar 1874 statt findende Einführung der neuen Kreisordnung diese Verwaltungen wegfallen. — An der Stelle des am lten October wieder abgegangenen dritten Polizey-Sergeant Lehmann, welcher auch kaum ein Jahr in diesem Amte verblieb, ist der Polizey- Sergeant Bermig aus Zeitz, vorher Sergeant im schleßwig-holsteinischen Dragoner-Regiment, seit dem 15ten October angestellt mit 230 Rtl. jährlichem Gehalt. Der Herbst war höchst unfreundlich; die Witterung des October war mit Ausnahme des lten und 2ten, des 13ten so wie vom 26ten bis 28ten bey mehr höhern als niedrigem Barometerstande und vorherrschendem West Wind mit wechselnder Neigung bald nach Nord bald nach Süd, trübe, kühl, rauh und regnigt; am 2ten hatten wir früh um 3 Uhr und am 4ten Nachmittags um 3 Uhr Gewitterregen, so wie am 31 ten einen Landregen; am 18ten dichter Nebel. Ganz in derselben Weise dauerte die Witterung im November bey dem bisherigen mehr höherem Barometerstande und der angegebenen Windrichtung fort; Die Mehrzahl der Tage war sehr trübe, feucht und rauh, besonders der 4te, 6te, der 19te, 20te, 2 lte und 22te mit ihren dichten und starken Nebeln zuletzt mit Regen; am letzteren Tage tobte und wüthete zugleich ein furchtbarer Orkan aus Westen bey äußerst niedrigem Barometerstande; es sank in wenigen Stunden um 13 Linien sehr schnell von 28 auf 26,11. Nach den Zeitungsberichten hat dieser gewaltige Weststurm auf dem Meere, besonders in der Ostsee, vielen Schiffen, Menschen und Thieren den Untergang bereitet. Auch im December war der Witterungslauf von dem des November wenig verschieden; nur war der Stand des Barometers in der ersten Hälfte und der letzten Woche des December anhaltend sehr hoch(Barometer 28,3- 28-8). Die Windrichtung war dieselbe; am 3ten und 4ten Nebel, wie auch vom 12ten bis 15ten; Schnee, welcher aber wieder gleich schmolz, fiel am 6ten und 28ten; gelinder Frost trat nur in den Nächten zum 2ten und 8ten, so wie an den drei letzten Tagen des Monats ein (Th. —3 bis 7Reaum.früh 7 Uhr). Am 16ten stürmte und regnete es stark, und am 17ten und am 24ten tobte beyde Male ein sehr heftiger Orkan aus Nord-Westen (Barom. 27,8). Diese beyden Stürme waren wahrscheinlich die Folgen von den im südlichen Deutschland in der Gegend von Darmstadt vom 20ten bis 23ten des Monats statt gefundenen Erdbeben. Dieselbe schreckliche Naturerscheinung wurde in dieser Gegend schon vor vier Jahren ganz um dieselbe Zeit beobachtet (S.pag.452), und auch bey uns im Maerz 1872 (S.pag.524) sehr stark bemerkt. Der Gesundheitszustand war in diesem Quartale nicht befriedigend, zumal da unter den Kindern der Keuchhusten und das krankhafte Zahnen viele Opfer forderten, auch viele alte Leute in folge der ungünstigen Witterung an Schlagfluß, Herz- und Lungenlähmung mit Tode abgingen, es starben überhaupt im ganzen Jahre in unserer evangelischen Kirchengemeinde 300 Personen, worunter 170 Kinder in den ersten 5Jahren, und 53 Alte über 60Jahre. Geboren wurden 416 Kinder, mithin 176 mehr, als Personen gestorben. Vor hundert Jahren waren 79 geboren und 146 gestorben.
Von der Ziegelbreite auf der südöstlichen an die Elisabeth-Straße grenzenden Seite wurde eine Baustelle von 87,40 Quadrat-Ruthen zu dem Preise von 7Rtl. für die Quadrat-Ruthe, also für zusammen 611 Rtl. 24 Sgr. — Pf An die Productiv-Genoßenschaft der Cigarrenarbeiter zur Erbauung eines Wohn- und Fabrik-Gebäudes verkauft am lten Julius. In diesem Jahre sind an neuen Wohnhäusern erbaut worden: 1, von dem Bahnmeister Wilhelm Kittel ein neues Wohnhaus in der Bahnhofs-Straße; 2, von dem Fuhrmann Gottfried Richter, welcher aus einer Scheune ein neues Wohnhaus einrichtete, und nun in der Grünstraße drei Wohnhäuser besitzt; 3, von der Productiv-Genoßenschafl der Cigarren-Arbeiter ein Wohn- und Fabrik-Gebäude in der Elisabeth-Straße; 4, vom Zimmermeister Pannicke an der Leipziger Chaussee, und 5, vom Brauereibesitzer Ferdinand Offenhauer ein Wohnhaus in der Lindenstraße. Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn Gesellschaft erhielt unsere Commun 360 Rtl. als jährliche Steuer, und die Armenkaße vom Kreis-Armen-Fond zum letzten Male 550 Rtl. Am 3 lten December legte der Verfaßer dieser Zeilen wegen bedeutender Abnahme seiner Kräfte das Amt als praktischer Arzt nach einer fünfzigjährigen Amtsthätigkeit, so wie auch das zugleich seit dem 16ten Maerz 1848 von ihm mit verwaltete Amt als Arzt am hiesigen Bürger- Hospital gänzlich nieder.(Vid.pag.563) Die letztere Stelle, um welche sich fast die sämmtlichen hiesigen Aerzte beworben haben, ist bis heute, den 9ten Februar, noch nicht wieder besetzt, und wird seit Neujahr 1874 von dem Herrn Kreisphysikus Dr.Kanzler interimistisch verwaltet.
1874
An die Stelle des bisherigen Strafanstalts-Directors Friedrich Haensler, welcher den lten Januar von hier abgegangen und nach Leipzig gezogen ist, trat zu derselben Zeit der bisherige Strafanstalts-Director Carl Rabe in Ebersbach, Provinz Naßau. — An die Stelle des am lten Februar nach Langensalza versetzten Obersteuer-Controleurs Theodor Raettig trat der bisherige Ober-Grenz-Controleur Otto Puls aus Wandsbeck. — An die Stelle des am lten Februar aus seinem Amte ausgeschiedenen Magistrats- Registrators und Armenkaßen-Rendanten Heinrich Gelpke (Vid.pag.448) trat der bisherige Expedient beym Rechtsanwalt Herrmann in Eilenburg, Julius Knoll. — Die am Sonntage nach Neujahr, den 4ten Januar, nach der neuen Kirchenordnung, welche den Gemeinden bedeutende Rechte einräumt, neu gewählten Mitglieder des Gemeinde-Kirchenraths, die Herren Bürgermeister Reiche, Magistrats-Aßeßor Starckloff, Kreisrichter Huehne, Tischlermeister Troitzsch, Fabrikant Wagner, Lehrer Petermann, Kaufmann Rose, Zimmermeister Felix und Kaufmann Zeising wurden am 3ten Sonntage post Epiph. den 25ten Januar während des Haupt-Gottesdienstes in der Stadtkirche durch Herrn Superintendent Leipoldt feierlich in ihr Amt eingeführt und verpflichtet. Die erste Amtshandlung deßelben in seiner Sitzung am folgenden Tage war eine Beschlußfaßung über ein an unsern frühem Herrn Superintendenten Förster, seit 1856 Pastor in Langen- weddingen, welcher am lten Februar sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum feierte, abzusendentes Glückwünschungsschreiben. Dieser um Delitzsch hochverdiente Mann war als Kanzelredner, Gelehrter und Mensch gleich groß und edel; seine fast sechzehnjährige Amtswirksamkeit unter uns war die Zeit der höchsten Blüthe unsers kirchlichen Lebens.
Am 19ten Februar ist über die Wiederbesetzung der vacanen Hospital-Arzt Stelle (vid.pag.567) von der Hospital-Inspection entschieden worden, daß der Herr Kreisphysikus Dr.Kanzler, welcher bereits seit dem Jahre 1865 die wenigen chirurgischen Fälle gegen ein jährliches Honorar von 10 Rtl. nach dem Tode des Wundarzt Rathmann zu behandeln hatte, als eigentlicher Hospital-Arzt erwählt wurde und gegen ein jährliches Honorar von 40 Rtl, mit der Behandlung der innerlich Kranken beauftragt worden ist, dagegen dem Herrn Dr. Laue gegen ein jährliches Honorar von 20 Rtl. die Behandlung der chirurgischen Fälle übertragen und zugleich die Stellvertretung des Herrn Dr.Kanzler in Behinderungsfällen deßelben zur Pflicht gemacht worden ist. Die Stadtverordneten haben im Februar dem Herrn Bürgermeister Reiche wieder (vid.pag.532) eine Gehaltszulage von 200 Rtl., ferner dem Magistrats-Aßeßor Heintze eine dergl. von 100 Rtl. und dem Herrn Kämmerer Ufer, Stadt-Steuereinnehmer Braune und Stadtsecretär Braune eine dergl. von 50 Rtl. vom Anfang dieses Jahres an bewilligt. Auf den Antrag des Rendanten Thaerigen wurde im Februar für die städtische Sparkaße noch ein großer eiserner Schrank, zur sichern Aufbewahrung von Acten, Kaßenbüchern und Documenten, aus der Fabrik von Kaestner in Leipzig für den Preis von 600 Rtl. angekauft.
Der Zuschlag zur Communalsteuer ist vom Maerz dieses Jahr an, da der jetzt günstigere Zustand der Finanzen unserer Commun es gestattet, von 100 Procent bis auf 75 von dem Magistrat und den Stadtverordneten ermäßigt worden. Der ganze diemalige Winter hätte im Witterungslaufe mit dem vorjährigen die größte Aehnlichkeit; er war sehr milde und hohe Kältegrade kamen gar nicht vor. Im Januar wechselten bei vorherrrschendem West- Wind mit öfterer Neigung der Fahne bald nach Nord bald nach Süd, so wie bey mehr hohem als niedrigem Barometerstande, schöne, helle und angenehme Tage mit trüben, naßkalten, stürmischen und regnigten ab; Schnee, welcher gleich wieder schmolz fiel am 27ten, 29ten und 30ten. Das eben gesagte gilt ganz von der Witterung des Februar; Nebel hatten wir in diesem Monat früh am Sten, 6ten (Barom. 28,4), am 17ten (Barom.27,8), am 20ten am 20ten Abends und am 22ten früh. Am 8ten tobte Nachmittags ein Gewittersturm (Barom.27,7) mit nachfolgendem Schneegestöber aus Nord- West; Schnee fiel außerdem noch am 9ten und 26ten. Die Kälte war sehr unbedeutend; das Thermometer zeigte blos am lOten und 12ten des Monats früh um 7 Uhr —6 und am llten —10Reaum. Ziemlich in derselben Weise aber bey vorherrschendem rauhem, scharfen Nord-West-Wind gieng die Witterung des Februar in den Maerz über; wir hatten weit mehr trübe, kühle, regnigte und windige Tage, als in den letzten Wochen; die Kälte war gering, denn an wenigen Tagen in der ersten Hälfte des Monats zeigte das Thermometer früh um 7 Uhr nur —2 bis 5 Reaum. Nebel wurden früh am 7ten und 13ten beobachtet; am 19ten war es sehr stürmisch, und am 20ten wüthetete ein Orkan aus West (Barom.27,7). Schnee, theils mit, theils ohne Regen fiel am 1 lten, 12ten 14ten, 15ten, und 21ten; am 18ten hatten wir einen Landregen, und die letzten vier Tage des Monats waren wieder, nach drey vorher gegangenen schönen, regnigt, naßkalt und stürmisch. Uebrigens hat die Erde in diesen drey Monaten sehr viel Winterfrucht erhalten, was auch der vorzüglich gute Stand der Wintersaaten beweist, denen die wenigen schwachen Nachtfröste natürlich auch nichts schaden konnten. — Daß bey diesem abnormen, oft schnell und schroff wechselnden Witterungslaufe der Gesundheitszustand mehr oder weniger leiden mußte, liegt klar am Tage; am meisten litten dadurch, zumal in Folge des öfteren rauhem und scharfen Nord-West-Wind mitunter auch Ost-Wind, die Schwindsüchtigen und alte an Schleimasthma leidende Personen; an diesen beyden Krankheitsgattungen giengen viele mit dem Tode ab.; unter den Kinder traten Gehirn-und Lungenentzündungen, so wie auch häutige Bräune mit öfters tödlichem Ausgange auf; außerdem wurden Lungen- und Luftröhren-Katarrhe und rheumatische Leiden häufig beobachtet. Am 22ten April Abends kurz vor 7 Uhr ereignete sich beym Neubau des hiesigen Schützenhauses ein lediglich durch Mangel an gehöriger Vorsicht verschuldeter sehr beklagenswerther Unglücksfall. Der Maurergeselle Thier, welcher hier den Bauführer machte, war seiner Anordnung zufolge mit dem Maurergesellen Sonntag beschäftigt unter einem frisch gemauerten Kellergewölbe die Rüstungen wegzunehmen. Kaum war die letzte Stütze fortgenommen, so brach die ganze Wölbung zusammen und begrub die beyden Genannten unter ihren Trümmern.Alle sogleich geleistete Hülfe war vergeblich. Thier war allgemein als ein starker Säufer bekannt, Sonntag dagegen als ein ordentlichr Mann.
Am 4ten Mai Vormittags verflog sich bey der Verfolgung eines kleinen Vogels ein Lerchenfalke(Falco hubbuteo) mit einer Flügelbreite von 31 Zoll durch die geöffneten Perronthüren der Halle-Sorau-Gubener Bahn, und flog mit einer solchen Heftigkeit gegen eine an der entgegen gesetzten Seite befindlichen Fensterscheiben, daß er todt zu Boden fiel. Besagter Falke ist ein ausgezeichnetes Exemplar. Die Scheibe blieb bey dem Attentat auf dieselbe unversehrt. Der hiesigen Präparanten-Anstalt ist von der Königl. Regierung zur Beschaffung von Lehrmitteln und zu Remunerationen für die Lehrer eine Summe von 180 Rtl. überwiesen worden. In der Sitzung des Kreisgerichts am 17ten April erhielt eine unverehelichte Handarbeiterin, die durch Fahrläßigkeit einen Brand im Wohnhause der Nagelschmieds-Wittwe Schmidt in der Holzgaße veranlaßt hatte, eine Woche Gefängniß. Das Feuer war übrigens bald gelöscht worden. (vid.pag.513). Der Kaufmann Haertel, welcher im vorigen Jahre das am breiten Thore liegende, der Wittwe des Kaufmanns Schmidt gehörige bedeutende Hausgrundstück käuflich erwarb, kaufte laut Stadtverordneten-Beschluß vom 3ten Maerz des Jahres von der Commun 153 Quadrat Stadtmauer zu dem Zweck, um nach Abbruch derselben mit Zunahme eines unmittelbar angrenzenden von der Wittwe Schmidt ebenfalls erkauften Stückes Zwinger ein vom Ufer des Stadtgrabens aufsteigendes, maßives übersetztes Gebäude mit sehr geräumigen Kellern und bedeutenden Lagerräumen darauf aufzuführen, welches auch in der Mitte des Juni solid und glücklich vollendet wurde.- Im Februar wurde auch das alte Mittelgebäude des Schützenhauses, der letzte Ueberrest des früheren, abgebrochenen, und von dem jetzigen Besitzer Gastwirth Rausch ein neues maßives, aber in größeren Dimensionen erbaut, welches nur allein in beyden Stocks den großen, hohen Saal enthält; der Bau gieng bis auf den erwähnten sehr beklagenswerthen Unglücksfall glücklich zu Ende und ward so sehr gefördert, daß die Einweihung des schönen, mit Gallerien ringsum versehenen, geschmackvoll decorierten Saales schon am 24ten Mai, dem ersten Pfingstfeiertage Nachmittags, statt finden konnte. Die Locale des bisherigen, im Jahre 1842 erbauten Saales sind nun zu Stuben, Kammern pp. für den Wirth umgeändert worden. Die diesjährigen Süß- und Sauerkirschen auf den städtischen Anpflanzungen sind in dem am 19ten Junius abgehaltenen Termine für das Meistgebot von 394 Rft 15Sgr. verpachtet worden. An die Stelle des am lten April nach an eine dortige Schule abgegangenen Lherers Schnelle ist an demselben Tage der Lehrer Gotthold Rosinski von Guettland, Kreis Danzig, getreten. Ebenso ist an die Stelle des am 23ten April nach Gera abgegangenen Lehrers und Organisten Schulte der Lehrer Herrmann Baatz, bisher in Friesack, vom lten Junius ab getreten, die Organistenstelle aber dem hiesigen Lehrer Kiemstedt mit übertragen worden; auch ist dem letzteren vom lten Julius ab der bisher vom Organisten Jost an der Hospitalkirche versehene, von demselben aber wegen seiner langem Kränklichkeit freiwillig aufgegebener, Organistendienst zugleich übertragen worden. Schulle spielt den Choral in viel zu schnellem Tempo und ohne Zwischenspiele; dies ist durchaus nicht correct; als Lehrer war er gut.
Die Witterung dieses Frühjahres war die Fortsetzung der des Winters, trübe, rauh, naßkalt; die Windrichtung fast jeden Tag mehrmals wechselnd, doch war West-Wind und Nord-West-Wind vorherrschend; der Stand des Barometers und Thermometers weit mehr niedrig als hoch. Am 13ten April hatten wir nach zwey vorher gehenden sehr warmen Tagen von 5-6Uhr Abends ein sehr schweres Gewitter aus Süden mit einem heftigen Orkan, gewaltigen Blitzen und Donnerschlägen und starkem Regen. Die Mehrzahl der Tage des Monats war trübe, rauh und windig, den lten sogar stürmisch, den 30ten fiel Regen und Schnee. In gleicher Weise hielt die Witterung den ganzen Mai an, Land-und Gewitterregen mit Graupeln und Schnee kamen öfters vor; die Windrichtung blieb dieselbe.Ebenso war es auch im Junius nur mit dem Unterschied, daß in diesem Monat die Kälte noch empfindlicher war, besonders früh und Abends, im Mai; wir mußten daher bis zum längsten Tage einheizen. Am 2ten JunMs so wie auch am 3ten bildeten sich nach zwey voraus gegangenen heißen Tagen (Barometer 28,3, Thermometer +30) zwey schwere Gewitter, wovon das erstere am 2ten von Nachmittags 3 bis 5 Uhr, das zweyte am 3ten von nachmittags 4 bis 5 Uhr dauerten und durch strömende Regengüße sich auszeichnete, das erstere auch noch durch gewaltige Blitze und Donnerschläge; im Dorfe Klitzschmar erschlug der Blitz den Gutsbesitzer Riegel in seiner Schlafkammer; ferner schlug der Blitz in Kertitz in eine Pappel, in Schenkenberg in das Thürmchen des Schloßes und in Paupitsch in den Gasthof, jedoch ohne zu zünden. In Folge der sehr fruchtbaren Witterung stehen alle Feldfrüchte recht gut; die Heuemdte ist reichlich ausgefallen und glücklich eingebracht worden. Aber die Obstemdte hat durch den Nachtfrost in den Morgenstunden des 29ten April bey scharfem Nord-Wind durch Zerstörung und Tödtung der Baumblüthe schrecklich gelitten, so daß der Ertrag der Obstbäume, besonders der Pflaumen, sehr dürftig ausfallen wird. Raupen, Maikäfer und Feldmäuse gab es fast gar nicht. — Trotz der so ungünstigen, unbeständigen Witterung war der Gesundheitszustand befriedigend und die Sterblichkeit gering.
Nur katarrhalische und rheumatische Leiden kamen zur Behandlung. Das hiesige Königl. Schullehrer-Seminar hat am 24ten und 25ten Junius seine zweite Aufnahme-Prüfung erhalten. Von den 30 Präparanden, die sich um Zulaßung zu derselben gemeldet hatten, konnten 3 nicht zugelaßen werden, weil sie noch nicht das vorschriftsmäßige Alter erreicht haben. Von den übrigen 27 sind 24 aufgenommen. Unter diesen sind 19 längere oder kürzere Zeit in der hiesigen Präparanden-Anstalt vorgebildet worden. Das Seminar zählt nun im zweiten Jahre seines Bestehens 48 Zöglinge. Am 7ten Julius wurde der zum Cantor an der Stadtkirche und zweyten Lehrer an der ersten Knaben-Bürgerschule an des dem 28ten Mai vorigen Jahres verstorbenen Cantor Thierbach Stelle gewählte Herr Lehrer Haupt aus Bromberg durch den Herrn Superintendent Leipoldt in Beysein von Vertretern des Magistrats und Schulvorstandes feierlich in sein neues Schulamt eingeführt, und am 12ten, den 6ten post Trinit trat er sein Kirchenamt an. In den ersten Tagen des Julius erschien Abends rechts an den obern Sternen des großen Bären ein in seiner Größe und Lichtstärke nicht sehr auffallender und daher die allgemeine Aufmerksamkeit wenig auf sich lenkender Comet; dann gieng derselbe immer tiefer nach dem nördlichen Horizont, und war vom 17ten an nicht mehr sichtbar.
Am 19ten und 20ten Julius hielt die hiesige Schützengilde ein Schützenfest ab, zu welchem Abtheilungen der Schützengilden von Eilenburg, Düben, Wittenberg, Gräfenhainichen, Bitterfeld und Zörbig am 19ten früh eintrafen, die meisten der fremden Gäste aber an demselben Tage spät Abends wieder abreisten. Am 20ten Julius Nachmittags 4 Uhr entstand auf einem Roggenfelde hinter Offenhauers Brauerei durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters Feuer Ohngefähr vier Mandeln Getraide wurden ein Raub der Flammen; nur schnell hinzu eilender Hülfe (darunter Mannschaften der Feuerwehr) gelang es weiterer Gefahr vorzubeugen. Die Feier des Tages von Sedan am 2ten September ist ganz ebenso, wie in den beyden letzten Jahren, sehr festlich begangen worden, nur mit dem Unterschied, daß diesmal zugleich ein Schuh und Kinderfest verbunden wurde, um in den Kindern schon früh patriotischen Sinn und die Liebe zum König und Vaterland zu erwirken; es war zu diesem Zweck von der Bürgerschaft eine Collecte veranstaltet worden, welche etwas über 200 Rtl. einbrachte, wovon die Kinder mit Kuchen und Bier bewirthet wurden. Ueberhaupt nimmt dieses Volksfest bey uns, wie in ganz Deutschland, immer mehr den Character eines wahren Nationalfestes an. Auch das Wetter war an diesem Tage sehr schön und warm. Schon seit längerer Zeit war der Magistrat darauf bedacht gewesen, die alte, krumme wegen ihrer steilen Auffahrt für Pferde und Wagen, besonders schwer beladene, wie die Landsberger Bruchsteinfuhren, recht gefährliche Hospitalbrücke abzubrechen und eine neue zu bauen. Anfangs des Junius erfolgte der Abbruch, und zu Michäelis war der Bau der neuen, breiten, maßiven, gerade gelegten mit 2 Bogen vollendet; er kostete mit dem schönen eisernen Geländer und den Pflasterarbeiten im Ganzen 1349 Rtl. 5 Sgr. Von dieser Summe erhielt der Steinsetzer F.Hinniger 42 Rtl. 20 Sgr. 8 Pf für Pflasterarbeiten zur Auspflasterung der Rinne von der neuen Hospitalbrücke bis an die blaue Taube; ferner E.Kohl in Landsberg 29 Rtl. 25 Sgr. für 4 Lowry hierzu verwendete Pflastersteine; sodann 1036 Rtl. 19 Sgr. 1 Pf der Maurermeister W.Voigt für Erd- und Maurerarbeiten so wie Lieferung der Materialien beym Bau der Fluthbrücke am Hospitale; hierzu sind 19733 Stück scharf gebrannte Mauersteine (das Tausend zu 15 Rtl.) verwendet worden; endlich bekam der Schloßermeister F.W.Bier für ein eisernes 72 Fuß langes, 2264 Pfund schweres Geländer an dießer Brücke 240 Rd. Der Thurm unserer Gottesackerkirche, welcher im Jahre 1829, um die damals dieser Kirche geschenkte Glocke in sich aufnehmen und tragen zu können, durchgreifend und gründlich reparirt wurde, war im Laufe der Zeit sehr defect geworden; bey näherer Untersuchung deßelben ergab sich auch, daß besonders die auf der westlichen Seite des Thurmes eingesetzten starken lciefernen Säulen großen Theils faul, brüchig und mürbe geworden waren, und man also zumal beym Lauten das Schlimmste, den Einsturtz, fürchten mußte. Man fing daher gleich zu Anfang des August an den Thurm abzutragen, und das dadurch im Kirchdache entstandene große Loch mit Brettern gut zu verschlagen, damit das Wetter, weder Regen, noch Schnee und Sturm dem Kirchboden oder der Orgel keinen Schaden zufügen kann; der Bau des neuen Thurms soll erst im künftigen Frühjahr statt finden. Bey der Abnahme des alten Thurmknopfes fand man in demselben die beyliegende abgedruckte Urkunde und einige Münzen.
Zu den berühmten Männern, welche ihrer Vaterstadt Delitzsch alle Ehre machen und zur Zierde gereichen, gehört auch der am 18ten September des Jahres als Lehrer und Organist an der Haupkirche in Sangerhausen verstorbene Richard Julius Voigtmann. Dieser junge, talentvolle Mann hatte sich in einem Zeitraum von nur sechs Jahren als musikalischer Schriftsteller, Componist, Orgel- und Pianoforte-Virtuos einen großen Ruf und Namen erworben; alle seine Arbeiten und Leistungen haben von competenten Fachmännern durchweg die günstigsten Recensionen und Kritiken erhalten; sein früher, hauptsächlich in Folge übermäßiger, aufreibender geistiger Anstrengung; an der Lungen- und Luftröhren-Schwindsucht erfolgter Tod ist ein bedeutender Verlust für die Kunst. Derselbe wurde geboren Sonntags den 21ten Februar 1847 früh um 1 Uhr. Sein Vater war der hiesige Webermeister Friedrich Traugott Voigtmann, die Mutter die jüngste Tochter des Bauergutsbesitzer Hoenemann im Dorfe Laue, Rosine. Diese wenigen Notizen nebst den in der angefügten Beylage befindlichen mögen hier genügen, weil die Voigtmanns Leben und Wirken, so wie sein Verhältniß als Pflegesohn zu mir, dem Verfaßer dieser Zeilen, betreffenden in meinem zweyten Familien-Actenstück von mir bereits ausführlich und wahrheitsgetreu mitgetheilt sind. Er verlebte in meinem Hause eine sehr glückliche Jugend, was er auch dankbar anerkannte und sehr zu schätzen wußte. Eine große Freude war es für ihn, daß er zu Pfingsten 1863 Gelegenheit hatte in der Gesellschaft seines treuen Freundes eine Reise nach Dresden und in die sächsische Schweiz machen zu können; sein Freund Herr Offenhauer hatte nämlich das Jahr vorher in die Kirche des bey Pirna liegenden Dorfes Rosenthal eine schöne neue zweymanualige Orgel gebaut, welche er noch einmal revidiren wollte; die Aufnahme Beider daselbst war sehr anständig und gastfrei.
Auf das rauhe und sehr unfreundliche im Frühjahr folgte im Witterungslauf ein sehr schroffer Wechsel und Umschlag; denn gleich vom Anfang des Julius an trat bey dem noch immer anhaltendenWest und Nord-West-Wind aber hohem Barometerstande (B.28,1-28,4) wie auch Thermometerstande (Th. +30-34 N.M. in der Sonne) große Hitze und Dürre ein, auch der gänzliche Mangel an Landregen viel mit beytrug, denn die zwey sehr schweren Gewitter mit starkem Regen am 4ten Julius früh von 7 % Uhr bis 9 Uhr und das am 8ten Julius früh von 7-8 Uhr konnten diese nicht ersetzen: Im August hatten wir bey derselben Windrichtung aber mehr niederm als hohem Stande des Barometers weit mehr trübe, kühle und stürmische Tage, als helle und milde gehabt. Am 8ten Abends um 6 Uhr ein unbedeutender Gewitterregen. Die große Dürre dauerte fort, und der Waßerstand in den Bächen und Flüßen war so äußerst niedrig, wie ihn die ältesten Leute nicht erlebt haben. Die Witterung in der ersten Hälfte des September hatte in jeder Hinsicht die größte Aehnlichkeit mit der des August; die Mehrzahl der Tage war trübe und rauh bey Nord-West-Wind; in der zweyten Hälfte des September hatten wir bey wechselnden West-Wind und Süd-West-Wind so wie auch Süd-Ost-Wind desgleichem hohem Barometer-und Thermometerstande durchweg sehr schöne und warme Herbsttage; die große Dürre hielt aber ferner an; in Folge davon hatten die Feldmäuse in schrecklicher Weise wieder sich vermehrt. Was die Erndte betrifft, so ist zu bemerken, daß die Roggen-und Weizenerndte als eine gute zu bezeichnen ist, weil das Wintergetraide durch die sehr fruchtbare Witterung des Frühjahres in seinem Wachsthum schon gesichert war; dagegen kann man die Gersten-und Haferernte wie auch die Kartoffelerndte wegen der schon zu Anfang des Julius aufgetretenen anhaltenden Dürre nur als mittelmäßig gelten laßen; doch ist in Bezug auf die letztere ausdrücklich zu erwähnen, daß im Allgemeinen der Ertrag der Kartoffeln weit beßer ausgefallen ist, als man ursprünglich nicht ohne Grund befürchtete. Die Grummeterndte war befriedigend, aber die der Futterkräuter sehr dürftig, weshalb auch der Preis der Butter, das Stück 9 bis 10 Sgr. so enorm hoch gestiegen ist. Ueberhaupt ist die seit dem Jahre 1845 eingetretene, in der Geschichte beyspiellose Theuerung aller Lebensbedürfniße, diese große Calamität immer noch da, und nicht abzusehn, wenn sie aufhören wird. Trotzdem hat im Gegensatz dazu die Vergnügungssucht und der schreckliche Copus, besonders des weiblichen Geschlechts, gewaltig überhand genommen; eine Zeit der Heimsuchung wird zumal bey der so tief gesunkenen Religiosität und Moralität nicht ausbleiben. —
Die Getraidepreise waren zu Michäelis in Halle nach dem Centner berechnet folgende: Weizen 3 Rtl. 14 Sgr.2 Pf. Roggen 3, 4, 1, Gerste 3, 10, 6, Hafer 3, 10, 6, Kartoffeln 1, 6, 3, Obst ist wenig gewachsen und sehr theuer.
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht befriedigend und die Sterblichkeit bedeutend. Zur Behandlung kamen besonders Durchfalle, Ruhren, Cholerine, Cholera, katarrhalische und rheumatische Leiden; alte starben nicht wenige am Schlagfluß oder Marasmus senilis, und von den Schwindsüchtigen, welche sehr durch den Witterungswechsel täglich litten, ebenfalls viele. Am 6ten October Nachmittags um 2 1/2 Uhr erschoß sich auf dem nach Gertitz führenden Wiesenwege ein seither hier in Arbeit gewesener Schneidergeselle Kultscher aus Limbach. Mittelst eines Terzerols hatte sich derselbe in den Mund geschoßen, in Folge deßen der Kopf derartig zersplittert war, daß der Tod sofort eintrat Von der furchtbaren Wirkung des Schußes zeugt das ganz verbogenen Terzerol, wie auch der Umstand, daß die Nase und ein Stück Oberkiefer des Erschoßenen ohngefähr 30 Schritte von der Unglücksstätte aufgefunden wurde. Veranlaßung zu diesem Schritte soll, wie man sagt eine gerichtliche Vorladung sein, welche demselben wegen Betheiligung an der am 26ten September Abends hier statt gefundenen erschrecklichen Schlägerei zugeschickt worden ist. Seit dem lten October, wo das Gesetz wegen Einführung der Civilehe in Kraft getreten ist, ist auch bey uns ein Standes-Amt errichtet worden, wozu im Parterre des Rathhauses ein besonderes Zimmer zweckmäßig eingerichtet worden ist. Die Standesbeamten sind der Herr Bürgermeister Reiche und als deßen Stellvertreter der Herr Magistrats-Aßeßor Heintze und der Stadtsecretär Braune. Im September wurden auch bey uns, wie an unzähligen anderen Orten, noch sehr viele kirchliche Trauungen vollzogen. An die Stelle des am Iten October nach Dresden abgegangenen Lehrers Krebs ist der bisherige Seminarist zu Elsterwerda Herrmann Paul Eicke, Sohn des Lehrers Eicke in Großkyhna, und an die Stelle des am lten October nach Gera abgegangenen Lehrers Rosinski, der aus Leimbach gebürtige Lehrer Friedrich Julius Voigt, am lten October von Stolzenhein bey Schönewalde hier getreten. Vom 17ten November vorigen Jahres ist noch folgende wichtige Notiz hier zu verzeichnen: An diesem Tage erhielt unser vieljähriger berühmter Landtags- und Reichstags-Deputirter, der Herr Kreisrichter Herrmann Schulze in Potsdam, geboren zu Delitzsch den 29ten August 1808, der alte Freund des Verfaßers dieser Zeilen, wegen seiner großen Verdienste in der Volkswohlfahrt durch Gründung von Aßociationen und besonders Vorschußkaßen und eines neuen für diese Fälle geschaffenen Rechtes von der Juristen-Facultät der Universität Heidelberg das Diplom als Doctor Juris honoris causa. Schulze hält blos an dem Prinzip der Selbsthülfe fest, und mag von Lasalle, Liebknecht, Bebel pp. Nichts wißen.
Die Wünsche und Hoffnungen, welche die hiesigen Lehrer bezüglich der Einführung einer neuen Gehaltsscala hegten, sind nun in Erfüllung gegangen, und werden dieselben nach dreimal erfolgter Erhöhung in einem Zeitraum von nur fünf Jahren jetzt hoffentlich auf lange Zeit zufrieden gestellt seyn. Durch die am lten Januar kommenden Jahres hier eintretende neue Scala, welche mit einem Minimalsatze von 300 Rtl. beginnt und von 5 zu 5 Jahren um 50 Rtl. bis zum Maximum von 600 rsp. 650 RT1. steigt, werden die Delitzscher Lehrer den günstiger situirten Collegen unseres Regierungsbezirkes gleich gestellt. Die einstimmige Bewilligung der in der That sehr bedeutenden Erhöhung des Schuletats von Seiten des Magistrats und der Stadtverordneten ist gewiß ein erfreuliches Zeichen, daß in den Vertretern unserer Stadt diejenigen Männer vereinigt sind, die eine richtige Würdigung des Lehrerberufs und ein Verständniß für die Bedürfniße der Schule mit Opferwilligkeit verbinden. Besonderes Verdienst um das Gedeihen unseres Schulwesens hat sich der Herr Bürgermeister Reiche erworben, der die Bildung der Jugend als einen der wichtigsten Gegenstände seiner Fürsorge erkennt; er hat daher, so lange er an der Spitze unseres Magistrats steht, schon viel für die Verbeßerung der äußeren Stellung der Lehrer gethan, und auch die jetzt vorliegende Erhöhung der Gehaltsscala ist vorzugsweise sein Werk. Mögen die großen Opfer, welche wir der Schule bringen, nicht unbelohnt bleiben, und diese thatsächliche Anerkennung der Bedeutung des Lehrerstandes nicht nur unserer Gemeindevertretung zur Ehre, sondern auch den Lehrern zu einem neuem Antrieb und Sporn zu treuer und gewißenhafter Pflichterfüllung und somit der Schule zum Segen gereichen; denn dann ist das, was für dieselbe gethan wird, eine Aussaat für die Ewigkeit. —
Seit vorige Ostern ist in unserer Nachbarstadt Delitzsch ein Musterseminar für Zöglinge, die sich dem Lehrerstand zu widmen gedenken, errichtet worden. Um nun die jungen Seminaristen mit der exactesten Ausführung des höheren Kirchengesangs näher bekannt zu machen, hat der treffliche Herr Seminar-Director Trinius dem Cultusminister Dr. Falk in Berlin den Wunsch zu erkennen gegeben, einer Motette in der Leipziger Thomaskirche beyzuwohnen, welcher Vorschlag höchsten Orts bereitwilligst genehmigt wurde. Am 14ten November reiste nun unter Leitung ihres Directors das Zöglingspersonal des Delitzscher Seminars, zugleich in Begleitung mehrerer Oberlehrer und des Musikdirectors Kuntze auf Kosten des Staats, nachdem deren Ankunft bereits vorige Woche dem Herrn Profeßor Richter gemeldet worden, nach Leipzig. Am Berliner Bahnhof wurde das Seminar vom Herrn Commißionsrath Kahnt hier empfangen, zur Stadt geleitet und nach kurzer Restauration in der Centralhalle wurden verschiedene Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt, als dann zur Anhörung der Motette geschritten. Zu diesem Zwecke waren vom Herrn Prof Richter gewählt worden: 1, Sanctus und Benedictus aus der 16stimmigen Mißa von Ed. Grell;(zum ersten Male); 2, Psalm 22:Mein Gott, warum hast Du mich verlaßen pp. 8stimmige Motette von Mendelssohn. Wie groß die Anziehungskraft des jetzigen Thomanerchors ist, ging auch gestern wieder aus dem zahlreichen Besuch der Kirche, die von Zuhörern angefüllt war, hervor. Die fremdem Gäste, resp.deren Director und das übrige Lehrerpersonal waren vom Herrn Profeßor Richter freundlich begrüßt worden, und die wahrhaft meisterhafte Ausführung der beyden complicirten Kunstgesänge hinterließ einen tiefen und sichtbaren Eindruck auf alle Zuhörer. Nach Beendigung der Motette unternahmen die Delitzscher Gäste, 47 Köpfe stark., einen Spatziergang in das Rosenthal und darauf einen Ausflug per Pferdebahn nach Connewitz, wozu das schöne Wetter besonders geeignet war. Die Rückkehr nach Delitzsch erfolgte mit dem Dampfzug Abends 6 Uhr. Sämmtliche Gäste waren von dem erbauenden Kunstgenuß in der Thomaskirche und den intereßanten Erlebnißen des übrigen Tages auf das Höchste befriedigt und schieden mit dankbarer Anerkennung von dem ihnen in wenig Stunden so lieb gewordenen Leipzig, in der Hoffnung, daß sich dieser Besuch von Zeit zu Zeit wiederholen werde. (Aus dem Leipziger Tageblatt.) —
Dem Candidat des höheren Schulamts Christian Julius Gustav Haacke, geboren den 9ten Januar 1847 zu Rogaetz in der Provinz Sachsen, gebildet auf dem Domgymnasium zu Magdeburg und der Universität Halle, welcher seit dem fiten October 1873, zugleich zur Absolvirung seines Probejahres, an der hiesigen höheren Bürgerschule beschäftigt war, ist seit dem lten October dieses Jahres die 6te ordentliche Lehrerstelle an derselben Anstalt mit einem Gehalt von 600 Rtl. definitiv verliehen worden. Neubauten von Wohnhäusern und bedeutenden Etablißements haben in diesem Jahre nur einige statt gefunden Ein neues Wohnhaus ist von dem Factor Karl Kiessler gebaut worden in der Angerstraße. Sodann haben die Gebrüder Bruno und Rudolph Schaaf Söhne des frühern Hotel-Besitzers zum Schwan die, wie man allgemein hört, das Schicksal durch eine reiche Heirath beglückt haben soll, an der Leipziger Chaußee ein Wohnhaus, so wie eine große Dampfmahlmühle zu bauen angefangen, ersteres noch bis zum Winter ganz unter Dach, von letzterem Gebäude jedoch nur den einen Flügel unter Dach gebracht.
Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft in Berlin hat im verfloßnem Jahre 1874 an Communal-Einkommen-Steuer 330 Rtl. zur Steuereinnahme gezahlt. Der Witterungslauf im October war mehr gleichförmig; wir hatten in diesem Monate bey vorherrschendem West und Süd-West-Wind und höherem Barometer- wie auch Thermometerstande (in der Sonne Nachmittags +24 bis 30 R.) größten Theils sehr schöne und warme Herbsttage; da diese nun bereits seit der Mitte des September eingetreten waren und bis zur letzten Woche des October anhielten, sowar dies gewiß die Ursache, daß wider alle Erwartung die Weinerndte bey uns recht gut und in Süddeutschland sogar vorzüglich in der Qualität, der Entwicklung des Zuckerstoffs ausfiel. — Im November war das Wetter bey vorwaltendem Nord-Ost und Nord-West-Wind, geringen Kältegraden und gelindem Frost, so wie in der ersten Hälfte des Monats sehr hohem Barometerstande (am 8ten 28,6, am ten dichter Nebel, dann hell Barom.28,4) trübe, rauh mit Regen, Nebeln und Schnee, welcher aber bald wieder schmolz, abwechselnd; in der zweyten Hälfte des Monats war der Stand des Barometer bedeutend niedriger und blieb es auch im December, in welchen die Witterung ziemlich in derselben Weise bey mitunter wechselnder Windrichtung nach Nord-Ost und Süd-Ost überging. Wir hatten nur wenige und schwache Fröste, am 9ten in der Nacht einen heftigen Weststurm mit Regen(Barometer 27); am 12ten fiel bey Süd-Ost-Wind Schnee(Barom.27,2); ferner fiel Schnee vom 15ten bis 18ten, und besonders sehr stark bey Nord-West-Wind vom 20ten bis 24ten des Monats (Thermometer früh-5, dann Nachmittags-2). Am 25ten und 26ten zogen mehrere Züge wilde Gänse in der Höhe von Nord-Ost nach Süd-West vorüber; dies deutet in der Regel auf Kälte.
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht viel beßer als im vorigen; denn, wenn auch die Cholera, Ruhr und die Durchfälle aufgehört hatten, so kamen doch immer noch viele asthmatische, katarrhische und rheumatische Leiden besonders in Folge der sehr rauhen, schroff wechselnden Witterung des November und December, welche vorzüglich den an der Lungen- und Kehlkopfsschwindsucht Leidenden verderblich ward, zur Behandlung; die Sterblichkeit war nicht gering. In der nächsten Umgegend herrschten die Masern epidemisch. — In diesem ganzen Jahre starben in unserer evangelischen Kirchengemeinde 222 Personen, worunter 120 Kinder in den ersten 6 Jahren, 47 Alte über 60 Jahre. Geboren wurden 364 Kinder, mithin 142 mehr, als Personen verstorben. Vor 100 Jahren sind gewesen 130 Geborne und 118 Verstoorbene. — Die Einwohnerzahl beträgt nach der für das künftige Jahr aufgestellten Klaßensteuer-Rolle 8170. Nachdem bereits seit dem Julius 1855 bis zum Ende des Jahres 1859 auf dem Betrieb des damaligen Bürgermeisters Hagedorn von der hiesigen Commun die Anlage eines Braunkohlenwerkes im Rosenthal mit Verschwendung und einem Verlust von fast 40000 Rtl. unternommen worden, das Unternehmen aber in diesem Zeitraum wegen der Durchbohrung der Braunkohle nicht zu bewältigenden Waßerfluth und des Triebsandes viermal total verunglückt ist; so hat sich dennoch jetzt eine Anzahl wohlhabender Bürger und Landleute vereinigt zu dem Zweck das Werk vielleicht noch in Gang zu bringen. In geringer Entfernung von den Halleschen Scheunen linker Seits der Straße fingen nun die Bergleute, deren Arbeiten der Bergrath Peter aus Halle leitete, zu Anfang des April an zu bohren, eine Locomobile wurde in Leipzig gemiethet.(S.d.Statut).
1875
Der Communal-Zuschlag für das Jahr 1875 ist auf den Antrag und Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung zur Grund-und Gebäudesteuer auf 33 1/3 Procent, zur Klaßen-und Einkommensteuer auf 100 Procent festgesetzt. Am 2ten Februar Abends 5 Uhr fand in der Sitzung der Stadtverordneten die Einführung der beyden neu gewählten unbesoldeten Magistrats-Aßeßoren, des Agent Sattler und des Fabrikant Schroeter durch den Bürgermeister Reiche statt. Am 9ten Februar Abends 9 Uhr starb der Director der hiesigen Königl. Strafanstalt Johann Carl Rabe, 59 Jahre alt.
Am 7ten Maerz, dem Sonntag Laetare, wurde am breiten Thor im Stadtgaben in der Nähe des im vorigen Jahre vom Kaufmann Haertel neu erbauten Lagergebäudes der Leichnam eines neugebornen Mädchens aufgefunden, um deßen Hals eine Schnur gelegt war. Als Resultat der am folgenden Tage angestellten Section und vorgenommenen Lungenprobe erklärte der Herr Kreisphysilcus Dr.Kanzler, daß das Kind unbedingt gelebt habe, zuerst erdroßelt und dann in den Stadtgraben geworfen worden sey, in welchem es aber mindestens vier Wochen unter dem Eise gelegen haben müße, nach deßen Schmelzen daßelbe aber durch die Fäulniß an die Oberfläche empor gehoben ward. Am Gymnasium zu Bielefeld ist die Beförderung des Dr. phil.Friedrich Holzweissig zum Oberlehrer genehmigt worden. Dieser junge, talentvolle Mann verdient schon als unser Landsmann, noch weit mehr aber wegen seiner vortrefflichen geistigen Begabung, Bildung und Leistungen hier eine rühmliche Anerkennung und Auszeichnung.
Derselbe wurde geboren in der Amtsvorstädtischen, unmittelbar an die Stadt Delitzsch angrenzenden und seit dem 15ten October 1862 auf Königl. Befehl mit ihr factisch für immer vereinigten Gemeinde Grünstraße, den 27ten October 1846, wo sein Vater, den er aber als Knabe von acht Jahren schon wieder verlor, ein rechtschaffner, schlichter Handarbeiter war. Nach dem Tode deßelben lebte die Mutter, eine verständige sehr fleißige Frau, mit ihrem Sohne hauptsächlich von Cigarren-Arbeit, heirahtete aber später einen Lohgerbergesellen, der jedoch das sich Bahn brechende Genie seines begabten Stiefsohnes nicht begriff; und daher wenig Intereße für denselben hatte. Nach vollendetem fünften Jahre besuchte er nun die hiesige Bürgerschule, wo die betreffenden Lehrer in den Claßen die sehr guten Fähigkeiten dieses Schülers bald richtig erkannten, und ganz besonders der damalige Cantor Thierbach sich des armen Knaben von seinem neunten Jahre an vorzüglich annahm, durch Ertheilung von Privat-Unterricht in den Elementen der lateinischen, griechischen und französischen Sprache ihm nachhalf, und es auch bey unserm damaligen ausgezeichnetem Rector Giesel noch bewirkte, daß er in der höheren Bürgerschule an den Unterrichtsstunden in den eben erwähnten Sprachen unentgeldlich mit Antheil nehmen konnte. Ebenso verschaffte ihm der Cantor Thierbach durch seine Fürsprache bey mehreren hiesigen und auswärtigen edlen Menschenfreunden Unterstützung an baarem Gelde. Zu Ostern 1861 gieng er nun wohl vorbereitet auf das Gymnasium zu Wittenberg, ward gut aufgenommen und erhielt seinen Platz in der zweiten Ordnung von Obertertia. Sehr bald erwarb er sich die volle Zufriedenheit seiner Lehrer, erhielt auch durch deren Empfehlung und Verwendung Stipendien und Familien- Freitische. Zu Ostern 1866 verließ er nach sehr gute bestandener Abiturienten-Prüfung das Gymnasium zu Wittenberg mit dem Zeugnis der Reife, und begab sich auf die Universität nach Halle, um daselbst Theologie
und Philologie zu studieren. Auch hier erwarb er sich bald durch seine moralischen und intellectuellen Vorzüge Freunde und Gönner, welche ihn mit Stipentien und Freitischen unterstützten; auch erhielt er das bekannte, für Theologen und Juristen gegründete, Delitzscher Dr. Schulzesche Stipentium auf drei Jahre, jedes Jahr 50 Thaler. Von Ostern 1869 an bis Michael 1870 absolvirte nun dieser hoffnungsvolle junge Mann, welcher mit vollem Recht zu den Zierden seiner Vaterstadt gehört, in schneller Aufeinanderfolge seine theologischen und philologischen Examina bey den betreffenden Prüfungs-Commißionen, promovirte auch am 8ten Julius 1870 bey der philosophischen Facultät in Halle zum Dr philosophiae, und ist auch noch als Schriftsteller in einem Werke über Kirchengeschichte aufgetreten. Er gehört übrigens der liberalen Richtung an, und hat auch in seinen Predigten wegen ihrer Klarheit blühenden Styles und schönen Vortrags viel Beyfall geerndtet. Michael 1869 bis Michäel 1871 war derselbe am Gymnasium zu Stendal mit 600 Rtl. Gehalt angestellt; von Michael 1871 aber wurde er als Lehrer an das Gymnasium zu Bielefeld mit 800 Rtl. Gehalt, der seit einem Jahre auf 1100 Rtl. erhöht worden ist, berufen, wo auch jetzt seine Beförderung zum Oberlehrer im März erfolgte. Möge Gott nur dem Herrn Dr.H., der im letzten Herbst an einem Halsübel mit Bildung von Drüsen, Absceßen sehr leidend war, stets eine recht dauerhafte Gesundheit verleihen; dies ist der herzlichste Wunsch des Verfaßers dieser Zeilen.
Ein treuer Arbeiter im Weinberge des Herrn ist zum ewigen Frieden eingegangen. Unser früherer allgemein hochverehrter Herr Superintendent und Oberpfarrer Carl Friedrich Foerster ist am 12ten Maerz früh gegen 1 Uhr als Pfarrer in Langenweddingen im 76ten Lebensjahre verstorben. Derselbe wurde geboren im Dorfe Dabrun bey Wittenberg, wo sein Vater Pfarrer war, den lten October 1799. Den Elementar-Unterricht in der christlichen Religion und den beyden alten Sprachen ertheilte ihm sein Vater, welcher ihn auch zu Ostern 1813 auf die Fürstenschule nach Grimma, deren Rector damals der berühmte Philolog M. Sturz war, brachte. Hier erwarb sich F. eine gründliche, literarische altklaßische Bildung, welche ihn auch später noch im Umgange mit andern Gelehrten stets auszeichnete. Zu Ostern 1818 verließ er Grimma und bezog die Universität zu Halle, um Theologie zu studieren. Nach vollendeten dreijährigen Cursus verwaltete er 2 Jahre eine Hauslehrerstelle, während welcher Zeit er zugleich seine beyden theologischen Examina mit Auszeichnung bestand. Hierauf wurde derselbe am lten Februar 1824 als Pastor Substitutus in Schmiedeberg angestellt, erhielt aber schon 1826 das Pfarramt in Zwethau bey Torgau., von wo aus 1838 seine Berufung als Superintendent und Oberpfarrer nach Lützen erfolgte, und dann besonders auf seines Gönners, des Bischofs Draesecke Empfehlung am 7ten Februar 1841 seine Versetzung nach Delitzsch in gleicher Eigenschaft statt fand. Seine lange Amtswirksamkeit unter uns war der Glanzpunkt und die höchste Blüthe unseres nach seinem Scheiden von uns leider nur zu bald verwelkten und erstorbenen kirchlichen Lebens. Da er im Alter von der Verwaltung des lästigen, von ihm fast 20 Jahre lang verwalteten Ephoral-Amtes gern befreit zu seyn wünschte, so versetzte ihn das Magdeburger Consistorium am lten September 1856 auf die sehr einträgliche Pfarrstelle nach Langenweddingen. Hier nahm er in seinen letzten sechs Lebensjahren im Gefühl der Abnahme seiner Kräfte noch einen Hülfsprediger an, feierte unter großer Theilnahme von Nahe und Fern am lten Februar 1874 sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum, bey welcher Gelegenheit ihm von Sr.Majestät dem Kaiser der Königl. Kronen-Orden dritter Klaße verliehen wurde, und starb an Altersschwäche am 12ten Maerz 1875. Foerster war ein sehr liberaler, freisinniger Theolog, frei von jeder exclusiven und extremen Richtung, sein Wahlspruch war „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." Seine Predigten zeichneten sich durch Originalität, Reiz der Neuheit, Klarheit, meisterhafte Benutzung des Textes und der Zeitverhältniße, und strenge logische Disposition sehr vortheilhaft aus; sie waren sehr lehrreich und in einer edlen populären Sprache verfaßt, und wirkten überhaupt durch den Verstand auf das Herz, mithin auf Bildung des Geistes so wie auf moralische Veredelung; hierzu kam noch die Action und Declamation dieses vortrefflichen Kanzelredners, welche nichts zu wünschen übrig ließen, und sein starkes wohlklingendes Stimmorgan, welches unsere große Stadtkirche vollständig ausfüllte. Ueber die Person und Natur Jesu Christi sprach er sich in einer am 18ten p.Trin, 1842 gehaltenen Predigt als strenger Monotheist dahin aus „daß uns der Glaube an die göttliche Natur deßelben für die Bedürfniße unseres Geistes und Herzens unentbehrlich sey."
Die Witterung war im Januar bey vorherrschendem West und Süd-West- Wind mehr hohem als niederm Barometerstande gewöhnlich trübe, milde, regnigt mit Schnee vermischt, welcher bald gleich wieder schmolz; kältere Tage bis —5 und —10 Reaum. Früh waren nur der 2te, 27te, 30te und 3 lte; vom 22ten bis 26ten hatten wir Gewitterstürme mit Schnee, und am letzterem Tage tobte aus Nord-West ein heftiger Orkan. (Barom. 27,9, und stieg den 27ten auf 28,5, worauf es am 3 lten die Höhe von 28,7 erreichte) Am 6ten und 7ten war dichter Nebel (Barom.28,3). Im Februar fiel gleich vom 2ten an bis zum 12ten bey gelinden Kältegraden und vorherrschendem Nord-Ost und Nord-West-Wind fast täglich vieler Schnee bey hohem Barometerstande; bey diesem und bey Süd-West-Wind traten aber nun vom 13ten an höhere Kältegrade ein(Therm. —10 und 14 früh 7Uhr), welche vom 16ten an, wo früh dichter Nebel und Abends Thauwetter war, bey der veränderten Windrichtung nach Nord-West, deßgleichen am 17ten, dem Quartalstage, nach Nord-Ost bis zum Ende des Februar anhielten, und die Strenge des Winters recht fühlbar machten. Im Maerz blieb die Windrichtung dieselbe, ebenso auch der hohe Barometerstand derselbe, bey diesem nur mit dem Unterschied, daß öfters auffallend bedeutende Schwankungen beobachtet wurden, wie z.B. vom 18ten bis 20ten; am ersteren Tage stand das Barometer bey Ost-Wind auf 28,6, und am letzteren bey West-Wind mit einem gewaltigen Schneesturm Nachmittags 2 Uhr auf 27,7. Sehr dichte Nebel hatten wir am 4ten, Sten, 6ten, 17ten, 25ten und 3Iten, Sturm auch am l0ten; Schnee fiel vom 19ten bis 22ten so wie am 29ten; schön waren blos die Tage vom 13ten bis mit 16ten. Die Kälte stieg an einigen Tagen früh 7 Uhr auf —7Reaum. Uebrigens hat die Erde Winterfrucht genug erhalten. — Der Gesundheitszustand war höchst ungünstig und die Sterblichkeit bedeutend; katarrhalische und rheumatische Leiden, Entzündungen der Hals- und Brustorgane kamen oft vor, so wie auch besonders schnell tödliche Anfälle von Gehirn-, Herz-und Lungenschlag bey alten und jungen Personen.
Die hiesige Schützengilde schaffte sich einen Leichenwagen an, welcher vom Herrn Wagenfabrikant J.Bomilciel in Eilenburg für den Preis von 320 Rtl. gefertigt, und am 14ten Maerz des Jahres hier der Schützengilde überliefert wurde, welche denselben von nun an zur Verfügung des Publikums bey Beerdigungen stellte gegen eine nach den verschiedenen Begräbniß-Klaßen bestimmte Gebühren-Taxe für Benutzung des Wagens, die in der I Klaße 10 Rtl., in der II, 8 Rtl., in der III. 6 Rtl. beträgt. Am Abend des 26ten September vorigen Jahres hatte von 8 bis 9 Uhr auf dem Roßplatze ein Aufruhr mit Schlägerei statt gefunden, deßen Verlauf und gerechte Bestrafung in der hier angefügten Beylage des Delitzscher Kreisblattes vom 17ten April des Jahres wahrheitsgetreu mitgetheilt ist. 5.5.580. Nachdem bereits seit Anfang der Jahre 1870 und 1873 die sämmtlichen Lehrer unserer Stadtschulen angemeßene Gehaltszulagen bekommen hatten, deßen ungeachtet aber immer wieder neue Klagen über die Unauskömmlichkeit ihrer Stellungen im Leben laut wurden, so entschloß en sich nunmehr der Magistrat und die Stadtverordneten zur Einführung einer neuen Gehaltsscala, nach welcher die Erhöhung der Gehalte der Lehrer mit größter Liberalität und in so bedeutendem, man mögte fast sagen überreichem Maaße vom Anfang des Jahres an bewilligt worden sind, daß diese Herren nunmehr gewiß auf eine lange Reihe von Jahren hoffentlich vollkommen zufrieden gestellt seyn werden. Die beyliegende vom Herrn Kämmerer Ufer geferigte tabellarische Uebersicht giebt hierüber die vollständigste Uebersicht.
Die Stadtcommun kauft laut Kaufs vom 16ten Februar 1875 mit dem Besitzrecht vom lten April des Jahres ab von dem Handarbeiter August Thieme das demselben gehörige, hierselbst am Ende der Grünstraße gelegene Wohnhaus(das frühere Gemeindehaus der Amtsvorstadt Grünstraße) für den Preis von 700 Rtl , und zwar zu dem Zweck, um später durch Abbruch deßelben eine breitere Paßage von der Eilenburger Landstraße nach der Grünstraße zu gewinnen. Am 1 lten und 12ten Mai wurde hier die Feier des 25jährigen Jubiläums des hiesigen Vorschuß- Vereins wie des Genoßenschaftswesens überhaupt in der „Stadt Leipzig" festlich begangen. S.d.Beilage zu pag. 594. Da in Folge einer Verordnung sämmtliche geistliche Stellen der Monarchie, deren jährliche Einkünfte noch nicht volle 600 Rtl. betragen, von den Gemeinden bis auf diesen Minimalsatz erhöhet werden müßen, so erhalten nunmehr auch unsere des erstenDiaconen vom Anfang vorigen Jahres an dem entsprechende Gehaltszulagen, und zwar der Archidiaconus 27 Rtl und der Diaconus 50 Rtl. zur Erffillung dieses Minimalsatzes aus der Kirchenkaße. Auch erhält von Anfang dieses Jahres an der erste Kirchenvorsteher als Rendant der Kirchenkaße eine Gehaltszulage von 40 Rtl. jährlich. In Folge der am 4ten, Sten, l0ten und 11ten Junius statt gefundenen starken Gewitterregen war der Lober bedeutend angeschwollen und wurde bey dieser Gelegenheit ein seltener
Fang gemacht. Im Teiche an der Elberitzmühle waren die Garnsäcke zum Fischfangen aufgestellt, leider hatten sich trotz des vielen Waßers nur einige kleine Fische in denselben gefangen, dagegen fand man in einem der Garnsäcke eine Schildkröte vor. Dieselbe ist der hiesigen Bürgerschule, Herrn Rector Niebecker, übergeben worden. Vor Kurzem wurde von Bitterfeld aus über einen gleichen Fang berichtet, über welchen man derzeit sehr staunte; nachträglich stellte sich jedoch heraus, daß dieselbe einem Privatmann entflohen war; jedenfalls ist dies bey der hierselbst gefangenen Schildkröte auch der Fall. Die diesjährigen Süß- und Sauer-Kirschen auf den hiesigen städtischen Alleen sind im Junius zu folgenden Preisen verpachtet worden: I, am Schießplatze nördlich von Thormanns Besitzung Chaußee an bis an die Schenkenberger Flur, an den Oebster Grosch für 15 Rtl. 10 Sgr.; II, am Zschernitzer Wege an den Oebster Pabsch für 60 Rtl.; III, am Groß-Kyhnäer Wege; am Gertitzer Schulwege, Gertitzer Wege, Queringer Wege an den Oebster Hoffmann von Bitterfeld für 30 Rtl, 10 Sgr.; IV, am Lißäer Wege, an der Leipziger Chaußee bis an die Brodauer Grenze am Pfeffermühlenwege an den Oebster Grosch für 304 Rtl.; V, an der Eilenburger Straße bis an den von Döbernitz nach Beerendorf führenden Communicationsweg an den Gas-Inspector Jenke für 23 Rt!,; VI, an der Dübener Straße bis an den Fluthgraben in Verbindung mit dem Wege an der Pflaumen-Plantage und am Werbener Wege an den Oebster Prause für 31 Rtl. Die Totalsumme des Pachtertrages beträgt mithin 463 Rtl. 20 Sgr. Die Witterung im April war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und bey sehr schwankenden, bald höherem bald niederm Barometerstande weit mehr trübe, kühl und rauh, als hell und milde; am 6ten Abends von 8-9 Uhr und am 28ten von 2-3 Uhr Nachmittags hatten wir Gewitterregen; am 12ten früh war Nebel, und am 15ten fiel Schnee und Regen. Dieselbe unfreundliche und rauhe Witterung hielt den ganzen Mai hindurch an bey beständigen Barometer-Schwank- ungen und fast täglich veränderter Windrichtung in der ganzen Windrose. Landregen hatten wir am lten, 8ten, lOten früh, Nachmittags von 2-4 Uhr an demselben auch einen starken Gewitterregen, ferner in den Nächten des 11ten und 23ten Mai Landregen. — Die Nachwirkungen der seit einem Jahre anhaltenden großen Dürre hatten den Feldfrüchten in ihrem Wachsthum und Gedeihen sehr geschadet, auch die Preise der Lebensmittel, des Fleisches, der Eier, der Butter pp. auf der Höhe erhalten; um so erfreulicher war es und Gott zu danken, daß gleich vom Anfang des Junius an mit dem Eintritt der heißen Tage(Thermometer +28-30) sich bey West und Nord-West-Wind sehr starke und schwere Gewitter bildeten, welche unsere verdorrten Fluren erquickten. Solche Gewitter hatten wir nach vorhergehender drückender Schwüle am 4ten Junius Abends von 8-9 1/2 Uhr und am Sten früh von -10 Uhr, welche beyde mit gewaltigen Donnerschlägen und strömenden Regen sich entladeten. Weitere Gewitter folgten noch am lOten Abends von 4 1/2 - 5 Uhr, am 1 lten um 2 Uhr Nachmittags; am 15ten Abends von 4-5 tobte ein heftiger Gewittersturm, aber ohne Regen. (Thermometer +25).
Außerdem hatten wir in diesem Monat noch sechs Landregen, am 6ten, 14ten, 18ten, 20ten, 24ten, 25ten; sie kamen sämmtlich in den Frühstunden in der Nacht, und waren besonders die beyden am 20ten und 25ten sehr stark. Der Barometerstand war in diesem Monat größten Theils niedrig. Bey solchem reichen Waßersegen wurde die Vegetation, die sehr zurück gekommen war, dadurch wie mit einem Zauberschlage neu belebt, was man besonders auf den Wiesen und Feldern sehen konnte; die außerordentliche Fruchtbarkeit hatte in acht Tagen das Versäumte nachgeholt. Die Heuerndte, obgleich um 14 Tage verspätigt, ist gut ausgefallen und glücklich eingebracht worden; die Kornähre, die den lten Mai erscheinen soll, zeigte sich erst den löten; trotzdem ist der Stand der Saaten so schön, daß die Erndte nur wenig Tage später beginnen wird. Uns hat also der merkwürdige Witterungslauf des Junius nur reichen Segen gebracht, wofür wir der Vorsehung nur danken müßen, während er in anderen Theilen der Provinz Sachsen, namentlich in Thüringen, besonders in der Naumburger Gegend sehr große Verheerungen durch Wolkenbrüche, Waßerfluthen und Hagelschlag angerichtet hat. — Was in dem Bericht über den Gesund- heitszustand des ersten Quartals Seite 592 gesagt ist, gilt ganz auch für dieses zvveyte, wobey noch zu bemerken ist, daß auch die Masern epidemisch auftraten und manches Opfer forderten, auch Diarrhörn sich zeigten, und die Zahl der an der Lungen-und Kehlkopfs-Schwindsucht Leidenden, besonders unter den jungen Fabrikarbeitern immer größer ward. Ueberhaupt war die Sterblichkeit bedeutend; sie betrug in den beyden Quartalen zusammen 180 Tode. Am lOten Juni fand man in der großen Spröde einen unbekannten Mann im Alter von 30-40 Jahren erhängt.
Am 17ten Julius Nachmittags 3 % Uhr entlud sich über unserer Stadt und einem kleinen Theil der Stadtflur eine Gewitterwolke bey sonst ganz heitern
Himmel, welcher sehr bedeutende Waßermaßen entströmten; zum Glück dauerte dieser Regenguß, welcher übrigens stark mit großen Graupeln vermischt war, nur etwa zehn Minuten. Ohne daß Jemand eine Ahnung davon hatte, erfolgte plötzlich ein Donnerschlag, der einzig heftige während des ganzen Wetters, welcher gewiß die große Mehrzahl der Mitbürger mehr oder weniger in Schrecken setzte. (Barom.27,10 Therm.+28. Ost-Wind). Hierbey schlug der Blitz in die vor einigen Tagen erst fertig gewordene riesige Dampfmühlen-Eße, an welcher man noch mit Anbringen des Blitzableiters beschäftigt war. Trotzdem noch die Fangstange fehlte, fuhr der Blitz an dem theilweise angebrachten Blitzableiter herunter, betäubte einen in der Nähe befindlichen Arbeiter, während ein anderer ein Stück hinweg geschleudert wurde. Auf dem noch herum liegenden Drahte vom Blitzableiter sah man kurze Zeit eine Flamme, die jedoch bald verschwand, ohne weiteren Schaden anzurichten. — An demselben Tage wurde Nach- mittags 4 Uhr der Koßath Ziesche auf der Seelhauser Feldmark durch den Blitz erschlagen. Derselbe hatte sich bey dem heftigen Regen hinter eine Roggenmandel geflüchtet. Dort schlug der Blitz ein und zündete sofort. Die Magd des Gutsbesitzers Boost zu Seelhausen hatte ebenfalls hinter derselben Mandel Schutz gesucht, ist aber durch den Blitzstrahl nur gelähmt worden Die der Commun gehörige Pflaumen-Plantage im Rosenthal und Hain ist im Julius für den Preis von 75 Rtl. an den Oebster Pabsch, und die Nußbaum-Allee auf der Südseite der Stadt für 1 Rtl. 10 Sgr. an den Oebster Edler verpachtet worden. Am 29ten Julius wurde der neu gewählte der Stadtverordneten-Versammlung durch den Bürgermeister Reiche in sein neues Amt als unbesoldeter Aßeßor eingeführt. Am 26ten Julius ereignete sich früh auf der Berlin-Anhalter Eisenbahn ein sehr beklagenswerther Unglücksfall. Der Handarbeiter Geissler, 74 Jahre alt, zur Zeit Kutscher bey Cigarren-Fabrikant, welcher mit einem mit 2 Pferden bespannten Wagen die Benndorfer Starße entlang fuhr, wurde von dem 7 Uhr 11 Minuten hier abgehenden Zuge bey Bude 7 an der Delitzsch- Bitterfelder Straße überfahren und sofort getödet; desgleichen blieb eines der Pferde auf der Stelle todt, während das andere trotz arger Verletzungen noch lebt. Wie man hört, trifft den Beamten keinerlei Schuld. Während derselbe die nördliche Barriere geschloßen, fuhr der pp. Geissler in das Terrain der südlichen Barriere, wodurch es dem Bahnwärter unmöglich wurde auch diese Seite zu schließen. Derselbe soll alle Kräfte aufgeboten haben, die Pferde rückwärts zu dirigiren, was ihm bey der Schnelligkeit, mit welcher der Zug heranbrauste, leider nicht gelang, und derselbe nur Mühe hatte, sein Leben in Sicherheit zu bringen. Am 3ten August feierte der Bauverwalter und Gürtlermeister Carl Krause sein Fünfzigjähriges Schützen-Jubelfest. Die Schützen-Compagnie holte den Jubilar aus seiner Wohnung Vormittags ab, und fahle ihn in der Mitte seiner beyden Söhne gehend, welche ebenfalls Schützen sind, auf das Schützenhaus. Hier war Mittags ein Festmahl veranstaltet und Abends ein Ball, und der Jubilar wurde hierbey zugleich von der Compagnie zum Lieutnant erwählt; Nachmittags wurde noch ein Festschießen abgehalten.
Am 13ten August Vormittags 11 Uhr starb nach längeren Leiden im 88ten Lebensjahre der beym Publikum sehr beliebte als verpflichteter Provisor in der Freybergschen Adlerapotheke angstellte Apotheker Carl Gerns. Derselbe kam aus seiner Vaterstadt Halle hierher, und trat im Jahre 1818 in die genannte Officin ein. Hier erwarb er sich bald durch Pflichtreue, Gewißenhaftigkeit und gründliche Kenntniße das volle Vertrauen seines Principals, des Vater Freyberg, mit welchem er schon von Halle her näher befreundet war, in deßen Hause er aber auch mit vollem Recht als Familienmitglied, Hausfreund und treuer Diener betrachtet und hochgeehrt wurde. Ebenso ward er auch durch seine Gefälligkeit, Heiterkeit joviales Wesen und wahrhaft liebenswürdige Humanität ein großer Liebling des Publikums, und es ist allgemein bekannt, daß derselbe durch diese schönen Eigenschaften in dem langen Zeitraum eines halben Jahrhunderts wesentlich zur Hebung und zum Flor des Geschäfts in der Adlerapotheke viel beygetragen hat. Als nach dem im Jahre 1855 erfolgten Tode des Vater Freyberg deßen Sohn die Ofticin übernahm blieb das alte freundschaftliche Verhältniß ganz daßelbe; der Sohn behandelte den alten Gern stets höchst achtungsvoll wie seinen zweyten Vater, wie er ihn als solchen auch heute noch betrauert und seiner stets mit dankbarer Liebe gedenken wird. Bis zu seinem 77ten Lebensjahre erfreuete sich dieser alte Mann bey seiner festen Körperkonstitution fast durchgängig einer ungetrübten Gesundheit; erst von diesem Jahre an, wo ihn ein sehr heftiger Schlaganfall betraf, welcher aber wider Erwarten glücklich beseitigt wurde, machte das hohe Alter seine Rechte geltend; die letzten zehn Jahre kehrten diese Anfälle mehrmals wieder und zerrütteten seine Geisteskräfte immer mehr, wodurch er, zumal bey seiner großen Lebenslust und Todesfurcht, seiner Umgebung in den letzten Monaten höchst unangenehm wurde, was aber mit christlicher Geduld ertragen ward.
Am 23ten August in der Nacht um 12 1/2 Uhr starb in Folge von Altersschwäche nach längeren Leiden der Webermeister und Schnittwaarenhändler Friedrich August Schoenbrodt, 75 Jahre und 6 Monate alt. Er war allgemein verehrt als einer unserer würdigsten Bürger wegen seines vortrefflichen Characters, Bescheidenheit, Uneigennützigkeit, überhaupt hohen sittlichen Werthes, so wie wahrer Gottesfurcht und reinsten Strebens nach Licht und Wahrheit. (Vid.pag.548) Seine brave, ihm gleichgesinnte Gattin, mit welcher er in einem langen Zeitraum von fast fünfzig Jahren in einer sehr glücklichen Ehe lebte, die aber schon seit längerer Zeit an Asthma leidend fortwährend kränkelte, ist ihrem Gatten bald nachher am 29ten August Abends 7 1/2 Uhr im 74ten Lebensjahre in die Ewigkeit gefolgt. — Die Festfeier des Tages von Sedan wurde am 2ten September unter sehr großer Theilnahme ganz in derselben Weise, wie in den letzten drei Jahren, begangen, worauf ich um Wiederholungen zu vermeiden hiermit verweise. Auch das Wetter begünstigte dieselbe. — Zum Zwecke der Anlage und des Betriebs der Braunkohlengrube „Gemeinsinn" hatte nun die bereits am 23ten December 1873 gegründete Delitzscher Braunkohlen-Actien-Gesellschaft von dem Maurermeister Voigt von dem zu seiner Ziegelei gehörigen Grundstück 2 1/2 Morgen Feld für den Preis (pro Quadrat Ruthe 3 Rtl. 22 Sgr. 4 1/3 Pf. ) in Summa für 1685 Rtl. erkauft. Da die Bohrversuche das Vorhandensein eines abbauwerthen Kohlenlagers nachwiesen, so wurden nun die Arbeiten am Werke selbst nach Ausführung der nothwendigsten Baulichkeiten mit bald mehr, bald weniger günstigem Erfolge fleißig fortgesetzt.
Nachdem nunmehr bis zum Monat Mai dieses Jahres das Actien-Kapital im Betrage von 26000 Rtl. verbraucht worden war, so beschloß die Gesellschaft in einer General-Versammlung am 17ten Maerz und 3ten Mai des Jahres das Actien-Kapital auf 65000 Rtl. zu erhöhen. Da die Aussichten auf einen glücklichen Erfolg sich immer günstiger gestalteten, so fanden sie auch ihre Abnehmer. Der Bau des Kohlenwerkes selbst hatte im Laufe des Sommers seinen glücklichen Fortgang mit Ausnahme eines einzigen Unfalls im Junius, wo das Waßer mit Triebsand in den, wie man allgemein hört, sehr dauerhaft und solid gebauten Schacht einbrach, aber bald wieder bewältigt wurde. Unter der bisherigen einsichtvollen Leitung des Herrn Bergrath Peter wurden endlich im August die Arbeiten der Bergleute von einem so gesegneten Erfolg begleitet, daß zur allgemeinen Freude vom lten September an der Verkauf von Förderkohle beginnen konnte, welche auch raschen Absatz in Stadt und Land fand, und besonders in den Brantweinbrennereien für recht brauchbar befinden wurde. Seine Majestät der Kaiser und König hat dem Justizrath Weise hier im August dem rothen Adler-Orden vierter Klaße verliehen. Die Durchschnitts-Getraidepreise waren im Monat September im hiesigen Orte nach dem Centner berechnet, folgende: für 1Centner Weizen 9 Mark,99 Pf , Roggen 8 M.70 Pf , Gerste 9 M, 46 Pf , Hafer 7 M.87 Pf Kartoffeln 2 M. 22 Pf — Die Witterung des Monat Julius war bey mehr hohem als niedern Barometer- und Thermometerstande(Bar.28-28,4.Therm. +30-32) und bey fast täglich veränderter Windrichtung aus allen vier Weltgegenden weit mehr schön und heiß, als trübe und kühl. Gewitter hatten wir am 2ten Abends von 8-9 Uhr, ebenso am 7ten nach großer Hitze und Schwüle und bey Nord-West-Wind ferner am 10ten Nachmittags um 2 Uhr, so wie endlich das bereits pag.598 erwähnte sehr starke Gewitter am 17ten des Monats Nachmittags 3 % Uhr. Am 24ten war ein bedeutender Landregen. Fast in derselben Weise ging in den Monat August der Witterungslauf über, nur mit dem Unterschied, daß dieser noch heißer war als der Julius, das Thermometer erreichte an mehreren Nachmittagen in der Sonne die Höhe von 36-38 Graden R. In Folge der anhaltenden großen Hitze und Schwüle bildeten sich nun schnell nach einander mehrere starke Gewitter, wie am 12ten früh von 8 — % 9 Uhr mit Regen und großen Graupeln; ferner ein noch schwereres Gewitter mit vielem Regen am 13ten früh von 5 1/2 - 6 'A, bey welchem der Blitz in das Wohnhaus des Rentiers Tornau einschlug und zündete(in der Leipziger Vorstadt), dann am südlichen Giebel herunter fuhr, ein Fenster zertrümmerte und sich, seine Spur durch Abwerfen von Forststeinen, Kalk und Hinterlaßung einiger Löcher kennzeichnend, einen Weg nach dem Erdgeschoß bahnte, wo er den Aussagen der Augenzeugen nach, in Gestalt einer Kugel, welche zu platzen schien, verschwand. Durch sofortige Hülfe wurde weiteres Unglück verhütet. Ferner erfolgte noch nach mehreren sehr heißen Tagen den 18ten Nachmittags von 4-5 Uhr bey Nord-Wind die Entladung von einigen Gewittern durch Sturm mit etwas Regen. — Gleich mit dem Anfang des September, wo wir am lten früh um 5 und um 9 Uhr noch zwey Gewitterregen hatten, trat ein bedeutender Abfall und Umschwung in der Temperatur ein; die größere Mehrzahl der Tage war bey vorherrschendem Nord-West-Wind und West-Wind bey weitem mehr trübe, kalt und windig, als schön; die wenigen sehr warmen Tage waren vom 8ten bis mit 12ten, und vom 17ten bis mit 19ten bey hohem Barometerstand.
Was nun die Emdte betrifft, so wird dieselbe, besonders in Hinsicht des Roggens, Hafers und der Kartoffeln, allgemein als eine gute Mittel-Erndte bezeichnet; auch der Ertrag der Grummtemdte ist befriedigend gewesen, und wie auch das Getraide, von der Witterung begünstigt, glücklich eingebracht worden. Obst von allen Sorten ist sehr viel gewachsen, besonders Pflaumen, (der große Scheffel kostet 3 Rt1), und der Wein ist vorzüglich gerathen. Dagegen war wegen der noch immer anhaltenden Dürre und des durch diese bedingten niedrigen Waßerstandes der Ertrag der Futterkräuter nur dürftig, und ist in Folge davon der Preis der Butter eben so hoch, wie im vorigen Jahre um diese Zeit, das Stück 8-10 Sgr. — Der Gesundheitszustand ist im Vergleich gegen die beyden ersten Quartaledieses Jahres recht befriedigend gewesen; die Krankheiten und die Sterblichkeiten haben bedeutend abgenommen, es kamen nur leichte katarrhalische und rheumatische Beschwerden so wie gelinde Diarrhoeen zur Behandlung. Der bisherige Archidiaconus Albert Goedicke hielt am 19ten September, den 17ten p.Trinit. in der Frühkirche seine Abschiedspredigt, und ging als Pastor der reformirten Kirche nach Aschersleben. Sein Amt wird bis auf Weiteres durch den Hülfsprediger Man aus Zeitz verwaltet. Merseburg den 4ten October. In einer an sämmtliche Kreisschulinspectoren des Regierungsbezirk Merseburg gerichteten Verfügung der hiesigen Königlichen Regierung straft dieselbe das Verfahren des Schuldirectors Bartels!!! zu Gera, der ohne irgend eine Ermächtigung der preußischen Behörden in die Schulen des Regierungsbezirks eindringe und den Unterricht revidire, um Lehrer für auswärtige Schulen unter glänzenden Versprechungen(!) anzuwerben! Sämmtliche Lehrer werden zugleich angewiesen, dem Genannten den Zutritt in die Schulen des Regierungsbezirks zu untersagen und von dem Erscheinen deßelben sofort durch die Localinspectoren und Kreisschulinspectoren unter Angabe der näheren Umstände der Königlichen Regierung Anzeige zu machen. (Bartels war hier vom September 1868 bis zum Januar 1873 Rector der beyden Bürgerschulen und hat nach seinem Abgange dieses saubere Werbegeschäft in Delitzsch zwey Jahre lang auf die aergste und dreisteste Weise betrieben.) Am löten October, Sonnabends Vormittags, als der Thürmer Rehfeld auf dem breiten Thurme die l0te Stunde anschlug, fiel während des Anschlagens der sieben Pfund schwere Hammer auf das Straßenpflaster herunter, ohne jedoch zum Glück Jemanden zu beschädigen, was bey der an einem Markttage um diese Zeit durch das breite Thor statt findenden starken Paßage von Menschen und Fuhrwerken leicht möglich war. Den neuen Hammer, welcher von Stahl ist und acht Pfund wiegt, hat der einzige Sohn und Gehülfe seines Vaters, des Büchsenschäfters Scherell, recht gut gefertigt und am 19ten October abgeliefert; der Ton der Glocke ist seitdem auch heller. Der Sicherheit wegen hat der Verfertiger des neuen Stahl-Hammers denselben noch an einer Kette befestigt, an welcher er, wenn er wieder abfiele, gleich unterhalb der Glocke hängen bleiben würde. Die sämmtlichen Kosten der Reparatur betragen 5 Rtl. An die Stelle des am Iten November zum Militär abgegangenen Registrators und Armen-Kaßen-Rendanten Knoll ist der vom Magistrat gewählte bisherige Polizey-Expedient Oskar Gundermann in Weimar, Sohn des Buchbindermeister Gundermann in Eilenburg, getreten und am 2ten November verpflichtet worden; sein Gehalt beträgt 300 Rtl.jährlich.
Neue Wohnhäuser sind in diesem Jahre erbaut worden: 1, eins vom selbständigen Maurer Friedrich Mueller in der Halleschen Vorstadt in der Nähe von Lindenhahns Mühle; 2, eines vom Zimmermeister Wilhelm Beyer in Quering an der Straße nach Gertitz vor dem Halleschen Thore; 3, eins vom Bauunternehmer Gottlieb Dietze in der Wiesenstraße, und 4, eins vom Spediteur Hugo Franke an der Ecke der Dübener und Bahnhofsstraße. — Zu bemerken ist noch, daß die pag.584 erwähnte, im vorigen Jahre von den Gebrüdern Schaaf neu erbaute sehr große Dampfmahlmühle im Laufes dieses Jahres ausgebaut und im starkem Betriebe ist. Das herrliche, von dem geschmackvollem Wohnhause getrennt stehende, viermal übersetzte Fabrikgebäude, ein stattliches Bauwerk mit seinem an hundert Fuß hohem Dampfschornsteine, hat nach Morgen und Abend in jedem Stockwerk eine Fronte von vierzehn Fenstern, und von Mitternacht nach Mittag eine von sechs Fenstern. — Der Gemeinde-Kirchenrath hat am 2ten November beschloßen wegen des seit Michäelis im Wiederaufbau begriffenen Thurmes unserer Gottesackerkirche(vid.pag.577) eine Umlage von je einem einmonatlichem Beitrage der Klaßensteuer und Einkommenssteuer und einem Drittel des monatlichen Betrages der Grundsteuer für die Jahre 1875 und 1876 zu erheben. Die Mitglieder der hiesigen Kirchengemeinde werden aufgefordert die für das laufende Jahr fälligen Zuschläge dieser Umlage im Monat November an den Herrn Stadt- Steuereinnehmer Braune einzuzahlen. Hierbey muß noch bemerkt werden, daß das Kapital-Vermögen der Gottesackerldrche nur in 1000 Rtl. besteht, von deren jährlichen 45 Rtl. Zinsen die Kosten dieses Thurmbaues, welche auf 1300 Rtl. veranschlagt seyn sollen, natürlich nicht gedeckt werden können. Im October wurde vom Seminar in einem Hause am Pfortenplatze eine Uebungs-Schule für 80 bis 100 Kinder eingerichtet, in welcher Seminaristen unter Anleitung ihrer Lehrer den Unterricht ertheilen. Das Schulgeld dafür beträgt für jedes Kind nur 1 Rtl. jährlich; es wird daher diese Schule von Kindern armer Bürger und Einwohner fleißig besucht; eröffnet wurde sie am 18ten October.
Am 20ten December Vormittags 'A 10 Uhr brach in einem Seitengebäude der Offenhauerschen Brauerei auf bis jetzt nicht ermittelte Weise Feuer aus. Schnell herbei geeilter Hülfe gelang es das Feuer auf den Entstehungs- herd zu beschränken, so daß blos das Dach niederbrannte. Von allen Seiten wurde die ungemeine Thätigkeit unserer trefflichen Feuerwehr lobend anerkannt, und ist es namentlich auch derselben zu verdanken, daß weitererunabsehbarer Schaden verhütet wurde; nach Verlauf einer Stunde war alle Gefahr vorüber. In Folge davon erhielt am 22ten December der
Commandeur unserer freiwilligen Turner-Feuerwehr Herr Gustav Schulze folgendes höchst ehrende Dankschreiben: Ew. Wohlgeboren erlauben wir uns ergebenst, Ihnen beiliegend in Anerkennung der außerordentlichen Dienste, welche die Turner-Feuerwehr bey dem am 20ten des Monats statt gehabten Brandunglück uns geleistet und uns dadurch vor unberechenbarem Schaden behütet hat, zur freien Verfügung für obiges Institut 100 Reichsmark mit der Bitte um gefällige Annahme zu überreichen. Haben Sie die Güte allen Mitgliedern der Feuerwehr unsern innigsten Dank zu überbringen. Ihre dankbar ergebenen Offenhauer und Tiemann. - Die am lten December statt gefundene Volkszählung hat folgendes Resultat ergeben: 1)bewohnte Häuser 670, 2) unbewohnte(incl. 5 Kirchen) 10 3) Einwohner- zahl 3912 männliche, 4323 weibliche, in Summa 8235, mithin 75 mehr als im Jahre 1871. 4) Haushaltungen 1987. Dem Religionsbekenntniß nach waren vorhanden: ungetauft 2, Altkatholiken 2, Deutschkatholiken 11, Dißidenten 31, Juden 92, Katholiken 122, Summa 260. Die übrigen sind evangelische, überhaupt Protestanten.
Der Commandeur der Turner-Feuerwehr hat am 30ten December noch nachstehendes Dankschreiben erhalten: Im Auftrage der Aachener- und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft überweise ich einliegend der Turner-Feuerwehr als Gratification für ausgezeichnete Hülfeleistung bey Dämpfung des am 20ten des Monats bei Herren Offenhauer und Tiemann hier statt gefundenen Brandes 100 Mark, mit der Bitte um gefällige Annahme. Mit aller Hochachtung Rudolph Tiemann, Agent der Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft. Schon im November vorigen Jahres wurde der Herr Kreisrichter Dr.jur. Schulze-Delitzsch von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog von Sachsen-Weimar bey deßen damaliger Anwesenheit in Berlin zu einer Audienz berufen, um demselben einen Vortrag über die Gründung von Aßociationen und Vorschuß-Kaßen zu halten; jetzt im December des Jahres ist der Herr pp. Schulze in derselben Angelegenheit von Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen von Preußen zu einer Audienz eingeladen worden; beyde Fürsten haben für diese Sache sich sehr intereßirt. Die Witterung des Herbstes, dieser in der Regel so angenehmen und gleichförmig milden Jahreszeit war diesmal fast durchweg bey mehr niederm als hohem Barometerstande und vorherrschendem West-Wind und Nord-West-Wind mitunter auch Ost-Wind mit Ausnahme sehr weniger Tage rauh, nebligt, naßkalt und windig im October; Landregen hatten wir am 8ten, 11ten, 13ten, 15ten, 16ten, 17ten, 2 lten und 23ten des Monats; dichte Nebel waren am 19ten, 20ten, 22ten und 28ten; am letzteren Tage zog Nachmittags um 4Uhr bey Ost-Wind ein Zug wilder Gänse über die Stadt weg von Norden nach Süden. Dies ist gewöhnlich ein Vorbote eines strengen, frühzeitig eintretenden Winters. Schnee fiel am 21ten früh, und schmolz gleich wieder.
Fast in der selben Weise und bei stürmischen West-Wind vielem Regen und größten Theils sehr niedrigem Barometerstande gieng die Witterung in den November über; als besonders rauhe, sehr trübe, durch starken Regen und heftige Orkanartige Stürme(Gewitterstürme) bemerkbare Tage sind zu erwähnen der 8te und lOte (Barom.27,1) ferner der 1 lte(Barom. 27, Thermom. +7bey Süd-West-Wind) der 12te und 14te; Landregen hatten wir täglich vom 18ten bis 23ten des Monats(Barom. 27,3 —8) am 18ten mit Sturm; am 24ten und 26ten und 27ten des Monats war starker Schneefall bei Ost-Wind und gelindem Frost; Barom.28 Therm. früh —5). Im December erfolgte gleich vom lten des Monats an ein bedeutender Umschlag im Witterungslaufe, und der Winter trat bey Ost und Nord-Ost-Wind und mehrtägigem maßenhaften Schneefalle, welcher besonders auf der Strecke von Bitterfeld über Delitzsch bis Leipzig am stärksten gewesen seyn soll, und die Communicationen auf den Eisenbahnen und Landstraßen sehr erschwerte, mit strenger und empfindlicher Kälte ein, welche am 7ten früh am schrecklichsten war (Therm.früh 7Uhr —21 R. Barom. 28,3), den 8ten und 9ten aber schon von der außerordentlichen Höhe auf— 6R. abfiel, und nur noch einmal am lOten des Monats auf— 15 früh um 7 Uhr stieg (Barom.28,2). Hierauf fiel am 1 lten und 12ten wieder Schnee, worauf bey West und Süd-West-Wind bey abwechseln trüber, milden und hellen Tagen vom 13ten an bis zum Ende des Monats fast täglich stärkeres oder schwächeres Thauwetter eintrat, welches bey Unterbrechung durch mäßigen Frost die großen Schneemaßen nur langsam schmelzen konnte, wodurch zum Glück Ueberschwemmungen verhütet wurden, und die schöne unersetzliche Winterfrucht dem sehr ausgetrockneten Erdboden für die nächste Ernde nicht verloren gieng.
Was den frühzeitigen Eintritt des Winters mit seinen hohen Kältegraden am 7ten und 15ten December betrifft, so ist der Grund dieser Erscheinung wahrscheinlich darin zu finden, daß vom 3ten bis 6ten December nach den Zeitungs-Berichten in Italien in der Umgegend von Neapel und dem Vesuv starke und heftige Erderschütterungen statt gefunden haben, deren Folgen auch wir erfahren mußten. In Bezug auf den Gesundheitszustand muß bemerkt werden, daß im Vergleich gegen das letzte Quartal die Zahl der Kranken, besonders der an rheumatischen Beschwerden und hartnäckigen Katarrhen(Grippe) leidenden sehr zugenommen hatte, und die Sterblichkeit vorzüglich unter alten Personen, die ohnehin schon an Asthma litten, so wie unter Schwindsüchtigen, und von der häutigen Bräune ergriffenen Kindern wirklich recht groß war, worüber man sich freilich als die Folgen der oben geschilderten rauhen, naßkalten, nebligten und stürmischen Witterung bey öfteren Nord-Ost und Nord-West-Wind nicht wundern darf — Zufolge der Nachrichten aus den Kirchenbüchern der evangelischen Kirchengemeinde der Stadt Delitzsch mit den eingepfarrten Dörfern Gertitz, Kertitz und Werben wurden kirchlich getrauet 63 Paar, 324 kirchlich beerdigt, und 316 Kinder getauft. Unter den Verstorbenen befanden sich 179 Kinder unter 5 Jahren und 58 alte Personen über 60 Jahre. Nach den Berichten des hiesigen Standesamtes, zu deßen Bezirk aber die drei eingepfarrten Dörfer nicht gehörten, betrug die Zahl der ehelich verbundenen Paare 94, der Gebornen 334 und der Verstorbenen 324. — Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn- Gesellschaft erhielt unsere Commun auch in diesem Jahre 360 Rtl. als jährliche Steuer.
Der Lehrer Robert Meister ging am lten October ab, um eine ähnliche Stelle an einer Privatschule in Berlin anzunehemen. Seine Stelle wurde dem Lehrer Otto Gloeckner in Hettstedt übertragen. — Im vorigem und in diesem Jahre wurden beim Königl. Schullehrer-Seminar neu angestellt: der Gymnasialehrer Dr.philop.Julius Hirt aus Sondershausen, am lten Julius 1874; ferner in diesem Jahre der Seminarlehrer Herrmann Gattermann, welcher am 4ten August von Osterburg, der Seminar-Hülfslehrer Wilhelm Wohlrabe, welcher den löten August von Leipzig, und der Seminarlehrer August Hummel, welcher den lten December von Halle hierher kam. — Der Neubau des Thurmes unserer Gottesackerkirche, deßen Riß und Zeichnung von dem Kreisbaumeister Russel gefertigt worden ist, begann, nachdem die den Bauen günstige Witterung dieses schönen Sommers ungenutzt verstrichen war, leider erst am lten October, von welcher Zeit an das Wetter den ganzen Herbst über mit Ausnahme sehr weniger Tage sehr rauh, regnigt, naßkalt und stürmisch, mithin dem Baue höchst ungünstig war. Es wurde nun von dem Unternehmer des Baues, dem Maurermeister Hofmann in Zschepen die Giebelmauer in der Höhe vom Dachsims an und in der Stärke 1 1/2 Fuß bis zu zwey Drittheilen ihrer Höhe aufgemauert, und zur Erhellung des dunkeln Kirchbodens zwey ziemlich hohe Kirchfenster in derselben angebracht. Da der Zimmermeister Felix das Bauholz in der gehörigen Stärke noch nicht hatte bekommen können, der Winter auch am 7ten December sehr hart eintrat, so mußte der Thurmbau bis zum bis nächsten Frühjahr verschoben werden.
Nach der Versicherung des Sparkaßen-Rendanten Thaerigen sind für den Bau der neuen Volksschule in der Bitterfelder Straße, welcher 31500 Rtl. kostet, in dem Zeitraum vom lten Julius 1870 bis zum Schluß des Jahres 1875 aus den Ueberschüßen der städtischen Sparkaße bereits 21000 Rtl. bezahlt worden, so daß darauf nur noch 10500 Rtl. zu bezahlen sind. — Bis zum Jahre 1848 stand unser kirchliches Leben in der höchsten Blüthe, wozu schon unsere früheren, noch in gesegnetem Andenken fortlebenden unser kirchliches Geistlichen, zumal der Archidiaconus M.Morgenstern und der Diaconus Meusel sehr viel beytrugen. Ganz besonders brach aber eine neue herrliche aera an, als nach dem Tode des sehr schwach und dürftig begabten Superintendent Rudel der Superintendent und Oberpfarrer Foerster von Lützen in gleicher Eigenschaft hierher versetzt wurde(vid.pag.590). Die Vormittags-Gottesdienste waren nun überfüllt, aus der Nähe und Ferne kamen oft Fremde hierher, um diesen ausgezeichneten Kanzelredner zu hören; der Cymbel in der Frühkirche brachte jährlich 90 bis 100 Rtl. und darüber ein. Als im Jahre 1845 in der evangelischen Kirche die Bewegungen, veranlaßte durch die bekannten Versammlungen an der Pfingstmittwoch zu Cöthen und gehalten von Geistlichen der extremsten Richtung, wie Uhlich in Magdeburg, Wislicenus in Halle u.a.in der Gestalt der sogenannten freien Gemeinden auftraten; als ferner um dieselbe Zeit auch in der katholischen Kirche der Drang nach zeitgemäßen Reformen sich zeigte und Männer, wie Czersky in Schneidemühl und Ronge in Oberschlesien mit dem Papste brachen und von demselben ganz unabhängige Gemeinden bildeten, da wirkte Foerster besonders in seinen Predigten durch weise Belehrung und Warnung vor Ausschreitungen und kühnem Verneinen der freien Gemeinden kräftig, konnte es aber doch nicht verhüten, daß im hiesigem Orte eine kleine freie Gemeinde entstand, weil der damalige Diaconus Baltzer den Ansichten und Grundsätzen der freien Gemeinden huldigte, sein Amt am Ißten Januar 1847 hier niederlegte, und als Prediger zur freien Gemeinde in Nordhausen übertrat. (Vid.pag 120). Die hiesige derartige Gemeinde war vom Anfang an nicht lebensfähig, verlief sich bald im Sande, weil auch unlautere Elemente unter derselben waren, und wurde wegen des begründeten Verdachts der Verfolgung demokratischer Tendenzen und Zwecke von der Königl. Regierung zu Merseburg im April 1852 aufgelöst. (Vid.pag 168). Weiter ist unter den ferneren Störungen des kirchlichen Lebens und Friedens zu erwähnen die im Jahre 1851 beabsichtigte und vom Superintendent Foerster empfohlene neue Kirchenverfaßung, welche vom Magistrat als Patron so wie von der ganzen Gemeinde wegen eines einzigen Paragraphen, die Controle des Kirchenbesuchs und des Genußes des Abendmahls betreffend, nicht anerkannt und entschieden mit Recht abgelehnt wurde; (Vid.pag 152 und 157). Die Gemeinde war empört über diesen Paragraphen, weil offenbar hierarchische Tendenzen des evangelischen Kirchenrathes und des Consistoriums in demselben enthalten waren; es erschienen deßhalb auch vier volle Wochen lang im hiesigen Nachrichtsblatte verschiedene, zum Theil sehr heftige und scharfe Aufsätze sowohl vom Superintendent, als auch vom Magistrat und einigen Gelehrten, der Dr.Pfotenhauer und den Rechtsanwälten Hasset und Weise; die Sache blieb liegen. Ein ähnlicher Vorfall, welcher auch eine Zeitlang auf das kirchliche Leben störend einwirkte, war der zu Michäelis 1852 vom Superintendent Foerster lediglich auf den Vorschlag des Archidiaconus Heineken, welcher diese Neuerung von dem ebenso, wie der Eisenacher, verhaßten Berner Kirchentag im September mitgebracht hatte, ohne vorherige Anfragen bey der Kirchengemeinde angeordnete Wegfall der Choralzwischenspiele, wodurch der Choralgesang schrecklich verdorben und verstümmelt wird. Die darüber sehr erbitterte Bürgerschaft ersuchte mich diese Sache in die Hand zu nehmen und auszufechten, was ich auch mit glücklichem Erfolge that.(Vid. Pag.191, 193 u.194). Der Superintendent Foerster war übrigens in diesen beyden eben mitgetheilten Fällen so einsichtsvoll und gerecht zu rechter Zeit nachzugeben und dadurch seine Uebereilung zu bekennen, was ihm zur Ehre gereicht. Ein anderes durch böses Beyspiel das kirchliche Leben schädigendes Ereigniß ward unerwartet im October 1851 hier bekannt. Der oben erwähnte Archidiaconus Heineken hatte in einer bey dem Kreisgericht zu Erfurt gegen seinen des Amts verlustig gegangen Vorgänger Diaconus Schreiber in Thamsbrück anhängigen Untersuchung an den Staatsanwalt zu Erfurt einen Brief geschrieben, in welchen er den Schreiber als den schwersten Verbrecher mit den Worten brandmarkt „er habe eine schauerliche Vergangenheit hinter sich." Der Staatsanwalt benutzt natürlich dieses Zeugniß gegen den Angeklagten, welcher daßelbe aber für eine Verläumdung erklärt, und den Archidiaconus Heineken in einem an ihn gereichten gedrucktem offnem Sendschreiben öffentlich als einen Verleumder prostituirt, und ihn erklärt, daß er wegen eines so argen Verstoßes gegen das achte Gebot sein geistliches Amt niederlegen müßte. Zugleich setzt Schreiber ihm klar auseinander, daß er Verbrechen, die in den Worten „schauerliche Vergan- genheit" liegen, als da sind die gröbsten, Diebstahl, Raub, Mord und Brandstiftung niemals begangen habe; zugleich bedrohte er ihn mit Klage. Ob es dazu noch gekommen ist, oder diese Sache später gütlich abgemacht worden ist, darüber hat man keine bestimmte Auskunft erhalten können. Uebrigens wurde diese unerquickliche Angelegenheit damals auch im Nachrichtsbaltte lebhaft und frei besprochen
Bis zu des Superintendent Foersters Abgange war die Frühkirche noch immer fleißig besucht; er übte durch seine bis an das Ende gediegenen, streng logisch geordneten und durchdachten Predigten, so wie durch seine imponirende Persönlichkeit und exemplarischen Lebenswandel eine große Anziehungskraft auf die Gemeindeglieder aus. Nach seinen am Sten September 1856 erfolgten Scheiden von uns (vid.pag 263 u.264) ward zu seinem Nachfolger der Superintendent und Oberpfarrer Oscar Weinrich aus Lützen, ein strenger Orthodox vom reinsten Waßer, vom Consistorii bestimmt, welcher am 22ten März, dem Sonntag Caetare 1857(ein greller Widerspruch auf seine nachherige Wirksamkeit) sein Amt antrat. Mit dem Antritt dieses Mannes zog ein finsterer Geist in dieses Haus ein, und er begann nun nach vorher von ihm mit Beyhülfe vier anderer exklusiv streng orthodoxer Geistlichen erfolgter Fabrikation dieses verhaßten Anfangs, die zwangsweise Einführung deßelben vom ersten Advent 1858 an, wodurch unser kirchliches Leben dermaßen zerstört wurde, daß es seitdem bis jetzt noch an einem langen Siechthum, wie ein Schwindsüchtiger leidet. Über den furchtbaren, gleich nachher heftig entbrannten vierjährigen Kampf verweise ich den Leser auf die gedrängte Mittheilung von pag 332 bis pag.347. Die Geistlichen Urheber dieses Unglücks sind längst fort, aber die traurigen Folgen ihrer hierarchischen Gelüste, leere Kirchen, sind geblieben. Superintendent Weinrich verließ uns am löten November 68(pag.416). Man hoffte nun auf beßere kirchliche Zustände, zumal da die Ankunft eines neuen Superintendent bevorstand; allein wie sehr sind wir getäuscht worden! Der vom Consistorio zum Nachfolger Weinrichs bestimmte bisherige Gesandtschafts-Prediger Carl Friedrich Wilhelm Leipoldt in Rom ist zwar, wie man hört, ein gelehrter Theolog, aber kein Kanzelredner und paßt nicht für unsere Gemeinde, von welcher er sich gleich von Anfang an als feiner Aristokrat ganz zurückgezogen und reservirt hält; dazu kommt noch, daß seine Vorträge breit und schwülstig sind und ihm auf der Kanzel die edle Gabe der allgemein verständlichen und alle Stände befriedigenden Popularität ganz fehlt, und daß derselbe auch wegen seines stets bedeckten, heiseren Stimmorgans, welches für unsere sehr große Stadtkirche viel zu schwach ist, von den meisten, besonders alten Personen, nicht verstanden wird, worüber man mit Recht allgemein klagt.(Vid.pag.518 u.519)Zum Unglück verlor unsere Kirche im September 1871 ihren ehrwürdigen Organisten und vortrefflichen Choralspieler Grellmann durch Versetzung in den Ruhestand wegen Altersschwäche, und am 28ten Mai 1873 den sehr tüchtigen Cantor und vorzüglichen Sänger Thierbach durch einen plötzlichen Tod (vid.pag.507,554); beyde sind uns nicht wieder ersetzt worden. An Grellmanns Stelle trat am lten April 1873 der bisherige Lehrer in Neuhaldensleben Max Schuhe, welcher aber schon am 23ten April 1874 nach Gera als Lehrer abgieng; im Anfang gab er sich Mühe beym Orgelspiel, die letzten Monate aber wurde er nachläßig, ließ die Zwischenspiele weg und jagte im Choral.(vid.pag.527). Nach seinem Abgange bot nun der Magistrat das Organistenamt dem Lehrer Jost an, der bereits seit 22 Jahren seinen entschiedenen Beruf zum Organisten in unserer Gottesackerkirche hinlänglich bewiesen hatte, aber leider! Jetzt wegen längerer Krankheit diesen Antrag ablehnen mußte. Hierauf bot der Magistrat das Organistenamt dem Lehrer Kimstedt an, der es annahm, aber auch die Zwischenspiele wegläßt und den Choral in dem jagendsten Tempo spielt, so daß die wenigsten mitsingen können, und man nur den kläglichen Gesang der Chorschüler grell durchstechen hört.(Vid.pag.191,193 u.194) Gute Zwischenspiel dürfen nur drei bis vier etwas gehaltene Accorde lang seyn, und müßen den Sinn der Verszeile und wo möglich des ganzen Liederverses ausdrücken; dies ist aber nur Sache denkender und phantasiereicher Organisten, deren es aber nicht viel giebt; die Gegner der Zwischenspiele können also entweder keine machen, und diese mögen sie aus Hentschels Choralbuche abspielen, oder sie wollen keine machen, um so bald wie möglich wieder nach Hause zu eilen.
Delitzsch hat seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts das seltene Glück gehabt eine Reihe sehr tüchtiger Organisten, Männer wie Vogel, Frießner, Riße, Zieger und Grellmann, zu besitzen. Was nun die Besetzung der Cantorstelle betrifft, so hat auch über dieser, wie über jener ein wahrer Unstern gewaltet; nachdem vom Magistrat der vorzüglichste unter den Bewerbern, ein gewißer Zander aus Berlin, zum Cantor erwählt war, derselbe auch die Stelle angenommen hatte, fiel es diesem Manne ein, dieselbe dem Magistrat zum großem Verdruß des Patrons noch vor seinem Antritte wieder aufzukündigen, mußte aber auch dafür von Rechtswegen die Besetzungskosten wieder erstatten. Hierauf wurde vom Magistrat der bisherige Lehrer Haupt in Bromberg zum Cantor erwählt (vid.pag.575) es ist sehr zu bedauern, daß dieser Mann kein exacter Sänger ist, und kein schönes Stimmorgan besitzt, und in dieser Hinsicht den beyden Vorgängern Golz und Thierbach bedeutend nachsteht; eine am Erndtefest 1874 von ihm gesungene Arie hat dies hinlänglich bewiesen; er fängt auch keinen Liedervers und keine Abtheilung der Liturgie an, und der Organist, mit dem er einig ist, muß deßhalb in diesen Fällen, was hier niemals üblig gewesen ist, sogleich mit dem vollem Werke einsetzen, um zugleich auch den nicht erbaulichen Gesang der Chorschüler zu verdecken; unser Kirchengesang ist so tief auf Null herab gesunken. Faßt man nun die hier wahrheitsgetreu mitgetheilten, seit 30 Jahrer nach und nach entstandenen Uebelstände und Ursachen unter einem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte zusammen, so darf man sich wahrlich nicht wundern, daß das Resultat ein so nieder- schlagendes ist, nämlich eine durch alle Stände verbreitete Gleichgültigkeit gegen das Christenthum und die Kirche, so wie eine Störung des kirchlichen Lebens und Friedens und ein tiefer Verfall der Sittlichkeit, zumal in unserm Zeitalter, deßen Grundcharacter der grobe Materialismus, Vergnügungs- sucht und Jagen nach schnellen Reichthum, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht ist. Gott helfe, daß es bald beßer wird!
Am Schluße dieses Bandes der Delitzscher Stadt-Chronik ist es Pflicht noch besonders einiger hervor ragender Männer zu gedenken, welche als Eingeborne unserer Stadt in ihren verschiedenen auswärtigen Aemtern und Berufskreisen sich ausgezeichnet haben, und deßhalb ihrer Vaterstadt zur wahren Ehre und Zierde gereichen. Unter denselben steht oben an: der bereits vor 17 Jahren zur Ruhe eingegangene Dr.Theol. Christian Friedrich Gottfried Teuscher in Mellingen, über deßen Thaten, und segensreiches Leben und Wirken als Geheimer Kirchenrath, Ephorus und vorzüglicher Kanzelredner ich auf den trefflichen, vom Herrn Pastor Kamprath in Olbersleben verfaßten, und in dem hier beyliegendem Weimarschen Kirchen-und Schulblatt, 10 Heft 1865, abgedruckten Bericht, hiermit verweise. Der Verfaßer dieser Zeilen hafte das Glück den Superintendent Teuscher im Sommer des Jahres 1828 in unserer Stadtkirche einmal früh predigen zu hören, und kann nur das Urtheil fallen, daß derselbe mit unserm unvergeßlichem Superintendent Foerster die größte Aehnlichkeit hat, und diesem völlig gleich und ebenbürtig zur Seite gestellt werden kann. Der zweyte der ehrenwerthen Männer ist der Mechanikus und Opticus Emil Stoehrer in Leipzig; derselbe wurde geboren in Delitzsch im Sommer des Kriegsjahres 1813; sein Vater Dr. med.Stoehrer war hier ein sehr geschätzter praktischer Arzt und vorzüglicher Geburtshelfer, starb aber leider, erst 46 Jahre alt, kurz vor Ende des Jahres 1813 an dem Kriegstyphus. Die Wittwe heirathete später den Steuerrevisor, nachherigen Kreissteuereinnehmer Voigt, an welchen der Knabe einen guten Stiefvater erhielt. Nachdem derselbe vom fünften Jahre an die Stadtschule besucht, auch Privat-Unterricht genoßen hatte, wurde er zu Ostern 1827 auf die Fürstenschule nach Pforte gebracht; weil ihm aber die gelehrten Studien nicht zusagten, so verließ er die Schulpforte schon zu Ostern 1828 wieder, und folgte seiner Neigung zum Mechanikus, wozu derselbe schon frühzeitig entschiedene Anlagen zeigte. Zu diesem Zwecke brachte ihn nun sein Stiefvater nach Leipzig zum Mechanicus und Opticus Wiessner in die Lehre, deßen Zufriedenheit er sich bald erwarb. Nach beendigter Lehrzeit besuchte er von 1833 an auswärtige derartige große Fabriken, war besonders lagere Zeit in Hamburg in Condition, und kehrte 1840 zu seinem alten braven Lehrherrn nach Leipzig zurück. Hier verheirathete er sich etwas später mit einer Tochter deßelben und übernahm nachher, da er von seinen Aeltern ein bedeutendes Vermögen geerbt hatte, das Fabrikgeschäft seines nunmehrigen Schwiegervaters Wiessner. Als ein sehr geschickter Mann in seinem Fache bald erkannt stieg Stoehrers Ruf nun von Jahr zu Jahr; von der Königl. Sächsischen Landesregierung wurde derselbe in den sechziger Jahren mit der Einrichtung von Telegraphenlinien an Eisenbahnen beauftragt, weshalb er sich damals längere Zeit in Dresden aufhielt, und auch nach vollführtem Auftrage daselbst blieb, wo er jetzt noch lebt und thätig wirkt. 1876. Der dritte jener achtungswerthen Männer ist der Königl. Preußische Oberrechnungsrath Carl Schoenbrodt in Potsdam; derselbe wurde den 3ten September 1795 in Delitzsch, wo sein Vater Webermeister war, geboren. Er besuchte die Stadtschule und kam zu Ostern 1809 in die Expedition des im Sommer 1813 verstorbenen Bürgermeisters und Patrimonialrichters Schulze. Im Jahre 1815 trat er als ein bereits recht brauchbarer Kanzlist bey der Regierung in Merseburg ein, von wo derselbe als Diätar wegen seiner Tüchtigkeit 1820 in das Büreau des Provinzial-Steuer-Directors Sack nach Magdeburg versetzt wurde. Von hier erfolgte 1825 seine Beförderung als Rechnungsrath an die Oberrechnungskammer in Potsdam, wo sein hoher Gönner der Finanzminister von Ladenberg ihn besonders schätzte und begünstigte, und seine Ernennung zum Oberrechnungsrath bewirkte. Sein Gehalt stieg daselbst von anfänglich 1000 Rtl. bis auf 1500 Rtl. nach und nach; bey seiner Versetzung in den Ruhestand erhielt er eine jährliche Pension von 800 Rtl. vom Jahre 1855 an. Er ist auch Verfaßer einer Sammlung K.Preuß.Finanz-Zoll-und Steuer-Gesetze, die zu Potsdam 1836 und 1838 erschienen ist.
Teil 2 von 1876 bis 1952
Einleitung
Nachdem der bisher in Gebrauch gewesene letzte Band der Delitzscher Stadt-Chronik, welcher mit dem Jahre 1816 anfängt, nunmehr mit dem Ende des Jahres 1875, also nach sechzig Jahren seinen Abschluß gefunden hat, so wollen wir nun die Führung dieser Stadt-Chronik mit möglichster Treue und Gewissenhaftigkeit, wie bisher fortsetzen, und unsern Nachkommen die Begebenheiten und Ereignisse in chronologischer Reihenfolge mit paßender Anknüpfung an die Landesgeschichte, ganz im Geiste des unvergeßlichen Begründers der Delitzscher Stadt-Chronik, des um seine Vaterstadt hochverdienten, gründlich gelehrten Actuarius Lehmann, mittheilen. (S. dessen Nekrolog im letzten Bande)
Dr. Ideler
1876
Justizrath Hasserts Tod
Leider müssen wir diesen neuen Band mit der Todesanzeige eines verdienstvollen Mannes beginnen. Am 13ten Januar 1876 Abends um 6 Uhr starb nach kurzem Krankenlager der Königl. Preuß. Justizrath, Notar und Rechtsanwalt Carl Ferdinand Benjamin Hassert, im 71ten Lebensjahre. Derselbe war geboren zu Elsterwerda den 5ten November 1805, wo sein Vater Gerichts-Actuar war, und später 1816 bey der damaligen Reorganisation der Gerichtsbehörden (Umwandlung der sächsischen in preußische), von Elsterwerda nach Schlieben als Gerichtsamtmann versetzt wurde, zu welcher Zeit dieser seinen 10 Jahre alten Sohn auf das Gymnasium nach Luckau in der Niederlausitz schickte. Nach der spätern Versetzung seines Vaters von Schlieben nach Seyda, wo derselbe als Gerichtsamtmann verstorben ist, besuchte der junge Hassert das Gymnasium zu Wittenberg und bezog hierauf 1825 die Universität zu Halle, um Jura zu studieren, und hat diese Studien später noch auf der Universität zu Berlin beendigt.
Im Sommer des Jahres 1834 kam derselbe nach Delitzsch, um sich hier als Rechtsanwalt niederzulaßen. Er erwarb sich hier und in weitem Umkreise bald sehr großes Vertrauen und eine starke juristische Praxis; in seinem bedeutendem amtlichen Wirkungskreise war er treu und gewißenhaft und stritt stets nur für Recht und Wahrheit. Auch bey unserer Bürgerschaft stand er in hohen Ansehen; denn schon im Jahre 1839 wurde derselbe am 20ten October von dieser zum Stadtverordneten und gleich nachher zum Vorsteher der Versammlung erwählt; diese Ehre wurde ihm noch zweymal im October 1849 und 1850 zu Theil. Im Jahre 1842 erbaute er sich ein stattliches und geräumiges Wohnhaus nebst Seitengebäuden auf einem Platze am Kohlthore, wo bis zum Jahre 1836 eine Strohscheune stand.
Seine Erholung war der Gartenbau und Obstkultur, ganz besonders aber auch die Musik, er war ein geübter Pianoforte-Spieler, wovon derselbe einen glänzenden Beweis am 17ten September 1851 in einem von unsern tüchtigen Organist und Lehrer Jost im Saale des Hotels zum Schwan veranstalteten Concerte gegeben hat; es wurde nämlich an diesem Abend zum Besten des Orgelbaues in unserer Gottesackerkirche die Oper Hans Heiling von Marschner auf zwei Flügeln, wo der nun vollendete mit seiner Gattin, einer Tochter des Stadtmusikus Engelmann in Querfurth, vierhändig spielte, mit großem Beyfall aufgeführt; zu einem solchen präcisem Spiele auf zwey Flügeln können natürlich nur vier geübte Virtuosen von dem Dirigenten benutzt werden.
Krank ist der J. R. Hassert während seines fast 42jährigen hiesigen Aufenthalts fast niemals gewesen, bis die letzte Woche seines Lebens ein durch Erkältung entstandenes rheumatisches Fieber ihn auf das Krankenlager brachte, und ein sanfter Tod das Leben des würdigen Greises endete.
Ordensverleihung
Seine Majestät der Kaiser und König hat im Januar dem Kanzleirath Ansinn bey Gelegenheit seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums den rothen Adlerorden vierter Klaße mit der Zahl 50 verliehen.
Lehrerwechsel
Von der hiesigen Bürgerschule gingen am ersten Januar d. J. ab: der Lehrer Paul Freyberg nach Acken an der Elbe, und der Lehrer Ernst Gloeckner nach Bernburg.
Die erstere Stelle wird durch einen Schulamts-Präparanden versehen, während an die Stelle des gg. Gloeckner der Lehrer Friedrich Lahmeyer aus Brodau am 1ten Januar eingetreten ist.
Witterung vom Januar bis Ende März
Die Witterung im Januar war bis zum 4ten d. M. bey W.W. trübe, milde und feucht; von da an aber trat bey höherem Barometerstande (Bar. 28,3-6) und N.W. wie auch N.O.W. strenge Kälte ein, welche bis zum 10ten von –4° Reaum. bis auf –13° R. stieg, von da an bis zum 18ten allmählig wieder abfiel, den 19ten in Thauwetter überging und dann bey sehr gelindem Frost und milder Atmosphäre bis zum Ende des Januar bey W.W. und S.W.W. anhielt. Schnee fiel am 6ten und 18ten; dichte Nebel hatten wir in den Tagen vom 11ten bis 17ten bey N.O. und N.W.W. und hohem Barometerstand; Barom 28,3-6; ebenso dichte und rauhe Nebel waren auch am 22ten, 25ten, 29ten, 30ten und 31ten bey demselben anhaltend hohen Barometerstand bis 28,7 und derselben Windrichtung.
Im Februar waren die ersten drei Tage schön und milde, vom 4ten an fiel das Barometer schnell von seiner bisherigen Höhe auf 27,8 und es erfolgte nun bey N.O. und N.W.W. und geringen Kältegraden bis mit dem 8ten und am 10ten ein starker maßenhafter Schneefall worauf vom 14ten bis zum 17ten anhaltendes Thauwetter eintrat, so daß wir am 17ten und 18ten großes Waßer hatten, indem der Loberbach die sämtlichen in seinem Verlauf liegenden Wiesen überschwemmte. Zudem regnete es noch am 19ten, 21ten, 22ten, 26ten, 27ten, 28ten und 29ten; am letzteren Tage war es ein Landregen mit Schnee, an den ersteren stürmische Aprilwetter mit oft und schnell wechselnder Windrichtung (Bar. 27,6-8).
Der Maerz war diesmal bey vorherrschenden W. und N.W.W. durch seine ungewöhnliche Härte, sehr stürmisches und rauhes Wetter, mit Ausnahme von nur vier hellen und milden Tagen d. 1ten, 28ten, 30ten und 31ten, der drückendste Wintermonat für Menschen und Thiere. Schon am 2ten war von 3 Viertel auf 4 Uhr bis 4 U. ein starkes Gewitter mit gewaltigem Regen und Graupeln, und am 6ten und 7ten Abends von ½ 5 bis 5 U. entluden sich wieder schwere Gewitter mit vielem Regen und Sturm (Barom. 27,5); am 8ten fiel Schnee, und in der Nacht zum 9ten tobte ein heftiger Orkan aus S.W. (Barom. 27), welcher am 10ten und 11ten zwar nachließ, aber am 12ten mit desto mehr Wuth wiederkehrte (Barom. 27,2), und von Abends 9 U. an in den schrecklichsten Orkan mit den fürchterlichsten Windstößen ausartete, und dermaßen wüthete bis gegen morgen, sodaß durch das entfesselte Element an Gebäuden und Bäumen viel Schaden angerichtet wurde. Im Rosenthale waren Planken und Stackete in ziemlicher Länge umgestürzt, die Schaafbrücke beschädigt, ferner 9 sehr starke italienische Pappeln und an der Stadtmühle eine starke Birke von der Gewalt des Sturmes ganz entwurzelt worden; daßelbe Schicksal betraf noch 5 alte italienische auf dem Abhang des Gottesackers nach Abend stehende Pappeln und eine am Kohlthor, außerdem waren Tausende von Ziegeln von den Dächern herab geworfen und zertrümmert worden. Noch muß erwähnt werden, daß am 16ten Abends von ½ 6 bis 6 U. ein Schneesturm stattfand, und daß am 20ten, 22ten und 26ten Schnee fiel, welcher bald wieder schmolz (Bar. 27,6-8).
Uebrigens hat unsere Stadtcommun auch in dem ihr gehörigen Antheil der Spröde bedeutenden Schaden durch die erwähnten Stürme und Orkane erlitten, indem über tausend entwurzelte Bäume als Windfall am Boden liegen.
Gesundheitszustand
Trotz der abnormen Witterung und des öfteren schroffen Wechsels derselben war in diesem Quartal der Gesundheitszustand befriedigend und demgemäß auch die Sterblichkeit nicht groß. Wegen leichter katarrhalischer und rheumatischer Beschwerden konsultieren Viele keinen Arzt und überlassen die Heilung der Natur und der Diät. Am Schlagfluß starben plötzlich einige sehr alte Personen.
Beamtenwechsel
Am 1ten April legte der bisherige Kirchenkaßen-Rendant der hiesigen Stadtkirche Kaufmann Zeising, welcher dieses Amt seit dem 1ten Januar 1867 verwaltet hatte, daßelbe freiwillig nieder; sein Nachfolger wurde der von der Kirchen-Inspection dazu erwählte unbesoldete Magistrats-Assessor und Agent Sattler.
Einsetzung der Diakonen
Nach dem Abgange des Archidiaconus Goedicke nach Aschersleben am 19ten September v. J. und deßen Vicarius, Hülfsprediger Marr nach Pratau bey Wittenberg, wurde unser bisheriger Diaconus Meinhardt vom Magistrat zum Archidiaconus und Katechismusprediger und der Predigtsamts-Kandidat Franz Kunze aus Büschdorf bey Halle zum Diaconus und Hospitalprediger erwählt; beyde Herren wurden vom Superint. Leipoldt am Sonntag Judica in der Frühkirche in ihre neuen Aemter eingesetzt, am 2ten April; Diaconus Kunze hielt die Antrittspredigt. Leider war auch bey dieser Feierlichkeit der Gottesdienst nur schwach besucht, besonders fehlten die Männer auf den Chören, welche fast ganz leer waren; ein neuer Beweis von dem so tief gesunkenen kirchlichem Leben und religiösem Indifferentismus in unserer Gemeinde, woran theils der haltbrechende Viele ganz zu Grunde richtende und schnell verderbende Uebersturz unserer Zeit im Jagen nach Reichtum, theils aber auch die Geistlichen und Kirchendiener die Schuld tragen. (Siehe den Schluß des vorigen Jahres).
Möge Gott helfen, daß es auch in dieser Hinsicht bald besser werde; dann, altes Delitzsch, treu und bieder, wirst Du wie ehemals beglückt, wenn deiner Väter Tugend wieder, ihr Fleiß und Gottesfurcht Dich schmückt.
Tod des Dr. med. Kuehne
Am 3ten April Abends um 7 Uhr starb zu Magdeburg nach kurzem Krankenlager ein junger hoffnungsvoller Mann, der praktische Arzt Dr. medic. Oskar Kuehne im bald vollendeten 29ten Lebensjahre am Petechial-Typhus.
Er war der einzige Sohn des jetzt 80 Jahre alten hiesigen Kaufmanns und Oeconomen Wilhelm Kuehne und hier im Jahre 1847 geboren. Seine literarische Bildung erhielt derselbe auf dem Gymnasium zu Wittenberg, welches er nach sechs Jahren verließ, und hierauf die Universität zu Königsberg bezog, um Medicin zu studieren; vier Jahre später besuchte er noch die Universität zu Berlin um seine academischen Studien zu beenden und zugleich die examina, Promotion und cursus in Königsberg zu absolvieren.
Seine Doctor-Disputation ist leider in der deutschen Sprache geschrieben, was seine Schwäche in den alten Sprachen beweist. Nachdem dieses Alles glücklich überstanden war, ließ er sich vor etwa drei Jahren in Magdeburg als praktischer Arzt nieder, wo er bald nachher eine Stelle als Aßistenz-Arzt am Stadtkrankenhaus erhielt, und auch vom Petechialtyphus angesteckt wurde. Die Ursache dieses gefährlichen, viele Opfer fordernden Typhus liegt in den furchtbaren in diesem Frühjahr in Magdeburg und der Umgegend, besonders Schönebeck, wo derselbe noch stark graßiert, von der Elbe und Saale angerichteten Ueberschwemmungen, aus denen nach Verlauf der Wäßer aus dem zurück gelaßenem Schlamme, faulenden thierischen Stoffen, todten Fischen pp. sich miasmatisch-contagiöse Effluvien entwickeln, welche die Atmosphäre meilenweit verpesten und das Brunnenwaßer verderben, wodurch natürlich ausbrechende Nervenfieber sehr bald einen fauligen, ansteckenden Character erhalten.
Bürger-Jubiläum
Bey dieser Gelegenheit muß noch erwähnt werden, daß der Vater des verstorbenen Herrn Dr. medic. Kuehne vor einigen Tagen sein fünfzigjähriges Bürgerjubiläum in aller Stille begangen hat. Derselbe war im April 1826 Bürger unserer Stadt geworden, und hat sich in diesem langen Zeitraum Achtung und Verdienste um die Stadt erworben, und war auch während mehrerer Jahre Stadtverordneten-Vorsteher; möge der 80jährige Greis nach so mancher Noth nur noch Freude erleben!
Lindenanpflanzung (84 Stück)
Unser Verschönerungs-Verein hat im April auf der Promenade hinter dem Schloße eine sehr schöne Lindenpflanzung angelegt. Die Bäume sind schön und kräftig gewachsen, mit starken Baumpfählen versehen und durch Dornen vor Beschädigung gesichert. Es ist hier in kurzer Zeit eine Anlage geschaffen, die noch unsern späten Nachkommen zu Gute kommen und sie erfreuen wird. Unsere sämtlichen Mitbürger werden dringend gebeten den Schutz dieser neuen Anpflanzung als Ehrensache zu betrachten und etwaige Baumfrevler unnachsichtlich der Polizei-Behörde anzuzeigen.
Selbstmord
Am 24ten April ereignete sich bey uns der hier noch niemals vorgekommene Fall eines Selbstmords von einem 12jährigen Schulknaben. Der Sachverhalt ist folgender:
Nachdem vor wenigen Monaten der Gutsbesitzer Holzweissig im Dorfe Rackwitz nebst seiner Frau, beyde wohlhabende Landleute, verstorben waren, beschloß der Vormund im richtigen Einverständnis mit den übrigen Verwandten diesen Sohn Osswald Holzweissig, weil er in seiner Schulbildung und Kenntnißen noch außerordentlich zurück und sehr dürftig beschlagen war, und die Mittel zu diesem löblichen Zweck in reichem Maaße vorhanden sind, nunmehr auf unsere höhere Bürger- oder Realschule zu bringen, was auch zu Ostern d. J. geschah; auch ward derselbe in einer guten Pension bey der Fleischermeister-Wittwe Schroeter untergebracht. Obgleich er bereits 12 Jahre alt war, konnte er doch bey seiner Aufnahme in unsere sehr gute Realschule seinen Platz nur in der Sexta erhalten. Da bestrafte ihn der betreffende Klaßenlehrer nach mehreren fruchtlosen Warnungen einmal mit Degradation, worüber dieser Knabe sich gegen seine Mitschüler so erbittert äußerte, daß er sich deshalb erhängen würde, was er denn auch am 24ten d. M. Nachmittags um 4 Uhr im Hofe seines Wirths that.
Dieser Fall bleibt ein psychologisches Räthsel, weil doch in diesem Alter die Liebe zum Leben, besonders bey begüterten, bekanntlich am größten ist. Bey diesem schrecklichem, offenbar prämeditierten Falle mag wohl beleidigter Stolz und gekränkter Ehrgeiz mit im Spiele und die Motive zur schnellen Ausführung der That gewesen sein, wie man hört, soll auch sein Vater ein überspannter Mann gewesen und somit eine erbliche Anlage vorhanden seyn; auch soll derselbe in keiner glücklichen Ehe gelebt haben.
Collecte für Schönebeck
Die vom Buchdruckereibesitzer Herrn Meyner veranstaltete Collecte für die Ueberschwemmten in Schönebeck und der Umgegend hat bis zum Anfang des Mai den reichen Ertrag von 605 Thalern 1 Sgr. 11 Pf. eingebracht.
Rangerhöhung
Im Monat Mai wurden die bisherigen Herren Kreisrichter Neubert und Grobe zu Kreisgerichts-Räthen ernannt.
Todesfall
Am 7ten Junius starb nach längerer Krankheit der Marktmeister und erste Polizei-Sergeant Steinborn, 35 Jahre alt: er war sehr brauchbar und treu.
Feuersbrunst
Am 19ten Junius Abends um halb 6 Uhr brannten in den vor dem breitem Thore an der Kohlgaße liegenden Scheunen in der dritten Reihe vier derselben ganz ab; die fünfte hart angränzende, deren Giebel schon das Feuer ergriffen hat, wurde noch durch die angestrengten Bemühungen unserer braven Feuerwehr gerettet.
Die Ursache der Entstehung dieses Feuers, welches in der zweiten nach Morgen zu liegenden Scheune entstanden seyn soll, ist bis jetzt nicht entdeckt worden; laut einer Bekanntmachung des Magistrats im Kreisblatt hat einer der abgebrannten Besitzer 50 rtl. Belohnung auf die Entdeckung und die Bestrafung des Verbrechers gesetzt.
Tod des Geheimen Medicinalraths und Professor Dr. med. Ehrenberg in Berlin
Am 27ten Junius früh halb 1 Uhr ist nach langem Leiden der Geheime Medicinalrath und Profeßor Dr. Christian Gottfried Ehrenberg zu Berlin an der Waßersucht und in Folge von Altersschwäche im 82ten Lebensjahre verstorben; er war in Delitzsch am 19ten April 1795 geboren. Seine Lebensbeschreibung befindet sich in dieser Chronik im vorigen Bande verzeichnet.
Witterung von April bis Junius
Die winterliche Witterung des Maerz ging fast in derselben Weise bei mehr höherm als niederm Barometerstande und vorherrschenden N.W. und N.O.W. in den April über; wir hatten weit mehr trübe, kühle, rauhe und windige Tage, als helle und schöne; dichte Nebel waren am 2ten, 4ten und 6ten bemerkbar; Schnee fiel am 13ten; ein schweres Gewitter entladete sich am 17ten Abends von 9 – ½ 10 Uhr mit gewaltigen Blitzen und Donnerschlägen und starkem Regen (B. 27,9); Tagsdarauf den 18ten folgte Vormittags ein Landregen (B. 27,6); am 22ten war wieder ein starker Landregen. Ganz in derselben Weise bey ebenderselben noch anhaltender scharfen Windrichtung und ebenso höhern Barometerstand (28,1-5) ging der Witterungslauf in den Mai über, es war an vielen Tagen deßelben empfindlich rauh und kalt, so daß derselbe wahrscheinlich nicht den Namen des Wonnemonats verdient; am 17ten früh um 4 Uhr trat sogar noch ein sehr starker , trockener Frost ein bey N.O.W. (B. 28,2), welcher die herrliche Baumblüthe der Kirschen, Pflaumen und Nüße total vernichtete und viele dieser Bäume tödtete. Gewitter traten auf am 1ten, das eine um ½ 3 Uhr Nachmittags ohne Regen, das zweite stärkere um 4 U. mit Regen aus N.O., am 25ten um 2 ¼ - 3 U. ein Gewitter aus N.O., ferner am 26ten Abends von ½ 6 – 6 U. aus W., den 27ten um 2 U., und den 31ten um ½ 6 U. Abends ein Gewittersturm aus N.W. mit wenig Regen. Nachdem nun der Witterungslauf des April und Mai in der bisherigen rauhen, schroffwechselnden Weise bis zur Mitte des Junius angehalten hatte, erfolgte endlich vom 18ten d. M. an entschiedene Wendung zum Beßern, indem die Tage desselben trotz der zwar mildern Fortdauer des N.W. u. N.O.W. heller, freundlicher und wärmer wurden (Therm +25 – 30). Zwei starke Gewitter bildeten und entladeten sich mit schönem Regen am 8ten früh von 7 – 8 und 10 – 11 U. bey N.W. u. N.O.W., sodann am 9ten früh um 7 und Mittags um 12 Uhr.
Bey dem letzteren schweren Gewitter schlug der Blitz im Dorfe Zschortau an zwey Stellen ein. Zunächst von der Thurmspitze ausgehend verletzte derselbe das Schieferdach des Thurmes erheblich, durchschlug einen starken Strebepfeiler, ist auch sichtbar in das Innere der Kirche eingedrungen, doch ohne etwas zu zerstören. In einem Gehöft drang der Schlag, vom Giebel des Wohnhauses ausgehend, durch die Oberstube in die Wohnstube und traf den am Fenster sitzenden Besitzer an Brust und Gliedern, doch ohne ihn zu tödten; die neben ihm sitzende Großmutter und ein kleines Kind blieben unbeschädigt.
Am 12ten Landregen.
Endlich hatten wir noch zwey Gewitter im Junius, das eine am 16ten von 2 ½ - 3 U., das zweyte am 30ten von 1 – ½ 2 U. mit starkem Regen und heftigen Schlägen aus N.W. nach O. Dieses letztere war sehr schwer und hat besonders in unserer Nachbarstadt Landsberg viel Unheil angerichtet, indem der Blitz die Frau des Hausbesitzers Gröner, welche vor dem Herde stehend die Speisen kochte, daselbst erschlug, ferner den 22 Jahre alten Sohn des Hausbesitzers Baumgarten in seinem ebenfalls am Fuße des Kapellenbergs gelegenen Hause in der Stube tödtete, und deßen 18 Jahre alte Tochter auf längere Zeit betäubte. Das einzige Gute, was die höchst ungünstige, rauhe Witterung dieses ganzen Frühjahrs uns gebracht hat, ist die durch dieselbe bewirkte gründliche Vertilgung der Maikäfer, dieses gefräßigen Ungeziefers, von denen wir bekanntlich in jedem Schaltjahre eine starken Flug zum großen Schaden der Bäume zu erwarten haben. Da wir in diesem Frühjahr vom 22ten April bis zum 12ten Junius, mithin über 7 Wochen, keinen Landregen erhielten und auch die frühern Gewitter mehrmals wenig oder keinen Regen mitgebracht hatten, auch der scharfe N. und O.W. sehr austrocknete, so war im Mai und Junius große Dürre auf Wiesen und Feldern entstanden, in deren Folge die Früchte auf denselben in ihrer Ausbildung zurück waren um wenigstens zwey Wochen gegen andere Jahre. Da kamen zur höchsten Zeit in der ersten Hälfte des Junius die fruchtbringenden Gewitterregen, erquickten die verdorrten Fluren, und in wenig Tagen standen wie mit einem Zauberschlage durch ein Wunder Gottes die Feldfrüchte, besonders das Wintergetreide, neu verjüngt in reicher Fülle da. Verschwunden waren alle Besorgniße wegen einer Mißernte; auch die Heuernte, obgleich um 14 Tage verspätet, ist ziemlich gut ausgefallen und seit den letzten Tagen des Junius glücklich eingebracht worden.
Gesundheitszustand
Der Gesundheitszustand war in diesem Quartal nicht so befriedigend, demgemäß aber auch die Sterblichkeit größer, als im letztem Quartal. Es kamen rheumatische und katarrhalische Leiden zur Behandlung, ferner Spitzpocken und Rachenbräune, an der letzteren starben viele Kinder. Die Zahl der Gebornen betrug 83, die der Gestorbenen 67.
Beamtenwechsel
An die Stelle des seit dem 1ten April mit einer jährlichen Pension von 540 Mark in den Ruhestand versetzten Polizey-Sergeanten Uhlig ward der bisher bey der Eisenbahn in Leipzig beschäftigt gewesene Albert Heidemann mit einem jährlichen Gehalt von 810 Mark(incl. freier Wohnung) angestellt.
Neuer Lehrer und Lehrerin
An der höheren Töchterschule sind seit dem 15ten April d. J. die Stelle eines wißenschaftlich gebildeten Lehrers und einer Elementarlehrerin neu begründet worden. Erstere ist interimistisch dem von hier gebürtigen Candidaten des höheren Schulamts Louis Rose, geboren 1854, Sohn des hiesigen Maurermeisters Rose, bisher Student der neuern Sprache in Goettingen, mit einem Jahrgehalt von 1900 Mark verliehen, die letztere Stelle dem Fräulein Auguste Ottilie Kuehn aus Berlin, geboren daselbst den 4ten August 1851, mit einem jährlichen Gehalt von 900 Mark übertragen worden.
Lehrer-Wechsel
Der Lehrer Otto Gloeckner II ging am 1ten April von hier ab, um in Weißenfels eine Lehrerstelle anzunehmen, seine Stelle erhielt der Lehrer Robert Großstück, bisher in Alsleben, welcher am 1ten Julius sein Amt antrat. Der Lehrer Lahmeyer, welcher am 1ten Januar in des nach Bernburg abgegangenen Lehrers Ernst Gloeckner I Stelle eingetreten war, wurde krank und ist am 1ten Juli ausgeschieden; seine Stelle wurde dem bisherigen Seminaristen Otto Bach, geb. zu Teuchern d. 10ten November 1855, gebildet auf dem hiesigen Schullehrer-Seminar, am 1ten Julius verliehen.
Neue Lehrer-Stelle
An der zweyten Bürgerschule wurde eine neue Lehrerstelle begründet und dieselbe dem bisherigen Seminaristen in Eisleben Trinkaus verliehen und am 1ten Mai übergeben, wo er sein Amt antrat.
Neuer Gottesacker
Da das vom Müllermeister David Thormann im Jahre 1873 zur Anlegung eines neuen Begräbnisplatzes verkaufte Feldareal von 15 Morgen rechts der Bitterfelder Chaußee hinter Offenhauers Brauerei wegen des Widerspruches des Brauereibesitzers Offenhauer nicht zu dem angegebenen Zwecke verwendet werden konnte; so traten die städtischen Behörden mit der Hospital-Inspection in Unterhandlung, und es überließ in Folge deßen die Hospital-Verwaltung von ihrem zwischen der Dübener und Beerendorfer Straße gelegenen Ackerplan von 18 Morgen 150 Quadratruten eine Fläche von 10 Morgen an die Stadt-Commun ab, wogegen diese die obigen ihr gehörigen, von Thormann erworbenen 15 Morgen dem Hospital tausch-resp. kaufweise abtrat.
Das Hospital zahlte an die Stadt-Commun, da ersteres 5 Morgen mehr erhielt, noch 2700 Mark baar heraus.
Verpachtung der Kirschen
Die diesjährigen sehr wenigen Süß- und Sauerkirschen auf den Commun-Alleen wurden für zusammen 75 Mark verpachtet. Der starke Frost am 17ten Mai früh um 4 Uhr hatte leider in Verbindung mit dem sehr scharfen N.O.W. die herrliche Baumblüthe total zerstört.
Geschenk an das Bürgerhospital
Am 15ten Julius hat der Verfaßer dieser Zeilen dem Bürger-Hospital seiner theuren Vaterstadt zum Andenken an seine fast sechsundzwanzigjährige ärztliche Amtswirksamkeit in dieser trefflichen Anstalt sein anatom. chirurg. Besteck zum Geschenk darzubringen sich erlaubt, und zu diesem Zweck nach vorheriger Anzeige bey der Wohllöbl. Hospital-Inspection dem Hausvater Schnittspahn heute übergeben. In demselben befinden sich folgende Instrumente: 1) eine große Blattsäge, 2) eine Pincette, 3) ein starkes Knorpelmeßer, 4 u. 5) zwey Bistouries, 6 u. 7) zwey Scallpells, 8 u. 9) zwey Nerven-Messer, 10) eine Lancette, 11) eine Scheere, 12) ein Arterienhaken, 13) ein Tubulus, 14 u. 15) zwey Muskelhaken, 16) eine Hohlsonde, 17 u. 18) zwey kleinere Haftnadeln, 19 u. 20) zwey größere Haftnadeln.
Der Werth des Ganzen beträgt 24 Mark (8 rtl.)
Todesfall
Am 21ten Julius ist der seit Neujahr 1854 hier angestellte und seit Anfang dieses Jahres mit 150 rtl. jährlicher Pension in den Ruhestand versetzte zweyte Polizey-Sergeant Uhlig nach kurzer Krankheit im 58ten Lebensjahre verstorben.
Verpachtung der Pflaumen
Die Pflaumen-Nutzung im Rosenthal wurde für 31 Mark verpachtet.
Todesfall
Am 8ten August starb der seit Michäelis 1868 emeritierte frühere Tertius Friedrich August Lorenz im 80ten Lebensjahre.
Selbstmord
Am 21ten August früh um 5 Uhr hat sich der Handarbeiter Barth, nachdem er die ganze Nacht vorher auf dem Tanzboden in der Grünstraße zugebracht, in seiner Wohnung im Hause der Nagelschmiedswittwe Schmidt in der Holzgaße, erhängt; derselbe war 35 Jahre alt, ein roher, höchst leidenschaftlicher, zügelloser Mensch, welcher seine Frau oft schrecklich mißhandelte.
Verkauf eines Stücks Stadtmauer
Dem Rohlederhändler August Jacob wurde Behufs Umbaues eines Schuppens zu einer Niederlage ein Stück Stadtmauer nebst Grund und Boden, zwischen dem Breiten Thor und der Pforte gelegen, in einer Ausdehnung von 91 und 2/3 Fuss (Quadratfuss d.A.) für den Preis von 75 Pf. pro Fuss, also für 68 Mark, 75 Pf eigentsächlich überlaßen.
Sedanfest
Die Feier des Sedanfestes wurde am 2ten September in der von den geistlichen und weltlichen Behörden angeordneten Weise mit einem Actus in den Schulen, liturgischem Gottesdienst, Auszug der Schützen und der Landwehr-Veteranen begangen, übrigens war die Theilnahme gegen die letzten Jahre auffallend gering, woran einen großen Theil der Schuld die bereits so lange anhaltende beyspiellose Theuerung aller Lebensmittel, z.B. das Stück Butter 8 Sgr.( Silbergroschen d.A.), trägt.
Die Leipziger Kaisertage
Am 5ten September Nachmittags ¾ 4 Uhr ging unser allgemein hochverehrter Deutscher Helden-Kaiser und König Wilhelm auf der Anhalter Eisenbahn von Berlin kommend hier durch nach Leipzig, um am 6ten und 7ten d. M. über das 12te deutsche (Königl. Sächsische) Armeecorps eine Parade und Revue abzuhalten.
Der Empfang des Kaisers war sehr glänzend und ist in dem hier beyliegenden Unterhaltungsblatte No. 36 ausführlich mitgetheilt worden.
Am 7ten September früh 8 ¼ Uhr fuhr der deutsche Kaiser Wilhelm, der König von Sachsen, ebenso alle andern in Leipzig anwesenden Fürsten, Generäle pp. meist in offenen Hofwagen, die beyden erstern in einem zusammen, über den Thonberg, Probsthayda pp. um das große Corpsmanöver des Königl. Sächs. Armeecorps, welches auf den zwischen Magdeborn und Güldengoßa gelegenen Feldern stattfand, abzuhalten. Sämtliche Uebungen wurden präcis ausgeführt.; jede Waffe löste ihre Aufgaben in bester Weise. Um 12 Uhr kehrte der Hof mit der Suite nach Leipzig zurück, und um 5 Uhr fand im Schützenhause ein großes militärisches Dejeuner dinatoire statt. Um 7 Uhr erfolgte die Abreise des Kaisers nach Merseburg; er verabschiedete sich auf das herzlichste. Hierüber sowie über seinen Empfang in Merseburg und die daselbst statt gefundene Parade und Revue des vierten Armeecorps am 8ten d. M. siehe den Bericht in der Beilage d. Unterhalt. Blatts.
Am Sonntag d. 10ten d. M. besuchte der Kaiser das ihm zu Ehren Nachmittags um 3 Uhr in der Domkirche vom Domorganist Engel unter Mitwirkung des Gesangvereins von Halle gegebene große Orgelconcert, welches sehr gut ausfiel; die Kirche war mit Zuhörern gefüllt. Am 12ten hielt früh um 8 Uhr der Kaiser mit dem König von Sachsen in Begleitung eines zahlreichen Gefolges von Fürsten, Generälen pp. das große lebhafte Corpsmanöver des 4ten und 12ten (Königl. Sächs.) Armeecorps ab, wobey das letztere über die Saale ging, einen Angriff auf das erstere machte und daßelbe nach Merseburg hin zurück drängte. Den Tag darauf reisten die Fürsten in ihre Residenzen, und die Truppen gingen in ihre Garnisonen.
Ordens-Verleihung
Der Seminar-Director Trinius hat den rothen Adler-Orden vierter Klaße vom Kaiser erhalten.
Witterung von Julius bis September
Der Witterungslauf des Julius hatte mit dem der zweyten Hälfte des Junius die größte Aehnlichkeit, sowohl was die vorherrschende Windrichtung, (N.W.W. u. W.W.) als auch den mehr höhern als niedern Barometerstand betrifft (B. 28-28,4). Die Mehrzahl der Tage war recht schön, einige sogar schon sehr heiß, wie der 7te, 14te, 25te und 31te (Th. +35).
In Folge davon bildeten sich starke Gewitter, wie am 1ten von 1 – ½ 2 Uhr Mittags und von 5 – 6 U. Abends, desgleichen ein sehr schweres am 7ten Abends von 5 – 6 U. welches sich mit heftigem Sturm und starkem Regen entladete, und wo der Blitz den mit dem Austhüren beschäftigten Windmueller Francke in Gertitz an der linken Seite traf, wo auch mehrere große verbrannte Stellen seiner Kleider dieses zeigten, und seine längere Zeit anhaltende Betäubung dies ebenfalls bewies.
In der Nacht vom 10ten zum 11ten war ein Landregen, am Abend des 19ten von 4 U. an ein Sturm, am 27ten von 3 bis 5 U. nach großer Hitze ein Gewitter ohne Regen, und am 29ten früh nach zwey schwülen Tagen von 8 – ½ 9 U. ein Gewitterregen.
Im August blieb die Windrichtung und der Barometerstand derselbe wie im Julius; dagegen stieg das Thermometer an den Nachmittagen in der Sonne von +35 – 40 Grad Reaum., besonders am 8ten dann vom 10ten bis zum 16ten, am 15ten und 21ten sogar auf 40 Grad; die Hitze, eine fast afrikanische, war wirklich sehr drückend, die Luft zu schwül und bey dem noch dazu in den letzten Wochen stattgefundenen Regenmangel trat als Folge von beyden nun große Dürre ein, welche die Preise der Lebensmittel sehr steigerte, besonders die der Butter.
Nach drei Wochen lang vorangegangenen schönen und hellen Tagen trat nun vom 22ten an ein Umschwung im Wetter ein, denn an demselben Abend erfolgte von ¼ auf 7 bis ½ 7 U. ein starkes Gewitter mit dem lange ersehnten Regen, die Schwüle und große Hitze ließ bedeutend nach und machte einer starken Abkühlung, trüben und windigen Wetter bis an das Ende d. M. Platz; der 28te und 29te waren besonders trübe und kühl, und brachten Landregen bey Tage und Nacht; d. 31te war sehr kühl und windig. B 27,6 Th. +10 W.W.
Es war der Vorbote u. Uebergang zum September.
Die Witterung des September war mit Ausnahme sehr weniger Tage gleich vom 1ten (Argidius) an bey meist niedrigem Barometerstand (Bar. 27,0-6) sehr kühl, trübe, regnigt und stürmisch; wir hatten an diesem Tage einen heftigen Gewitterregen von ¾ 10 – ½ 11 U. an, der dann als Landregen fortdauerte bis Nachmittags 2 U.; und welchem noch Abends um 5 U. ein Gewitter ohne Regen nachfolgte. Die bisherige Windrichtung ging auch mehrmals, besonders in der Mitte dieses Monats von N.W. nach N. und N.O. über. Am 6ten hatten wir von 3 – ½ 4 U. Gewitterregen in O. u. W., am 8ten Landregen den ganzen Tag (B. 27,6), ebenso am 15ten u. 16ten, (B. 27,8), ferner am 25ten Regen in der Nacht, endlich am 26ten, 27ten und 28ten Landregen, wie dann überhaupt die meisten übrigen Tage dieses Monats früh nebligt, dann feucht und regnigt waren, wodurch auch natürlich die Feldarbeit zur Bestellung für die Wintersaaten recht aufgehalten wurde. Aus dieser Mittheilung über den diesmaligen Witterungslauf des September geht nun aber auch hervor, daß die alte Wetterprophezeiung der Jäger "wie der Hirsch auf die Brunft geht, so kommt er wieder zurück" in Bezug auf den Argidius Tag sich, wie gewöhnlich auch nach meinen vieljährigen Beobachtungen von Neuem jetzt bestätigt hat.
Ernte- und Getreidefrüchte
Was die Ernte betrifft, so ist die des Roggens und Hafers nur als eine Mittelernte, dagegen die des Weizens und der Gerste als eine gute zu bezeichnen, auch die Kartoffeln haben einen ziemlich guten Ertrag geliefert. Der Centner Roggen kostet jetzt 9 Mark 50 Pf., Weizen 10 M. 75 Pf., Gerste 8 M. 17 Pf., Hafer 8 M. 58 Pf., Kartoffeln 3 M. 12 Pf.
Gesundheitszustand
Die Krankheiten im dritten Quartal d. J. waren nicht unbedeutend und die Sterblichkeit nicht so gering besonders unter Kindern, Schwindsüchtigen und alten Personen in Folge des vom Ende des August an plötzlich eintretenden und den ganzen September anhaltenden ungewöhnlich schroffen Wechsels der Witterung.
Katarrhalische, rheumatische und gastrische Leiden, so wie Ruhren, Durchfälle und Brechdurchfälle kamen zur Behandlung. Die Zahl der Geborenen betrug 94, die der Gestorbenen 84.
Drei Selbstmorde
Am 29ten September hat sich in der Nacht der Bäckergeselle Adalbert Hoyer, 24 Jahre alt, Sohn des Scharfrichterei-Besitzers Hoyer, in deßen Geschäftslocale erhängt; er war den Tag vorher aus der Fremde zurück gekehrt. Deßgleichen hat sich am 8ten October in der Nacht der Seilergeselle Carl Goettsching aus Niederoßig, 23 Jahre alt, in dem Viaduct der Halle-Sorauer Eisenbahn, durch welchen der Fußsteig von Delitzsch nach Döbernitz führt, mit einem mit einer Rehposte geladenen Doppelterzerol erschoßen.
Die kleine Kugel war von der Herzgrube aus durch den linken Flügel der Leber, das Sonnen-Nervengeflecht, den Magen und das Zwerchfell in die linke Seite der Brusthöhle gedrungen, und auf dem Gelenkköpfchen der fünften Rippe neben dem Körper des betreffenden Brustwirbels aufgeschlagen und liegengeblieben, gleich vorher aber auch noch die linke Herzkammer tödlich verwundet.
Endlich hat sich noch in derselben Nacht der Nagelschmiedtgeselle Adam Dietz, 24 Jahre alt, in der Grünstraße im Hause 462 gehängt.
Roehers Legat
Der am 26ten Februar dieses Jahres hier verstorbene frühere Gutsbesitzer in Groskyhna und seit etwa fünf Jahren Bürger und Hausbesitzer in Delitzsch, Herr Johann Gottfried Roeher, 82 Jahre 4 Monat 13 Tage alt, hat in seinem Testamente von seinem bedeutenden Vermögen auch unserer Gottesackerkirche ein sehr ansehnliches Legat im Betrag von drei Tausend Thalern (neun Tausend Mark) vermacht, welches an den hiesigen Gemeinde-Kirchenrath von den Erben ausgezahlt worden ist am 10ten September zur Kirchenkaße, wofür aber dieser bis jetzt (d. 12ten Decembr.) noch nicht daran gedacht hat dem edlen Stifter dieses bedeutenden Legats im Namen der Gemeinde den gebührenden und schuldigsten Dank in unserm Kreisblatte abzustatten, und dadurch zugleich andere Wohlthäter anzufeuern diesem hochherzigen Beyspiel zu folgen. Unser kirchliches Leben und die Moral sind tief gesunken.
Thurmbau d. Gottesackerkirche
Da der Neubau des Thurmes unserer Gottesackerkirche leider sich bis zum 1ten October verzögerte (S. pag. 577 und 611 des vorigen Bandes), mithin an eine Vollendung des Baues in dem Jahre 1875 nicht zu denken war, so mußte derselbe zumal bey dem anhaltend schlechten Herbstwetter zu Anfang des December eingestellt werden; daßelbe erfolgte auch wegen der unvermeidlichen Störungen durch den Bau mit dem Gottesdienste, welcher von Michäelis 1875 an in der Hospitalkirche abgehalten wurde bis zum Todtenfeste 1876 am 26ten November, an welchem Tage die Wiederöffnung der Gottesackerkirche stattfand. Der Thurmbau war bereits d. 26ten August mit Aufsetzung des Knopfes und Kreuzes durch den geschickten Schieferdeckermeister Robert Uhlig Nachmittags um 3 Uhr glücklich vollendet. Dieser neue Thurm ist sehr solid gebaut, eine schöne achteckige Spitzsäule mit Durchsichten ragt 50 Fuß über den Forst empor und ist eine große Zierde unserer Stadt und besonders der Kirche; der Herr Kreisbaumeister Russel, welcher den Bau gewißenhaft kontroliert und sorgfältig geleitet, hat sich hierdurch ein wahres Verdienst und großes Lob erworben. Die Baukosten waren zu 1300 rtl. veranschlagt, betragen aber 1500 Thaler. Da nun die Kirche während des Baues sehr durch Bauschutt verunreinigt worden war und die Orgel von dem Kalkstaub trotz ihrer sehr guten Verwahrung bedeutend gelitten hatte, so mußte vor der Wiedereröffnung des Gottesdienstes erst eine durchgreifende Reinigung der Kirche und Orgel vorgenommen werden.
Die Reparatur der letzteren ward unserm geschickten Orgelbaumeister Herrn Offenhauer übertragen, welcher das Werk großen Theils auseinander nehmen, besonders die Windladen und die Pfeifen gründlich reinigen mußte, und bey dieser Gelegenheit noch eine sehr zweckmäßige Verbeßerung in der 4fachen Mixtur anbrachte, nämlich in den beyden Octaven einen starken 3fachen Cornet. Die Kosten dieser Reparatur betragen 50 rtl.
Untersuchung gegen den Kämmerer Ufer wegen Kaßen-Defecte
Schon seit längerer Zeit circulierten in der Stadt sehr schlechte Gerüchte über die höchst gewißenlose und nachläßige Verwaltung des Kämmerer und Hospitalvorsteher Ufer wegen Kaßen-Defecte in den beyden ihm anvertrauten Kassen; diese Gerüchte bestätigten sich immer mehr, zumal da derselbe sogar nicht einmal durch mehrmals vom Magistrat ihm dictirte und erhobene Ordnungsstrafen bis zu 5 rtl. zur Feststellung der jährlichen Rechnung über Einnahme und Ausgabe, womit er schon über zwey Jahre im Rückstand war um den Betrug zu verdecken, gezwungen werden konnte.
Endlich zog unser allgemein verehrter Herr Landrath v. Rauchhaupt den Verbrecher zur strengen Rechenschaft und Untersuchung am 15ten und 16ten Junius; das Resultat derselben constatierte das Ufer sehr große Schuld, daß dieser ungerechte Haushalter nämlich in der Kämmerei-Kaße einen Defect von 3400 rtl. und in der Hospital-Kaße einen Defect von 300 rtl. zurück gelaßen und gemacht hatte. Hierauf ließ der Herr Landrath v. Rauchhaupt den Ufer sogleich verhaften und an das Königl. Kreisgericht zur Fortsetzung der Untersuchung abgeben, von wo derselbe am 30ten September an das Königl. Kreisgericht in Halle abgeliefert wurde, um in der Mitte des November vom dortigen Schwurgericht abgeurteilt zu werden. Aber was geschah nun? Das Kreisgericht und der Staatsanwalt hielten in der Sitzung am 15ten November ihren Spruch "Er ist schuldig" aufrecht, und die Geschwornen – sprachen ihn frei. Diese Freisprechung hat aber gar keinen Werth, denn sie lautete: "Ufer ist wegen Geldunterschlagung und falscher Buchführung schuldig, da er aber nicht weiß, wo das Geld hingekommen ist, so ist er deshalb frei zu sprechen."
An diese von Ufer auscalculierte Schwindelei glaubt hier kein vernünftiger Mensch, sie beweist aber auch von neuem, daß Schwurgerichte, die nicht aus lauter Juristen bestehen, nichts taugen.
Ufer ist nun in Disciplinar-Untersuchung genommen.
Großer Concurs der Gebrüder Schaaf
In den Jahren 1874 bis 1876 unternahmen die Gebrüder Schaaf, Söhne des hiesigen Hotelbesitzers zum Schwan, welcher im vorigen Jahre starb, auf einem großen Feldgrundstück unmittelbar am Anfang der Leipziger Straße nach Abend zu den coloßalen Bau einer Dampfmühle mit einem elegantem Wohnhaus und einer großartigen Fontaine und Kunstgarten. Alle Welt wunderte sich im Laufe des Baues, welcher von vielen Sachverständigen über 100000 rtl. abgeschätzt wurde, wo die bedeutenden Mittel zu demselben herkämen; einige sprachen von einer reichen Frau, andere von einem bedeutendem hohem Lotterie-Gewinn oder Erbschaft. Endlich als der Bau fast vollendet und das Werk mit 8 Gängen schon in Betrieb war, verbreitete sich in der Stadt am 31ten Julius Nachmittags sehr schnell die Nachricht, daß auf Andringen der Gläubiger bey den Gebrüdern Schaaf in der Dampfmühle vom Kreisgericht versiegelt worden sey, weil dieselben ihre Zahlungen an diesem Tage eingestellt hätten, und somit der Banqurott ausgebrochen war. Nun war das Räthsel gelöst; jeder erfuhr nun, daß diese Herren mit großen Schulden gebaut hatten, und die Bauhandwerker großen Theils, wie man oft genug hörte, noch nicht bezahlt worden seyen. Um die dringendsten Schulden zu tilgen, borgten die Gebrüder Schaaf bey der hiesigen Stadt-Sparkasse nunmehr bald nachher ein Kapital von 45000 rtl. auf die erste Hypothek des ganzen Häusercomplexes der Dampfmühle, Wohnhaus, das große, umfangreiche Fabrikgebäude pp. Trotzdem wurde bald nachher der Concurs eröffnet am 11ten October, und mit dem gerichtlichen Verkauf von Luxusgegenständen, schönen Pferden und Wagen, andern Thieren, vielem Federvieh, ausländischen Gewächsen der Anfang gemacht. Ob sich die Gebäude beym Verkauf gut anbringen laßen werden, muß erst noch die Zeit lehren, weil solche große nur sehr wenige und reiche benutzen können, und viel Kosten erst noch auf die Einrichtung verwenden müßen.
Beamten-Wechsel
An die Stelle des verstorbenen Polizey-Sergeanten Steinborn ist als erster Polizey-Sergeant und Marktmeister der bisherige Schutzmann Kliche in Berlin vom 1ten November an hier angestellt worden.
Witterung vom October bis zum Ende d. December
Die Witterung im ganzen Herbst war diesmal höchst unfreundlich und rauh; mit Ausnahme sehr weniger Tage im October waren die meisten bei fast täglichen Barometer-Schwankungen und schnell wechselnden Windrichtungen, besonders nach N.W. und N.O., sehr kühl, trübe und windig; am 1ten hatten wir einen starken Landregen, am 21ten, 22ten und 23ten gelinden Frost, und vom 25ten bis mit 29ten bey N.O. und O.W. wie auch hohem Barometerstand dichte Nebel. Ganz in derselben Weise ging die Witterung in den November über, derselbe brachte uns am 2ten und 3ten Landregen sowie vom 4ten bis mit 9ten Schnee und Thauwetter, dann Nebel, worauf am 12ten ein sehr kalter, heller Tag (bey N.W. früh um 7 U. Therm. –10) folgte, am 13ten aber Thauwetter und Glatteis eintrat. Die übrigen Tage des November waren größten Theils, wie schon im October, durch trübes, rauhes, nebligtes und regnigtes Wetter bey vorherrschendem N.O. und O.W. bezeichnet. Im December endlich hatten wir besonders in der ersten Hälfte deßelben in den meisten Nächten Landregen, dann vom 15ten bis mit 19ten Nebel, am 22ten und 23ten zugleich mit Frost und Schnee, dann vom 24ten bis zum 28ten sehr kalte Tage mit Schnee, an welchen das Barom. schnell von 27,9 auf 28,5 stieg, und das Thermom. von –7 auf –14 fiel. Am 28ten Mittags trat Thauwetter ein, dauerte den 29ten fort, und beschloß bei S.W. (B. 27,7) das Jahr.
Krankheiten
In Folge dieses anomalen Witterungslaufes war aber auch die Zahl der Kranken bedeutend und die Sterblichkeit zumal unter den Kindern und Alten Leuten nicht gering. Zur Behandlung kamen hauptsächlich Brustkranke, Schwindsüchtige, Lungen- und Luftröhrenentzündungen, häutige und Rachenbräune, letztere beyde bey den Kindern.
Kirchliche Nachrichten: Nach dem Neujahrszettel sind in der evangelischen Gemeinde geboren 364, und gestorben 222 in diesem Jahre. Nach den Berichten des hiesigen Standes-Amtes sind in der Stadt Delitzsch 362 geboren und 262 gestorben in diesem Jahre.
Neue Baue
Neue Wohnhäuser sind gebaut worden im Jahre 1876:
1) vom Fuhrmann Andreas Lengemann in der Mauergaße,
2) vom Zigarrenarbeiter Christoph Renner in der Wiesenstraße,
und 3) vom Bierverleger Carl Wolf in der Quergaße.
Gehalts-Erhöhungen
Da der frühere Gutsbesitzer in Großkyhna und seit fünf Jahren Bürger und Hausbesitzer in Delitzsch Herr Johann Gottfried Roeher unserer Gottesackerkirche ein bedeutendes Legat von drei Tausend Thalern vermacht hat, so hat der Gemeinde-Kirchenrath beschloßen von den Zinsen dieses Kapitals die seit 1817 mit dem Archidiaconat combinierte Katechismusprediger Stelle in ihrem Gehalt um Einhundert Thaler zu erhöhen, so daß der jetzige Inhaber derselben, Herr Archidiaconus Meinhardt und deßen Nachfolger nunmehr Achthundert Thaler Fixum beziehen; ferner hat der Gemeinde-Kirchenrath beschloßen die Stelle des Organisten an dieser Kirche, für welches Amt der jetzige Inhaber Herr Lehrer Jost nur fünfundzwanzig Thaler bisher erhielt, auf fünfzig zu erhöhen; beyde Gehaltszulagen treten übrigens schon von Michäelis d. J. an in Kraft.
Der Herr Magistrats-Aßeßor und Polizey-Anwalt Heintze, welcher sein Amt am 9ten August 1853 hier antrat, ist zu Michäelis d. J. von den Stadtverordneten wieder auf zwölf Jahre einstimmig wohlverdienter Weise gewählt worden.
Berichtigung:
Die Katechismus-Prediger-Stelle war von 1817 an bis 1841 mit dem Diaconate combiniert, von da aber wurde dieselbe für immer mit dem Archidiaconate verbunden. (s. d. Jahr 1841)
Ruchlose Tödtung von jungen Schwänen
Im October sind, wie im Julius 1868, drey junge Schwäne, dem Fischpachter Prautsch gehörig, vergiftet und auf der Schloßwiese todt gefunden worden. Die Verbrecher sind leider nicht entdeckt; man hat Schuljungens in sehr starkem Verdacht.
1877
Zur Situation im Orient
Unter dem Wechsel theils mehr, theils leider weniger glücklicher Auspizien sind wir aus dem alten in das neue Jahr übergegangen. In der Politik ist die Orientalische Frage, über welche die sechs Europäischen Großmächte Oesterreich, Rußland, England, das Deutsche Reich, Frankreich und Italien durch ihre Gesandten mit der türkischen Regierung ein halbes Jahr lang erfolglos verhandelt haben, noch immer eine brennende geblieben. Die Großmächte verlangen nichts weiter von der Türkei, als daß diese die dort wohnenden Christen, welche bisher ganz rechtlos dastanden und zu hunderten von fanatischen Muselmännern ermordet wurden, in der Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte ohne Unterschied der Religionspartei und Confession kräftig schützen, wie es in allen civilisierten Staaten der Fall ist. Rußland wird jedenfalls, um diesen Greueln ein Ende zu machen, zum nächsten Frühjahr der Türkey den Krieg erklären, und dadurch hoffentlich die usurpierte Existenz dieses schon seit längerer Zeit in einem innern starken Auflösungs- und Verwesungsproceße begriffenen Staates in Europa vernichten, denn gelöst muß diese Frage doch werden.
Im deutschen Reich
In Deutschland sieht es jetzt auch nicht zum Besten aus; Handel und Gewerbe stocken seit Jahr und Tag gewaltig und der Credit ist tief gesunken;
Schwindelei und Betrug sind an der Tagesordnung und in Folge davon bedeutende boshafte Banquerotte befördert durch den Actien und Börsen-Schwindel, welche so wie die unbeschränkte Gewerbefreiheit oft noch durch heillose Gesetze und Intriquen zum großen Nachtheil der armen Gläubiger und Handwerker pp. begünstigt werden, so daß hier das alte Sprüchwort eintrifft "Die kleinen Diebe fängt man, aber die großen läßt man laufen." Die Sucht schnell reich zu werden, ob mit Recht oder Unrecht, ist fast allgemein.
Weil nun bey der anhaltenden Geschäftsstockung viele große und kleinere Fabrikanten und Industrielle ihre sehr großen maßenhaft aufgehäuften Vorräthe von Fabrikaten nicht mehr so wie früher absetzen konnten, so waren sie gezwungen die Zahl ihrer, durch zu hohe Löhne verwöhnten Arbeiter wenigstens um die Hälfte zu vermindern, wobey, wie sich leicht denken läßt, daß Los der Entlassung doch gewiß nur die minder Brauchbaren traf. Die Tausende dadurch brodlos gewordenen Arbeiter überschwemmten nun seit Anfang des vorigen Jahres als Bettler und Vagabunden ganz Deutschland, und belästigten mit ihren oft frechem Betragen und unverschämten Forderungen bis jetzt noch die Städte und besonders die Dörfer. Das war Waßer auf den Communisten und Socialisten ihre Mühle, deren es auch bey uns einige gibt; hier hat aber bey den letzten Wahlen im Januar zum Reichstage und Abgeordneten-Hause die liberale Partei unsern allgemein verehrten Herrn Landrath von Rauchhaupt und ebenso den Herrn Kreis-Gerichtsdirector Thilo mit großer Majorität wieder gewählt. Ueber unsere Stadt ist noch zu bemerken, daß trotz aller Klagen über Noth und schlechte Zeiten die Vergnügungssucht, der Luxus, das den Wohlstand, die Gesundheit und das häusliche Glück total zerstörende Wirtshaus- und Kneipenleben noch immer fortdauert, und Ausbrüche von Rohheit und Auflehnung gegen die Sittlichkeit, besonders bei der männlichen Jugend immer häufiger beobachtet werden.
Schwere Diebstähle
Endlich sind auch in den letzten Monaten mehrere schwere Einbruchs-Diebstähle verübt worden:
1) bey dem Zeugschmiedt Fritsche am Kirchhof in der Nacht vom 1ten 2ten December (Geld und Wertsachen);
2) in den Zwinger-Salon der Frau Dr. Gerber, in der Nacht vom 24ten-25ten December 1876 (Zerschlagung zweier schöner Spiegel im Salon, und empörende Verunreinigung deßelben);
3) bey dem Kürschnermeister Seiffert in der Breiten Straße am 5. Januar 1877 Abends zwischen 6-7 Uhr; (Diebstahl von Pelzwaaren aus dem Schaufenster nach Eindrückung einer Glasscheibe);
4) in die Scheune des Maurermeister Voigt in der Nacht vom 24ten zum 25ten Januar 1877 (ein halber Wispel Weizen).
Von diesen 4 Diebstählen ist bis jetzt, den 16ten Februar, nur der dritte entdeckt wurden und zwar noch an demselben Abend auf frischer That, der Thäter ist die höchst übel berüchtigte und abgefeimte Diebin und Betrügerin, die Frau des Handarbeiters Pampel, welche wegen Diebstahls bereits fünf Jahre in unserm Zuchthaus gesessen hat und erst vor 1 ½ Jahren aus demselben entlaßen worden ist.
Epizöotie von Lungenseuche und Rinderpest.
Am Schluß dieses Artikels muß noch erwähnt werden, daß in unserer nächsten Umgebung in einigen Dörfern und Rittergütern, besonders in Schenkenberg und Storkwitz die Lungenseuche und Rinderpest, letztere durch kranke Thiere aus Rußland und Polen hier eingeschleppt im vorigen Jahre heftig aufgetreten ist, besonders in den genannten Rittergütern, und deren Viehbestand sehr großen Schaden zugefügt hat, weshalb auch die Butter immer noch sehr theuer blieb. Da diese Krankheiten ansteckend (contagiös) sind, so mußten die betreffenden Gehöfte gesetzlich abgesperrt und viele kranke Thiere getödet werden, um die weitere Verbreitung zu verhüten, was durch strenge Ausführung zweckmäßiger Maaßregeln gelungen ist. Seit der Mitte des Januar ist die Sperre wieder aufgehoben, mithin diese Epizöotie als verloschen erklärt.
Unglücksfall
Der Zeitungs-Colporteur Paul aus Eilenburg, welcher am 30ten Januar in Geschäften hier war, verunglückte an diesem Tage um halb zwey Uhr, wo er des Müllermeister Werners Windmühle verließ, in den gehenden Mühlruthen und erhielt zuerst einen Streifschlag an die rechte Seite des Stirnbeins mit einem tiefen Eindruck deßelben und zerbrochenen Knochenstücken; sodann empfing er noch einen sehr heftigen Schlag auf den linken Fuß, welcher einen starken Bruch des Schienbeins ziemlich in der Mitte verursachte. Mangel an Vorsicht und Kurzsichtigkeit sollen die Ursachen des Unglücks seyn. Der Kranke liegt nun schon 18 Tage im Stadt-Krankenhaus; der Ausgang ist ungewiß.
Neues Auftreten der Rinderpest
Da neuerdings wider Erwarten besonders im Königreich Sachsen in den Grenzdörfern bey Leipzig und auch in der Dresdner Gegend die Rinderpest mit Heftigkeit wieder aufgetreten ist, so macht der Magistrat höherer Anordnung zu Folge bekannt im Kreisblatte vom 19ten Februar, daß die Viehbesitzer ihren Viehbestand streng zu überwachen haben, und bey der geringsten Beobachtung verdächtiger Symptome der Krankheit diese zur Anzeige bringen, und sich den bereits angeordneten oder noch anzuordnenden Absperrungs-Maaßregeln nicht zu widersetzen, bey Vermeidung einer Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahre, nach Umständen auch bis zu zwey Jahren. Um die weitere Verbreitung der Seuche zu verhüten, sind auch die jetzt fallenden Vieh- und Jahrmärkte, wie Düben, Eilenburg verboten worden.
Am 21ten Februar erhielt aber das Königl. Landraths-Amt von der Hochlöbl. Regierung in Merseburg folgendes Telegramm zur Beruhigung: "Weder in Thallwitz, als an anderen Orten der Umgegend Rinderpest!"
Eisenbahnsteuer
Von der Berlin-Anhalter Eisenbahn-Gesellschaft erhielt unsere Commun für das Jahr 1876 als Eisenbahn-Steuer 1837 M 50 Pf.
Braunkohlenwerk. Das hiesige Braunkohlenwerk hat fast im ganzen vorigen Jahre eine guten Fortgang gehabt und viel Förderkohle verkauft; nur in der Mitte des Sommers fand eine zeitweise Unterbrechung statt, weil eine starke Waßerfluth in den Schacht dermaßen durchgebrochen war, daß indemselben ein Erdfall und auf der Oberfläche des an der Mitternachtsseite der Landstraße liegenden, mit Kartoffeln bepflanzten, Communfeldes ein sehr großes Loch entstanden war, wofür die Delitzscher Braunkohlen-Actien-Gesellschaft Entschädigung leisten mußte. Der Bergw. Dir. Peter ist seit Johannis v. J. abgegangen, an seine Stelle trat der Obersteiger Balkow aus Stummsdorf. Um Knorpelkohle zu erhalten, muß erst noch ein neuer Schacht erbaut werden; wir sind noch nicht am glücklichen Ziel.
Unglücksfälle
Am 28ten Februar verunglückte der fast zweyjährige Sohn des Zigarrenarbeiters Carl Lebrun im Rauche durch Erstickung; das Kind war nämlich leider in der Wohnung eingeschloßen im Bette gelaßen worden, das Feuer im Ofen hatte das hinter demselben liegende Holz ergriffen und dieses einen ganz in der Nähe hängenden Rock entzündet, und die Stube mit Qualm angefüllt; es ist mithin dieser Fall eine Tödtung durch Fahrläßigkeit. Ferner verunglückte am 3ten Maerz der 5 Jahre 8 Monate alte Pflegesohn des Schuhmachermeister Erdmann Schneider durch eine heftigen Sturz von der Höhe einer Treppe herab, auf welcher er von oben nach unten sehend ausgleitete und am Boden auf das Stirnbein gewaltig aufschlug, deßen Zerschmetterung in mehrere Knochenbruchstücke, Zerreißung der Gehirnhäute, Austritt von Blut in das Gehirn und somit auf der Stelle den Tod zur Folge hatte. Ein offene Wunde an der rechten Seite des Stirnbeins war zwar nicht vorhanden, aber der bedeutende Blutstrom aus Mund und Nase bewies hinlänglich, welche gefährliche Zerstörungen dieser Sturz in der Schädelhöhle verursacht hatte.
Feier d. 80ten Geburtstages d. Kaisers
Der 22te März, der Tag an welchem unser ehrwürdiger hochverehrter Kaiser Wilhelm sein achtzigstes Lebensjahr vollendete, ist auch bey uns festlich und feyerlich begangen worden. Schon am Vorabend um 8 Uhr führte der Veteranen- und Landwehr-Verein einen solennen Zapfenstreich und am nächsten Morgen eine dergleichen Reveille auf. Um 10 Uhr Vormittags wurde in der Stadtkirche vom Herrn Superintendent Leipoldt ein Festgottesdienst abgehalten, und von 11 Uhr an fanden im Königlichen Schullehrer-Seminar und den Bürgerschulen Redeactus mit Gesang und Gebet statt. Möge Gott den noch sehr rüstigen Heldenkaiser zum Segen des Deutschen Vaterlandes noch lange so erhalten!
Bestrafung
Von den erwähnten schweren Diebstählen sind die Thäter entdeckt und von dem Königl. Kreis- und Schwurgericht zu Halle in den Sitzungen vom 24ten und 26ten Maerz 1877 bestraft worden. Die beiden ersten sind bis jetzt noch nicht entdeckt.
Witterung vom Januar bis Ende des Maerz
Der Witterungslauf des ersten Quartals war im Januar bey fast täglichen Schwankungen des Barometers und deßen in der ersten Hälfte deßelben mehr niederem (27,3 – 27,8), in der zweiten dagegen mehr höherem Stande (28 – 28,5), so wie auch bey vorherrschenden N.W.W. und S.W.W. trübe und rauh, nebligt, regnigt u. stürmisch; am 31ten Tag und Nacht tobte ein heftiger Orkan (Bar 27,4). Frost gering, Schnee, welcher gleich schmolz, wenig. Im Februar hielt das Wetter in der bisherigen Weise an; es regnete besonders viel, so daß wir am 9ten großes Waßer hatten; am 10ten und 11ten Landregen, auf welche Abends bis in die Nacht Sturm folgte. Am 25ten und 26ten wüthete wieder ein Orkan (Bar 27,3), worauf am 27ten sehr gelinder Frost (Therm. früh 0) und starker Schneefall eintrat. Der Barometerstand und die Windrichtung wie im Januar. Das letztere gilt auch ebenso wie das oben vom Witterungslauf Gesagte für den Maerz. In den drei ersten Tagen deßelben und dann bloß noch am 10ten hatten wir früh 3-5 Grad Kälte bey N.W.W. u. O.W.; die Mehrzahl der übrigen ziemlich gleich denen im Januar und Februar, und besonders durch dichte Nebel, Schnee, Regen und stürmisches naßkaltes Wetter bezeichnet. Am 30ten hatten wir früh einen Nebelregen bey N.W.W. und dann Nachmittags bey S.W. von 2-3 Uhr u. von 5-6 Uhr zwey starke Gewitterregen.
Krankheiten
Was von den herrschenden Krankheiten im letzten Quartalsbericht gesagt ist, gilt ganz auch von diesem Quartal, in welchem auch öfters Diarrhöen durch Erkältung entstanden sind und zur Behandlung kamen.
Gedenktafel
Am 19ten April wurde am Hause des Brauereibesitzers Fritzsche in der Halleschen Straße über der Eingangsthüre eine weiße Marmortafel zum Andenken an unsern daselbst gebornen Ehrenbürger, den großen Naturforscher Dr. und Prof. Christian Gottfried Ehrenberg, angebracht. S. die Beilage des Delitzscher Kreisblatts.
Sparkassenrendant
Am 17ten April ist als Nachfolger des zum 1ten Julius in den Ruhestand wegen Altersschwäche tretenden Sparkaßen-Rendanten Thaerigen der bisherige Buchhalter Scheibe in Berlin, ein Sohn des hiesigen Glasermeister Scheibe, erwählt worden.
Jubelfeste
Am 22ten April feierte der hiesige Herr Postmeister Hein sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Nachdem ihm in den Morgenstunden ein Ständgen gebracht worden war, erschien zuerst der Herr Oberpost-Director und Geheimer Rath Braune von Halle, und überbrachte dem würdigen Jubilar im Namen und Auftrag Sr. Majestät des Kaisers den ihm verliehenen rothen Adlerorden vierter Klaße mit den herzlichsten Glückwünschen. Nach dem Vormittags-Gottesdienst statteten noch der Herr Landrath v. Rauchhaupt, Deputationen des Kreisgerichts und des Magistrats, die Postbeamten und viele Freunde und Bekannte dem sehr gerührten Jubilar ihre aufrichtigsten und besten Glückwünsche ab. Am Tage darauf, den 23ten April, feierte auch der hiesige Gürtlermeister und Raths-Bauverwalter Krause sen. sein fünfzigjähriges Bürgerjubiläum, bey welcher Gelegenheit Deputierte des Rathes und der Stadtverordneten und viele seine Mitbürger demselben ihre herzlichsten Glück- u. Segenswünsche darbrachten.
Lehrerwechsel
a) an der höheren Bürgerschule
Der Lehrer Dr. philos. Bruno Moltheuer ging am 1ten April ab, um eine Stelle an der Realschule in Aschersleben anzunehmen. An seine Stelle trat der bisherige ordentliche Lehrer Gustav Haacke. An deßen Stelle wurde der Cand. theol. et. philol., bisher im Convict des grauen Klosters Gymnasiums zu Magdeburg, Friedrich Matthies angenommen.
b) an den Volksschulen
Die beyden Lehrer an den hiesigen Bürgerschulen: Hugo Trinkaus und Julius Voigt gingen am 1ten April ab, ersterer um eine Lehrerstelle in Gablenz bey Chemnitz im Königreich Sachsen anzutreten, letzterer, um in Eilenburg die Müller-Profeßion zu erlernen. Beyde Stellen sind noch unbesetzt.
Beamtenwechsel
Der Polizey-Sergeant Kliche, welchem seine Stelle nach abgelaufener sechsmonatiger Probezeit wieder gekündigt worden war, schied am 25ten April aus seiner Stellung, um in Stadtlohn, Kreis Ahaus in Westphalen, in den Königl. Steuer-Dienst einzutreten.
Todesfall
Am 6ten Mai starb nach kurzem Krankenlager in Folge eines Schlaganfalles der seit dem 1ten Julius 1874 emeritierte Stadtmusikus Franz Hofmann im fast vollendeten 67ten Lebensjahre. Sein Musikchor war ebenso, wie bey seinem am 29ten Julius 1838 im 73ten Lebensjahre verstorbenen Vater, deßen Amtsnachfolger er wurde, im besten Stande und zeichnete sich stets besonders beym Blasen der Choräle, durch Reinheit und Sicherheit aus; kurz, er bildete seine Gehülfen und Lehrlinge sehr gründlich aus, von denen mehrere später als Hauptboisten bei dem Militär oder als Kammermusiker ihr Glück gemacht haben.
Grellmanns Tod
Am 15ten Mai starb nach vierzehntätigem Krankenlager unser treuverdienter, ehrwürdiger Organist und Lehrer Herr Carl Gottfried Grellmann im fast vollendeten 82ten Lebensjahre. Kirche und Schule hat einen großen Verlust erlitten, besonders erstere, was die Gemeinde an jedem Sonn- und Festtage schmerzlich empfindet und bitter beklagt, weil bey dem kläglichem Chorgesang und erbärmlichem Orgelspiel im jagendstem Tempo mit dem Wegfall der Zwischenspiele der Choral so sehr verstümmelt wird, daß fast Niemand mehr mitsingen kann, weshalb viele den Gottesdienst vermeiden.
Grellmann war ein ausgezeichneter, regelrechter und ausdrucksvoller Choralspieler, welcher den Gesang der Kirchengemeinde richtig zu leiten verstand, dies war sein größter Verdienst. Auch bildete derselbe viele junge Leute durch seinen gründlichen Unterricht im Pianoforte- und Orgelspiel zu ihrem künftigen Beruf als Lehrer und Organisten mit bestem Erfolge aus, und der Verfaßer dieser Zeilen ruft ihm deshalb noch für das, was er durch zehnjährigen musikalischen Unterricht an seinem vor drei Jahren leider viel zu früh verstorbenen Pflegesohn, den Lehrer und Organisten R. J. Voigtmann in Sangerhausen gethan hat, den innigsten Dank über das Grab nach. Grellmanns Andenken wird bey uns in Segen bleiben. Friede seiner Asche!
Beamtenwechsel
Am 16ten Mai wurde der Stadtsteuer-Einnehmer Julius Braune als Hospital-Vorsteher, welches Amt derselbe schon seit Ufers Verhaftung zur vollen Zufriedenheit der Behörde interimistisch verwaltet hatte, von der Hospital-Inspection feierlich verpflichtet.
Todesfall
Am 29ten Mai starb hier im Hause seiner Aeltern, wo er sich Krankheitshalber schon längere Zeit aufhielt, der Kaiserliche Postsecretär Julius Adolph Poerschmann, bisher in Halle angestellt, im 29ten Lebensjahre an der Lungenschwindsucht. Er war ein Sohn des Fleischermeister Poerschmann, und ein moralisch guter junger Mann, ein sehr begabter, kenntnisreicher und brauchbarer Postbeamter, ein Zögling unserer Realschule, deßen früher Tod allgemein beklagt wird.
Storchennest
Als Seltenheit verdient hier aufgezeichnet zu werden, daß seit Anfang des Mai zwey Störche ein Nest auf der östlichen Giebelspitze der alten, einzigen noch vorhandenen, am Gerberplan isoliert gelegenen dem Oeconom Baer gehörigen Strohscheune zu bauen anfingen und den Bau zu Stande brachten, worüber besonders die vielen Spatziergänger auf der Allee sich freueten, weil selbst die ältesten Leute im Orte sich eines ähnlichen Falles nicht zu erinnern wißen. Man fürchtete, daß diese Thiere durch das in diese Zeit vom 22ten bis mit 27ten Mai fallende große Scheibenschießen der Schützen-Compagnie gestört und verscheucht werden mögten, was aber nicht der Fall war. Leider lauerte ein anderer furchtbarer Feind im Hintergrunde, welcher höchstwahrscheinlich seine Wohnung in der Scheune selbst hatte, ein Marder. Dieses besonders dem Federvieh so gefährliche Raubthier, an dem nichts weiter gut ist, als sein Fell, hatte durch das Aussaufen der Eier die armen Störche aus ihrem friedlichen Wohnsitz vertrieben; seit den ersten Tagen des Junius haben sie das Nest ganz verlaßen, und sind seitdem zum allgemeinen Bedauern nicht mehr sichtbar.
Schloßthurm
Während der Zeit vom 1ten Mai bis zum 9ten Junius wurde das ganze Dach unsers schönen Schloßthurms von dem hiesigen Schieferdeckermeister Robert Uhlich neu mit Schiefer gedeckt; die Kosten dieser bedeutenden, nothwendigen Reparatur betragen 300 Thaler. – Die letzte starke Dachreparatur dieses Thurmes fand im Sommer 1825 statt, und wurde von dem später im September 1832 durch einen Sturz vom Dach unserer Stadtkirche verunglückten Schieferdeckermeister Schindler aus Bitterfeld verrichtet. (S. den vorigen Band dieser Chronik)
Verpachtung der Kirschen und Pflaumen
Die der Commun gehörigen Kirschalleen wurden für die Summe von 1234 Mark 50 Vl verpachtet, und die Pflaumenplantagen für den Preis von 126 Mark.
Witterung vom April bis Ende des Junius
Der Witterungslauf im zweiten Quartal war im April und Mai, was die Temperatur, die Windrichtung, den Stand des Barometers und Thermometers betrifft, ganz die Fortsetzzung deßelben aus dem ersten Quartal; nun ist noch zu bemerken, daß in Folge des schon voraus gegangenen und noch fortdauernden Mangels an Schnee und Winterfrucht und vielem Wind (W. W. u. N. W. W.) viel Trockenheit und große Dürre entstand, wodurch natürlich zumal bey den größten Theils sehr rauhen und kalten Tagen und trüben Himmel die Vegetation sehr zurück gehalten, aber auch die Entwicklung der Maikäfer total zerstört wird. Der einzige Regen, welchen wir in im April und Mai hatten, war am 10ten Mai Mittag um 1 Uhr ein nur mäßiger Gewitterregen aus N. W. Starke Nachtfröste, die den Baumblüten hätten den Tod bringen können, sind in diesem Frühjahr nicht vorgekommen. Vom 1ten Junius an trat nun sehr schönes, warmes den ganzen Monat über anhaltendes Wetter ein bey meist W. W. und S. W. W. und B 28 – 28,3 u. Th. + 20 – 25 im Schatten; die Vegatation holte jetzt das Versäumte in etwa zehn bis zwölf Tagen nach, besonders auf den Wiesen und bey dem Wintergetraide, wozu ein starker Gewitterregen am 6 ten d. M Abends von 7 – 7 ½ Uhr, und später ein Nebelregen, am 27ten viel beitrugen. Die Heuernte ist übrigens recht gut ausgefallen, und bei schönem Wetter eingebracht.
Krankheiten
Der Krankheitszustand war in diesem Quartal befriedigend, und die Sterblichkeit nicht so bedeutend; es traten auf Halsentzündungen, katarrhalische und rheumatische Leiden, gastritische Fieber u. Diarrhöen. Die Todesfälle betrafen alte Leute, Schwindsüchtige u. kleine Kinder.
Kindermord
Am 1ten Julius hat im Hause des Schankwirths Schumachermeister Zieprich die daselbst dienende Auguste Machlet ein lebensfähiges Kind geboren, und durch Erstickung getödet, was die am folgenden Tage vom Herrn Kreisphysikus Dr. Kanzler unternommene Section durch die hydrostatische Lungenprobe völlig bestätigt hat.
Selbstmord
In der Nacht vom 13ten zum 14ten hat sich der 20 Jahre alte Uhrmachergehülfe Carl Rudolph Brueckner, Sohn des hiesigen Steuereinnehmer Brueckner, in dem Hause des Uhrmachers Rose erschoßen.
Beamtenwechsel
Am 1ten Julius ist an die Stelle des in den Ruhestand versetzten Sparkaßen-Rendanten Thaerigen der bisherige Buchhalter in Berlin Scheibe, ein Sohn des hiesigen Glasermeisters Scheibe, getreten.
Restauration des Schultzeschen Denkmals
Das schöne Denkmal, welches dem großen Wohlthäter unserer Stadt und besonders der Gottesackerkirche Dr. jur. Christian Schultze seine zweite Gattin, eine geborene Tischer, an der Abendseite dieser Kirche bald nach seinem Tode von Sandstein hat errichten laßen, hatte im Laufe der Jahre sehr gelitten. Besonders war dies der Fall, als d. 15ten Mai 1755 ein gewaltiger Blitzstrahl den Giebel der Kirche, auf welcher damals noch kein Thurm stand, zerstörend traf; da das Denkmal ganz vergoldet war, wovon man noch in neuerer Zeit die Spuren am obern Simse sehen konnte, so schwärzte das electrische Feuer die ganze Vergoldung, sprengte auch von den beyden obern Engeln und den beyden untern lebensgroßen Figuren, der Religion und Gerechtigkeit, zum Theil Arme und Füße ab, welche Trümmer lange unten lagen, bis sie endlich abhanden kamen. Endlich sind nun diese bedeutenden Schäden von unserm Bildhauer Herrn Zwanzig im Junius und Julius d. J. gründlich und sauber repariert worden, die Kosten betragen (nichts eingetragen)
Berichtigung
In Bezug auf den oben voriger Seite mitgetheilten Kindermord muß noch bemerkt werden, daß die Auguste Machlet aus Sangerhausen, 24 Jahre alt, weil sie behauptet zum ersten Male und ohne den Beistand einer Hebamme geboren zu haben, und während des Geburtsactes im Zustande der Bewußtlosigkeit sich befunden zu haben, vom Königl. Kreisgericht frei gesprochen worden in deßen Sitzung am 1ten August.
Lehrerwechsel
Die beyden am 1ten April erledigten Stellen der Lehrer Voigt und Trinkaus sind am 1ten Julius durch Friedrich Keil, bisher Lehrer in Gelsdorf bei Güterbog, und Gotthold Schiller, bisher hier Seminarist, neu besetzt worden.
Feuersbrunst
Am 2ten August früh kurz vor 2 Uhr wurden wir durch Feuerlärm verschreckt; es brannte in der Leipziger Vorstadt der auf einem dem Oeconom Scharf gehörigen, gemietheten Platze ganz isoliert stehende Holzschuppen des Zimmermeisters Bertholdt; an das Löschen war gar nicht zu denken, denn, als unsere sehr schnell herbey geeilte Feuerwehr ankam, stand der ganze Schuppen mit seinem bedeutenden Bauholz-Vorräthen in gewaltigen Flammen. Wie man hörte, war auch im Publikum das Gerücht stark verbreitet, daß der gg. Bertholdt um dieselbe Zeit sehr mit der Regulierung seiner angeblich zerrütteten Finanzen beschäftigt sein, und in Folge einer Klage von einem Gläubiger wegen einer nicht geringen Schuldforderung die Execution und Auspfändung vom Kreisgericht gegen ihn verfügt sein sollte.
Durchreise des Kaisers Wilhelm
Am 10ten August ging unser ehrwürdiger Deutscher Kaiser und König auf der Reise von Gastein kommend Nachmittags um 2 Uhr im strengsten Incongnito auf der Berlin-Anhalter Bahn hier durch nach Potsdam. – Desgleichen war auch an demselben Tage der neue Regierungs-Präsident von Merseburg, Herr v. Diest, hier anwesend., und hielt mit dem Herrn Landrath v. Rauchhaupt eine Revision beym Magistrat; mit dem Resultat war er zufrieden.
Der bisherige Chronist Dr. medicinae August Ferdinand Ideler ist am 21. August 1877 verstorben.
Derselbe hat sich nicht nur durch sein selbstloses Wirken in hiesiger Stadt als Arzt und Chronist, sondern auch dadurch ein bleibendes Gedenken verdient, daß er der hiesigen Gottesackerkirche die Summe von 3000 M hinterlassen hat mit der Bestimmung (hinterlassen hat), daß diese Summe zur Anschaffung einer Thurmuhr mit 1200 M verwendet werden soll und daß die Zinsen der verbleibenden 600 T. – 1800 M für Aufziehen und Stellen der Uhr verwendet werden sollen. Dr. Ideler hat ein Alter von beinahe 76 Jahren erreicht. Sein Grab – ohne Denkstein – befindet sich linker Hand dicht am Portal des Schultzischen Epitaphiums der Marienkirche.
Orkan
Am 27. August Mittags gegen 12 Uhr zog ein furchtbares Unwetter über unsere Stadt. Der Regen fiel wolkenbruchartig hernieder begleitet von einem Storme, welcher die Bedachungen der Häuser mit sich fortführte, Fenster zertrümmerte und Bäume wie Strohhalme zerknickte. Die schönsten Zierden unseres Schützenplatzes, drei Linden, welche hunderte von Jahren hier auch allen Angriffen widerstanden hatten, wurden entwurzelt. Ebenso entstand in der städtischen Forst durch Windbruch bedeutender Schaden.
Sterbefall
Am Sonntage, dem 25. November, also am Todtenfeste starb plötzlich der Rector der hiesigen Stadtschulen Herr August Niebecke. Derselbe war erst am 1. Februar 1873 in sein Amt eingetreten. Ihm folgt die Liebe von Jung u. Alt zur Ruhestätte. Alter: 39 Jahre
1878
Einbruch
In der Nacht vom 3. zum 4. Januar wurde ein Einbruch in die Stadtkirche verübt. Die Einbrecher müssen jedenfalls gestört worden sein da nur Kleinigkeiten vermißt werden, die Wertgegenstände aber unversehrt sind.
Diamantene Hochzeit
Am 1. Februar feierten die Kaufmann Kocheschen Eheleute das Fest der diamantenen Hochzeit.
Trottoir
Am 5. Februar beschloß die Stadtverordneten-Versammlung die Eilenburger Straße zu pflastern und gleichzeitig die Bürgersteige mit Granitplatten zu belegen.
Attentat
Am 11. Mai 3 ½ Nachmittags wurden zu Berlin unter den Linden auf Seine Majestät den Kaiser mehrere Revolverschüsse abgefeuert. Glücklicher Weise ist Se. Majestät unverletzt. Der Jubel über das Mißlingen ist unbeschreiblich. Auch im hiesigen Orte wurde der Freude durch Flaggen Ausdruck gegeben. Der Thäter Klempnergesell Hödel aus Leipzig ist verhaftet. Gott schütze Se. Majestät!
Ausstellung
Am 28. u. 29. fand auf hiesigem Schützenplatze und dem Viehmarktsplatze eine Thierschau und Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen statt. Dieselbe war wohl gelungen und wurde von 6. bis 7000 Menschen besucht.
Attentat
Am 2. Juni wurde ein neues Attentat auf Seine Majestät unsern Kaiser ausgeübt. Der Kaiser ist an Kopf und Arme durch Schrotschüsse verwundet. Der Attentäter heißt Wobilling. Die Entrüstung und Trauer kennt keine Grenzen.
Neuer Gottesacker
Am 1. August fand die Einweihung des neuen Gottesackers an der Dübener Straße unter Beteiligung der Geistlichkeit, der Stadtbehörde und der Gemeinde statt. Zur Anlage desselben ist ein 10 Morgen enthaltendes Grundstück von dem Hospital hierselbst gegen ein Grundstück hinter Offenhauer Brauerei eingetauscht worden. Nach den Beschlüssen der Stadtbehörde sollen vorläufig jedoch nur 6 Morgen zum Begräbnisplatze verwendet werden. Es sind nach einem Plan von Bauinspektor Russel zwei äußerlich gleiche Gebäude an der Straßenseite des Gottesackers errichtet von welchem das eine die Wohnung des Kirchhofgärtners das andere die Leichenhalle enthält. Zwischen den Gebäuden befindet sich ein vom Schlossermeister Bier gefertigtes Thor. Die gärtnerische Anlage ist von dem Gärtner Gleitsmanns nach einem notificierten Plane des Gärtners Peter in Leipzig ausgeführt.
Amts-Jubiläum
Am 1. August feierte der besoldete Magistrats-Assessor Beigeordnete Heinze sein 25jähriges Jubiläum als Mitglied des hiesigen Magistrats. Derselbe wurde von dem Magistrat und einer Deputation der Stadtverordneten beglückwünscht. Die Magistratsmitglieder übergaben zur Erinnerung an den Tag einen Sorgenstuhl und die Stadtverordneten übergaben einen Regulator. Die Subalternbeamten des Magistrats überreichten später einen silbernen Pokal.
Brückenbau
Die Loberbrücke am neuen Thore war so schlecht geworden, daß die städtischen Behörden den Neubau beschließen mußten. Heute am 14. August wurde mit dem Abbruch der alten Brücke begonnen. Der Neubau erfolgt nach neuem Plane des Bauinspektors Russel durch den Zimmermeister Pannicke.
Städtische Badeanstalt
Auf dem Grundstück der städtischen Badeanstalt ist von dem Inspektor Jenko auf seine Kosten eine Badeanstalt für warme Bäder errichtet wurden. Auf Antrag des Magistrats beschloß die Stadtverordneten-Versammlung in ihrer Sitzung am 13. October die Erwerbung dieser Anstalt. Es sollen in derselben sowohl Armen, als auch weniger bemittelten Bürgern freie Bäder gewährt werden. Die Mittel zum Ankaufe sollen aus den Revenüenüberschüssen der Sparkasse entnommen werden.
Jubiläum
Der Gefangenenaufseher Nortke feierte am 12. Dezember sein 50jähriges Amts-Jubiläum.
1879
Verein
In der ersten Hälfte des Januar wurde hier ein Vogelschutzverein gegründet. Derselbe macht es sich zur Aufgabe unseren gefiederten Trägern im harten Winter Schutz vor Hunger und im Frühjahr angemessene Brutstätten zu gewähren.
Breite Straße/ Schulstraße
In Folge Beschlusses der städtischen Behörden soll im Laufe dieses Sommers die Neupflasterung der Breiten Straße u. der Schulstraße sowie Trottoirlegung in diesen Straßen erfolgen. Die Pflastersteine sind aus den Steinbrüchen bei Wurzen und die Granitplatten aus Camenz bezogen. Die Steinsetzarbeiten sind dem Steinmetzmeister Schmölling in Leipzig übertragen. Bei dieser Gelegenheit soll auch die breite Thorbrücke mit einem eisernen Geländer versehen werden. Der Kostenanschlag beträgt 28500 Mark.
Kaisers goldene Hochzeit
Am 11. Juni d. J. feierte unser erlauchtes Kaiserpaar das Fest der goldenen Hochzeit. Es war dieses Fest Veranlassung , daß der Tag im ganzen deutschen Vaterlande als ein patriotischer Feiertag begangen wurde. Auch unsere Stadt hatte ein festliches Gewand angelegt. Fast von jedem Hause wehten deutsche und preußische Fahnen. In den Schulen wurde durch festlichen Actus dem Festjubel Ausdruck gegeben. Von 10 bis 11 Uhr fand unter Beteiligung der Behörden Gottesdienst statt. Von 11 bis 12 koncertierte das Stadtmusikkorps auf dem Rathaus-Balkon. Von 12 bis 1 Uhr während der feierlichen Einsegnung des Allerhöchsten Jubelpaares wurde mit sämtlichen Glocken geläutet. Nachmittags fand Aufmarsch und Festschießen der Schützengilde statt.
Gericht
Mit dem heutigen Tage – der 1. October – wird das hiesige Königl. Kreisgericht in Folge der Reichsgesetzgebung aufgelöst und es wird künftig nur ein Amtsgericht mit drei Richtern die Justizpflege zu versehen haben. Bisher waren am Kreisgericht 6 Richter thätig. Nach den Reichsjustizgesetzen fungieren die Amtsrichter als Einzelrichter. Die Kompetenz in Prozeß-Sachen ist für die Einzelrichter erweitert. In Untersuchungs-Sachen fungieren neben dem Einzelrichter Schöffen. In größeren Sachen ist das Landgericht und in höheren Belangen das Oberlandesgericht und das Reichsgericht zuständig. Diese Gelegenheit ist benutzt wurden um den bisher bestandenen der Kommune so nachteiligen Vertrag betreffend die Ueberlassung der Ratshauslocalitäten zu Gerichtszwecken zu lösen. Seit Errichtung des früheren Land- und Stadtgerichts und ferner während des Bestehens des Kreisgerichts waren die Gerichtslocalien von der Stadt unentgeldlich vorgehalten worden und in dem alten Vertrage war bestimmt worden, daß diese unentgeldliche Benutzung währen solle, so lange die Localitäten zu Gerichtszwecken gebraucht würden. Den Verhandlungen des Bürgermeisters Reiche ist es gelungen die früheren Kontracte zu beseitigen und einen Miethscontract, welcher seitens der Stadt 10 Jahre unkündbar ist wonach vom Fiskus 1200 M. Miethe gezahlt werden.
Mord und Brandstiftung
In der Nacht vom 26. zum 27. October d. J. sind der Kaufmann Johann Samuel Schumann und die Stieftochter Louise Parten hier in ihrer in der breiten Straße belegenen Wohnung in ihren Betten während des Schlafes durch Erschlagen ermordet worden. Der Thäter hat nach der Ermordung die Betten in Brand gesteckt im Laden Feuer angelegt und alles vorfindliche bare Geld sowie eine silberne Taschenuhr, eine goldene Damenuhr nebst Kette, eine goldene Brosche, einen Ring u. verschiedene andere Gegenstände geraubt. Das Feuer wurde gelöscht als es bedeutende Dimensionen angenommen hatte. Durch dieses Vorkommniß ist die Bürgerschaft in einer Weise erregt worden, daß es schon um wieder eine Beruhigung zu erzielen nothwendig erscheint Alles aufzubieten um den Thäter zu ermitteln. Die Bürgerschaft hat durch freiwillige Beiträge 1200 M. aufgebracht, welche demjenigen als Belohnung gezahlt werden sollen, welchem die Ermittelung des Mörders gelingt.
Ermittlung des Mörders
Der Mörder ist in der Person eines Brunnenarbeiters Wurzler in Leipzig entdeckt. Er wurde bereits am 4. November als verdächtig verhaftet. Am 5. desselben Monats legte er dem Kriminal-Kommissar Kuchalcke Geständnis ab. Wurzler hat vor etwa 10 Jahren bei Schumanns als Laufbursche im Dienst gestanden und ist damals wegen Unredlichkeiten entlassen worden. In der Zwischenzeit ist er mehrfach wegen Diebstahls bestraft und erst vor kurzem aus der Strafanstalt Lichtenburg nach Paupitzsch entlassen. Dort hatte er sich zwar gemeldet war aber um Arbeit zu suchen wieder fortgegangen, aber in Weißenfels, wohin er gehen wollte, nicht eingetroffen. Aus diesem Grund wurde die Polizeibehörde auf Wurzler aufmerksam. Es wurde ermittelt daß W. am Tage vor dem Mord von Leipzig in der Richtung nach hier gefahren war. Wurzler bestritt dies konnte aber nicht nachweisen wo er während der Nacht der That gewesen. Er wurde deshalb verhaftet. Es wurde ferner ermittelt, daß W. sich neuerdings neu eingekleidet, eine silberne Uhr und einen Ring getragen habe. Unter der Wucht dieser Belastung legte er am 5. ein Geständnis ab. Danach hat er sich schon nachmittags in das Schumannsche Gehöft und dann in den Keller geschlichen, ist von dort gegen Mitternacht hervorgekommen hat sich mit einem Stein bewaffnet in die Schumannsche Schlafstube geschlichen und hat dann zuerst Schumann dann die Parten erschlagen. Demnächst hat er Kisten und Kästen theils erbrochen theils mittels der vorgefundenen Schlüssel geöffnet, die vorgefundenen Gelder, Wertstücke und Kleider geraubt und dann um das Verbrechen zu verdecken Feuer angelegt.
Verurteilung des Mörders
Der Raubmörder Wurzler wurde in der Schwurgerichts-Sitzung zu Halle vom 2. December wegen Doppelmordes zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehre wegen Raub und Brandstiftung zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt.
Thaerigen
Der Sparkassenrendant Thaerigen welcher seit Begründung der hiesigen Stadtsparkasse bis zum 1. Juli 1877 treu vorgestanden, dann aber in den wohlverdienten Ruhestand getreten war starb am 6. December nach längerem Leiden.
1880
Ausstellung von Lehrlingsarbeiten
Auf Veranlassung des Gewerbevereins fand am 3. März d. J. in dem Saale des Stadt Leipzig eine Ausstellung von gewerblichen Erzeugnissen, namentlich von Lehrlingsarbeiten statt. Die Ausstellung war eine solche, daß man sagen darf, daß die Leistungsfähigkeit unseres heimischen Gewerbes vollständig aufgewiesen wurde. Am 15. März fand eine Sitzung der Jury statt und wurden 8 erste Prämien und 21 zweite Prämien sowie 33 lobende Anerkennungen für Lehrlinge zuerkannt.
Nach einer langen Pause wurde im Jahre 1948 diese Chronik von dem Unterzeichneten an der Hand des im hiesigen Stadtarchivs vorhandenen Quellennachweises weitergeführt.
Karl Ziebe; Lehrer a.D.
1881
Im März dieses Jahres fand in hiesiger Stadt die Gründung einer fortschrittlich liberalen Partei statt. Am 21. Mai beging der Landrat des Kreises Delitzsch Rittergutsbesitzer von Rauchhaupt auf Storkwitz sein 25jähriges Amtsjubiläum als Landrat in Delitzsch. Die Stadt Delitzsch war zu diesem Tage reich beflaggt. Die verschiedenen Veranstaltungen zu Ehren des Jubilars zeigten, welcher Beliebtheit sich der Landrat bei der Bevölkerung des Kreises insonderheit der Stadt erfreut. An den Festfeiern nahmen Vertreter sämtlicher Städte und Dörfer des Kreises aus allen Ständen, ferner Vertreter der Nachbarkreise, des Regierungsbezirks und der Provinz teil. Der offizielle Vertreter und Sprecher der Stadt Delitzsch war Bürgermeister Reiche. Ein Fackelzug der vielen Vereine und eine allgemeine Illumination beschlossen den Festtag. Der Sommer des Jahres war sehr heiß und gewitterreich. Neben vielen Blitzeinschlägen in der Umgebung von Delitzsch schlug auch ein Blitzstrahl in das Haus des Superintendenten auf der Schloßstraße in Delitzsch und richtete beträchtlichen Schaden an. Menschenleben waren aber nicht zu beklagen. Am 19. Juli ertrank der Sohn des hiesigen Zigarrenarbeiters Schneider beim Baden. Am 27. Oktober wurde Landrat von Rauchhaupt mit großer Stimmenmehrheit als konservativer Abgeordneter in den Landtag gewählt.
1882
Am 24. Februar verunglückte auf dem hiesigen Sorauer Bahnhof beim Rangieren durch Entgleisung eines Güterzuges der Arbeiter Schaaf aus Gertitz tötlich. Im Frühjahr wurde mit der Umpflasterung des Marktplatzes begonnen. An allen vier Seiten des Marktplatzes wurden Fahrstraßen und Bürgersteige mit Granitplatten angelegt, sowie Linden gepflanzt. Der Markt bekam jetzt ein schönes Ansehen. Die Bahnstrecke Berlin-Leipzig wurde am 1. April vom Staat übernommen.
Am 23. Mai entstand auf der Eilenburgerstraße beim Schuhmachermeister Gustav Frömmig ein Schadenfeuer. Das Seitengebäude, wo der Feuerherd entstand, brannte nieder. Dem Eingreifen der Feuerwehr gelang es, ein Weiterumsichgreifen des Feuers zu verhindern. Der Mangel an Wasser machte sich hier sehr fühlbar. Nach einer großen Hitzewelle zogen am Nachmittag des 26. Juli schwere schwarze Wolken am westlichen Horizont herauf. Man befürchtete großes Unwetter. Und so war es auch. Ein starkes Hagelunwetter vernichtete im Westen unseres Kreises 75 % der noch draußen stehenden Getreideernte. Manche Orte erlitten Totalschaden.
Die Bitterfelderstraße gab schon lange zu Klagen Veranlassung, denn das Schmutzwasser hatte keinen Abfluß und verbreitete üblen Geruch. Die Stadtverordnetenversammlung faßte nun den Beschluß, diese Straße zu kanalisieren. Mit dieser Arbeit sollte auch sofort begonnen werden. Im Herbst des Jahres wurde nach Grundsteinlegung mit dem Bau des Lehrerseminars auf der Dübenerstraße begonnen. In den letzten Jahren ist ein merklicher Fortschritt im kulturellen Leben der Stadt zu erkennen. Das ist nicht wenig dem Einfluß des Seminars zu verdanken. Besonders im letzten Jahre hat sich durch die Musikpflege im Seminar das Musikleben der Stadt merklich gehoben.
1883
Am 1. Januar 1883 wurde die Trichinenschau der Schweine hierselbst behördlich eingeführt. In diesem Jahre wurde die Kanalisation der Straßen unserer Stadt fortgesetzt. Am 29. April verstarb in Potsdam unser Heimatkind, der Mann, der den Namen unserer Stadt in alle Welt gebracht hat, der hochverdiente Gründer des deutschen Genossenschaftswesens Schulze Delitzsch, der nicht nur hier geboren, sondern auch lange Jahre zum Wohl der Stadt und seiner Mitbürger gewirkt hat. Hier hat er auch seine erste Genossenschaft gegründet. Die Beerdigung fand am 3. Mai vom Trauerhause in Potsdam aus unter großer Beteiligung der Bevölkerung und auch maßgebender Personen des Reiches statt. Als Vertreter seiner Vaterstadt Delitzsch nahmen an den Beerdigungsfeierlichkeiten teil: Bürgermeister Reiche, Magistrats-Assessor Teubner, Stadtverordnetenvorsteher Jonas, Stadtverordneter Fleischer, Tischlermeister Troitzsch und Kaufmann Schulze, die beiden letzteren besonders als Vertreter der hiesigen Genossenschaften.
Im Laufe der nächsten Wochen wurde auf einer stattgefundenen Genossenschaftsversammlung der Beschluß gefaßt, dem Verstorbenen, dem großen Sohn unserer Stadt hierorts ein Denkmal zu errichten. Am 16. Juni fand das Richtfest des im vorigen Herbst mit dem Bau begonnenen Seminargebäudes statt. Der Bau soll noch bis Ende des Jahres vollendet werden. Am 21. Juni fand das 25jährige Jubiläum des hiesigen Realprogymnasiums durch Festfeier in der Aula der Schule und Festmarsch durch die reichbeflaggte Stadt statt. An denselben Tage beging auch die hiesige höhere Töchterschule in einfacher Weise ihr 25jähriges Bestehen.
Im September verstarb der um das Musikleben unserer Stadt sehr verdiente Seminar-Musiklehrer Karl Kuntze hierselbst. Am 10. November feierte die evangelische Bevölkerung unserer Stadt die Wiederkehr des 400jährigen Geburtstages Dr. Martin Luthers durch Festfeiern in Schulen und Kirchen. Jedes Schulkind bekam zur Erinnerung an den großen Reformator als Geschenk eine Gedächtnisschrift Dr. Martin Luthers bezw. Bilder aus dem Leben Luthers und seiner Familie. Das Seminar veranstaltete am Abend einen Fackelzug durch die Stadt.
1884
Die Kanalisation und Umpflasterung der Straßen wird auch in diesem Jahre fortgesetzt. Die hauptsächlichsten Verkehrsstraßen werden mit erstklassigem Pflaster versehen; das alte Material wird für die Nebenstraßen verwendet. Der wüste Platz am Halleschen Turm, der bisher eine Unzier der Stadt bildete, wird zu einer Anlage umgewandelt. Der Ackerstreifen nördlich des Birkenwäldchens und Heiligbrunnens wird von der Stadt käuflich erworben. Es ist in Aussicht genommen, dieses Stück Land in Parkanlagen zu verwandeln. Inmitten dieser Anlage soll ein künstlicher Hügel aufgeworfen und hier Parkkonzerte abgehalten werden.
Zur Errichtung eines Schulze Delitzsch Denkmals sind bereits 4800,- Mark gesammelt worden. In einer Versammlung nationaler Kreise wurde angeregt hierorts ein Denkmal für die Gefallenen aus dem Kriege 1866 und 1870 zu errichten. Die bereits bestehenden Landwehrvereine des Kreises haben sich zu einem Bezirks-Landwehrverein Delitzsch zusammengeschlossen. Dieser neue Verband feierte am 6. Juli sein erstes Stiftungsfest in Delitzsch.
Am 2. Oktober fand die Einweihung des neuerbauten Lehrerseminars auf der Dübenerstraße statt. Neben den maßgebenden Persönlichkeiten der Stadt waren zu dieser Feier erschienen als Vertreter des Kultusministers Geheimer Regierungsrat Wätzoldt aus Berlin, ferner Generalsuperintendent D. Möller aus Magdeburg, Geheimrat Dr. Göbel aus Merseburg u.a. Nach der Festfeier im Seminar fand im neuen Speisesaal des Hauses das Festessen für die Seminaristen, für die übrigen Gäste im Schwan statt. Abends war eine allgemeine Illumination der Stadt.
1885
Die Promenade vom Halleschen Turm bis zur Leipziger Straße wird chausseemäßig hergestellt. Der im Vorjahr begonnene stattliche Bau der Walzenmühle am Ende der Leipziger Straße wird fertiggestellt und der Betrieb eröffnet. Den 70. Geburtstag des Fürsten Bismarck feierten die nationalen Kräfte der Stadt und des Kreises besonders durch ein Festessen im Schwan, wobei Landrat von Rauchhaupt auf Bismarcks Verdienste insbesondere um die Einigung Deutschlands hinwies. Seminardirektor Schöppa gedachte in einer Ansprache des Kaisers Wilhelm I. Dem verstorbenen Seminar-Musikdirektor Karl Kuntze hatten durch Sammlung seine früheren Schüler und hiesige Musikvereine auf dem Stadtfriedhof ein Grabdenkmal errichtet. Die Enthüllung dieses Denkmals fand am 17. Mai unter großer Beteiligung statt.
Der kühne Aeronaut Karl Sekurius, ein Enkel des hiesigen früheren Bürgermeisters Sekurius, welcher durch seine in allen größeren Städten bereits veranstalteten Luftballon Auffahrten rühmlichst bekannt wurde, wollte auch Delitzsch dieses Schauspiel gönnen. Der Aufstieg sollte am 4. Mai auf dem Platz des Seminars an der Anger- und Dübener Straße erfolgen. Durch widrige Umstände, die Gaszufuhr versagte, mußte die Auffahrt verschoben werden. Sie fand dann unter Beteiligung einer sehr großen Zuschauermenge am 11. Mai statt. Es war ein erhebendes Schauspiel, wie der Ballon sich vorschriftsmäßig erhob und dann in östlicher Richtung in den Wolken verschwand. Nach einer halben Stunde landete der Ballon nach Öffnung des Ventils glücklich in der Nähe von Pristäblich.
Am 28. Juni wurde Amtmann Nitze aus Brodau als er abends 11 Uhr von hier durch die Leipziger Straße nachhause ritt erschossen. Das Pferd kam reiterlos in Brodau an. Der Täter raubte dem Erschossenen seine goldene Uhr und das Geld. Dem Täter war man bald auf der Spur. Es war ein entlassener Zuchthäusler von außerhalb. Am 1. Dezember war die 25jährige Jubelfeier der hier bestehenden freiwilligen Turner-Feuerwehr durch gemeinsamen Kirchgang, Parade, Festessen und Festfeier im Schützenhause.
1886
Das 25jährige Regierungsjubiläum Wilhelms I. als König von Preußen wurde am 3. Januar hier festlich begangen. Am Abend zuvor war ein Fackelzug des Kriegervereins, am Tage selbst eine allgemeine Beflaggung der Stadt und abends Illumination. Am Nachmittag fand im festlich mit Tannengrün, Flaggen, Wappenschildern etc. geschmückten Saal des "Hotels zum Schwan" ein Festessen statt. Nach der letzten Volkszählung hat Delitzsch jetzt 8347 Einwohner.
Die Handwerker halten jetzt wieder unter sich regelmäßige Versammlungen ab und schließen sich enger zu Innungen zusammen. Die Statuten werden strenger beachtet. Es müssen Gesellen- und Meisterprüfungen abgehalten werden. Nur geprüfte Meister dürfen Lehrlinge einstellen, die vom Obermeister eingewiesen und auf ihr Verhalten als Lehrling aufmerksam gemacht werden. Die Mitgliederzahl der Innungen wächst. Der im März begonnene Bau der Turnhalle auf der Bitterfelder Straße wurde am 30. Mai eingeweiht. Mit zahlreich erschienenen auswärtigen Turnvereinen fand in den Morgenstunden ein Marsch durch die Stadt statt. Darauf nahmen sämtliche Turnvereine Aufstellung vor der Turnhalle. Nach einem Festgesange des Sängerchors hielt der Vorsitzende des Vereins Fabrikant Schulze die Fest- und Weiherede, in welcher er einen kurzen Abriß gab über die erste Anregung zum Turnhallenbau, sowie über die Mühen und Kämpfe, welche es gekostet, ehe das Werk der Vollendung gediehen. Nach den verschiedenartigsten Turnvorführungen fand abends ein Ball statt. Am 17. August beging Lehrer Karl Heinrich Petermann sein 50jähriges Lehrerjubiläum. Große Ehrungen seitens des Magistrats, der Stadtverordneten, der Schule wurden dem Jubilar zuteil. Nach einer Feier in der Bürger-Knabenschule kamen Freunde und Gönner des Jubilars im Schwan bei einem Festessen zusammen.
Am 17. September einem Sonntag gab es in der Stadt zwei Schadenfeuer. Am Morgen brannte ein Diemen in der Nähe des Heiligbrunnens nieder. Als die Leute aus der Kirche kamen rasselte die Feuerwehr die Hallesche Straße hinunter. Vor dem Halleschen Tore standen drei Scheunen in hellen Flammen. Die Feuerwehr konnte sich nur auf den Schutz der angrenzenden Gebäude beschränken. Die Scheunen selbst brannten bis auf die Grundmauern nieder. In beiden Fällen wird Brandstiftung vermutet.
1887
Am 14. Januar erfolgte die Auflösung des Reichstages. Die Neuwahl fand am 21. Februar statt. Es erhielten Stimmen im Kreis und der Stadt Delitzsch:
Kreis Stadt
von Bodenhausen, Konserv. 5900 440
Dr. Hirsch, freisinnige Vereinig. 2600 766
Schmidt, Sozialdemokrat 1027 184
Am 22. März wurde der 90. Geburtstag des Kaisers Wilhelm I. besonders festlich begangen. Der Festtag wurde eingeleitet durch einen Zapfenstreich des Landwehrvereins und einer Reveile der Schützengilde. Die Stadt hatte reichsten Flaggenschmuck angelegt. Viele Schaufenster waren dekoriert mit der Kaiserbüste, die sinnreich und geschmackvoll umgeben war von Palmen und blühenden Pflanzen. Im Laufe des Vormittags war Festgottesdienst, und die Schulen hielten Feiern ab. Alle Arbeit ruhte an diesem Tage und eine wogende Menschenmenge durchzog den ganzen Nachmittag die Straßen der Stadt. In der Abendstunde vereinigten sich der Landwehrverein, die Schützengilde, die Turnerfeuerwehr, die Schüler höherer Klassen, die Zöglinge des Seminars zu einem Fackelzug mit großartiger Illumination der Stadt. Im Anschluß hieran war eine allgemeine Festfeier im Schützenhause.
Um die erledigte Stelle des städtischen Musikdirektors, dessen besondere Aufgabe es sein soll auf den Geschmack des Publikums veredelnd durch klassische Musik einzuwirken, sind reichlich Bewerbungen eingegangen. Am 22. Mai hielt der neue Stadtmusikdirektor Richard Lechner mit seiner aus 16 Mann bestehenden Kapelle sein Antrittskonzert und erntete reichsten Beifall. Die hiesige Schuhmacherinnung erhielt vom Regierungs-Präsidenten die Mitteilung, daß Meister, welche der Innung nicht angehören, vom 1. Juli ab Lehrlinge nicht mehr annehmen dürfen. Der städtische Bauhof wurde der Kaiserlichen Oberpostbehörde zur Errichtung eines Postgebäudes für 12000 Mark verkauft. Die auf dem Grundstück vorhandenen Baulichkeiten werden von der Stadt zum Abbruch veräußert. Superintendent Leipold hat Delitzsch verlassen und die Oberpfarrerstelle in Osterwieck übernommen. Sein Nachfolger ist Superintendent Hahn aus Salsitz Kreis Zeitz.
Von öffentlichen Lokalen entsteht in diesem Jahre "Kafe Moltke". Am 30. November fand eine neue Stadtverordnetenwahl statt. Es wurden gewählt: Dr. med. Laue, Maurermeister Voigt, Kaufmann Schmuck, Oberlehrer Günther, Gärtner Pönicke, Zigarrenfabrikant Gröschner, Beutlermeister Teubner.
1888
Am 11. Januar entstand vor dem Halleschen Tor im Heinrich'schen Mühlengrundstück ein Feuer, das größeren Schaden verursachte durch die Lässigkeit des Türmers auf dem Halleschen Turm, der nicht rechtzeitig die Feuerglocke läutete. So war die Feuerwehr nicht rechtzeitig zur Stelle, und das Feuer konnte sich ungehindert ausbreiten auf Wohnhaus, Scheune, Viehstall. Alles wurde bis auf den Grund ein Raub der Flammen. Es kam auch sämtliches Vieh um, 2 Ziegen, 4 Schweine, eine Anzahl Hühner. Wenige Tage darauf, am 20. Januar, wurde die Feuerwehr nach der "Offenhauer'schen Brauerei" in der Bitterfelder Straße gerufen. Hier war Feuer im Stallgebäude entstanden. Es verbrannten die Heu- und Strohvorräte und alle Nebengebäude. Die Feuerwehr konnte ein Weitergreifen auf das Wohnhaus verhindern. Am 1. März war Feuer auf der Halleschen Straße bei Pötzsch. Hier gab es nur geringen Schaden, da die Feuerwehr sofort zur Stelle war.
Am 9. März starb der greise Kaiser Wilhelm I. Als an diesem Tage gegen 10 Uhr morgens die Glocken der Stadtkirche den Tod des von allen Schichten der Bevölkerung geliebten Kaisers anzeigten, ging eine tiefe Bewegung durch das Volk, denn der Nachfolger Kronprinz Friedrich Wilhelm war selbst sterbenskrank und weilte in Italien, und dessen Sohn war noch jung an Jahren. Der kranke Kaiser Friedrich III. kehrte aber sofort nach Berlin zurück und durchfuhr dabei von Bismarck begleitet, der ihm bis Leipzig entgegenfuhr am 11. März gegen Abend unseren Berliner Bahnhof. Schon am 15. Juni schloß auch er die Augen, und sein Sohn Wilhelm bestieg als Wilhelm II. den Thron seiner Väter.
Am 30. April wurde der neue Superintendent Hahn aus Salsitz durch General Superintendent D. Möller aus Magdeburg feierlich in sein Amt eingeführt.
Infolge großer und anhaltender Regengüsse des Frühjahres, die namentlich den Osten unseres Vaterlandes trafen, traten die Wasser der Weichsel, Warthe, Oder und Elbe aus den Ufern und richteten durch Überschwemmungen ungeheuren Schaden an. Tausende Familien verloren Hab und Gut. In ganz Deutschland entstanden Sammlungen für die Heimgesuchten. Hierorts betrug diese Sammlung 1935,51 Mark. Am 2. Juli beging der hiesige Männer-Turnverein sein 25jähriges Bestehen unter Teilnahme von 14 auswärtigen Turnvereinen, die schon am Tag vorher zum Gauturnfest hier eingetroffen waren. Die Festveranstaltung fand im Bürgergarten statt. Nach Umzug und anschließenden Turnvorführungen war abends Ball. Als Protest gegen die hiesige Fleischerinnung, welche die Fleischpreise pro Pfund um 10 Pfg. erhöhte, fanden sich am 1. September im Weißen Roß viele Bewohner der Stadt zusammen. Nach Darlegung der Sachlage gründet man eine Aktiengesellschaft "Delitzscher Schlächterei" und nahm die Schlachtung in eigene Hand.
Am 26. September hielt der neue Stadtmusikdirektor sein Antrittskonzert. Sein Name ist Römer. Am 12. Oktober erhängte sich in einem Erlenbusch am Sorauer Bahnhof der hiesige Schuhmachermeister Bültemann. Der inmitten des Schäfergrabens als letzter Rest des Vorstadtgrabens noch schwach rieselnde Wasserlauf (seit 1816 schon fortgesetzt verkleinert) wird endlich ganz beseitigt. Am 3. Dezember feierte Branddirektor Schulze, Führer der hiesigen freiwilligen Feuerwehr, sein 25jähriges Jubiläum als Leiter der hiesigen Wehr. Es wurden ihm viele Ehrungen zu teil. Auf einer im Dezember stattgefundenen Versammlung der kirchlichen Vertreter des Kreises wurde die Anregung gegeben für die auf Wanderschaft befindlichen Gewerbetreibenden hierorts eine zeitgemäße Unterkunft zu schaffen. Es kam zur Gründung der "Herberge zur Heimat".
1889
Am 3. Januar fand die erste Generalversammlung der am 1. September v. J. gegründeten "Delitzscher Schlachterei" statt. Nach dem erstatteten Bericht ist Umsatz bzw. Geschäftsbetrieb als gut zu verzeichnen. Die Käufer sprachen ihre Zufriedenheit über den Preis und die Güte der gelieferten Ware aus.
Im Februar wurden zwei Petitionen mit zahlreichen Unterschriften aus Stadt und Land über Zustände auf den hiesigen Eisenbahnen an das Abgeordnetenhaus gerichtet. Die erste Petition befaßte sich mit der Unzulänglichkeit der Warteräume auf dem Berliner Bahnhof. In der zweiten Petition wird um Abhilfe der durch den Betrieb der Halle-Sorauer Eisenbahn hervorgerufenen Verkehrsstörungen bei dem Übergange über die Berlin Leipziger Chaussee gebeten. Der Minister für öffentliche Arbeiten erteilte unterm 2. Juni hierher die Antwort, daß in Aussicht genommen ist, die beiden Bahnhöfe zusammenzulegen, und werden bei dieser Gelegenheit auch die Räumlichkeiten auf Berliner Bahnhof erweitert. Die Angelegenheit der Verkehrsstörungen bei dem Übergang über die Berlin-Leipziger Chaussee wird geprüft und es soll Abhilfe geschaffen werden. Am 10. März kamen Landwirte der Umgegend im Schwan zusammen und regten den Bau einer Aktien-Zuckerfabrik in Delitzsch an. Am 28. Juli wurde dann entgültig die Erbauung mit einem Grundkapital von 900000,- Mark, welches sich auf 75 Aktien zu je 1200,- Mark zusammensetzt, beschlossen. Am 1. April beschloß der Kreistag in seiner Sitzung die Übernahme der Grunderwerbskosten auf den Kreis für die geplante Eisenbahn von Eilenburg nach Düben. Anfang April wurde mit dem Umbau unserer Stadtkirche begonnen. Dabei fand man links und rechts vom Altar eine Doppelgruft mit prächtig gut erhaltenem Kupfersarg Überreste der Brüder Kornelius und Heinrich von Luckowen. Heinrich von Luckowen war bis 1691 Geheimrat im Staatsdienst zu Merseburg. Mit der Herzogin Christiane zog auch er 1691 hierher und kaufte auf der Schulstraße (früher Hintergasse) ein Haus. Hier lebte und wohnte er bis zu seinem Tode, war ein Wohltäter der Stadt und Kirche und hat für die Kirche mehrere Legate gestiftet. Bei seinem Tod wurde er hier am Altar beigesetzt. Zwischen der Doppelgruft fand man dann vor dem Altar den Sarg der Herzogin Sophie Charlotte, die als Witwe von 1731 ab hier im Schloß gewohnt und 1734 hier verstorben ist.
In einer Sitzung des Gemeinde-Kirchenrats wurde auf Wunsch der Bevölkerung beschlossen, gelegentlich des jetzigen Umbaus der Kirche die beiden Kirchtürme zu erhöhen. Die Kosten dazu werden auf 24000 Mark veranlagt. Am 19. Mai verbrannten in der hinteren Scheunengasse am Kohltor die an das Rathmann'schen Grundstück angrenzenden 4 Scheunen. Am 21. Oktober entstand wiederum Feuer in der Offenhauer'schen Brauerei. Da das Feuer an derselben Stelle entstand wie im vorigen Jahr am 21. Februar und noch andere Ähnlichkeiten vorlagen besteht der dringende Verdacht, daß in beiden Fällen derselbe Brandstifter in Frage kommt. Am 24. Oktober wurde mit dem Bau der hiesigen Aktien-Zuckerfabrik begonnen. Im Spätherbst legte noch die Reichspostverwaltung den Grundstein zu dem neuen Postgebäude auf dem Gelände des früheren Bauhofes auf der Eilenburgerstraße.
1890
Am 13. Februar kamen Beamte der Stadt im Gasthof "zur Linde" zusammen und gründeten den "Delitzscher Beamtenverein". In den Verein können mittelbare und unmittelbare Reichs- und Staatsbeamte eintreten. Er will nicht nur die wirtschaftlichen Nöte der Beamten beseitigen, sondern auch seine geistligen Kräfte fördern. Der Delitzscher Beamtenverein schließt sich dem "Preußischen Beamtenverein" an. Der Vorstand wurde aus den verschiedensten Beamtenberufen erwählt. Vorsitzender wurde Obersteuerkontrolleur Pfannschmidt.
Der Umbau unserer Stadtkirche ist bis auf die Aufstellung der Orgel beendet. Im Februar wurde auch diese Arbeit fertiggestellt. Die Erbauung geschah durch die Orgelfirma Rühlmann Zörbig. Nachdem nun die Orgel von verschiedenen Orgelsachverständigen von außerhalb in den letzten Tagen geprüft worden war, fand am 22. Februar die Abnahme durch Seminar-Musiklehrer Kropf von hier statt. Fast ein Jahr lang hat der Umbau der Kirche gedauert. Die einst von unserer Herzogin Christiane gestiftete Ausstattung der Kirche war fast 200 Jahre eine Zier unseres Gotteshauses. Sie wurde von Kunstfreunden der Stadt übernommen und im Rathaus aufbewahrt. Die herrlichen Gemälde von hohem Kunstwerte gaben aufs Neue Veranlassung zur Gründung eines Heimatmuseums. Nachdem nun der Umbau unserer Stadtkirche fast ein Jahr gedauert hatte, fand am 25. März d. J. die Einweihung nach der Erneuerung statt. Ein großer Festzug der Gemeinde, an der Spitze die Behörden, Geistlichen, Lehrer, Konfirmanden bewegte sich um 10 Uhr von der Gottesackerkirche unter dem Geläut der Glocken nach der Stadtkirche. Nach den erfolgten Formalitäten und Übergabe der Schlüssel an Superintendent Hahn erfolgte unter dem Spiel der neuen Orgel der Einzug ins Gotteshaus. Hier hielt General-Superintendent D. Möller die Weiherede. Der Seminarchor verschönerte die Festfeier durch Vortrag einiger Gesänge. Am Nachmittag war ein Festessen, abends ein Kirchenkonzert geleitet von Kantor Haupt.
Bei der im März hier stattgefundenen Stichwahl zwischen dem konservativen und deutschfreisinnigen Abgeordneten zum deutschen Reichstag wurde der deutschfreisinnige Abgeordnete Dr. Hirsch Berlin mit 800 Stimmen Mehrheit in den deutschen Reichstag gewählt. Der im vorigen Jahr beschlossene Bau der hiesigen Zuckerfabrik ist jetzt am 1. April so weit fortgeschritten, daß die Fertigstellung noch vor dem angenommenen Termin zu erwarten ist. Wenn die Maschinen dann noch rechtzeitig zur Stelle sind, wird die Fabrik noch in diesem Jahre betriebsfähig.
Die 20jährige Wiederkehr des Sedantages wurde am 2. September mit ganz besonderer Festlichkeit begangen. Bei den gehaltenen Festreden wurde auf den Mangel eines Kriegerdenkmals für die Gefallenen von 1866 und 1870 in hiesiger Stadt hingewiesen. Diesem Mangel soll nun näher getreten werden. Eine allgemeine Sammlung soll beginnen. Die Gesangvereine sowie die Stadtkapelle haben sich zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt. Im Laufe des Winters sollen Konzerte und sonstige Aufführungen zum Besten des Denkmalfonds veranstaltet werden.
Am 19. September fand die Grundsteinlegung des neuen Schützenhauses am Schenkenberger Wege statt. Große Herbstmanöver fanden in diesem Jahre im Osten unseres Kreises statt. Unsere Stadt hatte viel Einquartierung. Infolge der starken Regengüsse in den letzten Tagen zogen sich die Manöver sehr in die Länge und fielen zum Teil ganz aus. Die Elbe war weit über die Ufer getreten und die Wasser hatten ungeheuren Schaden angerichtet. Für die Geschädigten wurde auch hier gesammelt wie vor 2 Jahren. Reichlich flossen die Spenden im Kreise. Die Gesamtsammlung des Kreises für diesen Zweck ergab 9019,61 Mark.
Am 24. September, dem letzten Schultag vor den Herbstferien trat nach 55jähriger Tätigkeit Lehrer Petermann an der höheren Töchterschule hierselbst in den Ruhestand. An der Abschiedsfeier in der Schule wurden dem beliebten allseitig geschätzten Lehrer zahlreiche Ehrungen zu teil. Am 6. Oktober begann an der hiesigen Zuckerfabrik die erste Kampagne. In seiner Oktobersitzung bewilligte der Kreistag für die Erweiterung des hiesigen Ständehauses den Betrag von 25000 Mark und zur Errichtung der hiesigen "Herberge zur Heimat" 5000,- Mark.
Nach der letzten Volkszählung hat Delitzsch jetzt 529 Einwohner mehr als 1885, also 8876 Bewohner. In diesem Jahr wurde auch der Bau des neuen Postgebäudes in der Eilenburger Straße beendet und sofort in Betrieb genommen. Am Tage vor dem Weihnachts-Heiligabend traf für die hiesige Stadtkirche ein kostbares Geschenk ein. Zwei aus Delitzsch gebürtige Herren, der Kaufmann Gustav Ottmer und der Rentier Franz Pfordte, beide in Hamburg wohnhaft, stifteten nämlich zur Erinnerung an die Erneuerung der Stadtkirche und in treuen Gedenken an ihre Vaterstadt einen goldenen Altarkelch und eine silberne Abendmahlkanne.
1891
Am 1. Januar trat auch in unserer Stadt die vom Reichstag beschlossene Invaliditäts- und Altersversicherung in Kraft. Die Bevölkerung kommt dem neuen Gesetz im allgemeinen mit großem Mißtrauen entgegen und beteiligt sich nur zögernd an diesem sozialen Unternehmen des Staates. Im April beschlossen die Stadtverordneten die Anlegung der Angerstraße vom alten Friedhof aus als Parallelstraße mit der Bitterfelderstraße sowie die Schaffung einer Badeanstalt.
Auf einer im Juni stattgefundenen Versammlung in der "Stadt Leipzig" die von Bürgermeister Reiche einberufen und geleitet wurde und in welcher auch Branddirektor Schulze sprach, wurde neben der bereits 30 Jahre bestehenden "Freiwilligen Feuerwehr", die Gründung einer Pflichtfeuerwehr beschlossen, die besonders aus jüngeren Bürgersöhnen bestehen soll, damit immer geeignete und genügende Reserven für die freiwillige Feuerwehr vorhanden sind.
Am 21. Juni fand das "Weihfest" des neuen Schützenhauses, "Schützenhof" genannt, statt. Gleichzeitig fand hier das erste Schützenfest im neuen Hause statt. Deshalb wurde diesmal das Schützenfest mit besonderem Glanz begangen. Der Ausmarsch der Schützengilde war ein Ereignis der Stadt. An ihrer Spitze marschierten der Landrat, der Bürgermeister, der Magistrat, die Stadtverordneten. An ihrer Spitze marschierten der Landrat, der Bürgermeister, der Magistrat, die Stadtverordneten. Eine große Volksmenge begleitete den Festzug, der zunächst durch die Hauptstraßen der Stadt zog. Auf dem ganz modern hergestellten Schießstand begann bald das Festschießen, im Garten das Gartenkonzert. Abends wurde das ganze Haus des Schützenhofes festlich illuminiert. Drei Tage lang wogte eine große Menschenmenge aus Stadt und Umgegend über den großen Festplatz. Am 24. Juni endete das Fest mit dem Einzug der Schützengilde.
Der 3. Juli, der 25. Jahrestag der Schlacht von Königgrätz wurde zu einer Gedenkfeier besonders für die hier im Lazarett verstorbenen und auf dem alten Friedhof begrabenen 6 Teilnehmer dieser Schlacht ausgestaltet. Eine große Menschenmenge, besonders alte Krieger von 1866 und 1870 hatte sich am Denkstein eingefunden. Die Gedenkrede hielt Superintendent Hahn. Der Denkstein selbst ist ein hoher mit einem Eichenkranz gekrönter Obelisk, dessen vier Seiten Inschriften tragen.
Schon seit einigen Jahren wurde an dem Denkmal von Dr. Hermann Schulze, genannt "Schulze Delitzsch", dem großen Sohn unserer Stadt, gearbeitet. Der Hersteller ist der Bildhauer E. Weißenfels, ein Delitzscher Stadtkind. Nach Vollendung fand nun am 13. September auf seinem Standort dem Marienplatz in Delitzsch, der von der Stadt zuvor zum Denkmalsplatz würdig ausgestaltet war, die Enthüllung des von den deutschen Genossenschaften ihrem Gründer und ersten Anwalt errichteten prachtvollen Denkmals statt. Eine große Menschenmenge hatte sich in der Mittagsstunde dieses Tages an dem Denkmal versammelt. Von den Behörden waren erschienen Landrat von Rauchhaupt, Bürgermeister Reiche, die städtischen Körperschaften. Viele Freunde des Verstorbenen und zahlreiche Gäste von außerhalb waren gekommen. Die Weiherede hielt der Verbandsdirektor der bayrischen Genossenschaften Pröbst – München. Als die Hülle fiel, präsentierte sich dem Auge das Standbild von Schulze "wie er leibt und lebt", so wie ihn die Delitzscher noch kennen und sprechen hörten. Auf 3 m hohen Postament aus geschliffenen grauen und rohen Granit erhebt sich das 2 ½ m hohe bronzene Standbild des Verstorbenen, die linke Hand in die Hüfte gestützt, den rechten Arm vor sich streckend. Bürgermeister Reiche übernahm das Denkmal namens der Stadt. 200 Sänger der Delitzscher Gesangvereine verschönerten die Feier durch Gesang des deutschen Bundesliedes und "Das treue deutsche Herz". Zum Schluß wurden kostbare Lorbeerspenden am Fuß des Denkmals niedergelegt. Am Nachmittag fand im "Hotel zum Schwan" ein Festessen und abends im Schützenhause ein großer Kommers statt.
Am 5. Oktober wurde Knopf und Fahne vom Breiten Turm heruntergenommen, nachdem sich die Notwendigkeit einer neuen Fahne herausgestellt hatte. Die heruntergenommene Fahne ist im Jahr 1834 neu aufgesetzt worden. Bei der jetzigen Abnahme der Kuppel wurden in derselben 2 Blechbüchsen mit alten Urkunden und einige Scheidemünzen unter anderem ein noch gut erhaltenes 3 Pfennigstück von 1833 vorgefunden. Die Urkunden sind aus den Jahren 1565, 1608, 1668, 1704 1804. Sehr interessante Aufzeichnungen sind bei der Erneuerung 1834 von dem damaligen Bürgermeister Sekurius und dem Magistrats Assessor Meißner gemacht und der Kuppel einverleibt worden. (nachzulesen Kreisblatt 1891 Nr. 120)
Die Erneuerung der Stadtkirche im Jahr 1889 und 1890 sowie die Anschaffung der neuen Orgel und Heizanlage hat einen Kostenaufwand von 101000 Mark verursacht. Von der vorgesehenen Erhöhung der Türme wurde der weiteren Kosten wegen abgesehen. Der Besitzer des Schützenhauses hat die Schützengilde auf Schadenersatz für entgangenen Verdienst über 15650 Mark verklagt, da sie das Schießen nach dem neuen Heim (Schützenhof) verlegt hat.
1892
Der vom Schützenhauswirt Dietrich gegen die Schützengilde Ende des Vorjahres angestrengte Prozeß um Zahlung einer Entschädigung ist beendet. Es hatten in der Sache schon 2 Termine vor dem Landgericht abgehalten werden müssen; der dritte sollte am 2. März stattfinden, ist aber aufgehoben worden, da Dietrich seinen Klageantrag zurückgezogen hat. Das schon lange schwebende Projekt der Zusammenlegung der beiden hiesigen Bahnhöfe schien seiner Verwirklichung näher zu kommen. Bereits Anfang März waren Zeichnung und Beschreibung des Projekts im hiesigen Landratsamte ausgelegt und am 25. März sollte ein Lokaltermin in dieser Sache stattfinden. Nach diesem Plan sollte der Berliner Bahnhof abgebrochen und der Sorauer Bahnhof dafür bedeutend erweitert werden. Einschneidende Veränderungen müssen aber dabei durch Verlegung von Straßen und Anlage von Bahnüberführungen vorgenommen werden.
Auf einer am 16. März stattgefundenen Versammlung einer großen Anzahl Herren aus Stadt und Land behulfs Besprechung über den projektierten Bahnhofsumbau wurde gegen das zur Zeit vorliegende Projekt protestiert und Abänderungen vorgeschlagen. Bei dem nun am 25. März auf dem hiesigen Bahnhof abgehaltenen Lokaltermin, wo seitens der Stadt und des Kreises Einspruch gegen das Projekt eingelegt wurde, erklärten die Vertreter der Regierung, daß das Projekt jedenfalls nicht ausgeführt werden würde. Sonach bleibt wahrscheinlich alles beim Alten. Am 1. April wurde die an der Promenade neu erbaute Badeanstalt eröffnet, nachdem rings um das Badehaus hübsche Gartenanlagen und Pflanzungen gemacht worden waren.
Am 31. Mai waren es 200 Jahr her, daß die Herzogin Christiane von Merseburg im hiesigen Schlosse Wohnung nahm, nachdem sie der Rat der Stadt am breiten Tor begrüßte und zum Schloß geleitet hatte. Mit dem Einzug der Herzogin kam reges Leben in unsere Stadt. Die im Reichstag beschlossene Sonntagsruhe tritt am 1. Juli im ganzen deutschen Reich in Kraft. Für die hiesige Stadt wird dabei eine besondere Anordnung betreffend die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe getroffen. Sperrzeit für den Handel ist immer die Zeit des Hauptgottesdienstes am Sonntag von 8 ½ bis 10 ½ Uhr. Der Handel mit Backwaren, Milch, Blumen und Kränzen wird am Sonn- und Feiertag auf bestimmte Stunden verlegt.
Für die Sonntage vor Weihnachten, Ostern und Pfingsten ist besondere Anordnung getroffen. An Stelle des am 6. Februar verstorbenen Rektors der städtischen Volksschulen und der höheren Töchterschule Paasch wird Rektor Plummhof aus Berlin gewählt. Er tritt sein Amt am 1. August an. Bis dahin hat die Vertretung Lehrer Schubert. Im August wurde mit dem Bau der zweiten Gleise auf der Strecke Delitzsch – Halle und Delitzsch – Eilenburg begonnen.
Am 18. Oktober, dem Tage der Schlacht bei Leipzig, feierte der Landwehrverein Delitzsch sein 25jähriges Stiftungsfest im "Stadt Leipzig". Am Vorabend fand Zapfenstreich und großer Kommers statt, am Hauptfesttage Kirchgang, Parade auf dem Marktplatz und abends Aufführung des von Diakonus Kümmel eigens für diesen Tag verfaßten Festspieles. Der Reinertrag des Abends wurde dem Denkmalsfonds zugeführt. Auch Berlin soll ein Schulze Delitzsch Denkmal erhalten. Die städtische Parkdeputation beschloß in einer Oktobersitzung Dr. Hermann Schulze dem Gründer des deutschen Genossenschaftswesens auf dem Hausvoigteiplatz in Berlin ein Denkmal wie ein solches sich in Delitzsch befindet, zu errichten. Verschiedene Straßen und Plätze der Stadt wurden neu- bezw. umbenannt, so die Fabrikstraße, Kohlstraße, Marienstraße, Marienplatz, Am Schützenplatz, An der Kirche. In der Sitzung am 29. November wurde in der Stadtverordnetenversammlung auf Antrag beschloßen, dem Denkmalfonds der Stadt Delitzsch aus Mitteln der Stadt 2500,- Mark zuzuführen. Am 30. November weilte der zu seiner Zeit berühmte Meteorologe Rudolf Falb in unserer Stadt und hielt im dicht gefüllten Saal des Gasthofes zum Schwan einen Vortrag über kritische Tage. Am 7. Dezember starb der Pfarrer an der katholischen Kirche Bäseler. Sein Nachfolger wurde Pfarrer Bitter.
1893
1. Februar
Auf der seit Neujahr im Königl. Aquarium zu London stattfindenden, unter dem Protektorat der Königin von England stehenden Internationalen Ausstellung für Hygiene, Pharmazeutische Präparate und Nahrungsmittel, ist Herrn Apotheker Ernst Freyberg von hier für ausgestellte Präparate zur Vertilgung schädlicher Tiere etc. die höchste Auszeichnung (Ehrenkranz und goldene Medaille) verliehen worden.
5. März
In der letzten Sitzung des Kreisausschusses wurde beschlossen, zur Errichtung des Kriegerdenkmals in unserer Stadt aus dem Reservefonds der Kreissparkasse 3000,- Mark zu bewilligen. An diese Bewilligung ist jedoch die Bedingung geknüpft, daß das auf dem Marktplatz zu errichtende Denkmal entsprechend Umgebung mindestens 10 Meter hoch wird. In einer Stadtverordnetensitzung wurden weitere Straßen neu- und umbenannt. Die Beerendorferstraße erhält ihren Namen, desgleichen die Gertitzerstraße, Bitterfelderstraße, Eilenburgerstraße, Leipzigerstraße, Mühlenstraße. Die jenseits der Bahn sich erstreckende Dübener Vorstadt wird von der Dübenerstraße abgetrennt. Außerdem wird noch ein wichtiger Beschluß gefaßt. Die fortlaufende Nummerierung sämtlicher Häuser der Stadt (von 1 bis 447) wird aufgehoben und es werden von nun an die Häuser jeder Straße in sich nummeriert.
22. April
Nachdem über den im vorigen Jahre vorgelegten Entwurf zur Verbindung der hiesigen beiden Bahnhöfe eine Einigung nicht zustande gekommen war, hat die Eisenbahnverwaltung ein anderes Projekt ausarbeiten lassen, zu dessen Prüfung auf heute Vormittag ein Termin angesetzt worden war. Nach diesem neuen Projekt soll das jetzige Empfangsgebäude am Berliner Bahnhof abgebrochen und dafür der Sorauer Bahnhof erweitert werden. Auch andere wichtige Veränderungen sind geplant. Mit diesem Projekt erklärten sich die Interessenten allerseits einverstanden.
15. Juni
Bei der am 15. Juni stattgefundenen Reichstagswahl erhielten die Konservativen die meisten Stimmen. Gewählt wurde Grubenbesitzer Louis Bauermeister zu deutsche Grube bei Bitterfeld.
21. Juni
Seit gestern ist ein Modell des zu errichtenden Kriegerdenkmals auf dem hiesigen Marktplatz aufgestellt. Es soll dadurch festgestellt werden, wo das Denkmal am Vorteilhaftesten zur Geltung kommt und welche Veränderungen mit den den Marktplatz zierenden Lindenbäumen vorgenommen werden müssen.
10. Juli
Gestern, einem Sonntage feierte der Gesangverein "Abendstern" seine Fahnenweihe. Im Laufe des Vormittags wurde am Grab des verewigten Musikdirektors und Ehrenmitgliedes Kuntze ein Lorbeerkranz niedergelegt. Um 2 Uhr ordnete sich der Festzug. Auf dem Marktplatz begrüßte Bürgermeister Reiche die zahlreich erschienen Gäste und Bahnmeister Herms hielt die Weiherede. Nach Überreichung eines Fahnenbandes seitens der Frauen und Jungfrauen des Vereins und der von den einzelnen Vereinen gestifteten Fahnennägel ordnete der Festzug sich dann weiter zum Umzug durch mit Grün geschmückte Stadt. Im Anschluß daran war Konzert und Ball. Die Gesamtkosten des Schulze Delitzsch Denkmals belaufen sich auf insgesamt 19307,12 Mark. Diese Kosten haben die deutschen Genossenschaften aufgebracht.
10. September
Am 10. September sind 25 Jahre vergangen, das Professor Direktor Kayser die Leitung des hiesigen Realprogymnasiums in Händen hat. Diese Gelegenheit benutzten in erster Linie seine jüngeren und älteren Schüler, um ihren Lehrer, als welcher Professor Kayser der Anstalt schon seit 1862 angehört, ihre Verehrung und Dankbarkeit zu bezeigen. Am Sonnabend dem Vorabend des Jubeltages brachten die jetzigen Schüler verstärkt durch eine ansehnliche Zahl früherer Zöglinge einen schneidigen Fackelzug dar. Am Abend fand dann im Gasthof zum Schwan ein von den ehemaligen Schülern veranstalteter Festkommers statt. Namens der alten Schüler sprach hier Kaufmann Paul Starckloff dem Jubilar die besten Glückwünsche und herzlichen Dank aus. Noch manche Rede wurde gehalten, heitere Liederweise gesungen. In allem zeigte sich die Verehrung für den Jubilar. Am Sonntage, dem eigentlichen Jubiläumstage, wurden Professor Direktor Kayser die Glückwünsche des Magistrats und des Lehrer-Kollegiums offiziell dargebracht, und es gingen ihm zahlreiche Gratulationen von hier und außerhalb zu.
1. Oktober
Am 1. Oktober fand im Saal des Gasthofes zum Ring eine Delegiertenversammlung der Landwehr-, Krieger- und Militärvereine des Kreises Delitzsch zur Gründung eines Kreis-Kriegerverbandes statt. Von den im Kreise befindlichen 44 Vereinen waren 26 durch Delegierte vertreten, welche sämtlich ihren Beitritt zum Kreis-Kriegerverband erklärten. In den Vorstand des Kreisverbandes wurden folgende Kameraden gewählt: Apotheker Freyberg Delitzsch, Vorsitzender, Lehrer Wenke Delitzsch, Schriftführer, Kreisbote Heidemann Delitzsch, Kassenverwalter und noch acht Kameraden aus Eilenburg und den ländlichen Vereinen.
5. Oktober
Die Abschiedsfeier, die zu Ehren des am 1. Oktober aus seinem Amt scheidenden Landrats von Rauchhaupt im Saal des Gasthofes zum Schwan stattfand, gestaltete sich zu einer imposanten Ovation, in welcher all die Liebe, die sich der Gefeierte bei Alt und Jung, Hoch und Niedrig erworben hat, so recht zum Ausdruck kam. Zu dieser waren auch erschienen Oberpräsident von Pommer Esche, Regierungspräsident von Diest, Landeshauptmann Graf von Wintzingerode u.a. Der scheidende Landrat wurde in vielen Reden gefeiert. Bürgermeister Reiche überreichte dem Scheidenden in herzlich gehaltenen Worten den Ehrenbürgerbrief der Stadt Delitzsch. Landrat von Rauchhaupt hat 37 Jahre den Kreis geführt und sich in dieser Zeit viel Liebe erworben.
3. Dezember
Die freiwillige Turner-Feuerwehr hatte sich anläßlich der 33jährigen Wiederkehr ihrer Gründung im Saale der "Stadt Leipzig" versammelt um allen Mitgliedern, welche 25 Jahre und länger der Wehr angehörten, den kameradschaftlichen Dank zu zollen. Bürgermeister Reiche eröffnete den Kommers, Branddirektor Schulze begrüßte die Gäste, Magistrats-Assessor Simon feierte die Jubilare und überreichte denselben die vom Verein beschafften geschmackvollen Diplome. Es wurden ausgezeichnet: Messerschmiedemstr. Dietze, Zigarrenhändler Füssel, Webermstr. Hesse, Webermstr. Költzsch, Kupferschmied Kühne, Markthelfer Ostermann, Schneidermstr. Piehler, Korbmachermstr. Roßberger, Kupferschmiedemstr. Spangenberg, Schuhmachermstr. Ziegenbalg.
12. Dezember
Der Krankenhausbau hat die Stadtverordnetenversammlung schon wiederholt beschäftigt. Nun wird entgültig der Beschluß gefaßt, den von den Architekten Ludwig und Hülßner Leipzig vorgelegten Entwurf mit einem Kostenanschlag von 105000 Mark anzunehmen. Als Bauplatz soll der ca. 6 Morgen große Feldplan an der Dübenerstraße, der Stadt gehörig, verwendet werden.
18. Dezember
Im Saale des Gasthofes zum Ring fand der erste Abgeordnetentag des Kreis-Kriegerverbandes Delitzsch statt. Es gehören demselben jetzt 36 Vereine mit der stattlichen Zahl von fast 2400 Mitgliedern an. Die Versammlung beschloß einstimmig Herrn Landrat von Rauchhaupt zum Ehrenmitglied des Verbandes zu ernennen.
18. Dezember
Zum Besten der Christbescherung des Frauenvereins fand in der Stadtkirche ein Weihnachtskonzert statt, bei dem nicht nur hiesige Kräfte mitwirkten. Die Konzertsängerin Fräulein Martini aus Leipzig hatte sich in anerkennenswerter Weise in den Dienst der guten Sache gestellt. Die große Zahl der Zuhörer wurde in weihevolle Weihnachtsstimmung versetzt.
1894
1. Januar
Der bisherige kommissarische Landrat Assessor von Busse, welcher seit dem 1. Oktober 1893 tätig ist und vom Kreistage einstimmig als Nachfolger des Landrats von Rauchhaupt gewählt worden war, ist von Sr. Majestät dem König als Landrat des Kreises Delitzsch bestätigt worden.
12. Januar
Am gestrigen Tag waren es 25 Jahre, daß unser Bürgermeister Reiche in sein hiesiges Amt eingeführt wurde. Zur Feier dieses Jubiläums fand am Vorabend, Mittwoch den 10. d. Mts., ein Fackelzug mit darauffolgenden Fest Kommers statt. Der Fackelzug formierte sich in der Dübenerstraße und bewegte sich dann durch die Reichestraße, Eilenburger-, Kohl-, Leipziger-, Ritterstraße, Schloßgasse, Schul- u. Breitestraße nach dem Markt, wo die Aufstellung erfolgte. Bürgermeister Reiche und seine Familie hatten unterdessen auf dem Balkon des Rathauses Platz genommen. Der Stadtverordnetenvorsteher Dr. Laue brachte ein Hoch auf den Jubilar aus. Im Anschluß hieran brachten die vereinigten Gesangsvereine unter Leitung von Kantor Haupt mehrere Gesangstücke zu Gehör. Dann ordnete sich der Zug wieder zum weiteren Ummarsch nach dem Schützenhaus. Der Jubilar wurde mit einem Tusch der Stadtkapelle begrüßt und alle Anwesenden erhoben sich von den Plätzen. Magistrats-Assessor Simon eröffnete den Kommers. Zahlreiche, herrliche Reden, in denen allen die Verdienste des Jubilars um Stadt und Kreis gebührende Würdigung fanden wechselten mit schneidigen Festgesängen und Konzertstücken der Kapelle unter Leitung von Musikdirektor Römer. Es sprachen an dem Abend Landrat von Busse, Stadtverordnetenvorsteher Dr. Laue, Superintendent Hahn, Direktor Kayser, Seminardirektor Bohnenstedt, Rektor Plumhoff, Kreisphysikus Dr. Busolt u. noch a. Während der 25 Jahre hat Delitzsch ein ganz anderes Gesicht bekommen. Es sei erwähnt die Umpflasterung der Straßen, die Kanalisation, das neuerbaute Lehrerseminar, die Turnhalle in der Bitterfelderstraße, der Umbau der Stadtkirche, die Zuckerfabrik, das neue Postgebäude in der Eilenburgerstraße, die Badeanstalt u. a. m.
24. Januar
In ihrer gestrigen Sitzung beschlossen die Stadtverordneten einstimmig das Realprogymnasium in eine lateinlose Realschule mit lateinischem Nebenkursus umzuwandeln. Die Vorschule wird aufgelöst und die Umwandlung wird allmählig insofern vor sich gehen, als die zu Ostern eintretenden Schüler nach dem neuen Lehrplan unterrichtet werden, während die der Anstalt zur Zeit angehörenden Schüler nach dem alten Lehrplan weiter unterrichtet werden.
30. Januar
Die außergewöhnlich milden Witterungsverhältnisse des heurigen Winters zeitigen allerhand Abnormitäten. So wurden dieser Tage von einem Arbeiter beim Graben drei fidele Maikäfer gefunden. Aber leider ist dieses Wetter auch den ärgsten Feinden der Landwirtschaft, den Mäusen recht günstig, und aus verschiedenen Gegenden unseres Kreises kommen Nachrichten über zahlreiches Auftreten dieser gefährlichen Nager.
27. Februar
In Berlin berät man wieder einmal über die Aufstellung eines Schulze-Delitzsch Denkmals. Man wird sich über den Platz nicht einig. Anfänglich war die Gartenanlage vor dem Polizeipräsidium auf dem Alexanderplatz in Aussicht genommen, dann der Platz vor dem Anhalter Bahnhof, dann der Hausvogteiplatz. Nun soll das Denkmal auf den Andreasplatz kommen. Die Berliner Zeitungen kritisieren dieses Hinauszögern. Man sollte endlich ernstlich an die Angelegenheit herangehen. Es stehen für das Denkmal gegen 100000 Mark zur Verfügung.
1. Mai
Heute bringt die "Delitzscher Zeitung" folgende Trauerbotschaft: Heute nachmittag 2 Uhr verschied in Storckwitz unser unvergeßlicher Landrat Herr Wilhelm von Rauchhaupt, Ritter hoher Orden etc. Schmerzerfüllt stehen wir an der Bahre des geliebten und hochverehrten Mannes, der ausgerüstet mit den hervorragendsten Gaben des Geistes und Herzens, 37 Jahre hindurch, in segensreichster Tätigkeit an der Spitze unseres Kreises seines Amtes gewaltet hat. Eine selten ruhm- und ehrenvolle, aber auch dornenreiche Lebenslaufbahn liegt hinter dem Entschlafenen. Mit Bewunderung blickten wir stets auf zu ihm, der trotz schwerer Schicksalsschläge und trüber Erfahrungen aller Art seine volle Tatkraft und Geistesfrische bewahrte, bis ihn vor wenigen Monaten schwere Krankheit darniederwarf. Aber noch bis in die letzte Zeit bekundete er bei jeder Gelegenheit sein lebhaftes Interesse an allen Angelegenheiten seines ihm so lieb gewordenen Kreises. Doch nach Gottes unerforschlichem Ratschluß wurde kurz nach seinem Rücktritt vom Amt weiterer verdienstvoller Wirksamkeit ein Ziel gesetzt. Die Herzen erfüllt von unauslöschlicher Dankbarkeit werden wir dem so hochverdienten Manne alle Zeit ein ehrendes Andenken bewahren.
Delitzsch, den 28. April 1894
Der Kreis-Ausschuß des Kreises Delitzsch
von Busse von Busse Reiche
Königl. Landrat reis-Deputierter Bürgermeister
Graf von Mengersen. Schöley. Winkler. Sydow, Bürgermeister
Die Beisetzung des Verstorbenen fand am 1. Mai mittag 1 Uhr unter Anwesenheit namhafter Persönlichkeiten des Kreises, der Nachbarkreise, des Regierungsbezirks, der Provinz, ja des Reiches in der Familiengruft des Friedhofs zu Schenkenberg statt.
31. Mai
Der schon lange beschlossene Krankenhausbau in der Dübenerstraße hat nun begonnen. Der Bauplan ist von den Architekten Ludwig und Hülßner in Berlin – Leipzig entworfen. Die Bauausführung ist dem hiesigen Maurermeister Robert Nickau übertragen. Der Kostenanschlag beläuft sich auf 105000 Mark, wovon der Kreis einen Beitrag von 30000 M zahlt.
12. Juni
Es hat hier die Gründung eines Hausbesitzervereins stattgefunden zu dem Zweck, ein besseres Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern herzustellen und vertragliche Bindungen nach dem bestehenden Gesetz festzusetzen.
19. Juni
Die Stadtverordneten beschlossen die Befestigung der Angerstraße und Kanalisation der Eisenbahnstraße.
25. Juli
Ein schwerer Verlust trifft unsere Kirchengemeinde. Unser allverehrter Oberpfarrer und Superintendent Hahn ist zum Oberpfarrer in Zörbig und Superintendent der Ephorie Brehna ernannt worden. Zu seinem Ehren fand am 24. Juli im Hotel "zum Schwan" ein Festessen statt, zu dem sich die Spitzen der Behörden, Mitglieder der kirchlichen und städtischen Körperschaften, Pastoren, Lehrer u.a. eingefunden hatten. In den vielen Reden zeigte sich so recht die Liebe und Anhänglichkeit, die sich der Scheidende hier erworben hat.
11. August
Heute Nachmittag fand eine Sitzung der Sieges-Denkmals-Kommission statt, in welcher beschlossen wurde, die Ausführung des Denkmals dem Bildhauer Weißenfels in München für den Preis von 11523 Mark zu übertragen.
21. August
Der im Jahr 1890 gegründete Militär-Verein Delitzsch beging am 20. August im Beisein der anderen hiesigen militärischen Vereine und vieler Landwehrvereine der Umgegend in den Räumen des Schützenhauses sein Fahnen-Weihfest.
30. August
Auf dem deutschen Bundesschießen in Mainz schoß Büchsenmacher Scherell von hier auf Standmeister Scheibe auf 3 Schuß 19,19,18 zusammen also 56 Ringe und errang damit den vierten Preis. Dieser Tage erhielt der glückliche Schütze seinen Preis im Betrag von 250 Mark aus den Einlagen bar ausgezahlt.
3. Oktober
Heute nachmittag wurde auf dem Halleschen Turme der reparierte und frisch vergoldete Turmknopf mit der einen Drachen darstellenden Wetterfahne von Dachdeckermeister Schoebel jun., aufgesetzt. Die lebensgefährliche Arbeit hatte viele Menschen angelockt und ging ohne Unfall von statten.
18. Oktober
Heute feierte der Fleischermeister August Pörschmann sein 50jähriges Meisterjubiläum. Vormittags 11 Uhr versammelte sich die Innung im Vorsaale des Hospitals um den Jubilar. Ein früherer Lehrling des Jubilars, der derzeitige Obermeister der Innung Fleischermeister Barth feierte den Jubilar in schönen Worten. Diakonus Kümmel gedachte der verflossenen Lebensjahre des Meisters und wünschte ihm einen frohen und friedlichen Lebensabend. Im Anschluß hieran fand ein Festessen im Schwan statt.
9. Dezember
Die 300jährige Wiederkehr des Geburtstages des Schwedenkönigs Gustav Adolf wurde heute wie anderwärts, so auch hier durch den Zweigverein des evangelischen Bundes gefeiert. Diakonus Kümmel gab ein lebensvolles Bild dieses Helden von seiner frühen Jugend und frühen Thronbesteigung bis zur Fahrt nach Deutschland, seinen uneigennützigen Kampf und seinen Märtyrertod. Dann sprachen noch Archidiakonus Wüst und Pastor Tetzner. Zum Schluß wurden noch Gaben für den Gustav-Adolf Verein gesammelt.
15. Dezember
Das Denkmal für Schulze Delitzsch in Berlin soll jetzt im Köllnischen Park aufgestellt werden. Die Park-Deputation hat dies genehmigt, und der Magistrat tritt dieser Empfehlung bei. Das Polizei Präsidium, bemerken hierzu Berliner Blätter, wird gegen diesen Aufstellungsplatz hoffentlich auch nichts einzuwenden haben, und damit würde dann diese nachgerede etwas komisch gewordene "Denkmalswanderung" endlich zur Ruhe gebracht werden können.
1895
20. Februar
Eine hochherzige Stiftung ist der Stadt vom Herrn Anton Securius in Berlin, Mitinhaber des Bankhauses Securius u. Häfner in Berlin, einem geborenen Delitzscher und Sohn des früheren Bürgermeisters unserer Stadt Securius gemacht worden. Derselbe hat dem Magistrat 5000 Mark als Stiftung für die Kleinkinderbewahranstalt überwiesen.
22. März
Der lange kalte Winter hat großen Schaden auf den Bienenständen verursacht. Die letzten Tage brachten endlich den längst erwarteten Ausflug für die Bienen. Aber wie sah es da auf den Ständen aus. Hat doch mancher Bienenvater die Hälfte und mehr seiner Stöcke verloren. Ach und was für ein Anblick ist ein solch toter, verhungerter Bienenstock für den fühlenden Imker.
1. April
Der 90. Geburtstag Bismarcks wurde hier in großer Weise begangen. Die Häuser hatten sämtlich Flaggenschmuck angelegt und auf den Straßen war lebhafter Verkehr, - mehr als es sonst an den Sonntagen der Fall war. Ein großer Bismarck-Kommers vereinigte mehrere Hundert Delitzscher zu einer gemeinsamen Feier. Magistrat-Assessor Freyberg und Landrat von Busse feierten Bismarck in Reden als den großen Deutschen. Pastor Wüst hielt die Festrede. Diakonus Kümmel hatte für diesen Tag ein Bismarckfestspiel verfaßt, welches reichen Beifall fand.
19. April
Das Geburtshaus Christian Gottfried Ehrenbergs auf der Halleschen Straße, des berühmten Naturforschers und Ehrenbürgers unserer Stadt, ist aus Anlaß seines 100. Geburtstages heute festlich beflaggt; von Seiten der Stadt ist die an dem Hause angebrachte Gedächtnistafel, deren Inschrift erneuert ist, mit frischem Lorbeer geschmückt.
27. April
Ende 1894 betrug die Einwohnerzahl unserer Stadt 8949 Personen. An Häusern bzw. Wohnhäusern waren vorhanden 781.
7. Mai
Das massenhafte Auftreten der Maikäfer macht es erforderlich, daß allgemeine umfassende Maßregeln zu deren Vertilgung getroffen werden, um die Gefahren, welche der Forst- und Landwirtschaft sowie der Obstkultur drohen, abzuwenden. Die Sammlung der Maikäfer kann erfolgreich nur während der frühen Morgenstunden stattfinden; es empfiehlt sich zur Sammlung Säcke zu verwenden, in welchen die Käfer mit kochendem Wasser getötet werden.
24. Mai
Der Turnverein Delitzsch beging in diesen Tagen die Feier seines 50jährigen Stiftungsfestes. Am Vorabend war ein Kommers im Schützenhause, der sich reger Beteiligung von Seiten der Bürger, Turn- und Gesangvereine erfreute. Gründer des Vereins war der damalige Rektor Stützer, der den Wert des Turnens schon damals erkannte. Die Hauptfeier fand am Tag darauf statt. Nachdem die vielen auswärtigen Gäste am Bahnhof abgeholt wurden, begann um 10 Uhr auf dem Platze vor der Turnhalle das Preisturnen für alle Turner. Nach dem gemeinsamen Mittagessen im Schützenhause war Umzug, dann die eigentliche Festfeier auf dem Turnplatze. Im Anschluß hieran begannen Freiübungen des Turnvereins, Riegenturnen, Kürturnen Ein allgemeiner Ball im Schützenhause beschloß das Fest.
1. Juli
Baurat Lucas und Rektor Plumhoff verlassen unsere Stadt. Ihnen zu Ehren (fand d.A.) eine Abschiedsfeier statt. Der Gesangverein "Arion" beging sein Fahnenweihfest mit Kommers am Vorabend und einer großen Festfeier in "Stadt Leipzig" am Haupttage. Nach dem Festessen war ein imposanter Umzug von etwa 500 hiesigen und auswärtigen Sängern. Im Festlokal gaben die einzelnen Vereine ihre nach dem Programm angekündigten Lieder zum Besten. Dem festgebenden Verein wurden 23 zum Teil recht kostbare Fahnennägel dargebracht, deren Nagelung sofort stattfand. Im Garten konzertierte die Römer'sche Kapelle.
12. Juli
Die Kanalisation verschiedener Straßen unserer Stadt wird auch in diesem Jahre fortgesetzt. Fertiggestellt sind bisher die Straßen "Am Gerberplan" und "Am Schützenplatz". Noch in Angriff genommen werden die Bitterfelder-, Dübener-, verlängerte Anger- und Reichestraße. Die heißen und trockenen Sommertage haben der Honigernte ein schnelles Ende bereitet. Auch die Linde hat nicht gebracht, was erwartet wurde, so bleibt nur noch als Spättracht der Hedrich übrig. Im allgemeinen können aber die Imker mit dem Honigertrag in diesem Jahre zufrieden sein.
18. Juli
Der Schuhmachermeister Ryssel – Holzgasse feierte sein 50jähriges Meisterjubiläum.
31. Juli
Der hiesige Kriegerverein beging seine Fahnenweihe. Es hatten sich zu dem Feste 15 auswärtige Vereine eingefunden. Die Fahne war hergestellt von der Fahnenfabrik Ottilie Otto Leipzig-Gohlis. Die Weihe vollzog Oberst von Dittfurth aus Bitterfeld. Die Festfeier fand im Bürgergarten statt.
20. August
Unsere Schützengilde feierte am 18. und 19. August das 50jährige Jubiläum der vom König Friedrich Wilhelm IV. 1845 verliehenen Fahne. Am ersten Tag war Ausmarsch und im Anschluß hieran die Festfeier im Schützenhofe. Der zweite Tag war der Hauptfesttag. Nachmittags entwickelte sich während des Konzerts im Garten ein reges Leben, während in den Schießhallen die Schützen eifrig um die für den besten Schuß auf die von der Gilde gestiftete Jubiläums-Festscheibe ausgesetzte stark vergoldete Jubiläums-Medaille wetteiferten. Abends war dann der Einmarsch. Voran fuhren zwei Equipagen mit den Gästen. Die Fahnen wurden im Rathaus abgegeben.
1. September
Die 25. Wiederkehr des Sedantages war für unsere Stadt ein besonderer Festtag. An diesem Tage mittags 12 Uhr fand nämlich die Einweihung des mitten auf dem Markt aus poliertem schwedischen Granit errichteten acht Meter hohen Siegesdenkmals statt, das von dem Schöpfer des Schulze Delitzsch-Denkmals, Edwin Weißenfels, zum Preise von 11500 Mark hergestellt wurde. Vor der Einweihungsfeierlichkeit fand ein Gottesdienst statt, dem schon die an der Festlichkeit beteiligten Vereine: die Gesang- und Turnvereine der Stadt, die Gewerkschaften, Schulen, die Schützengilde und die Feuerwehr geschlossen beiwohnten. Nach dem Gottesdienst nahmen die Veteranen und Vereine des Kreiskriegerverbandes vor dem noch verhüllten Denkmal in Parade Aufstellung. Oberst Dittfurth aus Bitterfeld mit einer Anzahl Ehrengästen schritten die Front der Krieger ab. Archidiakonus Wüst vollzog die Weihe, worauf von den Gesangvereinen einige Männerchöre zum Vortrag kamen. Bürgermeister Reiche übernahm unter Dankesworten das Denkmal namens der Stadt. Von den Militär- und anderen Vereinen wurden nun prächtige Lorbeerkränze mit Atlasschleifen am Denkmal niedergelegt. Als besondere Überraschung und wohl der schönste Teil des Festaktes war die Schmückung der Veteranen durch Ehrenjungfrauen mit einer aus eroberten französischen Geschützen geprägten Denkmünze, die auf der Vorderseite die Bildnisse der drei Kaiser sowie Bismarcks und Moltkes trägt und auf der Rückseite im Eichenkranz die Widmung 1895, zum 25jährigen Gedächtnis der Sieger von 1870/71. Mit dem Vorbeimarsch sämtlicher Militärvereine vor den geladenen Ehrengästen endete die Feier.
5. September
Wie mitgeteilt wird hat der Minister des Innern nun die Genehmigung erteilt, daß das Denkmal für Schulze Delitzsch in Berlin auf dem zuletzt vorgeschlagenen Platz in der Köpenickerstraße bei der Einmündung der Insel- und Jakobstraße aufgestellt wird.
2. Oktober
Heute fand die Übersiedlung der Kranken aus dem alten in unser neu erbautes Krankenhaus statt. Von einem öffentlichen Akte hatte man Abstand genommen. Das Gebäude macht einen imposanten Eindruck und gereicht unserer Stadt zur höchsten Zierde.
17. Oktober
Gestern fand im "Schwan" eine Versammlung der Interessenten statt, um über die Gründung einer Dampfmolkerei am hiesigen Platze zu beraten. Sie kommt in die Nähe der Turnhalle. Mit dem Bau wird sofort begonnen. Eine Gärtnerei wird Paul Dörfel in den nächsten Tagen hier eröffnen. Die Baulichkeiten, Treib- und Gewächshäuser in der Rosenthaler Mark sind bereits fertig gestellt. Die ganze Anlage macht einen vorteilhaften Eindruck.
3. November
Der hiesige Gewerbeverein hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, an den Verkehrsminister eine Petition zu errichten, in der ersucht wird, für die ankommenden Passagiere den Ausgang vom Perron direkt links vom Gebäude frei zu geben.
12. November
36 Zwicker der hiesigen Schuhfabrik Franke treten in den Streik, weil ihre Forderungen auf bessere Verhältnisse, besonders betr. der Arbeitsstätte und der Behandlung trotz wiederholter Vorstellungen nicht erfüllt wurden. Sie werden nicht eher wieder mit der Arbeit beginnen bis die Forderungen erfüllt sind.
15. November
Die früher Schaaf'sche Spanfabrik vor dem Halleschen Tore, die Wieprecht vom Halle'schen Konkursverwalter gekauft hat, ist neu hergestellt, so daß sofort der Betrieb wieder aufgenommen werden kann.
5. Dezember
Nach der Volkszählung am 2. d. Mts. hat Delitzsch 9312 Einwohner gegen 8949 im Jahre 1890. Die Zunahme beträgt somit 363 Personen.
1896
Die Bautätigkeit ist im vergangenen Jahre in unserer Stadt eine so rege gewesen, wie selten zuvor. Außer den zahlreichen Hausbesitzern, welche ihren Häusern durch Abputzen und Anstreichen – darunter gehört auch unser stattliches Rathaus – wieder ein freundliches Aussehen gegeben haben, sind verhältnismäßig zahlreiche Neubauten in mehreren Vierteln entstanden. Außer unserem schönen Krankenhaus und einer größeren Häckselfabrik mit höherem massiven Schornstein gegenüber dem Berliner Bahnhof sind ein-, zwei- und dreistöckige Häuser an der Beerendorfer-, Eisenbahn-, Anger-, Schenkenbergerstraße und auf der Dübener Vorstadt fertig gestellt und schon zum Teil bezogen worden. Es würde der Stadt nicht zur Unzierde gereichen, wenn auch bald das alte Scheunenviertel verschwinden würde.
18. Januar
Der 25. Geburtstag der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches wurde im "Schwan" durch einen großen Kommers begangen. Wohl an 600 Männer hatten sich eingefunden, darunter die Hälfte mit Orden und Ehrenzeichen geschmückten Krieger. Die Römer'sche Kapelle verschönte den Abend durch flotte Weisen. Es sprachen der Präsident des Komitees Dr. Busolt, Landrat von Busse und die Herren Magistrats Assessor Troitzsch und Simon. Die Festrede des Abends hielt Archidiakonus Wüst, der mit seinen Worten die Herzen der Anwesenden zu hehrer Begeisterung entflammte. An Fürst Bismarck wurde ein Huldigungstelegramm gesandt.
24. Januar
Auf dem Eise des kleinen Stadtgrabens eingebrochen und ertrunken ist der Sohn des Handarbeiters Reiche. Die Bergung der Leiche war sehr schwierig. Man mußte erst einen Kahn herbeiholen und nachdem die Fahrrinne in das ca. 1 Zoll dicke Eis geschlagen war gelang es, den toten Körper aus dem nassen Element herauszufischen.
18. Februar
Der 350jährige Todestag Martin Luthers wurde auch hier in der Stadtkirche durch einen besonderen Gottesdienst begangen.
20. Februar
Auf die am 3. November v. J. vom hiesigen Gewerbeverein beschlossene und abgesandte Petition betr. des schwierigen Ausgangs beim hiesigen Berliner Bahnhof ist folgende Antwort eingegangen: "Die im gefälligen Schreiben mitgeteilten Mißstände, welche auf dem Bahnhof Delitzsch durch die Bahnsteigsperre veranlaßt werden, haben wir einstweilig durch Öffnung eines zweiten Ausganges am Südende des Empfangsgebäudes zu mildern gesucht. Wir hoffen im Etatsjahr 1897/98 Mittel zur Verfügung zu haben, um entgültig Abhilfe schaffen zu können." Der Ausgang ist bereits seit einigen Tagen geöffnet.
19. März
Die Schützengilde hat in einer ihrer letzten Versammlungen beschlossen, den großen Schützenplatz mit Bäumen einzufassen. Zu diesem Zwecke hat jedes Mitglied einen Lindenbaum gestiftet. Es kommen, der Anzahl der Mitglieder entsprechend, im Ganzen 72 solcher Bäume zur Anpflanzung.
26. März
Um unser Siegesdenkmal ist heute vormittag das Gitter zur Aufstellung gelangt. Dasselbe ist äußerst geschmack- und kunstvoll angefertigt und gereicht der ganzen Anlage des Denkmals zur höchsten Zierde. Das Gitter ist aus Schmiedeeisen und in der Kunstschlosserei Freywald gefertigt worden.
28. März
Drei steinerne Kanonenkugeln, anscheinend aus der Schwedenzeit stammend, wurden gestern zwischen dem Hofpflaster des Scheibe'schen Grundstücks herausgenommen. Friseur Schröter, der bekannte Altertumssammler von Delitzsch und Umgegend, hat dieselben seiner Sammlung einverleibt.
25. April
Das Schulze Delitzsch Denkmal in Berlin soll nun entgültig seinen Platz auf dem Treffpunkte der Köpenickerstraße, der neuen Jacobstraße und der Inselstraße erhalten. Es ist eine Porträtstatue, die Schulze Delitzsch in stehender Haltung darstellt, in Aussicht genommen. An dem Postament soll durch bildliche Darstellung seine Bedeutung und Wirksamkeit zum Ausdruck gebracht werden. Es sind neun Preise ausgesetzt worden und zwar drei Preise zu 3000, 2000 und 1000 Mark, sechs Preise zu je 500 Mark.
29. April
Archidiakonus Wüst verläßt unsere Stadt, um einem Rufe nach Berlin zu folgen. Der Scheidende war nicht nur ein bedeutender Kanzelredner, sondern hat sich auch durch wissenschaftliche Vorträge und Veranstaltungen einen Namen in unserer Stadt erworben. Zu seinen Ehren fand im Schwan ein Abschiedsessen statt, an dem zahlreiche Herren der Stadt und Umgegend teilnahmen.
17. und 18. Juni
An diesen beiden Tagen feierte die "Schulze-Delitzsch Liedertafel" ihr 50jähriges Stiftungsfest durch Kommers, Niederlegung einer Schleife und Festakt mit Gesang Sonntag vormittag am Schulze-Delitzsch-Denkmal, Festessen und Ball im Schützenhause. Der Verein wurde im Jahr 1846 durch unsern großen Mitbürger Dr. H. Schulze gegründet und auch jetzt leben einige der Mitbegründer noch in Delitzsch. Zu diesem Fest waren außer verschiedenen auswärtigen Vereinen sämtliche hiesige Gesangvereine, der Gewerbeverein u. a. eingeladen und erschienen.
28. Juni
Heute wurde der bisherige Diakonus Kümmel vom Superintendanturverweser Schulle aus Schenkenberg als Archidiakonus eingeführt.
1. Juli
Pfarrer Richard Schäfer aus Schochewitz wird mit der schon lange freigewordenen Stelle eines Oberpfarrers betraut. Generalsuperintendent Vieregge führt ihn in sein Amt ein. Oberpfarrer Schäfer wird der Führung der Superintendanturgeschäfte nur beauftragt. Zum Kreisschulinspektor erhält er die Ernennung erst ein halbes Jahr später.
15. August
Die gegenüber der Turnhalle erbaute Delitzscher Dampfmolkerei wird in den nächsten Tagen in Betrieb genommen. Der Sommer ist regnerisch und das anhaltende Regenwetter erschwert das Einbringen der Getreideernte. Auch leiden Grummet und Kartoffeln sehr unter der übermäßigen Nässe.
11. Oktober
Der bereits im Juni gewählte Pfarrer Kohlmann wird nun als Diakonus in sein Amt eingeführt. An Stelle des im Vorjahr verzogenen Rektors Plummhoff wird Rektor Dr. Wegner als Leiter der höheren Mädchenschule berufen und auch vertretungsweise mit der Leitung der Knaben- und Mädchenbürgerschule beauftragt. Die Mädchenschule war zurzeit in der früheren Vorstadtschule untergebracht. Doch genügten die dort vorhandenen Räume den Bedürfnissen der Schule nicht mehr. Da beschloß die Schuldeputation den Bau einer neuen Mädchenschule. Nach längeren Verhandlungen wurde als geeignetster Bauplatz das Seifert-Baer'sche Grundstück an der Chausseestraße bestimmt.
11. Oktober
Der bereits am 30. Juni gewählte Rektor Wiener aus Waldenburg wird am ersten Tage nach den Herbstferien als Leiter der hiesigen Volksschulen eingeführt.
10. Dezember
Der alte Ratsförster Köring feiert sein 50jähriges Dienstjubiläum. Köring hat sich auch durch seine Bienenzucht und als langjähriger Vorsitzender des hiesigen Imkervereins einen Namen gemacht.
1897
Zum 1. Januar wird der seit dem 1. Juli 1895 als Polizeisekretär hier tätige Gustav Fricke zum Stadtsekretär berufen und zwar als Nachfolger des Stadtsekretärs Theodor Huth, der zum Bürgermeister von Prettin gewählt worden war und Delitzsch schon Weihnachten 1896 verlassen hat. Am 22. März wird der 100jährige Geburtstag Kaiser Wilhelm I als Zentenarfeier wie überall so auch in Delitzsch überaus festlich begangen. Die Feier geht in ähnlicher Weise von statten wie die der Siegesdenkmalweihe 1895. Auf dem Marktplatze vor dem Denkmal findet ein Festakt statt, hierauf Umzug durch die Stadt und am Abend große Illumination.
Im Frühjahr wurde mit dem Bau der Mädchenvolksschule begonnen. Die Bauleitung ist dem Architekten Alfred Ludwig aus Leipzig übertragen. Es sollen soweit wie möglich Delitzscher Handwerker und Fachmänner am Bau Beschäftigung finden. Die Maurerarbeiten führt aus Bauunternehmer August Berger, die Sandsteinarbeiten die Firma Stock und Teubner, die Eisenkonstruktionsarbeiten B. Wiesinger, die Dachdeckerarbeiten Dachdeckermeister Karl Schöbel, die Klempnerarbeiten Louis Miethe Nachf. Leipzig, Blitzableiter und Klingelanlage Fritz Reyher, die Malerarbeiten Malermeister E. Scholz, Stuckarbeiten Firma G. Glück Nachf. Halle, Tischlerarbeiten Tischlermeister R. Schmidt, die Glaserarbeiten werden geliefert von den Glasermeistern Leiser, Lampe u. Rich. Scheibe, Delitzsch sowie Paul Petersohn, Leipzig, die Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Herm. Mietzsch und Robert Nebel, die Zimmerarbeiten von Zimmermeister Oskar Pannicke und Unternehmer Herm. Laue. Die Treppenstufen (Granit) und den Treppenaufbau liefert das Granitwerk Bibersberg in Markleuthen. Die Baukosten sind mit 163000 Mark veranschlagt. Das Wetter des Jahres ist wieder einmal recht ungünstig . Die Wintermonate sind kalt, desgleichen der Mai, in dem regnerische Witterung vorherrscht. Am 28. Mai schlägt der Blitz in den Turm der Marienkirche und wirft die Schieferbedachung der Westseite herab. In der Erntezeit entsteht durch unaufhörlichen Regen in der Muldenaue ein recht schweres Hochwasserunglück. Am 1. August überflutet die Mulde bei Bitterfeld ihr Ufer, und infolgedessen bricht bald darauf der Damm gegenüber von Niemegk, wodurch die ganze Muldenaue unter Wasser gesetzt wird. In den Straßen von Eilenburg steht dieses meterhoch. In Hainichen stürzt infolge der Hochwasserfluten das Schulhaus ein. Die Rösaer Flur gleicht einem Meer und in Düben dringt das Wasser in Höfe, Häuser und Gärten. In Zschepplin bricht in der Nacht der Damm an drei verschiedenen Stellen, und die Bewohner des vollständig überfluteten tiefer gelegenen Dorfteils müssen auf die Hausbodenräume flüchten, von wo sie am anderen Morgen erst durch Kähne gerettet werden können. Am 7. August erläßt der Delitzscher Kreisausschuß einen Aufruf um Hilfe für die unverschuldet in Not geratenen Muldenaubewohner des Kreises. Es gehen reichlich Unterstützungen ein, nicht nur aus dem Kreise, sondern auch aus Halle, Magdeburg, Merseburg, Sangerhausen, ja selbst von Landsleuten aus dem Ausland. Das Cafe` "Drei Raben" wird durch Gustav Hildebrandt noch in diesem Jahr eröffnet.
5. Juli
Heute sind 500 Jahre vergangen, seitdem den damaligen Schuh- und Gewerbeknechten hierselbst die Innungsprivilegien verschrieben wurden. Die Schuhmacherinnung beging diesen Tag in festlicher Weise.
19. Juli
Die 200jährige Jubelfeier unserer Schützengilde, welche mit dem gestrigen Sonntage begann und mehrere Tage dauern wird, nahm einen der Bedeutung des Festes würdigen, äußerst glänzenden Verlauf. Das Hauptinteresse konzentrierte sich auf den Festzug, und man muß gestehen, daß derselbe trotz, des wenig günstigen Wetters einen prächtigen, imposanten Eindruck gewährte. Zahlreich hatten sich die Vertreter der Gilde von nah und fern eingestellt, um den Ehrentag der Delitzscher Gilde mitzubegehen. Durch Beteiligung einer Anzahl anderer hiesiger Vereine und Korporationen, wie der Fleischerinnung, deren Vertreter hoch zu Roß einen schneidigen Eindruck machten, der Veteranen, der Gesangvereine, der Bergleute und der Radfahrer, sowie Abteilungen der Feuerwehr, hatte der Festzug eine bedeutende Ausdehnung gewonnen und bot in den verschiedenen Uniformen und Kostümen ein wunderbares schönes Bild. Nicht wenig trugen hierzu die Abteilungen der alten Schützen in ihren historischen Kostümen bei, der Armbrustschützen, der Schützen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, der Schützen aus dem 30jährigem Kriege, die alten Frackschützen, sowie nicht minder die den Zug eröffnenden Herolde, die Bergleute in ihrer Galatracht, die jugendlichen Ehrendamen, sowie die den Schluß bildenden Radfahrer mit ihren Damen. Den Glanzpunkt aber des Ganzen bildeten die drei Festwagen, der Germaniawagen, der prächtig geschmückte Schützenwagen mit der Festscheibe und der mit den Stadtfarben geschmückte Wagen der Jacob'schen Brauerei. Auf dem Festplatz erregte das von Fleischermeister Paul Kuhn inscenierte Braten eines ganzen Ochsen am Spieß das ungeteilteste Interesse. Auch sonst kam jeder Besucher des Festplatzes auf seine Rechnung. Die Schützen schossen nach der Scheibe und am Schluß des Festes gab es ein Brillant-Feuerwerk.
26. August
Gestern nachmittag fand die Einweihung des neu angelegten Teiles unseres Friedhofes statt. Die Einweihungsrede hielt Archidiakonus Kümmel, Superintendent Schäfer verlas ein kurzes Einweihungsgebet und Diakonus Kohlmann sprach Schlußgebet und Segen. Eine große Gemeinde hatte sich dabei auf dem Friedhof eingefunden.
1898
8. März
Unser Delitzsch entwickelt sich zur Großstadt; der erste Schritt dazu ist bereits getan; denn nach den Registern im städtischen Meldeamt, hat unsere Stadt am gestrigen Tage die Zahl von – 10002 - Seelen erreicht.
5. April
Ein entsetzlicher Unglücksfall trug sich heute Morgen in der 8. Stunde vor dem Woide'schen Laden in der Halleschen Straße zu. Um diese Zeit fuhr die 10jährige Tochter der Frau Wolke ihr 4jähriges Brüderchen nach der Kleinkinderbewahranstalt. Vor genanntem Hause gerieten die linkseitigen Räder des Wagens vom Trottoir herunter, wodurch der Wagen umschlug. Unglücklicherweise passierte in diesem Augenblicke ein Geschirrführer des Gutsbesitzers Schiller – Freiroda dieselbe Stelle, und so kam es, daß das unglückliche Kind vor das Hinterrad geworfen wurde, welches über den Kopf ging und den sofortigen Tod des Kindes herbeiführte. Den Geschirrführer trifft keine Schuld.
16. Mai
Am gestrigen Sonntage feierte der "Turnverein Delitzsch" unter Beteiligung zahlreicher auswärtiger Vereine sein 50jähriges Fahnenjubiläumsfest mit Umzug, turnerischen Übungen und Ball. Am Siegesdenkmal auf dem Marktplatze wurde von den Jungfrauen eine von ihnen gestiftete Schleife niedergelegt und Archidiakonus Kümmel hielt hier die Festrede. Auf dem Festplatze entwickelte sich dann ein reges turnerisches Treiben mit ausgesetzten wertvollen Preisen.
20. Juni
Der "Turnverein Vorwärts" feierte am gestrigen Sonntag sein Fahnenweihfest in den Räumen der "Stadt Leipzig". Am Vorabend fand Zapfenstreich und Kommers statt. Am Vormittag des Festtages war Preisturnen, nachmittags Weihe der Fahne durch Zigarrenfabrikant Schimpf, darauf Umzug und auf dem Festplatz Freiübungen. Abends wurde im Saal von den Damen des Vereins ein Reigen aufgeführt.
25. Juni
Bei der gestern stattgefundenen Reichstagsstichwahl zwischen Grubenbesitzer Bauermeister und Redakteur Weißmann Halle siegte Bauermeister – deutsche Grube bei Bitterfeld.
3. Juli
Gestern beging das hiesige Königliche Lehrerseminar seine 25jährige Jubelfeier. Als Ehrengäste waren von auswärts der erste Leiter der Anstalt, der jetzige Geheime Regierungs- und Schulrat Trinius - Potsdam, sowie Rektor Dr. Bartels – Gera erschienen, während der Nachfolger von Geheimrat Trinius, Schulrat Schöppa – Schleswig in einem längeren Schreiben sein Nichterscheinen entschuldigte und der Anstalt seine herzlichsten Glück- und Segenswünsche übermittelte. Außerdem waren an die 300 frühere Zöglinge, zum Teil aus weiter Ferne, herbeigeeilt, den Ehrentag ihrer Bildungsanstalt feierlich mitzubegehen. Die Feier wurde am Vorabend mit einem gemütlichen Beisammensein im "Schwan" eröffnet, woselbst manch frohes Wiedersehen gefeiert wurde. Die Hauptfeier begann heute Morgen 10 Uhr im Schützenhause mit einem Festaktus, bei welchem der jetzige Leiter der Anstalt Schulrat Bohnenstedt die Festrede hielt. Es sprachen dann noch Bürgermeister Reiche, Superintendent Schäfer, Lehrer Remmicke – Berlin, ein Schüler des ältesten Jahrgangs. Im Anschluß hieran begannen die musikalischen Vorträge des Seminarchors. Alle Nummern ausnahmslos rissen die Festteilnehmer zu reichem Beifall hin. Um 1 Uhr fand dann eine Besichtigung des festlich geschmückten Seminars statt und hieran schloß sich ein gemeinsames Mittagsmahl im Schützenhaus, bei welchem schier unzählige Reden und Toaste vom Stapel gelassen wurden. Der Abend versammelte dann die Festteilnehmer zu einem letzten Zusammensein in "Stadt Leipzig". Wer weiß, wie Viele von ihnen bei der 50jährigen Feier fehlen werden!
18. Juli
Am heutigen Tage feierte die Schützengilde ihr 200jähriges Fahnenjubiläum sowie das 25jährige Bestehen ihrer 2. Kompagnie. Das Hauptinteresse des Festes konzentrierte sich auf das Beschießen der Jubiläumsscheibe. Den besten Schuß auf dieselbe gab Herr Messerschmiedemeister Henkel sen. ab. Dem glücklichen Schützen wurde von Herrn Major Eichler die Jubiläums Medaille überreicht. Preise errangen noch Glasermeister Richard Scheibe, Kaufmann August Werner, Fleischermeister Paul Kuhn, Schlossermeister Mietzsch. An der Festtafel sprachen Bürgermeister Reiche, Richard Krone, Rentier Hühnel, Major Eichler. Das prächtige Wetter trug zur Erhöhung der Feststimmung nicht wenig bei.
27. Juli
Gelegentlich der vom Hauptverein der Provinz Sachsen, Thüringen und Anhalt in den Tagen vom 23. bis 26. Juli in Zeitz abgehaltenen bienenwirtschaftlichen Ausstellung erhielt Messerschmiedemeister Paul Dietze von hier auf seine selbstgefertigten praktischen Bienenzuchtgeräte den 3. Preis.
30. Juli
Heute ist der große Reichskanzler des deutschen Reiches Fürst Bismarck in Friedrichsruh gestorben. Anläßlich seines Ablebens flaggen bis zur Beisetzung alle öffentlichen Gebäude halbmast.
5. August
Hiesige Verehrer des entschlafenen Fürsten Bismarck haben heute einen prachtvollen großen Lorbeerkranz an den Fürsten Herbert nach Friedrichsruh abgesandt. Die Schleife enthielt folgende von Archidiakonus Kümmel gedichtete Widmung
"So bist du dennoch, hoher Held, von uns geschieden!
Der machtvoll eine Welt beherrscht – ruh sanft in Frieden!
Der deutsche Wald umrauscht dein Grab, daß stets aufs Neue
Dem deutschen Volk dein Ruhm ertönt, der Ruhm der Treue.
Dein Herz in heißer Liebe Glut für Deutschland brannte:
Wir wollen lieben so wie du die deutschen Lande.
So bleiben wir trotz Todesweh doch ungeschieden –
Ruh sanft nach heißem Kampf und Strauß in Gottes Frieden!"
Die Verehrer in Delitzsch
6. August
Die hiesige Schuhfabrik Sonntag u. Francke hatte wegen Lohnstreitigkeit dem gesamten Personal – 180 Personen – gekündigt. Die Maschinenarbeiter sollten statt der bisherigen Wochenlöhne Akkordlöhne erhalten. Dadurch erhielten die Arbeiter weniger Lohn als bisher und wollten nur bei Bezahlung der bisherigen Wochenlöhne weiterarbeiten. Darauf ging der Chef nicht ein und kündigte allen Arbeitern. Nach acht Tagen wurden die bestehenden Differenzen beseitigt und eine Einigung zur beiderseitigen Zufriedenheit hergestellt.
7. August
Der Bau der Mädchenschule ist soweit fortgeschritten, daß am Sonnabend den beim Bau beschäftigten Arbeitern seitens der Stadt der Richtschmaus gegeben werden konnte.
1. September
Heute vor 25 Jahren zog Otto Scherell die Kirchturmuhr zum ersten Male auf.
8. September
Großes Aufsehen in der Stadt verursachte die heute vormittag erfolgte Verhaftung des besoldeten Magistrats-Assessor Simon wegen Unterschlagung auf Grund von Nachforschungen, welche seitens eines Regierungsrates seit einer Reihe von Tagen hier angestellt waren. Der Verhaftete soll sich als Dezernent des Krankenhauses vielfache Betrügereien haben zu Schulden kommen lassen. Die Angelegenheit zieht aber auch noch weitere Fäden. Der langjährige sehr verdiente Bürgermeister unserer Stadt Reiche wird wegen dringenden Verdachts der Beihilfe seines Amtes entlassen. Jedoch behalten sich die städtischen Behörden ihm gegenüber die Beschlußfassung über etwaige Pensionierung bis nach dem Ausgang des Strafverfahrens vor.
1. Oktober
Heute begeht unsere Stadtsparkasse den Tag ihres 50jährigen Bestehens. Errichtet wurde dieselbe am 1. Oktober 1848. Die Leitung der Sparkasse erfolgte von Beginn an durch den Bürgermeister Sekurius, später durch ein Kuratorium. Den Vorsitz im Kuratorium haben nacheinander eingenommen die Bürgermeister Hagedorn, Born und Reiche. Die Führung der Kassengeschäfte hatte bis 1877 Rendant August Thärigen, dann Rendant Albert Scheibe.
19. Oktober
Der langjährige Leiter, der vor länger als einem Jahrzehnt zu einem Realprogymnasium umgewandelten höheren Knabenbürgerschule, war am 1. April in den Ruhestand getreten. Zum Nachfolger wurde Dr. Hermann Wahle aus Magdeburg zum Direktor der nun zu einer Realschule umgewandelten höheren Schule gewählt und gestern in Gegenwart des Magistrats und mehrer Stadtverordneten vom Provinzial-Schulrat Friese aus Magdeburg in sein Amt eingeführt.
20. Oktober
Der Rathausanbau nach der Ritterstraße zu wird zu Ende geführt. Der Bauleiter ist derselbe wie der der Mädchenvolksschule, Architekt Ludwig, Leipzig. Alle anderen Arbeiten werden soweit es möglich ist von hiesigen Meistern ausgeführt. Die Gesamtkosten des Rathausanbaus betragen 33384,79 Mark.
22. November
Der die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters führende Regierungs-Referendar von Helldorf macht der Stadtverordnetenversammlung bekannt, daß Banquier Sekurius – Berlin auf die Mitteilung des Magistrats, daß die städtischen Behörden seinem Vater, dem verstorbenen Bürgermeister Securius zu Ehren den bisherigen Schenkenberger Weg "Securiusstraße" getauft haben, der Stadt 3000 Mark überwiesen mit dem Wunsche, daß dieselben im Interesse der Kleinkinderbewahranstalt verwendet werden.
16. Dezember
Zum neuen Bürgermeister unserer Stadt wird der bisherige Bürgermeister von Gronau, Prov. Hannover, Ernst Rampoldt gewählt. Bis zur Einführung desselben führt die Geschäfte des Bürgermeisters der Magistrats Assessor Rose.
1899
14. Januar
Nachdem der neugewählte Bürgermeister Rampoldt von der Regierung bestätigt worden ist, wurde er heute in sein neues Amt eingeführt.
15. Januar
Bei Ausholzung und Restaurierung des "alten Gottesackers" ist an der südlichen Mauer desselben eine Grabinschrift von – Frau Salome geb. Rinkhardt aus Eilenburg, geboren 1625, gestorben in Delitzsch 1696 – freigeworden. Die hier Begrabene ist die Tochter von Martin Rinkhardt aus Eilenburg, jenes Gottesstreiters, der in Eilenburg die schweren Leiden des 30jährigen Krieges zu durchkosten hatte und das herrliche Lied: "Nun danket alle Gott" dichtete. Sie selbst war in Eilenburg mit dem Archidiakonus Dehneus verheiratet und ist als Witwe dann nach Delitzsch verzogen. (Dehneus heißt auch Dähne, Dehne, Däne, Danus.)
20. Januar
Damit durch Wagengerassel der Unterricht in der neuerbauten Mädchenschule an der Chausseestraße nicht so gestört wird, will die Provinzialverwaltung im Frühjahr längs des Schulgebäudes und etwas drüber hinaus Schienengeleise in Breite der Wagenspur anlegen. Dieselbe Vorkehrung soll auch in der Bitterfelder Straße vor dem Knabenschulgebäude getroffen werden.
15. März
Seit gestern wird an der Aufstellung der Turmuhr auf dem Halleschen Turm gearbeitet, und ist die nach der Stadt zu gelegene Turmseite bereits mit dem Zifferblatte geschmückt.
6. Mai
Heute vormittag 11 Uhr fand die Einweihung der neuen Mädchenvolksschule unter zahlreicher Beteiligung seitens der städtischen Behörden, der Eltern, der Kinder sowie sonstiger Bürger und Freunde der Schule statt. Die Teilnehmer hatten sich vor dem vorderen Hauptportal der Schule versammelt. Nach Absingen eines Chorals überreichte der Erbauer des prächtigen Schulgebäudes Architekt Ludwig dem Bürgermeister Rampoldt den Schlüssel mit dem Wunsche, daß das Gebäude für alle Zeiten ein Zeichen opferwilligen Bürgertums, eine Zierde der Stadt sein möge. Bürgermeister Rampoldt brachte am Schluß seiner Ansprache ein Hoch auf den Kaiser aus und gab den Schlüssel an den mitanwesenden Regierungs- und Schulrat Martin weiter. Dieser händigte ihm dem Rektor der Schule Dr. Wegener aus. Kreisschulinspektor Sup. Schäfer vollzog nun nach längerer Ansprache, in welcher er besonders auf das Verhältnis zwischen Schule und Haus einging, die Weihe der Schule. Rektor Dr. Wegener öffnete darauf das Haus mit dem Ausspruch: "Zur Ehre Gottes, zum Heile des Vaterlandes, der Jugend zum Besten!" Es fand dann eine Besichtigung der Räume statt.
8. Mai
Die Einwohnerzahl unserer Stadt beträgt gegenwärtig 10191 Seelen.
14. Mai
Der frühere Magistrats-Assessor Simon erhielt vom Schwurgericht Halle für seine hiesigen Verfehlungen und zwar wegen Annahme von Geschenken in 8 Fällen, wegen Amtsunterschlagung in 5 Fällen, sowie wegen Betruges mit schwerer Urkundenfälschung mit Rücksicht auf seine Gemeingefährlichkeit eine Gesamtstrafe von 5 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust.
16. Mai
In seiner heutigen Sitzung hat der Magistrat beschlossen, die bisherige "Reichestraße" in Lindenstraße umzuwandeln.
19. Mai
In der gestern stattgefundenen Generalversammlung des hiesigen Beamtenvereins wurde an Stelle des versetzten Amtsgericht-Sekretärs Windolph Stadtsekretär Fricke als Vorsitzender einstimmig gewählt.
24. Mai
Die "Stadt Leipzig" ist in die Hände des Brauereibesitzers Jacob übergegangen. Die Übernahme findet am 15. Juni statt.
27. Mai
Der als vorzüglicher Musiker weit und breit bekannte hiesige Musikdirektor Römer, welcher 11 Jahre lang uns so manchmal mit seiner Kapelle erfreute, hat sein Geschäft und auch sein Grundstück an Konzertmeister Böttcher abgetreten. Die Übernahme erfolgt am 1. Juli.
30. Mai
In der Stadtverordnetenversammlung wird der Antrag eingebracht den Teich an der Elbritzmühle als Badeteich einzurichten. Nach längerer Aussprache beschließt die Versammlung einstimmig die Angelegenheit dem Magistrat einzureichen.
17. Juni
Am gestrigen Tage beging der vaterländische Frauenverein zu Delitzsch die Feier seines 25jährigen Bestehens mit einem vorzüglich gelungenen Feste im Hotel zum Schwan. Ein herrlicher von Archidiakonus Kümmel gedichteter Prolog eröffnete die schöne Feier. Sup. Schäfer begrüßte alle Erschienenen. Archidiakonus Kümmel gab ein übersichtliches Bild über die Ziele der Frauenvereine. Zwischen den einzelnen Reden und Vorträgen spielte unsere Stadtkapelle. Im zweiten Teil gab es musikalische und deklamatorische Vorführungen und lebende Bilder. Mit diesem herrlichen Feste hat der Frauenverein seine segensreiche Arbeit eines Vierteljahrhunderts beschlossen.
19. Juni
Der Fahrradfabrikant W. Schröter hat auf sein neu erbautes Fahrrad Patent erhalten. Das neue Fahrrad weist gegenüber den jetzigen Konstruktionen viele Vorteile auf. Der Rahmenbau des Gestells ist viel kürzer, fester und tragfähiger. Das Rad läßt sich in einer Minute in 3 gleich große Teile zerlegen, deshalb gut transportieren, aufbewahren, reinigen u.s.w. Ferner hat die ganze Bauart des Rades eine gefällige schöne Form, so daß sich dasselbe leicht einführt und allgemein gefällt.
1. September
Gegen Bürgermeister Reiche wurde am 30. August vor der Strafkammer des Landgerichts Halle verhandelt. Die Verhandlung endete mit Freisprechung.
1. Oktober
Auf Beschluß der städtischen Körperschaften wird mit dem 1. Oktober ein städtisches Bauamt errichtet.
2. Oktober
Das Berliner Schulze Delitzsch Denkmal ist mit Gartenanlagen umgeben worden, die von einem niedrigen Eisengitter eingeschlossen werden. Nördlich und südlich vom Denkmal sind auf dem kleinen Platze am Kreuzungspunkte der Insel-, Köpenicker- und neuen Jakobstraße je eine Rosenanlage hergestellt worden, auf der sich bereits grüne Sträucher aller Art und blühende Sommerblumen erheben. Durch die Anlegung dieser Schmuckplätze wird die Wirkung des Denkmals ganz bedeutend gehoben.
5. Oktober
Der vom Magistrat und den Stadtverordneten beschlossene Durchbruch der Stadtmauer am Ostende der Holzstraße ist ausgeführt worden. Es mußten dabei zwei Häuser in der Mauergasse aufgekauft werden. Die Herstellung der eisernen Brücke über den Stadtgraben erforderte einen Aufwand von 31000 Mark. Die "Holzstraßenbrücke" heißt im Volksmund ihrer schrägen Richtung wegen "schiefe Brücke".
1900
Stadtmusikdirektor Böttcher wird jeden Sonn- und Feiertag in der Stadt eine Platzmusik geben. Zeit und Ort wird rechtzeitig durch die Stadtzeitung bekannt gegeben. Die Einwohnerzahl von Delitzsch betrug am 30. Dezember des Vorjahres 10233.
4. Februar
An den Bestrebungen, Museen für heimatliche Altertümer zu errichten, nahmen auch kleinere Städte teil. In Torgau bildete sich schon 1873 ein Verein, der sichs zur Aufgabe stellte, "die Aufklärung der historischen Entwicklung der Stadt und des ehemaligen kursächsischen Amtes Torgau" durch Gründung eines Museums zu fördern. In unserer Nachbarstadt Bitterfeld ist seit dem Jahre 1876 auf dem Gebiete der Geschichtspflege von Stadt und Kreis Bitterfeld ein Delitzscher Stadtkind ungemein tätig, nämlich Kirchenrendant Obst. Als im Jahre 1894 der Delitzscher Gewerbeverein seinen Sommerausflug nach Bitterfeld unternahm, wurde auch dem Obst'schen Museum ein Besuch abgestattet. Bei dieser Gelegenheit entstand in den Besuchern der lebhafte Wunsch, daß auch in unserem Delitzsch ein Museum entstehen möchte. Für diese Idee traten besonders zwei Mitglieder des Gewerbevereins ein, Rechtsanwalt Dr. Schulze und Lehrer Oskar Reime. Letztgenannter suchte gleich nach dem Bitterfelder Ausflug den Gewerbeverein durch ein an denselben gerichtetes Schreiben zu veranlassen, die Museumsgründung in die Hand zu nehmen. In ähnlichem Sinne wirkte Rechtsanwalt Dr. Schulze. Es wurde gesammelt, und es kamen wertvolle historische und heimatkundliche Schätze zusammen. Doch Jahre mußten noch vergehen, ehe die Angelegenheit recht in Fluß kam. Es handelte sich vor allem um die Frage, wo die Altertümer unterbringen? Es wurden wohl Räume vorgeschlagen, doch sie eigneten sich nicht zur Unterbringung eines Museums. Da kam ein Lichtblick in diese Angelegenheit. Durch den Auszug der Bürger Mädchenschule in der Schulstraße wurden die unteren Räume des Schulgebäudes verfügbar. Auf Antrag des Gewerbevereins an den Magistrat wurden demselben bereitwilligst die beiden unteren Schulräume in der Schulstraße zu Museumszwecken überlassen. Die gesammelten Schätze wurden nun in die neuen Räume gebracht; neue kamen hinzu. Der Eröffnung des Museums stand nun bald nichts mehr im Wege. Lehrer Reime erhielt den ehrenvollen Auftrag die ersten Schritte zur Ausführung der geplanten Gründung zu tun. Diese Schritte hatten nun den gewünschten Erfolg. Zunächst wurde die Bildung eines Museumsvereins ins Werk gesetzt und Superintendent Schäfer zum Vorsitzenden gewählt. Zum Vorstand gehörten noch die Herren: Rechtsanwalt Dr. Schulze, Lehrer Reime, Magistrats-Assessor Freyberg, Apotheker Peißker und Färbermeister Thiele. Eine an die Bürgerschaft gerichtete Einladung dem Museumsverein beizutreten, war von gutem Erfolg, die Namen von 78 Mitgliedern konnten in das Vereinsregister eingetragen werden. Das geschah im Mai 1899.
Unterdessen flossen die Gaben fürs Museum weiter reichlich. Jetzt galt es, alle diese Sachen zu ordnen, zu gruppieren und aufzustellen. Das war keine leichte Arbeit. Der strenge Winter zwang die Einstellung der Arbeit. Bei Nachlaß der Winterkälte wurde die Tätigkeit sogleich wieder aufgenommen, um die Einrichtung ihrer Vollendung entgegenzuführen. Am 4. Februar nun fand die feierliche Eröffnung des Museums durch den Vorsitzenden des Museumsvereins Superintendent Schäfer im Beisein des Magistrats und der Stadtverordneten sowie einer Anzahl Bürger in einer längeren Eröffnungsansprache statt. Der Redner gedachte dabei mit besonderer Anerkennung des Lehrers Reime, der eigentlich die treibende Kraft des Ganzen sei, sich unendlich Mühe um die Sache gegeben und es verstanden habe, zahlreiche wertvolle Gegenstände aufzufinden und dem Museum zuzuführen. Redner beschloß mit den Worten: "Möge das so vortrefflich gelungene Werk sich weiter kräftig entwickeln und bestens gedeihen." Nach der Eröffnung sprachen dann noch Bürgermeister Rampoldt sowie der Stadtälteste Magistrats-Assessor a. D. Troitzsch im Namen des Gewerbevereins. Hierauf wurden die ausgestellten Altertumsgegenstände einer Besichtigung unterzogen.
9. Februar
In den hiesigen Gastlokalen treten demnächst zwei Besitzveränderungen ein. Den Gasthof "zum Preußischen Hof" hat Herr Schöne aus Behlitz, die "Kulmbacher Bierhalle" Herr Ziegler aus Zwochau erworben.
17. Februar
Heute mittag kurz vor 12 Uhr erschoß sich der Besitzer des "Eisernen Kreuzes" Fritz Merkwitz. Derselbe war – angeblich um einen anderen Kragen umzubinden – nach oben gegangen, und als seine Frau kurz darauf, um ihn zu Tisch zu rufen, das Zimmer betrat, lag er entseelt auf dem Fußboden. Angehörige wie Freunde stehen hier vor einem vollständigen Rätsel.
28. Februar
Die hiesige Stadtbrauerei des Herrn H. Jakob ist in Besitz des Braumeisters Uhlemann von Zwenkau übergegangen, welcher das Unternehmen in bisheriger bewährt vorzüglicher Weise weiter führen wird. Die Übergabe erfolgt am 1. April. Ferner ist ein weiterer Besitzwechsel zu verzeichnen, den Verkauf des Gasthofes "Zum Eisernen Kreuz" (bisheriger Besitzer Fritz Merkwitz) an Ziegler von Schladitz bei Zwochau. Der Kaufpreis letzteren Grundstücks beträgt 65000,- Mark. Die Übernahme erfolgt am 14. März. Am 1. April wird Polizei Sekretär Stephany als Polizei-Kommissar hierselbst angestellt.
12. März
Der Magistrat beabsichtigt, unser Schmerzenskind, die Badeanstalt, zu verpachten.
6. April
Auf der Leipziger Fahrradmesse erregt das zerlegbare patentamtlich geschützte Fahrrad Nowa Nr. 15 des Fahrradfabrikanten W. Schröter von hier bei allen Interessenten und Fachleuten der Fahrradbranche allgemeines Interessen. Jetzt ist dem Fabrikanten Herrn Schröter der ehrenvolle Auftrag geworden, einige derartige Räder dem Preuß. Kriegsministerium zur Erprobung zu überlassen. Der Magistrat beschließt die Erbauung einer Kleiderhalle auf dem Badeteiche der Elbritzmühle.
25. April
Die Bankfirma Paul Schauseil u. Co., Halle a.S. und Bitterfeld, die eine Comandite der Anhalt-Dessau'schen Landesbank Dessau ist, errichtet am 1. Mai am hiesigen Platze eine Zweigniederlassung. Die Geschäftsräume werden sich in dem Hennig'schen Hause, Hallesche Str. 11, befinden. Robert Hennig gibt den Betrieb seines Bankgeschäftes auf und zieht sich ins Privatleben zurück.
15. Juni
Der Minister des Innern hat verfügt, daß dem Vorsitzenden des preußischen Feuerwehr-Verbandes Bankdirektor Schulze in Delitzsch 1000 Mark als Beihilfe zum Besuche, der im August in Paris stattfindenden Spezial-Ausstellung von Feuerlösch-Gegenständen bewilligt werden. Schulze wird in Begleitung eines Technikers nach Paris reisen.
26. Juli
Die in flottem Betrieb sich befindende Fleischerei des Louis Barth in der Halleschen Straße ist in den Besitz des Fleischermeisters Essigke von Bitterfeld übergegangen.
1. August
Zum Nachfolger des am 1. Oktober d. J. in den Ruhestand tretenden langjährigen Rendanten der Kreis-Spar- und Kreis-Kommunal-Kasse Beyer wählte der Kreisausschuss von den 149 Bewerbern den Stadt-Sparkassen-Rendant Schmidt in Quedlinburg.
6. August
Heute beging der von Dr. Hermann Schulze gegründete Vorschußverein die Feier seines 50jährigen Bestehens. Verbunden war damit die Tagung des Unterverbandes der Vorschuß-Vereine der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt. Die Tagung wird auch morgen am 7. August fortgesetzt. Die Stadt hatte aus diesem Grunde am heutigen ersten Festtage reichen Flaggenschmuck angelegt und unser prächtiges Schulze-Delitzsch Denkmal prangt im bunten Schmuck.
1. Oktober
Der Vorschußverein zu Delitzsch hatte seine Mitglieder für letzten Sonnabend den 29. September zu einer außerordentlichen Generalversammlung berufen, um seinen Vorstand zu ergänzen, welcher durch das Ableben des Kassierers Hühnel eine nennenswerte Lücke erhalten hatte. Es wurde der seitherige Kontrolleur Kaufmann Kühlhorn gewählt und die dadurch freigewordene Kontrolleurstelle Goldarbeiter Brembach übertragen. Der Stadtälteste Troitzsch welcher mit Recht neben dem Vater der Genossenschaften, unserm berühmten Landsmann Schulze-Delitzsch, die Mutter der Genossenschaften genannt wird, da er im Verein mit Schulze-Delitzsch tatsächlich das Kindlein zu einem starken, lebensfähigen Wesen erziehen half und als langjähriger Direktor im Verein wirkte, wird am 31. Dezember d. J. sein Amt niederlegen, um der wohlverdienten Ruhe zu pflegen.
7. November
Gestern feierte der evangelisch-kirchliche Hilfsverein für die Provinz Sachsen hierorts sein Jahresfest. Es waren zu demselben namhafte Persönlichkeiten der Provinz erschienen. Neben dem Regierungspräsidenten waren gegenwärtig Graf Hohenthal-Dölkau, Graf Alvensleben, Stadtrat Hauswaldt, Oberpfarrer Medem für den Reg.Bz. Magdeburg, Frl. v. Bodenhausen – Lebusa, P. Dr. Schmidt, Graf Wintzingerode für Merseburg, Senior Dr. Börwinkel für Erfurt. In unserer prächtigen Stadtkirche hielt die Festpredigt der bekannte Kanzelredner Hofprediger a. D. Stöcker vor einer großen andächtigen Versammlung.
11. Dezember
Das Wachstum unserer Stadt veranschaulicht folgende Zusammenstellung der Volkszählungs-Ergebnisse innerhalb der letzten 30 Jahre; 1871: 8112 Einwohner; 1875: 8228; 1880: 8225; 1885: 8342; 1890: 8949; 1895: 9560; 1900: 10485. Die Zunahme beträgt also in 30 Jahren 29%. Schon seit einiger Zeit beschäftigen sich die Stadtverordneten mit dem Gedanken, aus dem Wedel'schen Vermächtnis eine Friedhofskapelle zu errichten. Nachdem einige Mitglieder der hierfür eingesetzten Kommission sich verschiedene derartige Kapellen in den Nachbarstädten angesehen haben, soll ein Entwurf eingefordert werden, welcher in dem Stil eines Kuppelbaus gehalten ist.
1901
7. Januar
Am 5. Januar feierte Realschullehrer Theodor Berger sein 50jähriges Amtsjubiläum. Er wurde allseitig geehrt und erhielt zahlreiche Glückwünsche und Geschenke. An der Spitze der Deputation des Lehrerkollegiums sprach Direktor Dr. Wahle die Glückwünsche des Kollegiums aus. Die alten Schüler gratulierten durch Feuer-Sozietäts-Inspektor Walter. Ferner war für die jetzigen Schüler eine Deputation aus Sekunda erschienen. Den Glanzpunkt des Festes bildete das vom Lehrerkollegium in Gemeinschaft mit den alten Schülern arangierte Festessen dem auch eine Magistrats Abordnung, die Herren Bürgermeister Rampoldt und Assessoren Freyberg und Securius, beiwohnte. Im prächtig geschmückten Schwan-Saale hatten sich ca. 60 Festgäste versammelt. In vielen Reden wurde hier der Jubilar gefeiert. Für den Gefeierten dankte dann sein Sohn Bürgermeister Dr. Berger für die vielen Beweise der Anerkennung, Verehrung und Liebe.
10. Januar
Am Anfang des Jahres beträgt die Einwohnerzahl der Stadt 10485.
19. Januar
Die 200jährige Jubelfeier der Erhebung Preußens zum Königreiche wurde von unserer Stadt und ihren Bewohnern überaus festlich begangen. Dem reichen Fahnen- und Flaggenschmuck reihte sich am Abend eine geradezu glänzende Illumination an, die sich nicht nur auf den Markt und die Hauptstraßen, sondern bis in die entferntesten Gassen erstreckte. Den Glanzpunkt des ganzen Festes aber bildete der Zapfenstreich und Fackelzug der vereinigten Kriegervereine mit dem anschließenden Kommers in "Stadt Leipzig". Der prachtvoll geschmückte Saal war Kopf an Kopf gefüllt. Hauptmann Dr. Kunze eröffnete den Kommers mit einer Begrüßung der Gäste. Superintendent Schäfer hielt eine hochinteressante Festrede, Archidiakonus Kümmel toastete auf Preußens und Deutschlands Herr, Seminar-Oberlehrer Rosenthal auf unsere Frauen. Mit den Reden und Toasten wechselten vom Stadtmusikchor vorgetragene ausgewählte Musikstücke und patriotische Gesänge des Delitzscher Quartetts unter Leitung von Lehrer Reime ab.
1. Februar
Der östlich der Berliner Bahnstrecke entlang führende Weg erhält den Namen "Berliner Straße" und der östlich von der Wiesenstraße abzweigende Weg nach der Elbritzmühle zu den Namen "Blumenstraße".
12. Februar
Der Oekonom Gutheil teilt dem Magistrat mit, daß er aus Anlaß seines 80. Geburtstages beschlossen habe, der Stadt eine Stiftung von 10000 Mark nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 31. Juli 1900 zu überweisen, deren Zinsen alljährlich an 12 bis 16 unverschuldet in Not geratene Einwohner zur Verteilung gelangen sollen. Der Magistrat nimmt die Stiftung mit Dank an und beschließt sie "Karl Gutheil Stiftung" zu nennen.
28. Februar
Zu einer Aussprache über die künftige Gestalt unserer Realschule fand gestern im "Schwan" eine Versammlung unter Vorsitz von Bürgermeister Rampoldt statt, zu welcher sich eine größere Anzahl Herren, teils als Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung, teils als Väter jetziger und heranwachsender Schüler eingefunden hatten. Der Direktor der Realschule Dr. Wahle hielt einen längeren Vortrag über die verschiedenen Schulformen und zeigte schließlich welche Schulart sich für Delitzsch am besten eignet. Nach einer Aussprache erklärte sich die Versammlung nahezu einstimmig dahin, die Realschule als solche beizubehalten, den jetzigen lateinischen Nebenkursus aufzuheben und von der Mittelstufe also von U III ab einen Nebenkursus für Gymnasialfächer einzurichten. Der Vortrag hat zur Klärung der Angelegenheit ganz wesentlich beigetragen.
30. März
Am 1. April tritt das Gesetz, betreffend die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits-Kommissionen in Kraft. Als Kreisarzt für den Kreis Delitzsch ist der bisherige Kreis-Physikus Dr. Busolt in Delitzsch ausersehen.
20. April
Einen interessanten Fund machten gestern nachmittag einige Frauen beim Graben im Garten des Rechtsanwalts Klang, indem sie einen Topf mit Silbermünzen ausgruben. Leider zerfiel das Gefäß beim Ausgraben. Das Geld, das aus dem 17. Jahrhundert stammt, nahm Rechtsanwalt Klang in Verwahrung.
12. Juni
Mit dem 1. Oktober d. J. tritt der Senior der hiesigen Lehrerschaft, Herr Diedicke, Lehrer an der Bürger-Mädchenschule und Kantor und Organist an der Gottesackerkirche, in den wohlverdienten Ruhestand. Seine kirchlichen Ämter sind vom Gemeindekirchenrat und vom Magistrat Lehrer Reime von hier übertragen worden.
20. Juni
Die Vorarbeiten zum Bau der Kleinbahn Krensitz-Krostitz sind jetzt so weit gediehen, daß bereits anfang Juli nach der Heuernte, mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Dieselben sollen so beschleunigt werden, daß mit der Teilstrecke Krensitz-Krostitz im Herbst, mit Beginn der Rübenlieferungen, der Güterverkehr eröffnet werden kann. Die Arbeiten zur Weiterführung der Bahn von Krostitz nach Rackwitz sollen spätestens im nächsten Frühjahr in Angriff genommen werden.
24. Juni
Gestern und vorgestern feierte der Turnverein "Vorwärts" das. 5. Gauturnfest der Delitzscher Turner-Vereinigung in den Räumen der "Stadt Leipzig". Das Fest begann am Sonnabend mit einem Festkommers, bestehend aus Konzert und turnerischen Aufführungen. Alle Aufführungen gelangen vorzüglich und stellten den Turnern und ihren Leitern ein glänzendes Zeugnis aus. Der Abend wurde durch eine Begrüßungsansprache des Ehrenmitglieds des "Vorwärts" Fabrikant Schimpf eröffnet. Der musikalische Teil lag in Händen des Stadtmusikdirektor Böttcher, der nicht minder wie der Gesangverein "Arion" reichen Beifall erntete. – Der eigentliche Festtag wurde mit Reveille und Empfang der Gäste eingeleitet. Um 9 Uhr begann das hochinteressante Wetturnen. Der Festzug am Nachmittag war bei der glühenden Hitze und dem Staube eine schwere Aufgabe. Im Festlokal hielt dann der Vorsitzende des hiesigen Männer-Turnvereins Gauvorsitzender Richter die Festrede, welcher Freiübungen Gaus auf dem Spielplatze der benachbarten Mädchenschule folgten. Ein Ball bildete den Schluß des in allen Teilen wohl gelungenen Festes.
4. Juli
Die "Zerbster Extrapost" schreibt: Der beim Wettbewerb für Entwürfe zum Kreishausbau mit dem 3. Preise ausgezeichnete Architekt Gentschel – Hannover ist geborener Delitzscher. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß der Prämierte, der später bei einigen namhaften Architekten in Hannover sich weiterbildete und keine technische Hochschule besuchte, es in seinem Berufe so weit gebracht hat, daß er die Konkurrenz mit bedeutenden Architekten aufnehmen kann und noch dazu Sieger bleibt.
1. August
Mit dem heutigen Tage ist Werners Restaurant und Kaffee Markt 1 in die Hände von Karl Maul übergegangen.
6. August
Am 5. August verstarb auf Schloß Friedrichshof die Kaiserin und Königin, die Mutter des Kaisers Wilhelm II. Es wurde eine Landestrauer von 6 Wochen angeordnet. Öffentliche Musik, Lustbarkeiten und Schauspiel-Vorstellungen sind bis zum Ablauf des Tages der Beisetzungsfeier einzustellen. Für die höheren Zivilbeamten in Zivil wie Uniform sind besondere Anordnungen über Trauerkleidung während der Trauerzeit ergangen. Die übrigen Zivilbeamten trauern mit einem Flor um den linken Oberarm. In sämtlichen Kirchen Preußens werden 14 Tage lang mittags von 12 bis 1 Uhr die Glocken geläutet.
13. August
Durch Ortsstatut vom 30. Juli und dem heutigen Tage erhalten die Magistratsmitglieder den Namen "Stadtrat". Der Gerberplan und die Dübener Straße werden mit Bürgersteigen versehen. Beigeordneter Securius ist in Küstrin zum 2. Bürgermeister dortselbst gewählt worden. Er tritt sein neues Amt am 1. Oktober an.
5. September
Die Ortschaften zwischen Delitzsch und Schkeuditz ersehnen schon lange eine Bahnverbindung. Lange Jahre wurde der Bau einer elektrischen Bahnverbindung von Halle nach Leipzig, die diese Orte verbinden sollte, erwogen. Nun ist dieses Projekt fallen gelassen worden und ein neues Projekt beschäftigt die Öffentlichkeit besonders in den Städten Delitzsch und Schkeuditz, und doch würde diese Verbindung den dazwischen liegenden Ortschaften großen Nutzen bringen. Vorläufig jedoch stehn die maßgebenden Personen dieser Ortschaften dem neuen Projekt noch recht zögernd gegenüber.
17. September
Das schlechte Pflaster um die Stadtkirche herum ist schon lange ein Ärgernis der Kirchgänger. In einer Eingabe bittet der Gemeindekirchenrat die Stadtvertretung um Abhilfe. Auf Vorschlag des Stadtbaumeisters Kessel soll die Pflasterung eines Fußweges mit Mosaiksteinen geschehen. Die Neuherstellung wird einstimmig angenommen.
24. Oktober
Stadtrat Securius ist von der Regierung als 2. Bürgermeister von Küstrin bestätigt worden und verläßt Delitzsch in den nächsten Tagen. Die Wahl eines Nachfolgers wird in Kürze vorgenommen werden.
28. Oktober
Der Schuhmachermeister Adolf Geißler feierte gestern sein goldenes Meister-Jubiläum. Die Innung ließ ihm ein Ständchen bringen und sandte dem Jubilar eine Deputation zur Überbringung ihrer Glückwünsche.
8. November
Heute nachmittag gegen 2 Uhr stürzte Klempnermeister Paul Heinrich so unglücklich vom Dache des Schuhmachermeisters Kunze'schen Hauses am Breiten Turm, daß er mit dem Kopf auf den Brunnen fiel und sofort tot blieb. Heinrich war in allen Kreisen der Bevölkerung gleich beliebt.
12. November
Die Gesellschaft "Glocke" hierselbst feierte am Sonntag in den Räumen des Hotels zum Schwan ihr 50jähriges Stiftungsfest, welches nach jeder Seite hin als wohlgelungen zu bezeichnen ist. Mit sichtlicher Freude nahmen alle Mitglieder der Gesellschaft das seltene Vorkommnis auf, daß 3 Mitglieder das goldene Jubelfest der Glocke mitfeiern konnten, welche bei der Gründung derselben Mitglieder waren. Es sind dies Uhrmacher Kunze, Frau Pabst (Mutter des Rentier Bruno Pabst) und Kaufmann Bier. Sie wurden durch verschiedene Auszeichnungen geehrt.
3. Dezember
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 3. November 10752. In der Zeit vom 4. November bis 1. Dezember sind zugezogen 136, geboren 31, zusammen 167; verzogen 102, gestorben 11, zusammen 113. Somit bleibt eine Einwohnerzahl am 1. Dezember von 10806 Seelen. Am 3. Dezember erhält der vordem Südostplatz genannte Platz am Südausgange der Wiesenstraße den Namen Elberitzplatz.
16. Dezember
Am 12. Dezember haben die am hiesigen Orte beim Landratsamt, Magistrat und den Rechtsanwälten beschäftigten Bureaubeamten einen Verein unter dem Namen "Delitzscher-Bureau-Beamten-Verein" gegründet. Den Vorsitz des Vereins führt der Strafanstaltskanzlist Reuter. Als Versammlungslokal ist die Kulmbacher Bierhalle gewählt worden.
1902
2. Januar
Nach Schluß der am 31. Dezember v. J. stattgefundenen Stadtverordnetensitzung sprach Bürgermeister Rampoldt dem ausscheidenden Stadtrat Rose in warmen Worten den Dank der Stadt für seine langjährigen treuen und gewissenhaften Dienste als unbesoldetes Magistratsmitglied aus, worauf sich Herr Rose von den Herren des Magistrats mit Dankesworten verabschiedete.
14. Januar
Die Zuckerfabrik zu Delitzsch hat die bisher betriebene Rübensamenzucht aufgegeben und alle Vorräte an Mutterrüben-Stecklingen und Mutterrübensamen, Elitesamen aller Art einer dort neugebildeten Gesellschaft übertragen, die sich "Delitzscher Rübensamenzucht, E.G.m.b.H." nennt. Das Grundkapital beträgt zunächst 210000 Mark. In der in Berlin abgehaltenen Versammlung wurden zu Geschäftsführern gewählt Direktor Dr. Kunze – Delitzsch, Direktor Dr. Brückner – Stralsund, Direktor Dr. Preißler – Linden und Landwirt Rockstroh – Döbernitz. Der Zweck des Unternehmens ist, die bisher sorgfältig gezüchtete Delitzscher Rübe auch weiterhin auf ihrer Höhe zu erhalten, und so zu vervollkommnen, daß sie es jederzeit allen seinen Züchtungen aufnehmen kann.
15. Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 5. Januar 10736.
4. Februar
Ein musikalisches Ereignis war die gestrige Aufführung des Mendelsohn'schen Oratoriums "Paulus" in unserer Stadtkirche vom Männergesangverein Delitzsch mit nur einheimischen Kräften. Die Leitung hatte Rendant Otto. Die Solopartien lagen in besten Händen, die Tenorpartie hatte Pastor Graul – Werbelin, das Baßsolo Kantor Platen – Eilenburg, die Sopranpartie sang Fräulein Aßmann, das kleine Altsolo Frau Rendant Otto. Der Männergesangverein hat mit der Aufführung des herrlichen Oratoriums den Zuhörern einen Genuß bereitet, der noch lange nachklingen wird.
6. Februar
In der gestrigen Stadtverordneten Versammlung stellte der Magistrat den Antrag, dem am 31. Dezember v. J. in den Ruhestand getretenen langjährigen Stadtrat Rose das Prädikat "Stadtältester" zu verleihen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
20. Februar
Pastor Kopp in Wohlau ist zum 1. April als Pastor an die hiesige Strafanstalt berufen worden.
8. März
Nachdem seit einiger Zeit über Herstellung einer Wagenverbindung von Löbnitz nach Delitzsch verhandelt worden ist, entschieden sich die Beteiligten in einem vom Landrat von Busse abgehaltenen Termin dahin, von dem chausseemäßigen Ausbau der Wege nach Reibitz und nach Poßdorf abzusehen, dagegen den Weg über Seelhausen – Laue auszubauen. Beteiligt sind die Gemeinden und die Rittergüter Löbnitz, ferner Döbern, Seelhausen, Gutsbezirk Neuhaus und Zweckverband Laue. Sausedlitz baut den Weg in der Richtung auf Paupitzsch, um Aufschluß nach Delitzsch und Bitterfeld zu erreichen.
15. März
In der gestern stattgefundenen Stadtverordnetenversammlung wurde der Beschluß gefaßt für die Stadt eine Wasserleitung zu errichten. Zu diesem Zwecke sollen im Norden hinter der Stadt auf dem Hospitalfelde östlich der Bitterfelder Chaussee drei Brunnen sowie ein Maschinenhaus für das Pumpwerk, eine Wohnung für den Wärter etc. angelegt werden. Auf der Südseite der Stadt also, in der entgegengesetzten Richtung, soll auf dem hochgelegenen Zanderschen Mühlplatze hinter der Sorau-Halleschen Bahnstrecke ein Wasserturm mit einem 30 m hoch anzulegenden 300 cbm wasserfassenden Sammelbecken errichtet werden. Letzteres wird durch ein 225 mm starkes Rohr mit dem Pumpwerk verbunden. Daran anschließend erhält die Stadt ein strahlenförmiges Rohrnetz. Die Kosten der gesamten Anlage werden mit 430000 Mark veranschlagt.
25. März
Die Regierung hat ihre Genehmigung erteilt, daß die beiden hiesigen Apotheken Sonntags von nachmittags 3 Uhr ab abwechselnd geschlossen werden.
26. März
In der heutigen Sitzung der Stadtverordneten fand die Einführung des neugewählten 2. Bürgermeisters Putz aus Brotterode durch Bürgermeister Rampoldt statt.
1. April
Heute vor 25 Jahren machte Kaufmann Bruno Beyer, Markt 2 sich selbständig und eröffnete in dem Robitz'schen Hause Markt 17 eine Seiden-, Mode- und Leinenwaren-Handlung. Aus bescheidenen Anfängen heraus ist es Bruno Beyer gelungen, durch rastlose Tätigkeit sein Geschäft auf die heutige Höhe zu bringen, und ein auch für das Jahr wieder geplanter Erweiterungsbau legt Zeugnis ab von dem steten Wachsen des Kundenkreises dieser in Stadt und Land als solid und streng reel bekannten Geschäftsbetriebes.
25. April
Der Rentier Robert Hennig hat vor 5 Jahren aus Anlaß der Feier seiner silbernen Hochzeit ein Kapital von 6000,- Mark zu einer Hennig-Schröder Stiftung der Stadt überwiesen, deren Zinsen an unverschuldet in Not Geratene alljährlich verteilt werden sollen. Aus Anlaß seines 30jährigen Hochzeitstages hat Herr Hennig weitere 3000,- Mark dem Magistrat zur Verfügung gestellt, welche in gleicher Weise verwaltet und die Zinsen verteilt werden sollen.
5. Mai
Ein entsetzliches Eisenbahn-Unglück hat sich heute morgen 4 Uhr auf der Strecke zwischen Delitzsch und Leipzig bei der Station Zschortau ereignet. Am Zschortau-Biesener-Bahnübergang brach aus irgend einer bisher noch nicht festgestellten Ursache die hintere Axe des Tenders des D-Zuges nach Berlin. Der Zug riß auseinander und ein Personenwagen wurde aus den Schienen geworfen. Leider sind bei dem Unglück Verluste an Menschenleben zu beklagen. Ein Mann und eine Frau wurden tot geborgen. 5 Schwerverletzte, von denen 2 auf dem Transport starben, wurden nach Leipzig transportiert, während die leicht Verwundeten nach Anlage eines Verbandes mit einem von Bitterfeld beorderten Zuge die Reise fortsetzten.
12. Juni
Zur Entlastung des Katasteramts Delitzsch hat der Finanzminister die Errichtung eines neuen Katasteramts in Eilenburg zum 1. Juli d. J. angeordnet.
20. Juni
Die Stadtverordneten-Versammlung beschloß in der heutigen Sitzung den Ankauf der Stadtmühle von der Zuckerfabrik zum Preise von 35000 Mark unter der Bedingung, daß die Zuckerfabrik die Rente ablöst und das Grundstück schuld- und kostenfrei aufläßt.
1. Juli
Sein 25jähriges Jubiläum in städtischen Diensten feiert heute der Sparkassen-Rendant Scheibe. Seitens der Stadt wurde dem Jubilar durch den 2. Bürgermeister Putz im Beisein des Magistrats-Kollegiums und der gesamten städtischen Beamten ein kostbares Etuis mit silbernen Löffeln, Messern und Gabeln überreicht. Die städtischen Beamten überreichten ihm eine "Widmung". Auch noch weitere Anerkennungen wurden dem Jubilar zu teil.
22. August
Auf der Internationalen Bäckerei- und Konditorei-Ausstellung in Köln erhielt Klempnermeister Franz Reyher hier auf seine dort ausgestellten unter Musterschutz stehenden Blechbackschüsseln die silberne Medaille.
3. Oktober
Die Einwohnerzahl der Stadt hat im Laufe des Jahres weiter zugenommen. Sie beträgt Ende September 10968 Personen. Am 1. Oktober legte Rektor Dr. Wegner sein Amt als Mädchenschulrektor nieder und scheidet von Delitzsch.
16. Oktober
Die Delitzscher Turnerschaft beging am gestrigen Tage in "Stadt Leipzig" die 50jährige Gedächtnisfeier an ihren Altmeister Jahn. Ein flotter Turnermarsch, die Fest-Ouvertüre und ein Prolog eröffnete den Abend. Die vereinigten Sängerchöre unter Oskar Reimes Leitung sangen "treue deutsche Herz". Die Festrede hielt Archidiakonus Kümmel. Es folgten Freiübungen der Delitzscher Turner-Vereinigung in 4 Gruppen, Stabübungen (Männer-Turnverein), Handfreiübungen (Turnverein Delitzsch), Pyramidenreigen (T.V. Vorwärts), Keulenschwingen (T.V. Frischauf). Nach zwei Liedern des Sängerchors folgten 4 effektvoll lebende Bilder, zu denen Archidiakonus Kümmel den Text geschrieben hatte. Den Text zu den Bildern trug Zigarrenfabrikant Max Schimpf vor. Den Schluß bildete ein Barren-Kürturnen, ausgeführt von den Vorturnern obiger 4 Vereine. Mit reichem ununterbrochenen Beifall wurden alle Vorführungen aufgenommen. So wurde das Andenken Turnvaters Jahn, der vor 50 Jahren in Freyburg a. M. starb von den Turnvereinen in Delitzsch in würdiger Weise begangen.
20. Oktober
Auf der zur Zeit in Magdeburg stattfindenden Obstausstellung wurden auch Delitzscher Ausstellern hohe Preise zuerkannt. Der Obst- und Gartenbauverein für Delitzsch und Umgegend erhielt für das Normal-Obstsortiment der Kreise Bitterfeld und Delitzsch ein Diplom der Landwirtschaftskammer. Sehr reich mit Preisen bedacht wurden aber die hiesigen Baumschulen Ed. Poenicke u. Co. Sie erhielten eine silberne und eine bronzene große preußischen Staatsmedaille sowie eine Medaille der Landwirtschaftskammer.
29. Oktober
Die Einwohner unseres östlichen Stadtteils wollen versuchen, die Anbringung der in der letzten Stadtverordneten-Sitzung abgelehnten Uhr auf dem Breiten Turme doch noch zu erreichen, sei es durch eine nochmalige Vorstellung bei den städtischen Behörden, sei es durch freiwillige Beiträge. Ein durch seine wiederholten Aufwendungen zu Gunsten der Stadt bekannter wohlhabender Mitbürger hat bereits einen namhaften Beitrag in Aussicht gestellt.
6. November
Ungewöhnlich starke Fäulnis der Früchte am Baum ist im letzten Sommer vielfach beobachtet worden. Sie war hervorgerufen durch ein paar Pilze aus der Gattung Monilia, die in den Obstgärten neben der Fruchtfäulnis in den letzten Jahren auch noch mancherlei anderes Unheil angerichtet haben.
23. November
Gestern vormittag 11 Uhr wurde die neuerbaute prächtige Kapelle auf dem städtischen Friedhofe durch eine Feier geweiht. Bekanntlich ist diese Kapelle eine milde Stiftung der 1814 in Löbnitz geborenen und im Jahre 1898 zu Delitzsch verstorbenen Frau Christiane Wedel; ihr zum ehrenden Gedächtnis war die Weihe auf ihren Todestag den 22. November festgesetzt. Als Gäste waren anwesend Landrat von Busse, Mitglieder des Magistrats und des Stadtverordneten-Kollegiums, die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeinde-Vertretung sowie zahlreiche Gäste aus der Stadt. Baurat Elkisch übergab die Schlüssel zur Kapellenpforte dem Bürgermeister Rampoldt. Dieser richtete Dankesworte an den Baurat, die Bauleitung, Arbeiter und Handwerker für die treue Arbeit und gedachte auch der edlen Stifterin. Sodann übergab er die Schlüssel dem Vertreter der Kirchengemeinde Superintendent Schäfer. Derselbe öffnete die Pforte im Namen des dreieinigen Gottes und mit dem Wunsche, daß der Herr den Eingang und Ausgang aller derer segne, welche diese Stätte betreten. Der Kirchenchor trug unter Leitung von Oskar Reime zwei Lieder vor und zwar: "Dort unten ist Frieden" und "Wie sie so sanft ruhn". Die versammelte Gemeinde sang mit Harmonium Begleitung 4 Verse: "Valet will ich dir geben". Darauf hielt Sup. Schäfer eine längere Weiherede und weihte zum Schluß die Kapelle im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zum gottesdienstlichen Gebrauche ein. Mit dem letzten Verse des gemeinsamen gesungenen Liedes schloß die Feier.
29. Dezember
Über das Jahr 1902, das nun zu Ende geht sagt die amtliche "Statist. Korr.": "Nahezu vier Jahrzehnte (bis 1864) muß man in der Witterungsgeschichte zurückgehen, um ein Jahr zu finden, in welchem wie diesmal 8 Monate hintereinander zu kalt waren."
1903
5. Januar
Heute mittag 1 Uhr brach in der Schokoladenfabrik von Gebr. Böhme Feuer aus, welches einen Teil des Fabrikgebäudes zerstörte, so daß der Betrieb teilweise ruhen muß. Der an den Vorräten angerichtete Schaden ist ziemlich bedeutend, doch ist alles versichert. Der Betrieb, welcher seit dem Weihnachts-Heiligabend geruht hatte, war erst heute morgen wieder eröffnet worden.
6. Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am Anfang des Jahres 10948.
14. Februar
Der Königliche Bauinspektor Baurat Elkisch ist zum 1. März von hier nach Rixdorf versetzt worden.
4. März
Die Einwohnerzahl der Stadt steigt weiter, sie hat die 11000 überschritten. Am 1. März betrug die Einwohnerzahl 11089.
6. März
Seilermeister Dietze beabsichtigt sein am Roßplatz gelegenes Haus niederzureißen und einen Neubau aufzuführen. Er bittet die Stadt um Festlegung der Fluchtlinie in der Kohlstraße, wo 22,65 Quadratmeter abzutreten sind, während auf der Promenadenseite – die Fluchtlinie nach dem Kreutzer'schen Grundstück gerechnet – 39,75 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Dietze würde also 17 Quadratmeter von der Stadt zu erwerben haben. In der heutigen Sitzung hat der Magistrat den Preis für den Quadratmeter auf 10 Mark festgesetzt. Tischlermeister Brettschneider und Glasermeister Scheibe beabsichtigen an Stelle ihrer alten Grundstücke auf der Eilenburger Straße Neubauten aufzuführen. Die vom Krausch'schen Grundstück nach dem "Eisernen Kreuz" laufende Fluchtlinie ergibt, daß beide Häuser herausrücken müssen, wozu Brettschneider 9, Scheibe 19 ½ Quadratmeter von der Stadt zu erwerben haben, für welche der Magistrat ebenfalls 10 Mark festsetzt.
12. März
Der heute nachmittag erfolgten Beerdigung des in unserer Stadt allgemein beliebten Leiters der hiesigen Strafanstalt, von Unruh, wohnten Regierungs-Präsident Freiherr von der Recke, Oberregierungsrat von Terpitz, Landrat von Busse, die städtischen Behörden u.a. bei.
24. März
Heute morgen wurde der Fuhrherr Körsten, welcher einen Transport Marktkisten für den Bitterfelder Jahrmarkt übernommen hatte, am Holzweißiger Bahnübergang überfahren und sofort getötet. Körsten stieg am Bahnübergang ab, um die Pferde wegen eines in Sicht sich befindenden Zuges zu halten. Beim Aufsteigen stürzte er und ging das Vorderrad des sich in Bewegung setzenden Wagens dem Unglücklichen über den Hals, seinen sofortigen Tod herbeiführend.
1. April
Dem Königlichen Rentmeister Rechnungsrat Heine zu Delitzsch ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit dem 1. Juli d. J. unter Bewilligung der gesetzlichen Pension genehmigt worden. An seine Stelle tritt Rentmeister Schröder aus Kösten. Am Anfang dieses Jahres ist mit der Rohrnetzlegung der Wasserleitung begonnen worden. Nach einem Bericht des Ingenieurs Saalbach sind bis zum 4. April schon 9300 m Rohre und 1600 m Kabel gelegt worden. Sämtliche Klempnermeister der Stadt haben vollauf zu tun, um die Wasserleitung in die Haushaltungen zu bringen. Die Leitung soll am 1. Oktober dem Betriebe übergeben werden. Der Konsumverein für Delitzsch und Umgegend wird gegründet. Rektor Paul Eichler, der aus Pommern kommt, wird nach Delitzsch berufen und am 1. April durch Kreisschulinspektor Sup. Schäfer in sein Amt als Töchterschulrektor eingeführt.
2. April
Bei dem zur Erlangung von Entwürfen für die Anlage eines Stadtparkes in Plauen i.V. von der dortigen Stadtverwaltung veranstalteten Wettbewerb erhielt Gartenarchitekt Walter Pönicke von hier für Einsendung des drittbesten Entwurfes den Preis von 300 Mark zuerkannt.
7. April
Das den Sirmann'schen Erben gehörige Haus auf dem Marktplatze ist zum Preise von 32000 Mark in den Besitz des Apothekers Freyberg übergegangen.
4. Mai
Der Regierungspräsident hat den neu hierher berufenen Königlichen Kreisbauinspektor Baurat Engelhart als Sachverständigen, welcher zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist, anerkannt.
30. Juni
Die am 16. Juni stattgefundene Neuwahl eines Reichstagsabgeordneten für den Wahlkreis Delitzsch-Bitterfeld hatte folgendes Resultat. Es haben Stimmen erhalten:
1. Grubenbesitzer Bauernmeister, Deutsche Grube |
9479 St. |
2. Redakteur Weißmann zu Halle |
10482 St. |
3. Rechtsanwalt Martin zu Leipzig |
5375 St. |
4. Schriftsteller Joseph Chociszewski, Gnesen |
79 St. |
5. Justizrat Dr. Porsch zu Breslau |
53 St. |
6. Zersplittert |
8 St. |
zusammen |
25476 St. |
1. Grubenbesitzer Bauernmeister, Deutsche Grube 9479 St.
2. Redakteur Weißmann zu Halle 10482 St.
3. Rechtsanwalt Martin zu Leipzig 5375 St.
4. Schriftsteller Joseph Chociszewski, Gnesen 79 St.
5. Justizrat Dr. Porsch zu Breslau 53 St.
6. Zersplittert 8 St.
zusammen: 25476 St.
Da kein Kandidat die absolute Majorität erlangt hatte, fand am Donnerstag den 25. Juni eine engere Wahl zwischen 1 und 2 statt. Das amtlich festgesetzte Resultat der Stichwahl bringt folgende Zahlen:
Bauermeister 13199 Stimmen
Weißmann 12100 Stimmen
Hiermit beträgt die absolute Majorität 12050, es hat also Bauermeister 549 Stimmen über die absolute Majorität erhalten.
18. Juli
Das "Delitzscher Kreisblatt" gibt folgendes bekannt:
Vor einigen Tagen erst waren wir in der glücklichen Lage, unseren Lesern Mitteilung von der Hierherverlegung einer Eisenbahnwerkstätte machen zu können, und heute schon können wir über einen weiteren für unser städtisches Gemeinwesen nicht unwesentlichen Erfolg berichten. Wie wir aus sicherer Quelle erfahren, ist es gelungen, für die Gründung einer "Landwirtschaftlichen Schule" in unserer Stadt die Genehmigung des Herrn Ministers zu erlangen.
30. Juli
Dem Königlichen Kreisarzt Dr. Busolt ist der Charakter als Medizinalrat verliehen worden.
1. August
Die Pflasterung der Leipziger Straße von der Loberbrücke bis zur Gartenstraße und die Verbreiterung der Fahrbahn in der Pfortenstraße wird durchgeführt. Die Kleinbahn von Crensitz bis zum Gasthofe "Zur Tanne" soll bis zum Dorfe Groß-Krostitz fortgesetzt werden. Gegenüber dem Weber'schen Gasthof wird ein Bahnhof angelegt. Am heutigen Tage sind 25 Jahre verflossen, daß unser ältester Polizei Sergeant Kayser seine Stellung in hiesiger Stadt antrat. Bürgermeister Rampoldt beglückwünschte heute vormittag an der Spitze sämtlicher städtischen Beamten den Jubilar und überreichte ihm namens der Stadt ein Ehrengeschenk von 100 Mark. Die Beamtenschaft selbst überreichte dem allseits beliebten Jubilar eine goldene Kette.
17. August
Am gestrigen Sonntage feierte der Männer-Turn-Verein sein 40jähriges Stiftungsfest unter großer Beteiligung hiesiger und auswärtiger Turner und sonstiger Gäste. Ein Kommers eröffnete am Sonnabend Abend das Fest durch Festrede, einem turnerischen Festspiel und "Turnen am Reck". Am Sonntag, dem eigentlichen Festtage, begann reges turnerisches Treiben sich vom frühesten Morgen an in den Straßen der Stadt zu entfalten. Unter Trommel- und Pfeifenklang zogen die Turnerscharen in die mit Fahnen und Flaggen reichgeschmückte Feststadt ein, dem Festlokale, dem "Bürgergarten" zu und hier entwickelte sich nun ein heftiger Kampf um den Siegerpreis, den Kranz vom Laub der deutschen Eiche. Nach dem gemeinsamen Mittagessen setzte sich der Festzug durch die Hauptstraßen der Stadt in Bewegung. Im Festlokal angelangt führte zunächst der festgebende Verein seinen zahlreichen Gästen Stabübungen vor, dann wurde das Wetturnen fortgesetzt und nun entfaltete sich ein fröhliches turnerisches Leben und Treiben und die Verteilung der zahlreichen Preise. Ein Ball bildete den Schluß des Festes.
27. August
Der Bau unserer Wasserleitung, die ihrer Vollendung entgegengeht, hat bedauerlicherweise heute kurz vor Tisch noch ein Opfer gefordert. Es stürzte der Arbeiter Fischer vom Wasserturm herab, wobei er so schwere Verletzungen davontrug, daß er bald nach seiner Überführung ins Krankenhaus verschied. Seine Frau und zwei kleine Kinder beweinen ihren Ernährer.
22. September
In der geheimen Sitzung der Stadtverordneten am letzten Freitag wurde der Polizei-Sergeant Seidel auf Lebenszeit angestellt. – Ferner wählte die Versammlung in die stehende Wasserleitungs-Kommission die Herren Stadtrat Schulze und Stadtverordneten Beyer II, Dr. Kunze und Thalemann.
2. Oktober
Am 1. Oktober trat Lehrer und Kantor Haupt in den Ruhestand. Ihm zu Ehren fand heute im Anschluß an die Schule eine Abschiedsfeier aus dem Schul- und Kirchendienst statt. Daselbst hatten sich die Schüler der oberen, sowie Abordnungen der unteren Klassen der Knabenbürgerschule nebst dem Lehrerkollegium, Vertreter der Stadt und Kirchenbehörde versammelt. Rektor Wiener feierte den Scheidenden als vortrefflichen Kollegen und tüchtigen Lehrer. Ein erschienener Vertreter der Regierung verlas ein Anerkennungsschreiben der Regierung und überreichte dem aus dem Dienste Tretenden den verliehenen Orden den Adler der Inhaber.
26. Oktober
Der bis vor kurzem als Rektor an der hiesigen höheren und der Bürger-Mädchenschule angestellt gewesene Dr. Wegner ist als ordentlicher Seminarlehrer am Schullehrerseminar zu Frankenberg angestellt worden.
10. November
Die Bankfirma Paul Schauseil u. Co. hat das bisher dem Mühlenbesitzer Louis Dittmar gehörige an der Breitenstraße hierselbst gelegene Hausgrundstück angekauft um nach vorzunehmenden Umbau ihre Geschäftslokalitäten hinein zu verlegen.
11. November
Bei der Wahl der Stadtverordneten am gestrigen Tage wurden gewählt Kaufmann Bruno Schaaf, Zigarrenfabrikant Max Schimpf und Kreistierarzt Liebener.
24. November
Ein furchtbares Unwetter hat unsere Stadt und Umgegend heimgesucht. Nachdem am Sonnabend den 21. d. Mts. nachmittags in der sechsten Stunde mehrfach das Aufleuchten von Blitzen und entferntes Donnergrollen beobachtet worden war, brach nachts gegen 10 Uhr ein entsetzlicher Orkan los, welcher das Passieren der Straßen der Stadt zu einem lebensgefährlichen Unternehmen machte. Der Schaden in der Stadt beläuft sich in der Hauptsache auf einen eingedrückten Giebel an einem Neubau, demolierte Dächer, umgeworfene Schornsteine und Stacketpfeiler, Eindrücken von Fensterscheiben und Herausreißen ganzer Fenster mitsamt dem Rahmen. Die Schiefer vom Dach der Stadtkirche wurden vom Sturme mit fortgetragen und haben vielfach Verheerungen angerichtet. Bäume, welche in Folge ihrer Entlaubung dem Sturm wenig Widerstand boten, sind so gut wie gar nicht beschädigt. Entsetzlich dagegen hat der Sturm den Windmühlen in der Umgegend und vielleicht auch in weiterer Entfernung mitgespielt. Nicht weniger wie 8 vom Orkan umgestürzte Windmühlen konnten bisher festgestellt werden.
28. Dezember
Das Delitzscher Kreisblatt gibt bekann, daß in seinem Verlage die "Chronik von Delitzsch", das Werk jahrelangen Fleißes unsers verehrten Mitbürgers, des Lehrers und Kantors Oskar Reime erschienen ist. Es wird in zwangloser Folge, mindestens aber wöchentlich 4 Seiten, dem Kreisblatt beigelegt werden.
1904
1. Januar
Die Einwohnerzahl der Stadt betrug am 1. Januar 11050 Personen.
20. Januar
Der Staatshaushaltplan für 1904 weist im Eisenbahnetat die Summe von 41000 Mark zur Erbauung einer Wasserstation und eines Lokomotivschuppens auf dem hiesigen Bahnhof auf.
21. Januar
Gestern nachmittag verunglückte auf dem Bahnstrange in der Nähe des Wasserturmes der 19jährige Streckenarbeiter Fritz Scharf von hier beim Aufspringen auf den schon im Gange befindlichen Güterzug. Er glitt aus und kam unter die Räder, wobei ihm die Beine abgefahren und der Kopf gespalten wurde, so daß der Tod sofort erfolgte.
2. Februar
Die Weltausstellung in St. Louis wird auch von der bekannten, seit beinahe 50 Jahren hier bestehenden Verlagshandlung von Reinhold Pabst mit bei ihr erschienenen Lehrbüchern, beschickt werden, nachdem sie hierzu von dem deutschen Ausstellungs-Kommissar aufgefordert worden ist.
26. März
Gestern abend fand im Saale des Hotels "zum Ring" die Schlußfeier der hiesigen gewerblichen Fortbildungsschule, verbunden mit einer Ausstellung der Schülerhefte und Zeichnungen statt. Der Leiter der Fortbildungsschule Rektor Wiener begrüßte die anwesenden Meister und Freunde der Fortbildungsschule und gab einen eingehenden Tätigkeitsbericht. Lehrer Schräpler hat im vergangenen Schuljahre neben seiner Schulzeit 4 Wochen in der Fortbildungsschule zu Leipzig hospitiert; Lehrer Scharruhn hat einen sechswöchigen Zeichenkursus für Fortbildungsschullehrer in Erfurt besucht. Einige Schüler erhielten Auszeichnungen in Gestalt von guten Büchern (Naumann, Buchbindermeister Krause, Bettzieche, Glasermeister Lampe, Seyffarth, Tischlermeister Vonhoff, Pöschel, Gärtnereibesitzer Geidel, Parade, Schuhmachermeister Exner und Tapezierer Scheffler. Am 15. März wird die Weiterführung der Neuen Straße durch Einbeziehung der zweiten Scheunengasse beschlossen. Am gleichen Tage erhält die quer von der Eilenburger Straße nach den beiden Scheunengassen führende Straße den Namen Poststraße.
31. März
Kürschnermeister Schreiter hat sein Hallesche Str. Nr. 2 belegenes Hausgrundstück an Kaufmann Leopold Schlesinger von Merseburg verkauft.
18. April
Angestellt sind als Postpraktikant der Postpraktikant Kümmel aus Hamburg in Delitzsch, als Telegraphenassistent der Postassistent Blume in Delitzsch.
20. April
Ein Eisenbahnunfall, der entsetzliche Folgen haben konnte, wenn nicht eine gütige Vorsehung ihre Hand schützend über die Beteiligten gehalten hätte, ereignete sich heute vormittag am Bahnübergang bei Zschepen. Ein von hier nach Leipzig fahrender Zug erwischte ein Ochsengeschirr vom Zschepener Rittergute an der Wagenstange und schleifte dasselbe ca. 10 m weit mit fort, worauf die Wagenstange brach und die Gefahr für Mensch und Tiere beseitigt war. Dadurch, daß die Ochsen mit Gewalt zurückdrängten, waren zum Glück die Stangenketten gerissen und dies war wohl der Grund, daß die Karambolage für die Beteiligten so glücklich ablief und der Geschirrführer wie die auf dem Wagen befindlichen Weiber und die Ochsen mit dem Schrecken davonkamen. Das Unglück konnte nur dadurch geschehen, daß die Stangen nicht niedergelassen waren, immerhin ist auch der Geschirrführer nicht von aller Schuld freizusprechen; es ist manchmal geradezu unbegreiflich mit welcher Sorglosigkeit diese Leute die Bahngleise kreuzen. Bei nur einigermaßen Aufmerksamkeit konnte auf der hier schnurgeraden Strecke ein derartiger Fall überhaupt nicht vorkommen.
22. April
Am 6. April verstarb hierselbst der Ehrenbürger unserer Stadt Sanitätsrat Dr. Rudolf Laue. Der Magistrat widmet dem Verstorbenen folgenden Nachruf:
"Sanitätsrat Dr. Rudolf Laue hat in 36jähriger Tätigkeit als früherer Stadtverordneter bezw. Stadtverordneten-Vorsteher, sowie als Armen- und Krankenhausarzt, in letzterer Eigenschaft bis zu seinem Tode, die Interessen der Stadt in unermüdlicher und treuer Arbeit gefördert. In dankbarer Anerkennung dieser seiner langjährigen Tätigkeit betrauern wir in dem Verstorbenen eine um das Wohl und die Entwicklung unserer Stadt verdienstvolle Persönlichkeit, der wir jederzeit ein ehrenvolles Andenken bewahren werden." Der Nachruf der Ärzte in Delitzsch lautet: "Während seiner 48 Jahre langen erfolgreichen ärztlichen Tätigkeit ist er allen hiesigen Ärzten durch seinen reinen und offenen Charakter, seinen unermüdlichen Fleiß und Pflichttreue, seine Uneigennützigkeit, seine treue kollegiale Gesinnung ein leuchtendes Vorbild und auch ein väterlicher Freund gewesen. Wir werden ihn deshalb auch über das Grab hinaus ein treues und liebevolles Andenken bewahren." Auch in der heutigen Stadtverordnetensitzung wurden dem Verstorbenen vom Vorsteher Bauer ehrenvolle Worte nachgerufen. Der Wiesenweg vom Park und Kertitz, um dessen Ausgestaltung er sich besondere Verdienste erworben hatte, erhielt den Namen "Dr.-Laue-Weg". In der heutigen Stadtverordnetensitzung wurde auch die Zufüllung des kleinen Stadtgrabens beschlossen.
23. April
Am 11. April verstarb hierselbst der Kreissekretär a. D. Kanzleirat Franz Louis Julitz, der 34 Jahre hindurch in seltener Pflichttreue und Hingebung im hiesigen Kreisausschuß tätig war.
27. April
In Angelegenheit der Bahn Delitzsch-Schkeuditz fand im Ständehause eine Versammlung statt, an welcher Vertreter von Delitzsch, Schkeuditz und einer Anzahl am Bahnbau interessierter Dörfer teilnahmen. Man sprach sich dahin aus, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftpflicht zu gründen, und die auf 750000 Mark veranschlagten Kosten durch Anteilscheine zu beschaffen. Grund und Boden soll kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. In einem Schreiben des Ingenieurs Ballhorn betont derselbe die Notwendigkeit schleunigster Inangriffnahme des Bahnprojektes.
10. Mai
Bei der Zuverlässigkeitsfahrt Berlin-Leipzig-Berlin erreichte Herr A. Schröter jr. von hier das Endziel in Berlin als Sechster, von 19 dort überhaupt nur eingetroffenen Motorfahrern. Da Schröter erst im Laufe der Nacht nach Berlin gefahren war, legte derselbe die Strecke auf einer nur 2 ½ pferdigen Maschine in einem Tage 3 Mal zurück, gewiß eine ganz ausgezeichnete Leistung, da die Konkurrenz fast durchweg 3-3 ½ pferdige Maschinen benutzte.
5. Juli
Die Wiederwahl des Rentners Louis Spangenberg, des Apothekenbesitzers Freyberg und des Goldarbeiters Brembach zu unbesoldeten Stadträten der Stadt Delitzsch ist von der Regierung zu Merseburg bestätigt worden.
1. August
Heute feiern 2 Angehörige der Feuerwehr, Fabrikarbeiter Wilhelm Krüger und Zimmermann Robert Petzoldt das Jubiläum ihrer 40jährigen bezw. 25jährigen Mitgliedschaft.
13. August
Schon seit einiger Zeit macht sich innerhalb der Bürgerschaft ein starkes Verlangen nach Ausbau der Realschule zu einer Oberrealschule geltend. Drei Eingaben mit zusammen mehr als 400 Unterschriften gelangten seit April an die städtischen Körperschaften, die darauf in einer Stadtverordnetensitzung den einstimmigen Beschluß faßten, die nötigen Schritte zur Erfüllung dieses Wunsches zu tun.
Am 10. August war eine Deputation, bestehend aus den Herren Bürgermeister Rampoldt, Stadtrat Freyberg und Dr. med. Thieme nach Berlin gereist, um im Kultusministerium mit den in Frage kommenden Dezernenten persönlich Rücksprache zu nehmen. Die 2 ½ stündige Rücksprache hat zu dem Ergebnis geführt, daß das Kultusministerium der Umwandlung der Realschule in eine Oberrealschule wohlgesinnt gegenübersteht und daß diese Schule in der neuen Form am 1. April 1905 voraussichtlich beginnen kann.
15. August
Die seit Jahren geplante und nun höheren Orts erteilte Genehmigung zur Neukanalisation ist eingetroffen und ohne Aufschub soll nun darangegangen werden, die Kanalisation nach den Genzmer'schen Plänen in Ausführung zu bringen. Die Kläranlage der Kanalisation soll auf das Kirchenfeld an der Naundorfmühle kommen. Dieser der Kirchengemeinde gehörige Plan ist gegen städtisches Feld am Schenkenberg-Laueschen Wege ausgetauscht worden. Da das städtische Feld nicht so wertvoll ist wie das der Kirchengemeinde, so ist nach Abschätzung Sachverständiger der Kirchengemeinde noch ein baar von 800 Mark gezahlt worden. Die Arbeitsleistung wird der Firma Otto Maye und Co. übertragen.
1. September
Die Stettiner Schamottefabrik verkauft die hiesige Gasanstalt an die Thüringer Gasgesellschaft, deren Sitz in Leipzig ist. Die Käuferin tritt die Bewirtschaftung der Gasanstalt am 1. September an.
27. September
Ein hochverehrter Wohltäter unserer Stadt, der Rentner Anton Securius, welcher s. Z. zum Besten der hiesigen Kleinkinder-Bewahranstalt eine Stiftung von 8000,- Mark machte, ist am 22. September in Berlin verstorben. Magistrat und Stadtverordnete richteten an die Hinterbliebenen ein Kondolenz-Telegramm unter Überreichung einer wertvollen Kranzspende.
28. September
Der Pfarrer an der katholischen Kirche, Friedrich Helle, verläßt Delitzsch und Pfarrer Josef Stahl tritt an seine Stelle. Pfarrer Jentzsch wird als 3. Geistlicher an der evangelischen Kirche eingeführt.
9. November
Gestern überbrachte Bürgermeister Rampoldt der Zigarrenarbeiterin Frau Pauline Hofmann geborene Koßmann, welche ununterbrochen 40 Jahre in der Fabrik E. Eichler hier beschäftigt ist, die Glückwünsche des Regierungspräsidenten zu Merseburg unter Überreichung eines sehr ehrenvollen Anerkennungsschreibens. Von der Firma Eichler und ihren Mitarbeitern wurden der Jubilarin hübsche Geschenke überreicht.
28. November
Gestern feierte der frühere langjährige Stadtverordnete Rentner Fleischer seinen 80. Geburtstag. Die beiden städtischen Körperschaften brachten dem greisen, leider seit Jahren schon erblindeten Herrn die herzlichsten Glückwünsche dar, nachdem derselbe vorher durch eine erhebende Morgenmusik begrüßt war.
15. Dezember
Heute geht das Hotel "zum Goldenen Ring" in den Besitz des Herrn Kummer (jetzt in "Stadt Berlin") über. Herr Rühlmann, seither Oberkellner in " Stadt Leipzig" übernimmt heute den Gasthof "zur Stadt Berlin".
1905
10. Januar
Am vergangenen Sonnabend den 7. d. Mts. fand die 50jährige Jubiläumsfeier für das Personal der hiesigen Zigarrenfabrik von Karl Friedrich Weber jun. im Etablissement "Stadt Leipzig" statt. Zu derselben hatten sich der Sohn des Begründers der Firma Karl Friedrich Weber jun., sowie auch einige andere bei der Firma tätige Herren aus Leipzig eingefunden. Was an diesem Abend geboten wurde, zeigte das treffliche Einvernehmen zwischen der Leitung der Firma und dem Personal.
31. Januar
Ende Januar beträgt die Einwohnerzahl unserer Stadt 11035. Die gestern nach Berlin gereisten Herren vom Magistrat haben bezüglich der Errichtung der landwirtschaftlichen Schule hierselbst leider die Nachricht nach Hause gebracht, daß Delitzsch dieses Mal mit der Schule nicht bedacht werden kann, da der Minister bereits im Mai v. J. entschieden habe, daß die Schule nach Salzwedel komme. Doch in 3 bis 4 Jahren soll eine zweite Schule in der Provinz Sachsen errichtet werden, und diese soll dann nach Delitzsch kommen.
4. Februar
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung teilte Bürgermeister Rampoldt der Versammlung mit, daß die Eisenbahnwerkstätte bestimmt nach Delitzsch komme. In diesen Tagen sei bereits der Ankauf des betr. Geländes und der Grundstücke erfolgt. Doch soll mit dem Bau erst in 2 bis 3 Jahren begonnen werden.
12. Februar
Bei den Ausschachtungsarbeiten am Lober vor der Naundorfer Mühlen fanden Arbeiter ein noch gut erhaltenes Geweih, das ziemlich tief im Kies steckte. Vorgefundene Tonscherben lassen auf Vorhandensein von Urnen schließen. Die Fundstücke wurden dem hiesigen Museum übergeben.
7. März
Bäckermeister Hermann Hoffmann hat sein Grundstück mit Bäckerei, Ecke Schulze-Delitzsch- und Sekuriusstraße, an Bäckermeister Leuthold aus Leipzig verkauft.
10. März
Zur Pflege und Beaufsichtigung der seit Errichtung des neuen Friedhofs mehrfach erweiterten städtischen Anlagen wird ein besonderer Stadtgärtner angestellt und zwar in der Person des Gärtners Artur Kampf. Durch Dr. med. Herold wird die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz begründet, dessen Vorsitzender zunächst 1. Bürgermeister Rampoldt wird, während das Schriftführeramt Seminarlehrer Etzold übernimmt.
23. März
Das 25jährige Jubiläum als Bezirkshebamme begeht am heutigen Tag Frau Krausch. Sie hat in diesen Jahren bei ca. 2000 Geburten Hilfe geleistet.
27. März
Die Buchdruckerei der "Delitzscher Zeitung" befindet sich ab heute im eigenen neuerbauten Grundstück Ecke Promenade 14 und Karlstraße 2 (zwischen Roßplatz und Oberrealschule).
30. März
Die viel von hier aus besuchte Gastwirtschaft "Froschmühle" im nahen Kertitz ist von der jetzigen Besitzerin Frau verw. Apitzsch an Gutsbesitzer Richard Pönicke daselbst verkauft worden.
5. April
Eine Steinkugel ist heute bei den Kanalisationsarbeiten im Stadtgraben gefunden worden. Jedenfalls rührt sie von einer Beschießung der Stadt in grauer Vorzeit her und dürfte somit manches Jahrhundert im Bett des Stadtgrabens geruht haben.
27. April
Mit dem neuen Schuljahr ist ein Wendepunkt in der Entwicklung unserer Oberrealschule eingetreten. Die Schülerzahl beträgt insgesamt 180. Hiervon gehören der neu errichteten Obersekunda 20, der Untersekunda 28, der Obertertia 15, der Untertertia 21, der Quarta 28, der Quinta 35 und der Sexta 33 Schüler an. Aus Anlaß des Ausbaus der Realschule in eine Vollanstalt hat Kreisausschußsekretär Gundermann der Schule eine Schillerbüste geschenkt. In das Lehrerkollegium der Schule ist mit Beginn des neuen Schuljahres Dr. phil. Votsch aus Magdeburg als wissenschaftlicher Hilfslehrer eingetreten.
28. April
Die Stadtverordnetenversammlung beschloß, an dem Durchbruch der Münze über den Stadtgraben eine eiserne Fußgängerbrücke von 15-18 m Spannweite durch die Firma Maye u. Co. Dessau, zu dem mit dieser Firma ausbedungenen Preis von 6650 Mark errichten zu lassen. Der Bau macht sich notwendig, um die Teilung des Stadtgrabens durch einen Damm zu verhindern, der nach ursprünglichem Plane der Kanalisation wegen ausgeführt werden sollte. Wegen der bevorstehenden Feier des hundertsten Todesjahres des Dichters Schiller (9. Mai) wird der Brücke von vornherein der Name "Schillerbrücke" zugedacht und beigelegt.
9. Mai
Auch in unserer Stadt hat man den Tag, an welchem vor 100 Jahren Deutschlands Lieblings Dichter Friedrich von Schiller aus dieser Welt abberufen wurde, nicht vorübergehen lassen wollen, ohne des großen Toten zu gedenken. So waren es vor allem die Schulen, die den denkwürdigen Tag in besonderer Weise begingen. Die Oberrealschule hatte die Feier bereits gestern Abend im Hotel zum Schwan unter reger Beteiligung der Eltern, Schüler und Freunde der Schule. In den Volksschulen fanden heute vormittag Gedenkfeiern statt. Die Bürger-Mädchenschule und die gehobene Mädchenschule versammelten sich zusammen in "Stadt Leipzig". Gemeinsamer Gesang Schillerscher Lieder wechselten mit Vorträgen Schillerscher Gedichte durch Schülerinnen der gehobenen Mädchenschule ab. Die Schillerfeier der Knaben-Bürgerschule fand in dem auf der Bühne mit den Büsten Schillers und Goethes geschmückten Saale des Schützenhauses statt. Im Seminar und der mit ihr verbundenen Präparandenanstalt wurde das Gedächtnis Schillers durch einen Festakt in der Aula der Anstalt gefeiert. Die Seminarschule hatte schon am gestrigen Tag ihre Feier abgehalten. Seitens der Herrn Minister waren der Anstalt eine Reihe von Schillerschriften gestiftet, die an besonders würdige Schüler des Seminars, der Präparandenanstalt und der Seminarschule zur Verteilung gelangten. Die Loge hielt bereits am Sonnabend abend eine größere Feier im Saal des Hotels "zum Schwan" ab. Am heutigen Abend veranstaltet auch der wissenschaftliche Verein in Gemeinschaft mit dem Musikverein eine Schillerfeier im Hotel "zum Schwan".
11. Mai
Die Schillerfeier, die der Delitzscher Lehrerverein am gestrigen Abend im "Schwan" beging, war keine schwächere und mattere Nachfeier, sondern vielmehr eine Steigerung und ein glänzender Abschluß der mannigfachen Würdigungen dieser Tage, und die Erwartung, die man hegte, war schon an der erdrückenden Fülle der Zuhörer, die der Saal kaum zu fassen vermochte, zu erkennen. Das überaus farbenreiche und abwechselnde Programm und die begeisterte und allgemein anklingende Ausführung desselben hat dieser Erwartung durchaus entsprochen und bei allen Anwesenden einen tiefen Eindruck hinterlassen.
31. Mai
Am Sonntag feierte der zum Sorbengau gehörende Turnverein "Jahn" sein 25jähriges Stiftungsfest mit der Weihung einer neuen Fahne. Eine große Anzahl von Mitgliedern der Brudervereine hatte sich zu diesem achten Turnfest eingefunden. Vertreten waren 28 Vereine mit 22 Fahnen.
1. Juni
Im Hotel zur Grünen Linde fanden sich gestern ca. 30 Herren zusammen, welche der Einladung eines vorbereitenden Komitees gefolgt waren, um einen Bürgerverein ins Leben zu rufen, der sich mit städtischen Angelegenheiten befassen soll. Glasermeister R. Scheibe eröffnete und leitete die Besprechung. Rechtsanwalt Dr. Schulze ergriff sodann das Wort und bezeichnete die Gründung eines derartigen Vereins für dringend nötig. Eine Kommune kann nur Vorteil davon haben, wenn die Bürgerschaft sich möglichst ausgiebig mit kommunalen Angelegenheiten befasse. Die blühendsten Städte erfreuten sich auch alle eines regen kommunalen Vereinsleben. Nach einer längeren Ansprache wurde die Begründung des allgemeinen Bürgervereins beschlossen. Alle Anwesenden traten dem neuen Verein bei.
8. Juli
Ein furchtbares Familiendrama trug sich heute in den ersten Nachmittagsstunden hier zu. Ein Familienvater, der seit Jahren an einer anscheinend unheilbaren Krankheit litt, der in der Neuen Straße wohnende bisher in der Schuhfabrik beschäftigt gewesene Schuhmacher Kalinowsky, ging heute nachmittag gegen ½ 2 Uhr aus seiner Wohnung fort und nahm seine Kinder, zwei Knaben im Alter von acht und zehn Jahren und zwei Mädchen im Alter von ein und elf Jahren, mit. Sein Ziel waren die Loberwiesen hinter der Sorauer Bahn. Hier an einer sehr tiefen Stelle des Lobers warf er die jammernden Kinder ins Wasser und sprang darauf selbst in dasselbe. Ein beherzter Knabe, der sich in der Nähe befand und die gellenden Schreie der Kinder hörte, rettete das einjährige Mädchen, das sich in der Nähe des Ufers befand. Dem 11jährigen Mädchen war es gelungen, sich am Strauchwerk festzuhalten und sich wieder aufs Trockene zu bringen. Der Vater und die beiden Knaben konnten nur als Leichen geborgen werden.
31. Juli
Der Turnverein "Frisch Auf" beging gestern sein 25jähriges Stiftungsfest durch eine größere Feier. Schon am Sonnabend wurde dieselbe eingeleitet durch einen Kommers, zu dem sich ca. 400 Personen, Turner und Freunde der Turnerei, eingefunden hatten. Der Festtag selbst, der Sonntag, wurde in den frühen Morgenstunden durch den Weckruf eingeleitet. Nachdem die auswärtigen und hiesigen Vereine als Gäste im Laufe des Vormittags sich eingefunden und begrüßt wurden begann das Wetturnen. Nach dem gemeinsamen Mittagsmahl und dem imposanten Umzug durch die Stadt wurde das Wettturnen fortgesetzt. Dem folgten Riegen- und Kürturnen. Bei Gartenkonzert, Feuerwerk und Ball amüsierte sich die festliche Gesellschaft. Der Turnverein "Frisch Auf" darf mit dem Verlauf seines 25jährigen Stiftungsfestes vollauf zufrieden sein.
1. August
In großer Feuergefahr befand sich heute ein Teil unserer Stadt, die verkehrsreiche Breitestraße. Im Hause der Löwenapotheke war heute mittag 12 Uhr wiederum, das dritte Mal in kurzer Zeit, Feuer ausgekommen, das aber diesmal sofort den ganzen Dachstuhl in Flammen setzte, gewaltige Rauchschwaden gen Himmel sendend. Die alarmierte städtische Feuerwehr war in wenigen Minuten zur Stelle und es gelang ihr, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken und die stark gefährdeten Nachbarhäuser Kaufmann Friedrich und Hutmacher Ryssel zu retten. Der Dachstuhl brannte total nieder. Der Besitzer hat bedeutenden Schaden. Die Entstehungsursache des Feuers ist noch unbekannt.
18. August
Wegen ernster Differenzen ist der bisherige Leiter und Gesellschafter der Firma Ed. Poenicke und Co. G.m.b.H. Baumschulendirektor Poenicke sowie dessen Sohn, Gartenarchitekt Poenicke und Buchhalter Bär aus genannter Firma ausgeschieden. Die Herren beabsichtigen am hiesigen Platze ein neues Unternehmen von mindestens eben solchem Umfange wie das der alten Firma ins Leben zu rufen. Kapital und Gesellschaft sind bereits gesichert.
25. September
Den gestrigen Hauptgottesdienst hatte eine ungewöhnlich große Anzahl Gemeindemitglieder aus allen Gesellschaftskreisen jeden Alters und beider Geschlechter besucht, um der Abschiedspredigt unsers so beliebten Archidiakonus Kümmel, der als Prediger nach Quedlinburg berufen ist und im Laufe dieser Woche nach dort übersiedelt, anzuhören. Eine 15jährige segensreiche Tätigkeit hierselbst liegt hinter ihm. Sein Nachfolger als Archidiakonus wurde der bisherige Diakonus Kohlmann hierselbst, während zum Diakonus unserer Kirche nach abgehaltener Probepredigt Hilfsprediger Jentzsch aus Neinstedt einstimmig gewählt wurde.
25. September
Am Freitag den 22. September hielten die Turnlehrer der Provinz Sachsen in unserer Stadt eine Tagung ab. Nachmittags 4 Uhr wurden sie von Schulrat Bohnenstedt im Seminar begrüßt. Es fanden nun in allen hiesigen Schulen Turnvorführungen statt. Den Anfang machte die 1. Präparandenklasse unter Präparandenlehrer Ziegler. Es folgten dann die 1. Seminarklasse unter Seminarlehrer Etzoldt und Freiturnen aller drei Seminarklassen. Abends versammelten sich dann die Turnlehrer zu einem Vortrag über das Turnwesen und anschließender Besprechung. Andern Tags, am Sonnabend begannen um 8 Uhr in der freundlichen und schön ausgestalteten Mädchenturnhalle turnerische Vorführung der Mädchen- und Töchterschule unter Frl. Döhlert und Scholl. Nach 9 begannen Übungen der Knabenschule auf dem Turnplatz der städtischen Turnhalle unter Lehrer Pannier. In der Oberrealschule führten Oberlehrer Seidel mit der Quarta zusammengestellte Ordnungs- und Freiübungen und Turnlehrer Reinboth schwierigere Übungen mit der Obertertia vor. Für die Teilnehmer der Tagung war um 2 Uhr nachmittags im Schwan ein Festessen. Der Nachmittag war den Spielen aller Schulen auf dem Schützenhofplatze gewidmet, zu dem sich Freunde des turnerischen Spiels zahlreich eingefunden hatten. Am Abend war vor zahlreich erschienenen Zuhörern in "Stadt Leipzig" ein vom Seminarchor ausgeführtes Konzert.
18. Oktober
Das Etablissement "Stadt Leipzig" hierselbst ist von dem Kaufmann Möbius aus Leipzig gekauft worden.
10. November
Heute weilten drei Herren von der Eisenbahndirektion Halle hier, um gemeinsam mit den Vertretern des Magistrats den entgültigen Entwurf des von der Bahnverwaltung mit der Stadt abzuschließenden Vertrages, in welchem die gegenseitigen Verpflichtungen, die sich aus der Errichtung der Eisenbahn-Werkstätten ergeben, vereinbart sind, festzusetzen.
18. November
Unserem berühmten Landsmann, dem Bildhauer Otto Richter in Berlin, ist von der Medaillenkommission für Preußen ein Ehrendiplom für seine Arbeiten auf der großen Berliner Kunstausstellung 1905 verliehen worden.
27. November
Gerichtsassessor Dr. Michaelis aus Aschersleben, ein Sohn des dortigen Oberbürgermeisters wird sich am 1. Januar als Rechtsanwalt hier niederlassen.
30. November
Die Gründung einer Baugenossenschaft steht hier bevor, welche sich mit der "Wohnungsfrage" beschäftigen wird, die durch den bedeutenden Zuwachs von Beamten und Arbeitern entstehen wird, wenn die hier errichtete Eisenbahn-Werkstätte ihre Arbeit beginnt.
2. Dezember
Eine erschütternde Nachricht durcheilte gestern unsere Stadt. Ein Delitzscher Kind, der 14jährige Kurt Olbrecht ist von hier weggelockt und in der Nähe von Bitterfeld beraubt und erschlagen wurden. Wie sich heute herausgestellt hat ist der Mörder, ein Delitzscher junger Mann und Freund des Ermordeten. Er hat den Knaben veranlaßt, seinem Vater Geld zu stehlen, was der Junge auch ausführte. Er bekam ca. 600,- Mark in seine Hände. Beide reisten zusammen bis Bitterfeld mit der Bahn und gingen dann zu Fuß weiter. An der Muldebrücke erschlug er den Knaben mit einem mitgeführten Beil, beraubte ihn des Geldes und warf den Leichnam in den Lober. Der Leichnam wurde gefunden, und bald kam man auf die Spur des Mörders. Er gestand alles, wurde verhaftet und nach Halle gebracht.
5. Dezember
An Stelle des zum Bürgermeister der Stadt Lübbecke (Westf.) gewählten 2. Bürgermeisters unserer Stadt Putz wurde der bisherige Bürgermeister der Stadt Hasselfelde (Braunschweig) Max Hagedorn zum 2. Bürgermeister unserer Stadt auf 12 Jahre gewählt und von der Regierung bestätigt worden.
22. Dezember
Die Firma Gebrüder Böhme hierselbst, unter welcher Albert Böhme vor ca. 10 Jahren eine Schokoladenfabrik begründete und zu einer außergewöhnlich raschen Entwicklung brachte, so daß sie heute zu den ersten und leistungsfähigsten dieses Faches zählt, ist jetzt in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt worden.
31. Dezember
Das Wetter des Jahres hatte sich im Sommer zur Erntezeit infolge sehr häufiger Gewitter ungünstig gestaltet. Die Einbringung der Ernte war dadurch erschwert, Roggen wuchs zum Teil aus.
1906
1 Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 10919 Seelen.
13. Januar
Die entsetzliche Bluttat, welche am Abend des 30. November v. J. auf dem Auwege in der Nähe der Muldenbrücke bei Bitterfeld verübt wurde und dem vierzehnjährigen Kurt Olbrecht aus Delitzsch das Leben raubte, bildete den Gegenstand der Anklage wider dem Kaufmannslehrling Rudolf Stock aus Delitzsch. Der Staatsanwalt in Halle beantragte die höchste Strafe von 15 Jahren Gefängnis, wegen seines jugendlichen Alters wurde nicht die Todesstrafe beantragt. Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Verbindung mit schwerem Raub zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.
18. Januar
Die Errichtung der Eisenbahnwerkstätte in Delitzsch scheint jetzt entgültig zu sein. Im preußischen Staatshaushalt für 1906 heißt es unter anderen: "Eine Erweiterung der Werkstätte in Halle ist nach Lage der örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen. Es wird daher erforderlich, eine neue Wagenwerkstätte an einer anderen Stelle zu erbauen. Als ein hierfür geeigneter Ort ist Delitzsch ermittelt worden. Diese Stadt liegt günstig für die Zuführung der Betriebsmittel; auch war der erforderliche Grund und Boden dort billig zu haben."
24. Januar
Das 25jährige Jubiläum als Vorsteher der hiesigen Ortskrankenkasse der Zigarrenarbeiter feierte gestern abend Zigarrenmacher Hoyer im Kreise zahlreich erschienener Kollegen, Freunde und Verwandten im Hotel "zum goldenen Ring".
27. Januar
Das Hospital hat schon seit Jahrhunderten an die Kirchen- bzw. Pfarrkasse die überschüssigen namhaften Beträge bezahlt, die aber mehrfach als widerruflich bezeichnet worden sind. Nun hat die Regierung die weitere Zahlung dieser Beiträge gekündigt, da das Hospital sein Vermögen zu eigener Verwaltung braucht. Für die von den hiesigen Geistlichen im Hospital geleisteten Dienste zahlt das Hospital fernerhin nur 250,- Mark.
1. Februar
Am heutigen Tag sind 25 Jahre vergangen, seitdem Rendant Otto die hiesige Stadthauptkasse verwaltet.
20. Februar
Der sogen. Vierziger-Ausschuß der "Vereinigung ehemaliger Delitzscher Realschüler" versammelte sich Sonntag im "Schwan" unter dem Vorsitzenden Stadtrat Freyberg. Es handelte sich vor allem um Ermittlung noch fehlender Adressen früherer Schüler. In den geschäftsführendem Ausschuß wurden 7 Herren gewählt. Zu dem am 21. Juni 1908 stattfindenden 50jährigen Jubiläum der jetzigen Oberrealschule soll der Schule eine Stiftung entgegengebracht werden. Die Sammlung hat bis jetzt bereits rund 3000,00 Mark ergeben.
24. Februar
Die Schokoladenfabrik Gebr. Böhme hierselbst hat das der Witwe Prautzsch gehörige Nachbargrundstück käuflich erworben, um auf demselben einen Fabrikerweiterungsbau erstehen zu lassen.
27. Februar
Die Stadtverordneten haben in ihrer letzten Sitzung beschloßen folgende Straßen- bzw. Promenadennamen zu ändern: Die Promenade von der Stadtmühle bis zum Roßplatz "Kaiser-Wilhelm-Promenade", vom Roßplatz bis zur Leipzigerstraße "Auguste Viktoria Promenade", vom Leipziger bis zum Halleschen Tor "Ehrenberg Promenade", vom Halleschen Tor bis zur Stadtmühle "Schloß-Promenade", ferner die bisherige Neuestraße einschließlich der 2. Scheunengasse "Bismarckstraße", die 1. Scheunengasse "Moltkestraße", die von der Gartenstraße abzweigende Straße "Mozartstraße", die zur Eisenbahnwerkstätte führenden Straßen "Wittenberg- und Buddestraße".
2. März
Nach langer Zeit versammelten sich am gestrigen Abend die Obermeister der Innungen des Kreises in der Linde. Es handelte sich vor allem um die Wahl der Handwerkskammer-Mitglieder. Es wurden vorgeschlagen und gewählt aus Delitzsch Bäckermeister Karl Platen und Korbmachermeister Adolf Tauche.
13. März
Professor Hanow, der seit dem 1. April 1873 an der hiesigen Oberrealschule i. E. wirkt, tritt am 1. April d. J. in den wohlverdienten Ruhestand.
16. März
Der Gastwirts-Verein für Delitzsch und Umgegend beging gestern im "Bürgergarten" die Feier seines 25jährigen Stiftungsfestes. Der hiesige Magistrat war durch den Ersten Bürgermeister Rampoldt und Zweiten Bürgermeister Hagedorn vertreten. Ferner war der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gastwirte Ringel – Berlin und eine Anzahl Mitglieder der Nachbarvereine von Bitterfeld und Eilenburg erschienen. Herr Ringel überreichte dem Vereinsvorsitzenden Steindel ein Verdienst-Diplom und den Gründern des Vereins Dörfel, Steindel, Haschert und Wilsdorf je eine Ehrennadel.
24. März
Morgen feiert der Maschinenmeister Wilhelm Moritz in der Buchdruckerei des "Delitzscher Tageblattes" (Meyner und Sohn Nachf., Inh. R. Kämmerer) hier sein 50jähriges Buchdrucker-Jubiläum.
25. März
Der schon im Vorjahr begonnene Oberrealschulanbau wird beendet. Die im Anbau befindlichen beiden Klassenräume sowie der Zeichensaal werden alsbald in Benutzung genommen, was im Vorjahr schon mit den Räumen für physikalischen und chemischen Unterricht geschehen. Die Gesamtkosten des Anbaus betragen genau 73268,29 Mark mit dem Ausbau des Festsaales der Schule. Die den Bau ausführenden Werkmeister sind im großen und ganzen die gleichen wie die am Mädchenschulbau beteiligten. Für Lieferung der Glaserarbeiten werden außer Glasermeister Werner, Delitzsch, noch verpflichtet Glasermeister Mietzsch, Leipzig-Plagwitz, und für die Kunstglasfenster in der Aula Horst Schulze, Leipzig. Die Schmiedearbeiten führt Schmiedemeister Hinkefuß von hier, die Malerarbeiten neben den Malermeistern Pawlowski und Scholz auch die Firma Krautheim und Voß, Delitzsch, aus.
1. April
In der Zeit vom 25. März bis 1. April fand im Bürgergarten die vom Regierungspräsident Freiherrn von der Recke im Beisein des Landrats von Busse, der städtischen Körperschaften und der Aussteller eröffneten 2. Handwerkerausstellung statt, die von hervorragenden Leistungen des Delitzscher Handwerks Zeugnis ablegte und zahlreich besucht wurde.
17. März
Vor 300 Jahren am 17. März war ein sehr heftiger Sturm hierselbst, der Gebäude niederriß und die meisten dieser zerstörte, daher man fast alle öffentlichen Gebäude mit nicht geringen Kosten bessern ließ. Im selben Jahre 1606 fing Georg Winkler in der Vorstadt an zu herbergen und auszuspannen, welches ihm der Rat bei 20 Jahr Strafe verbot. Schon die Vorbesitzer, die Geritze, hatten Versuche gemacht, waren aber jedes Mal auf Beschwerde der Gasthofbesitzer in der Stadt vom Rate gehindert worden; jetzt appellierte er gegen das Verbot des Rates, erlangte aber bald nachher, wie es scheint mit dessen Zustimmung das Gesuchte, und sein Haus ward der Gasthof "zum weißen Rosse", wie er heute noch bezeichnet ist.
24. April
Die neue Brücke über dem Stadtgraben ist jetzt auch äußerlich als – Schillerbrücke – gekennzeichnet, indem an ihrem Geländer gestern abend ein Bildnis des großen Dichters in Metall, von einem Eichenkranz umrahmt, angebracht worden ist.
18. Mai
Mit dem Bau der Eisenbahn-Werkstätte wird sofort nach der Aberntung begonnen. Das Bauterrain ist bereits vermessen und abgesteckt worden. Zunächst wird ein Zaun um das ganze Gelände hergestellt werden und dann soll ein Gebäude für Bureauzwecke errichtet werden, das später die Kantine aufnehmen wird. Auf Anfrage konnte die Stadt der Betriebswerkstätte für das Personal angeblich 60 Wohnungen zur Verfügung stellen.
1. Juni
Den Schülern der Unterprima und Obersekunda unserer Oberrealschule ist von heute ab gestattet worden, in ihrer Freizeit von nachmittags 5 bis abends 9 Uhr die beiden Hotels "Zum Schwan" und "Zur Grünen Linde" zu besuchen und dort dem Billard, Kegel- oder Lawn-Tennisspiel zu huldigen.
10. Juni
Der hierorts seit bereits 30 Jahren bestehende Verschönerungsverein hat für die Stadt schon viel getan. Er ist auch in diesem Jahr wieder rege und hat eine Anzahl neuer Bänke in den jetzt herrlichen Anlagen am Halleschen Tore und dem Stadtpark aufstellen lassen.
15. Juni
Vorgestern gegen Abend wurde das neue Schwanenhäuschen seinem Bestimmungsplatz, der Insel gegenüber der Badeanstalt, zugeführt. Da das Häuschen das stattliche Gewicht von 10-12 Ctr hat, so war hierzu eine ziemlich starke Balkenanlage vom Ufer des Stadtgrabens bis zur Insel nötig. Die Überführung und Aufstellung unter Beihilfe von 10 Arbeitern ging gut vor sich, und unsere Stadt ist nun durch das im Villenstil erbaute Schwanenhäuschen um eine Schönheit reicher geworden. Der "Verschönerungsverein" ist es wieder gewesen, welcher dieses Schwanenhäuschen mit einem Kostenaufwand von mehr als 200 Mark gestiftet hat.
17. Juni
Am 17. Juni fand in Delitzsch im Schützenhaus eine Tagung des Bezirksvereins Sachsen-Anhalt im deutschen Fleischerverband statt. Wohl über 250 Teilnehmer waren von nah und fern herbeigeeilt. Nachmittags 2 Uhr eröffnete der Vorsitzende des Bezirksvereins Schliack – Halle die Verhandlungen und der Obermeister der Delitzscher Innung, Braune, hieß die Anwesenden willkommen. Nachdem auch der 1. Bürgermeister Rampoldt die Teilnehmer namens der Stadt begrüßt hat wurde die reichhaltige Tagesordnung unter lebhafter Aussprache fachlicher Angelegenheiten abgewickelt. Den Verhandlungen folgte ein Ball im Garten des Schützenhauses, und den Abschluß bildete ein Ball.
28. Juni
Der hiesige Kreis hat das neben der Kreissparkasse in der Schloßgasse liegende Grundstück von dem Zigarrenarbeiter Wolf Barth käuflich erworben; die Übernahme erfolgt am 1. Oktober d. J. Die Geschäftsräume der Kreissparkasse werden dann eine Erweiterung erfahren.
16. Juli
Am gestrigen Sonntag dem 15. Juli fand das 1. Gauturnfest des Sorbengaues hier statt. Von weit und breit waren die Scharen weiterer Turner herbeigeeilt um ihre Kräfte im friedlichen Wettkampf zu messen und in froher Geselligkeit die Bande treuer Kameradschaft fester zu knüpfen. Die Stadt war herrlich geschmückt. Um 2 Uhr nachmittags begann der Festzug durch die Straßen der Stadt und endete auf dem Ausgangspunkt, dem Schützenplatze. Hier begannen bald die turnerischen Aufführungen. Darauf erfolgte die Verkündung der Sieger in dem am Vormittag stattgefundenen eigentlichen Wetturnen.
13. August
Gestern früh verstarb im Hohen Alter von 89 ½ Jahr an Altersschwäche der Stadtälteste Privatmann E. Troitzsch. Gerade an dem Tag, an welchem der von ihm im Jahr 1846 mitbegründete Gesangverein "Schulze Delitzsch Liedertafel" sein 60jähriges Stiftungsfest beging, segnete er das Zeitliche. Beim 50jährigen Stiftungsfest war er zum Ehrenmitglied ernannt worden. Außer der Liedertafel hat er auch den Volkswirtschaftlichen und Gewerbeverein, dessen Ehrenvorsitzender er war, mitbegründet. 24 Jahre hindurch war der Verstorbene als Stadtverordneter tätig gewesen und 16 Jahre hat er das Amt eines unbesoldeten Magistrats Assessor bekleidet. Nicht minder hat er sich um das Genossenschaftswesen verdient gemacht.
19. August
Die Genossenschaftsblätter widmen dem Verstorbenen, Troitzsch, ehrenvolle Nachrufe. Es heißt darin, daß Troitzsch wohl einer der ersten Mitarbeiter und Mitstreiter Schulze Delitzschs gewesen war, der fast ein halbes Jahrhundert dem Vorstand des Vorschußverein zu Delitzsch angehört hat. Mit Troitzsch ist einer von jenen dahingegangen, die aus Schulze Delitzschs Mund die Pläne des großen Organisators gehört.
20. August
Unter 86 Bewerbern um die hiesige Küsterstelle wurde vom Magistrat der hiesige Polizeisergeant Naßerke als Nachfolger des am 1. Oktober in den Ruhestand tretenden bisherigen Küsters Günther gewählt.
22. August
Die Bau- und Verkehrsdeputation hat schon im Vorjahr die Umschaffung des Promenadenteils von der Holzstraßen- bis zur Schillerbrücke in gärtnerische Anlagen beschloßen, weshalb die hinter der westlichen Häuserreihe der Kohlstraße angelegten Gärten eingehen müssen. Planierung, Besäen und Bepflanzen der Böschung dieses Promenadenteils findet im Laufe dieses Jahres statt.
25. August
Die Errichtung der schon längst geplanten obligatorischen Fortbildungsschule wird nach einem in der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung gefaßten Beschluß zum 1. August 1907 erfolgen. Der Magistrat hat bereits ein bez. Ortsstatut nebst Schulordnung ausgearbeitet. Die Kosten sind mit 6400 Mark veranschlagt, und trägt hiervon die Stadt 1/3, die Regierung 2/3.
1. September
Die Einwohnerzahl unserer Stadt beträgt jetzt 11003 Seelen.
11. September
Unser Altertumsmuseum hat in diesen Tagen durch die Güte und Hochherzigkeit eines Wohltäters eine reiche, herrliche Zuwendung erfahren. Rentner Bruno Schulze in Freiberg, der Neffe unsers großen Volksmannes Dr. Hermann Schulze, hat alle in seinem Besitz befindlichen Geschenke, die seinem Onkel verehrt worden sind, ohne jeglichen Vorbehalt unserm Altertumsmuseum zur Einverleibung überwiesen.
19. September
Heute verschied sanft nach längerem Leiden der Lehrer an der Bürgermädchenschule und Organist an der Stadtkirche, Kimstedt. Nach bestandener Prüfung an der Lehrerbildungsanstalt Elsterwerda fand er 1863 Anstellung als Lehrer in Rödgen. 1866 siedelte er nach Delitzsch über. 1874 wurde ihm das Organistenamt an der Stadtkirche und Hospitalkirche übertragen. Fast 45 Jahre hat er in großem Segen an dem schönen Werke der Kindererziehung gearbeitet.
24. September
Sattlermeister Robert Adam hat das Haus des Kaufmanns Bachmann, Eilenburgerstraße 56a, käuflich erworben.
9. Oktober
Das zweite vom "Verschönerungsverein" gestiftete Schwanenhäuschen findet jetzt auf der Insel bei der Schillerbrücke Aufstellung.
10. Oktober
Der hiesige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Busolt ist verstorben. Seit 1883 wirkte er hierorts von Mühlberg a./ Elbe kommend als Kreisphysikus. Im Juli 1903 wurde ihm der Charakter als Medizinalrat verliehen. Nach dem Tode des Lehrers Kimstedt wird die Organistenstelle an der Stadtkirche vom 1. Januar 1907 ab Lehrer Sauerteig übertragen werden. Unsere Stadt bekommt Elektrisches Licht. Heute ist der Vertrag zwischen der Elektrizitäts-Lieferungsgesellschaft in Bitterfeld und unserer Stadt entgültig abgeSchloßen worden und wird in nächster Zeit schon mit den Vorarbeiten begonnen werden. Mitte nächsten Jahres hofft man die Anlage in Betrieb nehmen zu können.
24. Oktober
Dr. med. Voigt aus Mühlberg hat das Grundstück des verstorbenen Arztes Dr. Zoerner käuflich erworben und sich als praktischer Arzt hierorts niedergelassen.
26. Oktober
Die Bahnstrecke Halle-Delitzsch-Eilenburg wird bestimmt zweigleisig ausgebaut werden. Die Bausumme hierzu ist in den nächsten Etat eingesetzt worden. Die Bahnmeistereien haben bereits Auftrag zu den Vorarbeiten erhalten.
11. November
Eine größere Gärtnerei wird von dem Gärtner Naujokat am Kertitzer Weg, rechts von der Schafbrücke, angelegt. Die Herrichtung des Geländes schreitet rüstig vorwärts. Das von den Erben des verstorbenen Stadtältesten Troitzsch erworbene Feld gehörte früher dem Dr. Schulze-Delitzsch.
23. November
Die hiesige "Stadt Leipzig" wechselt fortwährend den Besitzer. Nachdem der letzte Inhaber des Etablissements, Hänel aus Leipzig, die Wirtschaft mit Familie plötzlich verlassen und nach Leipzig zog, hat ein hiesiger Rentner, der 70.000 Mark Hypothek auf dem Grundstück stehen hat, dafür gesorgt, daß die Bewirtschaftung des Gasthauses fortgeführt wird.
12. Dezember
Die erledigte Kreisarztstelle hierselbst ist vom 1. Februar 1907 ab dem Königlichen Kreisarzt Medizinalrat Dr. Kornalewski in Naumburg übertragen worden.
20. Dezember
Die Zugkraft der Seminarkonzerte hat sich auch gestern wieder bewährt. Der geräumige Saal des Schützenhauses war bis auf den letzten Platz besetzt, und zwar war das Haus bereits am ersten Tage der Ausgabe von Eintrittskarten ausverkauft. Es waren aber auch Stunden der Weihe, welche uns der gestrige Abend wieder brachte.
22. Dezember
Mit dem heutigen hat Karl Wilsch aus Halle die Bewirtschaftung des Gasthauses "Stadt Leipzig" übernommen. Die anfänglich überschätzten Schäden am Saal etc. sind ausgebessert. Möge der neue Besitzer mehr Glück an seinem Unternehmen haben.
1907
1 Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 11002.
12. Januar
Für den Bau der Eisenbahn-Hauptwerkstätte für Wagen in Delitzsch sind in dem Etat der Eisenbahnverwaltung als fernere Rat 500000 Mark eingestellt worden, dagegen ist noch kein Betrag zur Herstellung eines zweiten Gleises auf der Strecke Halle-Torgau ausgeworfen.
17. Januar
Die Firma Chokoladenfabrik Gebr. Böhme G.m.b.H. ist gestern in eine Aktien Gesellschaft umgewandelt worden und beträgt das Grundkapital 600000 Mark. Der Vorstand wird gebildet von Albert Böhme Leipzig und Franz Böhme hier.
24. Januar
Mit Zustimmung des Magistrats ist vom Gemeindekirchenrat an Stelle des verstorbenen Rendanten Otto Stadtsteuereinnehmer Jungnickel zum Kirchen- und Pfarrkassenrendanten gewählt worden.
2. März
Das in der Leipzigerstraße Nr. 25 belegene Grundstück von Frl. Margarete Kühne ist für den Preis von 40000 M. in den Besitz der v. Sternberg'schen Brauerei in Lützschena übergegangen.
5. März
An Stelle des verstorbenen Rendanten und Hospitalvorstehers Otto wird am 1. April der bisherige Kassierer Rudloff zum Stadthauptkassen Rendanten ernannt, während der bisherige Buchhalter Meley zum Kontrolleur aufrückt.
20. März
Frau Schulze, Mühlstraße wohnhaft, kann heute auf eine 40jährige Tätigkeit als Zigarrenarbeiterin bei der Firma G. Wagner (Inhaber P. Hotzel) zurückblicken.
25. März
Das Kaffee "Drei Raben" in der Bismarckstraße ist von Robert Kretzschmar an Max Richter aus Leipzig verkauft worden, welcher es schon am 1. April übernehmen wird.
26. März
Bei der heutigen Konfirmanden-Entlassungsfeier in der Bürgerknabenschule wurden auch die Lehrer Büchner und Wittig aus dem Schulverband entlassen. Ersterer ist nach 45jähriger Lehrtätigkeit, davon über 40 Jahre in unserer Stadt in den wohlverdienten Ruhestand getreten. Lehrer Wittig tritt bekanntlich als Hauptlehrer zur neueingerichteten obligatorischen Fortbildungsschule über.
5. April
Das Restaurant und Kafee "Moltke" in der Lindenstraße, welches 10 Jahre im Besitz von Louis Kaubisch gewesen ist, ging durch Kauf in die Hände des Bruders des bisherigen Besitzers, Arthur Kaubisch, über.
17. April
Das zweite Gleis auf der Strecke Halle-Eilenburg wird nun doch noch in diesem Jahr gebaut werden. Nachträglich sind die Kosten für das zweite Gleis in die dem preuß. Abgeordnetenhaus gestern zugegangene Sekundärbahnvorlage eingestellt worden. Es wurden 2225000 Mark dazu gefordert.
21. April
Der Verschönerungsverein beabsichtigt, das dreieckige Stück Land an der linken Seite der Chaussee nach Spröda bei dem Kilometerstein 3,4, wo der Weg nach Werben abzweigt, mit Bäumen zu bepflanzen und dort durch Anbringung von festen Naturbänken ein Ruheplätzchen zu schaffen. Das Land in Größe eines Fünftel Morgens hatte bisher Rittergutsbesitzer Mayer – Laue in Pacht, welcher dasselbe gern abtreten will. Die Stadtverordneten sind mit dem Plan einverstanden.
22. April
Tierarzt Teutschbein kaufte das den Thormann'schen Erben gehörige Hausgrundstück in der Bitterfelderstraße am Stadtpark.
29. April
Im Anschluß an die kaufmännische Fortbildungsschule werden Unterrichtsabende in englischer Sprache eingerichtet. Der Unterricht findet jeden Dienstag abend von ½ 9 Uhr bis 10 Uhr im Schulsaale der Knabenbürgerschule statt. Das Schulgeld beträgt vierteljährlich 6 Mark.
14. Mai
Mit der Neupflasterung der Eilenburger Straße soll am Montag den 27. Mai begonnen werden und bleibt diese Straße dann für den Fuhrverkehr längere Zeit gesperrt. Die Ausführung der Arbeiten ist dem Steinsetzmeister Schmidt aus Magdeburg übertragen worden.
15. Mai
Der vor einiger Zeit in der hiesigen Bauer'schen Walzenmühle begonnene Streik dauert an. Alle Einigungsversuche sind vergeblich gewesen, da die Firma erklärt, organisierte Arbeiter in ihren Betrieben nicht zu beschäftigen. Der Mühlenbetrieb wird in beschränktem Umfang mit den treu gebliebenen Arbeitern und einigen auswärtigen Arbeitern weiter geführt.
16. Mai
Der Kaninchenzüchter-Verein Delitzsch und Umgegend, vereinigt zu einer Gruppe mit den Vereinen Zschortau, Wiederitzsch, Halle, Eilenburg, Kültzschau und Holzweißig, veranstaltet während der Pfingstfeiertage vom 19.-21. Mai in der "Weintraube" hier seine erste große Gruppenausstellung, verbunden mit Prämierung der besten Rasse- und Zuchttiere.
23. Mai
20 ehemalige Zöglinge des hiesigen Lehrerseminars, die vor 25 Jahren das Seminar verließen, waren vorgestern und gestern hier zusammengetroffen. Gestern vereinigte dieselben ein gemeinsames Mittagessen im "Hotel zur Grünen Linde".
29. Mai
Die Errichtung der Eisenbahn-Hauptwerkstätte macht tüchtige Fortschritte. Mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes und des Pförtnerhauses ist bereits begonnen und das große Werkstätten-Hauptgebäude wird auch bald in Angriff genommen werden. Schlossermeister Nebel umgibt das gesamte Terain mit einer Einfriedung.
31. Mai
Die diesjährigen Schulausflüge der Oberrealschule werden heute und morgen unternommen, und zwar reisten die obersten Klassen (Prima und Obersekunda) heute mittag auf 2 Tage nach dem Harz. Die anderen Klassen werden morgen ihre Partien ausführen. Die Obertertia besucht die Wälder zwischen Bitterfeld und Dessau. Untertertia und Quarta fahren über Naumburg nach der Rudelsburg. Quinta und Sexta begeben sich mittels Kremser nach dem Eisenhammer bei Düben.
3. Juni
Unsere Stadt kann heute ein hochwichtiges Jubiläum feiern. Vor 700 Jahren nämlich, also am 3. Juni 1207 wurde in Delitzsch ein Landding oder Landgerichtstag abgehalten, und damit beginnt die eigentliche Geschichte unserer Stadt. Konrad, Markgraf des Osterlandes, der den Landding leitete, bekundete hier, daß Heinrich, Graf von Brehna, sein geliebter Verwandter, 24 Hufen im Dorf Niendorp teils tauschweise für andere Güter teils gegen eine Geldsumme dem Kloster St. Petri auf dem Lauterberg (Petersberge) übereignet habe. Zugleich bestätigte er im voraus den Ankauf der übrigen Güter in Niendorp, dessen Kirche der Graf bereits dem Kloster übergeben hatte. Als Zeugen werden u. a. ausgeführt Tidericus, Bischof von Merseburg; Bertoldus von Merseburg; Herrmannus, Burggraf von Wettin; Johannes, Burggraf von Giebichenstein; Heinricus von Schkeuditz; Heinricus von Lützen; Otto von Pouch; Otto von Landsberg; Konrad von Landsberg; Hermannus von Rosenfeld; Gebehardus von Zörbig; Ericus von Prettin und Heinricus von Löberitz.
22. Juni
Bauunternehmer Kuhne verkaufte die Hausgrundstücke Bismarckstr. 8 an den Tischler Emil Franke, Bismarckstr. 18 an Privatmann Oskar Otto und ein noch zu erbauendes Hausgrundstück Bismarckstr. 26 an Ofensetzer Albert Kunze.
13. Juli
Das Eilenburgerstraße Nr. 17 belegene Hausgrundstück erwirbt durch Kauf Schneidermeister Ewald Döchert.
12. August
Fabrikbesitzer Rich. Francke, in Firma Mech. Schuhfabrik Delitzsch Sonntag und Francke, hat allen Arbeitern und Arbeiterinnen, welche 10 Jahre und länger bei der Firma tätig sind, - es kommen etwa 50 Arbeiter und Arbeiterinnen in Betracht- , die Krankenkassen-, Invaliditäts- und Altersversicherungsbeiträge erlassen, und zwar erhalten die Betreffenden die wöchentlich zu kürzenden Beiträge am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres im ganzen zurückgezahlt.
14. August
Sein 50jähriges Meisterjubiläum beging gestern Schuhmachermeister Karl Müller, Kreuzgasse 2. Aus Anlaß dieser seltenen Feier überbrachte der Vorstand der Schuhmacherinnung dem Jubilar, der viele Jahre dem Innungsvorstand angehörte, die Glückwünsche der Kollegen und überreichte ihm eine wertvolle Uhr mit Widmung.
16. August
Max Wehle hat sein Kaufhaus, Breitestraße, an Kaufmann Louis Hintzelmann verkauft. Nach erfolgter Übernahme erfolgt die Neueröffnung Montag den 19. August.
27. August
Beim Ausschachten an der Naundorfer Mühle wurden s. Z. etwa 2 ½ m tief im Erdboden 2 vollständig verkieselte Hörner gefunden. Der Finder, Klempnermeister Müller, übergab dieselben Lehrer Reime, der sie in Leipzig von Universitätsprofessoren Dr. Reinisch und Dr. Felix untersuchen ließ. Das Ergebnis der Untersuchung war: "Die Hörner haben einem Auerochsen, Bos primi genius, angehört und rühren aus der Diluvialzeit her, sind also viele Tausende Jahre alt." Ein ebenfalls an der Naundorfer Mühle aus der Tiefe herausbefördertes Knochengerüst hat sich als Schädel eines Hirsches herausgestellt. Professor Dr. Felix schätzt das Alter dieses Knochenstückes auf 1000 bis 1500 Jahre.
3. September
Der zweite Bürgermeister Hagedorn geht als Bürgermeister nach Gronau in Westfalen und scheidet am 30. September aus. An seine Stelle wählen die Stadtverordneten den 1. Ratsherrn Paul Lange in Detmold, der jedoch erst am 1. Januar n. J. die Stellung antritt.
14. September
Nach im Vorjahr vorangegangenen Beratungen mit der Allgemeinen Elektrizitätslieferungs-Gesellschaft wird nunmehr die Zentrale zur Einführung von Elektrizität für Leucht- und Kraftzwecke errichtet. Das Elektrizitätswerk wird morgen mit der Lieferung für Kraft und Licht bei den bereits angeschlossenen Abnehmern beginnen. Vorläufig wird der Strom vom Bitterfelder Werke durch die Fernleitung über Roitzsch und Zaasch geliefert. Mit der Einführung der Elektrizität hat unsere Stadt wieder einen Schritt nach vorwärts getan.
Auf der Eisenbahnstrecke Halle-Eilenburg herrscht zur Zeit ein recht reger Betrieb. Die ganze Strecke Halle-Sorau-Guben wird zweigleisig angelegt, wozu über tausend Arbeiter herangezogen sind. Lehrer Emil Sauerteig übernahm am 1. Juli das Amt eines Organisten an der Stadtkirche, nachdem sein Vorgänger, Organist Kimstedt, in Ruhestand getreten.
15. September
Der schon im Vorjahr beschlossene Ersatzbau für die schadhaft gewordene Holzbrücke am Leipziger Tore wird noch in diesem Jahr von dem Anhalter Betonwerk Otto Maye u. Co. Dessau, ausgeführt. Das Brüstungsgeländer dazu liefert Schlossermeister Wandt von hier. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 19111,56 Mark, die größtenteils aus Sparkassenüberschüssen gedeckt werden.
30. September
Außer dem in den Ruhestand getretenen Lehrer Rocke, welcher über 40 Jahre hier amtierte, schied heute Lehrer Wendrich von der Mädchenschule, um an einem zweijährigem Kursus in Berlin teilzunehmen. Als Ersatz treten morgen Lehrer Wolff und Beyer ein. Ferner wird am 1. Januar 1908 Lehrer Weber von der Bürgerknabenschule einem Rufe nach Naumburg folgen.
2. November
Hier wurde am 16. Oktober eine Schneiderinnung gegründet. Bekanntlich besteht hier ein sehr rühriger Schneidermeisterverein, dessen Mitglieder sämtlich zur Innung getreten sind.
15. November
Heute feiert Privatmann August Kunze hierselbst, mit seiner Ehefrau in verhältnismäßig guter geistiger und körperlicher Frische das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Die feierliche Einsegnung des Jubelpaares fand im Hause durch Superintendent Schäfer statt.
5. Dezember
Vor einigen Tagen fand in München die Beerdigung des berühmten Delitzscher Kindes, des Bildhauers Erwin Weißenfels statt. Über seinen Lebensweg schreiben die Münchener Neuesten Nachrichten u.a.: Erwin Weißenfels ist 1847 zu Delitzsch als Sohn eines Tuchscherermeisters geboren. Nach dem Besuch der Bürgerschule ermöglichte ihm ein Stipendium des Herzogs von Anhalt, sich an der Akademie der bildenden Künste in München auszubilden. In der Folgezeit ist er zu einer Berühmtheit seiner Kunst geworden und hat Aufträge bei Fürsten und Königen auch im Ausland erhalten. In seiner Heimatstadt Delitzsch ist er der Erbauer des Kriegerdenkmals und Schulze Delitzsch Denkmals. Es wurden ihm namentlich von Künstlergrößen ehrenvolle Nachrufe zuteil.
27. Dezember
Was das Wetter anlangt, so erweist sich in diesem Jahr der Winter besonders hart und ausdauernd. Im Sommer verursachten heftige Gewitterregen an vielen Orten Überschwemmungen und orkanartige Stürme verursachten große Schäden. Der Lober überflutete längere Zeit die angrenzenden Wiesen und Felder. September und Oktober zeichneten sich durch prächtiges Herbstwetter aus.
1908
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 1908 11388.
2 Januar
Drechslermeister E. Mühlpfordt verkaufte sein Grundstück in der Breitenstraße an Schuhmachermeister C. G. Exner. Lehrer Bindernagel ist am 1. Januar an der hiesigen Knabenschule angestellt worden.
14. Januar
Der hiesige Gewerbeverein hatte am gestrigen Tag die Freude, sein 50jähriges Bestehen festlich begehen zu können. Am Vormittag wurde vom Vorsitzenden, Fortbildungsschullehrer Wittig, in Gegenwart einer Anzahl Mitglieder des Vereins, nach einer kurzen Ansprache ein prächtiger Kranz am Denkmal des Vereinsstifters Dr. Hermann Schulze – Delitzsch niedergelegt. Am Nachmittag versammelten sich die Mitglieder des Vereins mit ihren Angehörigen und geladenen Gästen im Saal des Hotels "Schwan" zu einer Festfeier. Den Reigen der Festansprachen eröffnete Erster Bürgermeister Rampoldt, welcher die Glückwünsche des Magistrats zur Jubelfeier überbrachte und dann besonders hervorhob, daß durch den Gewerbeverein die Gründung der obligatorischen Fortbildungsschule geschehen sei und dadurch ein köstliches Gut für die Entwicklung unseres Handwerks geschaffen worden sei. Er schloß mit einem Hoch auf unseren Kaiser. – Rechtsanwalt Dr. Schulze hielt sodann die Festrede, welche die Geschichte des Vereins vorführte. Von den 105 ersten Vereinsmitgliedern lebt heute nur noch eins, Stadtältester Rose. Es sprachen dann noch der Vorsitzende Wittig, Apotheker Dr. Lohmann, Zigarrenfabrikant Schimpf u. a. Viele Glückwunschtelegramme von Behörden und Vereinen wurden verlesen. Die ganze Festfeier war umrahmt von Musikstücken der Ill'schen Kapelle und Gesangsvorträgen der Schulze Delitzsch Liedertafel.
15. Januar
Das evang. Konsistorium hat die griechische Bezeichnung Diakonus und Archidiakonus für die Geistlichen abgeschafft und für dieselben die Bezeichnung "Pfarrer" angeordnet.
28. Februar
Das Gasthaus "zur Weintraube" geht am 1. April in den Besitz des Brauereibesitzers Uhlmann hier über. Der bisherige Besitzer Maul wird die Bewirtschaftung weiter übernehmen.
13. März
Der neugewählte 2. Bürgermeister Lange, bisher 1. Ratsherr in Detmold, hat am 1. März sein Amt hier angetreten und wurde heute vom 1. Bürgermeister in sein Amt eingeführt.
14. März
Der Firma Ed. Poenicke u. Co., Baumschulen hier, wurde der Auftrag erteilt, in den neuen königlichen Gärten zu Stuttgart Spalieranlagen nach ihrem von W. Poenicke jun. erfundenen, patentamtlich geschützten "Schrägspaliersystem" zu schaffen. Die Anlage wird im Laufe des Sommers unter persönlicher Leitung des Herrn W. Poenicke erfolgen.
25. März
Das Hausgrundstück von Rentier Dietze in der Chausseestr. 5 hat Bürgerschullehrer K. Reinboth erworben.
1. April
Heute vor 50 Jahren gab es in Delitzsch etwas besonderes zu sehen, denn der erste Dampfwagenzug berührte unsere Stadt. An der Dübener Straße war eine Ehrenpforte errichtet, auf welcher eine schwarz-weiße und eine grün-weiße Flagge wehte. Viele Menschen nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus der weiten Umgegend waren hier zusammengeströmt. Nach langem Harren, gegen 5 Uhr, sah man in der Ferne dicken Qualm aufsteigen. Das pustende Ungeheuer, Lokomotive genannt, kam immer näher, und als der Zug dann einfuhr, erscholl aus den bekränzten Wagen rauschende Musik, die aber von dem lauten Freudengejauchze der Menge übertönt wurde.
6. April
Auf 25 Jahre erfolgreicher Tätigkeit als Fabrikdirektor, davon 17 Jahre im Dienste der hiesigen Zuckerfabrik, konnte am Sonntag den 22. März Fabrikdirektor Dr. Kunze zurückblicken. Zu den vielen Glückwünschen von Freunden und Verehrern kam ein sinniges Geschenk der Beamten und Arbeiter. Für gestern hatte nun Fabrikdirektor Dr. Kunze das gesamte Fabrikpersonal zu einem gemütlichen Beisammensein im "Bürgergarten" eingeladen.
9. April
Der Herr Unterrichtsminister hat am 2. April unsere nunmehr ausgebaute Oberrealschule als Vollanstalt anerkannt und genehmigt, daß den Prüflingen, welche sich jüngst der Reifeprüfung unterzogen haben, das Reifezeugnis ausgestellt wird.
13. April
In diesen Tagen ist an unser Kirche auf der Südseite ein buntfarbiges Glasfenster eingesetzt worden. Ein Geschenk des im vorigen Jahre verstorbenen Fräulein Gutheil.
18. April
Heute begeht die Zigarrenarbeiterin Frau Berta Lange, Querstraße wohnhaft, ihr 40jähriges Arbeitsjubiläum. Es wurden ihr manigfache Ehrungen zuteil.
25. April
In diesen Tagen ist die provisorisch errichtete Schalt- und Transformatorenanlage vor der Stadt aufgehoben und die definitive Anlage in der Zentrale in Betrieb gesetzt worden. Es tritt dadurch eine kürzere Unterbrechung in der Stromlieferung durch das Elektrizitätswerk ein.
27. April
Stadtrat Schulze, der nun auch schon nahezu 50 Jahre als Branddirektor sich für unseres engeres und weiteres Vaterland verdient gemacht hat, hat seines vorgeschrittenes Alters und seiner Gesundheit wegen mit Ablauf seiner Wahlzeit seine städtischen Ämter niedergelegt. In der heute stattgefundenen Magistratssitzung verabschiedete sich Stadtrat Schulze von den Magistratsmitgliedern und Erster Bürgermeister Rampoldt widmete ihm bei dieser Gelegenheit warme Worte der Anerkennung und des Dankes für die der Stadt geleisteten langjährigen treuen Dienste.
30. April
Am gestrigen Tage waren 25 Jahre seit dem Tod Schulze – Delitzsch's verflossen. Die Genossenschaftsblätter widmen dem großen Verstorbenen eine "Erinnerung" an diesem Gedenktage. Das Denkmal desselben auf dem Marienplatze wurde am Todestag durch den hiesigen Vorschußvereins-Vorstand im Auftrage des deutschen Genossenschaftsverbandes mit einem prächtigen Kranz geschmückt.
27. Mai
Die Errichtung einer Kolonie von zunächst etwa 70 Wohnhäusern für Eisenbahn-Werkstättenarbeiter ist jetzt gesichert. Das als Bauterrain in Aussicht genommene Feld in Größe von etwa 32 Morgen, gegenüber dem städtischen Wasserwerk an der Bitterfelder Straße, wird vom Hospital zum mäßigen Preis von 90 Pfg. für den Quadratmeter abgegeben werden. Das Land für jedes Haus soll so reichlich bemessen werden, daß jede Familie ihr Gärtchen und womöglich noch ein Stückchen Feld zum Anbau von Gemüse erhält.
29. Mai
Die Stadtverordneten Versammlung beschließt Anlegung eines Bürgersteiges auf der Westseite der Leipziger Straße, in der Mauergasse und in der Bitterfelder Straße.
30. Mai
Vom 2. Juni ab wird ein Straßen-Omnibus hierselbst in Betrieb gesetzt werden, der eine regelmäßige Verbindung vom Halleschen Tor und Roßplatz mit den fahrplanmäßigen Zügen herstellt. Der Fahrpreis beträgt 10 Pfg. pro Person. Am Sonntag werden die Touren nach dem Bahnhofe eingestellt. Dafür wird am genannten Tage eine regelmäßige Verbindung mit dem Forsthaus Delitzsch (und möglichst auch mit der Goitzsche) von 1 Uhr ab Gasthof zum Deutschen Kaiser geschaffen. Fahrpreis nach der Spröde 25 Pfg., Kinder 15 Pfg., nach der Goitzsche: 40 Pfg., Kinder 20 Pfg.
22. Juni
Am 20. und 21. Juni feierte die hiesige Gehobene Mädchenschule ihre 50jährige Jubelfeier. Es hatten sich zu dieser Feier viele frühere Schülerinnen zum Teil aus weiter Ferne hier eingefunden. Die Stadt war reich beflaggt. Die Feier wurde am ersten Tage vormittags 10 Uhr durch einen Festakt im Saale des Hotels "Zum Schwan" eingeleitet. Der erste Teil enthielt die verschiedensten Ansprachen, eingeleitet durch gemeinsamen Gesang der 1. und 2. Strophe des Liedes: "Lobe den Herren" mit Begleitung der Stadtkapelle. Nach einem Prolog von 2 Schülerinnen sprachen dann Dr. Berg, Rektor Eichler mit Festansprache, Superintendent Schäfer, I. Bürgermeister Rampoldt, Direktor Dr. Wahle als Leiter der Oberrealschule, Seminarlehrer Witt für Seminar- und Präparandenanstalt, Rektor Wiener für die Knabenschule und Lehrer Reime für die Mädchenschule. Den 2. Teil bildete die Aufführung eines patriotischen Festspieles. In gehobener Stimmung verließ ein jeder den Festsaal. Am 2. Tage den 21. Juni einem Sonntage fand um ½ 10 Uhr Besuch des Gottesdienstes statt. Im Anschluß hieran war Zusammentreffen in der Gehobenen Mädchenschule. Nachmittags 2 Uhr nahmen die Teilnehmer an einem gemeinsamen Essen im Schwan teil, und von abends 7 Uhr ab war ein geselliges Beisammensein der ehemaligen Schülerinnen.
5. Juli
Am 2. und 3. Juli fand die 50jährige Jubelfeier der Oberrealschule statt. Beide Schulen, die Gehobene Mädchenschule sowie die Oberrealschule sind vor 50 Jahren zu gleicher Zeit gegründet worden und haben in den 50 Jahren manigfache Wandlungen durchgemacht. Beide sind in ihrer Entwicklung immer fortgeschritten und können beim Rückschauen stolz darauf sein. Zur 50jährigen Jubelfeier der Oberrealschule haben sich viele ehemalige Schüler der Schule eingefunden. Als Gäste waren erschienen von auswärts der Oberpräsident der Provinz Sachsen Exzelenz Hegel und Oberschulrat Kummerow aus Magdeburg. Eröffnet wurden die Festtage mit einem Kommers in "Stadt Leipzig". Die Lehrer und Schüler zogen in geschlossenem Zuge unter Vorantritt der Stadtkapelle vom Schulgebäude nach dem Festsaal. Den Reigen der Ansprachen eröffnete der 1. Bürgermeister Rampoldt, der auch der Kommersleiter war. Es sprach dann Professor Ruhlandt Begrüßungsworte an die ehemaligen Schüler. Dann hielten noch Ansprachen Kreisausschuß Obersekretär Gundermann, Rechnungsrat Richter – Berlin, Stadtverordnetenvorsteher Schimpf, Dr. Rocke – Hannover, Chemiker Vogelsang – Friedenau, Seminarlehrer Rosenthal u. w. Die Mitternachtsstunde war bei Reden und gemeinsamen Gesängen gekommen und der offizielle Teil des Kommerses geschlossen. Am zweiten Tage, Freitag den 3. Juli fand dann die Hauptfeier in der Aula der Oberrealschule vormittags 11 Uhr statt. Nachdem der Oberpräsident und der Provinzialschulrat erschienen war begann der Festaktus mit der Jubel-Ouvertüre für Klavier von K.M. von Weber. Darauf hielt Direktor Dr. Wahle die Festrede. Von den vielen folgenden Ansprachen sei nur die des Oberpräsidenten erwähnt. Die Oberrealschule erhielt reichhaltige Jubiläumsgeschenke. Der Kreistag spendet jährlich für einen bedürftigen Schüler das Schulgeld. Die städtischen Behörden schenkten 6 Büsten (Kaiser Wilhelm I, Bismarck, Moltke, Luther, Goethe und Schiller) und außerdem 2000,- Mark zu besonderen Zwecken, Stadtrat Freyberg zu den früher geschenkten 1000,- M noch 1200,- Mark, Turnlehrer Berger 1000,- M u. a. Geschenke. Abends 8 Uhr wurde von Schülern der Oberrealschule "Wallensteins Lager" aufgeführt. Ein Ball beendete das schöne Fest.
6. Juli
Die Stadtverordneten beschließen die Pflasterung der Fahrbahn in der Dübenerstraße und des westlichen Teils der Bismarckstraße sowie Umlegung der Bürgersteige in der Dübenerstraße. Die Zugangstraße zur Eisenbahnwerkstätte, Buddestraße, soll provisorisch ausgebaut werden, wie dies s. Z. dem Eisenbahnfiskus zugesichert wurde.
20. Juli
Die Eisenbahn Hauptwerkstätte wird bereits am 1. August ihren Betrieb eröffnen. Die an derselben beschäftigten Arbeiter und Beamten fahren bis auf weiteres mit einem neu eingelegten Arbeiterzug von Halle nach hier. Die Rückfahrt geschieht mit den fahrplanmäßigen Zügen.
13. August
Das zweite Gleis der Eisenbahnstrecke Halle-Eilenburg wird voraussichtlich im Oktober d. J. in Betrieb genommen werden.
14. August
Der Vorschußverein Delitzsch, E.G.m.b.H. unter Leitung von Dr. Schulze, hatte am 13. September 1907 die Umwandlung der Genossenschaft in eine solche mit beschränkter Haftung beschlossen. Die Umwandlung erfolgt am 1. Januar 1909 und führt die Genossenschaft von diesem Tage ab die Firma: "Delitzscher Vereinsbank, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht".
24. August
Der Seminar Direktor A. Bär in Eisenach ist zum Seminar Direktor in Delitzsch ernannt worden. Er wird die neue Stelle am 1. Oktober antreten.
29. August
Heute vor 100 Jahren hat einer der größten Söhne unserer Stadt, Dr. Hermann Schulze, hier das Licht der Welt erblickt. Dr. Hermann Schulze ist durch sein Tun und Wirken ein berühmter und geschätzter Sohn des Volkes geworden, auf den wir mit Recht stolz sein können. Er hat durch die Schöpfung des Genossenschaftswesens eine Tat vollbracht, deren segensreiche Folgen sich auf alle Kulturnationen erstreckten. Sein Werk ist zu einem wichtigen Bestandteil des sozialen internationalen Friedens geworden. Vor langen Wochen schon hatte sich hier ein Festausschuß gebildet, um diesen Tag würdig zu begehen. Die Gedenkfeier begann heute vormittag 11 ½ Uhr mit der Enthüllung einer von der Stadt gestifteten Gedenktafel am Geburtshaus von Schulze-Delitzsch Markt Nr. 11. Neben den Vertretern der Stadt, dem Ehren- und Festausschuß, sowie den in größerer Anzahl von auswärts eingetroffenen Gästen hatten sich zahlreiche Mitglieder der von Schulze gegründeten Vereine auf dem Markte eingefunden. Erster Bürgermeister Rampoldt hielt eine Ansprache. Am Schluß derselben fiel die Hülle der Tafel und es zeigte sich die in schwarzem Granit ausgeführte Tafel mit folgender Inschrift in eingegrabenen vergoldeten Lettern:
"Hier wurde Dr. Herm. Schulze-Delitzsch,
der Schöpfer der deutschen Genossenschaften
am 29. August 1808 geboren.
Gestiftet am 29. August 1908 von der Stadt Delitzsch."
Die Festversammlung begab sich sodann zum Schulze-Delitzsch Denkmal am Marienplatz. Nach mehreren Ansprachen wurden eine Reihe von Kränzen niedergelegt. Die größte Zahl der Festteilnehmer vereinigte dann ein Mittagessen in der Linde.
2. September
Ein interessanter Fund wurde vom Schüler Wittig im Lober an der verlängerten Loberstraße gemacht. Er fand dort ein gut erhaltenes Petschaft aus Messing mit Holzgriff, das den französischen Kaiseradler mit zwei Blitzstrahlen und der Unterschrift "Königreich Westph." eingraviert zeigt. Das amtliche Petschaft stammt also aus der Zeit des vom Bruder Napoleons, Jerome, vom 18. August 1807 bis 26. Okt. 1813 innegehabten Königreichs Westfalen. Es wurde dem Altersmuseum einverleibt.
8. September
Die Feier seines 60jährigen Fahnenjubiläums beging gestern der Turnverein Delitzsch. Die der Turnervereinigung angehörenden hiesigen Turnvereine und der Zschortauer Turnverein nahmen an dem Fest teil.
9. September
Der bekannte Romanschriftsteller Theodor Duimchen, ein Sohn unserer Stadt, hat sich Sonnabend in seiner Wohnung in Berlin, Eichhornstraße 10, erschossen. Sein Vater besaß eine Zigarrenfabrik am Markt im Schulze-Delitzsch Geburtshaus. Unglückliche Wirtschaft-, Familien- und pekuniäre Verhältnisse haben ihn zu dieser Verzweiflungstat geführt.
15. September
Gestern beging Stadtrat a. D. Schulze, der Kommandeur der hiesigen Feuerwehr seinen 70. Geburtstag. Neben den Glückwünschen der zahlreichen Bekannten und Freunde des beliebten Geburtstagskindes brachte die Feuerwehr ihrem Führer einen Fackelzug. Im Anschluß versammelten sich die Teilnehmer zu einem Kommers im "Bürgergarten".
24. September
Regierungs-Hauptkassenbuchhalter Kölsch aus Magdeburg ist zum Rentmeister ernannt und übernimmt vom 1. Oktober ab die Verwaltung der hiesigen Kreiskasse.
1. Oktober
Heute am 1. Oktober begeht der Bahnhofswirt W. Steindel sein 50jähriges Jubiläum als Bahnhofswirt, das besonders merkwürdig dadurch ist, daß er das Jubiläum gleichzeitig als Inhaber einer und derselben Bahnhofswirtschaft auf dem hiesigen Sorauer Bahnhof feiern kann. Gleichzeitig begeht heute die Zigarrenfabrik von Starckloff und Rathmann (Inhaber Paul Starckloff) ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum.
8. Oktober
Die Einwohnerzahl unserer Stadt, die lange Jahre fast die gleiche geblieben war, nimmt jetzt rasch zu. Am 1. Oktober wurde das zwölfte Tausend Einwohner überschritten.
10. Oktober
Seit dem 1. Oktober befindet sich die hiesige Eisenbahn Hauptwerkstätte in vollem Betrieb. Zu ihrer Verwaltung ist eine Königliche Eisenbahn-Werkstätten Inspektion gebildet, deren Leitung dem Eisenbahninspektor Krause übertragen ist.
23. November
Im besten Mannesalter von 41 ½ Jahren verschied am Sonnabend vor dem Totenfeste, abends ½ 9 Uhr der besonders durch sein Wirken für die Kriegervereinssache weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte und allseits beliebte Lehrer R. Wenke. Bei einem Vortrag traf ihn ein Herzschlag und er sank leblos in die Arme eines Arztes.
16. Dezember
Zum Rendanten der hiesigen Stadtsparkasse wird Rendant Uhde aus Elmshorn gewählt.
18. Dezember
In kurzer Zeit ereignete sich der zweite Fall, daß ein angesehener Bürger im besten Mannesalter unerwartet dem Tod entrissen wurde. Dr. med. Thieme starb gestern im benachbarten Zschortau, wohin er sich zu Fuß begeben hatte, um einen Krankenbesuch zu machen. Ein Herzschlag traf ihn auf der Straße.
19. Dezember
Das gestrige Konzert des Seminarchores unter Leitung seines Dirigenten, des Seminarmusiklehrers Emilius, hatte gestern abend wieder seine alte Anziehungskraft ausgeübt, sodaß der Saal des Schützenhauses bis auf den letzten Platz besetzt war, und die Darbietungen der Sänger rechtfertigten den Ruf der Seminarkonzerte in vollem Maße.
20. Dezember
Gestern früh kurz nach 6 Uhr erfolgte hier ein Erdstoß, der mit langanhaltendem donnerähnlichen Rollen verbunden war und an Stärke die früher beobachteten Stöße übertraf. Die Fenster klirrten in den Häusern, und viele Bewohner wurden aus dem Schlaf geweckt. Der Erdstoß wurde, nach den bis jetzt vorliegenden Meldungen, ebenfalls um 6 Uhr in Leipzig, Altenburg und Zeitz bemerkt.
1909
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am Anfang des Jahres 12214.
23 Januar
Dr. med. Kranz hat das Grundstück des verstorbenen Arztes Dr. Thieme in der Marienstraße für 53000 Mark käuflich erworben.
26. Januar
Musikdirektor Ille hat seine Musikschule an Herrn Preuß den bisherigen ersten Gehilfen des Stadtmusikdirektors Böttcher verkauft, der die Leitung schon in den nächsten Tagen übernehmen wird. Herr Ille wird seinen Wohnsitz in Leipzig nehmen.
27. Januar
Mit dem Bau von Familienhäusern für die Arbeiter der Eisenbahn Hauptwerkstätte wird im Frühjahr begonnen werden. Zunächst sind vier Zwölf-Familienhäuser in Aussicht genommen, zu denen die Erd- und Maurerarbeiten (einschließlich Eisen- und Kunststeinlieferung), Zimmerarbeiten, Klempner- sowie Dachdeckerarbeiten jetzt ausgeschrieben werden.
22. März
Der Gasthof "Stadt Leipzig" wurde vom bisherigen Besitzer Rentier Jakob an den früheren Bahnhofswirt in Brehna, Herrn Zschirg, für 82000 Mark verkauft. Die Übernahme der Wirtschaft erfolgt Anfang Mai.
3. April
Zum Rektor der hiesigen Mädchenvolksschule wurde vom Magistrat der Mittelschullehrer Burchhardt, bisher an der Franke'schen Stiftung in Halle, gewählt.
Gestern vormittag erfolgte seine feierliche Einführung durch Superintendent Schäfer im Beisein des 1. Bürgermeisters Rampoldt als Vertreter des Magistrats und in Anwesenheit des Seminardirektors Bär, der Rektoren und Lehrer der städtischen Schulen und der oberen Klassen der Mädchenvolksschule. Ferner wurde in sein Amt an der Mädchenvolksschule Lehrer Trebs an Stelle des verstorbenen Lehrers Wenke eingeführt.
6. April
Die Bismarckstraße ist nunmehr mit Linden bepflanzt und zählt jetzt mithin zu den schönsten Straßen unserer Stadt – vorausgesetzt, daß die zwei alten Scheunen wegkommen. Die Bewohner der Bismarckstraße klagen insbesondere darüber, daß nach Benutzung der Scheunen Stroh und Heu bei trockenem Wetter vom Winde die ganze Straße entlang getrieben wird, sodaß das Straßenkehren keinen Zweck hat und man sich aufs Dorf versetzt glaubt.
15. April
Die Oberrealschule begann heute ihr neues Schuljahr mit ungefähr 250 Schülern. Einige Anmeldungen liegen noch vor. In die Sexta wurden 30 Schüler neu aufgenommen. Mit dem 1. April wurde Dr. Müller nach Ableistung seines Probejahres als Oberlehrer angestellt. Anstelle des am 1. Oktober ausscheidenden Hilfslehrers Gräser wird Oberlehrer Dr. Schmiedeberg aus Velbert in das Lehrerkollegium eintreten.
16. April
Am heutigen Tag beging der Schuhmachermeister Herm. Leisegang in der Eilenburger Straße wohnhaft, sein 50jähriges Meisterjubiläum.
28. April
In eine Lohnbewegung sind die hiesigen Maurer, Zimmerer und Bauarbeiter wieder eingetreten. Dieselben fordern statt des bisherigen Stundenlohnes von 47 Pfennigen 52 Pfennige. Die Arbeitgeber wollen nur 49 Pfennige für dieses Jahr bewilligen, weshalb die Arbeiter heute früh die Arbeit niedergelegt haben. In einer heute nachmittag stattfindenden Versammlung der Arbeitnehmer im Baugewerbe soll Beschluß gefaßt werden, ob man sich mit einem Zuschlag von 3 Pfennigen für dieses Jahr begnügen will oder ob durch einen allgemeinen Streik die höhere Forderung erzwungen werden soll. Den Arbeitnehmern käme in diesem Falle die jetzt hier besonders rege Bautätigkeit zugute.
1. Mai
Der Bau einer längst geplanten neuen Schule wird, um die Raumnot völlig zu steuern, im Mai vor dem Halleschen Tore in der Luisenstraße begonnen und zwar diesmal unter Leitung der städtischen Hochbaudeputation. Maurermeister Nickau führt die Fundierungsarbeiten aus, Maurermeister Berger die sonstigen Maurerarbeiten. Die Zimmerarbeiten werden ausgeführt von Zimmermeister Laue, die Dachdeckerarbeiten von Dachdeckermeister Schöbel, die Klempnerarbeiten von der Firma Paul Heinrichs Witwe, die Tischlerarbeiten von den Tischlermeistern Tätzner, Brink, Schulze und Reinstein, Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Wandt und Mietzsch, die Rinnensteine liefert Firma Karl Teubner u. Co., die Granitstufen für die Treppen Steinsetzmeister Klepzig, die Holzfußböden (sog. deutschen Fußboden) Firma Otto Hetzer, Weimar, die Blitzableiteranlage Dachdeckermeister Uhlig. Die Baukosten betragen rund 110000 Mark, jedoch wird der Bau erst im nächsten Jahr beendet. Von weiteren städtischen Bauten des Jahres sind zu erwähnen: Verlängerung der Friedhofsmauer, Pflasterung in der Dübener Straße und Mauergasse, Kanalisation der Roon-, Luisen- und Maybachstraße, Bau eines Regenwasser-Notauslaufs von der Leipziger- durch die Holzstraße nach dem Stadtgraben und von der Dübener Straße über den Schützenplatz nach dem Lober. Auch werden die städtischen Anlagen bedeutend erweitert.
5. Mai
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurde beschlossen, dem zwischen dem Gemeindekirchenrat und dem Magistrat festgesetzten Vergleichs-Entwurf über das Eigentumsverhältnis des alten Friedhofes zuzustimmen. Wenn auch dieser Vergleich noch die Genehmigung verschiedener Behörden bedarf, so kann doch in nicht zu langer Zeit der in den alleinigen Besitz der Stadt übergehende alte Friedhof verschönt und dem allgemeinen Verkehr zugänglich gemacht werden. Unsere Stadt wird dann um ein schönes Stück öffentlicher Anlagen in ihrer Mitte reicher sein.
22. Mai
Der Charakter als Justizrat ist dem Rechtsanwalt Dr. Schulze verliehen.
23. Mai
Das Gasthaus "Zum Bürgergarten" ist aus der Masse der Delitzscher Bierbrauerei A.G. in den Besitz des früheren Braumeisters jetzigen Privatmann Rudolph übergegangen. Doch hat die Delitzscher Aktienbierbrauerei A.G. dieses Etablissement nach kurzer Zeit von Herrn Rudolph wieder zurückgekauft.
2. Juni
Zeppelins Nordfahrt Graf Zeppelin wollte der Reichshauptstadt zum Pfingstfest die Überraschung bereiten, die er ihr längst zugedacht hatte. Er war am ersten Feiertag auf dem Wege nach Berlin. Leider war er gezwungen von Bitterfeld aus die Rückkehr anzutreten, da der Wind ungünstig wurde und die Gas- und Benzinvorräte zur Neige gingen.
10. Juni
In der Stadtverordneten-Sitzung am 8. Juni wurde beschlossen, Bürgersteige an der Südseite der Holzstraßenbrücke anzulegen, am Stadtgraben vor dem Leipziger Tore eine Hochbordanlage zu machen und den Gehweg zu regulieren und die Pflasterung der Mauergasse von der Leipziger Straße bis zur Badergasse.
1. Juli
Das Gasthaus "Zum Reichskanzler" ist für den Preis von 27000 Mark in den Besitz des Herrn Füssel, Bierverleger der Aktienbrauerei, übergegangen. Die Übernahme wird am 1. Oktober erfolgen.
8. Juli
Das Luftschiff "Parsevall III" überflog am Peter Paulstage auf der Hinfahrt in ca. 150 m Höhe, auf der Rückfahrt in ca. 300 m Höhe unsere Stadt. Das ist etwa 7mal so hoch als der Breite Turm, der bis zum Knopf 44 m misst. Die wenigsten Beobachter werden wohl richtig diese Höhe geschätzt haben, da das Luftschiff so deutlich erkennbar war. Auch über die Länge der Parsevall III machten sich die meisten Zuschauer falsche Vorstellungen. Sie beträgt 70 Meter bei 12 Meter Durchmesser.
6. August
Diakonus Jentzsch ist ohne seine Meldung und ohne Probepredigt zum Pastor der Schifferkirche in Charlottenburg gewählt worden und wird er sein nicht leichtes aber interessantes Amt dort bereits am 1. Oktober antreten.
8. August
Von weiteren städtischen Bauten des Jahres sind zu erwähnen: Verlängerung der Friedhofsmauer, Pflasterung der Dübener Straße, Kanalisation der Roon-, Luisen- und Maybachstraße, Bau eines Regenwasser-Notauslaufs von der Dübener Straße über den Schützenplatz nach dem Lober. Auch werden die städtischen Anlagen bedeutend erweitert.
29. August
Zeppelins Fahrt nach Berlin Die stolzen Hoffnungen, mit denen man die Fahrt von "Z III" von Friedrichshafen nach Bitterfeld und Berlin begleitet hat, sind erfüllt worden. Der langersehnte Wunsch unserer Einwohner "Z3" sehen zu können, erfüllte sich gestern morgen 6 Uhr. Der "Z3" kam von Leipzig her und fuhr in geringer Höhe direkt über unsere Stadt in der Richtung auf Bitterfeld zu. Als die baldige Ankunft des "Z3" unsern Einwohnern gemeldet wurde, konnte man allen, die sich entweder auf den Straßen oder Häusern postiert hatten, ansehen, welche Unruhe sich ihnen bemächtigte, um nur erst das lang Erwartete zu sehen. Es war ein großartiger Anblick, wie der majestätische Koloß sein Recht in den Lüften behauptete und seinem Führer auf jede Steuerung hin gehorchte. Wünschen wir ihm noch gute Fahrt bis zu seinem Ziele, damit der greise Erfinder seine Meldung bei seinem kaiserlichen Herrn mehr machen kann.
2. September
"Zeppelin III" hat auf der Rückfahrt nach Friedrichshafen heute früh 2.45 unsere Stadt in der Richtung nach Leipzig noch einmal überflogen. Trotz der Nacht haben das Luftschiff in der mondhellen Nacht, durch das gewaltige Geräusch aufmerksam gemacht, wieder eine ganze Anzahl Bewohner unserer Stadt gesehen. Zur Erinnerung an die zweimalige Überfliegung unserer Stadt durch "Z III", um die uns so viele Städte im Reiche beneiden und zur Ehrung des beliebtesten deutschen Mannes, hat der Magistrat beschlossen, die neue Straße A (eine Parallelstraße zur Bitterfelder Straße auf dem Gelände des Eisenbahn-Vereins) "Zeppelinstraße" zu benennen.
15. September
Durch ein von dem in diesem Jahre verstorbenen Fräulein Gutheil hinterlassenes Vermächtnis von 30000 Mark wird der schon länger geplante Bau eines Siechenhauses ermöglicht. Die städtischen Körperschaften stellen dazu 76,32 ar Bauland vor dem Halleschen Tor (hinter dem Hospitalgarten) kostenfrei zur Verfügung.
16. September
Der hiesige Magistrat hat dem Grafen Zeppelin Mitteilung von der Benennung einer Straße nach ihm gemacht, worauf folgendes Dankschreiben eingelaufen ist: Friedrichshafen, 9. September 1909 An den hohen Magistrat der Stadt Delitzsch. Durch die mir mit Schreiben J. Nr. 1410 mitgeteilte Absicht des hohen Magistrats, zur Erinnerung an den Flug des Z III über Delitzsch, sowie aus Anlaß meiner persönlichen Durchfahrt durch Ihre Stadt einer neuen in der Richtung auf Leipzig-Bitterfeld verlaufenden Straße meinen Namen beizulegen, fühle ich mich außerordentlich geehrt, und ich bitte meinen wärmsten und ergebensten Dank für diese hohe Auszeichnung entgegen nehmen zu wollen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
gez. G. von Zeppelin
22. September
An Stelle des am 1. Oktober als Schiffer Pastor nach Charlottenburg gehenden Diakonus Jentzsch wurde Pastor Ruhmer aus Marinsroda bei Illmenau, ein geborener Delitzscher, auf Grund seiner am 5. September gehaltenen Gastpredigt vom Magistrat zum Diakonus gewählt.
25. September
Die auf dem Gelände des Eisenbahn-Bauvereins belegenen Straßen Kl., C und D haben die Bezeichnungen "Seydelstraße", "Maybachstraße" und "Breitenbachstraße" nach den früheren Eisenbahnministern gleichen Namens erhalten. Die neue Straße N. (Parallelstraße zur Bismarckstraße) führt jetzt die Bezeichnung "Roonstraße".
2. Oktober
Gestern am 1. Oktober feierte das hiesige Lehrerseminar den 25jährigen Gedenktag der Einweihung des Seminargebäudes. Zu einer Feier vereinigten sich gestern abend im Schützenhause Seminar, Präparande und etwa 100 frühere Schüler. Eingeleitet wurde die Feier durch das Trio Nr. 6 von Haydn, von Seminaristen vortrefflich vorgetragen. Dann hielt Seminardirektor Bär die Festrede. Dann sprachen noch Seminarlehrer Schroeter und Seminaroberlehrer Rosenthal. Im Namen der ehemaligen Schüler dankte Lehrer Petzold für die Einladung und wünschte dem Seminar ferneres Gedeihen. Zwischen den einzelnen Rednern erfreute der Seminarchor die Zuhörer unter Leitung von Seminarmusiklehrer Emilius durch musikalische Gesangsvorträge und erntete reichen Beifall.
5. Oktober
Die Einwohnerzahl unserer Stadt hat sich im Laufe des Jahres bedeutend vermehrt. Am Anfang des Jahres betrug die Einwohnerzahl 12204, am 30. September d. J. 12850. Das ist eine Zunahme von fast 650 Personen in drei Vierteljahren.
11. Oktober
Gestern fand in unserer Stadt ein Familientag der Familie Securius statt, der Nachkommen des früheren Bürgermeisters Securius, nach dem die Securiusstraße am Stadtpark ihren Namen führt. Securius war im Anfang des vorigen Jahrhunderts mehrere Jahre hier als Bürgermeister und verstand durch weise Sparsamkeit die der Stadt erwachsenen Kriegsschulden zu mildern. Auch wurde unter seiner Amtsführung die städtische Sparkasse, als eine der ersten in der Provinz, gegründet. Leider war Oberbürgermeister Securius, Cüstrin, der vor einigen Jahren hier Beigeordneter war, in der letzten Minute am Erscheinen verhindert.
6. November
Die Einwohnerzahl unserer Stadt ist weiter im Steigen begriffen. Sie betrug, wie bereits registriert, am 30. September 12850. Bis Ende Oktober ist eine weitere Zunahme zu verzeichnen. Die Einwohnerzahl beträgt am 31. Oktober 13310.
10. November
Heute vor 150 Jahren am 10. November 1759 wurde Friedrich von Schiller, der Sänger des wahrhaft Schönen und Edlen in dem württembergischen Städtchen Marbach geboren. Heute gedenkt des großen Toten mit uns jeder Deutsche, denn welchem Deutschen ginge beim Klange seines Namens nicht das Herz auf. Der 150. Geburtstag Friedrich von Schillers wurde in den städtischen Schulen durch die Klassenfeiern begangen, wobei die Lehrer der Bedeutung des Tages gedachten und in kurzen Ansprachen den Lebensgang Friedrich von Schillers schilderten. Eine besonders würdige Schillerfeier beging das Lehrerseminar im Schützenhause, zu der zahlreiche Einladungen ergangen waren. Die stimmungsvolle Feier bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil umfaßte musikalisch-deklamatorische Darbietungen, der zweite die Aufführung von "Wallensteins Lager". Der Winter war im Januar und Februar sehr streng. Plötzliches Tauwetter im Februar, verbunden mit heftigen Regengüssen verursachte große Überschwemmungen. Im März kam dann nochmals starker Schneefall, wodurch der erste Satz Hafer vernichtet wurde. Das Wetter im Laufe der übrigen Zeit des Jahres war für die Getreideernte und Honigernte sehr günstig.
1910
Zum Nachfolger des nach Charlottenburg verzogenen Steuerinspektors Loebell ist Kataster Kontrolleur Buck aus Katscher Bz. Oppeln ans hiesige Katasteramt versetzt worden.
10 Januar
Gestern fand im Hauptgottesdienst die Einführung des neugewählten Diakonus Pastor Ruhmer statt. Gleichzeitig hielt der Genannte seine Antrittspredigt. Die Einwohnerzahl betrug am 1. Januar 13408.
25. Januar
Amtsgerichtsrat Dr. Albanus verkaufte sein in der Gartenstraße belegenes Grundstück an Rittergutspächter Pfaff in Zschepen.
3. Februar
Im Januar hat die Einwohnerzahl unserer Stadt um mehr als 100 Personen zugenommen. Sie betrug am 31. Januar 13514.
11. März
Zur 100jährigen Wiederkehr des Todestages der Königin Luise veranstalteten die hiesigen Vereine gestern abend im Saale des "Schützenhauses" eine gemeinsame Gedächtnisfeier. Aus besonderen Gründen wurde die Feier nicht am eigentlichen Todestag, den 19. Juli, sondern schon am Geburtstag der Königin, 10. März, veranstaltet. Die Leitung lag in den Händen des Oberrealschullehrers Reinboth. Zum guten Gelingen der wahrhaft erhebenden Feier trugen nicht zum kleinsten Teile die herrlichen Gesänge der unter Leitung des Lehrers Müller vereinigten Gesangvereine Harmonie, Abendstern und Arion bei, die den Festvortrag umrahmten. Diesen hielt Lehrer Heinrich Lobenstein. Der zweite Teil des Programms brachte in der Hauptsache neben Konzertstücken zwei Lieder der Männerchöre und 47 meist recht gute Lichtbilder, zu denen Oberrealschullehrer Reinboth die Erklärungen gab und den verbindenden Text sprach. An verschiedenen Stellen waren passende und wohlgelungene Deklamationen von Schülerinnen und Gesängen des Schülerinnenchors der Bürgerschule unter Leitung des Lehrers Reime eingelegt, die die Zuhörer zu lautloser Stille fesselten. Erst nach 11 Uhr war die würdige Feier beendet, die wohl bei allen Teilnehmern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben wird.
12. März
Die Eisenbahndirektion Halle gibt vom 1. Mai ab eine Fahrplanveränderung auf der Strecke Leipzig-Delitzsch-Bitterfeld-Berlin bekannt. Darnach tritt für Delitzsch eine bedeutende Verschlechterung der Verbindung nach Berlin aber besonders nach Leipzig ein. Der Magistrat hat gegen diese Veränderung in Halle Protest beschlossen und die Bevölkerung nimmt durch Eintragung in Listen, die in allen öffentlichen Kassen und Bankgeschäften ausliegen durch Massenprotest an diesem Vorhaben teil. Seminarlehrer Witt hierselbst, der fast 17 Jahre an hiesiger Lehrerbildungsanstalt wirkt, ist auf seinen eigenen Wunsch zum 1. April d. J. an das neugegründete Seminar nach Eilenburg versetzt worden.
17. März
Auf den Protest der Stadt Delitzsch, wegen der geplanten schlechten Zugverbindung nach Berlin und Delitzsch (Leipzig d.A.), ist von der Eisenbahndirektion Antwort eingegangen. Darnach soll der Stadt weitgehenst entgegen gekommen werden.
18. März
Bei der am 15. März in Bitterfeld erfolgten Einweihung der neuen Stadtkirche sind auch einige Delitzscher aktiv beteiligt gewesen. Die Bauleitung lag in den Händen des hiesigen Kreisbauinspektors Gensel, der erste ausgeführte Bauentwurf zur Kirche wurde durch den leitenden Lokalbaubeamten Baurat Engehardt von hier aufgestellt und bei der Einweihung wurde die prächtige Orgel von Seminarmusiklehrer Emilius gespielt.
23. März
In Bitterfeld besteht schon seit längerer Zeit ein Verein für Luftschiffahrt "Bitterfeld und Umgegend", dem auch viele Mitglieder aus Delitzsch angehören. Infolge des weiteren Wachsen der Mitglieder von hier ist hierorts eine eigene Ortsgruppe gegründet worden, die aber dem Verein in Bitterfeld angegliedert bleibt. Infolge der Bemühungen der hiesigen Vereinsmitglieder und des einsichtsvollen Entgegenkommens des Vorstandes in Bitterfeld ist mit der überwältigenden Mehrheit von 55 gegen 22 Stimmen beschlossen, dem neuen jetzt ziemlich fertig hergestellten Ballon den Namen "Delitzsch" zu geben.
5. April
Heute vormittag erfolgte die Einweihung der neuen Schule in der Halleschen Vorstadt in feierlicher Weise. Der Magistrat, die Stadtverordneten, das Lehrerkollegium der Volksschulen, die am Bau beteiligten Handwerker und die Schüler hatten sich zur Feier eingefunden, die mit dem Choralgesang "Befiehl du deine Wege" eröffnet wurde. Ein Vertreter der Staatsregierung hatte nicht erscheinen können. Erster Bürgermeister Rampoldt ergriff zunächst das Wort und bezeichnete die neue Schule als ein Denkmal opferwilligen Bürgersinns und gesunder Fortentwicklung unserer Stadt. Am Schluß seiner Rede übergab der Bürgermeister den Schlüssel zur Schule dem Vertreter der Staatsregierung Kreisschulinspektor Superintendent Schäfer. Dieser empfiehlt das Schulhaus im Gebete Gott und übergibt in diesem Geiste den Schlüssel an Rektor Wiener. Den Schlüssel erhält der Vertreter des Rektors Hauptlehrer Pannier, seine beiden Kollegen sind die am 1. April in den städtischen Schuldienst getretenen Meergarten und Miller. Stadtbaumeister Kessel dankte für die ihn vom Magistrat gezollte Anerkennung und mit dem Choralgesang "Sing, bet und geh auf Gottes Wegen" fand die eindrucksvolle Feier ihr Ende. Die Teilnehmer nahmen nun die Räumlichkeiten eingehend in Augenschein und waren sie von dem Gesehenen hochbefriedigt.
6. April
Am Sonntag unternahm der Ballon "Delitzsch" von Bitterfeld aus seine erste Probefahrt mit 5 Personen und 32 Sack Ballast. Die Fahrt gelang vortrefflich. Die Landung erfolgte glatt bei Lübeck. Die Taufe des Ballons "Delitzsch" soll am 24. April in Delitzsch stattfinden.
24. April
Kurz vor seiner Taufe machte der Ballon "Delitzsch" seine Todesfahrt. In der Nähe von Eisenach kam er bei seiner Nachtfahrt in ein Gewitter. Ein Blitzstrahl traf ihn und entzündete ihn. Die 4 Insassen fanden dabei den Tod.
2. Mai
Das Speditionsgeschäft der Firma Köpp und Theer ist durch Kauf in den Besitz des Herrn Köhler aus Köthen übergegangen. Die Übernahme erfolgt am 1. Juli.
4. Mai
Fortbildungsschullehrer Wittig, der zum 1. Oktober nach Fürstenwalde berufen ist, verkaufte sein Haus, Hallesche Straße 33, für den Preis von 30000 Mark an Klempnermeister Geißler.
7. Mai
Auf der gestrigen Hauptversammlung des Vereins für Luftschiffahrt von Bitterfeld und Umgegend berichtete Ing. Fr. Bauer aus Delitzsch auch über das Unglück des Ballons "Delitzsch". Der verunglückte Ballon ist stark zerstört, doch ist besonders von der Hülle noch der größte Teil vorhanden und wieder zu verwenden. Die Versammlung beschließt, einen neuen Ballon herrichten zu lassen. Die Firma A. Niedinger will ihn in drei Wochen hergestellt haben. Der neue Ballon soll wieder den Namen "Delitzsch" erhalten. Die so unerwartet aufgeschobene Tauffeier würde dann hier, wenn auch später, doch noch stattfinden können.
18. Mai
Sechs Herren der schwedischen Gesandtschaft aus Berlin, Gesandter von Trolle, Legationsrat von Essen, Konsularrat Anden, Attachè Freiherr von Bonde, Hauptmann von Schenfeld und Schriftsteller Blomquist besuchten gestern in Begleitung des Berliner Oberpfarrers Bitthorn, früher in Brinnis, unsere Stadt, um die Schwedensignale vom Breiten Turm herab blasen zu hören. Sie wurden von den Bürgermeistern, Stadtrat Freyberg und Stadtverordneten-Vorsteher Dr. Schulze am Bahnhofe empfangen und in 5 Wagen nach der Breiten Straße geleitet, wo die übrigen Magistratsmitglieder und Stadtverordneten Aufstellung genommen hat. Nach gegenseitiger Vorstellung wurden die Signale zwei Mal vom Breiten Turm geblasen und machten diese auf die Gäste anscheinend eine imposante Wirkung. Es erfolgte dann eine Rundfahrt durch die festlich geschmückten Straßen und Promenaden, worauf sich ein Frühstück im Rathaus anschloß. Die Gäste fuhren dann statt um 2 Uhr, erst um 3 Uhr nach Berlin zurück.
23. Mai
Der schwedische Gesandte von Trolle aus Berlin hat unterm 19. Mai an den Ersten Bürgermeister Rampoldt ein Danktelegramm gerichtet, worin er in tiefempfundenen Worten seinen Dank für die in Delitzsch verbrachten schönen Stunden ausspricht.
24. Mai
Seminar-Musiklehrer Emilius ist vom 1. Juni an das Seminar zu Erfurt berufen worden. An seine Stelle wird Seminar Musiklehrer Klenke aus Rawitsch (Posen) vom gleichen Tage ab treten.
13. Juni
Gestern vormittag fand programmmäßig die s. Z. unerwartet verschobene Taufe des zweiten Ballons "Delitzsch" des Bitterfelder Vereins für Luftschiffahrt in einfachster Form hier statt. Auf dem Grundstück der Gasanstalt, das sich sehr gut dazu eignete, wurde gegen ½ 7 Uhr mit dem Füllen begonnen. Um 8 Uhr war der Ballon startbereit. Nachdem die Teilnehmer an der Fahrt Ingenieur Fritz Bauer, Kaufmann Rudolf Krone von hier und Arno Knauer – Leipzig als Führeraspirant in der geräumigen Gondel Platz genommen hatten, vollzog der zweite Bürgermeister unserer Stadt, Lange, die Taufe. Er schloß mit den Worten: "Du wirst den Namen dieser Stadt, einen Städtenamen altehrwürdig und von gutem Klang, hintragen in die Lande. Mögen dir viele und erfolgreiche Fahrten beschieden sein."
18. Juni
Bei der gestrigen Stadtverordneten-Ersatzwahl wurde Lehrer Louis Richter mit sämtlichen abgegebenen 49 Stimmen gewählt. Der Ballon "Delitzsch" wird sich unter Führung von Fr. Bauer - Delitzsch am kommenden Sonntag in Leipzig an der vom Sportplatz ausgehenden Ballon-Fuchsjagd beteiligen.
20. Juni
Professor Richard Hofmann in Leipzig, ein Delitzscher Kind, Sohn des früheren Delitzscher Stadtmusikdirektors hat eine besondere Ehrung erfahren. Er wurde vom Preisgericht der internationalen Weltausstellung in Brüssel aufgefordert, das Amt eines Preisrichters über die Musikinstrumenten-Industrie der deutsche Abteilung zu übernehmen.
28. Juni
Letzten Sonntag feierte der Gesangverein "Arion" sein 25jähriges Stiftungsfest und hatte sich hierzu manch muntere Sängerschar von nah und fern eingefunden. Eingeleitet wurde die Stiftungsfeier durch einen großen Kommers im "Stadt Leipzig" am Sonnabend abend. In den Morgenstunden des Sonntag wurden die hiesigen und die vielen auswärtigen Gesangvereine empfangen. Nachmittag 2 Uhr ordnete sich der Festzug und hielt seinen Umzug durch die Stadt nach dem geräumigen Garten des "Stadt Leipzig" zurück. Hier entwickelte sich bei schönstem Wetter den ganzen Nachmittag über ein buntes Leben. Nach Beendigung des eigentlichen Festaktes folgten die Gesangsvorträge der einzelnen Vereine in der auf dem Festprogramm angegebenen Reihenfolge. Abends 8 Uhr fand Gartenkonzert und Feuerwerk statt. Daß dann aber auch das Tanzbein recht flott geschwungen wurde, brauch wohl nicht erst erwähnt zu werden.
1. Juli
Der Magistrat hat den Bau einer neuen Leichenhalle beschlossen, die nach dem vom Stadtbaumeister ausgearbeiteten Projekt 8900 Mark kosten würde. Die aus dem Wedel'schen Legat genommen werden. Sie soll im Anschluss an die Friedhofskapelle an deren südliche Seite erbaut werden. Das Gebäude muß umpflanzt werden, um die Temperatur möglichst niedrig zu halten; es wird daher nicht viel von ihm zu sehen sein. Die Halle soll etwas Dauerndes werden und dürfe man deshalb die Ausführung nicht überstürzen. Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Juli 14029 Personen.
15. Juli
Der diesjährige Sommer ist bisher reich an schweren Gewittern. Gestern Nachmittag gingen über unsere Stadt hintereinander mehrere schwere Gewitter, das erste war gegen ½ 4, das zweite kurz nach 6 Uhr. Beide können hinsichtlich ihrer Dauer und Schwere zu den stärksten, die in den letzten Jahren über unsere Stadt gekommen sind, gezählt werden. Krachend folgte Blitz auf Blitz und die gewaltigen Regenmassen hatten wolkenbruchartigen Charakter. Blitzschläge folgten in die Fabrikesse der Große'schen Häckselschneiderei in der Berliner Straße, in das Wohnhaus des Maurers Hermann Petzold in der Dübener Straße, in die elektrische Leitung des Dampfsägewerkes F. W. Beyer u. a. m.
28. Juli
Das Ringtheater bringt wieder ein vollständig neues gut ausgewähltes Programm zur Vorführung. Die Bilder, die auf einer Silberwand gezeigt werden, erzielen dadurch die höchste Klarheit und Plastik und sind auch vollständig frei von Flimmern und Unschärfe.
4. August
Einen Federschlagbolzen zur Tötung von Schlachttieren (insonderheit Schweinen und Pferden) hat Lehrer Heinrich Lobenstein konstruiert. Die Erfindung ist unter Nr. 430678 in die Musterschutzrolle eingetragen. Die Apparate sind von nächster Woche ab in hiesigen Eisenhandlungen ausgestellt.
8. August
Heute wurde in unserer Stadt von 12 Bürgern (Kaufleuten und Gastwirten) eine Genossenschaft gegründet, welche den Zweck hat, den Betrieb einer Genossenschaftsbrauerei in Delitzsch zu errichten.
17. August
Die Wirtschaft im hiesigen Sorauer Bahnhof ist vom 1. Oktober an Büfettier Nikolaus Weiß aus Halle verpachtet worden.
19. August
Im Grundstück der früher Baumgarten'schen Gärtnerei stieß man beim Graben dicht an der Grenze vom Nachbargrundstück auf Widerstand und fand beim Nachsehen 25 tönerne Gefäße in Größe eines mittleren Blumentopfes. 12 Stück konnten unbeschädigt geborgen werden. Sie sind ziemlich roh gefertigt und haben eine viereckige Öffnung mit umgebogenen Rand. Die Gefäße waren mit Ton gefüllt und mit der Öffnung nach unten auf eine große Steinplatte gelegt. An derselben Stelle wurden auch eine große Messingmünze mit dem hochgeprägten Brustbild des Hunnenkönigs Attila und zwei kleine Silbermünzen gefunden. Die schwedischen Reitersignale der Stadt Delitzsch, welche in der letzten Zeit viel Interesse erregten, hat sich jetzt die Industrie zu Nutze gemacht. Denn in diesen Tagen hat eine Grammophonplattenfabrik Platten hergestellt, welche das seit 276 Jahren vom breiten Turm geblasene Schwedensignal wiedergeben. Die Platte ist in den nächsten Tagen bei E. Kreutzer im Löwenbräu zu hören und auch käuflich zu erwerben. Jedenfalls werden unsere historischen Signale dadurch weltberühmt. Die Schwedischen Reitersignale sind von dem Armee-Musikächpizienten Grawert in Berlin zur Komposition eines Reitersignalmarsches verwendet worden. Dieser Marsch ist in diesen Tagen gelegentlich des Zapfenstreiches vor dem Kgl. Schlosse in Königsberg dem Kaiser, der Kaiserin und den Kgl. Prinzen von sämtlichen Musikkapellen des 1. Armeekorps vorgespielt worden und soll der Eindruck ein gewaltiger gewesen sein.
25. August
Der hiesige Männer- und Jünglingsverein feierte Sonntag sein 20. Stiftungsfest. Es findet ein Festgottesdienst in unserer Kirche statt. Am Nachmittag ist eine Festsitzung in der Herberge zur Heimat, am Abend ein Familienabend in der "Stadt Leipzig" vorgesehen. Der Seminarchor und der Gesangverein "Arion" haben ihre Mitwirkung zugesagt.
30. August
Auf Einladung hatten sich gestern im Schwan eine Anzahl Herren verschiedener Berufsstände, und zwar nur Väter von Schülerinnen der Gehobenen Mädchenschule, eingefunden, um sich einmal Klarheit über die Frage des Ausbaus dieser Schule zu verschaffen. Der Leiter dieser Schule, Rektor Eichler, hielt ein Referat darüber. Einberufer der Versammlung war Professor Werfel. Er wollte zunächst nur die Frage geklärt wissen, ob es möglich wäre, wie in den Nachbarstädten, auch in Delitzsch die gehobene Mädchenschule in eine höhere Mädchenschule zu verwandeln. Die Aussprache ergab, daß dieser Wunsch allgemein vorhanden war und daß dies mit geringen Mehrkosten geschehen kann.
31. August
Zum Stadtverordneten-Vorsteher wurde in der gestrigen Sitzung der Stadtverordnete für Justizrat Dr. Schulze, der sein Vorsteheramt niedergelegt hatte, der bisherige Stellvertreter Fabrikant M. Schimpf sen. gewählt.
3. September
Die Sedanfeier gestaltete sich in diesem Jahre, in dem die vierzigste Wiederkehr des denkwürdigen Tages des deutsch französischen Krieges begangen wurde in Schulen wie Vereinen zu einer besonders würdigen.
8. September
Erster Bürgermeister Rampoldt ist in gleicher Eigenschaft auf fernere zwölf Jahre gewählt und von der Regierung bestätigt worden.
12. September
Am Sonntag feierte die "Freiwillige Feuerwehr Delitzsch" ihr 50jähriges Jubiläum. Schon am frühen Morgen erschienen die auswärtigen Gäste. Um 10 Uhr fand ein gemeinsamer Kirchgang statt. Nach dem Gottesdienst begab sich die Wehr nach dem Hauptdepot in der Ritterstraße. Hier fand eine Löschübung statt, wobei die neue 20 m lange Leiter verwendet wurde. Die Übung wurde exakt durchgeführt. Um 1 Uhr fand Festtafel im "Schwan" statt, an der annähernd 200 Personen teilnahmen, sodaß der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war. Jeder Teilnehmer erhielt eine Festschrift, die die Entwicklung der Feuerwehr schilderte und alles Wissenswerte über sie enthielt. Sie war von Brandmeister F. W. Schultze verfaßt. Er erwähnte in seiner Rede, daß heute der erste Fall sei, daß eine Freiw. Feuerwehr in der Prov. Sachsen ihr 50jähriges Jubiläum feiere. Es sprachen dann noch Generalinspektor Herbers, der Abgesandte der Städte-Feuersozietät in der Provinz Sachsen, Branddirektor G. Schulze, Feuerlöschdirektor Krameyer – Merseburg, Justizrat Dr. Schulze, Stadtrat Brembach u. a. Es wurden dann die eingegangenen Glückwunsch-Telegramme wie Schreiben verlesen. Von 6 Uhr abends ab fand dann mit den Angehörigen und Gästen eine erhebende Festfeier statt. Zu erwähnen wäre noch, daß Herrn Branddirektor G. Schulze, am Sonntag morgen 8 Uhr ein Lorbeerkranz mit Atlasschleife überreicht wurde, die folgende Widmung trug: Aus Dankbarkeit gewidmet – Feuerwehr Delitzsch 1910. Ferner wurden die sieben Gräber der beiden Begründer und Führer der Feuerwehr Kaufmann August Rathmann und Buchdruckereibesitzer Bernhard Meyner, der beiden Begründer des Feuerwehr-Unterstützungsvereins Kreiswundarzt Rudloff und Rentier Wilh. Dörfel, sowie des Oberspritzenmeisters Fr. Hoffmann und der Oberfeuerwehrmänner Messerschmiedemeister Dietze und Schuhmachermeister Wilhelm Frömmig mit Kränzen geschmückt. Unter den Festteilnehmern befanden sich auch noch zwei Herren, die die Freiw. Feuerwehr mitgegründet haben: Dachdecker W. Uhlig und Schrankenwärter a. D. Große. Sie wurden an dem Tage besonders ausgezeichnet.
26. September
Ein erhebendes Schauspiel bot sich gestern nachmittag den Bewohnern von Delitzsch. 11 Luftballons darunter der Ballon "Delitzsch" überflogen von Bitterfeld her zu einem Wettflug unsere Stadt. Der Ballon "Delitzsch" landete am andern Tage nachmittag 2.47 bei Geestemünde.
27. September
Der Gewerbeverein veranstaltete gestern zu Ehren seines am 1. Oktober scheidenden langjährigen Vorsitzenden, des Fortbildungsschullehrers Wittig im "Schwan" eine Abschiedsfeier. Fischwarenhändler Karl Bültemann erwarb das Hausgrundstück Bismarckstraße 12 von dem Bauunternehmer Kuhne.
10. Oktober
Gestern weilten zwei japanische Gäste, Vorstandsmitglieder der japanischen Genossenschaften, in unserer Stadt, um sich über Zweck und Ziele der Schulze-Delitzsch Genossenschaften hier zu unterrichten.
Der hiesige Verschönerungsverein hat mit Hilfe und im Einvernehmen der Stadtverwaltung im Stadtpark die Brücke über den Lober geschaffen. Sie wurde gestern eingeweiht.
18. Oktober
Eine Schmiedefachschule ist hier eröffnet worden. An dem Unterricht nahmen auch die Lehrlinge der umliegenden Dörfer teil.
18. November
Das Bürgerhospital hat eine durchgreifende Veränderung erfahren und die Hospitalkapelle ist wieder hergestellt worden. Die Arbeiten haben sich lange hingezogen. Das erneuerte Bürgerhospital macht jetzt einen sehr günstigen Eindruck und die Hospitalkirche hat eine elektrische Beleuchtung und Heizungsanlage erhalten neben mehreren bunten Fenstern mit Glasmalereien. Die Erneuerung ist zu verdanken der Stiftung der Frau Pastor Gödicke geb. Gutheil in Halle. Am nächsten Mittwoch wird die Kapelle zum ersten Mal wieder benutzt werden.
30. November
Der Landwirt Otto Hönicke erwarb das in der Schloßgasse 23/25 liegende Grundstück der Ehefrau des Fuhrwerksbesitzers R. Giese.
10. Dezember
Bei der heute früh erfolgten öffentlichen Versteigerung des alten Gerichtsgefängnisses wurde das Höchstgebot von 2425,- Mark von Brauereibesitzer Uhlmann abgegeben, dessen Grundstück daran grenzt.
Die Bewirtschaftung des Schützenhauses übernimmt am 1. April n. J. der Gastwirt Alwin Mertgen aus Schildau.
1911
2. Januar
Schon seit Jahren ist die Eisenbahndirektion in Halle auf die Verkehrsschwierigkeiten in der Dübener- und Beerendorfer Straße durch die die Straßen durchschneidende Eisenbahn aufmerksam gemacht worden. Auf die neuerliche Eingabe des hiesigen Verkehrsvereins betreffend Über- oder Unterführung der Dübener und Beerendorfer Straße ist nun folgendes Schreiben eingegangen: "Auf das gefl. Schreiben vom 17. v. Mts. teilen wir ergebenst mit, daß wir die Frage einer Über- oder Unterführung auf dem Bahnhof Delitzsch wiederholt erwogen haben. Einer Verwirklichung dahinzielender Entwürfe kann jedoch erst dann näher getreten werden, wenn die Wegebaupflichtigen durch Übernahme angemessener Kostenanteile ihr Interesse an der Abänderung der bestehenden Anlagen zu erkennen gegeben haben. Diesbezügliche Verhandlungen haben bisher leider nicht zum Ziel geführt."
16. Februar
Das Gasthaus "Zum Weißen Roß" ist an die Aktienbierbrauerei Bitterfeld verpachtet worden. Die Bewirtschaftung übernimmt ab sofort Gastwirt Richter aus Magdeburg.
17. Februar
Auf Beschluß des Gemeindekirchenrates wird fernerhin das Läuten der Glocke auf der Marienkirche der Begräbnisse 1. und 2. Klasse nicht mehr stattfinden. Die dafür erhobenen Gebühren 1 Mark pro Begräbnis fallen gleichfalls weg. Da die Klänge dieser Glocke nicht gerade besonders zur Andacht stimmen konnten, wird wohl kaum jemand bedauern, wenn sie nun bei Begräbnissen schweigt. Voraussichtlich wird aber in absehbarer Zeit eine Renovation der Marienkirche erfolgen, um sie vor dem Verfall zur schützen.
23. Februar
Am Dienstag abend gab der hiesige Musikverein unter seinem neuen Dirigenten Seminar Musiklehrer J. Klemke ein öffentliches Konzert, das einen vollen, ja glänzenden Erfolg errang. Es wurde aber auch überaus hervorragendes Programm gezeigt. Solosänger wie Sängerchor zeigten tüchtige Leistungen und ließ fleißige Übung erkennen. Auch das Orchester, die Kapelle der 107er aus Leipzig, hielt sich recht wacker. Den Zuhörern wurde ein auserlesener Kunstgenuß geboten.
8. März
Seit einigen Tagen passieren, wie alljährlich um diese Zeit, wieder zahlreiche besondere Arbeiterzüge den Sorauer Bahnhof. Sie bringen – ein Zeichen des nahenden Frühlings – die Wanderarbeiter und Arbeiterinnen aus Schlesien, Posen, Russisch-Polen usw. in unsere Provinz und die angrenzenden Gebiete, wo diese auf den größeren Gütern als Ersatz der mangelnden heimischen Arbeitskräfte willkommen sind. Nach Beendigung der Feldarbeit kehren dann die in größeren Transporten reisenden Arbeiter in ihre Heimat zurück, um im zeitigen Frühjahr – den Zugvögeln gleich – ihre vorjährigen Arbeitsstätten wieder aufzusuchen.
10. März
Daß der Ruf unserer Stadt als Wiege des Genossenschaftswesens weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinausgedrungen ist, beweist ein neuerlicher Besuch, den gestern ein hoher japanischer Beamter der hiesigen Vereinsbank und der Schuhmacher-Rohstoff-Genossenschaft abstattete, um einen Einblick in deren Geschäftsführung zu gewinnen. Der Besucher war ein Herr Dr. J. Udo, Geheimer Regierungsrat im Landwirtschafts- und Handelsministerium zu Tokio.
14. März
Der Gesangverein "Abendstern" beging am Sonnabend den 11. und Sonntag den 12. März sein 50jähriges Jubiläum. Zu dem Kommers vom 11. März im Schützenhaus waren nicht nur die hiesigen, sondern auch eine größere Anzahl auswärtiger Gesangvereine erschienen. Die Festansprache hielt der gegenwärtige Dirigent Lehrer Müller. Er gab einen Rückblick des Gesangvereins von seiner Gründung an bis zum heutigen Tage. Den Abend verschönten Einzelchöre und Massenchöre. Bis zum frühen Morgen blieben die frohen Sänger zusammen. Am Sonntag Morgen wurden Kränze niedergelegt am Grabe des verstorbenen Ehrenmitglieds Seminar Musiklehrer Kuntze und des langjährigen Vorsitzenden und Gründers Zigarrenfabrikant Gröschner. Um 4 Uhr fand im Schützenhause eine Festtafel statt. Nach Aufhebung der Tafel war die eigentliche Festfeier. Den Mittelpunkt bildete die von Vereinsmitgliedern aufgeführte wohlgelungene Operette: "Guten Morgen Herr Fischer". Den Abschluß der Feier bildete ein Ball, an dem sich Alt und Jung rege beteiligten.
23. März
Die wissenschaftliche Lehrerin an der Gehobenen Mädchenschule Frl. Käthe Döhlert ist vom 1. Mai bis 1. Oktober nach Südfrankreich beurlaubt zur weiteren Ausbildung in der französischen Sprache. Ihre Vertretung wird die wissenschaftliche Lehrerin Fräulein Elly Reime übernehmen.
24. März
Die Schützengilde beschloß in ihrer gestrigen Generalversammlung den in Aussicht genommenen Erweiterungsbau des Schützenhausgrundstücks. Die Schießstände sollen umgebaut und vermehrt werden, es sind mindestens 12 Stände zu 175 m und 300 m, sowie Pistolen- und Wildstände vorgesehen. Außerdem sollen die Wirtschaftsräume den neuzeitlichen Anforderungen entsprechend umgebaut und erweitert werden, auch ist eine erhebliche Vergrößerung des Saales in Aussicht genommen.
29. März
Bierverleger Richard Dietrich hier hat sämtliche Aktien der Delitzscher Aktien-Bierbrauerei und damit zugleich die auf die genannte Gesellschaft eingetragenen Grundstücke, nämlich das in der Bitterfelder Straße gelegene Brauereigrundstück sowie die Gastwirtschaften Bürgergarten und Lindenhof käuflich erworben. Die Übernahme findet am 1. April statt.
29. April
Fünf Jahre sind vergangen, seitdem in unserer Stadt der Kindergottesdienst mit Gruppenunterweisung eingerichtet worden ist. Er feiert morgen sein fünftes Jahresfeste. Wie fast überall, so hat er sich auch bei uns gar bald eingebürgert, allsonntäglich sammeln sich 200 bis 300 Kinder im Gotteshaus. Wer vermöchte den Segen zu ermessen, der in einer echten Sonntagsfeier liegt!
5. Mai
Der Verschönerungsverein hielt gestern im Schwan seine diesjährige Generalversammlung statt. Der Vorsitzende erstattete Bericht über die Ausführung der vorjährigen Beschlüsse: Errichtung der Parkbänke, Ausbesserung der Brücke an der Naundorfer Mühle, Anschaffung von Bänken und Erneuerung des Heiligbrunnens. Für dieses Jahr ist geplant, den Lober an der Kläranlage zu überbrücken und eine Verbindung nach dem Wege zum Rosenthal zu schaffen. Außerdem soll ein Weg, parallel dem letzteren, dem Lober entlang geführt und mit Bäumen bepflanzt werden.
14. Juni
Das Restaurant "Zur Rußbutte", welches Gastwirt Mieglitz erst am 15. Oktober übernommen hatte, ging durch Kauf in den Besitz des Kaufmanns Richard Wust über. Die Übernahme erfolgt am 1. Juli.
18. Juni
In ganz Deutschland fand in den ersten Tagen des Juni ein allgemeiner Kornblumentag statt. In Delitzsch war dieser auf Sonntag den 16. Juni festgesetzt. 116 junge Mädchen hatten sich zum Verkauf der Kornblumen, natürlich künstliche, die einzeln oder in kleinen Sträußchen mit abgestempelter weißer Schleife zur Verfügung gestellt. Schon am frühen Morgen klopften wohl an jede Tür zwei Mädchen in blumengeschmücktem weißen Kleide und boten Kornblumen oder schön gemalte Postkarten zum Verkauf an. Einzelne kosteten 10 Pfennige, Sträußchen 2 Mark. Wer ein Sträußchen erwarb, wurde nicht mehr angesprochen und konnte an jeder Veranstaltung des Tages oder am Abend teilnehmen. Von 11 Uhr ab hatten die Mädchen einen bestimmten Standplatz an einer Straße und hielten jedem Vorübergehenden ihre Büchse vor. Auf den Straßen spielten Musikkapellen, sangen Gesangvereine, auf den Plätzen fanden turnerische Vorführungen der Turnvereine statt. Ein Strom von Menschen wälzte sich durch die Straßen, Kinder und Erwachsene geschmückt mit der Kornblume. Abends waren Veranstaltungen in dem Bürgergarten und der "Stadt Leipzig". Der Erlös des Tages war für das Siechenhaus bestimmt und kam den Veteranen und den Veteranen-Witwen zu gute. Nach Abzug der Unkosten war das Ergebnis der Sammelbüchsen etwa 4000 Mark, eingerechnet 1000 Mark, die Frau Pastor Gödecke – Halle für das Siechenhaus stiftete. Wahrlich ein schöner Beweis der Gebefreudigkeit unserer Stadt!
1. Juli
Zum Neubau eines Amtsgerichts mit Gerichtsgefängnis wird ein Bauplatz von ungefähr 50 Ar Größe gesucht. Infolge der Unzulänglichkeit der Räume des Schlosses, in die nach Auflösung der jetzt darin befindlichen Strafanstalt das Amtsgericht kommen sollte, hat man von dieser Verlegenheit entgültig Abstand genommen. Damit bekommen wir ein neues Amtsgericht und haben die Gewißheit, daß uns die Strafanstalt erhalten bleibt. Der erste Flieger über Delitzsch: Gestern morgen wenige Minuten nach 8 Uhr flog der Aviatiker Hirth mit großer Geschwindigkeit und in beträchtlicher Höhe östlich von unserer Stadt vorbei. Er war erst 7.49 Uhr auf dem Flugplatz bei Lindenthal aufgestiegen und landete 9.08 Uhr auf dem Flugplatz bei Berlin, wobei er den von der Firma Kathreiner ausgesetzten 50000 Mark Preis errungen hat.
16. Juli
Am 14. Juli beging der hiesige Radfahrer-Klub von 1886 sein 25jähriges Stiftungsfest auf dem hiesigen Schützenhof. Bei der Gelegenheit hielt der Vorsitzende und Gründer des Vereins, W. Schroeter – Delitzsch einen Vortrag über die Geschäfte des Vereins in sportlicher Hinsicht und zugleich einen Rückblick über die Anfänge des Radfahrens in unserer Stadt sowie Kreis Delitzsch und Bitterfeld. Die Anfänge des Radfahrens datieren in unserem Kreise zurück bis in die Jahre 1866-67. Diese erste Maschine hatte der Zimmermann Rast in Brodau sich selbst gebaut und bestand sie aus Holzrädern mit Eisengestell, kleinerem Hinter- und größerem Vorderrad, an letzterem wurde die Maschine angetreten. Der ganze Bau war sehr primitiv, das Fahren damit sehr anstrengend. Dieses Vehikel wurde später vom Vortragenden angekauft und soll später unserm Museum übergeben werden. Fast in derselben Zeit lernte auch der Vortragende das Radfahren in Halle auf einem von der landw. Maschinenfabrik F. Zimmermann daselbst hergestellten Gefährt. Von England kamen dann 1876-77 Verbesserungen in die Bauart, das Kugellager wurde konstruiert. Ein englisches Hochrad kostete 400 Mark. 1882 erwarb auch der Vortragende ein solches Rad. 2 Jahre lang bis zum Jahre 1884 blieb er der einzige Radfahrer in Delitzsch. Im Jahre 1883 nahm Schroeter selbst die Fabrikation von Hochrädern auf. Nun fand das Radfahren Anhänger, erst in Delitzsch, dann in Bitterfeld und später in Eilenburg. Am 10. Juli 1886 wurde dann im kleinen Zimmer des Hotels zum Goldenen Ring" von wenigen Herren der "Delitzscher Radfahrclub" gegründet. Um diese Zeit wurden auch die ersten Dreiräder eingeführt. Kurze Zeit darauf erschienen die ersten Niederräder und mit diesen verbreitete sich das Radfahren in ganz rapider Weise. Das Jahr 1888 brachte durch Einführung des Luftreifens dem Fahrrad bahnbrechende Vorteile. Im Jahre 1893 wurden dann die ersten Niederräder mit Motorbetrieb hergestellt, Preis 1200 Mark. Einige Jahre später erschienen dann Motor-Dreiräder aus Frankreich. Kurz danach, im Jahre 1898-99 kamen dann die Motorräder auf den Markt.
26. August
An einer alten Linde gegenüber der Badeanstalt (am kleinen Schutz) wurde eine erneuerte Gedenktafel angebracht, die den Abschiedsgruß der sächsischen Grenadiere enthält, die von 1779 bis 1810 in Delitzsch in Garnison gestanden haben. Der Gruß lautet:
"So lebt denn wohl, ihr angenehmen Fluren,
Nicht lange waret Ihr uns Wohnungen der Ruh,
Das Schicksal führt uns auf entfernte Spuren
Und deckt uns eure Reize zu,
So oft ihr grüßt wird der Verlust uns kränken,
Gleich einem Liebenden, der die Geliebte mißt,
Bei deren Schwur er hofft, daß sie sein Andenken
Bei fremden Küssen nicht vergißt.
Nachhall froh erklungener Stunden
der der Stadt Delitzsch stets eingedenk
bleibenden Grenadier-Kompagnie 1810"
2. September
Heute am Sedantage kam die erste Rate des Ertrages vom Kornblumentage in Beträgen von 30 Mark zur Verteilung. Es wurden 22 Veteranen resp. Witwen von solchen bedacht. Die andere Rate wird am Geburtstage des Kaisers verteilt werden. Die seit Tagen am hiesigen Kriegerdenkmal fertiggestellte Inschrift zum Gedächtnis der im Feldzuge 1870/71 gefallenen Bürger der Stadt wurde heute in einer Weiherede des 1. Bürgermeisters Rampoldt und in Anwesenheit der vaterländischen Vereine der Stadt und einer großen Menschenmenge der Öffentlichkeit übergeben. Die Inschrift lautet:
Es starben den Heldentod
für das Vaterland
der Seilermeister |
der Uhrmacher |
Wilhelm Schmidt |
Otto Lattermann |
Unteroff. im Kaiser Franz Garde |
Füsilier im 2. Magd. Inf. Reg. |
Grenad. Reg. Nr. 2 |
Nr. 27 |
am 18. August 1870 |
am 30. August 1870 |
in St. Privat |
bei Beaumont |
Den Gefallenen zum Gedächtnis,
den Lebenden zur Anerkennung,
den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung
10. September
Die günstige Lage unserer Stadt an der Strecke Leipzig-Berlin und die Nähe der Luftschiff-Station Bitterfeld hat uns gestern wieder den erhebenden Anblick des neuesten Zeppelin-Kreuzers "Schwaben" verschafft. Durch Extrablatt wurde gestern morgen bekannt gegeben, daß die Abfahrt 6 Uhr von Gotha erfolgt war. Kurz vor 9 Uhr wurde das Luftschiff hier gesichtet und rasch näherte sich das glänzende, leicht einherschwebende Riesenfahrzeug unserer Stadt, deren östlichen Teil es 9.05 Uhr in ziemlich geringer Höhe überflog. Man hörte deutlich das Surren der Propeller und konnte in der mittleren Kabine mit bloßem Auge männliche und weibliche Passagiere wahrnehmen.
23. September
Der Sommer des Jahres war der trockenste und heißeste seit Menschengedenken. Die Hitzeperiode begann am 17. Juli und hielt länger als vier Wochen an. Sogar die Hauptströme wie die Elbe, führten so wenig Wasser, daß man durch sie hindurchwaten konnte. Kartoffel- und Zuckerrübenernte sind infolgedessen schlecht, und es entstehen große Teuerung und großer Futtermangel. Seit vorgestern abend gab es einen sogenannten "Landregen" der zwar nicht gerade kräftig war, aber noch viel Segen schaffen kann. Wenn er auch für die Herbstfrüchte leider zu spät kommt, ist er doch für das Gedeihen der neuen Saaten von großem Nutzen. Wenigstens eine drückende Sorge ist darum wohl manchem Landwirt vom Herzen genommen worden, zumal die Hoffnung auf weitern Regen besteht.
27. September
Das ehemalige Gefängnisgrundstück "Schlossgasse 21" ist von Herrn Uhlmann gekauft worden, dessen Brauerei daran grenzt.
13. Oktober
Die I. elektrische Vollbahn in Preußen wird bei uns eingeführt. Nachdem sich die Probestrecke Dessau-Bitterfeld bewährt hat, wurden jetzt die Anschlußstrecken Bitterfeld-Leipzig, Dessau-Magdeburg für diesen Betrieb eingerichtet. Die ganze Bahnanlage wird vom Kraftwerk Muldenstein gespeist.
27. Oktober
In Delitzsch hat sich ein Ortsverein des vom Preußischen Lehrerverein abgezweigten "Neuen Preuß. Lehrervereins" gebildet. Er führt den Namen "Neuer Preuß. Lehrerverein Delitzsch".
17. November
Als Bauplatz für das Siechenhaus ist nunmehr der ausgedehnte Garten des Bürger-Hospitals am Halleschen Tore in Aussicht genommen. Gestern wurde das Grundstück von einigen Kommissarien der Regierung in Gemeinschaft mit den Vertretern des Hospital- und Siechenhaus-Vorstandes eingehend besichtigt, wobei man sich allerseits mit dem Plan einverstanden erklärte. Es ist beabsichtigt, den Wirtschaftsbetrieb für Hospital und Siechenhaus zunächst gemeinsam zu führen.
24. November
Der Gasthof "zum Preußischen Hof" wurde von Herrn Kittler an Inspektor Lübeck in Kospa verkauft. Die Übernahme erfolgt am 1. Januar 1912.
26. November
Zwischen der Kirchengemeinde und dem Magistrat ist ein Vertrag geschlossen worden, nach dem der Kirchengemeinde das Eigentum an der Marienkirche und dem Kirchplatz verbleibt, während der übrige Teil des alten Friedhofs als städtischer Besitz anerkannt wird. Bedingung ist, daß der Zugang zur Kirche nicht versperrt und bei Erweiterung derselben das nötige Land hergegeben wird. Bei Festsetzung von Reparaturen an der Kirche hat die Stadt kein Einspruchsrecht, und wenn ein Teil des Friedhofes als Baustellen verkauft wird, muß die Hälfte des Kaufpreises der Kirchengemeinde überwiesen werden.
4. Dezember
Der Gasthof "zum Goldenen Ring" ist von Gastwirt Maul käuflich erworben worden.
11. Dezember
Am 9. Dezember verstarb Rektor Richard Wiener im 48. Lebensjahr. Der Entschlafene war seit dem 1. Oktober 1896 als Rektor der hiesigen Knaben-Volksschule und als Leiter der Fortbildungsschulen mit aufopfernder Hingabe und in treuer Pflichterfüllung tätig. Magistrat, Schulkollegium und Vereine widmen ihm ehrende Nachrufe.
17. Dezember
Die Stadtverordneten beschlossen in ihrer Sitzung am 15.12. am Wasserwerk einen zweiten Brunnen anzulegen, da der erste 23 m tiefe Brunnen die Erwartungen nicht erfüllte. Der zweite Brunnen soll 50 m davon entfernt und 25 m tief sein. Die Baufirma Schmidt in Hohenturm verpflichtet sich, daß dieser zweite Brunnen mindestens 1 Kubikmeter Wasser pro Minute liefert.
1912
9. Januar
Der bisherige Winter brachte uns das reine Frühlingswetter, kein Frost, kein Schnee, immer nur milde Luft und viel Regen. Nun kam am 7. Januar eine Wetterveränderung, der erste Schnee des Winters, und zwar ein richtiges Schneetreiben mit absinkender Temperatur.
16 Januar
Der Witterungsumschlag hält weiter an. In der letzten Nacht erreichte die Temperatur ein Minimum unter Null von 17 ½ Grad Celsius.
19. Januar
Gerichtssekretär Kimstedt, ein Sohn des verstorbenen hiesigen Organisten Kimstedt ist vom 1. Februar von Mühlberg nach hier versetzt worden.
24. Januar
Aus Anlaß des zweihundertsten Geburtstags Friedrich des Großen tragen heute alle öffentlichen und Staatsgebäude Flaggenschmuck.
30. Januar
Herr Hönnicke hat sich bereit erklärt, für 750 Mark Jahrespacht die Stadtmühle bis zum 1. Januar 1916 weiter zu behalten.
2. Februar
Der hier bestehende Musikverein tritt mit einer großen Musikaufführung in die Öffentlichkeit. Das Programm besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil wird dem großen dänischen Komponisten Niels Gade gewidmet sein. Der zweite Teil wird von Kompositionen Richard Wagners ausgefüllt werden. Gade war eine Zeit lang neben Mendelssohn zweiter Dirigent der Gewandhauskonzerte in Leipzig und wurde nach dessen Tode sein Nachfolger. In "Frühlingsbotschaft" vernehmen wir Mendelssohn'sche Klänge mit nordischem Einschlag. Von Richard Wagner gelangen zur Aufführung aus "Tannhäuser": Ouvertüre, Einleitung zum dritten Aufzug, 1. u. 2. Szene dieses Aktes und "Einzug der Gäste auf die Wartburg". Als Orchester ist die Kapelle des 107. Inf. Reg. aus Leipzig gewonnen worden. So wird den Delitzschern durch diese Aufführung ein seltener Genuß geboten werden, zumal noch einer der bedeutendsten Harfenvirtuosen der Gegenwart mitwirkt.
5. Februar
Die Delitzscher Schokoladenfabrik A.G., welche im Laufe der Jahre ihren Betrieb ganz bedeutend erweitert hat, steht abermals vor einer sich notwendig machenden Geschäftserweiterung. Zu diesem Zwecke ist von ihr das Nachbargrundstück Dübener Str. 33 angekauft worden. Es soll ein bedeutender Vergrößerungsbau aufgeführt werden.
6. Februar
Eine angenehme Überraschung wurde 100 armen Einwohnern in diesen kalten Tagen zu teil, indem Herr Kaufmann R. Krone unter sie eine Doppel-Lore Briketts gratis verteilte.
10. Februar
Das Hausgrundstück Eilenburger Str. 22 des Herrn Weißwarenhändlers Karl Teubner ging durch Kauf in den Besitz des Kürschnermeisters Karl Gräfe über.
28. Februar
Der neue Besitzer des Ringtheaters Karl Maul bleibt bemüht nur orginelle und gute Filme zur Vorführung zu bringen. Es ist erstaunlich, was für eine außerordentliche Fülle lehrreicher und interessanter Bilder uns schon geboten worden ist, aber jede Woche bringt uns zweimal neue Bilder.
29. Februar
Der Zigarrenhändler Goldemann hat sein Grundstück in der Grünstraße Nr. 40 an den Maschinenfabrikant Hermann Dammhahn verkauft, der dort eine Fabrik errichten wird.
5. März
Die Gründung einer Pferdezuchtgenossenschaft wurde in der gestern nachmittag im "Schwan" stattgefundenen Versammlung beschlossen. Das Waldhaus "Zöckeritz" soll demnächst erweitert werden. Die zum Grundstück gehörige Scheune wird zu einem Tanzsaal ausgebaut.
20. März
Die neue Landeserziehungsanstalt kommt nicht nach Delitzsch. In der gestrigen letzten Sitzung des Provinzial-Landtages zu Merseburg wurde der Antrag der Kommission angenommen, die neue Erziehungsanstalt in Burg bei Magdeburg zu errichten. Bei den Verhandlungen kamen nur Delitzsch mit 13300 und Burg mit 24000 Einwohnern in Betracht.
30. März
In der gestern abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung der Schützengilde wurden weitere Arbeiten für den Saalneubau vergeben. Die Dachdeckerarbeiten erhielt Schöbel jun., die elektrischen Anlagen und Blitzableiter Reyher, den größten Teil der Glaserarbeiten Hugo Scheibe.
1. April
Durch Kauf ist mit dem heutigen Tage die hiesige Löwenapotheke, Breite Straße 15, in den Besitz des Apothekers A. Schunke übergegangen.
4. April
Der Verkehrsverein beschäftigte sich in seiner gestrigen Versammlung im "Schwan" auch mit zwei Fragen, die Delitzsch besonders berühren und zwar mit dem Ausbau des Berliner Bahnhofes und der Abholzung und Auskohlung der Goitzsche. Seit Jahren ist versucht worden, eine Erweiterung des Bahnhofes zu erreichen. Es hat sich aber nur eine kleine Verbesserung durch Umbau ermöglichen lassen. Die Unzulänglichkeit des Berliner Bahnhofes wird weiter vom Magistrat an der richtigen Stelle vorgebracht und auch auf die mangelhafte Beleuchtung des Berliner Bahnhofes hingewiesen werden. Seit anderthalb Jahren sind Nachrichten aufgetaucht, daß die Goitzsche abgeholzt und ausgekohlt werden sollte. Neben Bitterfeld würde auch Delitzsch darunter leiden, da die Goitzsche der nächste größere Wald ist, der sehr gern zu Ausflügen benutzt wird. Eine Abordnung von Bitterfeld und Delitzsch hatte in dieser Angelegenheit eine Audienz bei dem Landwirtschafts- und Finanzminister. Sie erhielten dort die Zusage, daß zunächst von der geplanten Abholzung der Goitzsche Abstand genommen wird.
10. April
Eine Verbilligung des Gaspreises wird ab 1. Mai d. J. in unserer Stadt eintreten. Um den Einwohnern das Gas als billiges Leucht- und Heizmittel immer mehr zugänglich zu machen, berechnet die Gasanstalt in den Sommermonaten den Kubikmeter Gas, gleichviel ob zum Kochen oder Heizen zum Einheitspreis von 12 Pfg., in den Wintermonaten den Kubikmeter zum Einheitspreis von 16 Pfg. Der althistorische Gasthof zum "Roten Löwen", welcher zuletzt über 25 Jahre in den Händen der Familie Schiller-Kaascht war, wurde an den Hausbesitzer Richard Könnicke verkauft. Die Übernahme erfolgt am 15. April.
26. April
Ein drittes Klärbecken der Kläranlage wird erbaut und zugleich die Anlage durch elektrischen Antrieb verbessert. Der Nachfolger des verzogenen Kantors Prinz ist Kantor Otto Müller. Heute morgen erschien über unserer Stadt eine Flugmaschine, die in großer Höhe die Richtung nach Leipzig an der Bahn entlang einhielt. Sie landete in Leipzig auf dem Lindenthaler Flugplatz. Es war ein Albatroß-Militär-Doppeldecker. Die dem Apparat entstiegenen Offiziere waren heute morgen 5 Uhr in Döberitz bei Berlin aufgestiegen und sind um 7 Uhr in Leipzig gelandet.
2. Mai
Unser Landtagsabgeordneter Herr Bauer hat die aus dem Landwirtschaftsministerium stammende Nachricht erhalten, daß uns die Goitzsche als Wald erhalten bleibt. Es ist dies eine recht erfreuliche Nachricht auf für Delitzsch, da recht viele Delitzscher besonders am Sonntag die Goitzsche als Ausflug benutzten.
3. Mai
Der Verschönerungsverein beschloß in seiner gestrigen Versammlung Aufstellung weiterer 10 Bänke im Stadtpark und den Anlagen am Stadtgraben, Aufstellung einer Schutzhütte am Stiefelknecht, Aufstellung einer Bank vor dem Bahnübergang an der Dübener Straße, auch soll für den Elberitzplatz etwas mehr getan werden.
13. Mai
Am gestrigen Sonntage entlud sich abends gegen 10 Uhr, nachdem tagsüber eine starke Gluthitze geherrscht hatte, ein furchtbares Unwetter über Delitzsch und die Umgegend. Ein Gewitter war heraufgezogen. Aus allen Richtungen türmten sich die Wolken unheildrohend zusammen, und der Himmel glich zuweilen einem Feuermeer. Ununterbrochen rollte der Donner schwer. Dazu setzte Hagel. Schloßen und Graupeln ein, denen ein wolkenbruchartiger Regen folgte. Den Schaden, den die tobenden Naturkräfte, besonders die bis zu Taubeneigröße fallenden Hagelstücke im Stadtgebiet anrichteten, ist ganz beträchtlich. Unzählige Fensterscheiben wurden zerschlagen, z.B. in der neuen Knabenschule, der Luisenschule 130 Stück. Schwer betroffen wurden die Gärtnereien, die Obstgärten, die Feldfrüchte. Eine Menge Dächer wurden abgedeckt, Bäume umgerissen. Auch die Umgegend hat großen Schaden erlitten. Zwei Windmühlen umgerissen. Von einem Güterzug wurden bei Klitschmar die darauflagernden Bretter abgehoben und 30 m weiter ins Feld geschleudert. Die Eisenbahnzüge blieben auf der Strecke stehen, weil sie nicht weiter fahren konnten.
20. Mai
Der Verschönerungsverein erläßt einen Aufruf an die Stadt wie im Vorjahr wiederum Fenster und Balkon zu schmücken. Es heißt darin: "Nun ist es Zeit, Hand ans Werk zu legen, unser Delitzsch muß immer schöner werden. Jeder sollte nach seinen größeren und geringeren Mitteln dazu beitragen. Jedes Haus müßte für den Sommer bunten Blumenschmuck anlegen. Ein schöner Wetteifer muß immer mehr erwachen. Wie im Vorjahre so wird auch dies Jahr im Herbst wieder eine Prämierung für die am besten gelungene Ausschmückung der Fenster oder Balkone stattfinden."
7. Juni
Hier hat sich ein Ortsausschuß zur Förderung der Nationalspende gebildet. Diesem gehören eine große Anzahl Personen von Verwaltung, Wirtschaft und Beamtentum an. Der Ortsausschuß erläßt einen Aufruf an die Bürger der Stadt Delitzsch mit der Bitte zu der nationalen Spende beizutragen. Mit der Nationalspende will das deutsche Volk in seiner Gesamtheit dazu beitragen, daß das deutsche Flugwesen eine Entwicklung erfährt, wie sie das Ansehen und die Machtstellung unseres Vaterlandes erfordert. Damit ist eine Aufgabe gestellt, an deren Erfüllung mitzuwirken jedes Deutschen Ehrenpflicht ist.
8. Juni
Die landwirtschaftliche Winterschule soll hier am 1. Oktober eröffnet werden.
15. Juni
Unsere städtischen Anlagen haben eine wertvolle Erweiterung dadurch erfahren, daß der Marienfriedhof jetzt für Spaziergänger freigegeben worden ist. Die Zugänge sind vorläufig vom Kommungut und von der Pforte am Marienplatz aus.
2. Juli
Gestern vormittag geschah die Einführung des neuen Rektors der Knabenvolksschule Hansjürgens, zu der sich Kreisschulinspektor Sup. Schäfer, der erste Bürgermeister Rampoldt, die Rektoren Eichler und Burchhardt eingefunden hatten. Das Lehrerkollegium der Knabenvolksschule, die 1. Knabenklasse und die ersten Schüler jeder Klasse waren ebenfalls anwesend. Kreisschulinspektor Schäfer führte den neuen Rektor im Namen der Regierung in sein Amt ein in einer herzlichen Ansprache, darauf hieß ihn der erste Bürgermeister Rampoldt im Namen des Magistrats und des Schulvorstandes herzlich willkommen. Beide Herren dankten ebenfalls Lehrer Schubert für seine korrekte Vertretung in der Zwischenzeit. Darauf hielt Rektor Hansjürgens eine Ansprache, indem er für die herzliche Begrüßung dankte und versprach, seine ganze Kraft für die Schule einzusetzen. In einer anschließenden Sitzung des Lehrerkollegiums übergab Lehrer Schubert dem Rektor sämtliches der Schule gehörendes Inventar.
22. Juli
Verschiedentlich wurde in Zeitungen angeregt, daß das, was von Schulze-Delitzsch vorhanden war, Briefe, Bilder, Ehrengaben usw. in einem Museum zu sammeln. So wurde Berlin als der geeignetste Ort vorgeschlagen. Die Anreger sind dahingegangen. In den Blättern für Genossenschaftswesen schreibt nun Dr. Hermann Schulze in Delitzsch dazu u. a. folgendes: "Ich möchte hiermit die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit des Baues eines Schulze-Delitzsch Museums in Delitzsch hinlenken. Der Grundstock für das Museum ist hier schon vorhanden. Die zum Teil sehr wertvollen Sachen sind jetzt in unzulänglichen Räumen, einigen unterm Altersmuseum auf Widerruf eingeräumten leeren Schulklassen untergebracht. Da steht ein Glasschrank, der den Schulze'schen Silberschatz enthält. Hier stehen seine Ehrengaben, hängen seltene Bilder des Unvergesslichen usw., usw."
26. Juli
Ein neues Hotel "Fürst Bismarck" ersteht hier. Bauunternehmer Wernicke hat das Haus Auguste Viktoria Promenade 10 mit Restauration von Frau Poenicke angekauft und ist ihm die Übertragung der Konzession auf sein in der Eilenburger Straße, Ecke Poststraße, neu erbautes Haus gestattet worden. Hier werden die Parterreräume als Restauration, die erste Etage als Kaffee und die oberen Räume als Logierzimmer eingerichtet.
10. August
Das Weihfest der Schützengilde findet vom 11. bis 13. August statt. Die Gilde hat einen neuen großen Festsaal, eine neue Schießhalle mit 18 Scheibenständen erbaut und die Wirtschaftsräume bedeutend vergrößert. Der Bau ist vollendet und erfolgt nunmehr die Einweihung.
30. August
An Stelle der bisherigen nebenamtlichen Kreisschulinspektionen Delitzsch, Eilenburg 1 und 2 und Gollme ist zum 1. Oktober d. J. eine hauptamtliche Kreisschulinspektion mit dem Sitz in Eilenburg eingerichtet. Die neue Stelle wird vom genannten Tage an kommissarisch von dem Pfarrer Roß in Gruna verwaltet.
3. September
Gestern, den 2. September, fanden hier im Rathaus die letzten Verhandlungen bezüglich der Errichtung und Einrichtung der Landw. Winterschule statt, zu denen aus Halle der Direktor der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen, Landesökonomierat Dr. Rabe, der Generalsekretär Ökonomierat Haacke und der zukünftige Leiter der Schule Landwirtschaftslehrer Conradi erschienen waren. Die Stadt stellt zur Einrichtung eine beträchtliche Summe in dankenswerter Weise zur Verfügung ebenso die nötigen Räumlichkeiten. Der 1. Kursus der Winterschule beginnt am 22. Oktober und zwar mit der Unterklasse, während die Oberklasse erst im nächsten Herbst eingerichtet wird. Anmeldungen und Anfragen sind an Herrn Conradi zu richten, der vorläufig im Hotel zum Schwan Wohnung genommen hat.
19. September
Heute morgen fand zum letzten Male unter dem Vorsitz des bisherigen Kreisschulinspektors die diesjährige Kreislehrerkonferenz im Hotel "Zum Schwan" statt. Am Schluß der Konferenz verabschiedete sich Kreisschulinspektor Superintendent Schäfer in herzlichen Worten von der Lehrerschaft. Lehrer Großkopf – Kyhna richtete warme Abschiedsworte an den scheidenden Kreisschulinspektor und sprach ihm namens der Lehrerschaft den Dank für sein stets gezeigtes Wohlwollen aus. Bei dem sich anschließenden gemeinsamen Mahle richtete Rektor Eichler nochmals Abschiedsworte an den Scheidenden und sprach ihm den Dank dafür aus, daß die Lehrerschaft bei ihm stets Verständnis gefunden hatte. Kreisschulinspektor Schäfer betonte in seiner Erwiderung, daß er sich stets bemüht habe, als Freund der Lehrer zu erscheinen
28. September
In der Aula der städtischen Bürgerschule fand heute morgen die Abschiedsfeier für den nach 50jähriger segens- und arbeitsreicher Tätigkeit in den wohlverdienten Ruhestand tretenden Lehrer Schubert statt. An der Feier nahmen außer dem Lehrerkollegium und den obersten Klassen der Schule Superintendent Schäfer als Kreisschulinspektor, Bürgermeister Rampoldt, Seminardirektor Bär und mehrere Vertreter der Behörde teil. Die drei genannten feierten den Scheidenden in warmen Worten und sprachen ihm den Dank für seine der Schule geleistete langjährige Tätigkeit. Alle wünschten ihm und seiner Familie einen recht langen segensreichen Lebensabend.
29. September
Unsere Gottesackerkirche, die leider ziemlich verfallen ist und deshalb seit einiger Zeit nicht mehr benutzt werden konnte, soll eine Erneuerung erfahren, um sie vor weiterem Verfall zu schützen und sie wieder in Gebrauch nehmen zu können. Wenn sich edle Spender fänden, wäre es wünschenswert zu beschaffen eine neue Orgel, einige bunte Fenster, eine neue Altarbekleidung, Bilderschmuck und dergl. Die Bewohner des östlichen Teils unserer Stadt werden es gewiß mit Freude begrüßen, wenn dann in ihrer Mitte wieder Gottesdienste abgehalten werden würden.
4. Oktober
Stadtsekretär Fricke ist dabei, ein neues Adressbuch der Stadt in aller Kürze in Druck zu geben. Lehrer Otto Müller von der Knabenvolksschule hat am 1. Oktober die hiesige Kantorstelle übernommen. Den Lober entlang südwestlich des Wiesengeländes ist ein neuer Weg von der Parkbrücke außerhalb des Parks bis zum Kertitzer Weg angelegt worden; es ist der Dr. Laue Weg. Dem langgehegten Wunsche der Bevölkerung ist damit entsprochen worden.
7. Oktober
Fahrradhändler und Klempnermeister Willibald Müller hat das Haus des Bäckermeisters Angermann in der Eilenburger Straße, Ecke Kohlstraße käuflich erworben und wird sein Geschäft nach entsprechenden baulichen Änderungen bald dorthin verlegen.
15. Oktober
Mit dem 1. Oktober 1912 sind in dem Kreise Delitzsch zwei neue nebenamtliche Kreisschulaufsichtsbezirke gebildet worden. Die Verwaltung des Bezirks Delitzsch ist dem Seminardirektor Bär in Delitzsch und die Verwaltung des Bezirks Eilenburg II dem Seminardirektor Engelbrecht in Eilenburg übertragen worden.
30. Oktober
Am 29. Oktober fand in der Luisenschule, die zur Knabenvolksschule gehört, die feierliche Eröffnung der Landwirtschaftlichen Winterschule statt. Dazu hatten sich außer den 23 Schülern und deren Vätern eine stattliche Anzahl anderer Herren eingefunden. Vom Magistrat waren erschienen Erster Bürgermeister Rampoldt, Bürgermeister Lange, die Stadträte Freyberg und Thalemann, aus dem Stadtverordnetenkollegium Schimpf, Steindel, Kläning, Oekonomierat Dr. Kunze, Hampe und Leidenroth. Als Vertreter des Landrats nahm Kreisdeputierter Oekonomierat Bieler teil. Den Landwirtschaftlichen Verein vertrat der Vorsitzende Seiffert. Von der Landwirtschaftskammer Halle-Saale wohnten der Eröffnung Direktor Landesoekonomierat Dr. Raabe und Oekonomierat Haake bei. Bürgermeister Rampoldt begrüßte die Anwesenden und dankte den Behörden für das Zustandekommen der Schule in Delitzsch. Dr. Raabe hielt die Eröffnungsansprache und übergab am Schluß derselben die neue Schule dem Direktor Conradi. Dieser hielt eine eindrucksvolle Rede, die besonders den anwesenden Schülern gewidmet war und erntete lebhaften Beifall. Die anwesenden Herren besichtigten noch die mustergültige Einrichtung der Schulräume und die prächtigen neuzeitlichen Lehrmittel.
5. November
Heute vormittag fand auf dem Rathaus eine Abschiedsfeier für den aus dem Amte scheidenden Stadtrat Spangenberg in Gegenwart der Magistratsmitglieder und der städtischen Beamten statt. Erster Bürgermeister Rampoldt dankte Stadtrat Spangenberg in herzlichen Worten für die der Stadt treu geleisteten 12jährigen Dienste als unbesoldetes Magistratsmitglied. Als Dank dafür wurde ihm der Titel eines Stadtältesten verliehen. Durch Verfügung der Regierung ist an seine Stelle Rentier Thalemann zum unbesoldeten Stadtrat bestätigt worden.
7. November
Gestern fand die Grundsteinlegung des Siechenhauses durch eine kurze erhebende Feier statt. Superintendent Schäfer leitete den feierlichen Akt mit einer längeren Ansprache ein. Zum Schluß seiner Rede hob er hervor, daß zum dankbaren Gedächtnis der beiden Hauptstifter das neue Haus "Gutheil Stiftung" genannt wird.
1913
8. Januar
Das den Schneidermeister Döchert gehörige Hausgrundstück, Eilenburgerstraße 31, ist durch Kauf in den Besitz seines Bruders Bruno Döchert übergegangen.
9 Januar
Eine gewaltige Fahrt hat der Ballon "Delitzsch" gemacht. Der Ballon stieg am 30. Dezember in Bitterfeld auf und landete nach 24 ½ stündiger Fahrt sehr glatt beim Dorfe Sosniza westlich Kursk in Mittelrußland. Die Entfernung vom Aufstiegsort bis zur Landungsstelle ist ca. 1600 km Luftlinie. Die eigentliche Fahrtstrecke des Ballons beträgt dagegen 1750 km. Somit ist der "Delitzsch" mit einer stündlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von ungefähr 71 ½ km geflogen. Beim Überfliegen der russischen Grenze wurden sie mehrfach beschossen.
7. Februar
Zum Besten des Jahngedenksteines wird das mit so großem Erfolg gespielte Lustspiel "Die relegierten Studenten" nochmals am Dienstag den 11. Febr., im Schützenhause zur Aufführung gelangen.
Zur Erinnerung an den 17. März 1813 wollen, wie im ganzen deutschen Reiche, auch die hiesigen in der Delitzscher Turner Vereinigung zusammengeschlossenen fünf Turnvereine am 17. März eine gemeinsame Feier veranstalten.
8. Februar
Infolge der günstigen Witterung konnten die Bauarbeiten des Siechenhauses so gefördert werden, daß der Bau schon Anfang dieses Jahres unter Dach kam. Und wenn keine besonderen Hindernisse unerwartet eintreten, so wird in der nächsten Zeit der Ausbau des Hauses und seine Einrichtung so betrieben werden, daß es zum 1. Juli d. J., falls zu diesem Zeitpunkt bereits Schwestern zu bekommen sind, spätestens aber zum 1. Oktober eröffnet werden kann.
18. Februar
Das Wohnhaus mit Nebengebäuden und Hausgarten des im Konkurs befindlichen Kaufmanns Bernhard Wiesinger in der Eilenburger Straße nebst Niederlage und Schuppen in der Moltkestraße ist bei der gestern erfolgten meistbietenden Versteigerung an Kaufmann Walter Brade für den Preis von 66100 Mark erstanden.
24. Februar
Eine seltene Feier begingen gestern ehemalige Chorschüler und Kurrendener unserer Stadt. Zirca 30, zum größten Teil schon hochbetagte Herren, fanden sich zusammen, um aus Dankbarkeit ihres unvergeßlichen Kantors Albin Thierbach zu gedenken, welcher am 28. Mai 1873 bei einem Spaziergange mit seinen Schülern durch den Tod im besten Mannesalter von 53 Jahren seinen Lieben und seiner segensreichen Wirkungsstätte entrissen wurde. Ebenso wurde das Andenken von Kantor Haupt und Lehrer Jost dankerfüllt gefeiert. Morgens besuchten die Herren den Gottesdienst. Nachmittags wurden die Gräber der unvergeßlichen Lehrer unter einer herzlichen Ansprache des Kirchenrendanten Emil Obst – Bitterfeld mit Lorbeerkränzen geschmückt. Im Anschluß fand man sich im Kaffee Kreutzer zusammen.
10. März
Die Jahrhundertfeier der Erhebung Preußen wurde heute den 10. März in Schulen und Vereinen in entsprechend würdiger Weise begangen. Gestern fand ein Festgottesdienst statt, an dem sich der Magistrat und Stadtverordneten, die militärischen Vereine, Seminar, Präparande, die oberen Klassen der Oberrealschule und die Jugendwehr geschlossen beteiligten. Der Gottesdienst war der Bedeutung des Tages entsprechend besonders ausgestaltet. Schulen und Vereine hielten heute besondere Gedenkfeiern ab, in denen auf die besondere Bedeutung des 10. März und die Erhebung Preußens im Hinblick auf die großen Erfolge hingewiesen wurde.
21. März
Gestern vormittag fand die Abschlußprüfung des ersten Lehrgangs der hiesigen landwirtschaftlichen Winterschule statt. Eine große Reihe geladener Gäste und Vertreter von Behörden und Korporationen waren dazu erschienen, so Graf von der Schulenburg, der Präsident der Landwirtschaftskammer, Landesökonomierat Dr. Rabe – Halle, Major von Busse, die Landräte der Kreise Bitterfeld und Delitzsch, Erster Bürgermeister Rampoldt, Stadtverordneten-Vorsteher Schimpf und Landtagsabgeordneter Oekonomierat Sernau, außerdem viele Väter und andere Herren, die der Anstalt Interesse entgegen bringen. Dieser Besuch zeigt nun, welche Bedeutung man dieser neuen Schule beilegt.
29. März
In den Ostertagen Mittwoch und Donnerstag fand hier eine Versammlung der Bezirksvereinigung Merseburg des neuen Preußischen Lehrervereins statt. Um 1 Uhr am Mittwoch tagte die Vertreter-Versammlung im Schützenhause. Sämtliche 53 Zweigvereine der 1200 Mitglieder zählenden Bezirksvereinigung hatten hierzu Vertreter entsandt. Zu der am Donnerstag vormittag im Schützenhause veranstalteten Hauptversammlung der Bezirksvereinigung Merseburg des neuen Preußischen Lehrervereins waren etwa 250 Lehrer erschienen. Der Bezirksvorsitzende Lehrer Bindernagel – Delitzsch begrüßte die anwesenden Lehrer, besonders die erschienenen Ehrengäste. Im Namen der Stadt Delitzsch begrüßte Erster Bürgermeister Rampoldt die Versammlung. Superintendent Schäfer dankte namens der kirchlichen Behörden und erbat Gottes Segen für die Beratungen. Lehrer Naumann – Crensitz, der Vorsitzende des Zweigvereins Delitzsch rief den Gästen ein herzliches Willkommen zu. Landtagsabgeordneter Bauer dankte für die ihm gebotene Gelegenheit, neues lernen zu können für seine Stellung als Abgeordneter. Landtagsabgeordneter Dr. Arend betonte, daß wir heute keine Gemeindebildung mehr haben, sondern Allgemeinbildung. Daher seien die Schullasten auch nicht mehr von der Gemeinde, sondern von der Allgemeinheit zu tragen. Dr. Möde – Leipzig sprach sodann über das Thema: "Die Anwendung der experimentellen Psychologie auf die Pädagogik". Der 1 ½ stündige Vortrag fand reichen Beifall. Nunmehr folgte der zweite Vortrag, welchen Lehrer Hädicke – Hall über das Thema: "Welche Wirkung muß die von uns erstrebte Änderung der Schulunterhaltung auf die Entwicklung des Schulwesens und der Wohlfahrtspflege in den ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden ausüben?" Ein lebhaftes "Bravo" erscholl nach dem Vortrag von Lehrer Hädicke. An die Versammlung schloß sich ein Festessen im Schützenhause. Mit der Versammlung verknüpft war eine Lehrmittelausstellung, die die hiesigen Buchhändler Pabst und Krause veranstaltet hatten. Am Abend veranstaltete der Zweigverein Delitzsch zu Ehren seiner Gäste einen Festabend im Schützenhause. Gelegentlich dieser Tagung fand auch eine Zusammenkunft der Lehrer statt, die vor 20 Jahren das hiesige Seminar verließen. Das Treffen war im "Fürst Bismarck". Es hatten sich 15 Herren dazu eingefunden.
2. April
Die seit 1911 hier bestehende Jugendwehr "Jungdeutschland" ist überaus tätig. Alle Sonntage kommen diese Jugendlichen zu Übungen zusammen, die gewöhnlich in der Umgegend stattfinden. Ein eigener Trommler- und Pfeiferchor gibt den nötigen Reiz. Mit Musik wird ausgezogen und zur Stadt wieder zurückgekehrt. Auch öfters fanden Übungen mit benachbarten Jugendwehren statt. Am letzten Sonntag hatte unsere Jugendwehr der Einladung zum Stiftungsfeste der Bitterfelder Jugendwehr Folge geleistet. Nach dem Empfang am Bahnhof rückten die vereinigten Wehren zu einer Übung nach den Holzweißiger Wiesen aus. Nach der Übung zogen die versammelten Jugendwehren unter Vorantritt der Bitterfelder Stadtkapelle in Bitterfeld ein und marschierten bis zum "Rheinischen Hof". Die Delitzscher Jugendwehr fuhr dann mit dem Zuge nach Delitzsch zurück, ein Teil nahm am Stiftungsfeste im "Rheinischen Hof" teil und kehrte mit dem Abendzuge zurück.
3. April
Hand in Hand mit der Elektrisierung der Strecke Leipzig-Magdeburg schreitet auch der Erweiterungsbau des Kraftwerkes Muldenstein vorwärts. Die Anlagen sind zum größten Teil unterirdisch gehalten. Nur zwei Riesenschornsteine von über 100 m Höhe deuten auf die gewaltige Zentrale hin, die wohl zu den größten Preußens gezählt werden kann. Auch die Berliner Stadtbahn sollte bekanntlich von Bitterfeld aus mit elektrischem Strom gespeist werden.
10. April
Der Zentralvorstand der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung hat einen Aufruf zur Gründung einer "Dr. Hermann Schulze-Delitzsch Stiftung" erlassen und selbst 10000 Mark hierfür gespendet. Der Magistrat hierselbst hat beschlossen, der Stiftung 300 Mark zuzuwenden, da Delitzsch als Geburtsort von Schulze-Delitzsch mit gutem Beispiel vorangehen muss.
12. April
Nach den prächtigen, frühlingsmäßigen Tagen des März ist seit Anfang der Woche mit dem April kühleres Wetter eingetreten, das uns in der letzten Nacht ziemlichen Frost und am heutigen Morgen reichlichen Schnee brachte. Das Thermometer sank auf minus 4 Grad Celsius. An den Kulturen wurde vielfach Schaden angerichtet.
18. April
Mit dem Neubau der Kohltorbrücke wird nun begonnen, nachdem die alte hölzerne abgebrochen wurde.
Der Bau wird wieder von der Firma "Anhalter Eisenbetonwerk Otto Maye u. Co., Dessau" ausgeführt und kostet einschließlich Pflasterung rund gerechnet 34000 Mark.
24. April
Der Verschönerungsverein beschloß in seiner gestrigen Generalversammlung im Hotel "Zum Schwan" die Aufstellung von Betonbänken auf dem Dr. Laue Weg. Für die Neugestaltung des Heiligbrunnens wurden 500 Mark bewilligt. Für den Oberbau einer Brücke über den Lober nach dem Dr. Laue Weg wurden bis zu 150 Mark bewilligt, während der Unterbau durch die Stadt unter Verwendung alten Materials der Kohltorbrücke hergestellt wird.
8. Mai
Seit längerer Zeit wird wegen eines passenden Bauplatzes für den Neubau des Amtsgerichts verhandelt. Zu den bekannten Projekten in der Leipziger Straße, in der Königlichen Strafanstalt und in Kühne's Garten ist noch ein neuer gekommen, wonach das Amtsgerichtsgebäude auf dem großen Gartengrundstück des Seminars gebaut werden soll. Und zwar soll das neue Gebäude mit der Front nach der Lindenstraße kommen. Um die Angelegenheit zum Abschluß zu bringen weilt heute eine zusammengesetzte Kommission von etwa 15 Herren aus dem Kultus- und Justizministerium, aus dem Provinzial-Schulkollegium in Magdeburg und der Königl. Regierung in Merseburg und dem Oberlandesgericht in Naumburg hier.
22. Mai
Der Stadt Delitzsch steht ein großer Verlust bevor. Bürgermeister Lange ist zum Bürgermeister in Nauen bei Berlin gewählt worden und wird Delitzsch voraussichtlich schon in wenigen Wochen verlassen.
13. Juni
Unter starker Beteiligung auswärtiger Schützen fand in der Zeit vom 8. bis 12. Juni das 27. Provinzialbundesschießen in Delitzsch statt. Zu Ehren der zahlreichen auswärtigen Gäste (mehr als 400) war am ersten der Festtage ein großer historischer Festzug veranstaltet, wie die Stadt solchen noch nicht gesehen. Fast alle Vereine und Innungen der Stadt beteiligten sich daran sowie viele Landwirte der Umgebung zu Pferde.
17. Juni
Am 15. Juni beging Kaiser Wilhelm II. sein 25jähriges Regierungsjubiläum, das auch im hiesigen Orte von Schulen und Vereinen festlich begangen wurde. Der Festtag war ein Sonntag, und so fand ein Festgottesdienst statt, an dem die vereinigten Kriegervereine geschlossen teilnahmen. Auf besondere Weise feierten diesen Tag die Jugendvereinigungen unserer Stadt. Sie sammelten sich an der Gasanstalt und marschierten unter den Klängen der Musik und mit Gesang durch Beerendorf, am Beerendorfer Forsthaus vorüber zu ihrer Waldfeier an den schön gelegenen Stiefelknecht in unserer Spröde. Unter den schattigen Eichen entwickelte sich ein bunt belebtes Bild, und viele Erwachsene waren zu Fuß, mit dem Rade, ja zu Wagen gekommen. Diakonus Ruhmer – Delitzsch hielt die Festrede. Bei herrlichem Wetter verging der Nachmittag. Mit klingendem Spiel wurde in der Abendstunde über Spröda und das Forsthaus der Heimweg angetreten. Die Schulen feierten am 16. Juni.
18. Juli
In den Tagen vom 13. bis 17. Juli fand in Leipzig das 12. Deutsche Turnfest statt. An demselben nahmen von Delitzsch Turner in großer Zahl ja ziemlich vollzählig teil. In dem für das Turnfest herausgegebenen Festbuch spricht der verdiente Vorsitzende der deutschen Turnerschaft, der greise Geheime Medizinalrat Dr. med. Ferd. Goetz, die Befürchtung aus, daß von denen, die vor 50 Jahren nach Leipzig zogen zum 3. deutschen Turnfest, nicht mehr viele leben und ihrer noch viel weniger sich am diesjährigen Turnfeste in Leipzig beteiligt haben. Hierzu ist zu bemerken, da in Delitzsch noch drei rüstige Jünger Jahns leben, die vor 50 Jahren am Leipziger Turnfest teilnahmen. Es sind dies die Herren Rentier Birke, Rentier Wolfermann und Schuhmachermeister Brade. Auch am diesjährigen Turnfest nahmen sie teil.
20. Juli
In der letzten Stadtverordnetenversammlung wurde beschlossen, daß vom Abbruch der Kohltorbrücke übrig bleibende gute Material für die Erneuerung der Schafbrücke zu verwenden und dann die Brücke etwas zu verbreitern. Dazu wurden Kosten bis zu 1200 Mark bewilligt. Im letzten Jahre hat die Flugzeugindustrie einen ganz gewaltigen Aufschwung genommen. Fast täglich überfliegen Flugzeuge unsere Stadt. Das kommt besonders daher, daß Delitzsch auf der Flugbahn Leipzig-Berlin liegt und daß Bitterfeld einen Flugplatz hat, wo manches Flugzeug landet. Von Flugzeugen sieht man die verschiedensten Typs Eindecker, Doppeldecker, Rumplertauben, Militärflieger, Zeppelinluftschiffe u. a.
21. Juli
Die Einwohnerzahl unserer Stadt beträgt am 20. Juli 13280 Personen.
25. Juli
Die hiesige 2. Bürgermeisterstelle, die durch den Weggang von Bürgermeister Lange erledigt ist, ist nun ausgeschrieben worden. Es sind bis zum heutigen Tage 75 Bewerbungen eingelaufen, davon haben die Hälfte der Bewerber ihr zweites juristisches Examen abgelegt. Die Bewerbungsliste ist nun geschlossen worden.
8. August
In der vergangenen Nacht haben Einbrecher der hiesigen Kreissparkasse einen Besuch abgestattet. Sie haben einen eisernen Bücherschrank gewaltsam geöffnet und dessen Tür vollständig zerstört. Es sind ihnen indes weder Gelder noch geldwerte Sachen in die Hände gefallen, denn diese werden in der Stahlkammer aufbewahrt.
11. August
Ein grässlicher Unglücksfall ereignete sich letzten Sonnabend abend den 9. des Mts. am Bahnübergang der Eilenburger Straße. Oberbahnassistent Franke wollte anscheinend auf der Bahnstrecke von dem Berliner nach dem Sorauer Bahnhof gehen und ist von dem abends 9.26 Uhr hier durchfahrenden D Zuge gefasst, etwa 40 m geschleift und rechts seitlich hingeworfen worden. Auf dieser Strecke lagen Handschuhe, Schlüssel, Stiefel, Fleisch- und Uniformstücke zerstreut. Der Tod ist durch Zertrümmerung der Brust- und Baucheingeweide sofort eingetreten.
14. August
Der Vaterländische Frauenverein hat einen Kinderhort geschaffen und fand die Einweihung desselben gestern in der Mädchenvolksschule statt.
11. September
Für die Feier des 18. Oktober anläßlich der Weihe des Völkerschlacht Denkmals bei Leipzig sind jetzt von fast allen Bundesstaaten einheitliche Bestimmungen getroffen worden. Diese besagen, daß am 18. Oktober der Schulunterricht ausfällt, und daß in sämtlichen Schulen durch Veranstaltung besonderer Gedenkfeiern der großen Zeit vor hundert Jahren gedacht werden soll. Mittag von 12 bis 1 Uhr sind die Glocken sämtlicher Kirchen und Kapellen zu läuten, und am Sonntag den 19. Oktober ist in allen Kirchen der Gottesdienst zu einem festlichen Gedächtnisgottesdienst auszugestalten.
18. September
Die Wahlvorschlags-Kommission der Stadtverordneten hat auf die engere Wahl des zweiten Bürgermeisters drei Bewerber gesetzt und zur persönlichen Vorstellung aufgefordert. Es sind dies die Herren Bürgermeister Grüneberg in Orsol bei Düsseldorf, Assessor Unverfähr in Gotha und Bürgermeister Scheel in Soldau – Ostpreußen.
29. September
Die Jugendwehr Delitzsch (Jungdeutschland) feierte gestern ihre Fahnenweihe und ihr 2. Stiftungsfest. Die Feier wurde um 4 Uhr nachmittag mit einem Festzuge der Jugendwehren und Wehrkraftvereine, die in großer Zahl von auswärts eintrafen, eröffnet. Die Aufstellung der Vereine begann um ¾ 4 Uhr auf der Bismarckstraße. Von hier aus bewegte sich der Festzug durch verschiedene Straßen der Stadt nach dem Schützenhofe, wo der Weiheakt stattfand. Um ½ 7 Uhr begann dann die eigentliche Feier des Stiftungsfestes aus Konzert, Aufführungen der Jugendwehr, Vorführungen von Lichtbildern usw.
10. Oktober
Eine ungeheure Aufsehen erregende Veruntreuung der oberen Beamten der Stadthauptkasse wird durch das allzu lockere Leben des Stadthauptkassenrendanten Rudloff in den ersten Oktobertagen aufgedeckt. Rudloff ist unter Mitnahme von 12000 Mark städtischer Gelder flüchtig und der mitbeteiligte Kontrolleur Meley erschießt sich am 4. Oktober in der Gertitzer Flur. Bei genauerer Nachprüfung hat sich herausgestellt, daß die seit 1908 betriebenen Unterschlagungen die Höhe von mehr als 160000 Mark erreichen.
Durch die Veruntreuungen wird auch die Stellung des Ersten Bürgermeisters erschüttert, dem man zu große Oberflächlich- und Vertrauensseligkeit bei den von ihm vorgenommenen Kassenprüfungen zum Vorwurfe macht. An Stelle des flüchtigen Rudloff tritt als Stadthauptkassenrendant Georg Schimpf, an Meleys Stelle Kontrolleur Hupe.
11. Oktober
40000 Turner werden vom 16. bis 18. Oktober aus allen Richtungen unseres Vaterlandes in 9 Läufen eine Strecke von 1350 Kilometer durchlaufen, um eine Urkunde des Inhaltes, daß der deutschen Turner Herz allezeit dem Vaterlande gehört, zu den Einweihungsfeierlichkeiten des auf jeden seinigen Beschauer durch seine Wucht und Stärke eindringlichst wirkenden Völkerschlacht-Denkmals zu überbringen. Auch die Delitzscher Turnvereine beteiligen sich an diesen Läufen. Jeder Läufer läuft 200 m und wird die Schnelligkeit 3 Minuten für den Kilometer angenommen. Der Lauf 3, der über Delitzsch führt, beginnt in der Nacht vom 16. zum 17. Oktober am Ernst Moritz Arndt-Denkmal auf Rügen und geht über Stettin, Berlin, Bitterfeld nach Leipzig. An ihm beteiligen sich der Turnverein der Oberrealschule bis zur Abzweigung des Weges nach Brodau und dann der Männer-Turnverein Delitzsch mit Turnvereinen der Umgebung bis zur sächsischen Grenze. Ein anderer Lauf Nr. 2 beginnt bei Flensburg in Schleswig und führt über Zörbig, Landsberg, Radefeld nach der Grenze. Von Landsberg bis zur Grenze übernehmen von Delitzsch den Lauf der Männer-Turnverein, der Turnverein Einigkeit, der Turnverein Vorwärts und der Turnverein Delitzsch. Alle Teilnehmer an den Läufen werden in Listen eingetragen, die im Museum des Völkerschlacht-Denkmals niedergelegt werden, außerdem erhält jeder beteiligte Verein eine Urkunde der deutschen Turnerschaft.
10. Oktober
Der hiesige Gesangverein "Harmonie" beging am gestrigen Abend im Saale des Schützenhauses sein 40jähriges Bestehen durch ein Festkonzert. Das städtische Orchester unter der Leitung von Musikdirektor Böttcher eröffnete das Programm mit der Ouvertüre: "Der Fischer an der Nordsee". Den Mittelpunkt des Konzerts bildete das dramatische Tongemälde "Eine Nacht auf dem Meer" von Wilh. Tschirch unter der umsichtigen und temperamentvollen Leitung des Dirigenten Kantor Müller. Der Abend war ein Genuß für alle Zuhörer.
12. Oktober
Zum zweiten Bürgermeister wurde in der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung Bürgermeister Grüneberg aus Orsol (Orfoy), der seit dem 1. Oktober in Roßla a. H. als kommissarischer Bürgermeister wirkt mit 12 von 23 abgegebenen Stimmen gewählt. Es wurde beschlossen, Herrn Grüneberg sofort bis zu seiner Bestätigung als juristischen Hilfsarbeiter zu beschäftigen.
20. Oktober
Am 18. Oktober fand in Leipzig das große Ereignis "Die Leipziger Jahrhundertfeier mit der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals" in Gegenwart des deutschen Kaiser Wilhelm II., der deutschen Bundesfürsten, der fürstlichen Vertreter von Österreich, Rußland, Schweden und anderer hoher Persönlichkeiten des In- und Auslandes statt. Auf allen Bahnlinien nach Leipzig wurden die Besucher dieses Festes mit Extrazügen zur Feststadt gebracht. Selbstverständlich haben auch die Delitzscher nicht gefehlt. Mindestens 50% der Bewohner unserer Stadt hat in Leipzig den großen Tag miterlebt. Die Zurückgebliebenen feierten in Delitzsch selbst. Die Oberrealschule hatte bereits am Freitagabend den 17. eine Festfeier abgehalten, ebenso das Seminar und die Präparande. Sie fuhren am 18. nach Leipzig. Die höhere Mädchenschule und die Volksschulen feierten am 18., dem Festtage, vormittags. Am Sonntag den 19 Oktober, war morgens ein Festgottesdienst, an dem die Jugendwehr, Turnvereine, Krieger- und andere Vereine, Oberrealschule, Seminar, Präparande und die oberen Klassen der Volksschulen geschlossen teilnahmen. Am Abend gegen ½ 7 Uhr versammelten sich die oben genannten Vereine und Schulen zu einem Fackelzug durch die Straßen der Stadt, der auf dem Schützenplatz endete.
18. November
Am gestrigen Tage nachm. ½ 1 Uhr fand die Einweihung des Gutheilstiftes in Anwesenheit des Generalsuperintendenten D. Gennrich – Magdeburg, sowie des Regierungsrates Hoche – Merseburg als Vertreter des Regierungspräsidenten, des Herrn Landesrat Motte als Vertreter des Landeshauptmanns, der Landrat von Busse und zahlreicher Vertreter unserer Stadt und Stifter. Die Weiherede hielt der Generalsuperintendent.
2. Dezember
Der Stadtrat a. D. und Branddirektor Gustav Schulze begeht morgen das 50jährige Jubiläum als Mitglied und Führer der freiwilligen Feuerwehr in Delitzsch. Am 14. September 1838 hier geboren, trat er am 3. Dezember 1863 in die freiwillige Feuerwehr ein und brachte sie zu erfreulicher Entwicklung. Im Jahre 1868 übernahm er den Vorsitz des von ihm damals mitbegründeten Sächsisch-Anhaltinischen (jetzigen Merseburger Bezirks) Feuerwehrverbandes welchen er bis zur Bildung des Sächsischen Provinzialfeuerwehrverbandes im Jahre 1877 führte. Seit diesem Jahre, also bereits 34 Jahre lang steht er noch heute an der Spitze dieses Verbandes. Viele Auszeichnungen sind ihm im Laufe der Jahre zu teil geworden und seine Brust schmücken zahlreiche Orden und Verdienstkränze. Die hiesige Feuerwehr wird ihren verdienten Führer heute abend durch einen Fackelzug mit nachfolgendem Kommers im Schützenhause ehren. Morgen mittag findet ein Festessen im "Schwan" statt, an diesem werden zahlreiche Ehrengäste aus der Provinz teilnehmen.
7. Dezember
Die vom Stadtbauführer Kratsch eingeführte Bauweise "System Kratsch" nach welchem in der Roonstraße drei Grundstücke gebaut worden sind, hat jetzt auch die Anerkennung der Ausstellungsleitung der Gartenstadt-Ausstellung in Bromberg gefunden und ist zur Ausstellung in der technischen Abteilung bestimmt worden. Es handelt sich bei der Kratsch'schen Bauweise vornehmlich um eine Erweiterung des Korridors, wodurch gewissermaßen eine Diele geschaffen wird. Gestern fiel hier der erste Schnee, die Temperatur sank bis auf 5 Grad unter Null.
13. Dezember
Auch in unserer Stadt hat das Frauenturnen eine Pflegestätte gefunden. Es haben sich 2 Damenturnvereine gebildet. Der Damenturnverein I hält regelmäßig alle Mittwoche seine Übungsstunde in der städtischen Turnhalle ab.
16. Dezember
Am gestrigen Sonntag nachmittags setzte nach einem Regen ein Unwetter ein, das mit einem Gewitter verbunden war. Zwei grelle Blitze erhellten hintereinander das Firmament, denen auch zwei heftige Donnerschläge folgten. Ein strömender Regen setzte darauf ein, der zeitweise mit Hagel vermischt war.
1914
7. Januar
Die Stelle des Kontrolleurs bei der hiesigen Kreissparkasse wurde dem Sparkassen-Assistenten Binnemann aus Sangerhausen übertragen.
10 Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 1914 13346.
21. Januar
Heute Vormittag wurde von dem hiesigen Amtsgericht das Hausgrundstück Bismarckstraße 48 des Zimmermanns Wilhelm Oelschner meistbietend versteigert. Bestbietender blieb der Dachdeckermeister Robert Kittler mit einem Gebot von 19600 Mark. Der Zuschlag wurde sofort erteilt.
27. Januar
Dem Königl. Landrat von Busse ist der Titel eines Geheimen Regierungsrates verliehen worden.
14. Februar
Der Delitzscher Musikverein, die Seele des hiesigen Musiklebens veranstaltete in den letzten Tagen zwei auserlesene Musikabende. Im ersten Konzert kamen die letzte Symphonie Nr. in Cdur von Mozart, Jupiter-Symphonie genannt und die Symphonie Nr. 1 in Cdur von Beethoven zum Vortrag. Das zweite Symphonie Konzert hatte eine überaus große Anzahl Musikliebender in das "Schützenhaus" gezogen. Eine besondere Anziehungskraft besaß der Solist des Abends, Herr Professor Julius Klengel aus Leipzig, unbedingt einer der größten jetzt lebenden Cellovirtuosen. In allem, was er bot, zeigte er sich dann auch als Meister auf seinem Instrumente. Die Leitung der Konzerte hatte Seminarlehrer J. Klemke.
20. Februar
Infolge des anhaltenden Tauwetters und der Schneeschmelze führen die Mulde und deren Nebenflüsse enorme Wassermassen mit sich. Einer dieser Nebenflüsse, der Lober, welcher unsere Stadt durchfließt, ist im Wasserstand nahezu 75 cm gestiegen und vielerorts aus den Ufern getreten. Das Wasser hat große Landflächen überschwemmt, sodaß teilweise großer Schaden zu verzeichnen ist und Verkehrsstockungen zu befürchten sind.
26. Februar
Der Kreiskommunalverband Delitzsch hat das Eckgrundstück Markt – Schloßgasse von Tischlermeister Becker und das Nachbargrundstück Schloßgasse Nr. 1 von Kaufmann Költzsch – Leipzig käuflich erworben, da die Räumlichkeiten des Ständehauses für die verschiedenen Verwaltungen nicht mehr ausreichen.
1. März
Buchbindermeister Richard Krause hat das Hausgrundstück Breitestraße 22 von den Mylins'schen Erben käuflich erworben und wird sein Geschäft am 1. Oktober nach dort verlegen.
3. März
Die Preise für Saat- und Speisekartoffeln waren seit erdenklicher Zeit nicht so niedrig wie gerade jetzt. Infolge des sehr starken Angebotes wird von den Großhändlern nur ausnahmsweise gut ausfallende Ware aufgekauft, da die Jetztpreise noch weiter fallen sollen. Für die beste Ware wird knapp 1,40 Mark bis nahezu 1,90 Mark pro Zentner erzielt.
9. März
Der Anmarsch der Sachsengänger hat auf den größeren Gutsverwaltungen begonnen. Ein buntbewegtes Bild bieten daher wieder unsere Bahnhöfe, auf denen sie mit Extrazügen eintreffen und dann mit Geschirren nach ihren Bestimmungsorten gebracht werden. Während noch vor wenigen Jahren die Provinzen Posen und Schlesien meist die Sachsengänger lieferten, scharen sich jetzt auch schon Galizier, Ruthenen, Russisch-Polen u. a. in ihren bunten, oft merkwürdigen Trachten.
11. März
Die Verpachtung der städtischen Fischereinutzung fand heute im Stadtverordneten-Sitzungssaale statt. Es wurde verpachtet die Nutzung des Stadtgrabens und die Nutzung des Lobers von Elberitzmühle nördlich bis an die Fuhrt hinter der Naundorfer Mühle und von der Schenkenberger Grenze unterhalb der Dörfchenmühle bis zur Benndorfer Mühle. Bei der Gesamtverpachtung beider Nutzungen blieb Hotelbesitzer Mertzsch mit 105,- Mark.
16. März
Gestern verstarb hier der praktische Arzt Dr. Herold im 51. Lebensjahre. Die Stadtverordneten und Ärzte widmen ihm anerkennende Nachrufe.
17. März
Überall in der deutschen Turnerwelt hat man am 15. März den 100. Todestag des Heldenjünglings Karl Friesen würdig begangen. Die Delitzscher Turnervereinigung beging diese Gedächtnisfeier im "Bürgergarten". Mit dem Gesang des Knabenchors unter Leitung von Kantor Müller "Gruß an das Vaterland" und "Das Alte Barbarossa" wurde die Feier eingeleitet. Die Festansprache hielt Mädchenschulrektor Eichler. Der Redner zeichnete ein Lebensbild von Friedrich Friesen bis zu seinem Heldentode und hob besonders seine Bedeutung für das deutsche Turnwesen hervor. Nach Schluss der Rede wurde ein von Frl. Weißgerber in Kreide gemaltes lebensgroßes Bild Friesens im Rahmen der Turnervereinigung von der alten Herren-Riege des Turnvereins Delitzsch gewidmet übergeben, das in der Turnhalle seinen Platz finden soll.
21. März
Dr. med. Hans Kurtzhalß, der bisherige Vertreter des verstorbenen Dr. med. Herold, wird die Praxis des letzteren am 1. April übernehmen und hat auch dessen Haus käuflich erworben.
27. März
In nicht öffentlicher Sitzung der Stadtverordneten wurde nochmals zu den Unterschlagungen bei der hiesigen Stadthauptkasse durch Rudloff und Meley Stellung genommen. Die Untersuchungskommission beantragt, den Ersten Bürgermeister regreßpflichtig zu machen und ein Disziplinarverfahren gegen ihn bei der vorgesetzten Behörde zu beantragen. Der Antrag wurde von den Stadtverordneten gegen eine Stimme angenommen. Seminarlehrer Klemke hat eine Berufung nach Mühlhausen in Thür. erhalten und verlässt Delitzsch am 1. Juni. Er hat sich während seines Hierseins ums Delitzscher Musikleben große Verdienste erworben. Einen Dummenjungenstreich führten zwei ältere Schulknaben gestern nachmittag aus, indem sie in das infolge Anlegung einer Dampfheizung in der Marienstraße geöffnete Grabgewölbe derselben eindrangen und von mehreren dort liegenden alten Särgen die Deckelbretter ablösten, um nach Schmuck und Geld zu suchen. Ihr Treiben wurde beobachtet und die jugendlichen Frevler festgenommen.
31. März
Auch Allenstein ehrt unsern Schulze – Delitzsch. Die Allensteiner Vereinsbank, die in diesem Jahre ihr 50jähriges Bestehen feiern kann, wird aus diesem Anlaß der Stadt Allenstein einen künstlerischen Schulze–Delitzsch Brunnen stiften.
3. April
Baumschulenbesitzer Eduard Poenicke, Mitinhaber und Gründer der Firma "Ed. Poenicke u. Co." feiert morgen am 4. April sein 50jähriges Berufsjubiläum. Die "Deutsche Obstbauzeitung" das Organ des deutschen Promologen–Vereins widmet ihm aus diesem Anlaß einen längeren Porträtartikel und feiert ihn mit warmen Worten als einen der tüchtigsten Promologen.
7. April
Auf der großen Ausstellung für Tierschutz vom 3. – 5. April in Köln a./Rh. erhielt Heinrich Lobenstein von hier für seinen patentierten und überall lobend anerkannten Betäubungsapparat die silberne Medaille.
9. April
Die Familie Pareidt, seit dem Jahre 1506 in Delitzsch ansässig, hatte sich an der Nordseite der Marienkirche eine Familiengruft und darüber eine Kapelle errichten lassen. Nachdem am 25. Nov. 1860 das letzte Kind der Pareidt' schen Familie, die verwitwete Frau Gerichtsdirektor Pareidt im 81. Jahre gestorben und beigesetzt worden war, wurde vom Magistrat beschlossen, die Kapelle nicht wieder einer Familie zum Gebrauch beim Gottesdienst zu überlassen, sondern zu einem Leichenhause, das bisher fehlte, einzurichten. Der Eingang zur Gruft wurde zugewölbt und das nach der Kirche führende Fenster vermauert. Mit der Einrichtung eines Leichenhauses, über dessen Tür die Worte zu lesen sind: Memento mori (Denke ans Sterben) war einem für die Stadt wegen der Zunahme der Bevölkerung dringend gewordenen Bedürfnis abgeholfen. Bei der Wiederherstellung der Stadtkirche 1889/90 wurde der Hauptgottesdienst in der Marienkirche abgehalten. Da inzwischen der neue Friedhof mit Leichenhalle angelegt war (1877/78) hatte die ehemalige Pareidt'sche Kapelle ihre Bedeutung als Leichenhaus verloren, und so rüstete man diesen Raum her zu einer Sakristei, zu welchen Zwecke eine Tür nach dem Innenraum der Kirche eingebrochen werden mußte. Bei der jetzt vorgenommenen Erneuerung soll die Marienkirche auch mit Zentralheizung versehen werden und muß für die Ofenanlagen jene Gruft benutzt werden. Die darin befindlichen Särge wurden deshalb auf dem alten Friedhof beigesetzt.
18. April
Der Regierungspräsident hat durch den an den Stadtverordneten–Vorsteher ergangenen Bescheid vom 11. April 1914 den Antrag der Stadtverordneten–Versammlung auf Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens gegen den Ersten Bürgermeister abgelehnt, da von den hierzu erforderlichen Voraussetzungen unter den obwaltenden Umständen keine Rede sein kann.
8. Mai
Der Besitzer der Seifenfabrik, Breitestr. 24, Herr Fuhrmann hat die Dampffärberei und chemische Waschanstalt des Herrn. A. Kuppler, Marienstraße 3, mit dem 1. Mai übernommen.
14. Mai
Die Fischerei-Verpachtung des Lobers und Stadtgrabens, soweit beide Nutzungen Eigentum der Stadt sind, hat eine Veränderung erfahren, da Hotelbesitzer Mertzsch von der Pacht zurückgetreten ist. Bei der heutigen Abgabe der Gebote für beide Nutzungen blieb Kantor emer. Lucas mit 189 Mark Bestbietender.
15. Mai
Heute morgen traf ein Automobil des Bischof der katholischen Kirche Dr. Josef Karl Schulte aus Paderborn in hiesiger Stadt ein, um etwa 200 Firmlingen die heil. Firmung zu spenden. Bereits 2 Stunden nach seiner Ankunft trat er seine Weiterreise im Automobil an. Der Bischof ist wiederholt unter den Kandidaten des fürstbischöflichen Stuhles um Breslau genannt worden.
25. Mai
Die Jugendwehr Delitzsch – Jungdeutschland – unternahm am Himmelfahrtstage eine Tageswanderung mit Biwak und Abkochen nach Rösa. Am Abend vor Himmelfahrt zogen bereits gegen 100 Mann mit klingendem Spiel und dem Gesang froher Marschlieder zur Stadt hinaus. Hinter dem Bahnübergang an der Dübener Straße wurde die Abteilung von vier Geschirren erwartet, um sie über Werben und Laue nach Sausedlitz zu bringen. Hier wurden die Geschirre gewechselt. Nachdem ein kurzes Ständchen der Kapelle, das Herrn Amtmann Schmidt für das Stellen der Geschirre dargebracht wurde, verklungen war, ging's über Löbnitz zur Muldenfähre. Bei Fackelschein und Marschmusik wurde übergesetzt und nach ½ stündigem Marsche der Biwakplatz bei Rösa erreicht. Hier gab es eine kräftige Erbsensuppe mit von der Firma Lud. Dietze - Delitzsch gestifteten Würstchen und es begann nun ein frohes Biwakleben. Inzwischen war Jungdeutschland Roitzsch im Biwak eingetroffen freudig von den schon Anwesenden begrüßt. Der Zapfenstreich erklang und mahnte zur Ruhe im Lager. Die Jungmannschaften begaben sich in die bereitgestellten Zelte. Am anderen Morgen, dem Himmelfahrtstage, war alles schon frühzeitig wach. Jetzt erschienen noch eine Anzahl Jungmannschaften von Delitzsch und Umgegend, die am Vorabend noch nicht mit hatten ausrücken können. Der Weitermarsch ging über Plodda und Schlaitz nach Burgkemmnitz. Nach einstündiger Rast ging es dann weiter an Muldenstein vorbei über Friedersdorf nach Große Mühle, wo abgekocht wurde. Nach mehrstündiger Ruhe wurde der Rückmarsch angetreten, der über Niemegk, Forsthaus Zöckeritz, Paupitzsch, Benndorf nach Delitzsch führte. Um ½ 9 Uhr rückte Jungdeutschland mit klingendem Spiel wieder in Delitzsch ein. Zwar staubbedeckt, doch mit roten Wangen und leuchtenden Augen marschierten die Jungmannschaften von einer großen Menschenmenge begleitet stramm durch die Straßen der Stadt bis zum Markt.
26. Mai
Hierorts hat sich vor einiger Zeit eine Tennisgesellschaft gebildet, welche sich die Aufgabe stellte, den Tennissport zu pflegen. Die Stadt hat der Gesellschaft zur Ausübung dieses Sports ein geeignetes Gelände an der Stadtpromenade zwischen Stadtmühle und Schloß zur Verfügung gestellt. Hier wurden nun zwei Tennisplätze errichtet. Die Einweihung der fertig gestellten Tennisplätze fand nun am Sonntag den 24. Mai statt. Es waren dazu Sportfreunde und alle interessierten Kreise eingeladen. Es hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden. In einer Ansprache an die Versammelten dankte Fabrikbesitzer Max Härtel, welcher die Geschäftsleitung der Gesellschaft führt, dem Magistrat und den Stadtverordneten für ihre Unterstützung an der Verwirklichung des Bauplanes. Er führte weiter aus, daß zur Herstellung der zwei Plätze außer einer großen Menge Auffüllungsmaterial ungefähr 2000 Zentner Steinguß und ungefähr 1000 Zentner Chausseeabzug gebraucht worden sind. Die Plätze haben eine Länge von je 40 Meter und eine Breite zusammen von 31 Meter. Er lud die interessierten Kreise zur regen Beteiligung dieses schönen gesunden Sports ein.
22. Juni
Sonnabend den 20. und Sonntag den 21. Juni fand hierorts das 4. Turnfest des Sorbengaues statt, das sich zu einem großartigen Feste gestaltete. Der Sorbengau umfaßt einen Teil des Turnkreises 3c der deutschen Turnerschaft und zählt jetzt 48 Vereine mit 3005 Mitgliedern (gegen 25 Vereine mit 2000 Mitgliedern im Jahre 1906). Am Sonnabend trafen bereits Gäste von auswärts ein. Von abends 8 ½ Uhr ab war ein Begrüßungsabend im "Bürgergarten". Die Stadtkapelle eröffnete den Abend mit dem Turner Festmarsch. Die Turnlehrerin Frl. Reime sprach einen Prolog und der Gauvertreter Stadtverordneter Hampe hielt an die Erschienenen eine Begrüßungsansprache. Es sprach sodann der Landrat von Delitzsch, Geh. Regierungsrat von Busse, und die Festrede hielt der Rektor der höheren Mädchenschule Eichler. Sonntag morgen versammelten sich die Wettturner bereits um 7 Uhr auf dem städtischen Sportplatz am Schützenhof. Gegen Mittag war das Wettturnen, dem eine ganze Anzahl Zuschauer beiwohnten zu Ende. Um ½ 2 Uhr traten die inzwischen eingetroffenen auswärtigen Turnvereine, von Musikkapellen empfangen, mit den hiesigen auf dem alten Schützenplatz zum Festzuge an. Dieser setzte sich um ½ 3 Uhr in Bewegung und nahmen an ihm 38 Vereine mit 30 Fahnen teil. Im Festzuge waren 4 Musikkapellen. Nach 1 stündigem Marsch kam die Spitze des Festzuges auf dem Festplatze am Schützenhofe an. Als alles versammelt war hielt Erster Bürgermeister Rampoldt vom Balkon des Schützenhofes eine Begrüßungsansprache. Hierauf hielt der Gauvertreter Herr Hampe die Festrede. 212 Turner traten dann in Gruppen zu Freiübungen auf dem geräumigen Sportplatze an, ebenso wurde das Wettturnen vom Morgen zu Ende geführt. So rückte der Abend heran, als alles vollendet war. Viele auswärtige Vereine rückten nun zum Bahnhof ab, viele blieben hier und beschlossen den Abend mit dem Festball im Schützenhof und Schützenhause.
28. Juni
Heute morgen ½ Uhr wurden zwei einige Sekunden währende, ziemlich kräftige Erdstöße verspürt. Die Erschütterung war von einem lauten donnerähnlichen Getöse begleitet. Die Stöße erfolgten von Süden nach Norden. Das Zittern der Häuser und das Getöse war so ähnlich, wie die Erschütterung beim raschen Fahren eines sehr schweren Lastkraftwagens über Pflaster. Durch den Erdstoß wurden Möbel gerückt und die Fenster klirrten, so daß ein Teil der Bewohner aus dem Schlafe aufschreckte. Besonders in den Leipziger Vororten machte sich das Erdbeben stark bemerkbar und verursachte ein deutliches Schwanken des Bodens. Auch aus zahlreichen anderen Städten Sachsens, sowie aus Thüringen und Anhalt liegen Meldungen über das Erdbeben vor.
30. Juni
Die Stadtverordneten beschäftigen sich heute mit dem Durchbruch der Bismarckstraße nach der Holzbrückenstraße zu. An der Kohlstraßen- und Bismarckstraßenecke gibt es oft lebensgefährliche Situationen besonders, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Um diese Zeit muß dort ein Polizist aufgestellt werden, der für Ordnung sorgt. Ein Durchbruch steht ja fest, doch bei der gegenwärtigen Finanzlage der Stadt muss dieser Plan in diesem Jahre noch zurückgestellt werden, da noch wichtigere Aufgaben zu lösen sind.
6. Juli
Am gestrigen Sonntag fand die Fahnenweihe des Vereins ehem. 27. Delitzsch und Umg. statt. Die eigentliche Eröffnung der Festlichkeiten bildet am Vorabend der Festkommers. Die Musik dazu wie auch zum Fest am Sonntag wurde gestellt von der vollzähligen Regimentskapelle der 27. unter persönlicher Leitung des Musikdirektors Hellmann aus Halberstadt. Den Höhepunkt des Sonntages bildete der Festzug der über 1300 Teilnehmer mit 49 Fahnen zählte und dessen Vorbeimarsch 10 Min. dauerte. Der Weiheakt vollzog sich auf dem Marktplatz vor dem Kriegerdenkmal. Die Weiherede hielt Superintendent Schäfer. Die weiteren Festlichkeiten fanden im Bürgergarten statt, wo auch schon am Vorabend der Festkommers abgehalten wurde.
10. Juli
Die Einwohnerzahl betrug am 1. Juli 13312.
18. Juli
Das goldene Meisterjubiläum feiert heute Schlossermeister Wilhelm Sander, Pfortenplatz wohnhaft, in körperlicher und geistiger Frische. Eine Deputation der Schlosser- und Klempner-Innung überbrachte dem Jubilar die Glückwünsche der Innung.
27. Juli
Auf Anregung der Delitzscher Jugendwehr fand am gestrigen Sonntag nachmittag 4 Uhr am Leipziger Völkerschlacht-Denkmal eine Jungdeutschlandfeier statt, an der Jugendwehren, Wehrkraftvereine und Pfadfinderkorps aus Halle, Dessau, Merseburg, Bitterfeld, Altenburg, Eilenburg, Delitzsch, Torgau, Düben, Roitzsch und Leipzig teilnahmen. Vom Bahnhof aus, wo man sich sammelte, marschierten die Vereine mit der Musikkapelle der Delitzscher Jugendwehr an der Spitze über den Augustusplatz nach dem Völkerschlacht-Denkmal. Hier fand eine erhebende Erinnerungsfeier statt. Mit den Abendzügen kehrten die einzelnen Wehren in ihre Heimat zurück.
3. August
Schon seit Tagen bestand die Gefahr, daß Deutschland, infolge des entstandenen schweren Konfliktes zwischen Österreich und Serbien, der nicht friedlich beigelegt werden konnte, als Verbündeter Österreichs in den Konflikt mit hineingezogen würde. Am Sonnabend den 1. August abends um 6 Uhr kam die entscheidende Kunde: Allgemeine Mobilmachung für Landheer und Marine! Schnell belebten sich die Straßen und ein eifriges Debatieren begann. Erfreulicherweise klang aus allem hin und her des Reden die Hoffnung auf Sieg, stolzes Vertrauen auf unser Heer und unsere Marine. Morgen, Dienstag früh 9 Uhr, findet in der Stadtkirche eine Kriegsbetstunde statt, woran sich für die Einberufenen und ihre erwachsenen Angehörigen Beichte und Abendmahlsfeier anschließt. Gestern wurde ein russisches Ehepaar, das sich auf der Hochzeitsreise befand und in der "Linde" Wohnung genommen hatte, einem polizeilichen Verhör unterworfen. Der Ehemann ist russischer Reserveoffizier und stammt aus Reval, die Ehefrau ist Deutsche und die Tochter eines General-Majors aus Berlin. Das Ehepaar wurde an der Weiterfahrt gehindert und befindet sich weiter im Hotel "Zur Linde" unter polizeilicher Beobachtung. Der Chauffeur wurde in Schutzhaft genommen, weil die Überwachung sonst eine so schwere ist. Russische Offiziere und Agenten bereisen in großer Zahl unser Land. Die Sicherheit des deutschen Reiches fordert, daß aus patriotischem Gefühl heraus neben den amtlichen Organen das gesamte Volk unbedingt mitwirkt, solche gefährlichen Personen unschädlich zu machen.
5. August
In große Aufregung wurde unsere Einwohnerschaft heute mittag durch das Läuten der Sturmglocken versetzt. Man nahm erst an, daß ein Feuer ausgebrochen sei, zumal sich die Freiw. Feuerwehr sammelte. Bald verbreitete sich aber das Gerücht, eine Anzahl französischer Automobile, mit Gold beladen und auf dem Wege nach Russland, kämen durch unsere Stadt und solle festgehalten werden. Zu diesem Zwecke fuhr man Wagen quer über die Straßen. So wurden sämtliche Straßen abgesperrt und mit Posten versehen. Jedes kommende Auto wurde einer genauen Durchsuchung unterzogen. Auch andere Wagen mussten sich erst ausweisen.
12. August
Gestern fand eine Notprüfung an der Oberrealschule statt, der sich 13 Prüflinge unterzogen und die auch bestanden haben. Dieselben werden alle in das Heer eingestellt. Auch am Seminar wurde die Not-Entlassungsprüfung mit den 24 militärtauglichen Zöglingen der 1. Klasse abgehalten. Sämtliche Prüflinge bestanden und sind als Kriegsfreiwillige in das Heer eingetreten. Auch viele Zöglinge der 2. und 3. Seminarklasse melden sich als Freiwillige. Das hier vor kurzer Zeit in der Linde festgehaltene russische Ehepaar hat die Erlaubnis erhalten, bei dem Vater der Ehefrau, Generalmajor z. D. Hirschberg in Wilmersdorf Wohnung zu nehmen. Auch der Chauffeur kann mit dem Auto nach Wilmersdorf abreisen. Hier hat sich ein Mobilmachungsausschuss gebildet der unter dem Vorsitz von Stadtrat Freyberg. Er hat sich die verschiedensten vaterländischen Aufgaben gestellt, soweit sie unsere Stadt betreffen.
17. August
Seit längerer Zeit stellt unsere Schützengilde Wachen zur Sicherung der Bahnen. Da die Mitglieder meistenteils Geschäftsleute und Handwerker sind, die auch zu Hause nach dem Rechten sehen müssen, so bereitet es Schwierigkeiten, jeden Tag die genügende Anzahl Wachen zu stellen. Es werden daher alle Bürger, die abkommen können, gebeten, die Gilde beim Bahnbewachungsdienst zu unterstützen.
22. August
Liebesgaben aller Arten werden nun auch in unserer Stadt erbeten, Gaben für die Verwundeten und Kranken aber auch für die Truppen im Felde.
24. August
Die Sammlungen für das Rote Kreuz sind auch hier im Gange und ergeben gute Erfolge, und doch sind die Beträge gering, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Ausdehnung der Krieg hat und welche Opfer er fordert.
26. August
Als Liebesgaben für unsere verwundeten Soldaten in den Lazaretten sind auch Bücher als Lesestoff sehr willkommen.
1. September
Auf Anordnung des Kultus-Ministeriums soll in diesem Jahre in den Schulen die Feier des Sedantages nicht stattfinden. Damit wäre wohl die Feier des Sedantages für immer abgetan. Nun sind auch bereits einige Verlustlisten aus dem Kriege bekannt gegeben worden. In denselben sind auch einige Verwundete und auch Tote aus Delitzsch enthalten. Der Stadtchronist Lehrer Oskar Reime hat eine ausführliche Kriegschronik angefertigt, beginnend mit dem 1. August 1914, welche auch eine Ehrentafel der Gefallenen der Stadt Delitzsch enthält. Da diese Chronik sich auch im Stadtarchiv von Delitzsch befindet, erübrigt es sich hier auf die unsere Stadt berührenden wichtigeren Vorkommnisse dieser Kriegszeit einzugehen. Es wird hiermit auf diese Kriegschronik hingewiesen. Nur stichwortartig soll auf besonders wichtige Kriegsereignisse, die mit unserer Stadt in Verbindung stehen, hingewiesen werden, und sonst sollen alle anderen wichtigen Vorkommnisse der Stadt während der Kriegszeit hier weiter Aufnahme finden.
20. September
Am 16. September starb unerwartet am Herzschlag auf seinem Gute Uyst in der Oberlausitz, wo er seit wenigen Tagen weilte unser Landtagsabgeordneter der hiesige Walzenmühlenbesitzer Franz Heinrich Bauer. Die Beerdigung fand heut Nachmittag hierselbst statt.
30. September
Mit dem 30. September tritt der Erste Bürgermeister Rampoldt unter der Bedingung in den Ruhestand, daß ihm Weiterungen aus dem Falle Rudloff-Meley erspart bleiben sollen. Nach der heutigen Magistratssitzung verabschiedete er sich von den Mitgliedern des Magistrats und sodann von den städtischen Beamten. Namens des Magistrats sprach Bürgermeister Grüneberg und namens der städtischen Beamten Stadtsekretär Fricke herzliche Abschiedsworte, wofür der Erste Bürgermeister in bewegten Worten dankte.
1. Oktober
Branddirektor Schulze hat die Ehrenmitgliedschaft des Französischen, des Englischen und des Belgischen Feuerwehrverbandes, sowie des Englischen Feuer-Verhütungs-Komitees nieder- und die ihm vom Frankreich verliehene Ehren-Medaille abgelegt.
18. Oktober
Bei der heute morgen stattgefundenen Zwangs-Versteigerung des Max Wehle'schen Hausgrundstücks blieb Kaufmann Hintzelmann Ersteher.
27. Oktober
Justizrat Schulze, dessen einziger Sohn kürzlich auf einem Patrouillengange gegen die englischen Stellungen an der Aisne gefallen ist erhielt am Montag abend folgendes Telegramm vom Felde zugestellt:
"Seine Majestät der Kaiser hat heute am Grabe Ihres Sohnes Blumen niedergelegt.
Golde, vertr. Adjutant, Regiment 48".
29. Oktober
Über die bevorstehende Verordnung des Bundesrats hinsichtlich des Zusatzes von Kartoffelmehl bei der Brotzubereitung erfährt man, daß der Bundesrat vorschreiben wird, daß mindestens 5% Kartoffelmehl bei der Zubereitung von Brot zu verwenden sind. Werden bis 20% Kartoffelmehl beigemengt, dann muß auf dem Brot ein –K- angebracht werden. Werden jedoch über 20% Kartoffelmehl verwendet, so muß außer dem K auch der Prozentsatz des vermischten Kartoffelmehls angegeben werden. Diese Verordnung wird in 14 Tagen in Kraft treten.
11. November
Am Montag den 11. d. Monats fand im Gasthof zum "Schwan" die Einberufung einer öffentlichen Versammlung statt zwecks Bildung einer hiesigen Ortsgruppe des Mitteldeutschen Verbandes zur Verbreitung wahrer Kriegsnachrichten im Ausland. In den Vorstand wurden gewählt Justizrat Klang als Vorsitzender und drei Beisitzer: Pastor Döhlert, Oberlehrer Schmiedeberg und Kreisausschußsekretär Gundermann.
16. November
Die hiesige Winterschule ist auf Anordnung der Behörde für diesen Winter geschlossen worden, da nicht nur Landwirtschaftsdirektor Conradi, sondern auch die meisten Schüler und Lehrervertreter im Felde stehen.
20. November
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde beschlossen die Zahl der Stadtverordneten von 24 auf 30 und die Zahl der unbesoldeten Magistratsmitglieder von 4 auf 6 zu erhöhen. Ferner soll eine juristische Hilfskraft angestellt werden. Die Pacht des Landwirts Hönicke, der das Stadtmühlengrundstück von der Stadt gepachtet hat, wird bis zum 31. Dezember 1917 verlängert.
12. Dezember
Bei der gestrigen Stadtverordneten-Ersatzwahl wurden gewählt in der 1. Abteilung Kaufmann Max Beyer und Otto Gotsch, in der 2. Abteilung Kaufmann Otto Freitag, in der 3. Abteilung Zimmermann Otto Mitzschke.
16. Dezember
Das 1 ½ Jahr alte Söhnchen des Kaufmanns G. Bohnsack fiel gestern nachmittag während eines unbeobachteten Augenblicks in ein Wasserbassin. Trotzdem dieses nur etwa 20 cm hoch Wasser enthielt, verschied der Kleine – Ein Herzschlag hatte seinem Leben wohl ein Ende bereitet.
24. Dezember
Die in der Bismarckstraße 18 wohnhafte geschiedene Frau Hampe hat sich in ihrer Wohnung vor 3 Tagen erhangen. Der Grund dazu dürfte in einem langwierigen Nervenleiden zu suchen sein. Der Vorfall ist erst heute bemerkt worden, da es dem Besitzer des Grundstücks auffiel, daß Frau H. sich mehrere Tage nicht hatte sehen lassen.
1915
5. Januar
Durch die vorjährigen Unterschlagungen in der Stadthauptkasse hatte sich die Schaffung eines besonderen Rechnungsbüros im Rathaus erforderlich gemacht, demzufolge mußte eine anderweitige Verteilung und Erweiterung der Geschäftsräume vorgenommen werden. Das Gebäude in der Ritterstraße wurde für Bürozwecke neu her- und eingerichtet. Es wird darauf hingewiesen, daß die Kriegsereignisse, welche die Stadt Delitzsch in Sonderheit berühren in der Kriegschronik von Oskar Reime enthalten sind. (siehe Sept. 1914)
10 Januar
Der Kinderhort mit Beginn der Schule seine Arbeit auch wieder aufgenommen. Er wird jetzt von mehr als 70 Kindern besucht, so daß keine mehr Aufnahme finden können.
15. Januar
Mit dem heutigen Tage ist laut Bekanntmachung der hiesigen Bäckerinnung der Mehlverbrauch eingeschränkt. Die Nachtarbeit der Bäcker wird verboten. Das Backen von weißer Ware folgt am Vormittag und das Austragen am Nachmittag für den folgenden Tag. Es wird in Zukunft kein frisches Brot mehr ausgegeben, es muß schon 24 Stunden alt sein. Die Zugaben von Gebäck auf Brot kommen in Wegfall.
17. Januar
Es wird auf die Verwendung von alten Kleidungsstücken für Kriegszwecke hingewiesen. In einem Aufruf werden auch die Bewohner der Stadt Delitzsch gebeten alle alten Sachen an die Sammelstelle Bitterfelder Straße 14 abzuliefern. Die Sachen werden auch abgeholt.
27. Januar
Mit dem 1. Februar tritt Beschlagnahme der Vorräte von Weizen, Roggen, sowie von Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl ein.
17. Februar
Da von heute ab die Fleischversorgung eingeschränkt wird, wird die Bevölkerung durch Inserate und sonstige Bekanntmachungen aufgefordert sich mit Dauer-Fleischwaren und Dauerwurst zu versorgen. Auf eine 40jährige Tätigkeit bei der hiesigen Firma Franz Naumann, Großdestillation, kann heute der Geschäftsführer Hermann Jacob zurückblicken. Am 15. Februar 1875 trat der Jubilar als junger 20jähriger Gehilfe beim Gründer der Firma, Franz Naumann ein und bewahrte auch den weiteren drei Inhabern, Paul Schmidt, Karl Bär und Rich. Köthnig eine seltene geschäftliche Treue.
18. Februar
Ein Sohn unserer Stadt, Franz Pfordte, der es durch seine Tüchtigkeit zu etwas gebracht hat, vollendete in diesen Tagen seinen 75. Geburtstag. Sein Vater war der Schneidermeister Ferdinand Pfordte hier, der 1807 geboren, 1877 ins Hospital zog und dort am 19. März 1895 starb. Sein Sohn Franz Pfordte ist 1840 in Delitzsch geboren, gelangte als Jüngling 1858 nach Hamburg und trat bei Wilckens, in dem damals weitbekannten Lokal "Wilckens Keller" als Volontär ein. Im Jahre 1866 wurde Pfordte Teilhaber der Firma Wilckens. Zwölf Jahre später wurde Pfordte der Nachfolger Wilckens. Die Firma trug jetzt seinen Namen und wurde von jetzt ab der Sammelpunkt der vornehmen Welt. Das Haus Pfordte hat seitdem seinen internationalen Ruf begründet. Er wirtschaftete hier 31 Jahre von 1878 bis 1909 um dann in das Haus "Atlantic" zu ziehen. Heute feiert Franz Pfordte seinen 75. Geburtstag. Er blickt auf ein in einfachen Bahnen verlaufenes, aber in seiner Art sehr reiches Leben zurück. In seinem Beruf hat er das Höchste erreicht. Kaum eine Fürstlichkeit oder sonstige Notabilität gibt es, die nicht zu irgendeiner Zeit das Restaurant Pfordte besucht hätte. Franz Pfordte ist jetzt 56 Jahre in seinem Gewerbe tätig.
21. Februar
Heute Vormittag 11 ½ Uhr fand hierselbst die feierliche Übergabe des "Lazarettzuges der ländlichen Kreise der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt" statt. Während des ganzen heutigen Sonntags steht der Zug in Delitzsch zur Besichtigung. Morgen, den 22. Februar kann er in Halle auf dem Güterbahnhof, Delitzscher Straße, angesehen werden.
3. März
Es wird nochmals zur Sammlung von Metallen aufgerufen. Gewünscht wird besonders Kupfer, Messing, Blei, Zinn, Zink, Aluminium.
4. März
Vom 8. März ab wird auch in Delitzsch die Brotkarte eingeführt.
8. März
In ganz Sachsen haben die Flüsse Hochwasser. Auch unser Lober führt Hochwasser. Infolge der anhaltenden Regengüsse am Ende voriger Woche ist der Lober über seine Ufer getreten und hat die angrenzenden Wiesen überschwemmt. Der Zugang zur Elbritzmühle von den Elbritzwiesen aus war am gestrigen Sonntag unterbrochen.
10. März
Der Militärverein Delitzsch und Umgegend beschloß in seiner Märzversammlung, den größten Teil seines nicht unerheblichen Vereinsvermögens zur zweiten Kriegsanleihe zu zeichnen. Der auf Urlaub weilende Ehrenvorsitzende Hauptmann Dr. Kunze erzählte stundenlang in lebensvoller, klarer, packender und anschaulicher Weise von der Kriegsführung im Osten und von seinen persönlichen Eindrücken und Erlebnissen in den preußischen Grenzlanden. Der Gewerbeverein veranstaltete gestern im "Stadt Leipzig" einen Lichtbildervortrag über den östlichen Kriegsschauplatz. Wundervoll kolorierte Bilder unterstützten den allgemein verständlichen Vortrag des Vorsitzenden Fortbildungsschullehrer Scharruhn.
13. März
Der Eisenbahnverein veranstaltete im Schützenhof seinen zweiten Vortragsabend an welchem der Rechnungsrevisor Reinhardt von der Königl. Eisenbahndirektion Halle a. S. über die Volksernährung im Kriege sprach. Der Monatsappell "Ehemaliger 27er" fand am 7. d. Monats im "Fürst Bismarck" statt. Es wurde beschlossen, aus dem Vereinsvermögen die im Felde stehenden bedürftigen Kameraden bzw. ihre Angehörigen daheim zu unterstützen. Nach einer amtlichen Bekanntmachung des Magistrats wird am 15. d. Monats eine Erhebung über die Vorräte an Kartoffeln vorgenommen.
14. März
Im Kreis Delitzsch ist trotz des Krieges durch Überwindung vieler Schwierigkeiten die normalspurige Kleinbahn von Crensitz nach Crostitz bis zur Staatsbahnstation Rackwitz an der Strecke Bitterfeld-Leipzig fortgeführt. Der Bau ist soweit vollendet, daß der Personen- und Güterverkehr am 1. April 1915 aufgenommen werden soll. Die gesamte Bahn ist 11 km lang und verbindet die Strecken Halle-Falkenberg mit der Strecke Bitterfeld-Leipzig.
15. März
Infolge der erneuten Regenfälle führt der Lober seit Sonnabend zum zweiten Male innerhalb 8 Tagen Hochwasser. Viele Wiesenflächen waren gestern überschwemmt und glichen teilweise einem großen See.
25. März
Wieder wird unter der geschickten Leitung des Stadtrates Thalemann ein verwahrloster Teil unseres alten Gottesackers verschönert. Altes Gestrüpp fällt; schöne Rosenflächen und Promenadenwege werden angelegt und ein längst gehegter Wunsch des Publikums geht in Erfüllung. Ein neuer bequemer Zugang vom Schäfergraben aus wird geöffnet. Der alte Gottesacker mit seiner schönen erneuerten Marienkirche soll eine Zierde unserer Stadt werden.
2. April
Zur Erinnerung an den 100. Geburtstag unseres verstorbenen Altreichskanzlers Otto von Bismarck fanden gestern im Schützenhause und auch im Schützenhofe Bismarckfeiern statt. Beide Säle waren von Besuchern überfüllt. Im Schützenhause war die allgemeine Feier. Hier hatten sich die vereinigten Männerchöre der Stadt, Abendstern, Arion, Eisenbahnverein, Harmonie, Schulze Delitzsch Liedertafel zur Verfügung gestellt. Pastor Ruhmer hielt die Festrede, Superintendent Schäfer das Schlußwort. Die Bismarckfeier im Schützenhofe war von der Delitzscher Turnervereinigung veranstaltet worden. Hier kam mehr die Jugend zur Geltung. Kantor Müller verschönte hier die Feier durch Gesänge von Knaben und Mädchen. Der Vorsitzende Hampe hielt die Festrede. Zur Erinnerung an den denkwürdigen Tage wurde am gestrigen Nachmittag 5 Uhr eine Bismarckeiche in unserer Stadt gepflanzt. Die Eiche, die aus dem Sachsenwald stammt, erhielt ihren Standort auf der Wiese am Schulwege jenseits des Lobers an der Badeanstalt.
3. April
Auf eine ununterbrochene 25jährige Tätigkeit bei der Firma Ernst Freyberg hierselbst konnte am 1.4. d. J. Buchhalter Sachtler zurückblicken.
21. April
Der Verschönerungsverein beschloß in seiner gestrigen Sitzung im Schwan u. a. die Aufstellung einiger unzerstörbarer Betonbänke am Loberwege, da gerade hier Bubenhände immer wieder leichter zerstörbare Holzbänke schon wiederholt vernichtet haben. Die Bevölkerung soll die Anlagen und die dazu gehörigen Gegenstände in ihren Schutz nehmen und Frevler rücksichtslos zur Anzeige bringen.
28. April
Im Stakenweg fiel in vergangener Nacht eine Gartenmauer von etwa 10 m Länge ein. Die Regengüsse der letzten Zeit haben die Lehmmauer unterwaschen und den Einsturz verursacht.
12. Mai
Gegen die Zerstörung unserer Anlagen, die ja augenblicklich in vollster Schöne prangen richtet sich eine Bekanntmachung unserer Stadtverwaltung. Man sollte es nicht für möglich halten, daß sich ein Mensch an dem für unsere Bürgerschaft geschaffenen herrlichen Werke vergreift. Leider gibt es doch solche verabscheuungswürdigen Täter; sie sind wohl besonders unter den unreifen Burschen zu suchen, die jetzt allabendlich Straßen und Promenaden unsicher machen und sogar die Passanten in frecher Weise belästigen. Eltern, Erzieher und Lehrmeister sollten es sich angelegen sein lassen, ihnen die schlechten Triebe abzugewöhnen.
22. Mai
Heute sind es 100 Jahre, daß Delitzsch preußisch geworden ist. Bürgermeister Ideler ließ das Königl. Patent wegen Besitzergreifung des mit der preußischen Monarchie vereinigten Anteils von Sachsen öffentlich anschlagen. Für das verstorbene Mitglied des Hauses der Abgeordneten Walzenmühlenbesitzer H. Bauer – Delitzsch fand heute Mittag im Gasthof zum Schwan hier die Ersatzwahl statt. Von allen wahlberechtigten 297 Wahlmännern wurde Regierungspräsident von Werder – Sagisdorf einstimmig gewählt. Am 22. Mai 1855 errichtete der verstorbene Konditor Franz Lampe hier eine Konditorei, die im Jahre 1891 auf seinen Sohn Konditor Hermann Lampe überging, der somit heute auf ein 60jähriges Bestehen seines bei jung und alt wohlbekannten Geschäfts zurückblicken kann.
22. Juni
Der 1886 und 1887 angelegte Teil für Kindergräber auf dem Friedhof soll umgearbeitet werden, da das Nutzungsrecht jetzt verjährt. Wer die Gräber weiter pflegen will, hat eine Verlängerung des Nutzungsrechts beim Magistrat zu beantragen.
26. Juni
Nach einer wochenlangen Dürre und Hitze spendet heute der Himmel endlich das lang ersehnte Naß. Gegen Mittag brachte ein einstündiger Regen die ersehnte Erquickung, die Fluren und Gärten recht dringend benötigen. Viele Gartenpflanzen sind bereits abgestorben. Hoffentlich kommt weiterer Regen.
12. Juli
Im Bürgergarten fand gestern zu Ehren des Grafen Zeppelin, der gestern seinen 75. Geburtstag vollendete eine besondere Feier statt durch Ansprachen, kleine Vorträge, Gesang und Turnvorführungen, zu der sich ein großes Publikum eingefunden hatte.
13. August
Rektor Reulecke von hier, der sich durch Abfassung mehrerer gut geschriebener Kriegsromane, sowie neuerdings durch seine Liedersammlung "Deutsche Helden in deutschem Lied" einen Namen gemacht ist auf Grund dieser schriftlichen Arbeiten vom Oberbefehlshaber Ost Feldmarschall von Hindenburg die Genehmigung zur Reise an die Ostfront erteilt worden, damit er für eine gegenwärtig im Begriff genommene sowie für spätere Arbeiten Eindrücke sammeln und den Krieg aus eigener Anschauung kennen lerne.
20. August
Am 18. August waren es 75 Jahre, daß die Eisenbahn Magdeburg-Halle-Leipzig eröffnet wurde. Der eingleisige Betrieb hatte viele Mängel, die uns heute, im Zeitalter der Elektrizität, komisch anmuten. Die Bahn ist damals viel befeindet worden, heute ist der Verkehr ohne Eisenbahn unmöglich, ja äußerst segensreich. Den Beweis hierfür erbrachte die Mobilmachung in den ersten Augusttagen des vorigen Jahres.
10. September
Landrat Geh. Regierungsrat von Busse und seine Gemahlin haben dem Kreise Delitzsch unter dem Namen "von Busse-Klamroth-Stiftung" ein Kapital von 100000 Mark überwiesen. Die Zinsen dieser reichen Spende sollen nach dem Willen der hochherzigen Spender zum Besten bedürftiger Kriegsteilnehmer und ihrer Familien oder Hinterbliebenen verwendet und es sollen besonders auch kleine Landwirte, Handwerker und Geschäftsleute berücksichtigt werden, die durch den Krieg wirtschaftlich geschädigt sind. Die Verwaltung der Stiftung ist dem Kriegsausschuss übertragen, in dessen letzter Sitzung die Stiftungs-Urkunde überreicht wurde.
11. September
Die Schulze-Delitzsch Stiftung zur Errichtung von Fortbildungskursen für ältere Kleingewerbetreibende, Arbeiter, Landwirte, kleine Beamte und geschäftlich tätige Frauen, die von der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung verwaltet wird, hat sich in der Weise in den Dienst der Kriegshilfe gestellt, daß sie aus ihren Mitteln die in Lazaretten, Genesungsheimen und anderen Orten veranstalteten Lehrkurse für Kriegsbeschädigte mit Lehr- und Übungsbüchern unterstützt. Die Stiftung stellt den Leitern dieser Kurse die notwendigen Lehr- und Übungsbücher für unbemittelte Kriegsbeschädigte unentgeltlich zur Verfügung. Bisher wurden für etwa 1200 M Lehr- und Übungsbücher verlangt. Die Stiftung ist zu weiterer Abgabe noch in der Lage. Die Gesuche sind zu richten an den Vorstand der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung Berlin NW 52, Lüneburger Straße 21.
28. September
Zum Ersten Bürgermeister der Stadt Konitz (Westpr.) wurde der Magistratsassessor Dr. Haußmann in Aschersleben (Herr Haußmann ist ein Delitzscher Kind) unter 65 Bewerbern einstimmig gewählt.
1. Oktober
Eine Dame in der Nähe von Delitzsch und der Besitzer des Rittergutes Schenkenberg haben in hochherziger Weise für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen dem Kriegsausschuss hierselbst je 2000 Mark gestiftet.
6. Oktober
Frau Pastor Gödicke geb. Gutheil in Halle a. S., von welcher dem hiesigen Siechenhaus "Gutheilstift" schon mehrfach größere Beträge, so besonders eine bedeutende Gründungssumme, zugewendet worden sind, hat neuerdings der Anstalt wiederum eine sehr ansehnliche Schenkung in hochherziger Weise gemacht. Sie schenkte einen etwa 47 Morgen großen Feldplan mit der Bestimmung, daß die jährlichen Pachtzinsen zur Löhnung von ganzen oder halben Freistellen im Gutheilstift für erwerbsunfähige, pflegebedürftige Kriegsteilnehmer in erster Linie aus dem Kreise Delitzsch, verwendet werden. Wenn späterhin Kriegsinvaliden nicht mehr vorhanden sind, sollen die Freistellen an andere unbescholtene Personen, besonders Töchter und Frauen ehemaliger Kriegsteilnehmer, welche bis dahin durch Stundengeben, Nähen oder dergleichen ihren Unterhalt verdient haben, vergeben werden, um ihnen einen sorgenfreien Lebensabend zu bereiten. Die Vergebung der Freistellen steht dem Stiftungsvorstand zu (Vorsitzender Superintendent Schäfer).
14. Oktober
Der bisherige Besitzer des Rittergutes Beerendorf, Herr Lösch, erwarb das Hausgrundstück Ehrenberg-Promenade Nr. 1. Die Übernahme erfolgt erst im nächsten Jahre. Herr Lösch beabsichtigt demnächst in unsere Stadt überzusiedeln.
21. Oktober
Die öffentlichen Gebäude tragen heute Flaggenschmuck. Heute sind es 500 Jahre, daß die Hohenzollern die Regierung unseres Vaterlandes übernommen haben, erst als Kurfürsten von Brandenburg 1415, dann als Könige von Preußen 1701 und schließlich als Kaiser des geeinten deutschen Reiches 1871. Aus diesem Anlaß fanden in allen Schulen und Vereinen Hohenzollernfeiern statt. Des Krieges wegen wurde auf Wunsch des Kaisers von größeren Feiern Abstand genommen.
23. November
Die Stadtverordnetenwahl zeigte diesmal ein recht erfreuliches Bild der Einigkeit unter den Bürgern und Vereinen der Stadt. Trotz der geringen Auswahl im Kriege hat man auch überall die richtigen Männer gefunden. Und schließlich zeigt die Verstärkung der Versammlung, daß man trotz der Kriegszeit fest entschlossen ist, schon jetzt für eine gesunde Fortentwicklung der Stadt nach dem Kriege arbeiten zu wollen.
8. Dezember
Vor Beginn der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurde seitens der beiden städtischen Körperschaften die Wahl von Abgeordneten zum Kreistage vorgenommen. Es wurden gewählt: Stadtrat Freyberg (Wiederwahl), Stadtverordneter Veterinärarzt Liebener anstelle des verstorbenen Fabrikbesitzers Schimpf, Stadtv. Lehrer Richter anstelle des Stadtv. Bauer und Stadtv. Kaufmann Max Beyer anstelle des I. Bürgermeisters Rampoldt.
11. Dezember
Aus Anlass eines erfreulichen Familienereignisses spendete Kaufmann Hermann Bahrenburg hier für Hilfsbedürftige 300 Mark an Waren. Ferner gab derselbe heute 50 Mark in bar für die Hinterbliebenen gefallener Krieger und 50 Mark für das Rote Kreuz.
17. Dezember
Ein schändlicher Bubenstreich ist wieder einmal in unserem herrlichen Stadtpark verübt worden. Eine Blautanne, ein besonders schöner Schmuck unserer Anlagen, ist den Frevlerhänden zum Opfer gefallen, die den Baum abgeschnitten haben. Die Polizeiverwaltung hat auf die Ermittlung der Täter eine Belohnung ausgesetzt.
1916
4. Januar
Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung war im November v. J. die Zahl der Stadtverordneten ungewöhnlich erhöht worden – es wurden 16 Stadtverordnete neu bzw. wieder gewählt. Heute kam es nun zur Wahl des Vorstandes. Es wurde gewählt zum Vorsteher Justizrat Dr. Schulze, zu seinem Stellvertreter Veterinärarzt Liebener, zum Schriftführer Lehrer Richter und zu dessen Stellvertreter Kaufmann Max Beyer. Seit dem 1. Januar besteht ein Veräußerungs- und Verarbeitungsverbot von Schafwolle, Kamelhaaren, Alpaka, Kaschmir und anderen Tierhaaren.
8 Januar
Das Kirchspiel Kallinowen in Ostpreußen, das aus 23 Gemeinden besteht ist der Pflegschaft unseres Kreises anvertraut. Eine Sammlung an Geld, Hausgerät, Kleidung und Wäsche ist veranstaltet worden und hat einen recht erfreulichen Erfolg gehabt. Nun kommt noch eine dringende Bitte an unsere Landsleute, die Bitte um Heu und Stroh als Futter für das Vieh. Amtsvorsteher, Schulzen, Geistliche und Lehrer auf dem Lande werden gebeten, die Sache freundlichst zu unterstützen.
15. Januar
Von Mitte Januar ab tritt eine Einschränkung im Brauereibetriebe ein. Eine Bekanntmachung betrifft die Beschlagnahme und Bestandserhebung von Nußbaumholz und stehenden Nußbäumen.
18. Januar
Die Stadtverordneten beschließen eine Anleihe von 200.000 Mark aufzunehmen, um den Fehlbetrag in der städtischen Kasse, der entstanden ist durch die unterschlagenen baren Gelder aus der Rudloff – Mehley'schen Angelegenheit, aus Kaufgeldern, aus verschiedenen Kriegsausgaben und dem Fehlbetrag des laufenden Haushaltsplans, aus der Welt zu schaffen.
27. Januar
Der diesjährige Geburtstag des Kaisers wurde auf Wunsch von höchster Stelle in diesem Jahr in ganz einfacher Weise begangen. Es fanden Schulfeiern und ein Festgottesdienst in der Peter-Paulskirche statt. Zu einer schlichten ernsten Geburtstagsfeier versammelten sich die Vertreter der Stadt und Behörden im Schützenhause, wo Major Kuntze das Kaiserhoch ausbrachte.
1. Februar
Der heutige Tag bringt eine Bekanntmachung betreffend Beschlagnahme und Bestandserhebung von Web-, Wirk- und Strickwaren. Am 2. Februar tritt die Einführung der Butterkarten ein.
11. Februar
Der Hausbesitzer Wilhelm Häder gehört seit 10. Februar 1866 der hiesigen freiwilligen Feuerwehr als Mitglied an. Während dieser 50 Jahre war er stets ein treuer und eifriger Feuerwehrmann, so daß er den jüngeren Kameraden als Vorbild dienen möge. An seinem Jubiläumstage erhielt er von der Branddirektion ein Dankschreiben übermittelt.
14. Februar
In der Wohnung der Privatmann Lange'schen Eheleute hier, Südstr. 2, entstand in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag ein Brand. Durch Hilferufe aufgeschreckt, eilten Saalnachbarn an die Tür des L., wo sie jedoch nichts Verdächtiges vernahmen. Gestern Morgen gegen 7 Uhr erschien L., bat um Hilfe und begab sich wieder in die Wohnung. Da es noch in der Stube des L. brannte, wurde sofort der in der Nähe wohnende Brandmeister T. geholt, der mit Hilfe des Oberfeuermeisters Th. das Feuer löschte. Man fand L. im Korridor betäubt vor, während seine Frau ebenfalls betäubt im Bette lag. Beide befanden sich außer Lebensgefahr. Wie und auf welche Art das Feuer entstanden ist, bedarf noch der Aufklärung.
4. März
Mit dem heutigen Tag sind die Zuckerkarten eingeführt.
26. März
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurden die städtischen Steuerzuschläge für das Jahr 1916 festgesetzt. Sie betragen bei der Einkommenssteuer 190%, 30% mehr als bisher und bei der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer 205%, gegen 185% bisher. Es ist dies eine recht unangenehme Steigerung für die hiesigen Steuerzahler, die durch die Kriegsverhältnisse und weiter auch durch die Unterschlagungen "Rudloff-Mehley" verursacht worden sind. Bei den jetzigen durch den Krieg geschaffenen besonderen Verhältnissen ist allen Lehrpersonen jede Mitwirkung bei Verteilung der Zuckertüten und ähnlichen Geschenken an die zu Ostern neu eintretenden Schulanfänger untersagt.
31. März
Die Einbrüche mehren sich. Zu dem vorgestrigen Einbruch in die hiesige Molkerei wird folgendes bekannt: Gegen 1 Uhr nachts hörte der im Molkereigrundstück wohnende Molkereipächter Höhne ein verdächtiges Geräusch. Er ging diesem nach und sah unbemerkt von den Einbrechern, wie diese im Büroraum der Molkerei damit beschäftigt waren, den Geldschrank, den sie bereits angebohrt, zu erbrechen. Sie mußten nun von ihrem Unternehmen Abstand nehmen und flüchteten ohne erkannt zu werden. Ihren Weg beim Einbruch nahmen die Diebe durch den Kohlen- und Maschinenraum, sprengten einige Türen und verschafften sich so Eingang zu dem Büro. Bis jetzt fehlt jede Spur der Einbrecher.
1. April
Der Seilermeister und Schankwirt Wilhelm Rausch von hier, später Schützenhausbesitzer in Delitzsch, jetzt Rentier dortselbst, feiert heute am 1. April bei körperlicher Frische seinen 90. Geburtstag. Sein Geburtshaus, später sein hiesiges Eigentum, hatten nach ihm folgende Besitzer: Gerber, Richter, Große, jetzt Restaurant Görlich. Den älteren hiesigen Einwohnern wird gewiß noch das "Beilicke Spiel" im Garten des Lokals Rausch bekannt sein.
4. April
Der Konditor Hermann Lampe konnte am 1. April auf eine 25jährige Tätigkeit in seinem Betriebe zurückblicken. Er übernahm s. Z. die Konditorei von seinem Vater, der sie im Jahre 1855 gründete. Der Schützenhof-Pächter H. Fischer beging am 1. April sein 25jähriges Geschäfts-Jubiläum. Er übernahm seiner Zeit als erster Wirt den Betrieb nach vollendetem Neubau des Schützenhofes.
17. April
Alle Hausschlachtungen sind verboten. Der Kreisausschuss macht nochmals bekannt, daß das Backen von Stollen und Kuchen verboten ist.
19. April
Nach beschlossener Verordnung über den Verkehr mit Seifen usw. darf die an eine Person in einem Monat abgegebene Menge 100 Gramm Feinseife, sowie 500 Gramm andere Seife oder Seifenpulver oder andere fetthaltige Waschmittel nicht übersteigen. Die Bekanntmachung vom 9. März 1916 über Kakao wird auch auf Kakaopulver und Schokoladenmasse ausgedehnt.
1. Mai
In Deutschland und Österreich wird vom 1. Mai ab die Sommerzeit eingeführt. Danach werden während der Sommermonate vom 1. Mai bis Ende September für die Dauer der Kriegszeit die Stunden um eine Stunde vorverlegt, um die Tageszeit besser ausnützen zu können.
8. Mai
Am gestrigen Vormittag um 11 Uhr fand in Gegenwart einer Anzahl von Mitgliedern unserer städtischen Behörden sowie des Ortsausschusses für Jugendpflege die Einweihung des neuen Jugendheims, Kaiser-Wilhelm-Ring 5, statt. Stadtrat Freyberg, der Vorsitzende des Ortsausschusses, eröffnete die Feier durch eine Ansprache. Bürgermeister Grüneberg sprach im Namen der städtischen Behörden. Im Namen der beiden Arbeitsausschüsse für die männliche und weibliche Jugend sprachen Bäckermeister Platen und Pastor Kohlmann. An diese Eröffnungsfeier schloß sich dann noch eine gemeinsame Sitzung der beiden Arbeitsausschüsse. Auch die Volksbibliothek ist mit dem Jugendheim verbunden, sowie ein Lesezimmer eingerichtet worden.
18. Mai
Nach einer Bekanntmachung wird das Fleisch rationiert und ein Höchstpreis für Butter eingesetzt. Es gibt für die Woche auf eine ganze Fleischkarte 200 Gramm oder 250 Gramm, auf eine halbe Fleischkarte 100 oder 125 Gramm. Der Höchstpreis für Butter im Kleinhandel ist für den Kreis Delitzsch auf 2 Mark 55 Pfennig für ein Pfund, 1 Mark 28 Pfg. für ein halbes Pfund festgesetzt.
31. Mai
Am 28. Mai entschlief in Folge Herzschlages im 88. Lebensjahr eine bekannte Persönlichkeit Major a. D. Friedrich von Busse, der Vater unseres Landrats. Der Verstorbene hat sich um das Wohl des Kreises höchst verdient gemacht. So war er seit 1869 Vorsitzender des landwirtschaftlichen Vereins der Kreise Bitterfeld und Delitzsch und seit 1896 Ehrenpräsident desselben. Dann war er Mitbegründer des Pferdezuchtvereins der Kreise Bitterfeld und Delitzsch, langjähriges Mitglied des Kreisausschusses des Kreises Delitzsch und früherer Kreis-Deputierter, Vorsitzender des Vorstandes der Zuckerfabrik Delitzsch, Ehrenvorsitzender des Kreiskriegerverbandes Delitzsch, Mitbegründer und Vorsitzender der Delitzscher Rübensamenzucht G.m.b.H. usw.
2. Juni
Bei herrlichstem Wetter ging gestern der Eilbotenlauf Delitzsch-Landsberg von statten. Aus allen Teilen des Kreises Delitzsch hatten sich 154 Läufer auf dem 13,7 km langen Wege aufgestellt. Punkt 9 Uhr wurde die Urkunde dem ersten Läufer auf dem hiesigen Marktplatze übergeben. Nach 34 Minuten 25 Sekunden brachte der letzte Mann dieselbe auf den Kapellenberg. Eine für die heutigen Verhältnisse gute Zeit.
10. Juni
Am heutigen Tage konnte Polizei Wachtmeister Kleine auf eine 25jährige Tätigkeit im Dienste der Stadt Delitzsch hinblicken. Aus diesem Anlaß versammelten sich der Magistrat und die städtischen Beamten heute mittag im Rathaus, um dem Jubilar die Glückwünsche zu überbringen. Bürgermeister Grüneberg beglückwünschte den Jubilar im Namen des Magistrats mit einem Ehrengeschenk der städtischen Körperschaften. Stadtsekretär Fricke brachte dem Jubilar im Namen der städtischen Beamten unter gleichzeitiger Überreichung eines Ehrengeschenkes die herzlichsten Glückwünsche dar.
28. Juni
Herr Bankier Hennig und seine Frau geborene Schroeter, Ritterstraße 20 wohnhaft, haben ihr Hausgrundstück mit Garten, Chausseestraße 2, der evangelischen Kirchengemeinde zu kirchlichen Zwecken gestiftet. Nach Auflassung geht das Haus unter dem Namen "Hennig-Schroeter-Haus" in das Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde über.
1. Juli
Sein 25jähriges Dienst-Jubiläum begeht heute Franz Dreike, Siedemeister bei der Delitzscher Zuckerfabrik, dem aus diesem Anlaß von seinen Mitbeamten eine besondere Ehrung zu teil wurde.
5. Juli
Der kirchliche Oberhirte unseres Bezirkes, Generalsuperintendent Professor D. Dr. Gennrich aus Magdeburg, weilte zwei Tage in unserer Stadt. Am Sonntag vormittag besuchte er den Gemeinde- und Kindergottesdienst, am Nachmittag das Jugendheim und das vor drei Jahren von ihm eingeweihte Siechenhaus. Gestern beteiligte er sich an der Tagung unserer Kreissynode. In seiner Ansprache würdigte er die zwanzigjährige hingebende Arbeit des Vorsitzenden der Synode, des Superintendenten Schäfer, der zu unserem aufrichtigen Bedauern bereits am 1. Oktober d. J. von seinen Ämtern scheidet, um in den wohlverdienten Ruhestand zu treten.
14. Juli
Zum Professor ernannt, wurde Oberlehrer Schmiedeberg an der hiesigen Oberrealschule.
15. Juli
Die Fahrradbereifungen sind beschlagnahmt. Am 1. August erfolgt Einführung der Bezugsscheine für Web-, Strick- und Wirkwaren.
10. August
Für die vor wenig Tagen erst vom Vaterländischen Frauenverein ins Leben gerufene Krippe hat Bankier R. Hennig unserer Stadt aus Anlaß seines 70. Geburtstages als ein besonderes Dankopfer 1000 Mark gestiftet. Wie bekannt ist ja auch vor wenigen Monaten von demselben das Grundstück Chausseestraße 2 das "Hennig-Schroeter-Haus" gestiftet worden, in welchem die Krippe eingerichtet ist. Die gestifteten 1000 Mark sollen als Grundstück für einen Betriebsfonds zinsbar angelegt werden, dessen Zinsen für die Unterhaltung der Krippe verwandt werden.
7. September
Am Schluß der gestrigen Sitzung der hiesigen kirchlichen Körperschaften, der letzten die Superintendent Schäfer leitete, widmete Direktor Dr. Wahle namens der Anwesenden dem Scheidenden herzliche Worte des Abschieds. Den Empfindungen des Magistrats gegenüber dem Scheidenden gab Stadtrat Freyberg Ausdruck, zudem er betonte, daß das Zusammenarbeiten des Kirchenpatrons mit dem Superintendenten stets angenehm und von gegenseitiger Achtung getragen gewesen sei. Von seiner Gemeinde wird Superintendent Schäfer in seiner letzten Predigt Abschied nehmen.
25. September
Der gestrige, recht stark besuchte Hauptgottesdienst der Stadtkirche gestaltete sich zu einer schönen und würdigen Abschiedsfeier für unseren bisherigen Oberpfarrer Superintendent Schäfer, der nach mehr als 20jähriger Tätigkeit hierselbst zum letzten Mal zu uns redete. Seine ergreifende Predigt knüpfte er an das Pauluswort: Apostelgeschichte 20,32. Mit dem warmen Scheidegruß: "Lebt wohl, lebt wohl im Herrn" schloß er seine Ausführungen, die Vielen unvergesslich bleiben werden. Sodann versammelten sich im Altarraum die Mitglieder der kirchlichen Körperschaften, um sich von ihrem Vorsitzenden zu verabschieden und ihm nochmals zu danken für Alles, was er der Gemeinde gewesen ist. Diesem aufrichtigen Danke gab Diakonus Ruhmer noch besonderen Ausdruck zugleich im Namen des Hospitals, der Siechenhausstiftung, des evangelisch-nationalen Frauenvereins, des Jungfrauen- und des Jünglingsvereins, des evangelischen Bundes, wie der Herberge zur Heimat und seines verhinderten Amtskollegen. Der Kirchenchor hatte den Gottesdienst mit zwei fein herausgearbeiteten und trefflich vorgetragenen Gesängen umrahmt.
2. Oktober
Mit dem 1. Oktober wurde die Eierkarte und mit dem 2. Oktober die Reichsfleischkarte eingeführt.
16. Oktober
Seinem Leben ein Ende gemacht hat am gestrigen Sonntag abend eine bekannte Persönlichkeit unserer Stadt und Umgegend, Schlossermeister Herrmann Mietzsch, dessen Ehefrau am Sonnabend morgen in der Klinik zu Halle verstorben war. Mietzsch war in früheren Jahren auch durch seine humoristischen Vorträge eine weit und breit bekannte Persönlichkeit.
11. November
Frau verw. Sophie Gebhardt hat der Stadt 1000 Mark vermacht von deren Zinsen ihr und ihres Sohnes Grab in Stand gehalten werden sollen. Nach Ablauf von 30 Jahren fällt dann das Kapital der Stadt zu.
6. Dezember
Nachdem fast ein Jahr lang die Stelle des I. Bürgermeisters vakant war, wurde im August diese Stelle ausgeschrieben. Von den gemeldeten Kandidaten wurden zwei in die engere Wahl gezogen: Bürgermeister Karl Böttcher in Querfurt und Stadtrat Dr. Galle in Zerbst. Bei der am 26. September durch Stimmzettel vorgenommenen Wahl durch die Stadtverordneten wurden 27 Stimmen abgegeben und zwar 21 für Bürgermeister Karl Böttcher und 6 für Stadtrat Dr. Galle. Ersterer war somit auf eine Amtsdauer von 12 Jahren zum 1. Bürgermeister der Stadt gewählt. Heute vormittag 11 Uhr fand nun im Rathaussaale die Einführung des neugewählten 1. Bürgermeisters durch den hiesigen Landrat statt. Es sprachen der Vorsitzende der Stadtverordneten Justizrat Dr. Schulze und für den Magistrat Bürgermeister Grüneberg. Nachdem1. Bürgermeister Böttcher seinen Dank für die herzliche Begrüßung und für das ihm geschenkte Vertrauen ausgesprochen hatte und die Versicherung abgegeben hatte, nur für das Wohl der Stadt zu arbeiten, fand die Verpflichtung des 1. Bürgermeisters durch Handschlag vom Landrat statt. Im Bürgermeisterzimmer versammelten sich um 12 Uhr die städtischen Beamten, die durch Stadtsekretär Fricke ihre Beglückwünschung und Ergebenheit zum Ausdruck bringen ließen. Bürgermeister Böttcher ist Delitzscher Kind. Sein Vater war hierselbst Lehrer, die Mutter lebt noch. Auch seine Gattin stammt von Delitzsch. Somit verbinden enge Fäden den neuen 1. Bürgermeister und seine Familie mit seiner jetzigen Wirkungsstätte.
7. Dezember
Landrat Geheimer Regierungsrat von Busse hat vor einiger Zeit seine Entlassung aus dem Staatsdienst nachgesucht. Vom 1. Dezember ab ist er bereits beurlaubt und die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes ist dem Kgl. Regierungsrat von Manteuffel z. Z. Kreishauptmann in Janischki (Verwaltung Litauen) übertragen worden. Magistrat und Stadtverordnete der Stadt Delitzsch haben in ihrer letzten Sitzung dem Kgl. Landrat Geheimen Regierungsrat von Busse einstimmig zum Ehrenbürger der Stadt Delitzsch ernannt. Sie wollen damit Herrn von Busse danken für das der Stadt Delitzsch in langer Amtstätigkeit erwiesene Interesse und Wohlwollen und damit gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß auch während der schweren Kriegszeit stets ein gutes Einvernehmen zwischen Kreis- und Stadtverwaltung geherrscht hat.
12. Dezember
Der Privatmann Wilhelm Thier und seine Ehefrau Friedericke geb. Berger haben zur Instandsetzung ihrer Gräber ein Vermächtnis von 2000 Mark der hiesigen Loge gemacht mit dem Zusatze, daß das Kapital an die Stadt fallen sollte, sobald die Loge eingeht. Das Forsthaus ist auf 6 Jahre bis zum 30. Juli 1918 für 700 Mark jährlich verpachtet worden.
22. Dezember
Stadtrat Freyberg ist 25 Jahre Magistratsmitglied. In diesen Tagen ist die Wahlperiode des Herrn Stadtrat Freyberg abgelaufen, und er hat damit sein Amt als Stadtrat niedergelegt. Die Stadtverordneten Versammlung hat ihm aus Dankbarkeit für seine Verdienste den Titel eines Stadtältesten verliehen. Unsere Stadt hat ihm in der Tat viel zu danken. Daß die Eisenbahnwerkstätte nach Delitzsch gekommen, daß die Realschule in eine Oberrealschule umgewandelt wurde und manches andere ist zum großen Teile sein Verdienst. In seine Zeit fällt auch der Bau der Wasserleitung, der Kanalisation und die Erweiterung des Stadtparkes. Möchte seine Wirksamkeit auch auf anderen Gebieten noch lange Zeit unserm städtischen Gemeinwesen erhalten bleiben.
1917
Morgen den 7. Januar wird im Hauptgottesdienst der von dem evang. Oberkirchenrat zum Nachfolger des Superintendent und Oberpfarrer Schäfer bestimmte Pfarrer Hobbing aus Halle-Trotha seine Probepredigt mit anschließender Katechisation halten.
10. Januar
Mit dem heutigen Tage beginnt die Beschlagnahme der Orgelpfeifen.
27. Januar
Auf höhere Anordnung muß der Geburtstag des Kaisers am heutigen Tage in Schulen und Vereinen in einfachsten Formen begangen werden. Der Schuhmachermeister Louis Albitz begeht am heutigen Tage sein 50 jähriges Meisterjubiläum.
30. Januar
Unterm 18. Februar 1915 würdigte die Chronik die Verdienste eines Delitzscher Kindes, Franz Pfordte. Er ist verstorben. Der Tod, der jetzt reiche Ernte hält, hat mit der Abberufung von Franz Pfordte für das Gastwirtsgewerbe eine fühlbare Lücke gerissen. Denn mit Franz Pfordte ist eine Persönlichkeit dahingegangen, die Hamburg gastronomischen Ruf mitbegründen half und dessen Name nicht nur in Fachkreisen mit Stolz und Ehrerbietung genannt wurde, sondern auch überall bei denen einen guten Ruf hatte, die seine Küche zu schätzen wußten. Das bekannte Restaurant Pfordte hatte Weltruf erlangt und ist vor 50 Jahren hervorgegangen aus dem damals sehr beliebten Restaurant "Wilckens Keller", der sich Ecke Neuerwall un Bleichenbrücke befand.
31. Januar
Reichen Schneefall, so reich wie seit Jahren nicht, hat uns die vergangene Nacht und der gestrige Morgen gebracht. Der Verkehr erfuhr natürlich erhebliche Erschwerungen, die Züge trafen nur mit starken Verspätungen ein.
5. Februar
Dem starken Schneefall der letzten Tage ist nun auch eine bittere Kälte gefolgt. –27 Grad C wurde an frei gelegenen Stellen festgestellt; seit 100 Jahren die kälteste Nacht. Dieser Frost wird in den Gärten, Alleen und Obstplantagen großen Schaden anrichten und angerichtet haben.
27. Februar
Dem Geheimen Justizrat Amtsgerichtsrat Dr. Albanus zu Delitzsch ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Justizdienst mit dem gesetzlichen Ruhegehalt erteilt worden. Seinem Wunsche entsprechend tritt er am 1. Juni d.J. in den Ruhestand. Seit dem 1. Juni 1895 hat er als aufsichtsführender Richter an der Spitze des hiesigen Amtsgerichts gestanden.
1. März
Die Glocken sind beschlagnahmt. Am 1. März müssen die zur Ablieferung besimmten Glocken zu Kriegsmaterial abgeliefert werden.
5. März
Honig wird in diesem Jahre von den Imkern nicht zu haben sein. Wie von berufener Seite mitgeteilt wird, hat die Reichszuckerstelle am 20.1.17 verfügt, daß sämtliche zuckerempfangende Bienenzüchter, d.s. wohl 90% aller Imker, ihre Honigerzeugung nach näherer Bestimmung an eine noch zu bezeichnende Stelle abzuliefern haben.
6. März
Durch die Knappheit an Kartoffeln ist der Bedarf an Brotgetreide z.Z. sehr stark. Schnelle und reichliche Brotgetreideablieferung ist deshalb dringend notwendig. Das Verfüttern von Brotgetreide ist verboten und strafbar.
9. März
Der Winter mit all seinen grimmigen Gebärden mit Kälte, Schnee und Eis ist nochmals bei uns eingekehrt. Straßen und Plätze, Wald und Fluren sind meterhoch mit Schnee bedeckt. Der Geschirr-Verkehr ruht völlig. Der Bahnverkehr kann infolge der Schneeverwehungen nur mit größter Anstrengung aufrecht erhalten werden kann.
13. März
In der letzten Nacht ist hier ein Einbruchsdiebstahl verübt worden. Ein Bahnbeamter sah um diese Zeit wie aus den Schuppen der Firma Gotsch und Held Säcke herausgeschleppt wurden. Die näheren Nachforschungen ergaben, daß es sich um Erbsensäcke handelte. 13 Säcke waren bereits in die Hände der Diebe gefallen und am Wege nach der Berliner Bahn aufgestapelt. Beim Herausbringen des 14. Sackes wurden die Diebe gestört. Es gelang ihnen, sich der Verfolgung zu entziehen.
30. April
Gestern nachmittag fand in der Stadtkirche die Einführung unseres neuen Oberpfarrer und Superintendenten Hobbing durch Generalsuperintendent Gennrich aus Magdeburg dem dabei Archidiakonus Kohlmann und der bisherige Superintendenturverweser Pfarrer Graul aus Werbelin zur Seite standen, statt. Im Altarraum waren die Pfarrer des Kirchenkreises versammelt, die Kirche selbst war von einer zahlreichen Gemeinde gefüllt, unter welcher sich auch die Vertreter der staatlichen und kirchlichen Behörden, der kirchlichen Körperschaften und der Organisten von Delitzsch und aus dem Kirchenkreise befanden. Der Kirchenchor erfreute durch den Vortrag der Kleinschen Motette: "Der Herr ist mein Hirte", und Frau Dr. Kurtzhalß sang das "Vaterunser" von Krebs. Die Einführungsrede des Generalsuperintendenten hatte zum Text 1 Kor. 4, 1 "Dafür halte uns jedermann, für Christ, Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
10. Mai
Die Stadtverordneten-Versammlung hat unterm 12. Dezember 1916 einstimmig beschlossen, Landrat von Busse anläßlich seines Scheidens aus dem Amte das Ehrenbürgerrecht von Delitzsch zu verleihen, um damit einem Gefühle des Dankes der Stadt Delitzsch Raum zu geben, für das allzeit getätigte Wohlwollen, das Landrat a.D. von Busse während seiner langen Amtszeit der Stadt Delitzsch gegenüber zeigte. Die Überreichung war für heute mittag festgesetzt. Sie erfolgte durch den Ersten Bürgermeister Böttcher, Stadtrat Brembach, Stadtv. Vorsteher Justizrat Schulze und stellv. Stadtverordneten-Vorsteher Veterinärrat Liebener, die sich dieserhalb nach Zschortau begaben. Die Adresse, in künstlerischer Weise hergestellt durch den Leipziger Professor Thiemann einem Delitzscher Kinde, dessen Geburtshaus sich a.d. Schloßplatze befindet, ruht in einer roten Mappe, die außen das Stadtwappen in Gold trägt, während die Innenblätter selbst im Bilde ein Stück Delitzsch zeigen und in gothischen Buchstaben den seinerseitigen Beschluß des Stadtverordneten-Kollegiums enthalten. Sichtlich erfreut nahm Landrat a.D. von Busse mit dankenden Worten die städtische Kundgebung entgegen.
22. Mai
Als Kreistagsabgeordneter gewählt wurde bei der letzten Stadtverordneten Sitzung I. Bürgermeister Böttcher.
24. Mai
Die Kreissynode Delitzsch tagte am 22. Mai in Brehna, woselbst sich Superintendent Hobbing in einer Ansprache der Synode vorstellte. Die Ansprache hatte das Leitwort: "Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen". Das Hauptreferat hielt Pfarrer Schräpler – Schenkenberg über "Die Volksernährungsfragen in unseren Kirchengemeinden."
2. Juni
Mit Beginn des Juni wurde auch das Kupfer der Blitzableiter beschlagnahmt, gegen eiserne Anlagen. In der am 1. Juni stattgefundenen Stadtverordnetensitzung wurde über Einführung des Kriegsnotgeldes für die Stadt beraten. I. Bürgermeister Böttcher trat warm dafür ein. Geplant ist die Herstellung von 50.000 Zehnpfennigscheinen und 10.000 Fünfpfennigscheinen. Erster Bürgermeister Böttcher befürwortet die Vorlage, die Kosten seien nur gering, dürften überhaupt nicht mitsprechen, sondern die Bedürfnisfrage sei maßgebend. Nachdem noch von verschiedenen Stadtverordneten für und gegen die Anschaffung des Kriegsnotgelds gesprochen wurde, wurde die Vorlage angenommen.
8. Juni
Zur Ablieferung der Glocken für Heereszwecke sei folgendes gesagt. In der Ephorie Delitzsch sind auf 33 verschiedenen Türmen in 30 Ortschaften 84 Glocken vorhanden. Nicht alle diese 84 Glocken kommen zur Ablieferung für Heereszwecke. Für die Einziehung sind zunächst die entbehrlichsten Glocken vorgesehen. Auf besonderen Antrag kann eine Läuteglocke behalten werden; auch werden die in geschichtlicher, künstlerischer und glockentechnischer Hinsicht wertvollen Glocken nicht angefordert. Man kann im allgemeinen beruhigt sein, da die Einziehung so gerecht und so milde als nur möglich vor sich gehen wird. Wenn trotzdem die Forderung als eine der härtesten erscheinen will, welche in diesem Kriege gestellt worden ist, solte man sich doch geduldig fügen in dem Bewußtsein, daß sie ihren Dienst für das Vaterland verrichten; für welches uns in diesen ernsten Zeiten kein Opfer zu schwer sein darf.
11. Juni
Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten wird Kreisschulinspektor Roß (Eilenburg 1) vom 1. Oktober d.J. ab seinen persönlichen Wohnsitz von Eilenburg nach Delitzsch verlegen.
18. Juni
Beim Scheiden aus dem Magistratskollegium, dem er lange Jahre als Stadtrat angehörte, wurde – wie bereits schon berichtet – Herrn Stadtrat Freyberg der Dank der Stadt durch Übertragung des Titels Stadtältester zu teil. Die Überreichung der in künstlerischer Weise hergestellten diesbezüglichen Urkunde, geschah in den ersten Tagen voriger Woche.
25. Juni
Anläßlich seines 70. Geburtstages stiftete Rentner Rob. Hennig dem Vaterländischen Frauenverein, dessen Vorstand er als Schriftführer seit einer Reihe von Jahren selbst angehört, zur Ausübung seiner gemeinnützigen Tätigkeit den Betrag von 1.000 Mark in deutscher Reichsanleihe. Demselben hochherzigen Spender dankt der Verein ja bereits die freie Benutzung der Räume für seine Kriegskrippe, die in dem von ihm der Kirchengemeinde gestifteten Grundstück Chausseestr. 2 eingerichtet ist. Abordnungen des Magistrats, des Gemeindekirchenrats und des Vaterländischen Frauenvereins brachten ihm ihre Glückwünsche dar.
12. Juli
Das seltene Fest der Diamantenen Hochzeit konnte heute der hierselbst früher tätige und bereits seit 24 Jahren pensionierte Oberpostschaffner Lüdicke mit seiner Gemahlin feiern. Leider ist der 87jährige Jubelbräutigam, der sich z.Z. im Krankenhaus befindet, nicht mehr so recht auf dem Platze, wie seine Frau, die den Verhältnissen nach immer noch rüstig ist. Die Feier fand heute vormittag 11 Uhr im Krankenhause hierselbst statt, wozu als Vertreter der Stadt Stadtrat Friedrich, seitens des Kreiskriegerverbandes Stadtältester Freyberg und von der Post Postdirektor Fritzsche und eine Deputation erschienen waren. Die kirchliche Feier und Einsegnung nahm Diakonus Ruhmer vor. Nach herzlicher Ansprache und Gebet segnete er das Paar erneut ein. Sodann überreichte Diakonus Ruhmer dem Jubelpaar das Gnadengeschenk des Kaisers. Die erschienenen Vertreter überreichten nun unter innigen Segenswünschen erhebliche Geldgeschenke, während außerdem noch die Beamten der Post für das leibliche Wohl des Paares gesorgt hatten.
17. Juli
Der pensionierte Oberpostschaffner Lüdicke, dem es mit seiner Gattin noch vergönnt war, am vorigen Donnerstag das Fest der Diamantenen Hochzeit zu feiern, ist heute früh im Krankenhaus verschieden.
30. Juli
Auch die Glocken unserer Stadt müssen nunmehr dem Heerrufe folgen. In der Frühe des heutigen Tages wurde mit der Abnahme der Glocken auf dem breiten Turm und der Hospitalkirche begonnen. Der Rat der Stadt Delitzsch hatte 1405 das wüste Dorf Gerlitz nahe dem Sprödeforst, käuflich erworben. Er verkaufte 1450 die eine Glocke der Gerltitzer Kirche an die Altarleute in Schenkenberg, die andere an den hiesigen Bürger Körner, einen Wohltäter der Kirche, der sie dann der Kirche schenkte. Es wird aber nicht gesagt, welche von unseren Kirchen sie erhielt. Einige vermuten in ihr die Glocke, die jetzt als Taufglocke dient, andere wieder meinen, sie sei in die Gottesackerkirche gekommen. Im Laufe der Zeit verfiel die Gottesacker- oder Marienkirche immer mehr, und so brachte man 1544 die eine Glocke als "Seigerschelle" auf dem Stadtkirchturm, die andere in gleicher Bestimmung auf den Breiten Turm; ob diese nun die Gerltitzer Glocke war ist ungewiß. Beide Seigerglocken wurden als solche am Petri – Paulstage 1544 zum erstenmal gehört. Anfang der 60er Jahre des verflossenen Jahrhunderts bekam die Glocke auf dem breiten Turm zwei Risse, daher stellte man 1862 den Anschlag der Glocke gänzlich ein und beschloß den Umguß. Der Glockengießer Jauck übernahm die Arbeit. Die 18 Zentner schwere Glocke wurde zerschlagen und die Stücke wurden einzeln in den Zwinger hinabgeworfen. Die aus dem alten Material hergestellte neue Glocke, eben die heute zerschlagene, wog nur 12 Zentner. Sie wurde am 30. Dezember 1862 punkt 12 Uhr auf den Turm gezogen und vom 6. Januar 1863 an in Gebrauch genommen. Nach Aussage des Dachdeckermeisters O. Kittler, der mit der Abnahme der Glocken betraut ist, soll die Glocke folgende Inschrift tragen: "Mich goß nach dem Sprunge einer größeren für die Stadt Delitzsch Jauck in Leipzig."
14. August
Dem Vaterländischen Frauenverein wurden von dem kürzlich verstorbenen Frl. Walz 300 Mark und dem Frauen-Missionsverein 100 Mark letztwillig überwiesen. Die Kirchengemeinde Spröda, wo ihr Vater Pfarrer war und ihre Eltern begraben liegen, wo sie auch selbst auf ihren Wunsch beigesetzt worden ist., erhielt 400 Mark und Hinternah i.Th. ihr Geburtsort 200 Mark.
3. September
Die diesjährige Sedanfeier gestaltete sich in unserer Stadt als nationaler Jugendtag. Die Schul- sowie die schulentlassene Jugend sowie auch unsere ganze Bürgerschaft beteiligte sich zahlreich daran. Im stattlichen langen Zuge zogen Schulen und Vereine unter Glockengeläut und unter Vorantritt der Kapellen der Jugendwehr und der Knabenvolksschule hinaus nach den Schützenhof, wo Turngauvorsitzender Hampe eine packende Ansprache an die Jugend hielt. Dann entwickelte sich auf dem geräumigen Platze bei mancherlei Turnübungen, Spielen und Reigenvorführungen ein fröhliches buntes Treiben. Ein vaterländischer Abend in "Stadt Leipzig" bildete den Abschluß der Sedanfeier. Superintendent Hobbing hielt einen patriotischen Vortrag. Kantor Müller trug mit dem Kirchenchor einige Lieder exakt vor.
19. September
Mit Beendigung der sog. Sommerzeit ist die Polizeistunde auf 10 Uhr abends festgesetzt. Es haben also alle Gasthöfe und Schankräume um 10 Uhr abends ihren Betrieb zu schließen. Wer länger Gäste in seinen Räumen duldet macht sich strafbar. Eine diesbezügl. amtliche Bekanntmachung erfolgt nicht, da die Verlängerung der Polizeistunde s.Z. nur während der Sommerzeit bewilligt war.
26. September
Folgender Aufruf geht durch hiesige Blätter: Keine deutsche Frau sollte jetzt ihr ausgekämmtes Haar wegwerfen; es gibt einen ausgezeichneten Ersatz für manche fehlenden Stoffe. Sie holt sich ein Beutelchen bei Frl. Fleischer, Eilenburger Str. 12, das unentgeltlich ausgehändigt wird und liefert es wieder ab, wenn es gefüllt ist. Sie hilft dem Vaterlande und dem Roten Kreuz zugleich.
29. September
Die Schulgemeinde Gertitz hat um Aufnahme ihrer zirka 60 schulpflichtigen Kinder in die Knaben- und Volksschule zu Delitzsch während der Dauer des Krieges gebeten und ersucht um Angabe der entfallenen Kosten. Der Magistrat hat beschlossen, die Kinder in gewünschtem Sinne einzuschulen und besondere Kosten nicht zu fordern. Ebenso hat der Magistrat beschlossen, für Aufbesserung des Superintendentur-Gebäudes 750 Mark bereitzustellen.
3. Oktober
Der gestrige Geburtstag des Generalfeldmarschalls Hindenburg wurde in ganz Deutschland als großer Festtag begangen. Auch Delitzsch feierte diesen Tag. Die ganze Stadt prangte im Festschmuck. Nicht nur von den öffentlichen, sondern auch von den meisten privaten Gebäuden wehten die deutschen Flaggen herab und bekundeten so ihre Verehrung für Hindenburg. Abends fand dann im Schützenhaussaale eine erhebende Hindenburggedenkfeier statt. Der Saal konnte alle Erschienenen nicht fassen und viele mußten umkehren. Es sprachen Landrat von Manteuffel, Diakonus Ruhmer und Seminardirektor Bär. Der Abend wurde verschönt musikalische Vorträge des Kirchenchors unter Leitung von Kantor Müller, Gedichte und ein von Lehrer Reinboth einstudiertes, herzerfrischendes und mit Fleiß vorgetragenes Soldatenknabenspiel. Mit dem Schlußgesang "Deutschland, Deutschland über alles" fand die gut gelungene Kundgebung ihr Ende.
4. Oktober
Am 1. Oktober trat aus dem Schuldienst in den wohlverdienten Ruhestand der hier allgemein bekannte und geschätzte Lehrer Oskar Reime. Er hat seit Ostern 1879 der hiesigen Schule treu gedient, nachdem er vorher an zwei anderen Orten tätig war. Nach Schulschluß versammelten sich Lehrer und Lehrerinnen der Mädchenvolksschule in der von den Schülerinnen der beiden ersten Klassen mit Blumen geschmückten Turnhalle zu einer kurzen Abschiedsfeier. Rektor Burchard sprach in warmen Worten den Dank der Schule für treue Arbeit und segensreiche Wirksamkeit aus und überreichte im Namen des Kollegiums als Zeichen der Verehrung ein Andenken. Stadtrat Brembach überbrachte den Dank der städtischen Behörden. Die Schülerinnen der oberen Klassen sangen ihrem verehrten scheidenden Gesangslehrer ein Abschiedslied unter Leitung von Lehrer Wernicke. Eine Ordensauszeichnung hatte Herr Reime abgelehnt.
2. November
Die 400jährige Wiederkehr des Reformationstages wurde auch in Delitzsch in überaus ernster und eindrucksvoller Weise begangen. Vor allem hatten sich die Schulen mit Lehrern und Schülern bereitwilligst in den Dienst der großen Sache gestellt und die Hauptarbeit übernommen. Besonders waren es zwei Gesangschöre, beide aus Männer- und Frauenstimmen bestehend, die die Einübung der Gesänge übernommen hatten, zunächst der Kirchenchor unter Leitung von Kantor Müller und ein neu gebildeter Chor, aus Frauen, Jungfrauen, Oberrealschülern, Seminaristen und Präparanden bestehend, unter der Leitung von Seminarmusiklehrer Heine. Dazu kam noch ein Kinderchor. Die Soli hatte Frau Martha Kurzhalß freundlichst übernommen. Es sollte das Lutherfestspiel von Paul Quensel zur Aufführung in unserer Stadtkirche kommen. Am Abend des 30. Oktober kam der erste Teil des Festspiels zur Aufführung. Die Kirche war übervoll. Die Feier des 31. Oktober begann morgens um 8 Uhr mit Glockengeläut und Choralblasen. Um 10 Uhr war Festgottesdienst, der wieder ein volles Gotteshaus sah. Die beiden Diakonen hielten die Liturgie, Superintendent Hobbing hielt die Predigt über 1. Joh. 5,4; "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." Die Gesangchöre leisteten das Beste, ebenso die Darbietungen des zweiten Teils des Lutherfestspiels. Die gesamte Festfeier hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
27. November
Der aufsichtsführende Richter am hiesigen Amtsgericht, Amtsgerichtsrat Dr. Römpler ist plötzlich und unerwartet in vergangener Nacht einem Herzschlag erlegen. Der Verblichene hat nur ein Alter von 47 Jahren erreicht; er war am 8. September 1870 geboren und amtierte, von Erxleben kommend, seit 15. September 1907 am Delitzscher Amtsgericht Aufsichtsführender Richter an diesem war er seit vorigem Jahre.
1. Dezember
In der hiesigen Strafanstalt auf dem Schlosse werden an 200 Spioninnen interniert, deren Seelsorge einem katholischen polnischen Priester übertragen ist. Für die weiblichen Strafgefangenen evangelischen Glaubens übernimmt die Seelsorge der hiesige dritte Geistliche Pfarrer Ruhmer als Nachfolger eines hauptamtlich angestellt gewesenen Gefängnisgeistlichen, Pfarrers Erich Eyßell, der sein Amt mit Kriegsbeginn niedergelegt hat. Die schon in den Vorjahren schwerempfundene Lebensmittelknappheit nimmt immer härtere Formen an. Vor den Ausgabestellen der Lebensmittel werden die von Käufern gebildeten Schlangenlinien zur bitteren Gewohnheit. (Ich weise hin auf die Kriegschronik der Stadt Delitzsch)
1918
Mit der Führung der Geschäfte beim hiesigen Amtsgericht wurde vom 1. Januar ab Amtsgerichtsrat Rother betraut. Assessor Mielke ist vom hiesigen Amtsgericht weg als Hilfsrichter an das Landgericht Stendal versetzt.
4. Januar
Vom 1. Januar ab treten folgende Erzeugerhöchstpreise in Kraft: Rote Speisemöhren 8 Mark, gelbe 6 Mark, runde kleine Karotten 13 Mark, Weißkohl 6,50 Mark, Wirsing- und Grünkohl 10 Mark, Rotkohl 10,50 Mark, Zwiebeln 13 Mark, Sellerie ohne Kraut 40 Mark, Meerettich I 45 Mark, II 35 Mark, III 25 Mark, Rote Rüben 14 Mark, Schwarzwurzeln 50 Mark je Zentner. Die bekannten Erzeugerhöchstpreise für Obst sind um 15 Prozent erhöht. Sie betragen z.B. in der Gruppe I für Äpfel 46 Mark, für Birnen 40,25 Mark je Zentner. Der Erzeugerpreis für Wallnüsse ohne grüne Schale ist z.Z. 70 Pfg. für das Pfund.
8. Januar
Am heutigen Tage kann der Schuhmachermeister Karl Brendecke sein 50-jähriges Meisterjubiläum begehen. Dem Jubilar wurden seitens des Vorstandes der Schuhmacherinnung verschiedenere Ehrungen und ein Diplom der Handwerkskammer übermittelt.
15. Januar
Verhaftet wurde am Sonntag früh der Kaufmann Richard Beyer, Inhaber der Firma Bruno Beyer hierselbst. Die Gründe zu B´s Verhaftung, der seit längerer Zeit in der Lebensmittel-Abteilung des Landratsamtes Bitterfeld tätig war, können solange die polizeiliche Untersuchung schwebt, hier nicht erörtert werden.
22. Januar
Aus Imkerkreisen wird mitgeteilt, daß die Bienen bereits ausgeflogen sind. Im allgemeinen verheißt das ein zeitiges Frühjahr, was zu hören wohl vielen recht angenehm sein dürfte. –Das seit einigen Tagen eingetretene milde Wetter lockt übrigens schon die Maikäfer hervor. Einer dieser Gesellen, ein großer ausgewachsener Bursche, dem man eine Lebensmittel-Rationierung nicht ansah, wurde uns gestern bereits pflichtmäßig überbracht.
23. Januar
Die Stadtverordneten beschließen in ihrer heutigen Sitzung Oberlehrer Krebs, der schon 3 Jahre als Hilfslehrer an der Oberrealschule tätig ist zum 1.4.1918 entgültig an zustellen. Das Provinzial –Schulkollegium ist mit diesem Beschluß einverstanden. Die Stadtmühle wird für den Pachtpreis von 800 Mark an den bisherigen Pächter weiter verpachtet.
27. Januar
Die Kaiser–Geburtsfeier am heutigen Tage wurde auf besonderen Wunsch des Kaisers im einfachen Rahmen begangen. In der Stadtkirche fand Festgottesdienst statt. Die Schulen begingen den Tag durch Festfeiern in ihren Schulen, wo Ansprachen gehalten, Gedichte und Lieder vorgetragen wurden. Die Vereine feierten in den Sälen der Stadt. Die Stadt war an dem Tage reich beflaggt.
1. Februar
Das Schlangestehen vor den Lebensmittelgeschäften, wo zur Sättigung nur völlig unzureichende Mengen abgegeben werden können, wird für die vereinsamten Hausfrauen allmählich zu einer drückenden Last. Doch kommt es in der Stadt Delitzsch nicht zur offenen Empörung.
13. Februar
In der heutigen Stadtverordneten–Sitzung wurde die Weiterverpachtung der Gastwirtschaft im Forsthause an die Dampfbierbrauerei Uhlmann unter den bisherigen Bedingungen auf zunächst weitere zwei Jahre.
16. März
Der beim Kreis-Auschuß angestellte Assistent Neumann ist zum Kreis–Ausschuß–Sekretär befördert worden.
21. März
Schuhmachermeister Wilhelm Arndt begeht heute sein 50-jähriges Meisterjubiläum. Es wurde ihm durch Herrn Adolf Tauche im Auftrag der Handwerkskammer zu Halle das Goldene Meisterdiplom überreicht. Die Schuhmacher–Innung übermittelte dem Jubilar durch Obermeister Zeising ihre Glückwünsche. Das gleiche tat die Rohstoff–Genossenschaft durch ihren Vorsitzenden Paul Schmidt, da Arndt Mitbegründer dieser Genossenschaft ist. Der Jubilar ist der letzte der sogen. Gewerbefreiheit.
25. März
Eine Windelwoche soll in unserem Delitzscher Bezirk von 6. – 13. April veranstaltet werden. Beim Lesen dieses Wortes wird vielleicht ein Lächeln über manches Antlitz gehn, aber wer die Not der Familien kennt, in denen während des Krieges ein oder auch mehrere Kriegskinder geboren wurden, der wird von der Notwendigkeit einer solchen Veranstaltung voll und ganz durchdrungen sein.
18. April
Der frühere Stadtrat, jetzige Stadtälteste Spangenberg konnte am heutigen Tage sein 50-jähriges Bürgerjubiläum begehen. Aus diesem Anlaß übermittelten heute morgen Erster Bürgermeister Böttcher und Stadtrat Brembach dem Jubilar unter Überreichung einer Blumenspende die Glückwünsche der Stadtverwaltung.
7. Mai
Vor 20 Jahren war das Wort Jugendpflege noch nicht ein so bekanntes Wort wie heute. Die Kirche war es, die mit zuerst die Notwendigkeit erkannte, der schulentlassenen Jugend sich anzunehmen. Die Seelsorger hatten ja besonders bei ihrer seelsorgerischen Tätigkeit reichlich Gelegenheit wahrzunehmen wie hier in der Erziehung eine Lücke war. Sie haben diese Aufgabe auf sich genommen und die Jugend in Vereinen zu sammeln gesucht. Zunächst war es fast allgemein die männliche Jugend, die man in Jünglingsvereinen sammelte, aber bald gesellten sich dazu auch die Jungfrauenvereine. So ist es auch in unserer Gemeinde gewesen. Der Ev. Männer- und Jünglingsverein bestand bereits mehrere Jahre als dann auch der Jungfrauenverein hinzukam. Er besteht nun bereits 20 Jahre. Das 20. Jahresfest, das der Verein zur Himmelfahrt feiert, ist darum ein wichtiges Ereignis.
14. Mai
Die Oberschwester des hiesigen städtischen Krankenhauses beging gestern Sonntag den 40. Jahrestag ihres Schwesternberufs. Magistrat und Abordnungen des Stadtv. Kollegiums, sowie das Krankenhauspersonal hatten sich aus Anlaß dessen in der Frühe des gestrigen Tages zu einer kleinen aber eindrucksvollen Feier im Krankenhaus zusammengefunden. Erster Bürgermeister Böttcher überreichte Oberschwester Marie Kopacek die Rote Kreuz -Medaille, 3. Klasse.
15. Mai
Zum Wohle der Kleinsten der Kleinen ist man hierselbst, anschließend an den schon bestehenden Kinderhort, zur Gründung einer Krippe geschritten. Sie soll die Jüngsten tagsüber betreuen, während deren Eltern ihren Berufspflichten nachgehen. Auf Antrag des Frauenvereins haben Stadtverordnete und Magistrat in der letzten Sitzung einmütig beschlossen, der Krippe den Betrag von 1000,- Mark zu bewilligen. Demselben Zweck war der gestrige Kunstabend im Schützenhaus gewidmet. Es hatten sich zu diesem Abend zur Verfügung gestellt Postdirektor Hauptmann Lincke als Meister am Klavier, die Lehrerin an der höheren Mädchenschule Frl. Hedwig Weißberger als eigentliche Veranstalterin des Abends mit ihren vorzüglich vorgetragenen Zeitgedichten und Balladen, unsere heimische Gesangsdiva Frau Dr. Kurtzhalß und die als Gast herbeigeeilte Barfußtänzerin Frl. Lise Abt-Hildesheim. Der wohlgelungene Abend erbrachte eine Brutto-Einnahme von 472,- Mark. Nach Abzug der Unkosten konnten der Krippe 200,- Mark zugeführt werden.
23. Mai
Dem Wagenbauer Fritz Kaspar hier wurde für Verdienste um das Feuerlöschwesen in seiner Eigenschaft als Kreisspritzenrevisor das Feuerwehr-Erinnerungszeichen verliehen, das ihm durch Ersten Bürgermeister Böttcher unter Hervorhebung und Anerkennung seiner Verdienste, die er sich als Spritzenmeister der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr und als Kreisspritzenrevisor um das Feuerlöschwesen erworben hat, heute überreicht wurde. Gleichzeitig beging Fritz Kaspar gestern mit seiner Ehefrau das Fest der silbernen Hochzeit und sein 25jähriges Meister- und Geschäftsjubiläum.
1. Juni
Der Obermeister der hiesigen Schmiedeinnung Oswald Morgner, Wiesenstraße, begeht heute sein 25jähriges Geschäftsjubiläum. Aus kleinen Anfängen heraus ist sein Betrieb heute zu großem Ansehen gelangt; vor allem durch Lieferung von schmiedeeisernen Sattlerbedarfsartikeln, die weit in Deutschland Verbreitung finden.
4. Juni
In der am 3. d. Mts. in Halle a.S. stattgefundenen Sitzung des Hauptverbands-Ausschusses des Feuerwehr-Verbands der Provinz Sachsen wurde der Vorsitzende des hiesigen Feuerlöschwesens Branddirektor F. W. Schultze zum Verbands-Vorsitzenden des Feuerlöschwesens der Provinz Sachsen gewählt. Branddirektor Schultze gehört der hiesigen Feuerwehr über 35 Jahre als Mitglied an, seit 25 Jahren ist er als Brandmeister und Stellvertreter des Branddirektors tätig. Dem Feuerwehrverband des Kreises Delitzsch steht er seit 1910 und dem Feuerwehrverband des Regierungsbezirks Merseburg seit 1915 als Leiter vor; über 15 Jahre gehört er dem Feuerwehrverband der Provinz Sachsen als Ausschußmitglied an. Seit dem 1. Januar 1915 ist er der Vorsitzende des hiesigen Feuerlöschwesens und Branddirektor.
7. August
Der in unserer Stadt nebenamtlich geleitete öffentliche Arbeitsnachweis trägt einen privaten Charakter. Die Regierung hat nun zu verschiedenen Malen für Delitzsch die Errichtung eines öffentlichen Arbeitsnachweises für männliche und weibliche Arbeiter, der dem Verband der öffentlichen Arbeitsnachweise angegliedert ist, gefordert. Magistrat schlägt vor, im Prinzip der Errichtung eines öffentlichen Arbeitsnachweises zuzustimmen, in der Voraussetzung, daß der Kreis die Hälfte der Kosten für die Einrichtung und weiter dauernd die Hälfte der entstehenden Betriebskosten trägt. Geplant ist als evtl. späteres Geschäftslokal das frühere Meley'sche Haus.
19. August
In der Nacht vom 15. zum 16. August wurde die Delitzscher Zuckerfabrik von Dieben heimgesucht. Sie nahmen 7 Zentner Zucker mit. Der benachrichtigten Polizei gelang es bald, in dem Arbeiter Thomas, Südstr. 9, den Haupttäter zu ermitteln. Eine Haussuchung förderte dann auch 1 ½ Zentner des gestohlenen Gutes zu tage. Nun sind auch zwei weitere Mittäter festgestellt worden, der Maurer Hause und der Arbeiter Mühlberg. Die drei Diebe wurden nach Halle in Sicherheit gebracht. Dieser jetzt aufgeklärte Diebstahl hat große Ähnlichkeit mit den im Mai und Juni in der Delitzscher Zuckerfabrik verübten Diebstählen. Beweise dafür, daß die jetzigen Diebe auch als Täter in Betracht kommen, konnten aber bisher nicht beigebracht werden.
3. September
Des Sedantages wurde in Schulen und Vereinen dieses Jahr in einfachster Form gedacht. Der Mobilmachungsausschuß hatte für diesen Tag unsern, während des Krieges so bekannt und beliebt gewordenen Landsmann, den Dichter und Schriftsteller Max Jungnickel, gewonnen, der sich freundlichst bereit erklärt hat, einige seiner Dichtungen vorzulesen. Jungnickel besuchte einst das hiesige Seminar, und ein Bruder von ihm, der Eisenbahnbeamte a.D. Hugo Jungnickel; wohnt heute noch hier. Max Jungnickels bekannteste Schriften sind "Pater Himmelhoch", "Lachendes Soldatenbuch", "Trotz Tod und Frauen","Vom Frühling und Allerhand". Aus diesen Schriften las er vor sowie aus seinem letzten noch nicht erschienenen Werk "Jakob Heidebuckel". Die bekannte heimische Künstlerin Käte Schimpf sang, begleitet von ihrem Vater, dem Musikdirektor Straube aus Wittenberg, in vollendet Schöne einige Lieder. "Der Schwan" hatte ein übervolles Haus.
4. September
Der Magistrat hat sich aus bestimmten Gründen entschließen müssen den Milchpreis pro Liter Vollmilch auf 40 Pfennige heraufzusetzen.
14. September
Delitzsch's Ehrenbürger, Herr Stadtrat a.D. Privatmann Gustav Schultze, Vater des Stadtv. Vorstehers Justizrat Schultze, begeht heute seinen achtzigsten Geburtstag. Zu diesem denkwürdigen Tage beglückwünschte ihn eine Abordnung der städtischen Körperschaften, bestehend aus den Herren I. Bürgermeister Böttcher, Stadtrat Brembach und stellv. Stadtv. Vorsteher Veterinärrat Liebener, die dem Jubilar dabei ein herrliches Blumengebinde namens der Stadt überreichte. Auch die Feuerwehr ehrte besonders ihr altes Mitglied, das 50 Jahre in ihren Reihen gestanden hatte. Branddirektor Schulze und die beiden Brandmeister Kasper und Tauer sprachen ihre Glückwünsche aus.
18. September
Da der vordere Teil des alten Friedhofs mit Grabstätten bald belegt ist beschließen die Stadtverordneten die Einebnung und Neubelegung des zweiten Südteils des alten Friedhofs. Die Kosten sind auf 500 Mark veranschlagt. Weiter beschlossen Magistrat und Stadtverordneten hervorgerufen durch die Preiserhöhung auf allen Gebieten die Bewilligung von Teuerungszulagen an Pensionäre, Beamte und Arbeiter der Stadt unter Zugrundelegung der staatlichen Sätze. In derselben Sitzung unterbreitete Stadtv. Vorst. Justizrat Dr. Schultze dem Magistrat folgende Resolution: "Die Stadtverordneten-Versammlung ist der Ansicht, daß die jetzige Ernährung unserer Bürgerschaft vollkommen unzureichend ist und bittet den Magistrat Abhilfe zu schaffen.
19. September
Im August wurde die Einführung fleischloser Wochen beschlossen, sie sollen bis zum Januar
1919 beibehalten werden.
20. September
Über die Notwendigkeit des Ausbaus deutscher Wasserstraßen hat Oberbaurat Rehder einen gigantischen Plan entworfen. Rehder sieht für das große norddeutsche Kanalnetz drei Hauptlinien vor. Die eine geht von Hamburg aus an die bayrischen Kanäle. Die zweite knüpft an den Mittelkanal an. Die dritte führt von Frankfurt a/M über Halle. Von diesen Hauptlinien gehen dann Nebenlinien und Stichkanäle aus. Der Kanal von der Saale nach Belgern ist ein Stück der dritten Hauptlinie. Er geht von Halle weiter südlich von Brehna und westlich von Zaasch. Dort teilt er sich in zwei Arme. Der südliche läuft auf der Südseite von Zaasch nach Delitzsch, überschreitet nördlich von Schenkenberg den Lober, kreuzt dann die Bahn nach Leipzig und erreicht in der Nähe von Werben den Hafen, der für Delitzsch in nordsüdlicher Richtung und rund 1 Kilometer Länge in dem Raume zwischen der Eisenbahnbetriebswerkstätte und dem Wege von Delitzsch nach Werben angelegt ist. Von Delitzsch aus wird der Hauptkanal weiter geführt. Er geht nördlich an Werben vorüber durch die Spröde, an Torgau vorbei und erreicht oberhalb Belgern den Elbstrom und sodann über die Elbe weiter.
10. Oktober
Am 1. Oktober vor 25 Jahren wurde die Bahnsteigsperre eingeführt. Früher hatte jedermann Zutritt zu dem Bahnsteig, und namentlich in kleinen Orten machte sich das besonders die Jugend zunutze, die die Passagiere der vorüberflitzenden Schnellzüge ehrfürchtig bestaunte. Damals vollzog sich der Eisenbahnbetrieb noch in gemütlicheren Formen. Wenn sich der Zug in Bewegung setzen sollte, dann forderte ein zweimaliger Glockenschlag die Passagiere zum Einsteigen auf, ein dreimaliger Glockenschlag besagte, das alles soweit sei. Jetzt pfiff der Bahnhofsvorsteher, die Lokomotive pfiff wieder und nach diesem feierlichen Zeremoniell konnte es in die weite Welt hinausgehen.
17. Oktober
Ein furchtbares Drama hat sich um Verlaufe des gestrigen zum heutigen Tage hierselbst, Zeppelinstraße 7, zugetragen. Der Tischler Alfred Storck hat sich mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern im Alter von 8 und 9 Jahren, nachdem er den Kindern mit einem Rasiermesser den Hals angeschnitten hatte, durch Gas vergiftet. Das Motiv dieser Tragödie ist Kranksein beider Eheleute (die Frau war schwer lungenkrank und sah ihrem baldigen Ende entgegen). Der Selbstmord geschah in vollem Einverständnis beider Eheleute. Sie hatten am Tage vorher ihr Testament gemacht, ihre Sparbücher auf dem Tische ausgebreitet und Schreiben an ihre Verwandten in Schlesien hinterlassen, die auch ihre Erben sind.
22. Oktober
Die Grippe-Erkrankungen haben in letzter Zeit in Delitzsch und der Umgegend stark überhand genommen. Der hiesige Landrat ersucht aus Anlaß dieser Erkrankungen in einer Bekanntmachung die Ortspolizeibehörden in allen Ortschaften, in denen die Grippe in größerem Umfange auftritt, öffentliche Versammlungen und Aufführungen zu verbieten und bei Beerdigungen diejenigen Vorsichtsmaßnahmen, die bei übertragbaren Krankheiten vorgesehen sind, anzuordnen.
9. November
Laut Telegramm hat der Kaiser und König sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers und dem Thronverzicht des Kronprinzen sowie der Einsetzung der mit der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, der Regierung die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetz-Entwurfs wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine Verfassunggebende Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes, einschließlich der Volksteile, die ihre Einverleibung in das Reichsgebiet wünschen sollten, entgültig festzusetzen. Der 9. November ist der Tag der Verkündung der Staatsumwälzung (Revolution) auch in Delitzsch.
11. November
Der schmachvolle Waffenstillstand von Compiegne ist heute abgeschlossen worden. Die deutschen Bevollmächtigten standen unter Führung des Zentrumsmannes Erzberger. Dieser hat auch den Waffenstillstand unterzeichnet. Der furchtbare Krieg hat auch von der Delitzscher Bewohnerschaft überaus große Opfer gefordert. Nach den Feststellungen der Religionsgemeinschaften der Stadt sind bis zum heutigen Tage in diesem Kriege gefallen, vermißt oder an empfangenen Wunden gestorben 537 Delitzscher Kriegsteilnehmer evangelischen, 22 katholischen und israelitischen Bekenntnisses, zusammen 560 heldenbrave Männer, deren Andenken unvergessen bleiben wird.
13. November
In der heutigen Stadtverordneten-Sitzung wurde der Antrag eingebracht, der Magistrat möge mit Rücksicht auf die veränderte politische Lage sofort Neuwahlen für das Stadtverordneten-Kollegium ausschreiben.
13. November
Wie überall so hat sich auch in Delitzsch ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, der heute seine erste Sitzung abhält. Zum Vorsitzenden wurde Buhle, zu seinem Stellvertreter Hampe und zum Schriftführer Förster gewählt.
16. November
Die zweite Sitzung des Arbeiter- und Soldaten-Rates tagte gestern Freitag von 4-6 Uhr im Rathaus-Sitzungssaale unter Leitung des Vorsitzenden des Vollzugs-Ausschusses Buhle. Es stand folgendes zur Erledigung:
a) Festlegung der Anwesenheitsliste
b) Wahl von Delegierten zum gemeinsamen Ausschuß der Räte Delitzsch und Eilenburg
c) Einführung des Achtstunden – Arbeitstages
d) Weiterbehaltung bzw. Aushändigung der Jagdwaffen an Besitzer
e) Entschädigung der Räte für versäumte Arbeitszeit während der Ausübung ihrer Funktionen
f) Festlegung der Polizeistunde
21. November
Der Leiter der städtischen Nahrungsmittelzuteilungsstelle Dr. Kleeberg ist heute seines Amtes enthoben worden. Geheimer Medizinalrat Dr. Kornalewsky ist mit dem 15. November in den Ruhestand getreten. In die von ihm inne gehabte Kreisarztstelle tritt Kreisarzt Medizinalrat Dr. Krefting, dessen Wohnung sich vorläufig im Gasthaus zur Linde hierselbst befindet.
26. November
Dem Bauernrat für Delitzsch, der gestern abend sich zusammengesetzt hat gehören an: Baumschulenbesitzer Walter Pönicke, Gutsbesitzer Albert Scharff und Landwirt Alwin Große. Aus dem Kreise der Arbeitnehmer wurden hineingewählte Obergärtner Otto, Geschirrführer Tauer und Geschirrführer Küster.
28. November
In vergangener Nacht, vermutlich in der ersten Stunde, haben Diebe das am Markt gelegene Konfektionsgeschäft der Firma Otto Freitag heimgesucht und Waren im Wert von etwa 20.000 Mark erbeutet. Die Diebe haben mit großer Sachkenntnis gearbeitet, sodaß man unwillkürlich zu der Neigung hinlenkt, es mit Fachleuten zu tun zu haben. Die Diebe haben die besten Stoffe und sonstige Sachen als Taschentücher, zwei Dutzend Herren Unterhosen, Seidenstoffe, verschiedene Damenkonfektionen, zwei Pelze, 15 Damenmäntel mitgehen heißen. Sie haben das gestohlene Gut in Ballen gepackt und diese dann, nachdem sie erst noch die Ladenklingel zerschnitten und die Ladentür aufbrachen, zur Ladentür hinausgeschafft. Auf Herbeibringung des gestohlenen Gutes sind 2000 Mark Belohnung vom Verlustträger festgesetzt.
29. November
Gestern abend 7 Uhr traf das Ersatz Bataillon Landwehr – Infanterie Regiments Nr. 30 in Stärke von ungefähr 180 Mann hier ein und wurde im Schloß untergebracht. Das Infanterie Regiment Nr. 30 selbst und diesem sämtliche angegliederten Formationen, deren Stärke jedoch noch nicht bekannt ist, kommt später hierher. Das Infanterie Regiment Nr. 30 hatte seine Friedensgarnison in Saarlouis (Rheinland) und muß diese solange mit unserem Ort vertauschen, bis die kommenden Friedensverhandlungen über sein zukünftiges Schicksal entschieden haben.
1. Dezember
Mit dem heutigen Tage tritt als Nachfolger für den im Kriege gebliebenen Dr. Conradi der neue Direktor der Landwirtschaftsschule bezw. Landwirtschaftlichen Winterschule Direktor Martin Schöne aus Merseburg hier sein Amt an und eröffnet mit den zur Aufnahme gelangten Schülern für die noch zur Verfügung stehenden Wintermonate einen Notkursus.
21. Dezember
Heute traf das Reserve – Regiment Nr. 30 hier ein und wurde in Schulgebäuden und Sälen untergebracht. Morgen soll der Einzug des aktiven Regiments Nr. 30 erfolgen. Der Bestand dieser Regimenter ist verhältnismäßig gering, da er nur noch die 4 Jahrgänge 1896 –1899 umfaßt. Die älteren Jahrgänge sind bereits entlassen worden.
31. Dezember
Viel ernster und würdiger fanden in diesem Jahre die Weihnachtsfeiern statt. Sonnabend den 23. Dezember bereiteten Schwester Martha und Helene den 66 Kindern, die das ganze Jahr hindurch trotz der Schwere der Zeit zum Segen so mancher Familie an Leib und Seele gut gepflegt und gehütet werden, eine schlichte schöne Feier. Sonntag den 22. Dezember fand abends im Krankenhaus eine Weihnachtsfeier statt, wozu auch Vertreter der Stadt und der Krankenhauskommission sowie Freunde und Gönner des Krankenhauses erschienen waren. Dank der Opferfreudigkeit edler Spender und der Mühewaltung der Schwestern konnten bei beiden Feiern reichlich Gaben verteilt werden. Unter den Kranken befanden sich auch eine Anzahl Soldaten. Am 1.Weihnachtsfeiertag fand im "Schwan" eine Begrüßung unserer heimgekehrten Krieger statt. Es sprachen Stadtrat Freyberg und Pastor Ruhmer. Musikalische Darbietungen wurden von Frau Schimpf-Straube, Frl. Fricke, Kantor Müller und Organist Sauerteig geboten. Eine schöne Weihnachtsfeier für das jetzt in unserer Stadt weilende aktive Inf. Reg. Nr.30 fand am 28.12. abends im Schützenhause statt. Es sprachen Stadtrat Kläning und Stadtältester Freyberg. Ein Schülerchor sang Weihnachtslieder. Unter die Soldaten wurden Weihnachtspakete verteilt. Der Regimentskommandeur dankte für die freundliche Aufnahme in Delitzsch und für die schöne Feier.
1919
5. Januar
Der Vollzugsausschußvon Delitzsch gibt bekannt, daß laut Beschluß des Arbeiter- und Soldatenrates für Delitzsch eine Sicherheitswache gebildet wird. Meldungen werden im Büro, Rathaus, Zimmer 34 und im Roten Löwen entgegengenommen. Es werden nur ältere, zuverlässige, mit der Waffe ausgebildete Leute berücksichtigt. Ein Mord unter eigenen Begleitumständen geschah gestern abend auf dem Berliner Bahnhof. Zum Abendzug nach Leipzig hatten sich wie stets viele Personen im Vorraum versammelt. Mit einem bekannten Delitzscher Herrn im Gespräch stand dort auch der Handlungsgehilfe Strauß - Zschortau, der früher bei Firma Gotsch und Held beschäftigt war. Plötzlich fiel ein Schuß und traf den Strauß in den Hals, der umfiel und sofort tot war. In Verdacht stehen 3 Soldaten, die kurz vor dem Vorgang des Falles in die Wartehalle eingetreten waren, davon einer mit geschulterten Gewehr. Sie verließen nach dem Fallen des Schusses eiligst die Wartehalle nach dem Sorauer Bahnhof zu. Keiner wagte sie zu stellen. Zur Klärung trifft heute ein Kriminalkommissar aus Halle ein. Durch Einbruchdiebstahl geschädigt wurde in vergangener Nacht die Firma Hermann Bahrenburg. Die Einbrecher erbrachen den Rolladen eines der großen Schaufenster und drückten das Fenster ein. Im Laden wurden sämtliche Seidenblusen im Wert von 6000 Mark, Kleiderstoffe im Werte von etwa 10.000 Mark, sowie Wollwaren im gleichen Betrage und vieles andere gestohlen. Außerdem soll Wäsche, Ketten, Spangen und andere Ware für mehr als 4000 Mark mitgenommen worden sein. Der Gesamtverlust wird auf über 35.000 Mark geschätzt, der umso schwerer wirkt, als eine Versicherung gegen Diebstahl nicht bestehen soll.
29. Januar
Die gestern nachm. 4 Uhr tagende Vollsitzung des Arbeiter- und Soldatenrates wurde vom Vorsitzenden Buhle eröffnet. Dieser teilte mit, daß ab 3. Februar je Kopf 5 Pfund Brot verteilt wird. Das Brot wird auch weiterhin aus reinem Mehl gebacken. Die Streckung mit Kartoffeln ist verboten. Weiter wurden zu der Konferenz der A.- u. S. Räte die am heutigen Mittwoch den 29. Januar in Halle stattfindet als Delegierte Buhle und Hampe gewählt.
8. Februar
Eine Protestversammlung gegen die völkerrechtwidrige Zurückhaltung unserer Gefangenen, die der Mobilmachungsausschuß gestern abend im Schützenhause einberufen hatte, war sehr zahlreich besucht. Nach Eröffnung durch den Vorsitzenden Stadtältesten Freyberg legte Pastor Kohlmann nach einigen einleitenden Worten die Protestkundgebung vor in der gefordert wurde sofortige Zurückgabe aller Gefangenen, bis dahin menschenwürdige Behandlung, Erleichterung des Postverkehrs, Verbesserung der Ernährung, Vergütung für die geleistete Arbeit nach den üblichen Lohnsätzen, Milderung der Disziplinarstrafen, Bildung einer gemischten Kommission zur Besichtigung der Lager und zum Besuch der deutschen Gefangenen. Der Vorsitzende gab bekannt, daß eine Geldsammlung für die Gefangenen in die Wege geleitet sei zu der bereits Glesien und Umgegend einen Betrag von 2000 Mark eingesandt hat. Die ernste Stimmung des Abends wurde vertieft durch vorgetragene Gedichte von Frl. Weißgerber und Gesängen von Frau Martha Kurzhalß. Mehrere bereits heimgekehrte Gefangene gaben Schilderungen über die unwürdige Behandlung unserer Gefangenen in Frankreich und deren Kolonien.
15. Februar
In der gestern stattgefundenen Stadtverordnetensitzung wurde bekannt gegeben, daß die Regierung bei den höheren Schulen die Einrichtung eines Elternbeirates und Schulausschusses angeordnet hat. An der hiesigen Oberrealschule besteht bereits ein Schulausschuß, der sich künftig aus dem Bürgermeister, einem Ratsmitglied, zwei Stadtverordneten und zwei von den Stadtverordneten zu wählenden Bürgern zusammensetzt. Auf Vorschlag worden letzteren Maschinensetzer Alpers und Postsekretär Huth gewählt. Die Wahl des Elternbeirats übernimmt das Provinzial-Schulkollegium.
20. Februar
Anläßlich seines Ausscheidens aus städtischen Diensten wurde gestern Stadtrat Friedrich für seine langjährig geleistete Arbeit durch eine städtische Abordnung, bestehend aus I. Bürgermeister Böttcher, Stadtrat Brembach und Stadtverordneten-Vorsteher Schulze ein Bild zur bleibenden Erinnerung überreicht und damit zugleich der Dank der Stadt Delitzsch zum Ausdruck gebracht.
27. Februar
Die Wahl zur Nationalversammlung in Weimar und zur preußischen Landesversammlung haben stattgefunden. In Delitzsch wurden folgende Stimmen abgegeben: für Deutschnationale 580, Deutsche Volkspartei 123, Demokraten 1950, Mehrheitssozialisten 1937, Unabhängige 3200. Der Generalstreik, der am Montag den 24. Februar begann setzte die Grube Leopold bei Bitterfeld, von der wir hier die elektrische Kraft erhalten, außer Betrieb, sodaß viele Häuser und Geschäfte in Mitleidenschaft gezogen wurden.
8. März
Eine sehr zahlreich besuchte Versammlung aller Streikenden am gestrigen Abend im Schützenhause beschloß, am heutigen Sonnabend noch nicht wieder zu arbeiten, sondern durch einen Demonstrationszug am Nachmittag den Sieg der Arbeiterschaft zu proklamieren. Am Montag wird dann allgemein die Arbeit, auch in der Eisenbahnwerkstatt, wieder aufgenommen werden.
10. März
Für die Beibehaltung des Religionsunterrichts im Stundenplan unserer Schulen haben die Damen der Evangelischen Frauenhilfe in unserer Gemeinde Unterschriften gesammelt. In kurzer Zeit war die Kundgebung von 4000 Mitgliedern über 20 Jahre unterzeichnet worden. Weitere Unterschriften werden täglich in der Küsterei und bei den Geistlichen vollzogen.
11. März
Die Gemeindevertretung ist aufgelöst. Es finden neue Stadtverordnetenwahlen statt.
11. März
Anfang März ist in Delitzsch eine Volkshochschule errichtet worden. Sie soll jungen Leuten beiderlei Geschlechts im Alter von 18 bis 30 Jahren Gelegenheit bieten, Lücken in ihrer Bildung auszufüllen und ihr Wissen auf wichtigen Gebieten zu erweitern und zu befestigen. Zu diesem Zwecke sollen einheitliche Lehrkurse im Wechsel mit Vorträgen stattfinden. Als Lehrstoff kommen in Frage Staats- und Volkswirtschaft, deutsche Geschichte, Lebenskunst, Physik und Chemie, Geld- und Bankwesen und bei Bedarf auch lebende Sprachen. Der erste dieser Abende fand in der Knabenvolksschule gestern statt. Der bisherige Leiter der Veranstaltung Amtsrichter Haberland begrüßte die Anwesenden. Da er versetzt worden ist übernimmt die Leitung Dr.med.Kurtzhalß, der auch den ersten Vortrag über Bekämpfung auftretender Krankheiten hält.
16. März
Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer möglichst durchgreifenden Entwaffnung und Säuberung der ländlichen Umgebung von Halle hat sich Generalmajor Maercker veranlaßt gesehen, den Belagerungszustand auch über andere Ortschaften der näheren und weiteren Umgebung von Halle so auch über Delitzsch zu verhängen. Nach General Maerckers ausdrücklichem Betonen ist damit keine Verschärfung des bisherigen Zustandes beabsichtigt, die Maßnahme richtet sich vielmehr lediglich gegen das Gesindel, welches bisher bereits auf dem Lande geplündert hat und von dem auch weitere Ausschreitungen zu erwarten stehen, sowie gegen diejenigen, die immer noch Waffen verborgen halten, deren Einziehung nach wie vor eine Hauptaufgabe der Landjäger bleibt. Der Belagerungszustand begann bereits am 13. März und wurde Sonntag den 16. März bereits wieder aufgehoben.
18. März
Wie bekannt, ist vor kurzer Zeit eine Verfügung erlassen, nach der sämtliche Waffen abgeliefert werden müssen. Die Kriegervereine besitzen nun Gewehre, mit denen besonders bei den Begräbnissen gefallener oder verstorbener Kameraden, die drei Ehrensalven über das offene Grab abgegeben werden. Diese Waffen sind nicht abzuliefern. Es ist jedoch rätlich, ein Verzeichnis derjenigen Kameraden anzulegen, in deren Besitz sich die Waffen befinden.
23. März
Es findet eine Neuwahl des Arbeiterrates statt.
28. März
Die Delitzscher Turner-Vereinigung veranstaltete gestern Donnerstag den 27. März abends im Schützenhause für die 25 gefallenen und 4 vermißten Turnerhelden eine stimmungsvolle Gedächtnisfeier und Mitwirkung von Frau Dr. Kurtzhalß, Frl. Luzia Schmidt, Frl. E. Döhlert, Frl. J. Pesch, Herr Biehl sowie Organist Sauerteig. Der Vorsitzende der Turner-Vereinigung Hampe hielt die Gedächtnisrede.
31. März
Ein seltenes Jubiläum konnte in diesen Tagen Veterinärrat Kreistierarzt Liebener begehen. Er war seit 50 Jahren im Dienst und übt seine Tätigkeit noch jetzt in Rüstigkeit aus.
1. April
Das 25jährige Geschäftsjubiläum kann heute die Firma Delitzscher Schokoladenfabrik A.G. begehen. Diese Firma, die weit in Deutschland mit ihren Fabriken bekannt ist, wurde damals von dem jetzigen Direktor Albert Böhme in Gemeinschaft mit seinem verstorbenen Bruder Franz Böhme ins Leben gerufen.
7. April
Der Delitzscher Kreistag hat eine Protestkundgebung an die Nationalversammlung, an die Reichsregierung und an das Reichsministerium des Auswärtigen gerichtet und scharfen Einspruch erhoben gegen die völkerrechtswidrige Zurückhaltung unserer Kriegs- und Zivilgefangenen sowie gegen die beabsichtigte Losreißung wertvollster Gebiete und urdeutscher Volksstämme im Westen und Osten unseres deutschen Vaterlandes.
16. April
Das Mühlen- und Restaurationsgrundstück zur Elberitzmühle ist durch Kauf in den Besitz des Kantinenpächters Ohme hier übergegangen.
25. April
Leider werden von manchen Landwirten für Eier immer noch Wucherpreise genommen
50 Pfg., 80 Pfg.,1 Mark ja noch mehr. Es wäre genug für das Stück 30-40 Pfg. zu fordern, während doch kurz vor dem Kriege ein Ei um diese Jahreszeit 8-10 Pfennige, im Mai und Juni 6-8 Pfennige kostete.
4. Mai
Der Kreistag ist neu gewählt worden.
9. Mai
Das Infantrie Regiment Nr.30 verläßt Delitzsch und wird nach Blankenburg a.H., dem Orte seiner neuen Bestimmung in Marsch gesetzt.
17. Mai
Anstelle des verstorbenen Kreisarztes Med.-Rat Krofting ist Med.-Rat Dr. Laschke aus Schroda bisher Kreisarzt und Vertrauensarzt der Eisenbahn Direktion Posen mit der hiesigen Kreisarztstelle betraut worden.
22. Mai
Die Verpachtung des Stadtmühlengrundstückes fand heute vormittag im Stadtverordnetensitzungssaale statt. Von den verschiedenen Bietern gab der Oekonom und bisherige Pächter Hönicke mit 1300 Mark für Mühlengrundstück nebst Zubehör das Höchstgebot ab. Über die Verpachtung der zum Grundstück gehörigen Kleingärten schweben noch Verhandlungen.
31. Mai
Gastwirt Heese (Stadt Berlin) verkaufte seine Gastwirtschaft mit Grundstück an den Gastwirt Willy Nagel, der bisher pachtweise den Gasthof zum "Weißen Roß" bewirtschaftete.
4. Juni
Am 1. Juni wurde schnell und unerwartet mitten aus seiner Arbeit der ehemalige 2. Geistliche unserer Gemeinde Pastor Julius Kümmel in Quedlinburg durch den Tod abberufen. Der Gemeindekirchenrat hat ihm folgenden ehrenden Nachruf gewidmet: In unermüdlicher und reich gesegneter Arbeit hat er von 1889-1905 unserer Gemeinde mit seinen reichen Gaben und seiner aufopfernden Treue gedient und sich unvergeßliches Andenken gesichert. Das Gedächtnis der Gerechten bleibt im Segen.
17. Juni
In der heute stattgefundenen Sitzung der Stadtverordneten wurden die neu gewählten Stadtverordneten eingeführt. Es ist an Stelle der ausgeschiedenen Stadtverordneten Frau Oberlehrer Schröder Kaufmann Gotsch neu gewählt. Für die beiden zu Stadträten ernannten Stadtverordneten sind Maurer Oskar Schirmer und Tischler Max Christoph in die Versammlung gewählt. Nach dem vom Magistrat mit den Angestellten und Arbeitern getroffenen Abkommen erhalten dieselben rückwirkend vom 1. Januar 1919 eine Teuerungszulage. Zum Ankauf von Lebensmitteln für die Stadt ist bei der Kreissparkasse eine kurzfristige Anleihe von 150.000 Mark aufgenommen worden. Um die Gartenstraße zu erweitern und den Bürgersteig hierselbst in 2 Meter Breite fortzuführen mußte von den Anliegern Gelände erworben werden. Die Anlieger sind Gastwirt Tschirch und Bauer. Bei Gastwirt Tschirch mußte sein Vorgarten dieserhalb zerschnitten werden. Für den abgetretenen Quadratmeter wurde bei Tschirch 10 Mark, bei Bauer 6 Mark bezahlt.
18. Juni
Am 14. Juni verstarb in Helbra bei Eisleben plötzlich der Apotheker Egmond Sander, 49 Jahre alt, der hier vor kurzer Zeit in der hiesigen Adler-Apotheke 22 Jahre tätig war und sich durch sein vornehmes und entgegenkommendes Wesen großer Beliebtheit erfreute. Als Kassierer des Kreis-Kriegerverbandes ist er lange Jahre hier tätig gewesen und hat dem Verband unschätzbaren Dienst erwiesen.
3. Juli
Am 28. Juni ist nun nachdem für uns so unglücklichen Ausgang des Weltkrieges in Versailles der Friede unterzeichnet worden. Anläßlich dieses schmachvollen Friedensvertrages findet am 6. Juli in unserer Stadtkirche ein Trauergottesdienst statt. Nach Schluß des Gottesdienstes werden die Glocken geläutet werden.
4. Juli
Obersekretär Gundermann trat am 30. Juni nach 48jähriger ununterbrochener Dienstzeit bei dem hiesigen Kreisausschuß in den wohlverdienten Ruhestand. Beamte und Angestellte veranstalteten dem Scheidenden im Ständehause am Vormittag dieses Tages eine Abschiedsfeier. Gundermann hat unter drei Königen und drei Landräten sein Amt geführt und hat seit der 1873 eingerichteten Kreisordnung die Sekretärstelle des damals ins Leben gerufenen Kreisausschusses inne.
24. Juli
Verhaftet wurde in Wien Defraudant Rudloff, unser ehemaliger Stadthauptkasse-Rendant. Seit 6. Oktober 1913 ist er flüchtig und konnte bisher nicht gefaßt werden. R. hat in Wien ein Auswanderungs-Büro betrieben und hat sich in dieser Tätigkeit wiederum Unterschlagungen zuschulden kommen lassen, die zu seiner Verhaftung führten.
2. August
Aus Anlaß der Annahme der Reichsverfassung durch die Nationalversammlung hatten heute verschiedene staatliche Gebäude Flaggenschmuck angelegt.
9. August
Der hierorts gebildete Arbeitsausschuß für heimkehrende Kriegsgefangene konnte erfreulicherweise in den letzten Tagen in Tätigkeit treten. Es kehrten heim Lehrer Krüger, Bitterfelder Straße 44, aus russischer und Herr Stöckert, Roonstraße 9, aus französischer Gefangenschaft zuletzt interniert in der Schweiz. Sie wurden in ihrer Wohnung begrüßt und beschenkt. Meldungen über weitere Heimkehrer bei Lehrer Merkwitz, Hindenburgstraße 1 oder Käte Döhlert, Poststraße 2.
20. August
Es kommen nun fast täglich Kriegsgefangene in die Heimat zurück. Am vergangenen Sonntag vormittag versammelten sich im Gasthof "Zur Linde" die bisher heimgekehrten Kriegsgefangenen zu einer kurzen Besprechung. Um alle Interessen besser wahrnehmen zu können, wurde die "Vereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener Ortsgruppe Delitzsch und Umgegend" ins Leben gerufen. Die Leitung übernahm für die Stadt Delitzsch Lehrer Krüger, Bitterfelder Straße 44 und Krautheim, Eisenbahnstraße 17a.
21. August
Der Ausschuß zur Bildung einer Volkshochschule hatte gestern abend im Hotel zum Schwan eine Versammlung zusammenberufen, in der die Übernahme der Hochschule durch die Stadtverwaltung beraten werden sollte. Dr.med.Kurtzhalß hielt einen Vortrag über die Ziele der Volkshochschule und führte weiter aus, daß die Beteiligung im verflossenen Winter eine rege gewesen sei und die Zahl der Hörer sich auf 168 belaufen habe. Verschiedene Redner sprachen sich dahin aus, daß ohne Beihilfe der Stadtverwaltung eine günstige Fortentwicklung der Sache nicht zu erhoffen sei. Stadtrat Ehrhorn, der im Namen des Magistrats sprach, lehnte im Auftrage der Stadtverwaltung deren finanzielle Beteiligung ab bis auf kostenlose Hergabe der erforderlichen Räume, deren Beheizung und dergl., wies dagegen auf Beteiligung wohlhabender Delitzscher Kreise hin.
2. September
Ein allgemeiner Jugendtag fand am 31. August in Delitzsch statt. Am Vormittag fand auf dem Sportplatz der Dreikampf statt. Nachdem sich um 1 ½ Uhr die Jugend auf dem Marktplatz sammelte, konnte sich um 2 Uhr der lange Festzug in Bewegung setzen. Auf dem Sportplatz angelangt hielt Gauvertreter Hampe die Begrüßungsansprache. Hierauf rückten die Gruppen in ihre Spielfelder und begannen ihre Vorführungen. Die Knaben der Volksschule standen unter Leitung von Lehrer Lobenstein I., die höhere Mädchenschule unter Frl.Döhlert, die Mädchenvolksschule unter Frl.Scholl, der Jungfrauenverein und Jungmädchenbund unter Pastor Kohlmann, die Seminar-Übungsschule unter Seminar-Turnlehrer Etzold, die Präparande und das Seminar unter der gleichen Leitung. Hierauf folgten die mit Spannung erwarteten Sonderwettkämpfe der verschiedenen Sportvereine. Die Sieger erhielten die Plakette bzw. einen Eichenkranz. Den Abschluß des Tages bildete eine Ansprache mit einem dreifachen "Gut Heil" auf die Sieger des gut verlaufenden Jugendtages.
14. September
Am Donnerstag den 11. September traf Weihbischof Dr.Heinrich Kähling hierorts ein, um am Freitag vom Morgen ab in der katholischen Kirche das heilige Sakrament und die Firmung zu spenden. Am Nachmittag des Freitag fand dann unter Vorsitz des Weihbischofs die Hauptkonferenz für das Diakonat Torgau statt.
16. September
Die Begräbnisfeiern werden vom 1. Okt. d. J. ab eine einschneidende Änderung erfahren, da die Schuldeputationen und der Magistrat den Chorschülern sowie dem zuständigen Organisten während der Schulzeit keinen Urlaub mehr für die Beteiligung an den Begräbnissen gewährt. Dasselbe gilt auch für die öffentlichen Trauungen. Ob unter diesen Verhältnissen die Kurrende sich überhaupt noch fernerhin als lebensfähig erweisen wird, bleibt abzuwarten. Gerade viele alte Delitzscher werden von dieser alten Einrichtung schweren Herzens Abschied nehmen, die auch der neuen Zeit zum Opfer fällt. Sie hat jedenfalls im Laufe der Jahrhunderte ihres Bestehens in unserer Gemeinde viel Segen gestiftet. Bei Freud und Leid im Hause waren auch die Chorschüler dabei, und ob auch ihr Gesang nicht immer allen Anforderungen der Kunst entsprach, Gottes Wort im Lied hat doch manchen Dank und Trost ins Herz hinein singen helfen.
23. September
Die Stadtverordneten wählten heute ihren neuen Stadtrat. Es wurden als Stadträte gewählt: Dr. Schulze Justizrat, Kaufmann F.W. Beyer, Korbmachermeister Adolf Tauche, Zigarrenfabrikant Ehrhorn, Stellmachermeister Kretschmar und Krankenkassenangestellter Klunkert.
26. September
Das Vergnügungslokal "Bürgergarten" ist durch Kauf in den Besitz des Dachdeckermeisters Otto Kittler von hier, übergegangen.
1. Oktober
In den wohlverdienten Ruhestand getreten sind mit dem 1. Oktober die Lehrer Große, Blüthgen und Schräpler. Ihnen zu Ehren fand gestern in der Knabenvolksschule im Beisein des Lehrerkollegium und der Schüler der oberen Klassen eine schlichte erhebende Abschiedsfeier statt.
24. Oktober
Die Volkszählung am 8. Oktober hat in unserer Stadt 3710 Haushaltungen mit 6622 männlichen und 7250 weiblichen, also insgesamt 13872 ortsanwesenden Personen ergeben.
27. Oktober
Stadtbaumeister Kessel wurde beurlaubt. Durch Beschluß der städtischen Körperschaften wurde Oberbausekretär Willy Kratsch mit der Leitung der Geschäfte des Stadtbauamtes betraut.
12. November
Um die Bautätigkeit zu fördern und dem Wohnungsmangel entgegentreten zu können, ist in Delitzsch ein Bauverein ins Leben gerufen worden, dessen Angliederung an den bereits bestehenden Eisenbahnverein geplant ist. Diesem Zwecke diente die Besprechung gestern abend in der "Grünen Linde", wo der Vorsitzende des Eisenbahnvereins einen Vortrag hielt.
17. November
Am bevorstehenden Totenfest (23. Nov.), das bekanntlich zu einer allgemeinen Gedenkfeier der im Kriege gefallenen in ganz Deutschland ausgestaltet werden soll, wird hier mittags von 12 bis 1 Uhr ein feierliches Trauergeläut veranstaltet werden.
18. November
Unter den gelegentlich der letzten Stadtverordneten-Sitzung eingeführten neuen Stadträten befand sich auch unser Mitbürger Justizrat Dr. Schulze. Mit diesem Herrn trat das vierte Mitglied einer unserer ältesten Familien in den Magistrat ein. Friedrich Christian Schulze war Mitglied des Rats in den Jahren 1789-1813. Im letzten Jahre starb er, 63 Jahre alt. Er ist einer der wenigen Bürgermeister von Delitzsch, die mitten in ihrer Amtstätigkeit vom Tode abberufen wurden. Sein Sohn Justizrat August Wilhelm Schulze, der Vater unseres größten Landsmanns Schulze-Delitzsch, gehörte dem Rat von 1810 bis 1831 an. Von 1902-1908 war Branddirektor Gustav Schulze Ehrenbürger der Stadt, Mitglied des Magistrats. Über die Verfassung des Rates der Stadt Delitzsch ist Folgendes zu sagen: Das Ratskollegium bestand seit dem 14. Jahrhundert aus drei Räten oder Mitteln (Abteilungen) und jeder Rat aus sieben Mitgliedern. Man unterschied den regierenden Rat von beiden ruhenden Räten. Demzufolge hatte man auch drei Bürgermeister, einen regierenden und zwei ruhende. Jeder Bürgermeister "regiert" ein Jahr lang, dann trat er ab zu den ruhenden Bürgermeistern, bis er nach zwei Jahren wieder zur "Regierung" gelangte. Die Mitglieder der ruhenden Räte traten nur in außerordentlich wichtigen Fällen in Tätigkeit um mit dem regierenden Rate gemeinsam Beratung zu pflegen. Alle Mitglieder der drei Räte "saßen lebenslänglich im Rate". Beim tödtlichen Abgange eines Mitgliedes "ergänzten sie sich selbst". Bei der Aufnahme neuer Mitglieder sah man vor allem auf die rechtskundige Tüchtigkeit der Aufzunehmenden. Ehe ein Mitglied zum Bürgermeister aufsteigen konnte, mußte er sich bewährt haben als Schenk, Assessor, Unterkämmerer, Oberkämmerer und Stadtrichter. Eine besondere Stellung nahm der Stadtschreiber ein, dessen Amt von der "gewöhnlichen Ratsveränderung" unberührt blieb. Bis zum Jahr 1424 fand der Ratswechsel am Tage Allerheiligen (1. November) statt, von da an verlegte man ihn auf den Dreikönigstag (6. Januar), und 1811 wurde die Zeit auf Ostern festgesetzt. Am 16. Dezember 1717 wurde das 3. Mittel aufgehoben, also "Reduktion auf zwei Räte" und so blieb es, solange Delitzsch zu Sachsen gehörte. Die Einverleibung der Stadt Delitzsch in den preußischen Staat 1815 rief eine gewaltige Umwälzung im Stadtregiment vor. Zunächst mußte der Stadtrat einen Bericht einsenden über die Zusammensetzung und über die Besoldung der einzelnen Mitglieder. Es wurden nun namentlich aufgeführt: der regierende Bürgermeister Karl Friedrich Gottlob Ideler, der beisitzende Bürgermeister Advokat Christian Gottlob Großkopf, der Oberkämmerer und Stadtrichter August Wilhelm Schulze, der Unterkämmerer und Stadtrichter Johann Gottfried Ehrenberg, der 1. Beisitzer Friedrich Sigismund Schmidt, der 2. Beisitzer Christoph Gottlob Weidenhammer. Die Expedition besorgt der Stadt- und Gerichtsschreiber Advokat Wilhelm August Wachsmuth. Die beiden Bürgermeister und die beiden Stadtrichter alternieren. Das Gehalt des Oberkämmerers und Advokaten Schulze beträgt an Besoldung 27 Taler, an Emojumenten 83 Taler 23 Gr.. Allmählich ging die preußische Regierung Schritt für Schritt über, die geplante Neuorganisation des Staatsregiments zu vollziehen. Als 1817 zuvorderst das Wechseln zweier Titel fortfiel, Delitzsch nur noch einen Bürgermeister haben sollte, rief Stadtrichter A.W. Schulze schmerzerfüllt aus: "So wäre dann der Anfang zu unserer Auflösung gemacht". Auf Befehl mußten die Zwinggärten, die bisher von den Ratsmitgliedern benutzt worden waren abgeschätzt und dann öffentlich verkauft werden. An Stelle der sächsischen Zivil- und Kriminalpolizei – Ordnung trat die preußische, die dem hiesigen Stadtrat weit schwieriger vorkam, als die bisherige. A.W.Schulze schreibt hierüber: "Während die gewöhnlichen Versammlungen der Vorfahren nur wenige Stunden wöchentlich gekostet hatten, mußte der jetzige Stadtrat nicht selten tagelange Versammlungen abhalten." Da erschien im Amtsblatt vom 15. August 1818 ein Artikel der Kgl. Regierung nach welchem ausgeführt wurde, daß der Geschäftsgang bei mehreren Stadträten höchst unwirtschaftlich sei. Das gab drei Stadtratsmitgliedern erwünschte Gelegenheit ihr Amt niederzulegen, es "resignierten" die Bürgermeister Ideler und Großkopf sowie der Senator Schmidt. Auf ihren Antrag wurden sie am 31. März 1819 aus dem städtischen Dienst entlassen. Die von den Bürgermeistern benutzten Kommungrundstücke, 1. eine Wiese vor dem Halleschen Tore, der Blauen Traube (Bürgergarten) gegenüber, 2. ein Feldstückchen vor der Pforte am Parthunischen (Kühns) Garten wurde öffentlich an den Meistbietenden verpachtet. "Nach Maßgabe des Amtsblattes vom 5. Dezember 1818 wurde die bisher von den Ratsmitgliedern la pars salarti ausgeübte Fischerei im Loberfluß öffentlich am 5. Juli 1819 verpachtet. Früher war das Pachtrecht für diese Fischerei eine Revenue der sehr gering besoldeten Ratsmitgliedern gewesen".
Der durch den Abgang von drei Mitgliedern zusammengeschmolzene Stadtrat ließ sich nicht so leicht wieder ergänzen. Auf Befehl der Kgl. Regierung zu Merseburg und des Oberlandesgerichts in Naumburg wurde der Stadtrat geteilt in Justiz und Polizei. Auf einstimmigen Wunsch der Kommunrepräsentanten und mit Genehmigung der Behörden übernahm Accisinspektor Schulze das Amt eines Bürgermeisters und Dirigenten des Rats und der Stadtgerichte. Am 1. August 1819 fand die feierliche Einweisung des neuen Stadtrats durch den Landrat von Pfannenberg statt. Nach dem neuen Regulativ war der Bürgermeister A.W. Schulze Dirigent des Ratskollegii in beiden Abteilungen, beim Stadtgericht aber zugleich als arbeitendes Mitglied. Die Besoldung der Stadtratsmitglieder war folgendermaßen festgestellt: Bei der 1.Abteilung des Stadtrats, dem Stadtgericht: 1. Bürgermeister Schulze als Direktor des Stadtgerichts 600 Taler. 2. Stadtschreiber Wachsmuth als Justiz-Assessor 500 Taler. 3. Ein noch anzustellender Aktuar 300 Taler. 4. Ein Kopist und Sportuleinnehmer, neben 5 Prozent Sporteln Tantieme ein Fixum von 150 Taler R. Bei der 2.Abteilung des Stadtrats, dem eigentlichen Polizeimagistrat: Stadtrichter Ehrenberg als 1. Assessor 400 Taler. 3. Ein Sekretär mit einer Besoldung von 100 Taler und Überlassung der Polizeisporteln nebst Anwartschaft auf die Kommun-Einnahmestelle.
Das Stadtgericht hielt an jedem Freitag eine Sitzung ab, in welcher die Justizsachen erledigt wurden. Vor das Stadtgericht gehörten alle Zivil-, Kriminalgerichts-, Vormundschafts- und Kuratelsachen, auch Lohnsachen, das Deposital- und Hypothekenwesen, insofern es auf die erste Untersuchung ankam. Die Geschäfte in all diesen Angelegenheiten waren so unter die Mitglieder des Stadtgerichts verteilt, daß keiner überlastet wurde; und "es stellte sich der Grundsatz fest, da das Stadtgericht in der allerersten Zeit nur aus 2 Mitgliedern bestand, daß von dem einen Mitglied die Instruktion einer Rechtssache zugeschrieben wurde, das andere co ipso als Dezernent und Urteilsverfasser eintrat". Die Tätigkeit des provisorischen Stadtgerichts sollte nicht von langer Dauer sein. Am 4. Mai 1820 erschien ein Gesetz, welches die Gerichtsbarkeit der Städte aufhob. "Die Stadtgemeinde Delitzsch trifft ein harter Schlag!" rief Bürgermeister A.W. Schulze aus. "Sie verliert nicht nur die Gerichte, die sie über die Stadt und Vorstädte, ingleichen über die Dörfer Benndorf, Gertitz und Werben, die sie zu Anfang des 15.Jahrhunderts um bedeutende Summen erkaufte, sondern soll auch in Landgerichtsfällen nach Wittenberg verwiesen werden." Es war vergeblich, daß die Stadträte von Delitzsch und Eilenburg sich an den König selbst wendeten und um Beibehaltung wenigstens der Zivilgerichtsbarkeit baten, wobei sie zugleich näher ausführten, die städtischen Kommunen würden entschieden benachteiligt, die Bürger seien bisher gewohnt gewesen, in ihrer Obrigkeit auch das vorgesetzte Gericht vereinigt zu sehen, während sie nun in Landgerichtsfällen sieben Meilen weit nach Wittenberg wandern sollen. Am 2. April 1821 trat die neue Ordnung in Kraft, und damit war entgültig das Stadtgericht Delitzsch aufgelöst, und die Gerechtsame der eigenen Gerichtsbarkeit aufgehoben. Die langvorbereitete neue Städteordnung erschien am 17. März 1831. Unter dem Vorsitz des Landrats von Pfannenberg fand am 6. Juli eine Beratung zwischen Stadtrat und Kommunrepräsentanten über die Einführung der neuen Städteordnung statt, und bald hatte das letzte Stündlein der bisherigen Kommunrepräsentanten und des Stadtrats geschlagen. Die Kommunrepräsentanten mußten am 9. Oktober abtreten und an ihre Stelle rückten am 10. Oktober Stadtverordnete. Wählbar waren nur solche Bürger zu Stadtverordneten, die einen Grundbesitz von wenigstens 1000 Taler oder ein Einkommen von mindestens 200 Talern hatten. Es wurden 12 Stadtverordnete und ebensoviele Vertreter gewählt. Am 3. Dezember wählten unter Vorsitz des Landrats die Stadtverordneten das neue Stadtregiment, das von jetzt an den Titel Magistrat führte. Bürgermeister August Wilhlem Schulze verzichtete auf eine Wiederwahl und trat ab. Man wählte den bisherigen Kreissekretär Sekurius und zwar auf Lebenszeit. Sein Gehalt wurde auf 600 Taler festgesetzt. Vermählt war A.W. Schulze mit Wilhelmine Schmorl, einer Tochter des Accis-Inspektors, Stadtschreibers und Advokaten Karl Gottlob Schmorl in Prettin. Am 29. August 1808 erblickte ihr ältester Sohn Hermann Schulze – Delitzsch das Licht der Welt. Ihm folgten noch neun Geschwister. A.W. Schulze starb am 20. August 1861 im 82. Jahre. Man rühmte ihm nach: "Justizrat August Wilhelm Schulze hat 40 Jahre lang in Delitzsch eine große Rolle gespielt, er war eine imponierende Persönlichkeit. Er stand als Redner und wegen seiner Energie als obrigkeitliche Person in hohem Ansehen."
21. November
Seminarprorektor Dr. Meyer ist als Seminardirektor nach Stade (Hannover) berufen worden. Sein Amtsantritt erfolgt hiermit am 1. Dezember d. J. Als Nachfolger im Amte am hiesigen Seminar ist der bereits hier tätige Seminaroberlehrer Dr. Schröder berufen worden.
6. Dezember
Vor einiger Zeit ist von einer im Gasthof zum "Schwan" einberufenen Versammlung der Delitzscher Beamten die Gründung eines Bundes beschlossen worden, den sämtliche Klassen der Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten, Lehrer und Lehrerinnen sowie die im Ruhestande lebenden Beamten und Beamtenwitwen umfassen soll. Der Zweck des Bundes soll der sein, die allgemeinen Berufsinteressen aller Beamtenklassen in Delitzsch zu vertreten, und insbesondere, der Eigenart der festbesoldeten Kreise entsprechend, zeitgemäße Verhältnisse in wirtschaftspolitischer und sozialer Beziehung für alle Beamten schaffen zu helfen. Die gestern abgehaltene zweite Mitgliederversammlung genehmigte die von dem gewählten Ausschuß vorgelegten Satzungen mit geringen Änderungen und wählte sodann den Vorstand. Die Mitgliederzahl beträgt jetzt schon ungefähr 300. Anmeldungen können jederzeit bei Lehrer Maul Hallesche Str. 35 erfolgen.
8. Dezember
Die am Sonnabend abend im Saal des "Schützenhauses" veranstaltete Feier galt der Begrüßung unserer aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Delitzscher. Diese waren mit ihren Angehörigen so zahlreich erschienen, daß der geräumige Saal kaum ausreichte. Der Vorsitzende des Ausschusses Lehrer Merkwitz und Erster Bürgermeister Böttcher richteten herzliche Begrüßungsansprachen an die Heimgekehrten. Dieser Begrüßung folgte der unterhaltende Teil, bestehend aus Rezitationen, musikalischen und theatralischen Darbietungen. Hauptsächlich waren es Schüler des hiesigen Lehrerseminars, die sich um diese Veranstaltung verdient machten. In einer eingeschobenen Kaffeepause gesellten sich zu den geistigen Genüssen noch seltene leibliche in Gestalt von Kaffee und Streuselkuchen und Stollen und schließlich kamen auch noch kleine Gaben an die Heimgekehrten zur Verteilung.
23. Dezember
Am vorigen Sonnabend hatten Erster Bürgermeister Böttcher, Bürgermeister Grüneberg und Stadtverordneter Lehrer Richter, letzterer als Vertreter der Stadtverordneten-Versammlung, die ausgeschiedenen unbesoldeten Stadträte Maurermeister Nickau, Bürstenfabrikant Beyer, Kaufmann Kläning und Juwelier Brembach aufgesucht, um ihnen für ihre ersprießliche Tätigkeit zum Wohle der Stadt Dank zu sagen. Als äußeres Zeichen des Dankes und Andenken wurde jedem der genannten Herren ein Bild überreicht.
1920
2. Januar
Die hiesige Bierbrauerei F.H. Fritzsche, Inhaber R. Uhlmann ist durch Kauf an die Aktienbrauerei Bitterfeld übergegangen. Letztere legte den Betrieb zunächst still, um ihn erst bei günstigeren Verhältnissen wieder aufzunehmen, und beliefert ihre hiesigen Abnehmer von Bitterfeld aus.
27. Januar
Zum Oberlehrer am hiesigen Seminar wurde Seminarlehrer Dr. Vogler ernannt.
2. Februar
Das 10-jährige Stiftungsfest des Fußballklubs "Concordia" wurde am Sonnabend abend durch einen Kommers im Saale des Schützenhofes eingeleitet und fand am Sonntag seine Fortsetzung durch einen Festball. Der gut besuchte Kommers nahm einen glänzenden Verlauf. Die Festrede des Abends hielt der Vorsitzende Knorre. Unser Heimatdichter Rektor a. D. Reulecke hatte für diesen Abend einen zeitgemäßen Prolog und ein mit Begeisterung aufgenommenes Festgedicht verfasst. Den Abschluss des Festabends bildete das Lustspiel in zwei Aufzügen "Die Liebe im Eckhause".
9. Februar
Im Einverständnis mit der Reichs- und Staatsregierung hat die Eisenbahndirektion wegen Unwirtschaftlichkeit des Betriebes heute die Schließung der hiesigen Werkstatt angeordnet und allen Arbeitern unter Fortzahlung des Lohnes für 14 Tage gekündigt. Gleichzeitig hielten zwecks Sicherung der Arbeitsstätte Regierungstruppen ihren Einzug. Von dieser Maßnahme dürften etwa 1500 Arbeiter betroffen werden. Die Werkstatt soll demnächst unter neuen, die Wirtschaftlichkeit des Betriebes und erhöhte Arbeitsergebnisse gewährleistenden Bedingungen wieder eröffnet werden, jedoch bei erheblicher Einschränkung der Belegschaft.
10. Februar
Die heutige Stadtverordneten-Sitzung beschließt, die Grabstätte der Eltern von Schulze-Delitzsch auf dem Marienfriedhof wieder instand zu setzen.
19. Februar
Heute hat die hierselbst in Leben gerufene Volkshochschule wieder ihre Kurse eröffnet. Es haben sich hiesige bedeutsame Kräfte zur Verfügung gestellt.
18. März
Infolge des vor einigen Tagen erfolgten Kapp-Putsches kam es heute am 18. März auch in Delitzsch zu einem heftigen Straßengefechte zwischen der zum Sturze der Kappregierung in Generalstreik begriffenen Arbeiterschaft und einer Abteilung Reichswehr. Letztere erwies sich zur Unterdrückung des Widerstandes als zu schwach und musste sich unter vorläufiger Zurücklassung ihrer Maschinengewehre und Munitionswagen zurückziehen.
21. März
Bei dem am 18. März hierorts erfolgtem Zusammenstoß zwischen bewaffneter Arbeiterschaft und Reichswehr gab es auf beiden Seiten 19 Tote, von denen 4 unter großem Volksandrange durch Superintendent Hobbing heute auf hiesigen Friedhof bestattet wurden.
23. März
Die Ereignisse der letzten Woche haben auch hier die Notwendigkeit zur Aufstellung einer Schutzwehr ergeben und bei der am gestrigen Vormittag zwischen Landrat, 1. Bürgermeister, Fraktionsvorständen des städtischen Kollegiums und Aktionsausschuss stattgefundenen Verhandlungen wurde ein diesbezüglicher Aufruf beschlossen und durch Anschlag bekanntgegeben.
25. März
Regierungsbaumeister Böhme wurde zum Regierungs- und Baurat an der hiesigen Eisenbahnwerkstätte ernannt. Nach einer Bekanntmachung des Landrats sind alle aus Heeresbeständen im Privatbesitz befindlichen Waffen unverzüglich an die Gemeindeämter abzuliefern. Eine aus Mitgliedern aller republikanischen Parteien paritätisch zusammengesetzte Kommission übernimmt nach Vereinbarung mit den gesetzlichen Behörden die Kontrolle und Überwachung der Waffen.
7. April
Nach Tagen scheinbarer Ruhe wurde unserer Einwohnerschaft heute früh eine neue Überraschung zuteil. An Straßen und Plätzen sah man drei rote Zettel angeschlagen, die sämtlich die Unterschrift: "Der Oberbefehlshaber des Kreises Delitzsch Molka" tragen, und von denen zwei an die "Einwohnerschaft des Kreises Delitzsch" gerichtet sind. Letzteren ist zu entnehmen, daß der Landrat unseres Kreises, von Manteuffel, in Schutzhaft genommen wurde und sich ein gewisser Hans Molka die Stellung eines Oberbefehlshabers des Kreises Delitzsch anmaßt. Dieser bezeichnet alle Einwohnerwehren als aufgelöst. Zur Sache selbst wird bekannt, daß eine Arbeitergruppe unter Führung eines gewissen Molka aus Bitterfeld, der dem dortigen Arbeiterrat angehörte am 6. April nächtlicherweise in das Schenkenberger Schloß eindrang und den Delitzscher Landrat von Manteuffel, der dort seine Wohnung hatte, verhaftete. Manteuffel wurde zunächst in polizeilichen Gewahrsam gebracht und vor Anbruch des Morgens nach Bitterfeld und von da nach Berlin abtransportiert.
8. April
Die Herrlichkeit des "Oberbefehlshabers des Kreises Delitzsch" Molka hat ein schnelles Ende gefunden. Der genannte wurde auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft heute früh durch die Polizei verhaftet und in das hiesige Amtsgericht abgeliefert. Der Kreisausschuss erklärt die mit "Molka" unterzeichneten Bekanntmachungen und Verfügungen als ungültig, ebenso die Absetzung des Landrates von Manteuffel. Dieser ist unterdessen wieder frei gelassen worden, kehrt aber nicht mehr als Landrat nach Delitzsch zurück. Vorübergehend wird Oberamtmann Messerschmidt aus Beerendorf mit der Geschäftsführung beauftragt.
15. April
Das von der Aktienbierbrauerei Bitterfeld kürzlich erworbene ehemalige Uhlmann'sche Grundstück, Bitterfelder Straße 21, in dem sich das Restaurant "Zur Weintraube" befindet, ist durch Kauf in den Besitz des Zimmermeisters Franz Schulze aus Schenkenberg übergegangen.
19. April
Mit dem heutigen Tage hat Regierungsreferendar Scholz die Geschäfte des Landratsamtes übernommen.
10. Mai
Für die aus der französischen Gefangenschaft Heimgekehrten fand am Sonnabend den 8. Mai ein Begrüßungsabend statt. Er nahm wie der erste einen würdigen Verlauf. Auch diesmal hatten sich die Seminaristen und Oberrealschüler mit Musikvorträgen und Deklamationen zur Verfügung gestellt. Zeichenlehrer Court trug Lieder zur Laute vor, die ebenso mit großem Beifall aufgenommen wurden. Es hielten Begrüßungsansprachen Professor Schmiedeberg, Bürgermeister Grüneberg, Lehrer Merkwitz. Dann wurden die Heimkehrer mit Kaffee, Kuchen und Zigarren bewirtet und jeder erhielt noch ein Liebesgabenpaket.
12. Mai
Der kürzlich von Otto Kittler erworbene Bürgergarten gelangte zum Weiterverkauf an Baumeister Martin Schöche in Zschortau. Baumeister Schöche beabsichtigt, den Saal mit den angrenzenden Zimmern auf Abbruch zu verkaufen, während Grund und Boden sowie Wohnhaus mit Seitengebäuden im Besitz von Kittler verbleiben.
25. Mai
Vor einiger Zeit berichteten auswärtige Blätter, daß der unabhängig sozialistische Abgeordnete, Kreisdeputierte Zigarrenfabrikant Gustav Raute aus Eilenburg zum Landrat unseres Kreises ernannt worden ist, und dieses Gerücht erhielt sich, trotzdem an hiesiger maßgebender Stelle bis Sonnabend nichts von einer Ernennung bekannt war, auch in unserer Stadt. Nun steht amtlich fest, daß das Mitglied der Nationalversammlung Raute, Stadtverordnetenvorsteher in Eilenburg mit der Verwaltung des Landratsamtes Delitzsch mit dem heutigen beauftragt worden ist. Nach Mitteilung der Pressestelle des Oberpräsidiums haben die Arbeiterräte und Aktionsausschüsse ihre Aufgaben erfüllt und sollen nun ihre Tätigkeit einstellen.
8. Juni
Bei der am 6. Juni stattgefundenen Reichstagswahl stimmten in Delitzsch für Deutschnationale 505, Deutsche Volkspartei 1426, Demokraten 967, Mehrheitssozialisten 1261, Unabhängige 3340, Zentrum 94, Kommunisten 57 Wähler.
1. Juli
Am heutigen Tage kann Stadtsekretär Fricke auf eine 25-jährige Tätigkeit bei der hiesigen Stadtverwaltung zurückblicken. Aus diesem Anlaß wurden dem Jubilar zahlreiche Ehrungen zuteil. Seitens der Stadtverwaltung überbrachten Erster Bürgermeister Böttcher und Bürgermeister Grüneberg Glückwünsche und Geschenke, und die städtischen Beamten, Angestellten, sowie die Ortsgruppe der Gemeindebeamten ehrten den Jubilar in gleicher Weise.
7. Juli
Um den durch das Hochwasser schwer geschädigten Mansfeldern eine Hilfe zuteil werden zu lassen, veranstaltete der Musikverein Delitzsch unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Seminarlehrer O. Heine und unter Mitwirkung des Seminar-Männerchores und Streichorchesters sowie des Kantors Kurt Linde - Laue (Tenor) am gestrigen Abend im Schützenhaussaal ein Konzert. Wenn der Besuch der Veranstaltung auch kein schlechter war, so hätte man in Anbetracht der Zweckbestimmung doch mehr Teilnahme und einen bis auf den letzten Platz gefüllten Saal erwarten können.
19. Juli
Am gestrigen Sonntag beging der Turnverein Delitzsch 1945 (1845 d.A.) sein 75-jähriges Stiftungsfest. Bereits am Sonnabend vorher fand eine Vorfeier im Schützenhause statt, die durch Vorführungen der Musikkapelle Preuß und des Gesangsvereins "Abendstern" verschönt wurde. Zu der Hauptfeier am Sonntag, die durch schönstes Wetter begünstigt war, hatten sich viele auswärtige Vereine wie Düben, Eilenburg, Bitterfeld, Wolfen u.a. eingefunden. Es fanden die verschiedensten Spiele, ein Wetturnen und abends ein Ball statt.
20. Juli
Dem Kreisschulinspektor ist die Amtsbezeichnung "Kreisschulrat" beigelegt worden.
5. August
Der Leiter des hiesigen Finanzamtes, Gerichtsassessor Anding ist zum Regierungsrat in der Reichsfinanzverwaltung ernannt worden mit dem dienstlichen Wohnsitz in Delitzsch.
18. August
Der langjährige Wächter der hiesigen Strafanstalt Oswald Brosig ist zum etatmäßigen Strafanstalts-Wachtmeister bei der hiesigen Strafanstalt ernannt worden. Am 15. August konnte das Elektrotechnische Geschäft von Willi Merz, hier, auf ein 25-jähriges Bestehen zurückblicken. Begründet wurde dasselbe von dem leider zu früh verstorbenen Herrn Franz Beyer, der es 15 Jahre lang führte. Am 15. August 1910 übernahm es der jetzige Inhaber, Willi Merz, das er als ein Mann von bestem technischen und praktischen Können in verhältnismäßig kurzer Zeit verstanden hat, das Geschäft auf seine jetzige Höhe zu bringen und ihn über die Grenzen der Stadt hinaus einen guten Ruf zu verschaffen.
21. August
Eine mutige Tat vollbrachte am vorigen Mittwoch nachm. 6 Uhr der Bürogehilfe der Stadthauptkasse, Max Pittschaft, Mozartstr. 2 wohnhaft, indem er ein 17-jähriges Mädchen vom Ertrinken im Werkstättenteich unter eigener Lebensgefahr errettete.
27. August
In der heutigen Stadtverordneten–Versammlung wurde das Forsthaus in der Spröde an die Bitterfelder Brömme für den jährlichen Pachtpreis von 1100 Mark verpachtet mit der Bedingung, daß der Afterpächter nur ein Delitzscher sein darf. Der Privatmann Albert Schmidt aus Leipzig, dessen Eltern früher in Delitzsch gewohnt haben, will der Stadt aus Dankbarkeit dafür, daß seine Mutter hier im Alter gepflegt worden ist, ein Legat von 45.000 Mark vermachen.
6. September
Walter Poenicke, Mitinhaber der Firma Ed. Poenicke und Co. Baumschulen M.b.H. wurde als geschäftsführender Vorsitzender der deutschen Obstbaugesellschaft (früher Komologenverein), Sitz Eisenach, berufen.
23. September
Gestern Abend fand hierorts eine Protestversammlung gegen die Vergewaltigung Oberschlesiens statt. Die Versammlung war stark besucht. Parteisekretär Zeitzschel hob in seiner Rede besonders hervor, daß Oberschlesien seit vielen Jahrhunderten deutsches Land ist und wies sodann auf die große Bedeutung Oberschlesiens für das deutsche Vaterland. Der Einberufer des Abends Studienrat Schmiedeberg verlas sodann folgende Entschließung, die einstimmige Annahme seitens der Versammlung fand: "Einwohner von Delitzsch, ohne Unterschied des Standes und der politischen und religiösen Bekenntnisse, zu einer Kundgebung gegen die Vergewaltigung Oberschlesiens versammelt, gedenken mit Teilnahme der Leiden der deutschen Brüder. Sie legen schärfste Verwahrung ein gegen die Vergewaltigung der deutschgesinnten Bewohner Oberschlesiens, gegen die von polnischen Banden an der deutschen Bevölkerung begangenen Greueltaten und das die Polen begünstigende Verhalten der französischen Besatzungstruppen. Sie verlangen von der Reichsregierung, daß sie bei der interalliierten Kommission und dem Obersten Rat mit aller ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirkt, daß in Oberschlesien Ruhe und Ordnung wiederhergestellt und Leben und Eigentum der deutschgesinnten Bevölkerung geschützt wird. Die in Delitzsch und Umgegend wohnenden abstimmungsberechtigten Oberschlesier versprechen, ihren Brüdern und Schwestern in der Heimat, daß sie vollzählig zur Abstimmung in Oberschlesien erscheinen werden, um ihre Stimme für ein deutsches Oberschlesien in die Wagschale zu werfen."
24. September
Direktor Bär vom hiesigen Lehrerseminar ist zum Oberschulrat am Provinzialschulkollegium in Kassel ernannt worden. Als sein Nachfolger wird Seminardirektor König, früher Seminardirektor in Straßburg im Elsaß, genannt.
1. Oktober
Anläßlich des 25-jährigen Bestehens des hiesigen Krankenhauses fand dort heute vormittag eine Feier statt, an der die Vertreter der Krankenkassen, sowie hiesige Behörden, Freunde und Gönner des Krankenhauses teilnahmen. Pastor Kohlmann und Stadtrat Beyer hielten Ansprachen. Seit heute ist das Fleisch markenfrei! Jedermann hat das Recht, soviel Fleisch, Wurst, Schinken zu kaufen, wie er – bezahlen kann.
15. Oktober
Gestern Nachmittag fand im hiesigen Lehrerseminar die feierliche Einführung des Seminardirektors König aus Straßburg im Elsaß statt. Die Volkshochschule beginnt ihre Tätigkeit am Montag den 16. Oktober, abends 8 Uhr mit einem einleitenden Abend im Festsaal des Seminars. Die Stadt stellt die erforderlichen Räume unentgeltlich zur Verfügung und hat außerdem 5.000 Mark Zuschuss für das Semester bewilligt.
19. November
Ein frecher Raubüberfall fand gestern abend hierorts statt. Gegen 8.15 Uhr sind zwei maskierte Männer in die offene Wohnung des Lohgerbermeisters Karl Richter, Bitterfelder Straße eingedrungen und haben diesen nach vorheriger Mißhandlung unter Vorhalten des Revolvers zur Herausgabe seiner Barschaft gezwungen. Die Räuber sind unerkannt entkommen.
26. November
Die gestrige Versammlung des Landwirtschaftlichen Vereins Delitzsch-Bitterfeld ernannte das älteste Mitglied des Vereins, Veterinärrat Liebener, Delitzsch, in Anbetracht seiner erfolgreichen Tätigkeit im Verein zum Ehrenmitglied.
8. Dezember
Die Unsicherheit in unserer Stadt wird immer größer. Bevor es der Polizei noch gelungen ist, die Räuber und Erpresser des vor kurzem auf der Bitterfelder Straße verübten Raubüberfalls zu ergreifen, sind gestern abend kurz vor 9 Uhr Banditen mit schwarzen Masken vor den Gesichtern in die Behausung des Holzkaufmanns und Stadtrats Beyer in der Dübener Vorstadt eingedrungen. Sie wußten anscheinend, daß nur Frau B. und ihr 19-jähriger Sohn im Hause anwesend waren und erzwangen mit vorgehaltenen Schusswaffen Einlaß. Ein vierter stand auf der Straße Schmiere. Die Verbrecher öffneten alle Türen und Behälter und fanden an Beute 160 Mark in Geld, ferner ließen sie neun Flaschen Wein und Zigarren mitgehen. Den erschreckten Anwesenden haben sie aber kein Leid zugefügt. Es wäre dringend zu wünschen, daß es bald gelingen möge, die Räuber zu fassen.
14. Dezember
Sein 60-jähriges Bestehen beging am vergangenen Sonnabend im Schützenhause die "Freiwillige Feuerwehr Delitzsch". Zu dieser Feier hatten sich Abordnungen aus der näheren und weiteren Umgebung eingefunden. Branddirektor Schultze hielt die Begrüßungsansprache, gedachte in ehrenden Worten des Mitbegründers der Wehr Adolf Gustav Schulze und überreichte im Anschluß an seine Ansprache den ältesten Mitgliedern der Wehr und zwar dem Brandmeister Kaspar, der 25 Jahre der Wehr angehört und Kürschnermeister Karl Gräfe, der 23 Jahre Mitglied der Wehr ist, mit Dank für die geleisteten treuen Dienste der Wehr die vom Magistrat der Stadt Delitzsch gestifteten Ehrenurkunden.
17. Dezember
Anläßlich seines gestrigen 150. Geburtstages veranstaltete das hiesige Seminar im Schulsaal des Seminars eine würdige und reich ausgestattete Beethoven-Feier. Seminarlehrer Dr. Vogler gab in seiner Festrede ein lebensvolles Charakter- und Schaffensbild des großen Tonkünstlers wieder. Seminarmusiklehrer O. Heine führte mit dem großen Seminarchor unter Mitwirkung unserer heimischen Künstler in exakter Weise Werke von Beethoven vor. Eine musikalische Schönheit brachte auch das Trio in E-Moll für Violine, Cello und Klavier von Vogler, O. Heine und Frau Schimpf vorgetragen. Den Schluß des Abends bildete das Streichorchester des Seminars mit Klavierbegleitung von O. Heine "An die Freude".
1921
8. Januar
Einbrecher
Gefährliche Einbrecher statteten in der Nacht vom 4. zum 5. Januar der Schuhfabrik von Sonntag und Francke, Eilenburger Straße hier, einen Besuch ab. Den Einbrechern sind über 200 Paar fertige Damen- und Herrenstiefel in die Hände gefallen. Die Spur führte zunächst bis zur Bahnhofssperre. Anderntags bemerkte nun ein Bahnbeamter auf dem Güterbahnhof in der Nähe der Elisabethstraße in einem leeren Kohlenwagen die Säcke. Ein Polizeibeamter legte sich auf die Lauer. Am Abend erschien der Dieb, um die Beute zu holen. Da er seinen Komplicen nicht gegenwärtig fand, machte er wieder kehrt. Der Polizeibeamte verfolgte ihn. Es begann nun eine Jagd durch die Stadt, wobei auch Schüsse gewechselt wurden. Schließlich wurde der Dieb gestellt und festgenommen. Beim Verhör brach er zusammen, da er eine Kugel in die Brustseite erhalten hatte. Im Krankenhaus verstarb er. Der Verstorbene war ein entsprungener Häftling aus Halle. Der Komplice konnte bis heute nicht ermittelt werden.
18. Januar
Polen besetzen Oberschlesien
Die aufständischen Polen unter Korfanty haben Oberschlesien besetzt und fordern Oberschlesien mit Polen zu vereinigen. Die Aliierten bestimmen für Oberschlesien eine Volksabstimmung. Diese soll im März d. J. in ganz Oberschlesien abgehalten werden. Alle aus Oberschlesien stammenden Deutschen im Reiche sind abstimmungsberechtigt. Diese Oberschlesier haben sich in Ortsgruppen heimattreuer Oberschlesier zusammengeschlossen. Auch in Delitzsch hat sich eine "Ortsgruppe heimattreuer Oberschlesier" gebildet. Um nun den Oberschlesiern die Möglichkeit zu geben an der Abstimmung teilnehmen zu können hat, dem Beispiele so vieler anderer Städte folgend, die hiesige Ortsgruppe heimattreuer Oberschlesier vom 9. bis 16. Januar in Delitzsch und Umgegend eine Opferwoche veranstaltet. Für diese Opfertage fanden folgende Veranstaltungen statt: Montag den 10. Januar: Lichtbildervortrag für Kinder und Erwachsene im Schützenhaus. Dienstag bis Freitag: Werbung der Geschäftswelt durch Schaufensterausschmückung. Sonnabend den 15. Januar: Kinemathographische Aufnahmen über Oberschlesien. Sonntag den 16. Januar: Festgottesdienst, Platzmusik, Straßen- und Haussammlung durch Blumenverkauf, Bunter Abend und Vorführungen in verschiedenen Sälen. Allein die Haussammlungen ergaben die stattliche Summe von 6438 Mark.
29. Januar
Grundstückserwerb
Das Grundstück "Deutsches Haus" Bitterfelder Straße ist durch Kauf in den Besitz von Dr. Hoyer und Maurermeister Zerner von hier übergegangen.
21. Februar
Landtagswahl
Die am 20. Februar durchgeführten Landtagswahlen hatten in der Stadt Delitzsch folgendes Ergebnis: Deutschnationale 739, Deutsche Volkspartei 1452, Demokraten 967, Zentrum 108, Mehrheitssozialisten 1158, Unabhängige 927, Kommunisten 1394.
23. Februar
Hilfsschule
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurde für die Einrichtung einer Hilfsschule 10.000 Mark bewilligt. Der Kinderhort erhält einen Zuschuß von 2000 Mark.
26. Februar
Einbruch
Gestern abend kurz nach 7 Uhr drangen zwei maskierte Diebe in das Stationsgebäude des Sorauer Bahnhofs ein während zahlreiches Publikum sich am Schalter befand, stahlen die auf dem Tisch in Päckchen liegende Kasse und verschwanden mit der Kasse. Den Beamten, die sich ihnen widersetzten wurden Revolver vor die Brust gehalten. Es ist rätselhaft wie bei dem regen Verkehr auf dem Bahnhof die Diebe überhaupt entkommen konnten.
27. Februar
Kirchliche Einführung
Die Einführung der neugewählten Mitglieder der kirchlichen Körperschaften fand gestern im feierlichen Hauptgottesdienste statt. Es sind nach dem neuen Wahlgesetz 48 Mitglieder der Gemeindevertretung und 12 Gemeindekirchenräte. Die Einführung geschah durch Superintendent Hobbing.
5. März
Abstimmung in Oberschlesien
Die Abstimmungsberechtigten aus dem Kreise Delitzsch fahren am 10., 12. und 13. März nach ihrem Heimatort nach Oberschlesien vom Sorauer Bahnhof ab. Fahrscheine sind ab sofort in Ortsgruppe Marienstr. 3a abzuholen. Wahlkarte ist mitzubringen. Dies wurde öffentlich bekannt gegeben.
8. März
60 Jahre Abendstern
Der Gesangverein "Abendstern" beging am 5. und 6. März Sonnabend und Sonntag sein 60jähriges Stiftungsfest im Schützenhause. Der Saal war festlich geschmückt. Es nahmen an dieser Jubelfeier nicht nur sämtliche hiesige Gesangvereine sondern auch verschiedene auswärtige Vereine teil, die sich auch sämtlich an den gesanglichen Vorträgen beteiligten. Der erste Vorsitzende Bruno Rönicke eröffnete mit Begrüßungsworten an die zahlreich erschienenen Vereine und Ehrengäste den Festabend am Sonnabend und gab dann einen geschichtlichen Rückblick über die Entwicklung und Tätigkeit des Vereins. Darnach ist der "Abendstern" bereits 1857 als ein Gesellschafts- und Vergnügungsverein gegründet worden. Unter dem Vorsitzenden dem Zigarrenfabrikant F.C. Gröschner trat er denn 1861 als Gesangsverein ins Leben. Der erste Dirigent war Stadtmusikus Wisnarkewitz, der aber bald von Lehrer Hoffmann abgelöst wurde. Von da ab haben nacheinander folgende Dirigenten den "Abendstern" geleitet: Lehrer Rocke, Lehrer Schubert, Lehrer Reime und zuletzt seit 1891 Kantor Müller. Die beiden Ehrendirigenten Schubert und Reime nahmen an dem Stiftungsfeste teil und wurden sehr geehrt. Recht anerkennenswerte Leistungen vollbrachten die zahlreichen Gesangvereine. Viele Glückwünsche und Geschenke wurden dem Jubelverein zuteil. Den Festabend schloß der Jubelverein mit dem Lied: "Und droben sang die Nachtigal".
11. März
Both
Schon im Vorjahr ist vom Kreistag die Errichtung einer "Kreisbank" beschlossen worden. Zum Leiter derselben ist der bisherige Bankbeamte Arthur Both aus Landsberg bestellt. Die Eröffnung erfolgt mit dem 12. März 1921. Bis zur Fertigstellung des Neubaus der Bank, Kreissparkasse und Kreiskommunalkasse ist die Bank in den bisherigen Geschäftsräumen der Kreissparkasse, Schloßstr. 9 mit untergebracht.
16. März
Neuer Landrat
Das preußische Staatsministerium hat den bisherigen kommisarischen Landrat für den Kreis Delitzsch G. Raute als Landrat bestätigt.
21. März
Gedenkfeier
Gestern nachmittag 3 Uhr fand unter zahlreicher Beteiligung aller sozialdemokratischer Parteien eine würdige Gedenkfeier am Grabe der Märzgefallenen teil. Der Arbeiter- Gesangverein trug zwei Lieder vor. Ansprachen hielten Sittner - Bitterfeld als Vertreter der kommunistischen Partei und Hampe als Vertreter der U.S.P.D. Die Parteien legten an den Gräbern Kränze nieder.
25. März
Oberschlesien
Deutsche Heimattreue und Vaterlandsliebe haben in Oberschlesien den Sieg errungen. Der Draht hat die Nachricht hinausgetragen in alle Welt, die Zeitungen verkünden allerorten: Oberschlesien bleibt deutsch! Heute (Donnerstag) abend um 7 Uhr erklingen auch hier in Delitzsch die Glocken zu Ehren des Abstimmungssieges. Die öffentlichen Gebäude haben schon Flaggensschmuck angelegt, die Bürger werden dem Beispiele folgen. Die ersten Abstimmungsberechtigten sind bereits aus dem Osten wieder heimgekehrt; bald werden auch die übrigen ihnen folgen. Der Rettoausschuß und der Schutzbund für Grenz- und Auslandsdeutsche veranstalten für sie im Laufe der nächsten Woche einen Begrüßungsabend.
27. März
Aufruhr
Der Aufruhr in Mitteldeutschland hat auch auf Delitzsch übergegriffen. Gestern morgen 7 Uhr wurde die kommunistische Arbeiterschaft durch Trompetensignal und Trommelwirbel zu einer Versammlung im "Lindenhof" aufgefordert. In der Versammlung wurde ein Aktionsausschuß gebildet. Am Nachmittag erfolgte die Besetzung der hiesigen Banken sowie des Rathauses und des Landratsamtes. Es wurde auch der Versuch unternommen die Polizeimannschaft zu entwaffnen, was jedoch verhindert wurde. Der gegen 7.30 Uhr abends proklamierte Generalstreik und Belagerungszustand wurde nach einer Stunde abgeblasen.
1. April
Sicherheitstruppen
Gestern früh sind Sicherheitstruppen in Delitzsch eingezogen. Diese Truppen haben zum Schutze der öffentlichen Ruhe teils in unserer Stadt, teils in der näheren Umgebung Quartier bezogen. Bei ihrer Ankunft wurden die Sicherheitstruppen auf der Leipziger Straße von Bewaffneten beschossen, ohne jedoch jemanden zu verletzen. Die darauf erfolgte Besetzung der Stadt erfolgte ohne jeden weiteren Widerstand. Im Laufe des Vormittags trafen weitere Truppentransporte ein, die im Seminar und in den Schulen einquartiert wurden. Die vorgenommenen Haussuchungen im Laufe des Vormittags haben zu Verhaftungen und Beschlagnahme von Waffen geführt. Seit dem Einzug der Truppen ist kein Trompetenschall und Trommelwirbel mehr zu hören, der tagelang die Einwohnerschaft aus dem Schlafe geweckt und in Unruhe versetzt hat. Es ist wieder Ruhe in der Stadt! Die gestern begonnenen Haussuchungen und Verhaftungen dauern auch heute noch an. Die Arbeiter der Eisenbahnwerkstätte haben die Arbeit heute in vollem Umfange wieder aufgenommen.
1. April
Stiftung
Die Stadtverordneten beschlossen in ihrer Sitzung am 30. März die Aufnahme eines Vermächtnisses von 5000 Mark für Pflege der Grabstätte des Schuhwarenfabrikanten Francke.
2. April
Verbrecher
Heute nacht gegen 3 Uhr wurde hier versucht, die Überführung an der Bitterfeld - Leipziger Strecke zu sprengen. Die Wachmannschaften der Sicherheitspolizei, die den Vorgang noch frühzeitig beobachteten und eine Verfolgung der Banden sofort aufnahmen, erhielten Gewehrfeuer, was von ihnen lebhaft erwidert wurde. Weitere zur Verfolgung entsandte Polizeitruppen fanden keine Gelegenheit zum Eingreifen, da die Verbrecher bereits geflüchtet waren.
18. April
Luther-Jubiläum
Heute am 18. April 1921 ist die 400. Wiederkehr des Tages, an dem Martin Luther vor Kaiser und Reich in Worms sein mannhaftes Bekenntnis ablegte. Gestern fand in Erinnerung an diese Tat hier ein Festgottesdienst statt, an dem die evangelischen Schüler aller Schulgattungen geschlossen teilnahmen. Heute fanden in den Schulen entsprechende Gedenkfeiern statt. Im Anschluß an den gestrigen Festgottesdienst fand in unserer Stadtkirche eine Gedenkfeier für die am 11. April in "Haus Dorn" verstorbene frühere Deutsche Kaiserin Auguste Viktoria statt. Der Gesang von Frau Kurtzhalß erhöhte die würdige Feier.
1. Mai
Kreishaus
Die Erd-, Maurer- und Asphaltarbeiten für des Kreishaus Um- und Erweiterungsbau sind dem Maurermeister Metzner – Delitzsch übertragen worden.
4. Mai
Butter frei
Nach einer Verordnung vom 30. April wird bestimmt: Vom 1. Juni ab wird die Butter- und Käsewirtschaft frei und die Milch grundsätzlich von allen Erfassungsmaßnahmen bei den Landwirten befreit.
8. Mai
Oberschlesien
Oberschlesien ist von polnischen Banden besetzt worden. Der Vorsitzende der Ortsgruppe heimattreuer Oberschlesier hierselbst Schneidermeister Wemmer erhielt aus Oberschlesien folgendes Telegramm: "Oberschlesien unsere Heimat ist in Gefahr von polnischen Banden verwüstet zu werden. Wehrfähige Oberschlesier werden gebeten, sich sofort bei der Abstimmungspolizei der interallierten Kommission zu melden."
17 Juni
Krieger-Ehrung
Zum Zwecke einer "Krieger-Ehrung" fand gestern am 16.6. im Weißen Roß eine Ausschuß-Sitzung statt. Es wurde beschlossen für alle Gefallenen von Delitzsch, deren Zahl etwa 500 beträgt, auf dem alten Friedhof ein Ehrenmal zu errichten. Das Projekt sieht einen Massivblock vor, der von einer 2 – 2 ½ m hohen halbrunden Mauer umzogen werde, auf deren Innenseite in ovalen Metallschildern die Namen der Gefallenen verewigt stünden. Jedes Schild trägt nur einen Namen in erhabener Schrift. Die Ausführung des Entwurfs soll dem Berliner Bildhauer Otto Richter übertragen werden. Für die evangelischen Gefallenen soll dann noch besonders in der Marienkirche eine Gedächtnistafel mit den Namen der evangelischen Gefallenen angebracht werden.
25. Juni
75 Jahre Schulze D. Liedertafel
Die Schulze-Delitzsch-Liedertafel feierte in diesen Tagen ihre 75jährige Jubiläumsfeier. Am 22. Juni 1846 wurde der Verein von Schulze – Delitzsch gegründet. Gründer gehören dem Verein nicht mehr an; um so größer ist die Zahl seiner Jubilare. Den Vorsitz führt z.Z. H. Henkel, der bereits über 25 Jahre Mitglied des Vereins ist und 17 Jahre den Vorsitz führt. 15 Jahre war Lehrer Reime Dirigent des Vereins; jetzt liegt die Leitung des Gesangvereins in den bewährten Händen von Herrn Auerbach. Am Abend vor dem Festtag fand ein Festkommers (statt d.A.). Hier sprachen der Vorsitzende Henkel und Lehrer Kunze. Der Festverein und die zahlreich erschienenen Gesangsvereine von hier und der Umgegend erfreuten die vielen mit ihren Gesangsvorträgen.
28. Juni
Delitzscher Notgeld
Das Magistrat hat sich entschlossen, künstlerisches farbiges Notgeld drucken zu lassen. Mit der Anfertigung von Entwürfen ist unser heimischer Kunstmaler Fred Uebel betraut worden. Es sollen 2 Serien 50 Pfg. Stücke herauskommen. Die eine, die Schulze Delitzsch Serie zeigt auf der Vorderseite das Porträt Herrmann Schulze, während die Rückseite durch Darstellungen von sechs alten Bauwerken der Stadt eine hervorragende Wirkung erhalten sollen. Die zweite Serie, die Schweden - Serie zeigt auf der Vorderseite das Schloß und die Kursächsischen Wappen, auf der Rückseite in einer Bilderfolge die Geschichte von der Türmertochter, welche durch Signale die Stadt vor dem Überfall der Schweden rettete.
29. Juni
Hohe Preise
Welche Höhe manche Preise erreicht haben, konnte man auf dem heutigen Peter Pauls Markt sehen. Der Verkaufspreis von Pferden stand zwischen 3500 – 30.000 Mark, ein Ferkel 80 – 150 M, ein Läufer 250 – 360 Mark.
1. Juli
Poleneinfall
Durch den Einfall der Polen in Oberschlesien und die Zerstörung dortselbst sind die dort lebenden Deutschen in bittere Not geraten. Wie überall in Deutschland so hat sich auch die hiesige Ortsgruppe "heimattreuer Schlesier" der Not angenommen und hierselbst ein "Oberschlesier Hilfswerk" gegründet. Spenden für dieses Hilfswerk nehmen die Banken und Zeitungsstellen entgegen.
7. Juli
Protestversammlung
Der Delitzscher Lehrerverein hielt gestern in "Stadt Leipzig" eine öffentliche Protestversammlung gegen die Zertrümmerung der Volksschule im Entwurf des Reichsgesetzes ab. Nach dem Referat eines Leipziger Lehrers und einer sich anschließenden Aussprache wurde folgende Entschließung angenommen: "Die für den 6. Juli 1921 vom Lehrerverein Delitzsch und Umg. einberufene öffentliche Protest-Versammlung "gegen die Zertrümmerung der Volksschule" erhebt schärfsten Einspruch gegen den Entwurf eines Reichsgesetzes zur Ausführung des Artikels 146 Absatz 2 der Reichsverfassung, denn er zerschlägt jede Einheit der Schule und des Unterrichts, er nimmt dem Staate die Schule aus der Hand und verteilt sie an die kirchlichen und nichtkirchlichen Bekenntnisse; er erhöht die Schulaufwendungen unter Herabdrückung der Leistungen, er fördert nicht die Einheit".
24. August
Werbelin
Die Stadtverordneten beschäftigten sich in ihrer gestrigen außerordentlichen Sitzung mit einer wichtigen Angelegenheit. In Werbelin unweit Delitzsch ist eine neue Kohlengrube erschlossen worden. Der Handelsschutz Delitzsch hat nun an die Stadt den Antrag gestellt die zu errichtende Kohlenbahn nicht nach Zschortau zu leiten, sondern mit den maßgebenden Stellen in Verbindung zu treten, daß diese Bahn von Werbelin direkt nach Delitzsch kommt und hier mit der Eisenbahn-Verbindung erhält. Die Stadt will zu gegebener Zeit in diesem Sinne handeln.
6. September
Landbundtag
Am Sonntag den 4. September fand in Delitzsch der erste Landbundtag statt. Er wurde nachmittag 1 Uhr im Saal des Schützenhofes vom Vorsitzenden Prautsch Sausedlitz eröffnet. Aus seiner längeren Rede sei nur einiges wiedergegeben. Gleich nach dem Kriege schlossen sich allerorten in unserem Vaterland die Bauern zu Bauernvereinen zusammen, um ihre darniederliegenden wirtschaftlichen Interessen zu fördern. Am 28. März 1919 gründete dann ein Teil der Bauernvereine unseres Kreises den Kreisbauernverein Delitzsch Ost. Am Anfang des Jahres 1921 setzten dann Bestrebungen ein, den deutschen Landbund mit dem schon seit Jahrzehnten bestehenden "Bund der Landwirte" zu einer Organisation dem Reichslandbund zu verschmelzen. Und der Versuch gelang; so entstand unser Kreislandbund Delitzsch. Redner schloß mit dem Wunsch, daß die noch heute außenstehenden Landwirte recht bald den Weg zum Landbund finden. Am Nachmittag fanden auf dem geräumigen Schützenhof Platz Spiele und im Saale Tanz statt.
12. September
Lehrerverein Delitzsch 50 Jahre
Am Freitag und Sonnabend den 9. u. 10. September feierte der Lehrerverein Delitzsch und Umg. sein 50jähriges Jubiläum. Eingeleitet wurde die Jubelfeier durch einen Festkommers am Freitag im "Schwan" durch Musikstücke der Kapelle Preuß, Gedichte, gemeinsame Lieder, der Begrüßungsrede des Vorsitzenden Hirschfeld und einem Einakter: "Die Hasenpfote". Am Sonnabend fand dann die eigentliche Jubelfeier statt, zu der eine Reihe auswärtiger Vereine Vertreter entsandt hatten so Leipzig, Halle, Bitterfeld, Eilenburg. Diese Vertreter überbrachten die Glückwünsche ihrer Vereine, der Kreisschulrat Roß die der Regierung. Die Festrede hielt der Ehrenvorsitzende des Vereins Lehrer Richter - Delitzsch. Nach dem Einakter "Arbeit" nahm der Festball seinen Anfang und beschloß so die Feier des 50jährigen Bestehens des Lehrervereins.
14. September
Jungmännertag
Am Sonntag fand ein evangelisch kirchlicher Jungmännertag in Delitzsch statt. Von auswärts hatten sich eine ganze Reihe befreundeter Jungmänner aus Bitterfeld, Dessau, Düben, Eilenburg, Halle, Herzberg, Merseburg, Torgau, Raguhn und Wolfen eingefunden. Am frühen Morgen wurden von der Delitzscher Instrumental - Vereinigung Delitzsch einige Choräle vom Turm der Stadtkirche geblasen. Die Festpredigt hielt in der geschmückten Stadtkirche Oberpfarrer Valentin aus Eilenburg. Die Nachmittag Veranstaltungen fanden in "Stadt Leipzig" statt. Sie bestanden aus Vorträgen und Turnspielen u. anderen Spielen. Am Abend sprach noch Pfarrer Winkler - Sausedlitz.
12. Oktober
Kohlmann
Sein 25jähriges Amtsjubiläum beging am gestrigen 11. Oktober Archidiakonus Kohlmann an der hiesigen Stadtkirche.
16. Oktober
Dienstjubiläum
Sein 25jähriges Dienstjubiläum bei der Firma Oskar Apitzsch begeht mit dem heutigen Tage Markthelfer Schumann.
17. Oktober
Versetzung
Pastor Ruhmer, der 12 Jahre hier tätig gewesen ist, ist von den kirchlichen Körperschaften St. Ulrich in Halle zu Pfarrer darselbst gewählt worden. Er soll den Ostbezirk der dortigen Gemeinde verwalten.
22. Oktober
Pilzernte
Selten war die Pilzernte eine so schlechte als in diesem Jahre. Die lange Dürre hat die Ausbildung der Pilzfäden verhindert und als dann endlich Regen kam, war es wiederum zu kalt. Vielfach ist durch rücksichtsloses Beseitigen von Waldstreu und durch Abholzen ganzer Bestände der Pilzertrag auf Jahrzehnte unmöglich gemacht worden. Ob die Ausbeute an Champignon im Herbst noch lohnend werden wird, ist sehr fraglich.
28. Oktober
Stadtverordneten
Die Stadtverordneten beschlossen in ihrer Sitzung am 26. Oktober Die Festsetzung des Fluchtlinienplanes für das Bauvorhaben der Siedlergenossenschaft östlich des Friedhofes, Lohnerhöhung für die städtischen Arbeiter, Teuerungszulagen für die städtischen Beamten, neue Gehaltseinstufung für die beiden Bürgermeister und Rendant Kunzke (Gruppen 12, 10, 9) Der Magistrat hat beschlossen den Tennisplatz bis zum Jahre 1928 an die jetzige Pächterin weiter zu verpachten mit der Bedingung, daß der Spielplatz auch der Allgemeinheit zugängig bleibt.
31. Oktober
Milchpreis
Laut Bekanntmachung beträgt von morgen ab der Preis für ein Liter Milch 3,00 Mark.
1.November
Reformationsfeier
Eine schöne schlichte Reformationsfeier fand am gestrigen Dienstag in der Stadtkirche statt. Eine zahlreiche Gemeinde hatte sich eingefunden. Pastor Ruhmer hielt die Festansprache. Frau Kurzhalß verschönte die Feier durch 2 Lieder mit Orgelbegleitung durch Organist Sauerteig.
3. November
Schulbeginn
Die Landwirtschaftliche Schule hat mit dem 1. November ihren 6. Lehrgang begonnen und ist dieselbe erfreulicherweise wieder voll besetzt. In die Unterklasse wurden 42 und in die Oberklasse 44 Schüler aufgenommen. Auch die Volkshochschule hat mit dem gleichen Tage ihre Tätigkeit aufgenommen, nachdem zuvor das hiesige Gewerkschaftskartell in einer Versammlung die Arbeiterschaft angeregt hat sich an der Arbeit in der Volkshochschule rege zu beteiligen.
18. November
Todesfall
Wieder hat einer unserer angesehensten und verdienstvollsten Bürger die Augen zum ewigen Schlummer geschlossen. Stadtrat a.D. und Kaufmann Wilhelm Kläning rief am gestrigen Donnerstag der Tod zur ewigen Ruhe.
26. November
Dr. Gaudig
Oberstudiendirektor Dr. Gaudig - Leipzig ist einer der größten Lehrer Deutschlands, dessen Schule, eine höhere Mädchenschule mit Lehrerinnenseminar in Leipzig von vielen Männern aus Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Schweden, Norwegen Oesterreich, Dänemark usw. besucht wird. Zuweilen sind über 100 Hörer in den Klassen. Viele Städte bitten ihn zu Vorträgen. So hat sich auch der Lehrerverein Delitzsch und Umg. das Verdienst erworben, ihn zu vier Vorträgen zu gewinnen. Sie wurden im Festsaale des hiesigen Lehrerseminars vom 21.-26. November vor einer in drangvoller Enge zusammengeferchten Zuhörerschaft, die sich aus Stadt und Land zusammengefunden hatten, gehalten. Die einzelnen Vorträge behandelten folgende Themen:
1. Problematik der modernen Schule.
2. Entwicklung des Gemeinschaftslebens in der Schule.
3. Der Arbeitsvorgang als unterrichtskundlicher Grundbegriff.
4. Die deutsche Schule im nationalen Kulturprogramm.
Neben den einzelnen Vorträgen wurde auch praktischer Unterricht im Sinne der dargebotenen Bestrebungen erteilt. Unter der Lehrerschaft wird die Vortragsreihe unter dem Namen "Gaudig Wochee" nachhaltig in Erinnerung bleiben.
27. November
Stadtverordnetensitzung
In der vorletzten Stadtverordnetensitzung kam es zu Unstimmigkeiten der einzelnen Parteien. Im Verlauf der Auseinandersetzung verließen die der Unabhängigen Sozialdemokraten angehörigen Stadtverordneten den Sitzungssaal. Auf Veranlassung des Regierungspräsidenten hatte Landrat Raute die Mitglieder des Magistrats und die Stadtverordneten zu einer Verhandlung über die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung eingeladen, um in einer Besprechung zwischen Magistrat und Stadtverordneten zu vermitteln. Die beabsichtigte Einigung war jedoch nicht zu erreichen. Nun ist mit der Ernennung eines Regierungskommissars zu rechnen, der einstweilen die Geschäfte bis zur Neuwahl weiter führen wird.
29. November
Eisenbahnunglück
Ein schweres Eisenbahnunglück ereignete sich gestern nachmittag auf der Strecke zwischen Delitzsch-Leipzig. Als der um 4.30 Uhr die hiesige Station verlassende Zug den Bahnübergang beim Familienhaus am Brodauerweg passierte wurde das auf den Schienen spielende Kind, 1 ½ Jahre alt, des Bahnwärters Lorenz von der Lokomotive erfaßt und totgefahren. Der im letzten Augenblick herbeigeeilte Schrankenwärter Rote aus Zschortau, ein gelähmter Kriegsinvalide, der das Kind retten wollte, wurde ebenfalls vom Zuge erfaßt und tötlich verletzt. Auf dem Wege zum Krankenhaus Leipzig verstarb er, nachdem ihm noch Dr. Rollin in Zschortau einen Notverband angelegt hatte.
30. November
Arbeitsamt
Mit dem 1. Dezember 1921 wird in der Stadt Delitzsch für den Kreis Delitzsch ein Arbeitsamt eröffnet. Diesem Amt fällt die schwere Aufgabe zu, den arbeitenden Kräften geeignete Arbeit zu vermitteln.
2. Dezember
Einwohnerzahl
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Dezember d. J. 14.959, wozu noch die Insassen der hiesigen Strafanstalt kommen.
20. Dezember
Überfall v. Busse
Dreister Überfall auf Landrat a.D. von Busse. Ein dreister Überfall in verhältnismäßig kurzer Zeit hat sich gestern abend in der achten Abendstunde auf der Eilenburger Chausee nach Klein- Döbernitz zu abgespielt. Der Vorfall trug sich wie folgt zu: Als von Busse gestern abend 7.30 Uhr seine Tochter vom Sorauer Bahnhof abgeholt und mit seinem geschlossenen Wagen die Chaussee nach Klein Döbernitz passierte, sprang plötzlich ein Mann aus dem Hinterhalt, hielt die Pferde an und drohte dem Kutscher mit Erschießen, wenn er nicht anhalte. Ein anderer riß die linke Seitentür des Wagens auf und hielt ebenfalls dem Landrat und seiner Tochter einen Revolver vor. Hierauf öffnete ein dritter Wegelagerer die rechte Tür des Wagens und durchleuchtete denselben mit einer Laterne. Die Räuber griffen nach der Brieftasche des Herrn von Busse und leerten deren Inhalt in Höhe von 500 Mark, worauf die Täter das Gespann weiter fahren ließen. Leider sind infolge der Dunkelheit alle drei Räuber unerkannt entkommen.
1922
Grippe in Delitzsch
Von der Grippe, die in ganz Deutschland ihre Streifzüge unternimmt und teilweise recht bösartig auftritt, ist die Stadt Delitzsch nicht verschont geblieben. Doch zeigt die Krankheit hier einen gutartigen Charakter. Bei der hiesigen Ortskrankenkasse haben sich von Mitte Dezember 1921 bis zum 11. Januar 1922 gemeldet 170 erwerbstätige Personen als grippekrank. Zu dieser Anzahl dürften noch eine Anzahl erkrankter Kinder und Ehefrauen kommen. Sterbefälle sind aber bei der Ortskrankenkasse nicht gemeldet worden.
20. Januar
Versetzung von Pastor Ruhmer
Unter zahlreicher Beteiligung der Gemeinde aus allen Schichten und Kreisen fand gestern für den nach Halle versetzten Pastor Ruhmer ein Abschiedsabend in "Stadt Leipzig" statt. Herzliche Abschieds- und Dankesworte richtete an den Scheidenden Superintendent Hobbing, Pastor Kohlmann, Oberstudiendirektor Wahle sowie ein Vertreter des ev. Jungmännervereins. Die ganze Feier war umrahmt durch Gesänge des Kirchenchors verstärkt durch Kräfte aus dem "Abendstern" unter Leitung von Kantor Müller sowie Einzelgesänge. Pastor Ruhmer wird diese schöne Abschiedsfeier noch recht lange in Erinnerung bleiben.
21. Januar
Teurungswelle
Infolge der in letzter Zeit sprunghaft eingetretenen Teuerungswelle und der ablehnenden Haltung der Arbeitgeber entsprechend die Löhne der Angestellten zu erhöhen fand gestern im "Hotel zur grünen Linde" eine Protestversammlung der hiesigen kaufmännischen Arbeiterverbände statt, die vom Vorsitzenden der Arbeitsgenossenschaft Laue eröffnet und geleitet wurde. Nach Anhören eines Referates und daran sich anschließender erregter Aussprache wurde eine Entschließung einstimmig angenommen, in der die Angestellten ihre Forderung gegenüber den Arbeitgebern darlegten.
1. Februar
Astoria
Das "Welttheater", Hallesche Str. 32, ist von seinem bisherigen Inhaber M. Scherzberg in die Hände von Max Rodehan übergegangen. Der neue Besitzer wird das Unternehmen unter dem Namen "Vereinigte Astoria Lichtspiele" weiterführen.
18. Februar
Delitzscher Musikverein
Der Delitzscher Musikverein brachte am Mittwoch abend vor vollbesetztem Hause J. Haydn's "Schöpfung" zu Gehör. Für die Solopartien waren drei auswärtige Kräfte gewonnen worden. Die Aufführung gelang in vollendeter Schöne. Es war ein Kunstgenuß, der den Delitzschern hier geboten wurde. Starker Beifall lohnte deshalb auch die Aufführenden. Besonderes Lob gebührt dem Leiter des Ganzen Seminarmusiklehrer O. Heine.
19. Februar
Steigerung der Preise
Die Preise steigen weiter. Ein 4 Pfund Schwarzbrot kostet 12,25 Mark. Auch die Viehpreise gehen weiter in die Höhe. Der Preis von Ferkeln schwankte zwischen 200-275 Mark, der bei Läufern zwischen 300-350 Mark, Pferde wurden von 10.000-70.000 Mark gehandelt.
6. März
Branddirektor Schulze ist tot
Hochbetagt verstarb am gestrigen Sonntag den meisten wohlbekannt der Ehrenbürger unserer Stadt Branddirektor a.D. Schulze aus einem Leben unermüdlich schaffender und erfolgreicher Arbeit. Der Dahingeschiedene hat ein Alter von 84 Jahren erreicht. 1838 in Delitzsch geboren begann er im Jahre 1863 seine Laufbahn als freiwilliger Feuerwehrmann. Als Führer des Feuerwehrwesens der Stadt übernahm er 1870 die technische Leitung, zugleich übertrug die Stadt dem damaligen bewährten Führer das Amt eines städtischen Branddirektors. Mehrere Jahre bekleidet er das Amt eines Stadtrats. Seiner Verdienste wegen wurde er von der Stadt zum Ehrenbürger ernannt. Der Tod hat ihn abberufen, aber in der Geschichte des hiesigen Feuerlöschwesens hat er sich ein dauerndes Denkmal gesetzt.
15. März
Kartoffelpreis
Der Kartoffelpreis pro Centner beträgt 125-135 Mark.
27. März
Stadtverordnetenwahl
Das Ergebnis der gestrigen Stadtverordnetenwahl ist folgendes:
Vereinigte Bürgerschaft Liste Mietzsch, 2187 Stimmen
SPD Liste Münzer, 974 Stimmen
USPD Liste Hampe, 1213 Stimmen
KPD Liste Förster, 1545 Stimmen
Es erhalten voraussichtlich Sitze:
Vereinigte Bürgerschaft 14
SPD 4, USPD 5, KPD 7
1. April
Jungnickel
Auf sein 25jähriges Jubiläum als städtischer Beamter kann am heutigen Tage Magistratssekretär Bernhard Jungnickel zurückblicken. Der Jubilar trat, von Steglitz kommend, am 1. April 1897 bei der hiesigen städtischen Verwaltung als Stadthauptkassenbuchhalter ein. 1904 wurde er zum Stadtsteuereinnehmer und Magistratssekretär ernannt. Am 1. April 1914 übertrug man ihm das Amt als Vorsteher des Rechnungswesens. 1906 wurde ihm das Amt des Kirchenkassenrendanten übertragen und 1914 wurde er zum Hospitalwirtschaftsvorsteher berufen.
22. April
Oskar Schmidt gestorben
Gestern abend ist, allen wohl unerwartet, Kreissparkassendirektor Oskar Schmidt aus einem Leben unermüdlich, schaffender und erfolgreicher Arbeit abberufen worden. Leider haben sich seine Wünsche nicht erfüllt, auch im neuen Heim im Dienste der Kreisspar- und Kommunalkassen noch lange an seinem Platz zu stehen, noch weitere reiche Erfolge seiner Arbeit erblühen zu sehen. Fast über 22 Jahre leitete er den stolzen Zweig jener umfangreichen Institute der beiden Kassen, die für ihre Entwicklung in der Zeit seiner Amtstätigkeit ihm soviel zu danken haben. Der Dahingeschiedene hat ein Alter von 57 Jahren erreicht.
28. April
Gründung
Hier hat sich ein "Jung-Deutscher Orden" gebildet, der gestern im "Schwan" seine erste Veranstaltung hatte. Der Großmeister Heinrich Lobenstein eröffnete und leitete die Veranstaltung.
2. Mai
Auflösung der Präparande
Die Schulkommission der Stadtverordneten beschloß die Auflösung der Präparandenanstalt in der Elisabethstraße. Das Vordergebäude soll künftig teils zu Wohnungen, teils zu anderweitigen Schulzwecken, teils auch zur Unterbringung der Volksbibliothek mit Einrichtung eines Lesezimmers benutzt werden. Das Hintergebäude soll der Hilfsschule sowie einigen Klassen der Knabenvolksschule eingeräumt werden.
5. Mai
Langer Winter
Ein endlos langer Winter liegt hinter uns. Er begann schon im November und währte bis in den April hinein. Man kann nun zwar nicht sagen, daß der vergangene Winter besonders hart war. Denn zwischen Zeiten, in denen das Thermometer tief unter den Nullpunkt sank, gab es auch frühlingsmäßige Wochen. Aber dadurch eben, weil die Spanne des Winters eine so lange war, und da dieser Winter ungleich strenger ausfiel als die vergangenen Winter erschien er uns so schlimm. Auch mochte die geradezu beängstigende Kohlennot sowie die durch die Teurung bedingte mangelhafte Ernährung großer Volksschichten dazu beigetragen haben, daß der Winter ein gar so schlechtes Andenken hinterläßt. Nun ist der Frühling eingezogen, doch die Vegetation ist um Wochen im Rückstand.
14. Mai
Spangenberg Stadtältester
Seinen 80. Geburtstag feiert heute in erfreulicher Rüstigkeit Stadtältester Spangenberg, bei welcher Gelegenheit ihm seitens des Magistrats, vertreten durch І. Bürgermeister Böttcher, herzliche Glückwünsche überbracht wurden. Spangenberg hat sich viele Verdienste um die Stadt erworben. Vom 1. Januar 1884 an war er Stadtverordneter und waltete genau 12 Jahre lang, von 1900 – 1912, des verantwortlichen Amtes als Stadtrat. Bei seinem Abgang als Siebenziger wurde ihm der Titel "Stadtältester" verliehen.
27. Mai
Stahlhelm
Der hier vor einiger Zeit gegründete "Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten" hielt hierorts eine Deutsche Volks- und Arbeitsgemeinschaft ab, in welcher Dr. Stadler aus Halle sprach.
8. Juni
Kreisständehaus
Nachdem die Umbauten des Kreisständehauses vollendet sind, siedelt die Kreissparkasse und die Kreisbank mit dem heutigen Tage entgültig in ihr neues Heim über. Zugleich erhält auch die Kreiskommunalkasse in den neugeschaffenen Räumen Aufnahme.
9. Juni
Marienfriedhof
Friedhofschänder trieben gestern ihr Werk auf dem Marienfriedhof. Man vermutet mehrere junge Leute im Alter von 15-17 Jahren als Täter. Diese haben zwei Erbbegräbnisse erbrochen, indem sie Löcher in das Gewölbe stemmten. Bisher konnte noch nicht festgestellt werden, ob ihr Raubzug von Erfolg war.
10. Juni
Kunder
Obersteuer-Inspektor Kunder ist zum Steueramtmann befördert, und mit Wirkung vom 1. Juni 1922 zum Vorsteher des Finanzamtes in Lüben i. Schl. ernannt.
12. Juni
Elternbeiräte
Am gestrigen Sonntag wurden hier die Elternbeiräte an der Knabenvolksschule und an der Mädchenvolksschule gewählt. Die Wahlbeteiligung war eine äußerst geringe, knapp 25 % der Wahlberechtigten traten an die Wahlurne. Bei der Knabenvolksschule wählten von 1375 Wahlberechtigten 319 und zwar erhielt die Bürgerliche Liste 212, die Liste der Gewerkschaftskartelle 107 Stimmen; auf erstere entfallen 12, auf letztere 6 Sitze. An der Mädchenvolksschule wurden 230 Stimmen abgegeben und zwar für die bürgerliche Liste 117, auf die Liste der Gewerkschaftskartelle 113 Stimmen; auf jede Liste entfallen 9 Sitze.
20. Juni
Both
Am gestrigen Tage fand die Einweihung des neuen Gebäudes der Kreissparkasse und Kreisbank statt, gleichzeitig Übergabe der neuen Räume an den neuen Kreissparkassendirektor Both.
28. Juni
Demonstration
Infolge der Ermordung des Ministers Rathenau wurde auch hier in Delitzsch als Protest in den Generalstreik eingetreten. Mittags 1 Uhr verließ die Arbeiterschaft die Betriebe und legte sie bis heute morgen still. Zu einer imposanten Kundgebung gestaltete sich der vom Gewerkschaftskartell und den drei sozialistischen Parteien festgesetzten Demonstrations-Umzug, der einen ruhigen und würdevollen Verlauf nahm. Wohl zirka 3000 Teilnehmer sammelten sich um 4 Uhr auf dem alten Schützenhausplatze und zogen von hier aus nach dem Marktplatze, wo vor dem Rathaus Aufstellung genommen wurde. Vom Balkon des Rathauses wurde eine kurze auf den Tag bezügliche Ansprache gehalten und der tagenden Stadtverordneten-Versammlung eine Resolution überreicht. Vom Markt bewegte sich der Zug dann in vollständiger Ruhe und Ordnung nachdem Marienplatz, wo er seine Auflösung fand.
10. Juli
Sängerbund
Der Sängerbund "Eintracht" feierte gestern im "Alten Schützenhaus" sein zweites Sängerbundesfest unter überaus zahlreicher Beteiligung der in ihm vereinigten Gesangvereine "Abendstern - Delitzsch, "Sängerkranz" Jeßnitz, "Männergesangverein" Bitterfeld, "Frohsinn" Wolfen, "Konkordia" Greppin und "Harmonie" Wolfen. Der Männerchor "Abendstern" sang unter Leitung seines Chorleiters Kantor Müller ein Begrüßungslied. Der Bundesvorsitzende Schneidermeister Bruno Ronicke sprach Begrüßungsworte und pries das deutsche Lied in beredten Worten. Alle Sänger vereinigten sich hierauf zu einem Gesamtchor und ließen "Des Schäfers Sonntagslied" von Kreutzer unter Leitung des Bundesliedermeisters Lux - Bitterfeld erschallen. Darauf gaben die einzelnen Vereine eine Probe ihres Könnens ab. Noch einmal sang der Gesamtchor. Dieser Abend war ein wirklicher Genuß.
17. Juli
Poenicke
Als Vertreter des Gartenbaues in den Landeseisenbahnrat gewählt wurde Baumschulendirektor Poenicke in Delitzsch von der preußischen Hauptlandwirtschaftskammer zu Berlin.
20. Juli
Hospital
Das Bürgerhospital steht unter Aufsicht des Regierungspräsidenten zu Merseburg. Die Verwaltung und die Vertretung der Stiftung erfolgt durch die Hospitalinspektion, welche jedes Mal aus dem Superintendenten und dem Magistrat gebildet ist, der Magistrat wird beständig durch den Ersten Bürgermeister vertreten. Die Stiftung hat den Zweck, würdigen Bürgern und Bürgerinnen der Stadt Delitzsch gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes für ihren Lebensabend freie Wohnung und Verpflegung zu gewähren. Auch können auf Grund der neuen Satzungen Aufnahmen stattfinden. Im Vorjahr wurden durchschnittlich 26 Personen verpflegt. Mit dem Bürgerhospital ist eine Kleinkinder-Bewahranstalt verbunden, welche aus den Mitteln des Hospitals und einer Beihilfe der Stadt erhalten wird. Die Anstalt wird durchschnittlich von 52 Kindern besucht, welche den ganzen Tag über in lehrreicher Weise und mit Spielen beschäftigt werden.
21. Juli
Sturmschaden / Fischsterben im Stadtgraben
Der mit den Regenschauern der letzten Tage verbundene Sturm hat hierorts bedeutenden Schaden angerichtet. Besonders sind Schäden an Obstbäumen entstanden. Zahlreiche zum Teil ganz starke Äste brach der Sturm glatt ab. Es dürfte 1/3 der Obstbaumernte zugrunde gegangen sein. Ein großes Fischsterben kann im hiesigen Stadtgraben an der Stadtmühle festgestellt werden. Zu Hunderten liegen große und kleine Fische tot an der Oberfläche. Man nimmt an, daß die Tiere vergiftet worden sind, da das Wasser stellenweise rot gefärbt ist. Eine gründliche Reinigung des Stadtgrabens wäre bald wieder einmal an der Zeit, denn das sonst so schön anmutende Gewässer entwickelt unangenehme Gerüche.
11. August
Feier des Verfassungstages
Der 11. August ist der Verfassungstag. Vor drei Jahren wurde dem deutschen Volke in Weimar die Verfassung gegeben. Auf Anordnung des Ministers ist dieser Tag als Fest-und Feiertag zu begehen. In den Schulen ist die geschichtliche Bedeutung dieses Tages darzulegen. Eine allgemeine Festfeier fand heute vormittag um 11 Uhr im Schwan statt, zu der die staatlichen und städtischen Behörden Einladungen erließen. Es hatten sich Angehörige aller Parteien, auch einige Damen eingefunden. Zweiter Bürgermeister Grüneberg eröffnete die Feier. Die Feier wurde eröffnet durch ein Doppelquartett: "Brüder reicht die Hand zum Bunde" unter Leitung von Kantor Müller, Landrat Raute hält darauf die Festrede. Er sprach von der Entstehung, der Notwendigkeit und dem Ziel der Verfassung und schloß mit den Worten: "Möge jeder auf seinem Platz, jeder nach seinen Fähigkeiten dahin wirken, daß die Worte der Reichsverfassung Wahrheit werden, daß Freiheit und Gerechtigkeit die Grundlage des Reiches bildet und unserem armen, geplagten und gequälten Volke eine bessere, frohe Zukunft beschieden sei! Bürgermeister Grüneberg brachte sodann den Erlaß des Reichspräsidenten Ebert zu Verlesung.
15. August
Die Kurrende
Die Kurrende ist seit einiger Zeit nicht mehr in der gewohnten Weise tätig. Unsere Chorschüler singen nicht mehr bei den Begräbnissen und anderen Amtshandlungen. Die Teuerung zwingt auch die Kinder schon mit zu arbeiten und zu verdienen. Die Kurrende ist deshalb zunächst bis zum Ende des Sommerhalbjahres außer Tätigkeit gesetzt.
16. August
Zum Denkmal des Weltkrieges
Im Laufe dieses Jahres wurde hierorts ein Ausschuß gebildet, und wie an anderen Orten auch hierorts ein würdiges Denkmal für die im letzten Weltkriege von 1914-1918 Gefallenen zu errichten: Der Denkmals-Ausschuß stand unter der Leitung von Oberschullehrer Reinboth. Die verschiedenartigsten Veranstaltungen haben schon namhafte Beträge für den Denkmalsfonds erbracht. Professor Hosäus in Charlottenburg war mit der Ausarbeitung eines Denkmals-Entwurfs beauftragt worden, daß der Öffentlichkeit vorgelegt und auch angenommen wurde. Nach diesem Plan sollte das Denkmal am Breiten Turm angebracht werden. Dieses Projekt aber ist von der Stadtverordneten-Versammlung abgelehnt worden. Nun nahm sich die Kirchengemeinde der Angelegenheit an. Sie wollte die im Innern gerade renovierte Marienkirche zur Gedächtniskirche machen und die Namen der Gefallenen mit einem Bildschmuck anbringen. Prof. Vetter aus Leipzig, der die Erneuerungsarbeiten leitete, legte einen Entwurf vor, der auch reichen Beifall fand. Doch die allgemeine Teuerungswelle hat unterdessen eine solche Höhe erreicht, daß das Werk in dieser Form nicht ausgeführt werden kann und auf später verschoben werden muß.
16. August
Stephani
Auf eine 25jährige Tätigkeit im Dienste unserer Stadt kann am heutigen Tage Polizeikommissar Stephani zurückblicken. Nach einer vorübergehenden Beschäftigung beim Magistrat in Torgau kam er am 16. August 1897 als Polizeisekretär nach Delitzsch und rückte am 1. April 1900 in die Stelle des Polizeikommissars auf. Seit 1906 ist er auch Synodalrechner der Ephorie Delitzsch.
4. September
Teuerung
Am 1. September betrug das Liter Milch 21,- Mark, dementsprechend sind auch die Butterpreise gestiegen. Ein Schnitt Bier kostete 12 Mark, 3/10 Liter Inhalt 15 Mark.
11. September
Ein kirchlicher Erntezug
Ein bunter Erntezug von Kindern bewegte sich gestern von der Kirche aus durch die Breite Straße, Roßplatz, Bitterfelder Straße nach dem Schützenplatz und von dort weiter zum Schützenhof, wo gerade der Landbund sein Bezirksfest feierte. Es waren aber nicht Kinder des Landes, sondern unserer Stadt und zwar die Kinder, die den Kindergottesdienst besucht hatten. Voran ein Erntewagen mit Ziegenbock bespannt, darauf eine kleine Schnitterin im bunten Bauernschmuck saß, dann der Erntekranz mit langen bunten Bändern und dann alle die Mädchen und Knaben mit ihren Sensen und Sicheln und Rechen, alles mit Blumen, Kränzen und Guirlanden reich geschmückt. Ein buntfarbiges gar freundliches Bild! Auf dem Schützenplatz wurden Lieder gesungen, eine Ansprache gehalten, Reigen und Spiele. Dann ging es im Zug wieder zurück bis zum Marktplatz, wo sich der Zug auflöste. Es waren reine edle Freuden, die Erwachsene und Kinder dabei empfunden haben, Freuden, die noch dazu keinen Pfennig zu kosten brauchten, gewiß eine Seltenheit in unserer Zeit.
16. September
400 Jahre Bibelübersetzung
Ein seltenes Fest feiert in diesen Tagen die evangelische Christenheit. 400 Jahre sind vergangen, seit dem Luthers Bibelübersetzung der Öffentlichkeit übergeben worden ist. Zur Erinnerung an dieses Lutherwerk wird morgen 9.30 Uhr ein besonderer Festgottesdienst stattfinden, in dem auch Schulrat König von der Kanzel aus zur Gemeinde sprechen wird. Die Konfirmanden und der Kirchenchor singen.
19. September
Gabelsberger
Auf ein ehrwürdiges Alter kann der hiesige Stenographenverein "Gabelsberger", der am Sonnabend und Sonntag im Schützenhof seine 70. Stiftungsfeier festlich beging, zurückblickend. Den Auftakt zu der Feier bildete ein Kommers am Sonnabend, zu dem sich auch ein Vertreter des Magistrats Bürgermeister Grüneberg, sowie Vertreter der Nachbarvereine Bitterfeld, Wolfen, Jesewitz, Gräfenhainichen, Eilenburg, Halle, Zerbst, Naumburg u.s.w. eingefunden hatten. Das Lindequartett verschönte den Abend durch herrlichen Gesang. Der Sonntag brachte einen Festball, Konzert und theatralische Vorführungen.
26. September
Zeitungseinstellung
Das Erscheinen des "Delitzscher Tageblatts" muß am 1. Oktober nach 98jähriger Herausgabe infolge wirtschaftlicher Beträngnis einstweilen eingestellt werden.
21. Oktober
50 Jahre Sorauer Eisenbahn
Die Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn besteht in diesem Jahre 50 Jahre. Sie wurde seinerzeit von dem Eisenbahnkönig Dr. Straußberg erbaut. Straußberg geriet 1875 in Konkurs, worauf die Bahn vom preußischen Staate übernommen wurde. Am 1. November 1874 wurde das letzte kurze Zwischenglied der Bahn, die Strecke Eilenburg- Leipzig in Betrieb genommen.
25. Oktober
Zuckerpreis
Der Kleinverkaufspreis für Zucker neuer Ernte ist von der Preisprüfungsstelle auf 95,- Mark pro Pfund festgesetzt.
6. November
Erneuerung der Marienkirche
Die Gottesackerkirche, auch Marienkirche genannt, die seit 1906 völlig unbenutzt gestanden hat, ist nun am gestrigen Sonntag wieder in Gebrauch genommen worden. Bereits 1913 wurde die Erneuerung beschlossen und ein großer Teil der Erneuerungsarbeiten vor dem Kriege beendet, aber der Krieg und die darauf folgende Teuerung brachten die Arbeit zum Stillstand, sodaß erst in diesem Jahre die Weiterarbeit beschlossen wurde. Nun ist sie soweit fertig, daß ihre Einweihung erfolgen konnte. Vieles bleibt freilich noch ungetan. So fehlt ihr vor allem noch eine Orgel. Ein geliehenes Harmonium soll sie zunächst ersetzen. Zur Einweihung hatte sich die Gemeinde in großer Zahl eingefunden. Auch der frühere Superintendent Schäfer, unter dessen Leitung ja einst vor dem Kriege die Erneuerungsarbeiten begonnen hatten, war zur Einweihungsfeier gekommen. Die Kirche war prächtig geschmückt. Die Blattdekoration hatte die Gärtnerei Thalemann übernommen. Frl. Hödicke hatte eine kunstvoll gestickte Altardecke gestiftet, Lehrer a.D. Reime spendete Altarkerzen. Die gelungene Ausführung der Erneuerungsarbeiten, die Professor Vetter aus Leipzig geleitet und Malermeister Pawlowski von hier mit künstlerischem Verständnis ausgeführt fiel besonders ins Auge. Die Kirche ist auch mit elektrischen Licht und Heizung versehen. Der Gottesdienst wurde von beiden Geistlichen gehalten, wobei Pastor Kohlmann den lyturgischen Teil, Superintendent Hobbing das Weihegebet und die Predigt übernommen hatte. Der Kirchenchor trug mit seinen prächtigen Gesange zur Verherrlichung des Gottesdienstes wesentlich bei.
4. November
Landwirtschaftliche Schule
Volkshochschule und landwirtschaftliche Schule begannen am 1. November wieder ihre Tätigkeit. Bei der Eröffnungsfeier der Landwirtschaftlichen Schule hielt Direktor Schöne die Eröffnungsrede. Eine große Anzahl Gäste hatten sich eingefunden. In seiner Rede sprach Direktor Schöne von der Bedeutung der Landwirtschaft in dieser so schweren Zeit. Dann erwähnte er auch, daß die vereinigten ehemaligen Schüler der landw. Schule Delitzsch zum Gedächtnis der im Weltkrieg gefallenen Angehörigen eine Ehrentafel gestiftet haben, die auf dem Korridor der Schule einen würdigen Platz gefunden hat. Die Namen der Gefallenen: Direktor Conradi und 12 ehemalige Schüler, sind in Goldschrift in Marmor eingehauen.
15. November
Elektrisches Licht
Auf dem Gebiet der elektrischen Straßenbeleuchtung macht unsere Stadt durch die Bemühungen des Verkehrsvereins und der Firma W. Merz, elektrotechnisches Geschäft, Fortschritte. Zu den bereits instalierten Bogenlampen am Roßplatz und Hotel Linde wurde eine neue durch obige Firma in der Mitte der unteren Eilenburger Straße anmontiert. Dann soll noch eine am Bahnhof und in der Halleschen Straße zur Aufstellung kommen.
22. November
Teure Zigarren
Dem Raucher steht eine neue, unliebsame Überraschung bevor. Die Zigarrenfabriken haben ihre Preise wieder um 100 und mehr Prozent erhöht. Nach den neuesten Preislisten stellt sich die billigste Zigarre auf 25 Mark ab Fabrik.
29. November
Neue Straße
Die neuangelegte Straße der Heimstättengenossenschaft zwischen Schenkenberger Straße und dem Lober hat den Namen Gutenbergstraße erhalten. Die bisherige Kaiser Wilhelm- und Auguste Viktoria Promenade führt nunmehr den Namen Rathenau-Promenade.
2. Dezember
Alte Post
Das Grundstück Mühlstraße 1 (früher alte Post) ging durch Kauf in den Besitz des Fuhrunternehmers Paul Senf über.
3. Dezember
Schulrat Sähmisch
Schulrat Roß ist vom 1. Dezember ab an die Regierung nach Merseburg versetzt. An seine Stelle ist mit dem gleichen Tage Kreisschulrat Sähmisch, früher Rektor in Merseburg, getreten.
16. Dezember
"Stadt Leipzig" schließt
Gastwirtschaft "Stadt Leipzig", eines der ältesten Saal-Lokale unserer Stadt, welches sich seit Jahrzehnten im Besitz von W. Tschirch befindet ging am heutigen Tage in die Hände des Baumeisters Otto Engelhardt - Oschatz über. Das beliebte Vergnügungslokal wird für Tanzlustbarkeiten etwa Mitte Februar 1923 seine Pforten schließen.
1923
3. Januar
Überfall
Ein verwegener Raubüberfall wurde gestern in der Zscherngasse verübt. In der neunten Stunde erschien in dem Altwarengeschäft von Jentzsch ein junger Mann und verlangte Nadeln. Als Frau Jentzsch sich umwandte um das Gewünschte zu holen, wurde sie von dem Rohling mit einem Totschläger über den Kopf geschlagen. Ehe sie blutüberströmt zusammenbrach hatte sie noch soviel Kraft, nach Hilfe zu rufen. Dadurch erreichte der Täter nicht seinen Zweck, sondern floh. In der Bitterfelder Straße am Monopol wurde er eingeholt. Es war ein 17-jähriger Dienstknecht aus Werben. Man fand bei ihm noch ein Dolchmesser. Er will durch das Lesen von Räuberromanen zu der Idee des Überfalles gekommen sein.
4. Januar
Beamtenverein
Durch eine Beamtenversammlung wurde das Ortskartell Delitzsch des Deutschen Beamtenbundes wieder ins Leben gerufen. Zum Vorsitzenden wurde der Kreisausschußobersekretär Richter, zum stellvertretenden Vorsitzenden Lehrer Hirschfeld gewählt.
15. Januar
Französische Gewalttat
Zufolge der französischen Gewalttat durch Besetzung des Ruhrgebiets mit französischen Truppen hat die Reichsregierung für das gesamte Reichsgebiet am 14. Januar einen Trauertag angesetzt. In allen Kirchen wurde gestern während des Gottesdienstes auf diese Gewalttat Frankreichs hingewiesen und zu würdiger Haltung aufgerufen. Von 12 bis 1 fand in allen Kirchen Deutschlands so auch in Delitzsch Trauergeläut statt. In den Schulen fanden in der dritten Unterrichtsstunde Trauerkundgebungen statt. Der weitere Unterricht fiel dann Sonnabend aus. Die Beamtenschaft von Delitzsch und Umgegend fand sich gestern vormittag 11 Uhr im Saal der Elbritzmühle zu einer Protestversammlung der Beamtenschaft gegen die Besetzung des Ruhrgebiets ein. Der Vorsitzende des deutschen Beamtenbundes Delitzsch Kreisausschuß-Obersekretär Richter eröffnete die Versammlung und brachte den Aufruf des Reichspräsidenten und der Reichsregierung "An das Deutsche Volk" zum Vortrag. Im Anschluß hieran hielt Landrat Raute eine Rede, die mit einer einstimmig angenommenen Entschließung endete.
16. Januar
Neue Stadträte
Für die aus dem Magistrat ausscheidenden Stadträte Kretschmer und Ehrhorn treten ein Richard Hampe und Alfred Kissig.
23. Januar
Pfarrer Noack
Am letzten Sonntag wurde im Gottesdienst in feierlicher Weise der aus Kemptendorf Kreis Kottbus kommende Pfarrer Noack durch Superintendent Hobbing als 3. Geistlicher der evangelischen Kirchengemeinde hierselbst eingeführt. Als Assistenten waren Pfarrer Kohlmann hier und Pfarrer Schraepler - Schenkenberg zugegen. Der Kirchenchor verschönte den feierlichen Akt durch Darbietungen zweier Lieder.
30. Januar
Harmonium
Die Gottesackerkirche hat nun das längst erwünschte Harmonium erhalten. Durch einige Sammlungen in den Gottesdiensten und verschiedenen privaten Spenden und vor allem durch Verkauf von der Kirche gehöriger entbehrlicher Silbersachen ist die Beschaffung ermöglicht worden.
31. Januar
Sammlung
Die Bevölkerung des Ruhrgebiets steht im schwersten Abwehrkampf gegen die Eindringlinge. Ihnen, soweit es von hier aus möglich ist zu helfen ist Pflicht eines jeden. In ganz Deutschland sind Sammlungen im Gange. In einem heutigen Aufruf heißt es: "Das ganze Deutschland hat daher die heilige Pflicht, unsere Helden im besetzten Gebiet jede nur mögliche Hilfe zu bringen. Tausenden Arbeitern, Angestellten und Beamten droht mit ihren Familien in dem einsetzenden Abwehrkampfe schwerste Not. Sie müssen wissen, daß Deutschland hinter ihnen steht und sie nicht zu grunde gehen läßt. Öffnet die Hand, um allen zu helfen, die brotlos, werden um ihres Deutschtums willen. Helft sofort, denn morgen schon kann es zu spät werden! Die Sammelliste liegt im Verlage der "Delitzscher Zeitung" aus und wurde von ihr mit einer Spende von 10.000 Mark eröffnet.
21. Februar
Katholische Kirche
Am Sonntag den 18. Februar nachmittag fand im hiesigen katholischen Gotteshause die Denkmalsweihe für die gefallenen Krieger der katholischen Kirchengemeinde statt. Eine zahlreiche Gemeinde wohnte der Feier bei. Die Weihepredigt hält der Ortspfarrer. Der Kirchenchor und ein vierstimmiger gemischter Chor verschönten die Feier. Das Kriegerdenkmal, das beim Betreten der Kirche sofort in die Augen fällt ist in der Form eines Altarschreins angelegt. Den Mittelpunkt bildet eine alte kunstvolle Pieta, die in einer Nische steht. Zu beiden Seiten sind auf zwei Marmortafeln in Spitztürchenform die Namen der gefallenen Helden eingehauen.
20. März
Stahlhelm-Versammlung
Der Stahlhelm, Ortsgruppe Delitzsch, hatte für gestern Abend nach dem Schützenhofe zu einem Lichtbildervortragsabend über "Deutsch Ostafrika in Krieg und Frieden" eingeladen, für den als Redner der Chef des Stabes unter General von Lettow - Vorbeck, Major a.D. von Brandis, gewonnen war. Der Vortrag hatte eine ungeheure Zuhörermenge angezogen, sodaß der geräumige Saal in geradezu beängstigender Weise überfüllt war. Der Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe, Kaufmann Kläning, begrüßte die Erschienenen und machte sie mit den Zielen der ehemaligen Frontkämpfer in kurzen Umrissen bekannt. Sie wollen, ohne irgend einer politischen Partei dienstbar zu sein, nationale und soziale Bestrebungen verfolgen und erstreben vor allem das Los von Versailles. Im ersten Teil seines Vortrages wies der Redner den Wert und die Bedeutung des Kolonialgebietes nach. Als im zweiten Teil des Vortrages die kriegerischen Ereignisse dortselbst geschildert wurden und namhafte Helden auf der Leinwand erschienen kam es zu Zwischen- und Protestrufen aus der Menge. Der Vorsitzende mahnte energisch zur Ruhe. Als aber die Unruhe sich zu Tumulten entwickelte und von den Andersdenkenden die "Internationale" gesungen wurde, ließ der Vorsitzende den Saal räumen. Bei dem gewaltsamen Hinausdrängen der Unruhestifter kam es im Handgemenge zu Prügelszenen, wobei Stühle und Fensterscheiben in die Brüche gingen, und es auf beiden Seiten blutige Köpfe gab. Der Abend hatte so ein frühzeitiges Ende gefunden.
21. März
Sägewerk Beyer
Auf eine 25jährige Tätigkeit im Dampfsägewerk der Firma F.W. Beyer konnte gestern der Heizer und Maschinist W. Raban zurückblicken. Dem Jubilar wurden ansehnliche Geschenke überreicht.
1. April
Winkler
Amtsrichter Winkler beim Amtsgericht Delitzsch beschäftigt ist zum Amtsgerichtsrat ernannt worden.
6. April
Bismarckfeier
Zu einer erhebenden Bismarckfeier hatten Bismarckfreunde anläßlich des wiederkehrenden Geburtstagstages Bismarck Stadt und Land nach dem Schützenhof eingeladen. Eine zahlreiche Bismarckgemeinde hatte sich eingefunden. Nach Begrüßung, einer Deklamation und eines Tenorsolos von Lehrer Linde hielt Freiherr von Grote einen packenden Vortrag über Bismarck. Unter starkem Beifall schloß Redner mit Wildenbruchs Nachruf an Bismarcks Todestage: "Laß nicht den Bismarck sterben in Dir! Bismarck war tot, ist nicht mehr tot!... Deutschland, Dein Bismarck, er lebt." Nach dem gemeinsamen Gesang: Der Gott, der Eisen wachsen ließ, mehreren Musikstücken der Instrumentalvereinigung, Deklamationen und zwei Gesangsvorträgen des Lindequartetts wurde in einer Ansprache der bedrängten Rhein- und Ruhrbevölkerung gedacht. Eine Sammlung für dieselbe ergab den Betrag von 101.331 Mark. Diese Summe wurde der bisherigen Sammlung zugeführt.
10. April
Französischer Terror
Der Terror der Franzosen im Ruhrgebiet hat nun auch noch zu blutigen Ausschreitungen der französischen Soldaten in Essen geführt. Als Opfer der erfolgten Schießereien sind 11 Tote, 10 Schwerverletzte, darunter mehrere in Lebensgefahr, sowie 11 Leichtverletzte zu beklagen. Aus Anlaß der Beisetzung der Essener Blutopfer läuteten heute von 12 bis 1 Uhr die Trauerglocken unserer Kirchen.
27. April
Neues Geld
Einem Beschluß des Reichsrates entsprechend werden jetzt auch 500–Markstücke aus Aluminium geprägt. Die erste Auflage beträgt 180 Millionen Stück. Die Größe dieses 500 Markstückes ist derjenigen des Verfassungstalers gleich. Ferner hat der Reichsrat die Ausprägung der 200 Markstücke aus Aluminium verdoppelt. Man erwägt auch bereits die Ausprägung eines Tausendmarkstückes aus Aluminium. Bei der jetzigen Geldentwertung kommen allerdings derartige Münzen noch nicht einmal an den Nominalwert der früheren Scheidemünzen heran.
1. Mai
Heßler
Die seit einer Reihe von Jahren an der hiesigen Knabenvolksschule beschäftigten Lehrer Heßler, Kunze und W. Lobenstein können heute am 1. Mai auf eine 25jährige Berufstätigkeit zurückblicken. Der Justizobersekretär Kiemstedt am hiesigen Amtsgericht ist zum Justizinspektor ernannt worden.
6. Mai
Unfug / Kinderhort
In den Anlagen sieht man jetzt wieder viele Zweige und Äste liegen, die von Vandalenhänden mutwillig abgerissen sind. Nun beginnt der Flieder zu blühen und auch hier dürfte bald das unsinnige Zerstörungswerk einsetzen. Bedauerlich ist es, daß ältere Personen nicht nur dem gedankenlosen Treiben der Jugend zusehen, sondern oft noch selbst die Zweige abbrechen. Die Anlagen sind für alle Spaziergänger da, wer sie beschädigt, begeht Diebstahl am allgemeinen Gut. Der Kinderhort kann auf seine 10jährige Tätigkeit zurückblicken. Er beging am Mittwoch diesen Tag durch eine Feier in der Mädchenvolkschule.
23. Mai
Schwedensignale
In Delitzsch ertönte am ersten Pfingstfeiertag vormittags 11 Uhr nach langer Zeit wieder einmal die jedem Eingesessenen lieben Schwedensignale vom Breiten Turm herab. Schon lange vor der festgesetzten Zeit hatte sich eine große Menschenmenge auf dem Roßplatz und den angrenzenden Straßen eingefunden, um sich diese alten sagenumwobenen Weisen anzuhören und der Wunsch wurde allgemein laut, diese alte Delitzscher Tradition in regelmäßiger Folge wieder aufleben zu lassen. Das Sonntagsspiel war durch die Stiftung eines ehemaligen Delitzschers ermöglicht worden.
26. Mai
Schützenfest
Mit dem Auszug der Schützen am Vormittag des zweiten Pfingstfeiertages hat auch das Schützenfest seinen Anfang genommen, das erst mit dem Wiedereinzug am kommenden Sonntag sein Ende findet. Die Beteiligung war, wie allgemein auffiel, außerordentlich rege. Die Schützengilde ist eine der wenigen älteren Vereinigungen die sich nach dem Kriege eines erfreulichen Wiedererstarkens rühmen können. Das Schützenfest ist schon seit langem unser Delitzscher Volksfest geworden. Jung und alt tummeln sich auf dem großen Platze, viele hiesige und auswärtige Unternehmungen lockt es zu kostspieligen Zeltbauten und Schaustellungen an. Gestern abend hatte der Schützenplatz Massenbesuch zu verzeichnen, der vor allem dem angekündigten Feuerwerk galt. Punkt 10 Uhr abends wurde mit dem Abbrennen desselben begonnen und es ist jeder für sein langes Warten reichlich entschädigt worden. Die Lieferung, das Aufstellen und Abbrennen des Feuerwerkes hatte die Firma W. Merz Delitzsch übernommen.
17. Juni
Ruhrkinder in Delitzsch
Um die Kinder im Ruhrgebiet den Gewalttätigkeiten der Franzosen zu entziehen, sind dieselben ins freie Deutschland gebracht und hier namentlich auf dem Lande verteilt worden. Der Landbund, der die Unterbringung der Ruhrkinder in die Hand genommen hat, hat sich ein großes Verdienst damit erworben und eine schwere Aufgabe auf sich genommen. Bereits im vorigen Monat sind 1100 Ruhrkinder im Sonderzug von Halle kommend auf dem hiesigen Sorauer Bahnhof eingetroffen und im Kreise und der weiteren Umgegend auf dem Land verteilt worden. Rund 600 Ruhrkinder, davon in Delitzsch einige 80 sind schon in unserer Gegend untergebracht und mehr sind zu erwarten. Gemeinsam müssen hier alle vaterländisch gesinnten Kreise zusammenstehen.
18. Juni
Kircheneinbruch
Im benachbarten Schenkenberg wurde in der Nacht zum Sonntag ein Einbruchdiebstahl in die dortige Kirche verübt. Vermutlich hatten es der oder die Diebe auf das wertvolle silberne Taufbecken und die Kronleuchter abgesehen; weil sie die Gegenstände aber nicht vorfanden, nahmen sie die Altarbekleidung und Teppiche mit. Nach Eindrücken einer Fensterscheibe ist das lichtscheue Gesindel in die Kirche gelangt.
21. Juni
Sängerjubilar
Sein 50jähriges Sängerjubiläum beim Gesangverein Liedertafel konnte der Gastwirt Edmund Kreutzer begehen. Bei einer Zusammenkunft des Sängerchores wurde dem Jubilar unter anerkennenden Worten ein Geschenk überreicht.
22. Juni
Grabstätte Lehmann
Wie auf dem alten Friedhofe an der Marienkirche seit jeher das Grab des Delitzscher Stadtchronisten Lehmann, gestorben 1852, pietätvoll erhalten wird, so planen jetzt auch ehemalige Schüler und Sänger des 1872 verstorbenen Kantors und Komponisten Albin Thierbach, die Erhaltung seines auf dem Gottesacker an der Marienkirche belegenen Grabes durch Bildung eines Fonds zu sichern. Beiträge zu diesem Fond nimmt Gastwirt Edmund Kreutzer an.
25. Juni
Konrektor Laue
Der Lehrer Rudolf Laue in Delitzsch ist vom 1. April 1923 an zum Konrektor ernannt worden. Der Registraturassistent Albert Laue am hiesigen Amtsgericht ist zum Kanzleisekretär ernannt worden.
6. Juli
50 Jahre Lehrerseminar
Delitzsch ist wieder einmal Feststadt. Das hiesige staatliche Lehrerseminar beging gestern und heute die Feier seines 50jährigen Bestehens. Hunderte von ehemaligen Lehrern und Schülern der Anstalt aus allen Gauen unseres Reiches haben sich aus diesem Anlaß unsere Feststadt zum Ziel ihrer Reise gemacht. Die Feierlichkeiten wurden gestern abend durch einen im Schützenhof stattfindenden Begrüßungsabend eingeleitet. Am heutigen Freitag fand um ½ 11 Uhr vormittags ein Festakt in der Stadtkirche statt, zu dem auch die Behörden, die Freunde der Stadt und die Bürgerschaft geladen waren. Hieran schloß sich eine Feier im Seminar mit der Festrede des gegenwärtigen Anstaltsleiters, Seminardirektor Schulrat König und die Enthüllung einer Gedächtnistafel für die im Weltkrieg gefallenen Schüler des Seminars. Am Nachmittage fand im Schwan ein einfaches, gemeinsames Mittagessen statt. Den Beschluß der Veranstaltung bildet heute abend ein Festkonzert im Schützenhof. Daneben fanden Klassenzusammenkünfte statt und die auswärtigen Gäste verlebten im kleineren und vertrauten Kreis einige harmonische Stunden. Aus Anlaß des Seminarjubiläums ist auch ein Gedenkblatt herausgegeben worden.
14. Juli
Unglücksfall
Tödlich verunglückt ist heute früh auf dem Berliner Bahnhof die am 25. August 1898 geborene Stenotypistin Margarete B. Maybachstr. 5 wohnhaft. Sie ist in Wolfen beschäftigt und wollte den 6.20 Uhr nach Bitterfeld fahrenden Zug benutzen. Beim eiligen Überschreiten des vorderen Gleises fiel sie über den dort liegenden Schotter so unglücklich, daß sie mit dem Kopf in das Lokomotivgetriebe des gerade anfahrenden Zuges stürzte. Die obere Kopfhälfte wurde ihr vollständig zusammengedrückt, sodaß der Tod auf der Stelle eintrat.
30. Juli
25 Jahre Eisenbahnverein
Der Eisenbahnverein-Verein Delitzsch, wohl die stärkste Vereinigung am Platze, sie zählt heute 697 Mitglieder, feierte gestern und heute das Fest seines 25jährigen Bestehens. Von den 20 Gründern ist Herr Jakobi noch heute nicht nur Mitglied des Vereins, sondern auch 25 Jahre Kassierer des Vereins. Die Vorsitzenden in den verflossenen 25 Jahren waren folgende: Jakobi, Härtel, Jurk, Reime, Böttcher, Wulf, Regierungsrat Krause, Reg. Rat Böhme. Der derzeitige Vorsitzende ist Reg. Rat Wegener. Im Jahre 1905 wurde im Eisenbahn-Verein eine Gesangsgruppe gebildet. Dirigent derselben ist seit 1908 Musikdirektor Preuß. Vorsitzender der Gesangsgruppe ist seit 1918 Eisenbahn-Sekretär Naundorf. Zu der Jubelfeier hatten sich auf Einladung alle Eisenbahn-Vereine des Bezirksverbandes Halle eingefunden. Die Feier begann am Sonnabend abend durch einen Kommers im Schützenhof, wo auch ein Wettsingen der Eisenbahn-Gesangsvereine stattfand. Ein Festball in zwei Sälen am Sonntag abend bildete den Abschluß der Festfeier.
8. August
Granate auf dem Felde
Ein gefährlicher Fund wurde beim Getreidemähen auf dem August Kuhne'schen nahen Felde hinter den Eisenbahnerhäusern gemacht. Es handelt sich um eine scharfe 7,5 cm Granate, die vermutlich schon seit einiger Zeit dort gelegen hat. Das Geschoß wurde durch Hallesche Schutzpolizei gesprengt.
12. August
Verfassungstag
Am gestrigen Verfassungstag, den 11. August, wurde im Schützenhofe unter Mitwirkung der Gesangvereine Abendstern, Liedertafel, Harmonie, Arion, der Gesangabteilung des Eisenbahnvereins und des Turnvereins Vorwärts ein Festabend veranstaltet, wo Landrat Raute die Festrede hielt.
23. August
Tod von Oskar Reime
Oskar Reime ist tot. In der vergangenen Nacht ist Oskar Reime, Lehrer im Ruhestand und städtischer Archivar nach längerem Leiden im 67. Lebensjahre von uns gegangen und mit ihm ein Mensch, der sich in garnicht zu überschätzender Weise um unsere Stadt verdient gemacht hat. Als 25jähriger übernahm er von Werben aus in Delitzsch eine Lehrerstelle, die er, zuletzt an der Mädchenschule bis zum Jahre 1917 innehatte. Bald warf er sich mit nie erlahmendem Eifer auf die Erforschung der städtischen Geschichte. Seine reichen Erkenntnisse, die er hierbei gewann, vermittelte er der Allgemeinheit durch zahlreiche Veröffentlichungen, die hauptsächlich im Tageblatt und in der Delitzscher Zeitung erschienen sind. Von besonderer Bedeutung für die Stadt wurde sein Wirken als Archivar. Alles irgend wie noch erreichbare Material ging durch seine Hände, wurde von ihm geordnet und niedergelegt, z.T. ebenfalls veröffentlicht. Eine Arbeitsleistung ganz hervorragender Art, die von berufener Seite als einzig dastehend und mustergültig anerkannt wurde, ist die Kriegschronik der Stadt Delitzsch. Der Allgemeinheit wurde er durch sein Wirken an dem auf Anregung des Justizrat Dr. Schulze begründeten Museum nahe gebracht. Hier war er, auch außerhalb der eigentlichen Besichtigungsstunden, ein stets bereiter Führer und Erklärer. Bei allem kam ihn neben seiner Unermüdlichkeit sei tiefgründiges Wissen und sein fabelhaftes Gedächtnis zur Hilfe. Daneben ist im Museumsverein seiner Tätigkeit zu gedenken, wo er Schriftführer war und viele interessante Vorträge hielt. Er war auch verschiedenen anderen Vereinen vor allem der Schützengilde ein hilfsbereiter Helfer in der Herausgabe der Festschriften. Aber nicht nur den Fragen der Heimatkunde und den mit diesen verbundenen Forschungen galt seine freiwillige Tätigkeit. Er hatte auch eine besondere Liebe für Musik und war der Reihe nach Dirigent der Gesangvereine Harmonie (1879 – 1891), Abendstern (1887 – 1890) und zuletzt, 1897 – 1919, der Schulze Delitzsch Liedertafel. Es wird schwer sein, die Lücke, die sein Tod gerissen hat, wieder auszufüllen. Aber nie wird er vergessen werden. Mit der Geschichte der Stadt Delitzsch hat sich Oskar Reime ein Denkmal gesetzt, das ehrfurchtgebietender und dauerhafter ist, als ein solches in Stein und Erz.
26. August
Einbrüche
In den letzten Monaten wurden der Polizei allwöchentlich mehrere Einbruchdiebstähle gemeldet, ohne daß es bisher gelang, die Einbrecher zu fassen. Nun hat vor einigen Tagen der Obstpächter Grosch auf frischer Tat ein Einbrecherpaar ertappt, daß in seine Obstbude eingebrochen war und eine Urkette und die Räder von zwei Fahrrädern erbeutet hatten. Die Spitzbuben sind der Arbeiter Paul Schulze, Markt 12 wohnhaft und der Zimmermann Richard Braune, Dübener Str. 6. Eine polizeiliche Haussuchung ergab, daß die Täter recht viel auf dem Kerbholz haben und eine Menge Einbrüche verübt haben. Folgende Einbrüche konnten ihnen nachgewiesen werden: in die Beerendorfer Obstbude wo ihnen zwei Revolver, zwei Teschings, ein altes Gewehr, ein Rucksack, Geld, Bettwäsche, Arbeitskleidung, Wecker, Lebensmittel u.s.w. im Wert von 50 Millionen Mark in die Hände fielen. Weitere Einbrüche konnten ihnen nachgewiesen werden bei dem Gutsbesitzer Rinke in Beerendorf, in der Zementfabrik am 23. Juni, in der Dörfchenmühle, in die Obstbude Pabsch. Ferner wurden von der hiesigen Polizei bei den Einbrechern zahlreiche Sachen beschlagnahmt, deren Eigentümer noch nicht ermittelt sind. Es handelt sich um diverse Zubehörteile zu elektrischen Anlagen, einen Telefonhörer, ein Fahrrad, einen Rahmenbau, 3 Fahrradräder, Gummischlauch, Laufdecken, Gartenschlauch mit Ventil, Gummischlauch mit Glasröhren, einen alten Tesching, Revolver, Nägel, Mehl, Rasiermesser u.v.a. Die Besichtigung kann auf der Polizeiwache geschehen. Die Täter befinden sich in Halle in Untersuchungshaft.
18. September
Kämmerer gestorben
Am gestrigen Nachmittag verstarb der ehemalige Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger Robert Kämmerer von hier. Durch sein ruhiges und allzeit freundliches Wesen hatte sich der Verstorbene einen angesehenen Platz unter unserer Bürgerschaft sichern können, darüber hinaus ist er aber auch weiten Kreisen aus der Umgegend besonders in seiner Eigenschaft als Kreisblattverleger bekannt geworden. Um die Pflege der Heimatkunde hatte er sich durch zahlreiche Veröffentlichungen hauptsächlich aus der Feder des ihm vorangegangenen Oskar Reime verdient gemacht.
23. September
Inflation
Der Geldwert unserer Mark sinkt weiter; er hat schon eine schwindelnde Höhe erreicht. Die ursprünglichen Tausendmarkscheine erhalten jetzt den Überdruck in roten Buchstaben: "Ein Milliarde Mark", Wertangabe: 1 Goldmark = 35.000.000 Papiermark, 1 Million Papiermark = 2,8 Goldpfennige. Der Preis für ein 1900 Gramm schweres Markenbrot beträgt ab 1. Oktober hierorts - 13.200.000 Mark.
30. September
Dr. Wahle
Am 1. Oktober sind 25 Jahre verflossen, seitdem Studiendirektor Dr. Wahle die Leitung der jetzigen Oberrealschule übernahm. In dieser Zeit hat die Schule große Wandlungen vom Realgymnasium zur Realschule und dann zur Vollanstalt durchgemacht, die auch äußerlich durch den Ausbau des Gebäudes, die Vermehrung der Sammlungen u.s.w. und nicht zuletzt durch die fast ständig wachsende Schülerzahl sichtbar wurde. Heute beträgt diese 255, einschl. 22 Mädchen. Aus Anlaß des Jubiläums fanden am 28. September eine Reihe von Veranstaltungen statt, die dem Wunsche des Jubilars und dem Ernst der Zeit entsprechend in schlichtester Form abgehalten wurden. Morgens 11 Uhr veranstaltete die Schule im engen Kreise der jetzigen und früheren Schüler sowie ihrer Angehörigen im Festsaale der Anstalt eine Feier, die durch musikalische Vorträge der Schüler umrahmt wurde. Nachmittags 3 – 6 Uhr fanden auf dem Schützenhofplatz auf Anregung der früheren Schüler Klassenwettkämpfe statt. Abends veranstalteten die früheren Schüler eine gutbesuchte Zusammenkunft, zu der auch das Lehrerkollegium, Freunde und Gönner der Anstalt, sowie die Eltern der jetzigen Schüler eingeladen waren.
8. Oktober
Adolf Münzer gestorben
Adolf Münzer, ein alter Freiheitskämpfer, ein Arbeiterführer der alten Schule ist gestern zur letzten Ruhe hinübergegangen. An der Bahre des Toten steht nicht nur die große Zahl seiner Mitkämpfer und Gesinnungsgenossen, sondern auch in stiller Haltung ein weiter Kreis seiner politischen Gegner. In ehrlicher Überzeugung hat Münzer sich, noch unter dem Sozialistengesetz, der Freiheitsbewegung der Arbeiterschaft zugewandt und treu trotz aller Nöte zu ihm gestanden. Münzer ist geborener Delitzscher. Er erlernte das Schuhmacherhandwerk, wandte sich aber dann der Zigarrenbranche zu. Seit 1900 bekleidete er ein Stadtverordnetenmandat, seit der Begründung des Konsumvereins 1903 stand er mit in dessen Leitung. Am 1. Oktober hat er auf eine zwanzigjährige Tätigkeit in diesem zurückblicken können. Er ist ein Opfer des Zahlenwahnsinns geworden. Die Milliardensummen sind ihm über den Kopf gewachsen. Er verlor die Nerven und so suchte und fand er gestern den Freitod.
10. Oktober
Gesangverein Harmonie
Das Fest des 50jährigen Bestehens vereinigte die Mitglieder des Gesangvereins "Harmonie" zu einer würdigen Feier im Saale des Schützenhofes. Ein Konzert, dessen Verlauf dem ernsten Streben, nur Gutes zu leisten Ehre machte, füllte den Abend aus. Den Hauptteil des Konzerts bestritt der Männerchor. Frl. Trillhose aus Leipzig sang drei Lieder in wunderbarer Feinheit. Die Instrumentalvereinigung gab ihr Bestes zum Gelingen des Festes. Der Sonntag war einem Festessen und dem Tanz gewidmet.
15. Oktober
Rückkehr der Ruhrkinder
Die Ruhrkinder aus Essen sind am Sonnabend den 13. d. Mts. aus Delitzsch und Umgegend wieder nach ihrer Heimat abgereist. Im Sonderzug, der schon von Falkenberg aus in Torgau und Eilenburg Hunderte von Kindern aufgenommen hatte, sind sie unter lautem Jubel abends 6.46 Uhr vom Sorauer Bahnhof abgefahren. Viele Pflegeeltern und viele andere Freunde und Bekannte hatten sich mit eingefunden, so daß die Sanitätsmanschaften, die aus Essen zum Abholen nach hier gekommen waren, kaum Ordnung schaffen konnten. Reich bepackt zogen sie davon, viel bepackter, als sie gekommen waren. Viel Liebe haben sie genossen und manch enges Freundschaftsband ist geknüpft worden. Im Leben der Kinder wird es eine unvergeßliche Episode bleiben, die sie stets an die trübe Franzosenzeit erinnern wird und auch hier haben sich die Kinder bei so manchem ins Herz eingeschlichen und sich ein Stück Liebe gewonnen.
31. Oktober
Landwirtschaftliche Schule
Am gestrigen Tage eröffnete die hiesige Landwirtschaftliche Schule ihren 8. Lehrgang mit der stattlichen Zahl von 82 Schülern, die zumeist in den Kreisen Delitzsch und Bitterfeld beheimatet sind. Direktor Schöne hieß die Schüler herzlich willkommen und dankte den Eltern und Gästen für ihr so zahlreiches Erscheinen. Der Redner wies dann in kurzen Ausführungen auf die verschiedenen Aufgaben der Schule hin und hob besonders die große Bedeutung des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens für die so dringend notwendige Steigerung der Produktion hervor.
8. November
Teure Eisenbahnfahrt
Und wenn es noch so traurig ist, so wollen wir es doch als ein "Zeichen der Zeit" feststellen, daß es heute wieder genug Leute gibt, die auf Schusters Rappen nach Leipzig reisen, um ihre Geschäfte dort zu besorgen. Die Eisenbahnfahrt ist zu teuer, das Geschäft wirft einen "Luxus 4. Klasse" nicht mehr ab. Wer fragte noch vor einem Jahre lange nach dem Preise einer Eisenbahnfahrt? Und heute – da tritt jeder mit bang–klopfendem Herzen zum Fahrkartenschalter, um den "Kurs" der Fahrkarte zu erfahren. Es lebt das Zeitalter der Verkehrshemmungen!
9. November
Konsumverein
Der hiesige Konsumverein hatte in seiner gestrigen Generalversammlung die Wahl eines Geschäftsführers für den verstorbenen Adolf Münzer vorzunehmen. Der eingesetzte Ausschuß hatte der Versammlung den jetzigen Kassierer Hampe, den Lagerhalter Thomas und den Maler Geithe zur Wahl vorgeschlagen. Hervor ging aus der Wahl als Geschäftsführer Maler Geithe.
6. Dezember
Luisenbund
Die augenblickliche Not unter den Ärmsten der Armen hiesiger Stadt hat eine Anzahl Frauen veranlaßt helfend einzugreifen und den "Luisenbund" zu gründen. Gestern hielt dieser neu gegründete Bund im Roß seine erste Mitgliederversammlung ab, in der der Vorstand gebildet wurde. Das Amt des 1. Vorsitzenden hat Frau Hauptmann Krause übernommen. Die Mitgliederzahl erhöhte sich von 127 auf 159. Ziel des Luisenbundes ist unter Ausschluß jeder Parteipolitik, energische Bekämpfung der Not im Vaterland und in unserer Heimatstadt Delitzsch. Es sollen Speisungen durchgeführt werden und haben sich dazu 53 Damen zur Verfügung gestellt.
13. Dezember
Ein Delitzscher
Max Jungnickel, ein Delitzscher Kind, las am Mittwoch abends 8 Uhr in der Oberrealschule aus eigenen Werken.
21. Dezember
Das Krippenspiel
In diesem Jahre kommt in Delitzsch ein uralter schöner Brauch wieder zu Ehren, das Krippenspiel in der Kirche. Jahrhunderte sind vergangen, seit Delitzscher Kinder zum letzten Male etwas derartiges aufführten. Die Chronik erwähnt zum letzten Male ein ähnliches Spiel im Jahre 1564, während erstmalig 1513 davon die Rede ist. In diesem Zeitraum von etwa 50 Jahren sind die Aufführungen nicht selten gewesen, dann vergaß man sie wohl während der Religionswirren im 30–jährigen Krieg und den folgenden schweren Zeiten. Das achtzehnte Jahrhundert mit seiner pietistischen Frömmelei war auch nicht geschaffen, schöne alte Bräuche wieder in Ehren zu bringen und erst in den letzten Jahrzehnten hat man es wieder ausgegraben, was unsere Vorväter erfreute. So heißt es unter 1513: "Die Schüler führten das Spiel von den heiligen drei Königen auf, und bekamen zur Ergötzlichkeit ein Viertel Bier". Dann erwähnt die Chronik wieder eine Aufführung 1546 und 1549 und 1556. Im Jahre 1556: " Die Kantorei führte Sonntags vor Fastnachten, den 16. Februar, die Komödie Daniel auf. Der Rat gab am Tage der Aufführung den Spielern Wein zur Ergötzlichkeit". In der Chronik 1564 heißt es: der Rath verehrte der Cantorei, welche Dienstag nach Estomihi den 15. Februar die Komödie oder das Spiel : Joseph und seine Brüder in der Kirche agierte 8 Taler an Wein und Bier". Damit ist urkundlich nachweisbar, daß zwar nur einmal ein solches Spiel in der Kirche aufgeführt wurde, daß man aber sonst gern etwas spielte, wohl schon wegen der "Ergötzlichkeit" von Seiten des Magistrats. Das diesjährige Krippenspiel dürfte sonach in Delitzschs Geschichte das erste sein, soweit es nur von Delitzschern aufgeführt wurde, sonst aber folgt man hier einem schönen alten Brauch, der gerade in Luthers Tagen in Delitzsch gern geübt wurde.
1924
Rentenmark
Ende 1923 stieg die Inflation und die Mark zu schwindelnder Höhe. Der Dollar galt zuletzt 4.210.500 Mark. Es erfolgte die Ausgabe der auf wertbeständiger Grundlage (Roggenwährung) ruhenden Rentenmark, die freilich gleich einer Billion Papiermark gesetzt wurde, wodurch viele Kleinrentner verarmen und auf öffentliche Unterstützung angewiesen werden.
7. Januar
Oberrealschule
Am Sonnabend den 5. Januar abend trafen sich die ehemaligen Real- und Oberrealschüler im Roß um eine Vereinigung zu gründen. Mit der vorläufigen Leitung dieser Vereinigung wurden die Herrn Schrey und Krause betraut. Die Anschriften-Sammelstelle übernahm Herr Georg Krause, Delitzsch, Markt 13.
19. Januar
Gründungsfeier des deutschen Reiches
Die Bezirksgruppe Delitzsch des Stahlhelm, die Kreisgruppe Delitzsch des Wehrwolf, der Kreiskriegerverband Delitzsch, die Bruderschaft Delitzsch des Jungdeutschen Ordens, die hiesige Ortsgruppe des Königin Luise- Bundes und die Offiziervereinigung Delitzsch und Umgegend hatten sich gestern den 18. Januar zusammengefunden um in gemeinsamer Veranstaltung der vor 53 Jahren erfolgten Gründung des deutschen Reiches zu gedenken. Annähernd 3000 Personen beteiligten sich an der Feier und bereits lange vor Beginn waren nicht nur der geräumige Saal, sondern auch die Nebenräume des Schützenhofes so überfüllt, daß Hunderte keinen Einlaß mehr finden konnten. Der Vorsitzende des Kreiskriegerverbandes Major a. D. Kuntze - Delitzsch begrüßte die Erschienenen namens der Vorstände der vaterländischen Verbände. Sodann sprach der Vorsitzende der Bezirksgruppe des Stahlhelm, Kaufmann Klening - Delitzsch. Die Festrede hielt General-Major Maercker - Halle. Es sprachen sodann noch Lehrer Lobenstein für den Jungdeutschen Orden, Frau Hauptmann Krause für den Luisenbund, Tierarzt Hesse für den Wehrwolf und Bankdirektor Lüer für die Offiziervereinigung. Die Feier war umrahmt von Musik der Reichswehrkapelle des Reichswehrregiments Nr. 11.
29. Januar
Gutenbergstraße
Es wird noch in diesem Jahre mit dem Bau von Wohnhäusern auf der Gutenbergstraße begonnen. Einige Siedler der Heimstättengenossenschaft wollen bauen und ersuchen den Magistrat um Überlassung von Bauland an der Gutenbergstraße. Es werden vier Bauparzellen je 1500 Quadratmeter zum Preise von 1,00 Mark pro Quadratmeter abgegeben, unter der Bedingung, daß mit dem Bau am 1. April begonnen wird und daß er im Oktober beendet sein muß. In Zukunft wird bei Abgabe von Baustellen auf der Gutenbergstraße nicht über 1000 Quadratmeter pro Baustelle hinausgegangen.
6. Februar
Regenjahr 1923
Das Jahr 1923 war ein richtiges Regenjahr, wie es sich manchmal zwischen trockene und heiße Sommer schiebt. Eine solche Nässeperiode hat merkwürdige Folgen in der Natur. Man fand z. B. viele tote Finken- und Ameisenjunge in den Nestern, da die kaltfeuchte Witterung den Insektenmangel begünstigte und die Ernährung der jungen Tiere erschwerte, ebenso häuften sich die verhungerten Turmschwalben in den Schlupfwinkeln der Dächer; die Wildenten brüteten wegen der Feuchtigkeit am Erdboden in Raben und Raubvogelnestern; die hungrigen Fledermäuse flogen sogar am Tage auf Raub aus; die Wiesel machten Beutezüge auf Bäumen, um wegen des durch die Nässe hervorgerufenen Mäusemangels die Vogelnester zu plündern; es gab auffallend wenig Eidechsen, Mäuse und Insekten. Im Pflanzenreich beobachtete man, daß Fingerhüte und Glockenblumen zum Schutz gegen Regen die Glocken abwärts beugten und sie dann völlig wegen aufsteigender Erdnebel schlossen; die stahlblaue Holzbiene bohrte Löcher in die Blütenkammer.
17. Februar
Rundfunk
Der erste öffentliche Radio-Rundfunkabend fand gestern im "Schwan" hierselbst statt. Die Vorführungen lagen in den Händen des Leipziger Generalvertreters der Auto-Funk G.m.b.H., Berlin. In seinen etwa einstündigen Ausführungen machte der Vortragende die zahlreich erschienenen Besucher mit dem Wesen der neuesten Errungenschaft, der drahtlosen Telefonie, bekannt. Nach Beendigung seines interessanten Vortrages machte der Vortragende seinen Apparat zur Aufnahme fertig. Das Ganze besteht aus einem kleinen Tischgehäuse etwa in der Größe einer Zigarrenkiste, daß nach außen durch einen einfachen Kupferdraht mit der über dem Dache gespannten einfachen (nicht doppelten) Antenne von 35 Meter Spannweite verbunden ist. Ein großer Trichter von ca. 1 Meter Durchmesser schwebt an einem Faden befestigt, frei in der Luft und ist wiederum mit dem Tischgehäuse durch einen Draht verbunden. Mit gespannter Aufmerksamkeit richten sich aller Augen unter atemloser Stille nach dem Trichter, um der Dinge zu harren, die da kommen sollen. Eine liebliche Walzermelodie zeigt uns an, daß das Konzert (in Königswusterhausen) seinen Anfang genommen hat. Die Wiedergabe durch den Trichter ist klar und deutlich. In bunter Reihe folgen nunmehr die Konzertstücke. Nach Abspielung von "Wiener Blut" verabschiedet sich "Königswusterhausen" mit einem "Gute Nacht". Nachdem Königswusterhausen zu senden aufgehört hatte versuchte der Vorführende England zu bekommen, das mehr oder weniger auch gelang. Natürlich ist eine so deutliche Wiedergabe wie von Königswusterhausen nicht zu erzielen gewesen, da sich hier Witterungseinflüsse u.s.w. störend geltendmachen.
17. Februar
Bezirkskonferenz der VSPD
Heute fand eine Konferenz des Unterbezirkes Delitzsch-Bitterfeld der VSPD im Lindenhof zu Delitzsch statt, auf der von 30 Ortsgruppen nur drei nicht vertreten waren. Der Vorsitzende Thomas - Delitzsch leitete die Tagung ein mit ehrenden Worten für den alten Parteiveteranen Hermann Graupe - Delitzsch (84 Jahre alt) und mit anerkennenden Worten für den verstorbenen Parteifreund Münzer. Es sprachen zur politischen Lage mehrere auswärtige Genossen und von Delitzsch: Hampe, Schwahn und Raute. Im Anschluß an die Aussprache wurde folgende Entschließung vorgelegt: "Die Unterbezirkskonferenz Delitzsch-Bitterfeld bedauert die bisherige Politik der Partei und der Reichstagsfraktion der VSPD und erwartet, daß Partei und Fraktionen künftig eine Politik vertreten, die geeignet ist, der Partei das Vertrauen aller sozialdemokratischer Kreise des schaffenden Volkes zu erwerben". Bei der Abstimmung erklärten sich nur 18 Teilnehmer für die Entschließung.
23. Februar
Pawlowski
Malermeister H. Pawlowski kann am heutigen Tage auf das 25jährige Bestehen seines Geschäftes zurückblicken.
25. Februar
Verhaftung Baumgärtel
In Schutzhaft genommen und nach Halle abtransportiert wurde heute vormittag auf Befehl des Wehrkreiskommandos der Buchhandlungsgehilfe und kommunistische Stadtverordnete Karl Baumgärtel von hier. Diese Verhaftung, die im Anschluß an seine standesamtliche Trauung stattfand hängt mit seinen Äußerungen in der letzten Stadtverordnetensitzung zusammen.
29. Februar
Oskar Apitzsch
Der Eisenhändler Oskar Apitzsch, Leipziger Straße, kann am morgigen Tage auf ein dreißigjähriges Geschäftsjubiläum zurückblicken. In dieser Zeit hat der rührige und im Berufs - wie auch öffentlichen Leben hochangesehene Jubilar sein Geschäft aus kleinen Anfängen zu einem Unternehmen emporgehoben, das weit über die Grenzen unseres engeren Bezirks bekannt ist.
14. März
Heimatkunde
Heimatkundlich interessierte Vertreter der Kreise Delitzsch und Bitterfeld fanden sich gestern zu einer internen Besprechung in der "Linde" zusammen, um zu der Frage der Herausgabe eines Heimatkalenders Stellung zu nehmen. Das Ergebnis war, daß für das Jahr 1925 bestimmt mit dem Erscheinen zu rechnen ist.
14. März
Gedächtnisfeier Osk. Reime
Der gestrige Delitzscher Heimatabend, der zu einer Oskar Reime-Gedächtnisfeier ausgestaltet war, konnte sich eines besonders guten Besuches erfreuen. Emil Obst - Bitterfeld, ein unserm Reime besonders nahestehender Freund hatte die Gedächtnisansprache übernommen und feierte den Dahingegangenen als Mensch und Freund, feierte seine unermüdliche Schaffensfreudigkeit als Lehrer, Archivar, Museumsverwalter, Kriegschronist, Schriftsteller, Vortragsredner, Gesangvereinsdirigent und Komponist. Seine bedeutende Persönlichkeit wird allezeit neben Johann Gottlieb Lehmann, Schulze-Delitzsch und A. Thierbach gleichgeachtet stehen. Einen zweiten Vortrag hielt Justizrat Dr. Schulze über "Das alte und das malerische Delitzsch". Umrahmt wurden die beiden Reden durch gesangliche Vorträge derjenigen der hiesigen Gesangvereine, die s. Z. von Oskar Reime dirigiert wurden: Schulze – Delitzsch Liedertafel, Harmonie, Abendstern und Arion.
16. März
Mittelschule
Die Regierung hat ihre Genehmigung zur Umwandlung der Höheren Mädchenschule in eine Mittelschule erteilt.
26. März
Nobbe
In nichtöffentlicher Sitzung der Stadtverordneten wurde gestern der Sparkassendirektor Karl Nobbe in Quedlinburg zum Verwalter der hiesigen Stadtsparkasse und Stadtbank gewählt. Er tritt seine neue Stelle bereits zum 1. April an. Der Gewählte war in Quedlinburg Leiter einer großen Zweigstelle der Stadtsparkasse Quedlinburg. Am 1. April wurde Stadtbaumeister Kessel in den Ruhestand versetzt.
2. April
Ruhestand Petzoldt
Konrektor Petzold trat gestern in den wohlverdienten Ruhestand. Fast vier Jahrzehnte hat er seine Kraft in den Dienst der Knabenschule gestellt und sein Bestes gegeben. Bei einer schlichten Feier im Schulsaale fanden Kreisschulrat Sehmisch und Rektor Hansjürgens treffliche, zu Herzen gehende Worte des Dankes und der Anerkennung für den verdienstvollen Mann. Am Abend fand eine Nachfeier in der Elbritzmühle statt.
2. April
Röhrborn
Lehrer Röhrborn feierte gestern sein 25jähriges Dienstjubiläum. Er ist Schüler des hiesigen Seminars und trat im Jahre 1905 seinen Dienst an unserer Knabenvolksschule an. Auch unsere Mädchenschule hat in den Reihen ihres Lehrerkollegiums einen Jubilar. Konrektor Laue beging gestern sein 25jähriges Ortsjubiläums.
7. April
Bismarckfeier
Die Vaterländischen Verbände Delitzsch u. Umg. veranstalteten gestern eine großangelegte Bismarckfeier. Am Vormittag versammelten sich die einzelnen Verbände teils im Schützenhof, teils im Schützenhaus und hielten interne Besprechungen ab. Um ½ 12 Uhr traten sie dann zum gemeinsamen Kirchgang an, um am Festgottesdienst in der Stadtkirche teilzunehmen. Die Festpredigt hielt Pastor Valentin - Eilenburg. Nach dem Gottesdienst marschierten die Verbände wieder in ihre Festlokale, wo nun die eigentliche Bismarckfeier abgehalten wurde. Beide Säle waren von Teilnehmern überfüllt. Im Schützenhaus hielt die Bismarckrede General von Weisberg - Potsdam. Die Feier wurde durch Vorträge der Instrumentalvereinigung Delitzsch und des Lindequartetts erweitert. Im Schützenhof hielt die Festansprache Dr. Stadler - Berlin. Die schneidigen Märsche der Stahlhelmkapelle Halle wurden mit Begeisterung aufgenommen. Diese Kapelle gab dann am Abend im Schützenhof noch ein gut besuchtes Konzert.
12. April
Dr. H. Wahle
Am 10. April schied aus dem Amte der langjährige hochverdiente Leiter der Oberrealschule Studiendirektor Dr. Hermann Wahle. Auf seinen Wunsch war eine größere öffentliche Abschiedsfeier unterblieben. In engerem Kreise brachten ihm nur Lehrerkollegium und Schülerschar ihren Dank und ihre Wünsche dar. Studienrat Schmiedeberg hob in seiner Rede die Verdienste des Scheidenden hervor, der 40 Jahre lang die Jugend gelehrt und 25 ½ Jahre die hiesige Anstalt geleitet hat. Als er sie übernahm, zählte sie 80 Schüler, in zehn Jahren brachte er die zur Ober-Realschule ausgebaute Anstalt auf 300 Schüler, eine Zahl, die nach einigen Schwankungen auch heute wieder erreicht ist. Für die Schüler sprach der Obersekundaner D. von Schulz. Studiendirektor Dr. Wahle dankte in bewegten Worten.
17. April
Sängerbund
Die hiesigen fünf Gesangvereine Abendstern, Arion, Eisenbahner-Gesangsgruppe, Harmonie und Schulze–Delitzsch Liedertafel haben sich zu einem Sängerbund zusammengeschlossen, um von Zeit zu Zeit den Bürgern der Stadt Delitzsch bald hier, bald dort Aufführungen in Massenchören zu bieten. Schon am 1. Osterfeiertag vormittag 11 Uhr wird auf dem Marktplatz das erste Platzkonzert stattfinden. Zum Vortrag werden folgende Lieder gelangen: 1. Das ist der Tag des Herrn von E. Kreutzer, 2. Land in Not von Janoske, 3. Der Lindenbaum von Schubert, 4. Morgenrot, Volksweise, 5. Wohin mit der Freud von Silcher, 6. Horch! Die alten Eichen rauschen.
23. April
Meisterjubiläum
Das 50jährige Meisterjubiläum begeht am heutigen Tage der Fleischermeister Barth, hier.
1. Mai
Berufsjubiläum
Am heutigen Tage feiert der technische Betriebsleiter der Walter'schen Buchdruckerei, Faktor Gustav Hahn, sein 50jähriges Berufsjubiläum. Der Jubilar gehört seit fast 25 Jahren der Firma.
2. Mai
Dr. Becker
Gestern bei Schulanfang trat der neue Studiendirektor Dr. Becker aus Aschersleben kommend sein neues Amt an. Im Auftrage des Prov. Schulkollegiums führt 1. Bürgermeister Böttcher den neuen Leiter der Anstalt ein.
6. Mai
Stadtverordnetenwahl
Die Stadtverordneten wurden neu gewählt. Die neuen Stadtverordneten sind:
1. Vereinigte Sozialdemokratische Partei: Buhle Paul, Hampe Richard, Schwahn Fritz. (3)
2. Kommunistische Partei: Geithe Otto, Schneider Franz, Voigt Franz, Kuntsche Anna, Kotze Paul, Forster Karl, Gebhardt Herm., Kranz Max, Wagner Willi (9)
3. Vaterländische Gemeinschaftliche: Mietzsch Hermann, Menzel Richard, Franke Ernst, Dr. Kurtzhals, Poßdorf Hermann, Kiehler Oskar (6)
4. Wirtschaftlicher Ordnungsblock: Schmidt Paul, Köthnig Richard, Hampe Louis, Freitag Otto, Dr. Ernesti Hans, Schickerling Franz. (6)
5. Angestellte und Beamte: Hansjürgens Johannes, Fritzsche Gustav. (2)
3. Juni
Ehrenmal
Nun haben auch wir in Delitzsch unser Ehrenmal für unsere teuren Gefallenen. Die Einweihung fand am Sonntag den 1. Juni statt. Es ist nicht in die Form der landläufigen Denkmäler gefasst, wie wir sie meist finden in Stadt und Land, aus Stein oder Erz gebildet, aber es ist sicher nicht weniger schön, als andere es sind. Es besteht in zwei großen, künstlerisch ausgeführten, monumentalen Wandgemälden, die in unserer Marienkirche an den Wänden angebracht sind. Schlicht und einfach und doch überwältigend und erhebend hat der Künstler, der Studienrat Professor Vetter aus Leipzig, seine Gedanken dargestellt. Die Einzelfeiern begannen schon in früher Morgenstunde. Die Jugendabteilung des Vaterländischen Frauenvereins hatte schon von 6 Uhr ab die Gräber der Gefallenen mit Kränzen geschmückt. Um 7 Uhr fand dann hier eine schlichte Morgenfeier statt. Die Hauptfeier war dann 8.20 Uhr in der Marienkirche; sie war nur für die Angehörigen der Gefallenen bestimmt. Der Altarraum war gefüllt von den Fahnen der Vereine, die an der Feier sich beteiligten. Die umfassendste Feier war dann um 10 Uhr in der Stadtkirche. Generalsuperintendent Schöttler aus Magdeburg hielt die Festpredigt. Bei diesem Gottesdienst wirkten mit, Frau Dr. Kurtzhalß, die Instrumentalvereinigung und der Kirchenchor, Superintendent Hobbing und Pfarrer Noack hatten beide den liturgischen Teil des Gottesdienstes übernommen. Nach dem Gottesdienst fingen die Glocken an zu läuten und unter dem Vorantritt der Fahnengruppen bewegte sich die Versammlung im langen Zug nach der Gedächtniskirche. Währenddessen schmetterten Fanfaren vom breiten Turm die Schwedenmärsche, die dann in Choralmelodien übergingen. Der Zug bewegte sich dann durch die Gedächtniskirche unter den beiden Bildern vorüber. Nach dem Durchzug durch die Kirche boten die vereinigten Gesangvereine unter der Leitung des Lehrers Linde auf dem Marienfriedhof einige Lieder. Am Nachmittag um 3 Uhr war in der Gedächtniskirche ein Jugendgottesdienst, den Pastor Winkler aus Sausedlitz hielt. Die Abendandacht auf dem Marienfriedhof hielt Superintendent Hobbing. Durch diese Feier ist die Gedächtniskirche nun wieder mehr in den Vordergrund gerückt. Sie verdient es ja auch, schon wegen ihrer wunderschönen Lage. Der Gemeindekirchenrat hat beschlossen, die Marienkirche fernerhin "Gedächtniskirche" zu nennen.
2. Juni
Die Schützengilde Delitzsch konnte gestern Nachmittag auf ihren neu hergerichteten Schießständen das erste diesjährige Übungsschießen abhalten.
14. Juni
Freie Volksbühne
Um den Delitzschern gute Theaterstücke zu bieten hat sich hier eine neue Vereinigung unter dem Namen "freie Volksbühne" gebildet. Gestern fand in der "Linde" die erste Mitgliederversammlung statt. Lehrer Schwahn hielt einen Vortrag und wies darauf hin, daß der Intendant des Stadttheaters in Halle die Leitung der hier in Frage kommenden Aufführungen übernommen hat. Um billige Aufführungen sichern zu können sind 300 bis 500 Personen notwendig. Die von den Mitgliedern zu besuchenden Pflichtvorstellungen finden etwa aller drei Wochen statt, etwa 8 bis 12 im Jahre. Die Auswahl der Stücke liegt einem künstlerischen Obmann ab. Es hat sich ein Festausschuß gebildet dessen Leiter Lehrer Schwahn ist.
27. Juni
Bundesschießen
Delitzsch war wieder einmal Feststadt. Vom 22. bis 26. Juni fand hier das 31. Bundesschießen der Provinz Sachsen, Anhalt und Braunschweig statt. Delitzsch hatte zu diesem Zwecke ein überaus buntfarbenes Festkleid angelegt. Guirlanden und Kränze, Bänder und Fähnchen, Schwarzweißrote Fahnen wehten in überwiegender Mehrzahl von den Häusern. Schon vom frühen Morgen des Sonntag kamen die auswärtigen Schützen mit dem Zuge, dem Lastautomobil, mit Wagen und Kutschen von nah und fern. Um 11 Uhr begann der Umzug, innerhalb desselben große Festwagen. Auf dem Marktplatz fand die Übergabe der Bundesfahne an die Delitzscher Schützengilde statt. Vom Marktplatz bewegte sich sodann der Zug nach dem Schützenhof, woselbst ein Festessen stattfand. Erster Bürgermeister Böttcher hielt hier die eigentliche Festrede. Bald darauf begann das Schießen auf die verschiedenen Scheiben. Über 150 Preise kamen für die besten Schützen zur Verteilung. Die Ehrenscheibe wird am 26. Juni Punkt 1 Uhr eingezogen; das Preisschießen ist damit beendet. Der Schützenhofplatz bot in diesen Tagen das gleiche Bild wie zu Pfingsten; nur daß das bunte Bild zum Teil noch lebhafter war. Am Mittwoch dem vorletzten Festtag fand im Schützenhofsaale ein "Bunter Vortragsabend" statt. Die hiesigen vereinigten Gesangvereine unter Leitung des Lehrer Richter, das Lindequartett und die Solotänze einer Leipziger Künstlerin bestritten das sehr umfangreiche Programm. Bei eingetretener Dunkelheit fand ein großes Brillantfeuerwerk statt. Am Donnerstag abend verabschiedeten sich die Schützen von ihren auswärtigen Gästen mit einem Kommers.
11. Juli
"Die Jahreszeiten"
Der Musikverein führte am Mittwoch unter Hinzuziehung einiger auswärtiger Solisten unter Leitung von Seminaroberlehrer Heine das Ovatorium "Die Jahreszeiten" im Schützenhof auf. Die schwere Aufführung gelang vorzüglich. Den Aufführenden wurde stürmischer Beifall zu teil. Ein Lorbeerkranz war der Lohn für den Dirigenten.
15. Juli
Ehemalige Schüler des Delitzscher Seminars verschiedener Jahrgänge hatten sich am Sonnabend zur Gründung der "Vereinigung ehemaliger Schüler des Seminars zu Delitzsch" zusammengefunden. Unsere Lehrerbildungsanstalt wird Ostern 1926 seine letzte Klasse entlassen. Die Vereinigung will nun über die Klassenzusammenkünfte hinaus ein gemeinsames Band um alle schlingen, die einst hier ihre Ausbildung fanden. Gleichzeitig will die Vereinigung für eine würdige Erhaltung der Kriegerehrungsstätte im Seminar in der Zukunft Sorge tragen.
27. Juli
Der Schuhmachermeister Zeising hier, Münze, feiert heute sein 50jähriges Meisterjubiläum. Der Jubilar ist Ehrenobermeister der Delitzscher Innung. Vom Magistrat und der Innung wurden ihm Glückwünsche überbracht.
16. August
Verfassungsfeier
Anläßlich des Verfassungstages, 11. August, fand im Schützenhof eine groß angelegte Verfassungsfeier statt. Landrat Raute hielt die Eröffnungsrede nachdem die Instrumentalvereinigung mit dem Marsch "Deutschlands Ruhm" die Feier eingeleitet hatte. Sämtliche Gesangvereine der Stadt und das Lindequartett verschönten den Abend durch gesangliche Vorträge. Die Festrede hielt Seminarprorektor Dr. Schröder. Nach der Festrede wurde stehend der 3. Vers des Deutschlandliedes gesungen. Der Saal war überfüllt und mit schwarz–rot-goldenen Fahnen und der Fahne des Reichsbanners geschmückt.
19. August
Meisterjubliäum
Sei 50jähriges Meisterjubiläum konnte am Sonnabend der Schuhmachermeister Krannich aus der Kohlstraße begehen.
28. August
Neupflaster
Die Hallesche Straße bis zur Ritterstraße erhält ein neues Pflaster.
29. August
Der Breite Turm
Der Breite Turm erhielt gestern am Blitzableiter einen modernen Blitzschutz. Viele Neugierige schauten verwundert zu, wie Installateur W. Merz mit Hammer und Meißel am starken Seil herauf und herabsegelte.
1. September
Seminar
Am Sonnabend den 30. August veranstalteten das Lehrerkollegium und die Schüler des Seminars im geräumigen Park des Seminars ein Parkfest, an dem auch die "Vereinigung ehemaliger Schüler" des Seminars und viele Gäste der Stadt und Umgegend teilnahmen. Vor Beginn des Festes wurde an der Ehrentafel des Seminars ein Dauerkranz in feierlicher Handlung niedergelegt. Im Park selbst entwickelte sich ein buntbewegtes Treiben. Lehrer und Schüler erscheinen in Trachten des 30jährigen Krieges und führen uns an verschiedene Ausführungen zurück an den 30. August 1631, wo über den friedlichen, in grünen Wiesen gebetteten und von stolzen Mauern und Türmen geschmückten kurfürstlichen Städtchen Delitzsch die Sonne aufgeht. Und nun rollt ein Bild dieses Tages an unseren Augen vorüber. Das Stadttor wird geöffnet, Marktweiber kommen, Flüchtlinge begehren Einlaß, schwedische Soldaten sind in der Stadt, Gustav Adolf wird vom Bürgermeister begrüßt. Schwänke und Lieder, ein lustiger Landsknechtstanz, Zauberer und Zigeuner beleben das Soldatenleben. Alle, die anwesend waren sind mit Befriedigung geschieden und bedauerten den plötzlichen Abschluß durch den eingetretenen Regen.
7. September
Rich. Meißner
Die Kohlen-, Getreide- und Düngemittelhandlung R. Krone hier, ist durch Kauf an Richard Meißner - Niemberg übergegangen.
8. September
Wettkämpfe
Am gestrigen Sonntag fanden die vom Reichsausschuß für Leibesübungen vorgeschriebenen Wettkämpfe an der Turnhalle, Bitterfelder Straße und auf dem alten Schützenplatz statt. Für die zahlreichen Zuschauer war es eine Freude, 200 Teilnehmer, Turner und Turnerinnen, frische Jungens und Mädels bis zum 18. Jahre wetteifern zu sehen.
9. September
Am heutigen Tage fand hierselbst eine Tagung der Vereinigung mitteldeutscher Ortsmuseen statt. Nach Empfang der auswärtigen Gäste fanden sich sämtliche Teilnehmer am Schulze Delitzsch Denkmal ein und besichtigten darauf die Kirchen der Stadt, besonders die Hospitalkirche. Um 11 Uhr fanden sich alle im "Schwan" zusammen, um einige Vorträge zu hören. Dr. Schulze begrüßte die Teilnehmer und hielt einen eingehenden Vortrag über die Geschichte der Stadt. Einen zweiten Vortrag hielt Prof. E. Schroeter - Weißenfels über Heimatkalender. Während der ganzen Zeit war im Saal eine Ausstellung der Firma Krause über "Die alte Stadt" allen Teilnehmern zugänglich.
22. September
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
Am Sonnabend und Sonntag den 20. und 21. September fand die Bannerweihe des "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" unserer Stadt statt. Die Vorfeier am Sonnabend fand im Schützenhofsaale durch einen Kommers statt. Landrat Raute hielt die Festrede. Umrahmt wurde der Abend durch einen Prolog, Marschweisen der Halleschen Reichsbannerkapelle und Lieder des Lindequartetts. Am Sonntag vormittag trafen zahlreiche Reichsbanner-Ortsgruppen aus der nahen und weiteren Umgebung ein. Vom Schützenplatz bewegte sich der Festzug mit 14 Fahnen durch einige Straßen der Stadt nach dem Marktplatz. Hier fand der Weiheakt statt. Staatsminister Dr. Weber - Dessau hielt die Weiherede und vollzog die Weihe des neuen Banners. Der Festakt schloß mit dem Bannerlied. Dann folgte der weitere Durchzug der Straßen nach dem Schützenhofplatze. Im Schützenhof wie im Schützenhaus fanden dann die Nachfeiern statt.
1. Oktober
Bauamt
Das Bauamt unserer Stadt kann heute auf eine 25jährige Amtszeit zurückblicken. 25 Jahre wirkte in ihm Baumeister Kessel, der mit dem heutigen Tag in den Ruhestand tritt.
12. Oktober
Vom 10. d. Mts. ab ist das bisherige Eisenbahnwerkstättenamt auf Grund ministerieller Anordnung nach neuzeitlichen Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung umgestellt worden. Die hiesige Hauptwerkstätte führt nunmehr die amtliche Bezeichnung Eisenbahnausbesserungswerk Delitzsch. An der Spitze steht unter Ernennung zum Werkdirektor der bisherige Vorstand des Werkstättenamtes Regierungs- und Baurat Wegener.
18. Oktober
Adreßbuch
Nach langer mühevoller Arbeit hat Oberstadtsekretär Fricke in diesen Tagen das neue Adreßbuch der Stadt Delitzsch herausgegeben.
26. Oktober
Theater
Die Direktion Hepner gibt am morgigen Sonntag "Das Hollandweibchen". Auch ein Kind unserer Stadt, Eva Schulze, wird erstmalig in Delitzsch auf der Schützenhausbühne auftreten.
21. November
Gundermann
Oskar Gundermann, des Kreises 1. Kreisausschußsekretär seit Bestehen der Kreisordnung, 1872, ist im 70. Lebensjahre verstorben. Einem letzten Wunsche dieses selbstlosen und treuen Beamten entsprechend, sollen Nachrufe ihm nicht gewidmet werden.
22. November
Damaschkestraße
In der letzten Sitzung der Stadtverordneten am 18.11. beschäftigte man sich auch mit der Besiedlung der Damaschkestraße. Es liegen drei Pläne vor. Plan A gibt jeden Grundstück einen Platz von 1080 – 1100 Quadratmeter, Plan B von 800, Plan C von 600 Quadratmeter. Die Siedlungsgenossenschaft wünscht 1200 Quadratmeter. Die Straßenbreite soll 8 bis 12 Meter betragen. Die nächste Stadtverordnetensitzung wird den entgültigen Plan festsetzen.
1. Dezember
Seminarkonzert
Unser Seminar hat fast jedes Jahr ein Konzert gegeben . Die Veranstaltungen waren Ereignisse im Delitzscher Musikleben. Auch gestern hatten sich zahlreiche Besucher eingefunden, das letzte Konzert zu hören; denn das nächste Jahr sieht nur noch eine Seminarklasse, und ihre Kräfte werden nicht ausreichen, die traditionelle Veranstaltung auszuführen. Drei Teile waren in dem gestrigen Programm zu unterscheiden: die alten Komponisten vertreten durch Adam Krieger und Heinrich Albert, neue Meister in Franz Schubert, Ludwig van Beethoven und Ferd. Hummel und die neuesten, von denen Max von Schillings und Pietro Mascagni gewählt waren. Die Leitung hatte Seminaroberlehrer Heine. Chöre, Orchester und Solisten leisteten Außergewöhnliches. Mit dem "Intermezzo sinfonico" für Streichorchester, Klavier und Orgel aus "Cavalleria rusticana" von Mascagni fand der Abend sein Ende und damit die schöne Zeit, in der unser altehrwürdiges Seminar zu den Delitzscher Einwohnern in innigster Verbindung gestanden hat.
2. Dezember
Rentenmark
Seit dem 30. August ist ein Übergang zur neuen Reichswährung geschaffen. 1 Rentenmark = 1 RMark.
9. Dezember
Wahl
Nach Auflösung des Reichstages am 7. Dezember fand wieder Reichstags- und Landtagswahl statt.
19. Dezember
Bürgermeister Grüneberg
Unser zweiter Bürgermeister Grüneberg hat wegen Krankheit seine Pensionierung eingereicht. Dem Antrag wird stattgegeben. Das Ruhegeld beträgt 52 Hundertstel des Gehalts der Gruppe 11 der Staatsbeamten. Es wird für die Wiederbesetzung ein Jurist gefordert.
1925
Heldenbuch
Die Kriegerehrungenskommision, deren Vorsitzender Pfarrer Kohlmann ist, hat die Anfertigung eines Heldenbuches für die Gedächtniskirche beschlossen und beginnt damit.
14. Januar
Bahnbau Del.-Rackwitz
Die Kreisbahn Delitzsch – Rackwitz wird gebaut. Nach langen und schwierigen Verhandlungen, die fast ein Jahr lang dauerten, ist nun vom Kreistag das Kreisbahnprojekts Delitzsch – Rackwitz unter Dach und Fach gebracht worden. Nach dem Entwurf soll die Kleinbahn vom Sorauer Bahnhof in Delitzsch über Gertitz, Gr. Lissa, Kl. Lissa, Kattersnaundorf, Grabschütz, Zwochau, Kölsa, Glesien, Freiroda, Radefeld, Hayna, Wolteritz und Lössen nach Rackwitz geführt werden und dort in die Rackwitz, Krostitz–Krensitzer Kleinbahn einmünden. Die geplante Bahn Delitzsch–Rackwitz wird 27 km lang und erfordert einen Kostenaufwand von 1.800.000 Mark Die Bauzeit wird vom 1. April 1925 bis 30. September 1926 berechnet. Ein Drittel der Kosten trägt der Landkreis Delitzsch also 600.000 M, dazu kommen dann noch 100.000 M für Grunderwerb, das zweite Drittel trägt die Provinz Sachsen und das letzte Drittel der Preußische Freistaat.
15. Januar
Liebener
Am 12. Januar ist mit Veterinärrat Heinrich Liebener eine der angesehensten Persönlichkeiten unserer Stadt ins Jenseits abberufen worden. In Stendal geboren ist er bald nach Beendigung seiner Studien nach Delitzsch gekommen. Der Verstorbene nahm im Vereins- und öffentlichen Leben eine hochgeachtete Stelle ein und war auch mehrere Jahre vom Vertrauen seiner Mitbürger ins Stadtparlament geschickt worden. Zehn Jahre war er auch in der hier bestehenden Loge deren Meister vom Stuhl.
21. Januar
Ernst Freyberg
Wieder hat der Tod einen verdienstvollen Bürger unserer Stadt ins Jenseits abberufen. Stadtältester Ernst Freyberg ist einer heimtückischen Kopfgrippe zum Opfer gefallen. Der Verstorbene wurde am 30. Oktober 1861 hierselbst geboren und übernahm nach Absolvierung seines Studiums 1885 die hiesige Adlerapotheke, die schon drei Menschenalter im Besitz der Familie war. 1894-1916 war er Stadtrat und schied als Stadtältester aus. Er hat sich auch sonst in hervorragender Weise betätigt. So war er stellv. Vorsitzender des Kreiskriegerverbandes, Kirchenältester, Vorsitzender des Verkehrsvereins, Mitglied des Kreisausschusses, Vorsitzender des Krankenkassenverbandes für Mitteldeutschland, während des Krieges Vorsitzender des Mobilmachungsausschusses. Nachdem er die Adlerapotheke abgab, erbaute er in der Ritterstraße eine chemische Fabrik und nun wurde er aus seinem Wirken herausgerissen durch seinen Tod.
5. Februar
Sozialdemokr. Partei
In einer Kreisvorstandsitzung der Sozialdemokratischen Partei in Delitzsch wurde auf Antrag der Parteimitglieder aus Eilenburg einstimmig beschlossen, den Sitz des Parteisekretärs der sozialdemokratischen Partei Delitzsch – Torgau nach Eilenburg zu verlegen. Auch die Delitzscher sehen die Notwendigkeit ein.
10. Februar
Sturmschaden
Ein mächtiger Sturm erhob sich in dieser Nacht und richtete an Dächern, Telefon und Telegraphenleitungen bedeutenden Schaden an. Von dem Dach des Eckhauses Bismarckstraße 9 holte er Teile der Schieferbedeckung und Ziegel herunter, deren Trümmer heute morgen in der Poststraße verstreut lagen. Auf dem Nordplatz, am Hause des Fleischermeisters Brendel, stürzte der Schornstein auf die Starkstromleitung, durchschlug diese, und der Sturm legte nun die Drähte auf die Telefonleitung, so daß auch hier Störungen eintraten.
11. Februar
Scharruhn
Auf Grund einer Ministerialverordnung erhält der hauptamtlich angestellte Lehrer der gewerblichen Fortbildungsschule, Lehrer Scharruhn, den Titel Oberlehrer.
15. Februar
Landrat Raute, der am 1. April d. J. aus dem Amt scheidet, wurde in Anerkennung seiner Verdienste um das Kleingartenwesen von der Generalversammlung des Kleingartenvereins Delitzsch zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
16. Februar
Die Vaterländischen Verbände sammelten sich gestern in unserer Stadt zu einer Protestkundgebung gegen die Nichträumung Kölns von den Franzosen. Unter Voran – der Stahlhelmkapelle Halle bewegte sich der Zug der Vaterländischen Verbände des ganzen Kreises von der Gasanstalt aus zunächst nach dem Markt und dann auf den Schützenhof. Hier sprachen Major Peitzke und General Litzmann, der Held von Brzeziny. Beide Redner forderten in scharfen Worten die Räumung Kölns. Abends hielt General Litzmann im Saal des Schützenhofes einen Vortrag mit Lichtbildern über die Winterschlacht in Masuren und den Durchbruch bei Brzeziny.
27. Februar
Landestrauertag
Ein Landestrauertag im ganzen deutschen Reich soll der nächste Sonntag der 1. März sein. Wir wollen unsere teuren Gefallenen nicht vergessen. Der Vor- und Nachmittaggottesdienst wird zum Festgottesdienst ausgestaltet, in denen namhafte Kräfte der Stadt mitwirken. Am Abend wird dann in der Stadtkirche den Gefallenen zu Ehren ein Konzert stattfinden, eine stimmungsvolle Abendmusik, die zu ernster Andacht und dankbaren Gedenken stimmen möchte. Die mitwirkenden Kräfte sind Fr. Dr. Kurzhalß, Frl. Herold, Frl. Köthnig, die Instrumentalvereinigung, das Lindequartett und Organist Sauerteig.
1. März
Reichspräsident Ebert / Tauer
Der Reichspräsident Ebert ist heute vormittag 10.15 Uhr sanft entschlafen. Am Sterbelager weilten Frau Ebert, ihre Kinder und ihr Schwiegersohn Dr. Janicke sowie Staatsekretär Dr. Meißner. Der Bezirksschornsteinfegermeister Tauer begeht heute sein 50jähriges Jubiläum als Bezirksschornsteinfeger.
14. März
Seminar
Am Donnerstag und Freitag fand am hiesigen Seminar die mündliche Seminarentlassungsprüfung statt. Alle 18 Prüflinge bestanden sie. Nach dieser Prüfung besteht am hiesigen Seminar nur noch eine Klasse, nach deren Abgang 1926 das Gebäude anderen, bisher ungeklärten Bestimmungen zugeführt wird.
20. März
Feuerbestattung
Der Feuerbestattungsverein Delitzsch hielt Mittwoch den 18. d. Mts. im Roß seine diesjährige Hauptversammlung ab. In dieser Versammlung wurde über den Bau eines Krematoriums in Delitzsch beraten. Zu einem Beschluß ist es aber nicht gekommen.
26. März
Bürgergarten
Das ehemalige Bürgergartengrundstück ist durch Kauf in den Besitz des Dachdeckermeisters Robert Kittler übergegangen.
28. März
Brisch
Für den am 1. April aus dem Amte scheidenden Landrat Raute ist als Nachfolger Regierungsrat Brisch aus Oppeln zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt worden. Der kommissarische Landrat Brisch wird sein Amt erst am 16. April antreten, da er bis einschließlich 14. April beurlaubt worden ist.
30. März
Raute
Zu Ehren des aus dem Amte scheidenden Landrats Raute veranstaltete das Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" am Sonnabend den 28. d. Mts. einen Fackelzug, der sich vom Sorauer Bahnhof durch die Straßen nach den Markt bewegte. Das Reichsbanner Bitterfeld und Eilenburg war zu Gaste gekommen, so daß etwa 250 Personen mit 6 Fahnen sich am Zuge beteiligten. Vor dem Kreisständehaus hielt Landrat Raute eine Ansprache, in welcher er für die ihn zuteil gewordene Ehrung dankte. Abends fand dann im Saal des Schützenhauses eine besondere Abschiedsfeier statt, wo der Parteisekretär des Reichsbanners aus Magdeburg die Festrede hielt.
1. April
Amtsjubiläum / Oskar Ziegler
Die an der hiesige Mädchenvolksschule amtierenden Lehrer Meergarten, Karl Reinboth und Wolf blicken heute auf eine 25jährige Amtstätigkeit zurück. An der Knabenvolksschule trat Lehrer Merkwitz heute vor 25 Jahren in den Verband des Kollegiums ein. An der Mittelschule feiert Rektor Eichler sein 25jähriges Amtsjubiläum als Rektor. 22 Jahre ist er an der hiesigen Schule tätig. Der in Delitzsch und im ganzen Kreise bestens bekannte Besitzer des Gasthofes "Zum eisernen Kreuz", Oskar Ziegler, begeht heute sein 25jähriges Geschäftsjubiläum.
2. April
Schloß
Seit langem schon vermuten alteingesessene Delitzscher, daß zwischen dem hiesigen Schloß und dem sogenannten Ritterhaus in der Ritterstraße ein unterirdischer Gang laufen muß. Heute morgen ist man bei Ausschachtungs- und Pflasterarbeiten im inneren Schloßhofe unvermutet auf einen Eingang gestoßen. Arbeiter fanden 1½ Meter Tiefe eine mit zwei kräftigen Ringen versehene Steinplatte, die sich abheben ließ, und vor ihnen gähnte eine schwarze Öffnung. Nachdem sich der aufsteigende Modergeruch etwas verloren hatte, wagte man hineinzusteigen und fand einen Gang, von dem man vermutet, daß er nach dem Ritterhaus führt. Man hat allerdings noch nicht weit vordringen können; denn hier müssen erst Aufräumungsarbeiten Platz schaffen. Doch nach wenigen Schritten ist man schon auf einen nur wenige Meter langen Nebengang gestoßen, indem man wohlverwahrt einige Becher, Schalen und ein verrostetes Schwert fand, dessen Inschrift leider unleserlich geworden ist.
14. April
Todesfall
Zwei verdienstvolle Bürger unserer Stadt sind in diesen Tagen in das Jenseits abberufen wurden. Es sind dies der Stadtälteste Louis Spangenberg und der Gastwirt Edmund Kreutzer. Stadtältester Spangenberg hat vom Jahre 1884 das Amt eines Stadtverordneten und zwei Jahre das eines unbesoldeten Stadtrats bekleidet. Über 50 Jahre gehörte er der Feuerwehr an. Edmund Kreutzer ist weniger an die Öffentlichkeit getreten und doch galt seine ganze Kraft der Heimat.
15. April
Konditorei Lampe
Die in weiten Kreisen bekannte Konditorei Lampe kann heute auf ein 70jähriges Bestehen zurückblicken. Der Vater des jetzigen Inhabers gründete die Konditorei 1855 unter damals schwierigen Verhältnissen, und der jetzige Besitzer, Hermann Lampe, bewirtschaftet das Geschäft seit 1891 und hat es auf erfreuliche Höhe gebracht.
28. April
Hindenburg
Bei der heute stattgefundenen zweiten und entgültigen Wahl des Reichspräsidenten wurde Generalfeldmarschall von Hindenburg mit 940.000 Stimmen Mehrheit zum Reichspräsidenten gewählt.
29. April
Bauland / Dr. Laschke
Die Stadt erwirbt einen 20 Morgen großen Feldplan, der später als Bauland ausgegeben werden soll, hinter der Bahn nach Werben zu. Für den Morgen sind 400 bis 450 M gezahlt worden. Das Land wird zunächst verpachtet und bringt 402,- M Pacht. An den Eisenbahn-Bauverein wird in der verlängerten Lindenstraße Bauland zum Bau von Wohnungen in einer Länge von 44 Meter und einer Tiefe von 26 Meter zum Preise von 3,- Mark pro Quadratmeter verkauft. Die Zustimmung des Magistrats erfolgt nur unter Vorbehalt des Vorkaufsrechts. Der hiesige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Laschke wird mit der vorläufigen Ausübung eines Schularztes an den hiesigen Schulen betraut.
5. Mai
Am 1. Mai d. J. bestand die hiesige Zweigstelle des Bankhauses Paul Schauseil u. Co., Halle, 25 Jahre.
6. Mai
"Stadt Leipzig"
Das Engelhardt'sche Grundstück in der Leipziger Straße, früher "Gasthaus Stadt Leipzig" ist in der gestrigen Versteigerung in den Besitz der Stadt übergegangen.
8. Mai
Ruhrkinder
Alljährlich wurden Kinder der Stadt Düsseldorf in unserm Kreise aufgenommen, um sie während des Sommers körperlich zu kräftigen für die Entbehrungen, die im besetzten Gebiet ihrer harren. Das Kreiswohlfahrtsamt wendet sich an die Bewohner des Kreises, auch in diesem Jahre wieder Ruhrkinder aufzunehmen.
14. Mai
Hindenburgfeier
Anläßlich der Amtsübernahme des neuen Reichpräsidenten von Hindenburg am 12. Mai hatten alle Schulen auch hiesigen Ortes schulfrei. Es fanden Schulfeiern statt. Nicht nur die amtlichen Gebäude, sondern auch viele Privatgebäude hatten für diesen Tag Flaggenschmuck angelegt.
15. Mai
Rudloff
Der frühere Stadthauptkassenrendant Rudloff, der im Jahre 1913 mit seinem Kumpan Meley die Stadt um 170.000 Mark betrogen hat und dann flüchtig wurde, stand in diesen Tagen in Halle vor seinen Richtern. Er floh damals nach seiner Veruntreuung nach Italien, von dort nach Brasilien und kehrte später nach Triest zurück. 1815 bekam er eine Anstellung in Wien. Nach Veruntreuung in seinem jetzigen Amte wurde er dort bestraft und dann ausgeliefert. Da er geständig war wurden ihm mildernde Umstände zugebilligt. Er erhielt 1 Jahr u. 6 Monate Gefängnis.
18. Mai
Musikdirektor Böttcher
Den Bemühungen des städtischen Musikdirektors Böttcher ist es gelungen, wieder ein Stadtorchester zusammenzustellen. Eine Reihe ehem. Militärmusiker der Instrumentalvereinigung sind ihm beigetreten, sodaß wir wieder Hoffnung auf ein leistungsfähiges Orchester, besetzt von Berufsmusikern, hegen können. Für die Zukunft ist ein großzügiger Ausbau des Orchesters geplant, sodaß es allen Anforderungen, die Vereine u. dgl. stellen werden, genügen kann. Hoffentlich werden nun die alten Gepflogenheiten, wie Platzkonzerte u.s.w. wieder auftauchen. Auch für die musikalische Ausbildung der Jugend soll hier Sorge getragen werden.
26. Mai
Kreistierschau
Zwei ereignisreiche Tage, die monatelange fleißige Vorarbeiten bedingten, liegen hinter uns. Die Kreistierschau Delitzsch der Kreise Bitterfeld und Delitzsch in Delitzsch auf dem Platze des "Schützenhofes" am 23. und 24. Mai 1925 verbunden mit einer Ausstellung landw. Maschinen und Geräte, von Molkereiprodukten, Honig, Wachs, landwirtschaftlichen Sämereien, Saatkartoffeln, Dünge- und Futtermitteln, landw. Bücher und Zeitungen. An beiden Tagen fanden Reit- und Fahrturniere statt. Selten wohl hat unsere Stadt so riesige Menschenmassen zu beherbergen gehabt wie an den beiden vergangenen Tagen. Den Glanzpunkt der Festtage bildete der Festzug am Sonntag. Um 11 Uhr begann er von der Gasanstalt aus. Ungeheure Zuschauermassen umsäumten seinen Weg. In über 50 Gruppen gliederte sich der Zug, dem die Stahlhelmkapelle Halle voranging und in dem die neugegründete Delitzscher Stadtkapelle zum ersten Male an die breite Öffentlichkeit trat. Im Zuge sah man Symbole des Landlebens, Heuernte, Bauernhochzeit, Spinnstube, Erntekranz u.s.w. Die Handwerker von Delitzsch führten auf ihren Festwagen Darstellungen ihrer Berufstätigkeit. Eine besondere Note gab dem Zuge die Beteiligung der Reitervereine, von denen der Reiterverein Krippehna in seinen historischen Uniformen aller Augen auf sich zog.
22. Juni
Tausendjahrfeier
Anläßlich der Rheinischen Tausendjahrfeier fiel am Sonnabend den 20. Juni der Unterricht in den Schulen aus. Es wurden besondere Feiern abgehalten. Auch der Sonntag-Gottesdienst war entsprechend eingestellt.
30. Juni
500 Jahrfeier
Das Schneidergewerbe in Delitzsch beging am gestrigen Tage die 500 Jahrfeier verbunden mit der 25jährigen Jubelfeier des Vereins selbständiger Schneider und Schneiderinnen in Delitzsch und Umgegend.
1. Juli
Volkszählung
Unsere Stadt Delitzsch hat nach der letzten Volkszählung 14.781 Bewohner, darunter befinden sich 40.098 männliche und 42.323 weibliche Einwohner.
3. Juli
Stadtgraben
Eine Regierungskommission unter Führung eines Baurates weilt heute in unserer Stadt, um die Wasserverhältnisse des Lobers und die Kläranlagen zu besichtigen. In diesem Zusammenhang können wir auch die erfreuliche Tatsache feststellen, daß der Stadtgraben in diesen Tagen von all dem Unrat und den Wasserpflanzen, die ihn zu einem Schmutzgraben werden ließen, gereinigt wird. Hoffentlich werden nun auch die Maßnahmen ergriffen, die eine Sauberhaltung des Wassers gewährleisten. Früher waren die Schwäne fleißige Gehilfen.
4. Juli
Jubiläum Reyher
Der Klempnermeister Franz Reyher beging gestern sein 25jähriges Geschäftsjubiläum. Seit der Gründung durch den Vater des jetzigen Inhabers sind in den nächsten Monaten 60 Jahre vergangen.
19. Juli
Dr. Baumgardt
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung fand die Einführung des neugewählten 2. Bürgermeisters Dr. Baumgardt in Vertretung des abwesenden 1. Bürgermeisters durch Stadtrat Tauche statt.
24. Juli
Gutenbergstraße
Die Bautätigkeit in der Gutenbergstraße schreitet weiter. Der Baugenossenschaft ist es gelungen, die Mittel für zwei Familienhäuser aufzubringen. Auch Mittel für weiteren Bau von acht anderen Gebäuden sind in Aussicht, sodaß hier in nächster Zeit eine lebhafte Bautätigkeit bevorsteht.
5. August
Stadthauptkasse
Die Stadthauptkasse wird in den nächsten Tagen aus ihrem Heim in der Leipziger Straße wieder nach dem Hintergebäude des Rathauses umziehen.
8. August
Körnerstraße
Der Magistrat beginnt mit der Schaffung eines 12 Familienhauses in der Körnerstraße. Seitens des Magistrats vertritt man den Standpunkt, daß für die großzügige Schaffung der städtischen Bauvorhaben eine planmäßige Erstellung neuen Wohnraumes in die Wege geleitet werden soll. Man wird dabei zunächst darauf Bedacht zu nehmen haben, in der Stadt befindliche Baulücken auszufüllen. Die Heimstättengenossenschaft hat übrigens zur Zeit 4 Doppelhäuser mit 8 Wohnungen im Bau und wird voraussichtlich bis zum 1. April 1926 weitere 8 Wohnungen erstellen.
9. August
Schwäne auf dem Stadtgraben
Die Stadtverwaltung hat sich entschlossen, zur Belebung des so schönen Stadtbildes am Stadtgraben wieder Schwäne anzuschaffen, und der Magistrat hat den Ankauf von zunächst einem Paar weißer Schwäne getätigt. Auch wird die Anwesenheit der Tiere hoffentlich dazu beitragen, nach einer ohnehin geplanten Reinigung des Stadtgrabens einem erneuten Überwuchern der Meerlinsen vorzubeugen.
11. August
Verfassungsfeier
Auf Einladung des kommissarischen Landrats, Regierungsrat Brisch, hatten sich heute die Beamten unserer Stadt, und, da die Öffentlichkeit freigegeben war, auch einige Privatpersonen, in der Aula des Seminars eingefunden, um den Verfassungstag zu feiern. Die Feier wurde eingeleitet durch ein Orgelvorspiel von J. S. Bach und ein Doppelquartett. Landrat Brisch hielt die Festrede und schloß mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland und die deutsche Republik. Ein Doppelquartett und ein Orgelvorspiel schlossen die Verfassungsfeier.
15. August
Elbritzbad / Stadtforst
Das Freibad an der Elberitzmühle, idyllisch gelegen, gern und viel besucht, reicht an heißen Sommertagen bisweilen dem Sturm der Badelustigen nicht völlig aus. Es wurden Anregungen gegeben, das Bad zu verlegen. Nach langen Erörterungen und Erwägungen in dieser Angelegenheit kam man jedoch zu dem Beschluß das Bad am jetzigen Platz zu belassen, die Badefläche zu erweitern und befestigen, einen geräumigen Vorplatz zu schaffen, die Umkleideräume zu vergrößern und die Anlage eines Sonnenbades schaffen. Der Stadtforst ist namentlich am Sonntag das Ziel vieler Delitzscher. Wer nicht den Kremser benutzen will, macht eine Fußwanderung. Der schöne Stadtforst gibt uns Erholung und Entspannung und die freundlichen Räume des Forsthauses in der Spröde gewähren einen angenehmen Aufenthalt zumal sie im vorigen Jahre gründlich instandgesetzt worden sind. Der neue Forsthausgarten hat sich gut bewährt und die neue Veranda bietet Schutz gegen plötzlichen Gewitterregen.
8. September
Oberrealschule
Die hiesige Oberrealschule beging ihr diesjähriges Schulfest am Sonnabend. Mit einem Umzug durch die Stadt nahm es seinen Anfang, um dann traditionsgemäß den Nachmittag zu sportlichen Wettkämpfen zu verwenden, die bei günstigen Wetter einen guten Verlauf nahmen und manche beachtenswerte Leistung zeitigten. Siegerliste: Knaben: Beste Durchschnittsleistung Schleicher Prima mit 35,5 Punkten und Quinta Baum mit 35,4 Punkten, Mädchen 1. Abt. L. Thalmann 2. Abt. L. Ziebe. Am Abend versammelten sich dann die Schüler der Anstalt mit ihren Lehrern, Eltern und den ehemaligen Schülern im Saal des Schützenhofes zu dem eigentlichen Fest. Der Saal war schon um 8 Uhr zum Brechen voll, und mancher Besucher hat die Stunden der Darbietungen stehend verbringen müssen. Die Festveranstaltung begann mit Darbietungen des Schülerorchesters unter der Leitung des Musiklehrers Curth. Dann hielt Direktor Dr. Becker eine Ansprache. Es folgten Instrumentaldarbietungen, Deklamationen, Chorgesänge, darauf Übungen am Reck, ein Menuett der Mädchen, ein reizendes Mädchenspiel. Nun kam der sehnlicht erwartete Tanz zu seinem Recht. Es war eine recht wohlgelungene Veranstaltung.
9. September
Eisenbahn-Gesangverein
Bei einem Gesangs- Wettstreit der Eisenbahnvereine vom Verband Halle in Finsterwalde errang die Gesangsgruppe des hiesigen Eisenbahnvereins den 2. Platz und damit 3. Freistellen im Kindererholungsheim des Verbandes im Riesengebirge und einen silbernen Pokal.
11. September
Branddirektor Mietzsch
Branddirektor Mietzsch ist von der Regierung in Merseburg in seiner Eigenschaft als Branddirektor bestätigt worden.
17. September
Kraftpost
Mit dem heutigen Tage tritt die langersehnte Kraftpostverbindung Düben-Delitzsch-Zwochau in Kraft. Die Kraftpost fährt zweimal am Tage hin und her. Der erste Wagen fährt von Delitzsch nach Düben um 10 Uhr ab. Des Sonntags soll der Wagen von Düben erst 5 Uhr nachmittag nach hier abgehen, sodaß den Heidebesuchern genügend Zeit zur Wanderung gegeben wird.
18. September
Neubau Körnerstraße
Die Stadtverwaltung plant neben dem bereits beschlossenen Neubau eines Zwölffamilienhauses auf dem Gelände Körnerstraße Ecke Roonstraße ein weiteres Achtfamilienhaus zu errichten. Die Bebauung des Geländes Roonstraße sieht dann noch die Errichtung eines Vierfamilienhauses vor, welches im nächsten Jahre zur Ausführung kommen soll. Damit würde seitens der Stadt in einer relativ kurzen Zeit die Fertigstellung von 24 Wohnungen in die Wege geleitet werden. Auch der Eisenbahnbauverein plant die sofortige Errichtung eines Sechsfamilienhauses in der Angerstraße.
30. September
Beschluß
Die Stadtverordnetenversammlung beschloß am Wasserturm 5 neue Brunnen zu bauen, von denen 2 sofort gebaut werden; ferner 15 neue Lampen zur besseren Straßenbeleuchtung und den Verkauf des Hauses Leipzigerstr. 1 an Eisenhändler Oskar Apitzsch.
6. Oktober
Flugtag
Der gestrige Flugtag hatte trotz der großen Entfernung des "Flugens" von der Stadt, nämlich in der Nähe der Spröde eine Menschenmenge auf die Beine gebracht, wie sie wohl kaum eine Veranstaltung in Delitzsch zu verzeichnen hatte. Mit dem Auto, Motorrad, Fahrrad und Pferdegeschirr war man gekommen, bei dem großen "Ereignis" dabei zu sein. Programmäßig folgten dann die Künstflüge, die Ballonjagden, die Luftkampfvorführung und zum Schluß der Fallschirmabsprung. Ganz besonders interessant war der Fallschirmabsprung. Nach diesem offiziellen Abschluß war das Interesse des Publikums für die Veranstaltung erloschen. In dichten Scharen strömte es der Stadt zu, und auf der Dübener Chaussee herrschte bei dem außerordentlichen starken Kraftfahrzeugverkehr an manchen Stellen beängstigendes Gedränge.
13. Oktober
Ostbund
Die Verdrängten aus den Provinzen Posen und Westpreußen haben sich in der neuen Heimat zu einen Bund zusammengeschlossen, welcher den Namen "Ostbund" führt. Auch in Delitzsch hat sich eine Ortsgruppe unter Führung vom Gastwirt Hermann Köhler gebildet. Diese Ortsgruppe beging am Sonnabend den 10. Oktober im Saale des Vereinslokals "Fürst Bismarck" ihr fünftes Stiftungsfest durch theatralische und humoristische Vorträge und Tanz. Gegründet war die Ortsgruppe von 8 Posenern, jetzt hat die Ortsgruppe 64 Mitglieder.
20. Oktober
Lettow-Vorbeck
Der tapfere Verteidiger von Deutsch-Afrika, General v. Lettow-Vorbeck, sprach am Sonnabend abend im "Schützenhof" über den Krieg in Deutsch-Ostafrika. Die Instrumentalvereinigung wartete zu Beginn des Abends mit einigen Märschen auf. Die Anwesenden folgten mit großer Spannung den interessanten Erzählungen des Vortragenden. Langanhaltender Beifall folgte den Ausführungen und stehend sangen die Anwesenden das Deutschlandlied.
3. November
Brisch
Der kommissarische Landrat Brisch ist vom Preußischen Staatsministerium zum Landrat des Kreises Delitzsch ernannt worden.
24. November
Gedächtniskirche
Unsere Kriegerehrung hat eine wesentliche Erweiterung erfahren. An der Gedächtniskirche ist ein großer Granitstein in einer Fensternische mit der Aufschrift "Krieger-Gedächtniskirche" angebracht worden. Jedem, der von der Straße her auf den Friedhof eintritt, fällt sie mit ihren kräftigen Schriftzügen in die Augen.
6. Dezember
Kreisfürsorgerin
Fräulein Emmy Hängerich aus Delitzsch ist als Kreisfürsorgerin für den hiesigen Kreis berufen. Sie ist beauftragt, als Familienfürsorgerin im Interesse der Säuglinge, Ziehkinder, Tuberkulosekranken, Klein- und Sozialrentner, Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen u.s.w. mit den örtlichen Behörden und Wohlfahrtsausschüssen zu verhandeln, die Eltern, Pflegeeltern, Kranken u.s.w. zu beraten, Hilfsbedürftige, Pflegekinder, Tuberkulose u.s.w. zu betreuen und besondere Beratungsstunden, Mütterabende u.s.w. abzuhalten.
9. Dezember
Typhus
In der Südstraße 9 hat sich ein Typhusfall ereignet, der leider den Tod des Patienten hervorrief. Die Gerüchte von einer Ausbreitung der Epidemie sind falsch. Seit vor Jahresfrist in der Elberitzstraße ein Typhusfall auftrat, sind keine neuen Erkrankungen an Typhus erfolgt. Die nötigen Desinfektionsmaßnahmen im Hause Südstraße sind bereits durchgeführt.
13. Dezember
Seminar zum Behördenhaus
Zwecks Verwendung des hiesigen Seminars fand am 8. d. Mts. eine Besichtigung des Seminars durch Ministerialvertreter aus Berlin und hiesige Behördenvertreter statt. Die Stadt wollte das Seminargrundstück samt dem Grundbesitz selbst erwerben, doch der Staat verhält sich ablehnend dagegen. Er ist nur bereit, der Stadt die Turnhalle und einen Teil des sogenannten Parkes der Stadt pachtweise zu überlassen. Das Gebäude selbst soll ein Behördenhaus werden. Im Seminargebäude sollen das Amtsgericht, die staatliche Kreiskasse, Katasteramt, Hochbauamt und evtl. das Finanzamt untergebracht werden.
22. Dezember
Zimmermeister Laue
Der Zimmermeister Hermann Laue sen., Wiesenstraße, begeht heute sein 35jähriges Geschäftsjubiläum. Am selben Tage arbeiten Zimmerpolier Ed. Richter aus Brodau 25 Jahre und der Zimmerer R. Petzoldt von hier 25 Jahre im gleichen Geschäft.
23. Dezember
Heldenbuch
Das Heldenbuch unserer Gefallenen ist nun fertiggestellt und wird in unserer Kriegergedächtniskirche an dem vorgesehenen Platze niedergelegt werden.
30. Dezember
Kommerzbank
Die Kassenstelle der hiesigen Kommerz- und Privatbank wird aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst und in Halle übernommen.
1926
6. Januar
Einwohnerzahl
Nach dem Stande vom 1. Januar 1926 gibt es in der Stadt Delitzsch 291 männliche und 82 weibliche Erwerbslose, also 378 Erwerbslose zusammen. Dazu treten 417 Zuschlagsempfänger (Familienangehörige der Erwerbslosen), sodaß insgesamt 790 Personen von der Erwerbslosigkeit betroffen sind.
8. Januar
Winkelmann
Das 50jährige Meisterjubiläum feiert heute der Bäckermeister Winkelmann. Er hat bereits am 1. Januar sein 50jähriges Bürgerjubiläum begangen und am 3. Weihnachtsfeiertag v. J. durfte er auch an der Seite seiner Gattin, im Kreise seiner Kinder und Enkel in guter Gesundheit seine goldene Hochzeit erleben. In einer Ansprache würdigte Obermeister Rehn die Verdienste des Jubilars, der 7 Jahre Schriftführer und 10 Jahre Obermeister der Innung war. Die Gründung der Bäckerkasse, die heute noch besteht, ist ihm zu verdanken.
15. Januar
Linde-Quartett
Das Linde-Quartett sang am Sonnabend den 9. Januar im großen Saal des Zoologischen Gartens in Leipzig zu einem Sängerkommers vor etwa 2000 Sängern. Den Sängern wurde ein stürmischer Beifall zu teil. Unsere Stadt kann mit Recht stolz sein auf das Quartett, das den Ruf der Stadt auf musikalischem Gebiet in der nahen und fernen Umgebung ganz beträchtlich erhöht.
17. Januar
Schüler
Der Schuhmachermeister Schüler hier, feierte gestern das 50jährige Bestehen seines Geschäfts.
6. Februar
Brisch
In letzter Nacht wurde Landrat Brisch vor dem Hause Münze 8 von mehreren Männern festgenommen und wegen angeblich groben Unfugs und nächtlicher Ruhestörung gewaltsam zur Polizeiwache gebracht. Der Landrat behauptet, daß er sich zu jener Zeit auf einem Spaziergange in der Münze befunden hat. Die polizeilichen Feststellungen sind noch nicht beendet.
11. Februar
Versetzung
Aus unterrichteten Kreisen hören wir, daß anscheinend an maßgebender Stelle eine Versetzung des Landrates Brisch, der dieserhalb vorgestern in Magdeburg weilte, in einen anderen Kreis erwogen wird, um allen Gerede, sei es nun wahr oder erlogen, den Boden zu entziehen.
1. März
Volkstrauertag
Die Reichsregierung hatte für Sonntag den 28. Februar fürs ganze Reich einen Volkstrauertag festgesetzt. Als um ½ 10 Uhr die Glocken zum Gottesdienst riefen, marschierten die vaterländischen Verbände in die Stadtkirche ein und stellten ihre Fahnen vor den Altar. Das Gotteshaus war dicht gefüllt. Pfarrer Noack hielt die Predigt. Nach dem Gottesdienst bewegte sich der Zug der Vereine nach der Gedächtniskirche, um dort einen Kranz niederzulegen. Am Abend wurde von Frau Dr. Kurtzhalß, dem Lindequartett und der Instrumentalvereinigung unter Leitung von Organist Sauerteig ein Kirchenkonzert veranstaltet.
2. März
Hindenburg
Heute morgen gegen 9 Uhr durchfuhr Reichspräsident von Hindenburg auf dem Weg zur Leipziger Messe mit Sonderzug unsern Berliner Bahnhof. Trotzdem der Zug nicht hielt, hatte sich um diese Zeit auf dem Bahnsteig eine größere Menschenmenge eingefunden. Der Reichspräsident stand am offenen Fenster, als der Zug in langsamen Tempo am Bahnhof vorbeifuhr. Die Menge brachte ihm lebhafte Ovationen dar.
18. März
Brisch
Landrat Brisch wird am Sonnabend den 20. März seinen hiesigen Posten verlassen, da er als Regierungsrat nach Düsseldorf versetzt worden ist. Sein Nachfolger, Regierungsrat Meister, der derzeitig im Preußischen Staatsministerium in Berlin beschäftigt ist, tritt seinen Dienst am Montag den 22. März an.
19. März
Pfarrer Noack
Pfarrer Noack hierselbst ist in Halle zum 4. Pfarrer von St. Johannes gewählt worden. Er wird bald unsere Stadt verlassen.
23. März
Elbritzbad
Der Umbau des Elberitzbades ist jetzt soweit aufgenommen, daß in Kürze etwa 30 Erwerbslose dort beschäftigt werden können.
24. März
Stadtverordneten-Sitzung
Gewerbeschullehrer Scharruhn ist als neuer Stadtverordneter heute eingeführt worden. Die Stadtmühle wird auf weitere sechs Jahre zu einem Pachtzins von 800 Mark an Landwirt Hönicke verpachtet werden. Die Zeichenstelle an der Mittelschule soll mit Frau Curth auftragsweise besetzt werden.
25. März
Muttertag
Ebenso wie im vorigen Jahre soll auch diesmal am 2. Sonntag im Mai ein Muttertag stattfinden. In erster Linie werden sich Schule und Kirche in den Dienst der Sache stellen.
27. März
Unglücksfall
Ein schwerer Unglücksfall mit tödlichem Ausgang ereignete sich gestern abend in der 10. Stunde auf Grube Ludwig. Der 20 Jahr alte Arbeiter Fritz Schmidt aus Delitzsch, Töpfergasse 2, welcher als Bremser beim Baggerzug tätig war, stürzte ab und geriet unter den Zug, wobei ihm das rechte Bein so schwer gequetscht wurde, daß seine sofortige Überführung nach dem Knappschaftskrankenhause Carlsfeld sich als notwendig erwies. Dort ist der junge Mann bereits heute morgen 4 Uhr seinen schweren Verletzungen erlegen.
30. März
Kreistag
Der gestrige Kreistag hatte eine Tagesordnung zu erledigen, die so ausgedehnt war, daß viele schauderten, wie lange Zeit ihre Erledigung wohl beanspruchen würde. Eine schwere Aufgabe hatte der neue Vorsitzende, kommissarischer Landrat Regierungsrat Meister übernehmen müssen, mußte er doch die sämtlichen Vorlagen nicht als sein eigenes Werk, sondern als Nachlaß seines Vorgängers, Landrat Brisch, vertreten. Doch mit bewundernswerter Schnelligkeit hatte sich Regierungsrat Meister in die neuen Materien eingearbeitet, und mit viel Geschick und parlamentarischer Routine verstand er es, als unparteiischer Beamter ruhig und sachlich den Kreistag zu leiten. Unter einem günstigen Stern stand die gesamte Sitzung. So kam man trotz der Unmenge der Tagesordnungspunkte schneller, als zu erwarten war, von der Stelle. Und diese Harmonie herrschte bis zum Schluß im gestrigen Kreistage.
3. April
Bismarckfeier
Die vaterländischen Verbände begingen auch in diesem Jahre wieder eine Bismarck-Geburtstagsfeier im Schützenhofe.
12. April
Treue Arbeit
Der Maurerpolier Robert Hirsch und der Maurer Wilhelm Merker erhielten gestern im Auftrage der Handelskammer durch Korbmachermeister Tauche eine Ehrenurkunde für 35jährige Arbeit im Baugeschäft von August Begers Nachfolger Albert Metzner überreicht.
29. April
Vereinsbank
Die Delitzscher Vereinsbank, deren Geschäftslokalitäten dem immer mehr steigenden Verkehr nicht mehr gewachsen waren, hat das danebenliegende Grundstück, Roßplatz 1, käuflich erworben, dessen vordere Räume ausreichend Platz für ein größeres Banklokal bieten. Auch die Stadt hat an der Förderung dieser Bank und ihrer Förderung ein ganz besonderes Interesse, denn diese Genossenschaft hat eine geschichtliche Bedeutung. Ihre Gründung bildet ein Ruhmesblatt für Delitzsch, denn die Delitzscher Vereinsbank ist bekanntlich die erste deutsche Kreditgenossenschaft gegründet von unserm berühmten Mitbürger Schulze Delitzsch.
21. April
Reichsgesundheitswoche
Der zweite Tag der Reichsgesundheitswoche stand im Zeichen der Aufklärung über die verheerendste aller Volkskrankheiten, die Tuberkulose, und der Schaffung von Mitteln zu ihrer Bekämpfung durch ein Wohltätigkeitskonzert. Der Gesangverein "Vorwärts" und eine Kapelle aus Halle gaben solche hervorragenden Leistungen, daß das zahlreiche Publikum mit dem Beifall nicht kargte. Der 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt begrüßte die Erschienenen und wies hin auf die Aufgabe der Reichsgesundheitswoche. Medizinalrat Dr. Laschke gab dann in seinen Vortrag einen Überblick über die Geschichte der Tuberkulose-Forschung und zeigte dann das Krankheitsbild selbst und seine verheerenden Wirkungen auf den menschlichen Körper. Nur gute Ernährung, Luft und Sonne, Schutz vor Erkältung und Maß- und Zielhalten in jeder Betätigung sind Vorbeugungs- und Bekämpfungsmittel.
23. April
Autogarage
Trotz des starken Autoverkehrs in Delitzsch mangelte es hier immer noch an Autogaragen. Jetzt hat die Firma Willibald Müller eine Garage in der Bismarckstraße Ecke Kohlstraße eingerichtet und dem Verkehr übergeben.
5. Mai
Boßdorf / Köhler
Am 1. Mai feierte Gastwirt Hermann Boßdorf, der am 1. Mai 1901 den Gasthof zum "Goldener Adler" übernahm und ihn bis auf den heutigen Tag in der bekannten bewährten Weise leitete, das 25jährige Geschäftsjubiläum. – Am gestrigen Tage beging der Hotelbesitzer Hermann Köhler, Hotel Fürst Bismarck, ein Doppeljubiläum, indem er an diesem Tage auf eine 30jährige Berufstätigkeit und zugleich auf eine 15jährige Selbständigkeit im Gastwirtsgewerbe zurückblicken konnte. – Am heutigen Donnerstag endlich begeht der Gastwirt Otto Schmidt sein 25jähriges Geschäftsjubiläum. Seine Selbstständigkeit begründete dieser Jubilar im Jahre 1901 in Werben und ist bereits seit vielen Jahren Besitzer der bekannten Gastwirtschaft zum "Goldenen Anker" in der Eilenburger Straße.
6. Mai
Maikäferplage
Die Maikäferplage ist in diesem Jahre ein Kapitel für sich und war schon lange vorher prophezeit. Alle Erwartungen sind aber übertroffen, und in vielen Gegenden sind die Maikäfer in großer Zahl dabei, sich an dem lachenden und saftigen Grün der Eichen, Kastanien und besonders der Obstbäume zu laben. Ihre vernichtende Arbeit ist auch in unserer Gegend festzustellen, und mancher Baum hat sein schmuckes Kleid mit einem recht armseligen vertauschen müssen. Man glaubte, daß sich die nagenden Käfer bei der in den letzten Tagen herrschenden Kälte einen tüchtigen Schnupfen holen würden. Darin hat man sich aber getäuscht, denn heute, wo es wieder etwas wärmer geworden ist, umschwirren sie schon wieder die Bäume. Es war deshalb zu begrüßen, daß sich die Behörden für die Vernichtung dieser Baumschädlinge einsetzten. Das war für viele Teile der Bevölkerung Anlaß, diese Vernichtung zu unterstützen. Auch in unserer Stadt wird eifrig gesammelt und bis jetzt sind bei der amtlichen Ablieferungsstelle 158 Zentner = 3.950.000 Stück eingebracht worden, wo ihnen der Garaus gemacht wird.
10. Mai
Elberitzbad
Die Arbeiten im Elberitzbad schreiten rüstig weiter. Augenblicklich sind 70 Arbeiter dort beschäftigt, sodaß zu erwarten ist, daß das Bad zum Beginn der Badesaison eröffnet werden kann. Ein Familienbad soll nicht eingerichtet werden; Der Badebetrieb wird getrennt für Damen und Herren zu bestimmter Zeit vor sich gehen. Um sportliche Veranstaltungen zu ermöglichen, wird auch ein Sprungbrett von etwa 2½ m Höhe gebaut werden . Bei der Anlage ist ein Bad geschaffen worden, welches zweifellos allen Anforderungen entspricht und sich ruhig den Bädern der benachbarten Großstädte zur Seite stellen kann. Sowohl was die Größe der Wasserfläche, die Schaffung von 2 Luftbädern, die Anzahl der Zellen und die einzelnen Einrichtungen anlangt, kann man hoffen, daß das Bad nicht nur allen Ansprüchen genügt, sondern darüber hinaus hygienischer Beziehung wertvolle Dienste leistet. Alle in der Neuzeit gesammelten Erfahrungen sind nutzbar gemacht worden. Aller Voraussicht nach wird der Badebetrieb am 1. Juni eröffnet werden.
22. Mai
Rohrbruch
Gestern morgen ereignete sich am Wasserwerk ein Rohrbruch. Es ist bis heute noch nicht gelungen, den Rohrbruch zu beseitigen, da erst Ausschachtungen bis zu 5 m Tiefe sich notwendig machen. Es steht zu erwarten, daß die Reparatur im Laufe des heutigen Nachmittags vorgenommen wird, sodaß es gegen Abend wieder Wasser gibt.
30. Mai
Mütterberatung
Der Magistrat hat im Lehrerkonferenzzimmer der Mädchenvolksschule eine Mütterberatungsstelle eingerichtet und lädt die Mütter der Stadt ein, von dieser Einrichtung regen Gebrauch zu machen. Beratungsstunden sind im Sommer von 4 – 6, im Winter von 2 – 4 nachmittags.
1. Juni
Skagerak
Der Marineverein Delitzsch u. Umg. feierte gestern im Schützenhof den Tag der 10jährigen Wiederkehr der Skagerakschlacht. Der reich geschmückte Saal sah eine ansehliche Menge von Freunden des Vereins. Auch viele Einwohner aus Stadt und Land hatten sich eingefunden, um die Bedeutung dieses ernsten und größten Treffens der jungen deutschen Flotte mit den Söhnen Albions würdig zu begehen. Ebenso hatten naturgemäß die Krieger- und Militärvereine und die Vaterländischen Verbände Abordnungen entsandt, so daß der Saal schließlich bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die Instrumentalvereinigung intonierte den Krönungsmarsch, und es erfolgte der Einmarsch der Fahnen und Flaggen. Ein Prolog knüpfte an die Schlacht von Skagerak ein und leitete über zu Gesangseinlagen des Lindequartetts. Darauf hielt Kontre-Admiral Stoelzel – Berlin die Festrede. Ein lebendes Bild, das von Mitgliedern des Marinevereins gestellt wurde, schloß sich an. Darauf ehrte Kontre-Admiral Stoelzel verschiedene Mitglieder des Vereins und Teilnehmer der Skagerakschlacht durch Überreichung einer Ehrenmünze und eines Diploms. Musik und Gesangvorträge schlossen sich an. Mit dem Abbringen der Fahnen endete die Feier.
1. Juni
Major Dr. Kuntze
Am 30. Mai ist einer unserer bekanntesten Mitbürger, der Königl. Oekonomierat, Major d. L. a. D. Dr. phil. Ludwig Kuntze durch den Tod entrissen worden, eine Arbeits- und Schöpfernatur, die nicht nur in unserem engeren Heimatgebiet, sondern weit darüber hinaus in der ganzen Provinz, ja auf dem Gebiete der Zuckerindustrie und des Rübenbaues in unserem ganzen deutschen Vaterland vorbildlich gewirkt hat. Ludwig Kuntze ist 1853 geboren und kam 1889 nach Delitzsch, um die beschlossene Errichtung einer Zuckerfabrik in Delitzsch durchzuführen. Die Leitung dieser Fabrik hatte Dr. Kuntze bis zum Jahre 1915 in Händen, worauf sie sein Schwiegersohn, Direktor Aumüller, übernahm. Die Entstehung der Delitzscher Rübensamenzucht ist auch seiner Anregung zu verdanken. Neben seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nahm Oekonomierat Dr. Kuntze reges Interesse an den Geschicken unserer Stadt. Der Stadtverordnetenversammlung gehörte er in den Jahren 1900 bis 1914 an. Seine besondere Fürsorge galt dem Kriegervereinswesen. Mit dem ihm im Tode vorangegangenen Stadtältesten Ernst Freyberg war Dr. Kuntze im Jahre 1893 Begründer und seit dessen Bestehen 1. Vorsitzender des Kreiskriegerverbandes Delitzsch.
7. Juni
Paul Gerhardts Todestag
Heute am 7. Juni sind 250 Jahre seit dem Todestage Paul Gerhardts vergangen. Das gab Anlaß zu einer Paul Gerhardt Feier, die gestern im Hauptgottesdienst stattfand. Sie möchte uns zum Bewußtsein bringen, welchen reichen Schatz von den schönsten und beliebtesten Kirchenliedern wir ihm verdanken. Frau Schimpf-Straube hatte freundlichst mitgewirkt. Abends 6 Uhr fand dann eine besondere Andacht im Kosebruch statt.
21. Juni
Schulze-Delitzsch Liedertafel
Unsere Schulze-Delitzsch Liedertafel, der älteste Männergesangverein unserer Stadt, beging Sonnabend den 19. und Sonntag den 20. Juni ihr 80. Stiftungsfest. Achtzig lange Jahre hat dieser Verein im Dienste des deutschen Männergesangs und der heimatlichen Geselligkeit gewirkt. Noch heute werden die Namen der alten Dirigenten Thierbach, Diedicke, Haupt, Prinz, Reime u.s.w. von den Vereinsmitgliedern mit Ehrfurcht genannt. Besonders unter seinem letzten Dirigenten, dem nunmehr von ihm scheidenden Musiklehrer Heine, war es ihm vergönnt, sein hervorragendes Können zu beweisen. In manchem Wettstreit hat er bewiesen, daß er ein nicht zu verachtender Gegner ist, der es wohl mit viel größeren Vereinen aufnehmen kann und auch am Sonnabend u. Sonntag sich alle Besucher von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen können. Das achtzigste Stiftungsfest gab der Schulze Delitzsch Liedertafel Gelegenheit, die befreundeten Vereine aus der näheren und ferneren Umgebung zu einem Wettstreit nach Delitzsch einzuladen. Neunundzwanzig Vereine mit hunderten von Sängern sind diesem Rufe gefolgt und waren in diesen Tagen Gäste unserer Stadt. Am Sonnabend abend fand im Schützenhaus ein Festkonzert statt ausgeführt von der Schulze-Delitzsch Liedertafel und einigen hervorragenden Solisten. Einen besonderen Teil des Abends nahm die Ehrung des scheidenden Chordirigenten Otto Heine ein. Es waren bewegende Augenblicke, die sich jetzt abspielten. Mit bebender Stimme schilderte der Vorsitzende, Messerschmiedemeister Hugo Henkel die großen Verdienste des Liedermeisters und überreichte zum Zeichen der Anerkennung dem Scheidenden einen großen vergoldeten Lorbeerkranz und eine wertvolle Kristallbowle. Der Geehrte selbst fand nur wenige tränenerstickte Worte des Dankes. Am Sonntag fand dann der Wettstreit der Gesangvereine statt. Er begann in den Morgenstunden und zog sich in die Nachmittagsstunden hin. Es wurde hier Beachtenswertes geleistet, und man konnte gute Männerchöre auch von ländlichen Vereinen hören. Als Abschluß der beiden Festtage fand dann im Schützenhause von abends 7 Uhr ab ein Sängerkommers statt. Die Musik stellte die Musik- bzw. Instrumental-Vereinigung. Die Liedertafel gab noch manch gutes Lied zum Besten. Die Festrede hielt Pfarrer Noack, jetzt in Halle. Darauf ergriffen verschiedene Brudervereine das Wort und beglückwünschten den Jubelverein zu seinem Ehrentage. Erst gegen Mitternacht verließen die Teilnehmer die gastliche Stätte jeder mit dem Bewußtsein, schöne Stunden unter den Sängern der Liedertafel verlebt zu haben.
29. Juni
Das Wasserwerk
Die neue Brunnenanlage im Wasserwerk geht nun nach und nach ihrer Vollendung entgegen. Es handelt sich um einen Bau, wie er bei den Städten unserer Umgebung noch nicht vorgekommen ist. Das erste Bohrloch, daß bis zu einer Tiefe von 15 Metern in die Erde getrieben ist, hat einen Durchmesser von 1,50 Meter, die zweite Bohrung mit 1,20 Meter Durchmesser wird bis zu 25 Metern getrieben und gibt damit die Tiefe des Brunnens an. Die bisher hier angelegten Brunnen hatten höchstens eine Bohrweite von 50 Zentimeter. Das soll allerdings nicht bedeuten, daß man bei der früheren Anlage kurzsichtig gewesen sei. Die technischen Hilfsmittel waren eben noch nicht so weit, man hätte dann den Brunnen gebaggert und ausgemauert. Der neue Brunnen und ein noch zu errichtender sollen nun garantieren, daß Delitzsch vorläufig nicht in Wasserschwierigkeiten gerät. Ein Mangel besteht allerdings noch in unserer Wasserversorgung. Wir besitzen in Delitzsch stark eisenhaltiges Wasser. Unsere Enteisungsanlage reicht aber bei dem starken Wasserverbrauch nicht mehr aus, und die Folge ist ein ständiger Verschleiß der Leitungsröhren. Darum haben wir auch jetzt die ständigen Reparaturen an unserem Wasserleitungsnetz. Die Aufgabe wird sein, im Wasserwerk einen Schnellfilter zu schaffen, denn eine Erweiterung der Enteisungsanlage ist bei der Art des Baues des Gebäudes nicht möglich. Das Wasserwerk wird also bei steigendem Wasserverbrauch wie in jeder Stadt immer das Sorgenkind der städtischen Verwaltung bleiben. Der diesjährige Peter- Pauls Markt ist reichlich mit Verkaufsständen besetzt, der Marktplatz, die Breite Straße, die Eilenburger Straße, der Roßplatz und der Schützenplatz zeigen ein buntes, ungewohntes Bild.
1. Juli
50jähriges Lehrerjubiläum
Am Sonntag den 27. Juni versammelten sich von 21 Zöglingen des Seminars zu Delitzsch, 1. Jahrgang 1873 – 1876 von 11 noch lebenden folgende 9: Brendecke, Gottschalk, Hille, Jahn, Mennicke, Rudolph, Schönlein, Thinius und Wörmke zu einer würdigen Jubiläumsfeier. 50 Jahre waren vergangen, seit sie das Seminar verlassen hatten. Treffpunkt war das Hotel zur Linde. Dann wurden die Gräber der Seminarlehrer Musikdirektor Kuntze, Hummel und Oberlehrer Schröter besucht und mit Blumen geschmückt. Nun wanderte die kleine Schar durch die Stadt an altbekannten Stätten vorbei zurück zur Linde zur eigentlichen Feier. Hier wurden nun Erlebnisse ausgetauscht. Auch zwei Tafellieder stiegen, nach deren Absingen die Dichter Rudolph - Weißenfels ein geborener Delitzscher und Gottschalk - Eisleben, mit einem durch den Saal brausenden Applaus geehrt wurde. Nur zu schnell kam die Scheidestunde. Aber in 2 Jahren wollen sie sich hier wieder treffen.
9. Juli
Unwetter
Wie schon mehrmals in diesem Jahr ging in der gestrigen Abendstunde abermals ein äußerst heftiges Gewitter, verbunden mit stärksten Niederschlägen über Delitzsch und Umgebung nieder. Die Kanäle faßten die Wassermassen nicht, und diese sprengten in verschiedenen Grundstücken die Röhren. Die Folge waren umfangreiche Überschwemmungen von Kellern und einzelnen Straßenteilen. Am schlimmsten hauste das Wasser in der Feldstraße, wo es teilweise über einen Meter in den Stuben stand. Hier stürzte eine Wand des mittelsten Hauses ein. Daraufhin wurden die drei Häuser polizeilich geräumt.
12. Juli
Vereinsbank
Die Delitzscher Vereinsbank hatte am Sonnabend ihre Genossen und Geschäftsfreunde zu einer schlichten Einweihungsfeier ihres neuen Grundstückes und zugleich zur Feier des 75jährigen Bestehens des Unternehmens versammelt. Es sprachen bei dieser Feier der derzeitige Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bank, Justizrat Schulze, Schlossermeister Wandt, 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt, Dr. Eichhorn, der Vertreter des Thür. Genossenschaftsverbandes, Dr. Lang und Bäckermeister i. R. Platen.
22. Juli
Der Kreistag hat in Sprotta zur Einrichtung eines Kindererholungsheimes das Grundstück der Frau Paas - Leipzig durch notariellen Kaufvertrag erworben. Nach technischen und medizinischen Gutachten sind Umbauten erforderlich. Der Kreistag bewilligt die Mittel dazu in Höhe von 21.000 M. zu den bereits bewilligten 14.000 M.
28. Juli
Hauskauf / Marienfriedhof
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, das Haus der Witwe Ulrich in der Feldstraße, das bei dem letzten Unwetter erheblichen Schaden erlitten hat, für 1.000 Mark zu kaufen. Die Mauer des Marienfriedhofes soll niedergelegt werden. Der Provinzialkonservator hat dagegen Einspruch erhoben, weil mit ihr ein historisches Denkmal schwindet. Die Versammlung ist aber der Ansicht, daß man ein schöneres Stadtbild schaffen kann, wenn man die Mauer niederlegt. Dem Marienfriedhof soll der Charakter als Friedhof genommen werden, um ihn in einen Park umzuwandeln. Die Niederlegung der Mauer wurde beschlossen.
29. Juli
Typhus
In der Wiesenstraße sind mehrere Fälle von Typhuserkrankungen vorgekommen. Die Erkrankten sind nach Halle gebracht worden. Es handelt sich um eine Herdinfektion. Für weitere Kreise besteht keine Gefahr. Bisher ist ein Todesfall vorgekommen.
6. August
In der Elberitzmühle werden die Badezeiten von jetzt an so gelegt, daß jeden Nachmittag Familienbad-Gelegenheit gegeben ist. Dadurch soll insbesondere auch den berufstätigen Personen die Möglichkeit gegeben sein, das Bad täglich zu benutzen.
13. August
Postautolinie Delitzsch-Schkeuditz
Am gestrigen Donnerstag fand die Eröffnungsfahrt der neuen Postautolinie Delitzsch = Schkeuditz statt. Drei vollbesetzte Postkraftwagen holten den für die Delitzscher Teilnehmer bestimmten Eilenburger Wagen hier gegen ½5 Uhr nachmittags ab und ohne Rast ging die Fahrt dann flugs nach Schkeuditz. In Schkeuditz versammelten sich die Insassen der vier Kraftpostwagen im Ratskeller zu einer kleinen Einweihungsfeier. Es sprachen Oberpostrat Meyer von der Oberpostdirektion Halle, Stadtrat Petzold - Schkeuditz, Landrat a. D. Raute - Eilenburg, 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt - Delitzsch und Dr. Kloß im Namen des Kreises Merseburg. Alle wünschten, daß die neue Linie, die heute ihren Verkehr aufgenommen hat, recht regen Besuch findet, damit sie als ständige Einrichtung beibehalten werden kann.
14. August
Seminar
Infolge der anderweitigen Verwendung des Seminars und des damit verbundenen Umbaus besteht die Gefahr, daß die "Seminarkriegerehrung" von der jetzigen Stelle entfernt werden muß. Die ehemaligen Schüler unseres Seminars haben daher in ihrer letzten Versammlung beschlossen, in dieser Angelegenheit alle Schritte zu unternehmen, um die Seminarkriegergedächtnisstätte an Ort und Stelle zu belassen.
23. August
Fricke
Am gestrigen Sonntag verstarb in einer Leipziger Klinik nach längerem schweren Leiden der langjährige erste Bürobeamte unserer Stadtgemeinde, der Stadtoberinspektor Gustav Fricke im 58. Lebensjahre. Mit ihm scheidet wieder eine Persönlichkeit aus unserem öffentlichen Leben, deren Wirken weit über den engeren Beruf spürbar war. 1895 kam er zur Stadtverwaltung nach Delitzsch, zunächst als Polizeisekretär, bereits 1897 wurde er Stadtsekretär und in demselben Jahre bestellte ihn die Stadtverordnetenversammlung zu ihrem Protokollführer. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode. Ein besonderes Verdienst hatte sich der Verstorbene als Begründer des Delitzscher Adreßbuchs erworben, dessen Herausgeber er in mehreren Auflagen seit 13 Jahren war. Auch sonst bekleidet Fricke verschiedene Ehrenämter der Stadt.
27. August
Die Schwäne
DieZierde unserer Stadt, die Schwäne sind nicht mehr. Der Schwan hatte schon seit Wochen Ausflüge in die Umgegend unternommen. Seit längerer Zeit ist er nun nicht nach Delitzsch zurückgekommen. Er schwimmt irgendwo auf einem Teich der Umgebung. Die Schwänin suchte nun ihren Gefährten. Bei einem solchen Ausfluge fand sie nahe am Stadtgraben den Tod in der elektrischen Leitung. Es war unterlassen worden, den Schwänen die Flügel zu beschneiden.
6. September
60jähriges Bäcker-Jubiläum
Am gestrigen Sonntag beging der Bäckergesellen Verein "Früh Auf" sein 60jähriges Fahnenjubiläum. Der Festtag wurde am Vormittag eingeleitet durch den Empfang einer großen Anzahl auswärtiger Vereine. Die zahlreichen Bäckergesellen mit ihren weißen Mützen gaben dem Leben und Treiben der Stadt einen besonderen Anstrich. Um 2 Uhr bewegte sich dann ein großer Festzug mit 15 Vereinen und 14 Fahnen durch mehrere Straßen unserer Stadt, die im Festschmuck prangten. Auf dem Schützenhof, wohin sich der Festzug bewegte, herrschte bald eine richtige Feststimmung, die durch ein Preisschießen und eine große Tombola noch vergrößert wurde. Im Schützenhofsaal fand dann nach einem reichhaltigen Festprogramm die eigentliche Jubiläumsfeier statt. Mit Konzert und Festball fand die Feier ihr Ende.
15. September
Fricke und Engeleiter
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde an Stelle des verstorbenen Stadtoberinspektors Fricke der Beamtenanwärter Engeleiter als Protokollführer gewählt und verpflichtet. Außerdem beschloß die Stadtverordnetenversammlung weiteres Baugelände in der Gutenberg- und Damaschkestraße auszugeben und die Damaschkestraße durchweg in einer Breite von 9 Meter durchzuführen.
23. September
Oelschlägel
Direktor Oelschlägel begeht heute sein 25jähriges Dienstjubiläum bei der Thüringer Gasgesellschaft. Als eine bescheidene kleine Gasanstalt wurde das heutige große Ferngaswerk im Jahre 1876 von der Stadtgemeinde Delitzsch erbaut. Da die Gasanstalt weniger prosperierte, verkaufte die Stadt ihr Sorgenkind an die Stettiner Schamottfabrik vorm. E. Diedger, Stettin, in deren Verwaltung sie bis zum Jahre 1904 verblieb. Am 1. September 1904 ging das immer noch kleine Gaswerk käuflich in den Besitz der Thüringer Gasgesellschaft über. Unter bewährter Leitung des jetzigen Direktors A. Oelschlägel wurde nunmehr das kleine, der Zeit nicht mehr entsprechende Gaswerk erstmalig im Jahre 1906 von Grund auf umgebaut und späterhin nochmals ganz gründlich modernisiert, so daß es heute als vorbildliches Ferngaswerk bezeichnet werden kann.
9. Oktober
Strafanstalt
Die Strafanstalt, zu der das Schloß verwandt wurde, wird nunmehr aufgelöst, und der Abtransport der Gefangenen sowie die Versetzung der Beamten werden bis November erledigt sein. Was in Zukunft mit dem Schloß geschehen soll, steht heute noch nicht fest.
10. Oktober
Pfarrer Suckert
An Stelle des nach Halle verzogenen Pfarrer Noack wurde vom Magistrat, dem die Besetzung der 3. Pfarrstelle in Delitzsch obliegt Lic. theol. Walter Suckert aus Taftungen Kreis Worbis gewählt. Sonntag den 3. Oktober fand nun die Einführung des neuen Pastors im feierlichen Gottesdienst in Gegenwart der sehr zahlreich versammelten Gemeinde durch Superintendenten Hobbing statt.
8. November
Kirchenkonzert
Zum Besten der Gemeindepflege in Delitzsch fand gestern in der Stadtkirche ein Kirchenkonzert statt, das erfreulicher Weise recht gut besucht war. Als Mitwirkende hatten sich Käte Schimpf-Straube (Alt), das Mitglied des Leipziger Gewandhausquartetts Karl Wolschke (Violine) und Musikdirektor Willy Straube - Wittenberg (Orgel) in den Dienst der Sache gestellt. Willy Straube ist ein Meister der Orgel und zeigte besonders sein großes Können in dem Vortrag der Toccate und Fuge von J. F. Bach. Käte Schimpf-Straube verfügt über eine gutgepflegte Altstimme, deren voller Ton sich besonders für Kirchenmusik eignet. In Karl Wolschke lernten wir einen äußerst sympathischen Violinvirtuosen kennen, der in jeder Beziehung sein bezaubernd schön tönendes Instrument meistert. Das Konzert war ein Ereignis für Delitzsch.
10. November
Jubiläum Robert Adam
Am heutigen Tage feiert das über die heimatlichen Grenzen hinaus bekannte Polstermöbel- und Dekorationsgeschäft Robert Adam sein 25jähriges Bestehen. Gleichzeitig kann der Begründer und Inhaber der Firma sein 35jähriges Berufsjubiläum begehen. Sattlermeister Robert Adam hat es verstanden, sein Geschäft aus kleinsten Anfängen heraus aus eigener Kraft durch berufliche Tüchtigkeit auf die jetzige Höhe zu bringen. Im Jahre 1907 kaufte er das jetzige Geschäftshaus neben Hotel zur grünen Linde. Hier konnte er sich in großzügiger Weise dem Linoleum- und Ledergeschäft widmen. Besonders erweitert wurde auch die Teppich-, Gardinen- und Dekorationsabteilung. So kann sich heute Adams Geschäftshaus mit gleichartigen der Großstadt voll messen.
15. November
Das Schloß
Das Delitzscher Schloß, das durch den Fortzug seiner Insassen das öffentliche Interesse erweckt hat, erlebte im 17. Jahrhundert durch die Residenz der Herzoginwitwe Christiane eine ganz besondere Blütezeit. Die heute noch im Schloß erhaltenen prächtigen Kamine, Parkettfußböden sowie die vereinzelten Möbel im Delitzscher Museum legen Zeugnis ab von der damaligen Pracht und Herrlichkeit. Doch bald nach dem Tode der letzten Herzogin bezog das Justizamt die Schloßgebäude. Die prächtigen Möbel wurden verkauft, und es hat damals wohl kaum ein Delitzscher Haus gegeben, in welchem nicht Möbel aus dem Schlosse sich befanden. Einen aus diesen Tagen stammenden Stuhl hat die Firma Robert Adam anläßlich ihres Geschäftsjubiläums erneuert. In seiner fast 200jährigen Vergangenheit hat der Stuhl viel erleben müssen, bis er endlich bei einem Nachlaß in der Lindenstraße im argem Zustande aufgefunden wurde. Nun hat er seine ursprüngliche Form wieder und ist Mittelpunkt der Jubiläumsausstellung geworden.
27. November
60jähriges Jubiläum des Vaterländischen Frauenvereins
Der Vaterländische Frauenverein vom Roten Kreuz, Zweigverein Delitzsch beging gestern das 60jährige Jubiläum seines Bestehens. Der Schwan-Saal war überfüllt. Die Vorsitzende Frau Direktor Aumüller ging in ihrer Begrüßungsansprache auf die Entstehungsgeschichte des Vereins ein. Im Namen des Verbandes der evangelischen Frauenhilfe im Kreise Delitzsch überbrachte Frau Geheimrat von Busse die herzlichsten Grüße und aufrichtigsten Glückwünsche dem Jubilar. Superintendent Hobbing sprach im Namen der Ephorie Delitzsch dem Verein seine Glückwünsche aus. Auch der Vertreter der katholischen Gemeinde, Pfarre Köhne, beglückwünschte den Verein zu seinem Geburtstag. Schließlich hob auch Frau Hauptmann Krause im Namen des Luisenbundes die segensreiche Wirkung des Vereins hervor. Die Festrede hielt dann Pfarrer Kohlmann. Darauf begann der unterhaltende Teil, dem neben der Jugendgruppe des Vaterländischen Frauenvereins das Lindequartett sowie Annegret Winzer - Columbara (Sopran) bestritten. Seinen Abschluß fand der Abend mit einem von der Jugendgruppe dargestellten Märchenspiel "Dr. Allwissend".
3. Dezember
Karl Gräfe
Der in Stadt und Land weit bekannte Kürschnermeister Karl Gräfe begeht heute sein 40jähriges Geschäftsjubiläum. Am 3. Dezember 1886 gründete er sein Geschäft und hat es durch eisernen Fleiß und strenge Reelität zu einem achtungsgebietenden Geschäft seiner Branche gebracht. Mit dem Korbe auf dem Rücken verkaufte der Jubilar zuerst in dem Bitterfelder Grubenbezirk seine Mützen. Im Jahre 1902 fügte er dem schon gewachsenen Betrieb eine Damenabteilung zu, und heute steht das Geschäft führend am Platze.
6. Dezember
Die gefährliche Ecke
Gestern hat sich abermals an der gefährlichen Ecke Kohl- und Bismarckstraße ein Zusammenstoß zugetragen. Da diese Unglücksfälle an der besagten Ecke zu dem "wöchentlichen Ereignis" gehören, sind unbedingt Maßnahmen zur Abstellung dieser Übelstände nötig. Die Verkehrsdeputation hat sich nun auch bereits mit dieser Angelegenheit befaßt. Die Durchfahrt von der Holzstraße nach der Bismarckstraße wird für jeden Fahrverkehr gesperrt und sämtliche Fuhrwerke sollen von der sogenannten schiefen Brücke über die Rathenaupromenade nach dem Roßplatz umgeleitet werden. Von der Bismarckstraße kommende Fahrzeuge müßten die Kohlstraße, den Roßplatz und die Rathenaupromenade passieren, wenn sie nach der Kohlstraße wollen. Zumeist wird aber ein solcher Umweg nicht nötig sein, da durch Tafeln gekennzeichnet und an dem Eisenbahnübergang an der Beerendorfer Straße aufgestellt, der Durchgangsverkehr von Eilenburg nach Halle künftig sich kaum noch in der Bismarckstraße verirren, sondern sogleich seinen Weg durch die Eilenburger - Breitestraße, Markt nehmen dürften.
7. Dezember
Meisterjubiläum Exner - Becker
Schuhmachermeister Wilhelm Exner feierte am Sonntag sein 50jähriges Meisterjubiläum. Von allen Seiten wurden dem Jubilar zahlreiche Glückwünsche und Ehrungen zuteil. Die Handwerkskammer ließ ihm durch Stadtrat Tauche den Ehrenmeisterbrief überreichen und außerdem ein Ehrengeschenk. Am heutigen Tage feiert Schuhmachermeister Becker, Pfortenplatz, sein 50jähriges Meisterjubiläum. Auch hier vertrat Stadtrat Tauche die Handwerkskammer und überreichte Ehrenmeisterbrief und Ehrengeschenk.
27. Dezember
Neubau des Seminars
Der preußische Finanzminister hat nunmehr durch Verfügung vom 21. Dezember verordnet, daß unverzüglich mit dem Umbau des Seminargebäudes zu Delitzsch begonnen werden soll. Um diesen Umbau geht seit geraumer Zeit ein heftiger Streit zwischen dem Staat und unserer Stadtverwaltung, der nun zu ungunsten der Stadt entschieden worden ist. Wie verlautet, wird neben den staatlichen preußischen Behörden auch das Finanzamt, eine Reichsbehörde in dem Seminar Unterkunft finden, das zu diesem Zwecke natürlich vollständig umgebaut werden muß. Wann die Bauarbeiten beginnen, steht im Augenblick noch nicht fest, doch rechnet man damit, daß man schon im Februar des nächsten Jahres nach Erledigung der nötigen Vorarbeiten mit dem Umbau anfangen kann.
1927
5. Januar
Seminarturnhalle / Typhus
Die Regierung hatte laut Verfügung der Stadt die Benutzung der Seminarturnhalle entzogen. Heute ist nun dem Magistrat mitgeteilt worden, daß die Seminarturnhalle der Stadt wiederum für das Schulturnen zur Verfügung gestellt wird. In der Wiesenstraße ist wieder ein Typhusfall festgestellt worden. Die erkrankte Frau wurde nach dem Krankenhaus überführt.
15. Januar
Typhus
In der Elbritzstraße 17 ist ein 18jähriger Arbeiter an Typhus erkrankt. Er wurde nach dem Krankenhaus überführt. Sämtliche polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen sind getroffen worden.
17. Januar
Eine "lebhafte Hochzeitsfeier"
In der Schulstraße feierte man in lebhafter Stimmung Hochzeit. Es scheint dabei recht geräuschvoll zugegangen zu sein, denn ein Mitbewohner verbat sich den Lärm. Die Hochzeitsgesellschaft war erbost über diese "unliebsame" Einmischung, stieg mit einer Leiter zu dem Ruhegebietenden hinauf und warf ihn angeblich vom Dache aus auf die Straße. Gewiß eine temperamentvolle Art und Weise, sich eines "Störenfriedes" zu entledigen. Die polizeilichen Ermittlungen sind noch im Gange. Die Verletzungen des an die Luft beförderten soll nicht sehr erheblich sein.
19. Januar
Landkauf / Feldstraße / Leipziger Straße
Die Stadt hat einen an der Nordstraße gelegenen Feldplan aus dem Konkurs des Weidenschälereibesitzers Krüger erworben und ihn vorläufig an Molkereibesitzer Hebestreit verpachtet. Zur Gradelegung der Feldstraße hat mit dem Alteisenhändlers Kratz ein Geländeaustausch stattgefunden. Die Leipziger Straße wird von der Gartenstraße bis zur Rathenaupromenade und Ehrenbergpromenade neu gepflastert.
9. Februar
Alarmanlage
Der lang gehegte Wunsch der Feuerwehr, eine Alarmanlage zu beschaffen, ist nun in Erfüllung gegangen. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß einstimmig, der Feuerwehr zu den Einrichtungen zu verhelfen, die sie unbedingt gebraucht. Es wird außer einer Bronzeglocke, die vom Breiten Turm aus in Fällen der Not ihre Hilferufe ertönen lassen wird, eine Anlage geschaffen, die von der Polizeiwache aus betätigt wird und gleichzeitig eine ganze Anzahl Feuerwehrleute alarmiert.
18. Februar
Einwohnerzahl
Ende des Jahres 1926 ist die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch weiter gestiegen und hat erstmalig die 15000 überschritten; Sie beträgt gegenwärtig 15092 Personen.
17. Februar
Pestalozzifeier
Heute ist die 100. Wiederkehr des Todestages Pestalozzis. Zur Erinnerung an diesen Gedenktag fällt heute in allen Schulen der Unterricht aus. Es werden dafür Schulfeiern abgehalten, zu denen auch die Eltern eingeladen sind.
22. Februar
Grippe
Bei der Allgemeinen Krankenkasse für Stadt und Kreis Delitzsch waren am 20. Februar 140 Grippefälle gemeldet. Die dafür aufzuwendenden Mehrausgaben betrugen wöchentlich über 4000,- Mark. Ein Abflauen der Grippe ist noch nicht festzustellen.
25. Februar
Karl Krumpe
Dem Sozietäts-Obersekretär Karl Krumpe wurde durch Beschluß des Verwaltungsrats der Landfeuersozietät der Provinz Sachsen das bisher vertretungsweise wahrgenommene Amt als Kreiskommissar der Sozietät für den Kreis Delitzsch entgültig übertragen.
26. Februar
Der heutige morgen 6.26 Uhr nach Halle fahrende Schülerzug fuhr unweit des Südstellwerks an der Zuckerfabrik auf einen haltenden Güterzug auf. Durch den Anprall wurden vier Wagen des Güterzuges beschädigt, während die Maschine des Personenzuges an den Puffern Beschädigungen erlitt. Nach eineinhalbstündiger Verspätung fuhr der Zug mit einer neuen Maschine weiter. Einige Personen haben leichte Verletzungen, doch konnten alle ihre Reise fortsetzen. Schuldig sind der Fahrdienstleiter und der Weichenwärter. Letzterer hatte die Weihe unrichtig gestellt.
9. März
Stadtv. Sitzung
In der heutigen Stadtverordneten-Sitzung wurde beschlossen, für die städtischen Arbeitnehmer eine Ruhegehaltskasse zu schaffen und das Freibad des Elbritzteiches durch Bau von neuen Kabinen zu erweitern. Die begonnene Schlämmung des Stadtgrabens wird etwa drei Monate dauern.
28. März
Beethovenfeier
Am 26. März war der 100jährige Todestag eines unserer größten Meister in der Musik, Ludwig van Beethoven. Diesen Tag zu feiern, war unserem Delitzscher Publikum gestern den 27. März in der Stadtkirche Gelegenheit gegeben worden durch ein Chorkonzert des Männergesangvereins "Arion" unter Leitung von Kurt Linde. Wir hörten da so manches schöne Chorlied, das uns Beethoven hinterlassen hat. Die Begleitung auf der Orgel hatte Lehrer Richter übernommen. Auch das Linde-Quartett hatte sich in den Dienst der Feier gestellt und erfreute mit dem Vortrag zweier alter Lieder, die ebenfalls recht ansprechend zum Vortrag kamen. Der Festabend in der gut gefüllten Stadtkirche war eine rechte Feierstunde zum Andenken an den großen Wiener Komponisten. Die Oberrealschule hatte am Sonnabend, dem 100. Todestage Beethovens vormittags eine eigene Beethovenfeier veranstaltet. Die Schulze-Delitzsch-Liedertafel hält am Donnerstag den 31. März im Schwan einen Konzertabend ab. Auch dieser Abend soll zugleich dem Gedächtnis unsers großen Komponisten Beethoven geweiht sein.
31. März
Nach Beendigung der Stadtgrabenschlämmung soll auf dem also beliebten Graben die Möglichkeit zu Gondelpartien geschaffen werden.
4. April
Strafanstalt
Die hiesige Strafanstalt , welche seit 66 Jahren bestand, ist wie bekannt, aufgelöst. Nachdem am 29. März die letzten Gefangenen, deren Hilfe man bei der Abrüstung der Anstalt noch bedurfte, andern Anstalten zugeführt waren, übernahm vom 1. April ab die allgemeine Finanzverwaltung die Liegenschaften der ehemaligen Strafanstalt aus den Händen der Justizverwaltung. Mit der Verwaltung der Grundstücke wurd das Hochbauamt hierselbst betraut. Der bisherige Leiter der Strafanstalt Strafanstaltsvorsteher Gayda trat mit dem gleichen Tage in den Ruhestand, während die beiden einzigen noch verbliebenen Beamtinnen, die Oberin Frl. Petersohn und die Hausmutter Frl. Kitzelmann nach Magdeburg versetzt wurden. Welcher Bestimmung das Schloß und seine Nebengebäude künftig zugeführt werden, ist noch niemanden klar.
6. April
Motorspritze / Kleinbahn
In der heutigen Stadtverordneten–Sitzung wurde die Beschaffung einer Motorspitze für die Feuerwehr beschlossen. Es soll ein Darlehn in Höhe von 10.000 Mark auf 30 Jahre aufgenommen werden, das nur mit 4% verzinst und zu 2% amortifiert zu werden braucht. Wir werden also in etwa 3 Monaten, nachdem die bekannte Firma Fischer in Görlitz die Spritze geliefert hat, wieder die Geräte für die Feuerwehr haben, die sie unbedingt gebraucht, um voll auf der Höhe zu sein. Die Stadt hat Einspruch erhoben gegen die Linienführung und Baupläne der Kleinbahn Delitzsch–Glesien–Rackwitz. Mit Recht wird in diesem Einspruch hervorgehoben, daß die Loberwiesen durch den Bahndamm verschandelt würden. Die Stadt schlägt vor, die Bahn in Gertitz enden zu lassen und die Fahrgäste mittels Autos nach den beiden Bahnhöfen zu bringen.
23. April
Die Einholung der Feuerglocke fand gestern nachmittag statt. Auf einem mit Tannengrün geschmückten Rollwagen wurde die 6 Zentner schwere Stahlglocke nach dem Breiten Turm gebracht. Einige Vertreter der Stadt und des Stadtverordnetenkollegiums waren anwesend. Von mehreren Männern wurde die Glocke dann an den Ort seiner Bestimmung transportiert. Hoffentlich ist es nicht so bald nötig, daß sie in Aktion tritt.
25. April
Unfall
Am 24. April nachmittags gegen 7 Uhr verließen zwei Damen (Mutter und Tochter) welche sich von Stralsund aus auf der Reise nach Leipzig befanden, auf hiesiger Station den Zug, weil sie angeblich durch Mädchenhändler verfolgt wurden. Ein hiesiges hier Nordstraße 7 wohnhaftes Ehepaar nahm sich aus Mitleid der beiden Damen an, indem sie ihnen Nachtquartier zu Verfügung stellten. Am 25. April gegen 3 Uhr morgens stürzten sich die beiden Damen in einem Anfall von Verfolgungswahnsinn unbemerkt aus dem Fenster der im 1. Stock belegenen Wohnung, wodurch sie schwere Verletzungen erlitten, welche die Überführung nach dem hiesigen Krankenhause erforderlich machte. Die Verletzungen sind nicht lebensgefährlich. Die beiden Verletzten gaben an Frau und Tochter des Justizobersekretärs Menge aus Stralsund zu sein. Die Tochter erlitt durch den Sprung Hautabschürfungen und Armbrüche; die Mutter, die auf die Tochter fiel hat infolgedessen nur leichtere Verletzungen.
25. April
Die Einsprüche und Hinweise der Stadt, das hiesige Seminar wieder Schulzwecken zuzuführen, haben kein Gehör gefunden. Wie jetzt bekannt geworden ist, haben sich die zuständigen Stellen des Reiches und Preußens nun dahin geeinigt, in dem ehemaligen Seminar nicht nur die preußischen Behörden, das Amtsgericht, Hochbauamt für die Kreise Delitzsch und Bitterfeld, die staatliche Kreiskasse u.s.w. unterzubringen, sondern auch das Finanzamt. Die letzten Verhandlungen mit dem Landesfinanzamtspräsidenten in Magdeburg stehen kurz vor dem Abschluß. Das Seminargebäude wird also zum Behördenhaus ausgebaut werden, in das alle bisher in der Stadt verstreuten Behörden umziehen.
4. Mai
Sanitätsauto / Krankenhaus
Die Stadt bewilligt der Freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz zur Anschaffung eines Krankenautos eine Beihilfe von 1.000 Mark. Die Stadtverordneten beschäftigen sich in der heutigen Sitzung mit dem Plan eines Krankenhausneubaus. Das Delitzscher Krankenhaus genügt in seinem heutigen Zustand den gestellten Anforderungen nicht mehr. Man geht, wie wir hören, von der sehr wichtigen Erwägung aus, daß bei einer Erweiterung des Krankenhauses die ja notwendig ist wenn man ein modernen Ansprüchen genügendes Krankenhaus zu schaffen für nötig hält – ein Neubau an einem außerhalb des Weichbildes der Stadt gelegenen großen Komplex besser ist, als Anbauten und Umbauten, die niemals etwas vollkommenes hervorbringen werden.
5. Mai
Motorspritze
Die von der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr bereits gekaufte Motorspritze wird, ehe sie in Delitzsch einzieht, auf der Breslauer Ausstellung gezeigt werden. Aber nicht nur unsere Stadtfeuerwehr erhält die lang ersehnte Motorspritze. Auch die Feuerwehr des Eisenbahnausbesserungswerkes hat bei der zuständigen Reichsbahndirektion in Dresden eine Motorspritze beantragt. Erfreulicherweise haben die Dresdner sofort zugegriffen und die Mittel bereits bewilligt, so daß die Eisenbahnspritze schon ausgeschrieben werden konnte und ebenfalls in Kürze in Delitzsch sein wird.
17. Mai
Grundsteinlegung
Am Montag den 16. Mai fand die Grundsteinlegung des Neubaues Roonstraße 21 im Beisein der städtischen Behörden statt. Hier wird ein Siebenfamilien-Wohnhaus errichtet teils von Eigenkapital, öffentlichen Mitteln (Hauszinssteuer) und einer von einem deutschen Geldinstitut erhaltenen erststelligen Hypothek. In diesem Jahre soll hier noch zwei weitere derartige Vorhaben zur Durchführung gelangen. Die finanzielle Regelung liegt in den Händen der Ortsgruppe Delitzsch der Gemeinnützigen Wohnungs-Fürsorge G.m.b.H. im Reichsbund Deutscher Mieter e.V., Sitz Berlin.
27. Mai
Dr. Zaar
Die Krankenhaus-Deputation des Krankenhauses wählte in seiner letzten Sitzung Dr. med. Werner Zaar - Halle zum Chefarzt des hiesigen Krankenhauses. Dr. Zaar wird sein Amt bereits am 30. Mai antreten.
30. Mai
Ev. Kirchentag
Das evangelische Delitzsch erlebte gestern Sonntag den 29. Mai einen seltenen Tag den "Kirchentag des Kirchenkreises Delitzsch", der durch die Anwesenheit des Generalsuperintendenten der Provinz Sachsen eine besondere Note gewann. Am Sonnabend abend und Sonntag vormittag läuteten die Glocken unserer Kirchen das Fest ein. Zugleich erscholl das Blasen von Chorälen vom Turm. Wohl selten fand eine kirchliche Veranstaltung in unserer Stadt eine solche Beteiligung wie gestern. Nicht nur die Gotteshäuser selbst, auch die übrigen Säle der Stadt, in denen Veranstaltungen stattfanden, war dicht gefüllt. In der Stadtkirche sprach Gen. Sup. D. Schättler, in der Marienkirche Lic. Brandt - Leipzig. Ein großer Festzug bewegte sich um 2½ Uhr von der Gedächtniskirche zum Markt mit Kirchenfahnen und Posaunen. Vor dem Rathaus sprachen Sup. Hobbing und Lehrer Bindernagel. Diese Feier hatte außerordentlich große Menschenmassen angelockt. Im Schützenhof, im Schwan und in der Gedächtniskirche fanden dann am Nachmittag besondere Versammlungen statt. Mit Schlußgeläut und Posaunenchor auf dem Markte fand der Kreiskirchentag sein Ende. In den Versammlungen fanden musikalische Darbietungen der Instrumentalvereinigung sowie Einzelpersonen der Stadt und des Kreises statt. Delitzsch hatte für diesen Tag reichlichen Festschmuck angelegt.
10. Juni
Sanitätsauto
Die Freiwillige Sanitätskolonne hat nunmehr das Sanitätsauto gekauft und zwar einen 17/50 Duxwagen, dessen Preis sich auf die ansehnliche Summe von über 10.000 Mark gestellt hat. Mitte nächster Woche wird der Wagen hier eintreffen und steht dann allen Einwohnern in Stadt und Land, ganz gleich welcher politischen Gesinnung, zur Verfügung. Der Betrag zum Wagen ist größtenteils durch Sammlungen aufgebracht worden.
5. Juli
Reit- und Fahrturnier
Am gestrigen Sonntag fand erstmalig in Delitzsch auf den Schützenhof ein Reit- und Fahrturnier statt. Kurz nach 12 Uhr setzte sich am Halleschen Turm die etwa 130 Teilnehmer starke Reiterschar zum Umzug nach dem Schützenhof in Bewegung, wo der Aufmarsch sämtlicher teilnehmenden Vereine zur Standartenweihe des Bitterfelder Reitervereins erfolgte. Besonderes Aufsehen erregten die Reitervereine Hohenleina, Düben, Kyhna, Krippehna in ihren verschiedenartigsten Uniformen. Die Vorführungen zeigte gute Dressur der Pferde. Den ersten Dressurpreis errang aber Ruth Reyse - Schönwölkau mit ihren Lippizianer Schimmel im Einzelfahren. An demselben Sonntag fand auf dem Schloßhof ein Jugend– und Volksfest statt, zu dem auch auswärtige Jugend aus Bitterfeld, Leipzig, Wittenberg, Halle und Merseburg war. Den ganzen Nachmittag herrschte auf dem Schloßhof buntes Treiben. Während die Kinder hier tanzten und spielten wurde im Schloß selbst die Ausstellung der Wertarbeiten der Jugend in Augenschein genommen. Großes Interesse erweckten die Metallarbeiten, Holzarbeiten, Keramiken, Handwebereien, Buntlederarbeiten, Kinderspielzeug. Am Schluß des Nachmittags wurden die Kinder mit Musik bis zum Roßplatz gebracht. Am Abend wurde der Schloßhof mit Lampion erleuchtet und die erwachsene Jugend trat hier zu Tanz und Gesang zusammen. Ein Fackeltanz bildete einen stimmungsvollen Abschluß.
8. Juli
Kleinbahn Delitzsch-Rackwitz
Das Projekt der Kleinbahn Delitzsch–Rackwitz ist nun jetzt soweit fertig, daß mit den Vorarbeiten begonnen werden kann. Ein Hindernis bildet bisher noch der Einspruch der Stadt Delitzsch wegen Verschandelung der Loberwiesen. Dieser Einspruch ist anerkannt. Die Bahn wird also in Gertitz enden, vorläufig wenigstens. Der Personenverkehr wird mit Automobilen von Gertitz nach Delitzsch durchgeführt, Stückgüter mit Lastwagen.
15. Juli
Stadtgraben
Die im März begonnene Schlämmung des Stadtgrabens ist jetzt nahezu beendet. Der Stadtgraben wird sich demnächst neu gereinigt den Blicken präsentieren. Es wird erwogen, Wildenten auf ihm auszusetzen. Hoffentlich fliegen diese nicht ebenso davon, wie es die Schwäne taten. In der Bautätigkeit ist ein neues Projekt ausgearbeitet. Es handelt sich um den Bau eines 10 Familienhauses, Ecke Körner- und Roonstraße (gegenüber dem dort bereits erstandenen 12 Familienhauses).
18. Juli
Jubiläum des Sorbengaues
Am Sonnabend und Sonntag den 16. und 17. Juli fand in den Mauern unserer Stadt aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Sorbengaus des D. T. ein großes Gauturnfest statt, das am Freitag abend mit einem großen Fackelzug seinen Anfang nahm. Am Sonnabend veranstaltete die hiesige Turnervereinigung im Schützenhaussaale einen Festabend, den die Kapelle Preuß mit einem flotten Marsch eröffnete. Es sprachen hier der Vertreter des Sorbengaukreises 3c Dr. Rausch - Dessau, Tischlermeister Schachtel hier, der Gauvorsitzende Hampe - Delitzsch, Bürgermeister Baumgardt - Delitzsch. Es folgten dann Turnvorführungen auf der Bühne. Um 23 Uhr schloß der Festabend. Am Sonntag vormittag fanden die Wettkämpfe statt. Nach dem Mittag stellten sich die Turner dann auf dem Schützenhausplatz zum Festzug an. Durch die Straßen der reichbeflaggten Stadt bewegte sich ein imposanter Festzug von etwa 1200 Turnern mit 50 Fahnen und Wimpeln nach dem Schützenhofplatz. Hier entwickelte sich den Nachmittag über ein reges Leben, das leider durch starken Regen eine Störung erfuhr.
20. Juli
Schloßankauf
Die Stadt führt seit einiger Zeit Verhandlungen mit der Regierung wegen Ankauf des Schlosses. Die Stadt will ein Krankenhaus daraus machen. Das Gutachten der Sachverständigen dazu ist noch nicht abgeschlossen.
12. August
Verfassungsfeier
Die gestrige Verfassungsfeier wurde in besonders festlicher Weise abgehalten. Es fanden zwei besondere Veranstaltungen statt. Die erste Feier war am Vormittag in der Oberrealschule. Hier sprach Rektor Hansjürgens. Die zweite Feier war im Schützenhause, veranstaltet vom Beamtenbund, Ortskartell Delitzsch. Hier sprach Prof. Dr. Niemann - Leipzig.
18. August
Erfindung
Nach langen Mühen ist es den Herren Heinrich Lobenstein und Dr. ing. O. Herold gelungen, für die humane Betäubung der Schlachttiere, einen sinnreichen und in seiner Handhabung doch einfachen Apparat zusammenzustellen. Es ist ihnen ein "elektrisch-magnetischer Betäubungsapparat für Schlachtvieh" vom Deutschen Reichspatentamt unter Nr. 974 408 patentiert worden. Nach Aussagen von berufenen Fachleuten (Schlachtdirektoren u.s.w.) wird der Apparat von umwälzender Bedeutung sein und eine große Zukunft haben.
22. August
Katasteramt
Der Umbau des Seminargebäudes ist nunmehr so weit gediehen, daß am Mittwoch die erste Behörde ihren Einzug halten kann; das Katasteramt befindet sich ab Mittwoch im Ostflügel des Seminargebäudes.
30. August
Stadtgraben
Der Geflügelzuchtverein hat die dankenswerte Aufgabe übernommen, den Stadtgraben zu "bevölkern". Die Stadt hat die Erlaubnis erteilt, daß auf dem Graben zunächst 18 Wildenten ausgesetzt werden. Die Tiere sollen zunächst eingesperrt gehalten werden, damit sie sich an ihre Futterstellen gewöhnen. Später sollen sie dann freigelassen werden und sind dann dem Schutz des Publikums im wahrsten Sinne des Wortes empfohlen. Sie werden dafür stets dankbar sein und neben der Vernichtung der Meerlinsen zweifellos auch die Mückenplage verringern helfen.
6. September
Die gefährliche Ecke / Sorauer Bahnhof
Die Rathenaupromenade, vom Roßplatz bis Kohltorbrücke ist für Fuhrwerke und Kraftwagen gesperrt. Es werden an den Eingängen zur Promenade die bekannten "Gesperrt" Tafeln aufgestellt, um auswärtigen Wagenführern, die wegen der Enge der Kohlstraße die Promenade zur Durchfahrt benutzen, zu warnen. Der Sorauer Bahnhof hat nun auch elektrische Beleuchtung erhalten. Es war dies hohe Zeit, denn in den Abendstunden herrschte hier bisher eine geradezu mittelalterliche Finsternis.
4. Oktober
Todesfall
Am 29. September ist Pastor Kohlmann einem Herzleiden, an dem er seit einiger Zeit krankte, plötzlich und unerwartet erlegen. Mit ihm ist eine Persönlichkeit von uns gegangen, die jahrelang treu dem kirchlichen Leben unserer Stadt gedient hat und nimmer müde wurde in ihrer Arbeit zum Wohle der ihr anvertrauten Gemeindeglieder. Er hat über dreißig Jahre seines Lebens in unserer Stadt verbracht. Der Verstorbene betätigte sich tatkräftig in verschiedenen charitativen Organisationen. So gründete er den Jungfrauenverein, dem er bis vor kurzem vorstand. Fast 30 Jahre hatte der Verstorbene ferner den Schriftführerposten im Vaterländischen Frauenverein vom Roten Kreuz inne. Gestern wurde er zu Grabe getragen. Die Trauerfeier fand in der Krieger-Gedächtniskirche statt. An seinem Sarge sprachen Superintendent Hobbing, der frühere Superintendent Schäfer und Pfarrer Lic. Suckert.
2. Oktober
Geburtstag Hindenburg
Aus Anlaß des Geburtstages des Reichspräsidenten Hindenburg verfügte der 1. Bürgermeister Böttcher, daß die Chauseestraße fortan den Namen Hindenburgstraße führt. Die Vaterländischen Vereine veranstalteten zu Ehren des Geburtstages in Delitzsch eine Hindenburg-Kundgebung. Sie schloß mit einem großen Fackelzug.
7. Oktober
Einbahnstraße
Wie die Polizeiverwaltung heute bekannt gibt, wird die gefährliche Ecke (Kohl- und Bismarckstraße) von heute ab für den gesamten Fahrverkehr gesperrt. Sie wird als Einbahnstraße anzusehen sein, da der Verkehr in umgekehrter Richtung, also aus der Kohl- und Bismarckstraße zugelassen ist. Endlich!
25. Oktober
Delitzsch West
Der Kleinbahnhof Delitzsch–West, für dessen Bau da Pläne fertiggestellt sind, soll westlich der Straße Großlissa – Gertitz, also westlich der Zuckerfabrik liegen, und zwar sind vorgesehen ein Bahnsteig mit Empfangsgebäude sowie ein Güterschuppen. Der zu bauende Lokomotivschuppen kommt östlich der Straße. Sein westlicher Teil wird als Garage für die Kraftwagen ausgebaut werden, die den Verkehr von hier nach der Stadt bezw. den anderen Bahnhöfen vermitteln sollen. Das ist der dritte Bahnhof unserer Stadt. Die Gleisanlage der Kleinbahn läuft durch mehrere Verbindungsgleise in die Gleise der Reichsbahnanlage über.
31. Oktober
Wildenten
10 neue Wildenten zieren seit einigen Tagen den Stadtgraben. Der Magistrat hat sie aus dem Zoo in Halle erworben. Hoffentlich unterlassen die Kinder die sonst üblichen "Neckereien" der Tiere.
2. Dezember
Berliner Bahnhof
Seit Jahren schon sind die Zustände auf dem Berliner Bahnhof unhaltbar. Jetzt scheint man dem Plane der Erweiterung dieses stiefmütterlich behandelten Bahnhofs näher treten zu wollen. Allerdings wird das alte Projekt, den Sorauer Bahnhof und den Berliner Bahnhof zu vereinigen, noch nicht in Erfüllung gehen, hauptsächlich wegen der Millionen, die dadurch verschlungen würden. Man will vor allem die Bahnhofshalle, die heute viel zu eng ist, vergrößern, die Zahl der Sperren auf 4 vermehren, die Fahrkartenschalter verlegen, ebenso die Warteräume umgestalten.
7. Dezember
Stadtverordneten-Sitzung
Die heutige Stadtverordnetenversammlung beschäftigt sich nochmals mit Maßnahmen, um Unglücksfälle an der gefährlichen Ecke (Kohl-und Bismarckstraße) zu vermindern. Es liegt der Plan vor einen Straßendurchbruch Kohlstraße - Promenade vorzunehmen. Zwei Häuser müßten dadurch weggerissen werden und für 8 Familien wäre neue Wohnungen zu beschaffen. Doch dem allgemeinen Interesse müßte auch dieses Opfer gebracht werden. Nach längerer Aussprache stimmt die Versammlung diesem Plane zu. Die Unkosten für die elektrische Straßenbeleuchtung wurde bisher von dem Verkehrsverein getragen. Auf Antrag übernimmt von jetzt ab die Stadt die Straßenbeleuchtung. Die überflüssigen Gaslampen werden eingezogen.
14. Dezember
Kreistag
Am 12. Dezember fand eine Kreistagssitzung in Sprotta ab. In Eilenburg wurden die Abgeordneten von Landrat Meister empfangen und mit 2 Kraftwagen ging dann die Fahrt über Mörtitz und Mensdorf unter Führung des Landrats und des Wiesenbaumeisters Stein auf der neuen Straße nach Wöllnau. Herrlich im Wald gelegen schließt dieser neue Weg einen der schönsten Teile des Kreises für den neuen Verkehr auf. Die Tagung fand dann im Kreiskinderheim zu Sprotta statt. Man verhandelte über die Ausfüllung der ausgekohlten Gruben, die Jagdsteuer, den Kleinbahnbau Gertitz – Rackwitz u.a.
28. Dezember
Schwan
Der im vorigen Jahre plötzlich verschwundene Schwan (der zweite hat bekanntlich an den Hochspannungsdrähten ein frühes Ende gefunden) hat sich gefunden. Er hatte sich in den Havelseen aufgehalten und war jetzt im Winter in die Potsdamer Stadtgärtnerei gekommen. Am rechten Fuße trug er die Erkennungsmarke "Magistrat Delitzsch".
1928
14. Januar
Stadtanleihe
In der letzten Stadtverordnetensitzung hatte Stadtverordnetenvorsteher Schmidt eine Aufstellung über die Anleihen der Stadtbekannt gegeben. Er nannte dabei eine Summe von 1.345.693 Mark, die der 1. Bürgermeister auf 1.196.000 Mark reduzierte. І. Bürgermeister Böttcher veröffentlicht nun heute nachstehende Aufstellung, aus der hervorgeht, daß tatsächlich Schulden heute nur 396.073 Mark und daß der schätzungsweise künftige Finanzbedarf 800.000 RMark betragen wird.
25. Januar
Wiederwahl 1. Bürgermeister
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde 1. Bürgermeister Böttcher mit 14 gegen 11 Stimmen zum І. Bürgermeister wiedergewählt. Bürgermeister Böttcher stammte aus Gera in Thüringen und war nach seinen juristischen Staatsprüfungen beim Oberlandesgericht in Jena tätig. Von 1911 bis 1914 war er dann Bürgermeister von Jakobshagen in Pommern und vom 1. Januar 1914 bis 1. Dezember 1916 Bürgermeister von Querfurt. Seit dieser Zeit ist er nun unser Delitzscher Stadtoberhaupt. Böttcher steht im 48. Lebensjahr.
8. Februar
Wasserwerk
Die gestrige Stadtverordnetensitzung befaßte sich vornehmlich mit der Enteisungsanlage im Wasserwerk. Da die Anlage mindestens 120.000 Mark kosten wird beschloß die Versammlung zu den bereits bewilligten 105.000 Mark noch 20.000 Mark zu genehmigen. Außerdem wurden die Mittel für den Bau eines zweiten Brunnens bewilligt in Höhe von 8.500 Mark.
22. Februar
Delitzscher Schwan
Der hiesige Magistrat erhielt in diesen Tagen vom Magistrat in Potsdam die Mitteilung, daß der Delitzscher Schwan, der sich seit Ende des Vorjahres dort aufhalte, plötzlich wieder verschwunden sei. Man vermutet, daß sich das Tier den Schwänen, die auf den Havelseen sich zur Zeit in Gruppen aufhalten, angeschlossen hat, Sobald es gelingt, des Schwanes wieder habhaft zu werden, soll er nach Delitzsch zurückgeschickt werden.
3. März
Besitzerwechsel
Die frühere Schimpf'sche Zigarrenfabrik Schulstraße 13 ist in den Besitz des Glasermeisters Zeidler und des Buchdruckereibesitzers Robert Günther übergegangen.
9. März
Apitzsch verstorben
Eisenhändler Oskar Apitzsch ist plötzlich einem Schlaganfall erlegen. Mit ihm ist ein Mann von uns gegangen, der im Leben unserer Stadt viele Jahre hindurch bis zu seinem Tode eine große Rolle gespielt hat. Seine Verdienste liegen vor allem auf handels- und verkehrspolitischem Gebiet. Neben der Arbeit an seinem Geschäft, das er im Jahre 1894 Leipziger Straße 1 gründete und aus kleinen Anfängen zu seiner heutigen Blüte entwickelte versah Oskar Apitzsch viele Ehrenämter. Von 1906–1911 war er Stadtverordneter, auch jetzt noch gehörte er einigen städtischen Deputationen an. Ferner vertrat der so plötzlich Verschiedene Delitzsch in der Handelskammer Halle. Am meisten hervorgetreten ist Oskar Apitzsch jedoch als Vorsitzender des Handelsschutzes, den er seiner Zeit ins Leben rief und den er mit Umsicht und Energie leitete. Auch im Verkehrsverein war er stark tätig. Nicht zuletzt seiner Initiation ist es zu verdanken, daß Handel und Gewerbe in Delitzsch eine straffe Organisation fanden.
16. März
Dr. Rosenthal
Dr. med. Wolfgang Rosenthal, ein Delitzscher Kind, hier allgemein bekannt durch sein Auftreten als Sänger, ist zum nichtplanmäßigen außerordentlichen Professor für Chirurgie an der Universität Leipzig ernannt worden.
28. März
Krankenhaus
Die gestrige Stadtverordnetensitzung befaßte sich besonders mit dem Um- bezw. Neubau eines Krankenhauses in Delitzsch. Nach einem Referat des 1. Bürgermeisters Böttcher und einer umgehenden Aussprache in dieser Angelegenheit wurde der Neubau des Krankenhauses beschlossen. Auch die Finanzierung wurde eingehend erörtert. Es soll eine Anleihe von 1 Million R Mark aufgenommen werden. Davon würde Kreis und Regierung der Stadt mit etwa 400.000 RMark unter die Arme greifen. Von der Stadt müßten dann 600.000 RMark verzinst und amortifiert werden. Die Lage des zu bauenden Krankenhauses müsse man ernstlich erwägen infrage kämen ein Platz im Westen hinter dem Elektrizitätswerk oder der zum Schloß gehörige Garten. Das Dietze'sche Gelände im Rosenthal, das der Stadt für 50.000 RMark angeboten ist, sei zu sumpfig. Das Schloß zu kaufen müsse weiter im Auge behalten werden. Vielleicht lasse sich der Preis von 150000 RMark noch herunterdrücken.
1. April
Eichler / Miethlich / Hobbing / Stephani / Schulz
Rektor Eichler von der Mittelschule tritt, nachdem er bereits mehrere Monate lang krankheitshalber beurlaubt gewesen am 31. März in Ruhestand. Sein Nachfolger, Rektor Karl Miethlich, vorher Seminarlehrer in Genthin, übernimmt die Stelle als Rektor an der Mittelschule. Zur gleichen Zeit scheidet auch Superintendent Hobbing aus dem Amte. Am Ostersonntag hält er seine Abschiedspredigt. Ferner schied noch mit dem 31. März Polizeikommissar Stephani aus seinem Amte, nachdem er fast 30 Jahre in Treue hier seines Amtes gewaltet hat. An seine Stelle tritt mit dem heutigen Tage Polizeikommissar Karl Schulz. Schulz stammt aus Fürstenwalde an der Spree, widmete sich zunächst dem Stadtverwaltungsdienst und erhielt seine Ausbildung in Lübben (Spreewald). Er wandte sich dann dem Polizeibeamtenberuf zu und war zuletzt in Dessau als Leiter der politischen Abteilung tätig.
16. April
Wildenten
Unsere Wildenten auf dem Stadtgraben haben sich erfreulicherweise vermehrt. Nachdem erst vor 2 Wochen 23 junge Wildenten das Licht der Welt erblickt haben, hatten sich im Schwanenhäuschen wiederum 2 Enten zum Brüten niedergelassen, eine von ihnen hat jetzt 10 Junge hervorgebracht. Bei solchen Bruteifer ist damit zu rechnen, daß in diesem Jahre der Zuwachs etwa 50–60 betragen wird.
21. April
Lehrer Schubert
Gestern nachmittag verschied der Senior der hiesigen Lehrer, Moritz Schubert, der durch seine langjährige Tätigkeit weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannt war. Von 1862 bis 1912, 50 Jahre unterrichtete er und gab unzähligen Schülern Rüstzeug fürs Leben. Schubert nahm am Kriege 1870/71 teil und erteilte im Weltkriege, als die jungen Lehrer im Felde standen, längere Zeit Turnunterricht am Seminar. 16 Jahre noch konnte der Pflichtgetreue im wohlverdienten Ruhestand leben. Jetzt ist er im 86. Lebensjahre von uns gegangen, bis zum letzten Tage frisch und rege an Körper und Geist. Es trauert um ihn die große Gemeinde seiner Schüler.
25. April
Besitzwechsel
Der Kühne'sche Garten zwischen dem Rosenthal und der Schloßpromenade ist zum größten Teil in andere Hände übergegangen. Das Wohnhaus erwarb Lehrer Thomas aus Gräfenhainichen, während der Hauptteil des Grundstücks mit dem Wald und Gartenhäuschen in die Hände des Chemikers Rokisch aus Leipzig überging.
27. April
Lindequartett
Zum letzten Male hatte das Lindequartett zu einem Konzert im Schützenhofsaale eingeladen; deshalb war es nicht verwunderlich, daß die große Zahl der Freunde dieses so erfolgreichen Quartetts sich vollzählig versammelt hatte, um noch einmal einem Männerquartett zu lauschen, wie es Delitzsch noch nicht gehabt hat. Ein großer und - vorläufig - unersetzlicher Verlust für das Delitzscher Musikleben ist das Ausscheiden der vier Männer, die sich überall, wo sie auftraten, die Sympathien der Hörer erwarben. Noch in späteren Jahren, wenn eine andere Sängergeneration das Delitzscher Musikleben beeinflußt, wird man des Linde-Quartetts gedenken, das in der einheimischen Vokalmusik ungemein anregend und fortbildend gewirkt hat.
2. Mai
Neue Straßen
An zwei Stellen in Delitzsch wurden durch Neubauten neue Straßen nötig und damit ihre Benennung. Die neue Straße neben der Gutenbergstraße hat man Fuststraße benannt, nach dem Mann, der Gutenbergs Erfindung finanzierte. Die Straße von der Wiesenstraße nach der Elbritzmühle hat den Namen Schillerstraße erhalten. Die senkrecht zu ihr verlaufende Straße wird Goethestraße heißen.
30. Juni
Der diesjährige Peter Pauls Markt hatte in den Nachmittagsstunden einen Rekordbesuch aufzuweisen. Bei schönstem Wetter war namentlich der Besuch vom Lande besonders groß. Als äußerst glücklich erwies sich die polizeiliche Maßnahme die Aussteller auf Markt und Roßplatz zu konzentrieren und die Breite- und Eilenburger Straße frei zu halten. Auch ohne die Buden herrschte trotzdem in der Breiten Straße starkes Gedränge.
1. Juli
Reichs- und Landtagswahlen in Delitzsch
Ende Mai fanden Reichs- und Landtagswahlen statt. Es haben die Deutschnationalen und die Wirtschaftspartei verhältnismäßig günstig abgeschnitten, letztere mit 1142 Stimmen, die Nationalsozialisten erhielten 95 Stimmen. Die Stimmenzahl der marxistischen Parteien ist gegen früher bedeutend gewachsen und betrug bei den Kommunisten 2384 bei den Sozialdemokraten 1615 Stimmen in Delitzsch.
16. Juli
Straßenordnung
Nach Anordnung der Delitzscher Polizei wird die Kohlstraße künftig eine "Straße zweiter Ordnung" sein und zwar in ihrer ganzen Länge vom Roßplatz bis zur Hindenburgstraße. Ferner ist die Rathenaupromenade von der Holzstraße, nämlich von der Schiefen Brücke bis zum Roßplatz als Einbahnstraße erklärt worden. Die Einfahrt vom Roßplatz aus ist also für alle Fuhrwerke, auch für Radfahrer gesperrt.
20. Juli
Kleinbahnbau
Der Kleinbahnbau Rackwitz – Glesien – Delitzsch schreitet rüstig vorwärts. Man hofft bereits im Herbst des Jahres den Güterverkehr eröffnen zu können, um die Haupteinnahmequelle der Kleinbahn, die im Herbst den Zuckerrübentransport nach Delitzsch übernehmen wird, noch auszunutzen. Der Personenverkehr wird dagegen erst im Spätwinter, Anfang 1929, aufgenommen.
13. August
Jahnfeier
Zum Gedächtnis des 150. Geburtstages ihres Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn veranstaltete die Delitzscher Turnervereinigung im Saale des Schützenhauses eine wohlgelungene Jahnfeier.
27. August
Verbandstag
Die Verbandstagung der Kleingartenvereine im Regierungsbezirk Merseburg, die am Sonnabend abend und am Sonntag den 25. und 26. d. Mts. im Schützenhause vor sich ging, darf wohl mit Recht zu den bedeutungsvolleren in der Geschichte der Kleingartenvereine gebucht werden. Der Sonnabend abend war als Begrüßungs- und Werbeabend gedacht. Er gewann von vornherein an Bedeutung durch die reiche Zahl der erschienenen Ehrengäste, voran Regierungspräsident Dr. Grützner - Merseburg. Von anderen Ehrengästen sind zu nennen: Stadtarzt Dr. Japha - Halle, der Hauptredner des Abends Dr. Baumgardt als Vertreter der Stadt u. a.. Der Abend wurde verschönt durch Instrumental- und Gesangskonzert. Die erste Begrüßungsrede hielt der Vorsitzende des Kleingartenvereins Delitzsch, Walter Saal, die zweite, die zugleich mit einem Berichte über die Entwicklung des Kleingartenvereins verbunden war, der Bezirksvorsitzende G. Poenicke - Halle, ein Sohn des Baumschulendirektors Eduard Poenicke. Es sprachen noch Kunze - Delitzsch, Krüger - Erfurt, Adelung - Leipzig, Japha - Halle und Regierungspräsident Dr. Grützner. Am Sonntag fand dann die eigentliche Verbandstagung statt. Die Blumenschau im Garten des Schützenhauses wies besonders schöne Dahlienexemplare auf. 33 Preise wurden verteilt, wovon die meisten, nämlich 22, von der Firma Poenicke und Co., Baumschulen, gestiftet waren. Die übrigen stammten von Geschäftsleuten der Stadt.
29. August
Krankenhausbau
Die gestrige Stadtverordnetenversammlung brachte die Entscheidung über den Krankenhausbau. Nach ausgiebiger Debatte, in der die ganze Materie erörtert wurde, kam man zu dem Beschluß, mit dem Bau so schnell wie möglich zu beginnen, um auf diese Weise wenigstens noch in diesem Herbst nach Ausschreibung der Arbeiten die Grundmauern fertig zu stellen Man hofft, Ende des nächsten Jahres mit den Arbeiten fertig zu sein. Schwierigkeiten bot die Frage, an welche Stelle der Stadt das Krankenhaus gebaut werden soll. Bisher stehen im Vordergrund ein Platz in der Nähe des Elektrizitätswerkes, also im Westen der Stadt, und einer an der Beerendorfer Straße im Osten. Der 1. Bürgermeister hatte sich für den Westen entschieden, die Linke trat für den Osten ein. Zu einer Einigung kam man aber noch nicht, da gerade diese wichtige Frage nicht im Handumdrehen zu lösen ist. Nach dem Vorentwurf eines Architekten sollen die Baukosten ausschließlich Baupreis einer Wohnung für den Chefarzt 906.000 Mark betragen. Das Krankenhaus soll etwa 100 Betten enthalten und wird ein 2 stöckiges Gebäude werden, in dem alle modernen Erfahrungen mit verwertet werden.
22. September
Krankenhausbau
Die letzten Stadtverordnetenversammlungen beschäftigten sich weiter mit dem Krankenhausbau. Es wurde ein neuer Platz für den Bau in Vorschlag gebracht, nämlich das Schloßgelände und hier der Gemüsegarten des Schlosses. Es weilten bereits zwei Herren aus Merseburg hier, die das Gelände besichtigten, nämlich Medizinalrat Dr. Lorenz und Oberbaurat Fritzsch. Beide gaben ihr Gutachten dahin ab, daß der von der Stadtverordneten-Versammlung am Schloß in Aussicht genommene Platz für einen Krankenhausbau zweifellos hinsichtlich seiner Lage geeignet sei. Trotzdem sind die Stadtverordneten immer noch nicht zu einem einheitlichen Entschluß in dieser Hinsicht gekommen. Nun soll zunächst mit der Regierung in Berlin über den Kaufpreis des Schlosses verhandelt werden. Die Regierung will unter 100.000 Mark nicht herunter gehen. Es soll versucht werden, eine niedrigere Summe herauszuholen. Die Umbaukosten des alten Krankenhauses zu einer Schule würde auch nach einem Gutachten des Regierungsbaurates Winzer 70 – 75.000 M betragen.
24. September
Stadtkirche
Mitte Juli begann ein größerer Erneuerungsbau in und an der Stadtkirche, ausgeführt unter Zuziehung des Provinzial-Konservators und vom hiesigen städtischen Bauamt dessen Leiter Oberbausekretär Kratsch.
28. September
Bahrenburg
Am heutigen 28. September kann die Firma Hermann Bahrenburg auf ihr 20jähriges Bestehen zurückblicken. Am 28. September 1908 eröffnete die Firma im Hause des verstorbenen Hermann Klette ein Modewaren-Geschäft, das sich aus kleinen Anfängen zu einem angesehenen Unternehmen entwickelte. Bahrenburgs Vorgänger war Adolf Kalmus, der in den Räumen 5 Jahre eine Art Warenhaus betrieb und damals Delitzsch verließ. Vor 10 Jahren erwarb Bahrenburg das Grundstück Lindenstraße Ecke Eilenburger Straße, das er stets vergrößerte und zu einem modernen Modehaus ausbaute. Mit Stolz darf daher Inhaber auf seine 20jährige Arbeit zurückblicken.
22. Oktober
Einführung Fries
Gestern, Sonntag nachmittag, fand die Einführung des neuen Superintendenten für den Kirchenkreis Delitzsch, Pastor Fries aus Lebusa unter reger Teilnahme aus Stadt und Land in der Gedächtniskirche statt. Zur Verschönerung des Gottesdienstes trug die Schulze Delitzsch Liedertafel bei. Die Einführungsrede hielt D. Schöttler, Generalsuperintendent aus Magdeburg, über das Bibelwort Paulus - Ephes. 15.-17. Auf Grund dieses Bibelwortes wünschte er dem neuen Superintendenten Vorsicht beim Handeln, Umsicht beim Wirken und Einsicht beim Wollen.
30. Oktober
Seminar
Das frühere Seminar ist zum Behördenhaus umgebaut worden. Folgende Behörden ziehen am 1. November dort ein: das Amtsgericht, das Finanzamt, die staatliche Kreiskasse, das Katasteramt.
2. November
Kleinbahn
Die Kleinbahnstrecke Delitzsch West - Zwochau wurde gestern landespolizeilich abgenommen und zunächst für den Güterverkehr freigegeben. Aus diesem Anlaß hatten sich zahlreiche Vertreter der Provinzialverwaltung, des Kreises und der interessierten Gemeinden eingefunden, die sich um 10 Uhr an dem neuen Bahnhof Delitzsch West in Gertitz versammelten. Dort stand ein neuer Zug der Kleinbahn, bestehend aus einer kleinen Lokomotive und einem modernen Personenwagen der Kleinbahn bereit, der die vielen Gäste in den Kreisteil führte, der nun dem großen Verkehr aufgeschlossen wird.
15. November
Loberverpestung
Die Loberverpestung hat in letzter Zeit ein solch Ausmaß angenommen, daß die üblen Gerüche des Loberwassers noch in Bitterfeld wahrgenommen wurden. Eine Kommission, bestehend aus den leitenden maßgebenden Stellen von Delitzsch und Bitterfeld hat nun Lokalbesichtigung des Lobers vorgenommen und ist zu folgendem Resultat gekommen: Stadt und Zuckerfabrik Delitzsch teilen dem Loberbach zusammen mehr Abwässer zu, als er aufzunehmen im Stande ist. Die Abwässer der Stadt reichen allein aus, um den Lober bis unterhalb Benndorf in stinkende Fäulnis zu setzen. Unter dem Zufluß der Zuckerfabrikabwässer verschiebt sich dieser Zustand bis nach Bitterfeld. Die Stadt beabsichtigt endlich ihre Abwässer zu verrieseln. Die Zuckerfabrik wird ihr bisheriges Reinigungsverfahren verbessern, so daß eine Entlastung des Lobers für die Zukunft erreicht werden wird. An der Verunreinigung des Lobers haben die städtischen Abwässer den größeren Anteil wie die Untersuchung der zwischen den Einleitungsstellen der Zuckerfabrik und der Stadt Delitzsch entnommenen Probe lehrt.
3. Dezember
Keglerheim
Ein lang ersehnter Wunsch der im hiesigen Lokalverband zusammengeschlossenen Kegelbrüder geht jetzt in Erfüllung. Auf dem Grundstück des Schützenhofes wird ein Keglerheim gebaut. Heute ist der erste Spatenstich zu diesem Bau getan worden. Durch weitherzige Unterstützung der Schützengilde ist es gelungen, den in der letzten Hauptversammlung des Lokalverbandes Delitzscher Kegelklubs E.V. gefaßten Beschluß in die Tat umzusetzen. Wenn das Wetter günstig ist, kann mit der Fertigstellung des Heimes etwa Anfang Februar 1929 gerechnet werden.
4. Dezember
Siebert
Pfarrer Siebert aus Wollmirstedt ist an der hiesigen evangelischen Kirche die 3. Pfarrstelle übertragen worden.
12. Dezember
Schloßkauf
Den Bemühungen der hiesigen Stadtvertretung ist es nach neuerlichen Verhandlungen mit der Berliner Regierung gelungen, das hiesige Schloß zum Preise von 75.000 Mark für die Stadt zu erwerben. Magistrat und Stadtverordnete haben bereits ihre Zustimmung zu diesem Kauf gegeben. Folgende Bedingungen sind dabei vereinbart worden: Ankauf des Schlosses mit allen Liegenschaften und Zubehör zum festen Preise von 75.000 Mark. Bei Abschluß des Vertrages Barzahlung von 40.000 Mark. Restsumme zahlbar in Jahresraten von 3.000 Reichsmark. Verzinsung der Restsumme mit 5 Prozent.
12. Dezember
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt für dringende städtische Angelegenheiten eine Anleihe von 500.000 Mark aufzunehmen.
18. Dezember
Wasserwerk
Seit dem gestrigen Tage sind die Bewohner unserer Stadt plötzlich ohne Leitungswasser. Nach der Meinung Sachverständiger wird der Schaden am Wasserwerk sich nicht in kurzer Zeit beheben lassen. Es wird Tage, vielleicht Wochen dauern, bis es gelingt, daß nach Ansicht von Fachleuten vollständig verlotterte Wasserwerk wieder in Gang zu bringen. Um nun die größte Not zu beheben, hat der Landrat als Polizeiaufsichtsbehörde eingegriffen und die Polizeiverwaltung beauftragt, einen Notbetrieb einzurichten. Die Motorspritzen der freiwilligen Feuerwehr und des Reichsbahnausbesserungswerkes sind an zwei größeren Brunnen postiert worden, um Wasser in das Rohrnetz zu drücken. Man hofft so den dringendsten Bedarf decken zu können. Allerdings ist es notwendig, daß jeder auf das Sparsamste mit dem wenigen Wasser, was die Motorspritzen liefern können, umgeht. Wie von der Polizei und dem Magistrat heute mittag bereits durch Extrablätter der Bevölkerung mitgeteilt worden ist, darf das Wasser nicht zum Trinken benutzt werden. Jeder Tropfen muß vor dem Genuß abgekocht werden (am besten läßt man es drei Minuten ordentlich wallen, damit sämtliche Keime getötet werden). Das Wasser ist heute vormittag von einem Nahrungsmittel-Chemiker untersucht und für den Gebrauch im abgekochten Zustand als einwandsfrei befunden worden. Die Ursachen des Versagens der Wasserversorgung sind zu suchen: in zu starker Versandung des Sammelschachtes und in einer Luftbildung in der kürzlich gereinigten Saugeleitung. Die notwendige Inkrustierung in der letzteren ist beseitigt, weshalb die Luft nicht mehr abgesaugt werden kann, so daß vor den Pumpen ein Luftsack entstanden ist Außer 4 neuer Filterbrunnen ist von den 4 alten Brunnen nur noch einer im Betriebe.
21. Dezember
Frostschaden
An der Motorspritze, die am Kafe´ Moltke das Wasser ins Rohrnetz drückt ist heute nacht ein kleiner Defekt entstanden. Infolge des starken Frostes waren die Schläuche gefroren und die Motorspritze konnte heute nicht mehr eingesetzt werden. Deshalb wurde mit dem Reichsbahnausbesserungswerk ein Abkommen getroffen, wonach ab heute das Wasserwerk der Werkstatt, das über zwei große Pumpen und einen Wasserturm verfügt, die Wasserversorgung der Stadt mit übernimmt.
1929
Das Wasserwerk
Infolge der Wasserkalamität sieht sich noch vor Ablauf des Jahres der bisherige Dezernent über das Wasserwerk, Stadtrat Graul gezwungen, dieses Dezernat abzugeben. Stadtrat Fritzsche tritt an seine Stelle. Auch wird noch vor Eintritt in das neue Jahr die Firma Pfeffer Nachf. Halle a/S. (Inhaber Ingenieur Müller) mit schleunigster Abstellung der zu Tage getretenen Mängel beauftragt. Es gelingt auch etwa eine Woche nach dem Versagen der Wasserversorgung, die Leitung wenigstens auf einige Stunden des Tages wieder gebrauchsfähig zu machen.
15. Januar
Krankenhaus
Für den Krankenhausneubau haben fünf Architekten Entwürfe eingereicht. Das Preisrichterkollegium der Krankenhausbaukommission erkannte als ersten Preis den Entwurf der Firma Kallmeyer und Facilides, Halle S. Der Preisträger erhielt 1.500 Mark. Der 2., 3. und 4. Preis betrug je 500 Mark.
16. Januar
Wahl
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde an Stelle des zurückgetretenen bisherigen Stadtverordneten-Vorstehers Paul Schmidt mit 14 Stimmen gegen 11 Stimmen Paul Hoyer gewählt. Zum stellv. Vorsteher wurde wiederum mit 14 Stimmen Rektor Hansjürgens gewählt.
28. Januar
Ein Delitzscher
Wie aus New York gemeldet wird, ist dort der Oberregisseur der Hamburger Oper, vormaliges und sehr geschätztes Mitglied des Neuen Theaters zu Leipzig, Walter Elschner, der sich seit Ende vorigen Jahres mit einem deutschen Opernensemble auf einer Wagner-Tournee in Amerika befand, gestorben. Walter Elschner ist in Delitzsch aufgewachsen und hat von hier aus seine glänzende Laufbahn begonnen.
2. Februar
Kurt Linde
Der durch seine das Delitzscher Musikleben stark befruchtende Tätigkeit weit über die Grenzen des Kreises Delitzsch hinaus bekannte Musiklehrer Kurt Linde-Laue hat eine Berufung an die Mittelschule in Eisleben als Musiklehrer erhalten, der er am 1. April Folge leisten wird.
20. Februar
Wasserwerk / Forsthaus / Gutheilstift
Das Wasserwerk verlangt für die Reorganisierung des Wasserwerkes, des Rohrnetzes u.s.w. und zur Schaffung einer Reservestation insgesamt 252.000 Mark. Die Summe sei ziemlich hoch geschätzt, sie dürfte sich eventuell noch verniedrigen. Da bereits 200.000 Mark als Anleihe beschlossen sind, wären noch rund 100.000 Mark aufzunehmen. Dem Antrage des Magistrats, die Anleihe auf 300.000 Mark zu erhöhen stimmt die Stadtverordnetenversammlung zu. Das Forsthaus wird neu verpachtet. Die Wahl fällt auf den Höchstbietenden der Pacht einen Herrn Reichenbach aus Frankenhausen (Kyffhäuser). Dr. Baumgardt meint, daß aus dem Forsthaus mehr hätte gemacht werden können, als es der bisherige Pächter vermocht habe. Der Magistrat habe das Vertrauen zu dem Pächter Reichenbach, daß er das Forsthaus weiter ausbaue. Das Gutheilstift, das nach dem Auszug des Finanzamts leer steht, wird zu Kleinwohnungen ausgebaut. Es sollen 6-8 Wohnungen geschaffen werden für ältere Wohnungen mit kleinen Kindern.
1. März
Große Kälte, viel Schnee
Nun ist auch der Februar vergangen, ohne daß dieser Dauer- und Rekordwinter seinen Abschied genommen hätte. Immer noch herrscht beträchtliche Kälte, immer noch liegen Schneeberge auf den Straßen, hängen meterlange Eiszapfen an den Dächern, spielen Ohrenklappen eine beträchtliche Rolle, und treibt die unbekümmerte Jugend eifrig Wintersport. Der starke Schneefall begann bereits Mitte Januar. Gleich am Anfang gab es Schneeverwehungen. Mit dem hohen Schnee ist eine starke Kälte verbunden. Am 1. Februar hatten wir 17 Grad Kälte, am 2. Februar waren es 21 Grad, das Thermometer fiel weiter, am 21. Februar waren 31 Grad, am 1. März immer noch 23 Grad. Infolge der hohen Schneeverwehungen stockte der Verkehr fast vollständig tagelang. Die Reichsbahn hatte längere Zeit Verspätungen bis 90 Minuten. Der Telefonverkehr war auf vielen Überlandleitungen unterbrochen. Was die Kolonnen gestern repariert hatten, war anderntags wieder entzwei. Die Kraftposten mußten wochenlang aussetzen. Die Straßenverwehungen waren groß, man stampfte immer im Schnee, denn der Schnee konnte nicht schnell genug fortgeschafft werden.
13. März
Der Lober überflutet
Die großen Schneemassen des langen Winters machen sich jetzt bei der Schneeschmelze unangenehm bemerkbar. Es haben sich Eisversetzungen gebildet, die den Durchgang des Wassers im Lober aufhalten und Überflutungen verursachen. Namentlich an der Warmbadeanstalt und am großen Schutz ist das zu beobachten. Das Wasser dringt bereits in die Warmbadeanstalt ein. Unterhalb Delitzsch steigt das Wasser nun auch in stärkerem Maße. Der Stadtpark ist weiterhin überflutet, ebenso die Wiesen bis zur Nauendorfer Mühle hin.
15. März
Martini
Im Lober am großen "Schutz" wurde die Leiche des Polizeisekretärs Kurt Martini angeschwemmt und geborgen. Es liegt Unglücksfall vor. – Hierzu erfahren wir noch folgendes: Polizeisekretär Martini befand sich gestern abend mit einigen Herren in der Elbritzmühle, wollte sich mit diesen nach Hause begeben, ging aber kurz vorher noch einmal auf den Vorplatz am Elbritzteich. Als Martini nicht zurückkehrte, suchte man den Vorplatz ab und fand dort den Stock des Ertrunkenen. Offenbar war Martini, der an einem Fußleiden erkrankt war und daher lahmte, auf dem kleinen Steg, hinter dem das Hochwasser brodelnd über das kleine Wehr rauscht, ausgerutscht und in die Flut gefallen. Die Strömung trieb ihn dann bis zum großen "Schutz".
20. März
Krankenhaus
Die Krankenhausfrage beschäftigte gestern wiederum die Stadtverordnetenversammlung. Es wurde beschlossen, die Frage Krankenhausneubau oder Erweiterungsbau zu vertagen, um zunächst genaue Unterlagen über die Kosten beider Projekte einzuholen. Währenddessen tagte die Krankenhausbaudeputation und kam zu folgendem Beschluß: Es soll auf dem Bauplatz am Elektrizitätswerk (Straße nach Halle) ein Krankenhaus-Neubau für 70 Betten errichtet werden. Landrat Meister schlägt 60 – 70 Betten vor. Der Magistrat ist diesem Beschluße beigetreten.
26. März
Rieseler
Das Korbmachergeschäft von Max Rieseler, das in diesen Tagen hundert Jahre besteht, befindet sich seit seiner Gründung im Besitz der Familie Rieseler.
3. April
Keglerheim
Der bereits Anfang Dezember vorigen Jahres begonnene Bau des Delitzscher Keglerheimes auf dem Grundstück des Schützenhofes geht nunmehr in den nächsten Wochen seiner Vollendung entgegen. Durch den langen Winter mußten die Arbeiten gleich nach Beginn gleich wieder eingestellt werden und sind erst vor kurzen wieder aufgenommen worden. Erbaut werden bekanntlich 3 Asphalt- und 1 Bohlenbahn. Es kann schon heute gesagt werden, daß die Weihe der Sporthalle in der Zeit vom 28. April bis 5. Mai statt findet.
9. April
Schäden des Winters
In der Bitterfelder- und in der Kohlstraße werden gegenwärtig die zum großen Teil nicht mehr intakten Abstellschieber der Wasserleitung durch neue ersetzt. Da die Abstellschieber nicht funktionieren, kann man nicht kleine Straßenteile absperren, sondern muß teilweise die ganze Straße "trocken" legen. Das ist der Grund dafür, daß von Zeit zu Zeit die Wasserleitung in den Häusern nicht läuft. In der Eisenbahnstraße und an anderen Stellen haben sich nach dem Auftauen de Wasserrohre mehrere Rohrbrüche ereignet.
19. April
Einwohner
Nach den neuesten Ermittlungen betrug die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch am 1. April d. J. 15.622.
29. April
Weihe
Am gestrigen Sonntag fand im Schützenhof die Weihe des neuerbauten Keglerheims statt. Den Auftakt zu den festlichen Veranstaltungen brachte ein Begrüßungsabend am Sonnabend im Schützenhof-Saale, an dem auch Gäste aus Leipzig, Dessau, Bitterfeld, Zerbst und Halle teilnahmen. Der Sonntag begann mit einem großen Umzug der Kegler durch verschiedene Straßen der Stadt, die reich geschmückt waren und ein farbenprächtiges Bild boten. Der 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt als Leiter des Stadtamtes für Leibesübungen hielt die Weiherede und übergab den Schlüssel dem Gauvorsitzenden Bauer aus Berlin. Dieser überreichte ihn dem Vorsitzenden Wolf gleichzeitig mit einem Bild des Führers der Keglerbewegung O. Thomas. Nach dem gemeinsamen Mittagessen begann dann der Keglersport auf den neuen Bahnen. Unter großem Beifall der Zuschauer schoben die Ehrengäste, voran der Bürgermeister die Ehrenkugeln.
1. Mai
Anleihe
In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung beschlossen die Stadtverordneten die Aufnahme einer Anleihe von 60.000 Mark zum Rathaus-Umbau. Geldgeber ist die Stadtsparkasse. Ferner wird die Aufnahme einer Anleihe von 200.000 Mark zur Pflasterung einiger Straßen der Stadt beschlossen bei der Mitteldeutschen Landesbank.
6. Mai
Pfarrer Siebert
Am gestrigen Sonntag fand die Einführung des neugewählten 3. Geistlichen der evangelischen Kirche durch Superintendent Fries unter Assistenz von Pfarrer Schräpler Schenkenberg und Lic. Suckert in Gegenwart der Behördenvertreter der Stadt sowie der Vertreter der kirchlichen Körperschaften in der dicht gefüllten Gedächtniskirche statt.
10. Mai
Motorsprengwagen
Den berechtigten Wünschen der Einwohnerschaft, die sich über die Staubplage in der Stadt beschwert, soll nun durch Beschaffung eines Motorsprengwagens entsprochen werden. Die Stadtverwaltung hat die Absicht, ein Elektromobil, das etwa 12.000 Mark kosten wird, anzuschaffen. Die Finanzierung erscheint gesichert. Da bereits im vorigen Jahr 3.000 Mark zur Beschaffung eines Sprengwagens in den Etat eingesetzt worden sind. In diesem Jahre sind 3.000 Mark aus dem Straßenbau-Anleihekonto genommen worden. Den Rest wird der Magistrat vorschußweise bewilligen.
11. Mai
Am Stadtpark
Die Straße hinter dem Stadtpark, die parallel (südlich) mit der äußeren Sekuriusstraße verläuft, erhält die Bezeichnung "Am Stadtpark".
25. Mai
Emil Obst
Gestern ist der Kirchenrendant i. R. Emil Obst in Bitterfeld im fast vollendeten Alter von 76 Jahren gestorben. Mit ihm, der in Delitzsch geboren ist, ist einer der besten Kenner unserer Heimatgeschichte dahingegangen. Zahlreiche wertvolle Aufschlüsse über die Vorgeschichte Delitzschs und seiner Umgebung sind das Ergebnis seiner Forschungen, die er als Freund und Mitarbeiter Oskar Reimes seit Jahrzehnten betrieben hat.
13. Juni
Oberstudiendirektor Dr. Becker, der Leiter unserer Oberrealschule, hat sich um die städtische Leitung der Oberrealschule in Halle beworben und ist nun vom Magistrat in Halle gewählt worden.
14. Juni
Besuch
Am nächsten Sonntag weilt in unserer Stadt in der hiesigen katholischen Gemeinde der Weihbischof von Paderborn, Johannes Hillebrand, zur Visitation und Spendung der heil. Firmung.
18. Juni
Neupflasterung
Mit der notwendigen und schon längst geplanten Neupflasterung der Bitterfelderstraße, Roßplatz und Kohlstraße ist nun begonnen worden. Es ist erfreulich, daß größtenteils Delitzscher Firmen mit den Arbeiten betraut worden sind nämlich Steinsetzmeister Voigt, Steinsetzmeister Oswald Trensch und Steinsetzmeister Albert Trensch. Es ist Zeit, daß man die alten "Katzenköppe" die der Schrecken aller Kraftfahrer waren entfernt.
26. Juni
Magistratsabschluß
Der Magistrat hat seinen Beschluß vom 24.11.1927 über Herstellung des Durchbruches Kohlstraße – Holzstraße aufgehoben. Die Stadtverordneten stimmten in ihrer gestrigen Sitzung diesem Antrag zu. Die Pflasterung und Kanalisation der Querstraße wurde beschlossen. Die Kosten werden etwa 11.000 Mark betragen. Der Ankauf des Dietze'schen Grundstückes zum Preise von 15.000 Mark ist vom Magistrat beschlossen worden. Nach Aussprache wird der Magistratsantrag mit großer Mehrheit angenommen.
29. Juni
Kundgebung
Auch in Delitzsch fand gestern wie in anderen Städten eine machtvolle Kundgebung gegen das Versailler Diktat statt, das uns vor 10 Jahren aufgezwungen worden ist. Schon vor Beginn der Veranstaltung um ½ 9 war der Marktplatz von Menschen dicht besetzt. Nach dem Liede "Deutsches Volksgebet" vorgetragen von Liedertafel u. Harmonie und einem Vorspruch ergriff Studienrat Dr. Eckstädt zu einer kurzen wirkungsvollen Ansprache das Wort und deckte in derselben die ganze Unwürdigkeit und Lügenhaftigkeit des Diktats auf. Er schloß: Wenn wir Deutschen alle vereint unsere Stimme erheben gegen die Kriegsschuldlüge, dann werden wir sie beseitigen und dann können wir wieder mit frohem Herzen singen: O Deutschland hoch in Ehren!
10. Juli
Delitzscher Kantorei
Professor Arno Werner in Bitterfeld, der sich viel mit der Geschichte von Delitzsch beschäftigt hat, stellt in einer Broschüre über das Alter der Gesangvereine unserer Heimat fest, daß Delitzsch den ältesten deutschen Gesangverein hatte. Schon 1440 bildete sich in Delitzsch eine kirchliche Zunft "der gelartin Bürger" d. h. der Musikkundigen. Sie umfaßte 1516 noch 75 Geistliche und Laien als Mitglieder , ging aber infolge der Wittenberger Vorgänge dann schnell zurück. Mit Einführung der evangelischen Lehre im Jahre 1539 traten die noch vorhandenen Mitglieder, die man auch als "Korsenger" bezeichnete, zur evangelischen Kantorei zusammen. Die Delitzscher Kantorei hat noch weit über 300 Jahre hindurch mit kurzer Unterbrechung in schweren Kriegszeiten ihre kirchliche Mission erfüllt. So kann die Delitzscher Kantorei als ältester deutscher Gesangverein (gegründet 1440) gelten.
15. Juli
Rathaus
Der Umzug des bisher im Rathaus untergebrachten Amtsgerichts nach dem Behördenhause ließ eine Anzahl Büroräume im Rathaus frei werden, die Umbauarbeiten erforderlich machen. Die Räume werden jetzt gründlich erneuert, das ganze Gebäude mit Warmwasserheizung versehen und mit einer automatischen Telefonanlage, in die auch die Schulen einbezogen werden. Der Stadtverordneten-Sitzungssaal wird durch Errichtung einer Zuschauertribüne erweitert. Kostenaufwand 95.000 Mark in runder Summe.
17. Juli
Beginn der Straßenerneuerung
Die Straßenbauarbeiten werden, nachdem jetzt der größte Teil der Schotterlage fertiggestellt ist, beschleunigt fortgeführt. In der Kohlstraße wird am Montag mit dem Legen der Betondecke begonnen. Im Anschluß an die Asphaltierung der Kohlstraße wird sofort mit den Asphaltarbeiten vor der Knabenvolksschule begonnen werden. Der übrige Teil der Bitterfelder Straße und der Roßplatz werden mit Kleinpflaster versehen. Die Bürgersteige werden erst kurz vor Beendigung der Pflasterarbeiten instandgesetzt.
20. Juli
Berkes
Der für den Bezirk Delitzsch angestellte Bezirksschornsteinmeister Paul Berkes hat seinen Dienst aufgenommen.
31. Juli
Rieselfeldanlage
Um die Loberverpestung zu beseitigen, über die sich besonders Bitterfeld beschwert, hat sich hier unter dem Vorsitz von Landrat Meister eine Rieselfeldgenossenschaft gebildet, die eine Rieselfeldanlage errichten will. Der Plan liegt bereits der Regierung in Merseburg zur Genehmigung vor. Die Genossenschaft führt den Namen Rieselfeldgenossenschaft Delitzsch - Schenkenberg. Die Anlage soll zwischen Delitzsch und Schenkenberg errichtet werden.
2. August
Eröffnung der Kleinbahn
Heute vormittag um 9 Uhr wurde nach Überwindung allerhand Schwierigkeiten, vor allem finanzieller Natur, die neue Delitzscher Kleinbahn Delitzsch – Rackwitz eröffnet. Die Bahn ist nach noch nicht zwei Jahre währender Bauarbeit fertiggestellt, so daß sie morgen für den öffentlichen Verkehr freigegeben werden kann, nachdem heute die landespolizeiliche und eisenbahntechnische Abnahme erfolgt ist.
9. August
Motorsprengwagen
Der seit längerer Zeit bestellte Motorsprengwagen ist nun endlich in Delitzsch eingetroffen und wird jetzt seine Tätigkeit aufnehmen. Heute vormittag fand im Beisein des Magistrats und des Stadtverordnetenkollegiums die Vorführung des Wagens auf dem Marktplatz und an der Promenade statt.
24. August
Fertigstellung der erneuerten Straßen
Die Bitterfelder Straße, wenigstens ihr Fahrdamm, ist rechtzeitig zum Beginn der Leipziger Messe fertig geworden. Die Messeonkels dürfen also diesmal getrost durch Delitzsch fahren, ohne über die Schlaglöcher zu schimpfen. Die Bitterfelder Straße hat gegen früher ein ganz anderes Bild erhalten. Die breiten Fahrdämme und ihre neue Einfassung, vor allem das glatte Asphalt, müssen allen Fahrzeugen "Freude bereiten". Auch die Radfahrer werden aufatmen, daß sie nun endlich einen besonderen Weg haben.
13. September
Freiherr von Stein Straße
Die neue Straße, die am Neubau der Ortskrankenkasse vorbeiführt, hat die Bezeichnung "Freiherr von Stein Straße" erhalten.
20. September
Dr. Becker
Der Magistrat hat in seiner gestrigen Sitzung für den nach Halle berufenen Studiendirektor Dr. Karl Becker den Studienrat an der Rheingauschule zu Berlin-Friedenau Dr. Franz Mayer, zum Direktor der Oberrealschule gewählt. Dr. Mayer ist 1884 zu Hüttensteinach bei Sonneberg in Thüringen geboren, war ursprünglich im Volksschuldienst und hat sodann in Jena, Straßburg und Heidelberg studiert.
25. September
Rieselfeldgenossenschaft
Das Rieselfeldprojekt der gegründeten Genossenschaft Delitzsch – Schenkenberg lag seit Februar d. J. bei der Regierung in Merseburg bezw. Berlin und ist vor wenigen Tagen genehmigt bei der Stadtverwaltung eingegangen. Wiesenbaumeister Stein hielt darüber in der gestrigen Stadtverordneten-Versammlung einen Vortrag mit der Aufforderung, der Magistrat möge der Rieselfeldgenossenschaft beitreten und die Verhandlungen mit derselben fördern. Das Rieselfeldprojekt wird nach den Darlegungen des Wiesenbaumeisters Stein etwa 16.700 Mark kosten. Das wären etwa 33.000 Mark weniger als das seiner Zeit in Aussicht genommene Schlammbelebungsverfahren verschlingen würde. Das Rieselfeldprojekt bringt verschiedene große Vorteile gegenüber dem andern Verfahren.
29. September
Gedenktafel
In Anerkennung der Verdienste des verstorbenen Lehrers Oskar Reime, der sich um die Chronik der Stadt in vorzüglicher Weise verdient gemacht hat, wurde heute vormittag 9 Uhr am Hause Gerberplan 11 in einer kurzen Feier, eine Gedenktafel angebracht.
30. September
Wiederherstellung der Stadtkirche
Gestern fand die Wiedereröffnung des Gottesdienstes in unserer Peter – Paul Kirche statt. Vom Juli des Vorjahres bis in die letzten Tage hinein sind fleißige Hände tätig gewesen, die Schäden an dem majestätischen gotischen Bau zu beseitigen die in den letzten 40 Jahren – denn 1889/90 fand die letzte durchgreifende Wiederherstellung statt – entstanden sind. Die Festpredigt hielt Generalsuperintendent D. Schöttler, Magdeburg. Nachmittags, von 15 Uhr an, fand zur weiteren Feier des Tages eine geistliche Musikaufführung statt, deren Leiter Lehrer und Organist Schrödter ist. Die Kosten dieses Erneuerungsbaues sind auf etwa 85.000 Mark zu veranschlagen.
30. September
Eröffnung des Museums im Schloß
Am gestrigen Sonntag 11½ Uhr fand im hiesigen Schlosse anläßlich der Museumseröffnung eine Vorfeier statt. Die für das Museum bestimmten Räume waren vorher entsprechend renoviert worden. Dem zur Verfügung stehenden Raum entsprechend konnten zu der Feier leider in der Hauptsache nur die Vertreter der staatlichen, städtischen und kirchlichen Behörden gebeten werden. Unter den Geladenen befanden sich Landrat Meister, der Direktor der Staatlichen Akademie zu Leipzig Professor Dr. Walter Tiemann, der Leiter des stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig, Dr. Friedrich Schulze u.a.. Die Begrüßungsrede hielt der Vorsitzende des Museumsvereins Dr. Hermann Schulze. Es sprachen dann noch 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt und der frühere Vorsitzende des Museumsvereins Superintendent Schaefer - Schkeuditz.
9. Oktober
Kosten der Rieselfeldanlage
Nachdem die Stadt der neu gegründeten Rieselfeldgenossenschaft beigetreten ist, wird mit der Anlage schon in Kürze begonnen werden. Die Ausführungskosten sind mit rund 170.000 Mark veranschlagt. Von diesen Kosten entfallen auf die Stadt 70.000 Mark für die Anlage der Pumpstation nebst Druckrohrleitung. Die restlichen 100.000 Mark werden für die Rieselfeldanlage und Fischteiche ausgegeben.
23. Oktober
Dr. Mayer
Der neu gewählte Direktor der hiesigen Oberrealschule Studienrat Dr. Mayer hat seine hiesige Stelle wieder aufgegeben und Delitzsch bereits verlassen. Es waren Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem 1. Bürgermeister Böttcher eingetreten, namentlich in der Stellung der Wohnung. Diese Auseinandersetzung hat auch in der "Delitzscher Zeitung" ihren Niederschlag gefunden.
30. Oktober
Dr. Letz
Anstelle von Studienrat Dr. Mayer, der sein Amt als Direktor der Oberrealschule niedergelegt hat, ist vom Magistrat Studienrat Dr. Letz aus Halle gewählt worden.
4. November
Kasper
Gelegentlich der 50. Jubiläumsfeier des Feuerwehrverbandes der Provinz Sachsen in Halle wurde dem Kreisbrandmeister Kasper - Delitzsch eine besondere Ehrung zuteil. Der anwesende Vorsitzende des Preußischen Landes-Feuerwehr-Verbandes Branddirektor Verfürth - Münster, überreichte ihm das Ehrenkreuz 2. Klasse um Verdienste für das Feuerlöschwesen.
5. November
Schafbrücke
Der Belag der Schafbrücke muß erneuert werden. Der Magistrat hat 8.000 Mark für eine neue Brücke bewilligt . Die Stadtverordneten haben die Vorlage angenommen.
18. November
Neues Stadtparlament
Die gestrigen Wahlen zum Stadtparlament hatten folgendes Ergebnis: Es wurden gewählt
von der Einheitsliste 10
von den Beamten und Angestellten 3
von den Sozialdemokraten 5
von den Kommunisten 8
Gewonnen haben die Sozialdemokraten 2 und die Beamten und Angestellten 1 Mandat. Verloren haben die Kommunisten 1 Sitz und die Einheitsliste 2 Sitze.
3. Dezember
Die Arbeiter in der Rieselfeldanlage
Die Arbeiten an der Rieselfeldanlage sind bereits seit Wochen im Gange. 40 Mann sind dort beschäftigt und in dieser Woche werden weitere 40 Arbeiter eingestellt. Heute vormittag fand eine Sitzung der Rieselfeldgenossenschaft Delitzsch – Schenkenberg statt, die sich mit der Rieselfeldanlage an den Delitzscher Kläranlagen befaßte. In den Vorstand wurden gewählt Landrat Meister als Vortsteher, Bürgermeister Böttcher als Stellvertreter und Jungnickel aus Delitzsch, aus Schenkenberg Rich. Bormann, H. Schöttge, A. Georgi und Inspektor Schöne. Anschließend gab Wiesenbaumeister Stein einen Bericht über die Arbeiten an den Kläranlagen.
12. Dezember
Einwohner
Die Einwohnerzahl unserer Stadt steigt stetig. Am 9. Dezember war die Einwohnerzahl auf 16.004 gestiegen.
12. Dezember
Feuerwehrdepot
Das neue Feuerwehrdepot wird am Schäfergraben neben dem Armenhaus erricht werden. Das Depot erhält auch einen Steigerturm und eine für den Gerätewart eingebaute Wohnung. Ursprünglich war als Bauplatz ein Streifen neben dem Alten Schützenhaus vorgesehen. Auf Vorschlag des 1. Bürgermeisters wurde der Platz am Schäfergraben gewählt. Die Baukosten betragen rund 45.000 Mark.
17. Dezember
Stadtverordnetensitzung
Heute fand die erste Sitzung des neu gewählten Stadtparlaments im neuen Sitzungssaal statt. Es wurde das Büro gewählt. Vorsteher wurde der kommunistische Stadtverordnete Geithe. In den Magistrat wurden gewählt 2 der Einheitsliste, einer der Beamten, einer der Sozialdemokraten und zwei der Kommunisten. Als Weihnachtsbeihilfe wurden für die Erwerbslosen und Rentner 10.000 Mark und für die städtischen Arbeiter 1.180 M bewilligt.
18. Dezember
Lehrerkonferenz
Eine stark beschickte Lehrerkonferenz unter Vorsitz von Schulrat Sehmisch, die den gesamten Aufsichtsbezirk vereinigte, fand in der Aula der Oberrealschule zu Delitzsch statt. Der erste Teil der Konferenz bewegte sich um schulische Dinge, die erörtert wurden. Den Mittelpunkt der Konferenz bildete ein Vortrag von Dr. Schwaneske von der Reichszentrale für Heimatdienst über "Young-Plan und seine Auswirkungen".
21. Dezember
Offenbachs verlorene Oper
Es war in Fachkreisen bekannt, daß der berühmte Komponist Offenbach eine Oper "Marielle" hinterlassen hat. Seit über 50 Jahren hat man nach ihr in der ganzen Welt gesucht. Jetzt ist dieses Werk im Nachlasse der hier verstorbenen Frau Kreisrichter Dietze entdeckt worden. Die Oper wird gedruckt und noch in diesem Winter zur Aufführung gelangen. Fast sämtliche ersten deutschen Bühnen und zahlreiche Bühnen des Auslandes interessieren sich dafür. Auch in Amerika soll sie ausgeführt werden.
23. Dezember
Fernsprechhäuschen
Die Reichspost wird auf dem der Reichsbahn gehörigen Vorplatz am Berliner Bahnhof ein Fernsprechhäuschen errichten.
1930
7.Januar
Dr. Letz
Heute vormittag um 11 Uhr wurde der neue Leiter der Oberrealschule, Studiendirektor Dr. Latz, der dieses Amt bereits seit einer Reihe von Wochen kommissarisch verwaltet, durch Oberschulrat Zipperlein eingeführt. Nach der Einführungsrede hielten noch Begrüßungsansprachen 1. Bürgermeister Böttcher als Vertreter des Patronats, Kreisschulrat Sehmisch für die Volksschulen und ihre Lehrer, Gutsbesitzer Wagner - Zschortau für den Elternbeirat, Dr. Freyberg für den Verein früherer Oberrealschüler, Studienrat Schmiedeberg für das Lehrerkollegium, Oberprimaner Frohne im Namen der Schule. Die würdige Feier wurde stimmungsvoll umrahmt durch Vorträge des Oberschulorchesters und des Chores unter der Leitung von Hermann Curth.
15. Januar
Dübener Straße
Wegen Straßenbauarbeiten ist der gesamte Verkehr auf der Dübener Straße beim Bahnübergang gesperrt. Nur der Bahnübergang für Fußgänger ist freigegeben. Es werden Schwellen gelegt und nachts ein Posten aufgestellt, um Unfälle an dem provisorischen Überweg zu vermeiden.
22. Januar
Buhle
Die Stadtverordneten hatten gestern, wie stets zu Beginn eines neuen Geschäftsjahres die Wahl des Vorstandes vorzunehmen. Sie ergab nach mehreren Wahlgängen ein aus 2 Kommunisten und zwei Sozialdemokraten zusammengesetztes Präsidium. Zum Vorsteher wurde Stadtverordneter Buhle gewählt.
25. Januar
Findling
Ein prachtvoller Findling ist auf einem Felde an der Kyhnaer Straße, das vom Landwirt Becker bewirtschaftet wird, gefunden worden. Der 103 Zentner schwere Stein ist unter erheblichen Anstrengungen nach dem Stadtpark (gegenüber der Turnhalle) transportiert worden, wo er mit anderen kleineren Blöcken zusammen eine hübsche Gruppe abgeben wird, da man noch einige Anpflanzungen machen will. Der Findling kann auch nötigenfalls einmal als Träger einer Gedenktafel verwandt werden.
18. Februar
Seuchen in früherer Zeit
Delitzsch hat in alten Zeiten schwere und furchtbare Seuchen durchmachen müssen. In der Lehmann'schen Chronik müssen wir bis zum Jahre 1348 zurückgehen, um auf die erste Nachricht über die Pest zu stoßen. Drei Jahre wütete damals das große Sterben. Man schob die Schuld auf die Juden, die die Brunnen vergiftet haben sollten und trieb sie aus der Stadt. Knapp hundert Jahre später (1439) setzt wieder eine Epidemie ein. Die Menschen fallen in einen tiefen, dreitägigen Schlaf und kämpfen beim Erwachen mit dem Tode. Im Herbste 1552 erreichte eine mehrmonatige Epidemie ihren Höhepunkt. Es sterben in diesem Jahre 848 Menschen an einer schnell tötenden Krankheit. Die Leichen müssen mit Wagen weggefahren werden. Ähnlich ist es 1566. Eben noch gesunde Menschen fallen auf der Straße um und sterben. 1598 und 1599 herrscht wieder eine pestartige Krankheit, zu der sich die Ruhr gesellt. In diesen Jahren sterben 967 Menschen. Der Typhus tritt 1626 verheerend auf. Ganze Familien sterben aus. Delitzsch verliert 850 Einwohner. Auch das Jahr 1637 ist schlimm. Delitzsch war durch diese Krankheiten und die sonstige Not des dreißigjährigen Krieges fast entvölkert. Im Jahre 1643 waren nur 145 Häuser bewohnt, 111 waren wüst. Die Einwohnerzahl belief sich auf 362.
26. Februar
Rathausumbau
Die Stadtverordneten beschäftigten sich in der gestrigen Sitzung mit Finanzfragen besonders um Nachbewilligung zu verschiedenen Zwecken. Es wurde bemängelt, daß die Haushaltspläne nicht sorgfältig genug aufgestellt werden. So waren für den Umbau im Rathause im Haushaltsplan 50.000 Mark gefordert. Nun stellt es sich heraus, daß dieser Umbau 96.000 Mark gekostet hat. Der Magistrat lehnt den S.P.D. Antrag in 2. Lesung ab, in welchem diejenigen Delitzscher Gewerbetreibende bei der Vergebung städtischer Arbeiten ausgeschaltet werden, die irgend ein städtisches Ehrenamt innehaben. Die Angelegenheit geht nun zur Entscheidung vor den Bezirksausschuß.
3. März
Theod. Heinrich
Im Alter von 68 Jahren starb gestern nach längerer Krankheit Klempnermeister Theodor Heinrich. Überall geschätzt und beliebt war er durch seine schauspielerischen Fähigkeiten, die er 50 Jahre lang in den Dienst zahlreicher Liebhaberaufführungen stellte, besonders im Militärverein, Kavallerieverein und in der Schulze-Delitzsch-Liedertafel, der er 46 Jahre als Mitglied angehörte, allgemein bekannt.
6. März
Dr. Baumgardt
2. Bürgermeister Dr. Baumgardt von Delitzsch ist, nachdem der Abg. Kockel- Magdeburg zurückgetreten ist, als Listennachfolger, in den Provinziallandtag eingetreten.
7. März
Demonstration
Auch in Delitzsch kam es gestern in den Abendstunden zu Unruhen, die dadurch veranlaßt wurden, daß die Erwerbslosen, trotz des für ganz Preußen geltenden Demonstrationsverbotes unter freiem Himmel einen Umzug zu bilden begannen. Die Delitzscher Polizei verhinderte aber diesen Aufruhr in kürzester Zeit, indem sie mit dem Gummiknüppel gegen die Demonstranten vorging und sie zerstreute. Dabei erlitten eine Anzahl derer, die sich den polizeilichen Maßnahmen widersetzten, leichtere Verletzungen. Zur Schußwaffe brauchte die Polizei nicht zu greifen. Die Menge hatte die Polizei mit Zaunlatten, Knüppeln u.a. angegriffen.
10. März
Jubiläum der Schlosserinnung
Die Schlosserinnung feierte gestern ihr 25jähriges Jubiläum. Obermeister Biehl gab einen Rückblick über die Geschichte der Innung. Schlossermeister Wandt begrüßte die Lieferanten und betonte das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Handel und Handwerk. Stadtrat Tauche überbrachte die Grüße der Handelskammer. Stellvertretender Obermeister Willi Heinrich übergab Obermeister Biehl eine von der Innung gestiftete silberne Plakette für 25jährige Tätigkeit an verantwortlicher Stelle, Frau Reyher ein von den Damen gestiftetes Tischbanner. Die Feier fand im Hotel zum Schwan statt und war umrahmt von musikalischen Vorträgen.
18. März
Naturdenkmal
Der "Stiefelknecht" im Stadtforst Delitzsch wurde unter Naturschutz gestellt und bei der hiesigen Kreisstelle als Naturdenkmal inventarisiert.
19.März
Wendenburg
Schlossermeister und Gewerbeoberlehrer Wendenburg aus Merseburg erhielt am 1.April ab die hier neu eingerichtete 2. hauptamtliche Gewerbe-Oberlehrerstelle.
20. März
Rieselfeldanlage
Die Arbeiten an der Rieselfeldanlage stehen dicht vor dem Abschluß Die Verrieselungsgräben sind zum größten Teil fertig, und die Pumpstation an der Kläranlage hat in den letzten Tagen schon probeweise gearbeitet. Zwei Junkers-Rohölmotoren von je 35 Pferdestärken drücken das Wasser aus den Klärbecken durch einen unterirdischen Kanal nach dem höchsten Punkt im Gelände jenseits der Schenkenberger Straße, von wo aus das Grabennetz gespeist wird. Die Fischteichanlage am Kosebruch ist ebenfalls mit gediehen.
25. März
Behördenhaus
Am Behördenhaus in der Dübener Straße sind gegenwärtig Verschönerungsarbeiten im Gange.Die Umzäunung ist zwecks Ausbesserung weggenommen worden; sie wird aber in ihrer früheren Form wieder erstehen. Im Vorgarten werden neue Durchgangswege angelegt und gleichzeitig die gärtnerischen Anlagen verschönert.
28. März
Junkersmaschine
Gestern Nachmittag erregte das Erscheinen der Junkersmaschine G 38 über der Stadt allgemeines Aufsehen. Mit mächtigem Gebrumme zog der Luftriese ziemlich niedrig über die Stadt weg. Es handelte sich um einen Meßflug Dessau-Leipzig unter Führung des Piloten Zimmermann.
29. März
Dr. Laschke
Der Kreisarzt der Kreises Delitzsch, Med. Rat Dr. Laschke, tritt nach vollendetem 68. Lebensjahre am 1. April in den Ruhestand. Die Beamten und Angestellten des Landratsamtes hatten sich deshalb am gestrigen Freitag zum Abschiede im Sitzungssaal des Ständehauses versammelt. Landrat Meister widmete dem Scheidenden herzliche Abschiedsworte und dankte ihm für seine zehnjährige Tätigkeit im Kreis und als Arzt am Wohlfahrtsamte.
2. April
Neue Wohnungen
In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wurde der Beschluß gefaßt, den Friedhof in städtische Regie zu übernehmen, ferner die von der Regierung bewilligten 100.000 Mark Hauszinssteuermittel aus dem staatlichen Fürsorgefonds zu verwenden, um am Wasserwerk 36 Wohnungen zu erstellen.
5. April
Volksbücherei
Die Städtische Volksbücherei wird in den nächsten Tagen neue Räume im Schloß beziehen. Sie wird im Erdgeschoß untergebracht werden.
7. April
Milder Winter
Ein ungewöhnlich warmer Winter liegt hinter uns. In der sehr weit zurückreichenden Reihe finden sich –bei Berücksichtigung der Monate Dezember bis Februar- nur elf Winter, die noch wärmer waren. Es gab nur eine" Kälteperiode" von acht Tagen und zwar vom 18. bis 25. Dezember, in deren Verlauf die niedrigste Temperatur von – 8 Grad eintrat. Schnee fiel in den 5 Monaten nur an 10 Tagen. Der Schnee blieb nur einige Zeit liegen.
9. April
Stadtgraben
Für die Freunde des Stadtgrabengeflügels gab es gestern wieder eine Überraschung. Ein kostbares Paar Türkische Enten, auch Moschus- oder Bisamenten genannt, hielt seinen Einzug. Die Stadt hat das sonderbare Paar in Wittenberg gekauft. Die Tiere haben einen metallgrünes, purpurviolett schillerndes Gefieder, Höcker an der Stirn, die beim Erpel in sattem Rot leuchten und sind sonderbarer Weise nicht etwa in der Türkei, sondern in – Südamerika heimisch.
26. April
Dietze Garten
Die Stadtverwaltung ist sich bewußt ; daß es wichtig ist, der Bevölkerung Grünflächen zum Erholungsaufenthalt zu schaffen. Sie hat deswegen vor mehreren Monaten den großen Dietze'schen Garten an der Schloßpromenade und neuerdings einen Teil der großen Wiese an der Parkstraße (Gärtnerei Naujokat) erworben. Damit besteht die Möglichkeit einen Grüngürtel zu schaffen, wie ihn nur wenige Städte besitzen. Der Dietze'sche Garten ist bereits erschlossen worden. Man hat Wege angelegt und allzu wirres Gestrüpp beseitigt. Wen erst die geplanten Brücken über den Lober gelegt sind, dann kann man von der Schloßpromenade durch den Dietze'schen Garten direkt nach der Parkstraße und dem Stadtpark gelangen.
30. April
Kasper
Mit Rücksicht auf seine langjährige Tätigkeit und seine großen Verdienste um die Entwicklung des Feuerlöschwesens im Kreise Delitzsch wurde Kreisbrandmeister Kasper in Delitzsch vom Kreisausschuß zum Kreisbranddirektor ernannt.
12. Mai
Forsthaus
Sobald die Straße von Delitzsch nach dem Forsthaus Delitzsch dem Verkehr freigegeben ist, werden an einigen Tagen der Woche Sonderfahrten nach dem Forsthaus ausgeführt werden.
19. Mai
Feuerwehrdepot
Die Feuerwehr beging gestern die Übernahme ihres neuen Heims im Schäfergraben in einem durchaus würdig verlaufenen Akt. Um ½11 Uhr versammelten sich die Mannschaften am alten Geräteschuppen in der Ritterstraße. Mit Musik wurden die Geräte dann durch die Leipziger-, Breite-, Eilenburger- und Lindenstraße nach dem Schäfergraben überführt, voran die alte rote Feuerwehrfahne aus der Zeit der Altvordern. Vor dem schmucken Haus nahmen die Mannschaften dann Aufstellung. Bürgermeister Böttcher gab in seiner Eröffnungsansprache einen Rückblick über die Entstehung des Hauses und übergab den Schlüssel des neuen Depots dem Dezernenten des Feuerlöschwesens, Stadtrat Schmidt. Dieser gab den Schlüssel in die Hände des Branddirektors Mietzsch weiter. Branddirektor Mietzsch versprach im Namen der Wehr, das neue Heim in jeder Beziehung zu hüten.
26. Mai
Verbandstag der Feuerwehren
Am Sonnabend und Sonntag dem 24. und 25. Mai fand in Delitzsch der 48. Verbandstag der Feuerwehren des Bezirkes Merseburg statt. Sonnabend nachmittag ½3 Uhr tagte die Hauptversammlung des Bezirksverbandes im stark besetzten Saale des Schützenhofes. Der Vorsitzenden des Verbandes, Branddirektor Kröbel- Zeitz begrüßte die anwesenden Ehrengäste: 1. Bürgermeister Böttcher Delitzsch, Stadtrat Schmidt – Delitzsch, Feuersozietätsinspektor Schmidt - Magdeburg, Provinzialverbandsvorsitzender Krauthoff - Wanzleben und Feuerlöschdirektor Scholz - Magdeburg.Es folgten die verschiedenen Berichte. Daraus ist zu ersehen, daß der Regierungsbezirk augenblicklich umfaßt 329 freiwillige Feuerwehren, 28 Werkfeuerwehren, 2 uniformierte und 117 Pflichtfeuerwehren mit insgesamt 15.000 Mitgliedern. Anwesend waren an der Sitzung 2.214 Delegierte. Am Abend fand im Schützenhause ein Begrüßungsabend statt, wo die verschiedensten Redner zu Worte kamen. Eröffnet wurde dieser Abend durch Landrat Meister - Delitzsch. Umrahmt wurde die Feier durch musikalische und deklamatorische Vorträge. Am Sonntag vormittag fanden praktische Vorführungen der Feuerwehr statt. Gegen 3 Uhr nachmittag formte sich auf dem Schützplatz der Festzug. Mit mehreren Kapellen bewegte er sich durch die Straßen der Stadt. Etwa 1.500 Feuerwehrleute marschierten durch Delitzsch.
4. Juni
Spröde
Die gestrige Stadtverordnetenversammlung faßte den Beschluß, einen Fußweg nach der Spröde anzulegen. Dieser soll aber zunächst nur bis zur Rampoldtsruh führen. Der Magistrat hat für diesen Fußweg 4.200 Mark bewilligt. Es soll ferner die Fahrbahn der Dübener Vorstraße, das ist der Teil der Dübener Straße hinter der Bahn neu hergestellt werden. Die Kosten von 34.000 Mark werden durch Anleihemittel gedeckt.
24. Juni
Berliner Bahnhof
Erfreulicherweise hat man jetzt dem Vorplatz unsers Berliner Bahnhofs ein freundlicheres Gesicht verschafft. Der alte schmutzige Bretterzaun, der den Güterbahnhof von der Fahrstraße trennte, ist gefallen; an seine Stelle trat ein kleiner weißer Zaun. Die Anlagen am Bahnhof sind in Ordnung gebracht worden, und schließlich hat auch der Pächter der Bahnhofswirtschaft seinen Garten geschmackvoll herzurichten gewußt, so daß das alte schmutzige Bahnhofsgebäude jetzt nicht mehr so unangenehm in die Augen fällt. Wir besitzen jetzt wenigstens einen hübschen Bahnhofsvorplatz.
28. Juni
Rieselfeldanlage
Die Riesenfeldanlage zwischen Delitzsch und Schenkenberg ist fertiggestellt. Gestern nachmittag fand auf Veranlassung des Landrats eine Besichtigung der neuen Anlage statt. Der Einladung der Rieselfeldgenossenschaft waren Vertreter des Kreisausschusses sowie des Magistrats aus Bitterfeld und Delitzsch, ferner eine Anzahl Pressevertreter gefolgt, die mit Interesse die soeben fertiggestellten Anlagen in Augenschein nahmen. Alle äußerten sich höchst befriedigt über die Anlage selbst und die Verwendung der Abwässer. Neben der alten Kläranlage ist eine größere Pumpenanlage gebaut worden, die die Abwässer und den Schlamm durch Röhren auf den höchsten Punkt des Geländes, welcher auf der anderen Seite der Delitzscher-Schenkenberger Straße liegt, drückt, von wo aus sie sich in ein Grabnetz verteilen. Schleusen sorgen dafür, daß mit der Verrieselung einzelner Felder abgewechselt werden kann. Es wird so ein 400 Morgen großes Gelände berieselt. Durch Sand- und Kiesboden werden die Abwässer gereinigt und ganz allmählich von tiefer gelegenen kleinen Ableitungsgräben oder den Fischteichen am Kosebruch aufgefangen.
1. Juli
Rheinlandbefreiung
Aus Anlaß der Rheinlandbefreiung fanden heute morgen in allen Schulen Feiern statt. Der Unterricht fiel danach aus. Die öffentlichen Gebäude haben geflaggt. Um 12 Uhr erhoben die Kirchenglocken ihre Stimmen, um zu künden, daß unsere rheinischen Brüder endlich von ihrem Joch befreit sind.
14. Juli
Polizeikommissar Schulz
Der Polizeikommissar Schulz aus Delitzsch hatte sich am Sonnabend in Uniform mit Bekannten nach Zschortau in eine dortige Tanzdiele begeben, wo es zu einer Schlägerei kam. Dabei erhielt der Polizeikommissar mit einem Bierseidel einen schweren Schlag über den Kopf, der eine 5 Zentimeter lange klaffende Wunde am rechten Scheitelbein und Bewußtlosigkeit hervorrief. Man brachte ihn nach Delitzsch zurück. Hier begab sich Polizeikommissar Schulz unter der Einwirkung der Verletzung in eine Gastwirtschaft am Markt, wo er die Gäste unter dem Hinweis, es sei die Polizeistunde überschritten worden, bedrohte. Daraufhin sahen sich die diensthabenden Polizeibeamten genötigt, ihren Vorgesetzten auf die Wache zu bringen. Der 2. Bürgermeister hat den Polizeikommissar zunächst seiner dienstlichen Obliegenheiten bis zur Klärung des Sachverhalts enthoben und das Kommando über die Polizei dem Polizeimeister Tuschling übertragen.
26. Juli
Einbahnstraße
Die Polizei macht nochmals darauf aufmerksam, daß das Straßenstück Promenade-Kohlstraße zur Einbahnstraße erklärt worden ist und das Befahren in der gesamten Richtung wegen des starken Verkehrs auf der Kohlstraße mit großer Gefahr verbunden ist.
31. Juli
Regenmonat
Mit dem Juli ist ein Regenmonat zu Ende gegangen. Wir trauern ihm nicht nach, denn was der Juni nicht fertig brachte, das übertrieb der Juli. Regenmengen sind gefallen, die für unsere Breiten als annormal anzusprechen sind. Laut Statistik sind im Juli 112,4 Millimeter Regen gefallen.
20. August
Freesestraße
Die neue Straße, die die Verbindung zwischen der Dübener Vorstadt und dem Werbener Weg herstellt, hat die Bezeichnung Freese Straße erhalten. Freese ist ein bekannter Sozialpolitiker und Bodenreformer, der in seinen Fabrikbetrieben 1888 die Gewinnbeteiligung der Angestellten, 1890 den Achtstundentag einführte.
23. August
Elbritzplatz
Der Elbritzplatz wird seit Jahren seitens der Stadtverwaltung sehr stiefmütterlich behandelt, so daß er jetzt einer verwahrlosten Wiese gleicht. Besonders hervorzuheben ist der im Vorjahre ausgebesserte Weg, welcher über den Platz führt. Den Fußgängern ist es kaum möglich den ungewalzten Weg zu passieren. Der Platz ließe sich mit wenigen Mitteln, durch Ansäen von Gras und besonders durch Anlegung sauberer Wege, in einen freundlichen Zustand versetzen.
23. August
Neue Steuern
Der Magistrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit den neuen Steuern beschäftigt, die sich aus der Notverordnung des Reichspräsidenten ergeben. Er hat der Biersteuer und der Bürgersteuer zugestimmt. Für die Stadt Delitzsch würde sich aus der Bürgerabgabe eine Mehreinnahme von 36.000 Markt ergeben. Die Stadtverordneten haben jedoch in ihrer heutigen Sitzung auch diese beiden Steuerarten abgelehnt. Da nun der Magistrat wegen der schlechten Finanzlage der Stadt auf die Steuern nicht verzichten kann, muß nun der Bezirksausschuß in Merseburg entscheiden. Es ist zu erwarten, daß die Einführung dieser beiden Steuerarten von Merseburg verordnet wird. Weiter wurde beschlossen, im Schloßgrundstück vier Schulklassen einzurichten und zwar zwei Hilfsschulklassen und zwei Klassen der Kaufm. Berufsschule. Zu diesem Zwecke soll eine Anleihe bis zu 50.000 Mark aufgenommen werden.
28. August
Hiller
Der Regierungspräsident hat den Polizeimeister Hiller aus Weißenfels mit der Leitung der hiesigen städtischen Polizei beauftragt.
1. September
Postomnibus
Die Spröde wird immer mehr ein Lieblingserholungsort der Delitzscher. Seit längerer Zeit schon stellt die Post zur Beförderung nach der Spröde zweimal wöchentlich am Mittwoch und Sonntag nachmittag, den Postomnibus zur Verfügung. Am gestrigen Sonntag war bei dem schönen Sommerwetter der Verkehr so stark, daß bei jeder Fahrt, er verkehrt aller halbe Stunde von der Post aus, der Omnibus übervoll besetzt war, und bei der letzten Nachhausefahrt verschiedene nicht mehr mitfahren konnten.
4. September
Oelschlägel
Der langjährige Direktor des Gaswerks, Artur Oelschlägel, hat am 1. September Delitzsch verlassen, um die Leitung des Gaswerkes in Neustadt a. d. Orla zu übernehmen. 26 Jahre stand Direktor Oelschlägel dem hiesigen Gaswerk vor. Durch seine ausgezeichnete Fachkenntnis, durch seine Gewissenhaftigkeit und unermüdliche treue Arbeit hat Direktor Oelschlägel das vor einem Menschenalter noch sehr kleine Werk zu dem gemacht, was es heute ist und wodurch es unter den Werken der näheren und weiteren Umgebung geradezu zu einem Musterwerk geworden ist. Die Leitung des Gaswerkes ist Direktor Wallrodt aus Hildburghausen übertragen worden.
6. September
Sanitätskolonne
Heute feiert die freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz das Fest ihres 25jährigen Bestehens. Zwei der Kolonne noch angehörende Mitbegründer, Schüßler und Hecker, wurden besonders ausgezeichnet.
15. September
Reichstagswahl
Bei der Reichstagswahl am 14. September erringen die Nationalsozialisten einen ungeheuren Wahlsieg. Im Kreise Delitzsch erhielten sie 1928 nur 658 Stimmen; bei der gestrigen Wahl stieg die Stimmabgabe für die NSDAP im Kreis auf 7027. Im ganzen deutschen Reich erringen sie 107 Mandate. Die bürgerlichen Mittelparteien erleiden dagegen eine Niederlage.
30. September
Postamt
Im Delitzscher Postamt werden umfangreiche Umbauten vorgenommen. Delitzsch soll Leitpostamt werden; 60 Poststellen auf dem Lande werden künftig von Delitzsch aus beliefert. Infolgedessen reichen die Einrichtungen des Postamtes nicht mehr aus, und es ist notwendig geworden, die Abfertigungs- und Packräume zu vergrößern. Gleichzeitig wird Zentralheizung in das Gebäude gelegt, auch werden die Schalter nach neuzeitlichen Gesichtspunkten - nach der Art der Bankschalter - umgeändert. Das ist aufs lebhafteste zu begrüßen. Bedauerlicherweise ist bei Vergebung dieser Arbeiten keinerlei Rücksicht auf die Interessen des heimischen Gewerbes genommen worden. Weil die Herren der Oberpostdirektion in Halle wohnen und über die Vergebung der Arbeiten zu bestimmen haben, sind nur Halle'sche Unternehmer mit den Arbeiten betraut worden. Nach dem Wunsch der Reichsregierung sollten aber bei Vergebung solcher Arbeiten möglichst alle Teile der Wirtschaft berücksichtigt werden.
1. Oktober
Erwerbslose
Die Lösung der Erwerbslosenfrage ist ein schweres Problem für unsere Stadtverordneten, das ergab Aussprache in der gestrigen Versammlung. Wegen des raschen Steigens der ausgesteuerten Erwerbslosen sind die staatlichen Mittel erschöpft. Da monatlich 25.000 Mark erforderlich sind, so braucht man noch bis Ende des Etatsjahrs 218.000 Mark. Gegenwärtig sind 433 Wohlfahrtserwerbslose vorhanden. Um einen Teil der Erwerbslosen wieder in Arbeit zu bringen, soll das große Bauprogramm am Wasserwerk, das den Bau von 40 Wohnungen vorsieht, noch um 18 Wohnungen erweitert werden.
3. Oktober
Zeppelin
Anläßlich des Zeppelin-Besuchs am 5. d. Mts. morgens zwischen 10 und 11 Uhr auf dem Flughafen Mockau bei Leipzig, werden alle Morgenzüge auf dem Hin- und Herwege nach Leipzig in Neuwiederitzsch halten. Außerdem fährt zwischen Delitzsch und Neuwiederitzsch ein Sonderzug hin und zurück. Der 1. Bürgermeister, sowie das Ortskartell Delitzsch des Deutschen Beamtenbundes haben an den Luftschiffbau in Friedrichshafen die Bitte gerichtet, doch Delitzsch am kommenden Sonntag zu berühren. Leider haben wir die Antwort erhalten, daß dies diesmal unmöglich sei, da der "Zeppe" am Sonntag außer in Leipzig noch in Görlitz landen müsse.
4. Oktober
Alter Stadtplan
Ein Plan der mittelalterlichen befestigten Stadt Delitzsch war bisher nicht bekannt. Jetzt ist ein solcher in alten Papieren der Familie Schulze- Delitzsch aufgefunden worden. Dieser Plan ist hochinteressant und für die Geschichte der Stadt wertvoll; er enthält Bezeichnungen der wichtigsten Baulichkeiten der Stadt.
8. Oktober
Gerberplan
Die Straßendecke des Gerberplans ist aufgerissen; sie wird neu chaussiert und mit einer Kaltasphaltdecke belegt.
13. Oktober
Krankenhaus
Bekanntlich ist der seit Jahren geplante Krankenhausneubau an der Platzfrage gescheitert. Nun ist man ganz vom Neubau abgekommen. Es soll der Neubau eines Krankenpavillons im Gelände des Krankenhauses errichtet werden.
15. Oktober
Walzenmühle
Die Walzenmühle auf der Leipziger Straße hat ihre Tätigkeit eingestellt. Der Besitzer Bauer hat das Grundstück zum Kauf der Stadt angeboten. Der Magistrat hat darauf eine Besichtigung des Grundstücks vorgenommen. Da sich das Gebäude nicht zum Ausbau für Schulzwecke eignet, wird der Kauf abgelehnt.
16. Oktober
Marmuth
Heute vormittag beging Obergerichtsvollzieher Marmuth zwischen Delitzsch und der Spröde bei der sogenannten "Rampoldsruh" Selbstmord. Er war mit seinem Auto seit der Nacht unterwegs und nahm sich durch einen Schuß mit einem Jagdgewehr das Leben. Finanzielle Schwierigkeiten dürften der Grund sein.
28. Oktober
Staatskommissar
Die Regierung hat beschlossen, in Delitzsch einen Staatskommissar einzusetzen. Es ist dafür der Steuerdezernent, der 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt vorgesehen. Die Maßnahme der Merseburger Regierung hängt mit der Ablehnung der Steuerzuschläge bezw. der Beschwerde beim Provinzialrat zusammen. Die Stadtverordnetenversammlung und der Magistrat haben sich bekanntlich nicht einigen können, so daß die Stadt die Ausgaben sperren mußte. Die Aufgabe des Staatskommissars wird es sein, eine Sanierung der städtischen Finanzen durchzuführen. Es ist anzunehmen, daß er die Steuervorschläge, wie sie vom Magistrat zur Deckung des 200.000 RM Defizits dem Stadtparlament unterbreitet worden sind, und im übrigen Sparmaßnahmen durchführen wird.
31. Oktober
Bürgersteuer
Staatskommissar Bürgermeister Dr. Baumgardt hat unterm 31.10.1930 die Erhebung der Bürgersteuer für das Rechnungsjahr 1930 angeordnet und noch die Erhöhung der Gemeindebiersteuer vorgesehen. Der Magistrat hat seine Zustimmung erteilt. Durch dies Maßnahme wird die Stadtgemeinde in der Lage sein, alle die Ausgaben, die ihr gesetzlich oder vertragsmäßig obliegen, zu erfüllen.
1. November
Stadtgraben
Am Stadtgraben treiben lose Buben ein böses Spiel. Seit Wochen belebt eine Schar Türkenenten unseren Stadtgraben und erfreut Jung und Alt. In letzter Zeit nimmt die Zahl ab. Die Enten werden abgefangen. In letzter Nacht hing sich eine Ente am Angelhaken auf. Jeder Einwohner muß helfen, den Burschen das Handwerk zu legen.
6. November
Postamt
Die Arbeiten im Postamt, das, wie bereits gemeldet, völlig umgebaut und mit Dampfheizung versehen wird, schreiten rüstig fort. Die damalige Kritik der hiesigen Zeitungen, daß die Oberpostdirektion bei der Vergebung der Arbeiten, das heimische Gewerbe nicht berücksichtigt hat, hat nun erfreulicherweise den Erfolg gezeigt, daß eine Reihe von Handwerksarbeiten, s.u.a. die Klempner- und Tischlerarbeiten, Delitzscher Gewerbetreibenden übertragen worden sind.
27. November
Krankenhaus
Der Kreisausschuß hat für den Erweiterungs- bezw. Verbesserungsbau des Städt. Krankenhauses einen Kreiszuschuß von ¼ der nachweislich entstandenen Selbstkosten bis zu einem Höchstbetrage von 35.000 Mark bewilligt. Daran werden folgende Bedingungen geknüpft: Die Stadt Delitzsch behandelt die Bewohner des platten Landes, die auf eigene Kosten untergebracht werden, wie die Delitzscher Einwohner. Für Hilfsbedürftige werden die Kurkosten nach Tarif berechnet, Der Vorsitzende des Kreisausschusses oder sein Stellvertreter ist Mitglied der Krankenhausdeputation. Die Stadtverordneten nehmen den Zuschuß mit den Bedingungen an mit der Abänderung, daß der Vertreter des Kreises nur beratende Stimmen hat. Diese Abänderung wurde jedoch wieder fallen gelassen und der Zuschuß mit allen Bedingungen angenommen.
9. Dezember
Musikverein
Der Delitzscher Musikverein hat in seiner gestrigen Versammlung beschlossen, die Vereinstätigkeit wieder aufzunehmen. Zum Vorsitzenden wurde Studiendirektor Dr. Letz und zum Dirigenten Oberzeichenlehrer Curth gewählt.
11. Dezember
Dr. Baumgardt
In der Vorstandssitzung des Städtetages der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, die in Magdeburg am 6. d. Mts. stattgefunden hat, wurde anstelle des ausgeschiedenen Oberbürgermeisters Dr. Belian, Eilenburg, das Vorstandsmitglied des Städtetages 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt - Delitzsch, in den Ausschuß für kommunale Wohlfahrtspflege als Vertreter des Städtetages gewählt.
13. Dezember
Ludw. Jahn-Straße
Die Verbindung zwischen Bitterfelder- und Lindenstraße erhält den Namen Ludwig- Jahn- Straße.
1931
7. Januar
Fernsprechautomat
In der letzten Nacht versuchten Diebe die Geldkassette des Fernsprechautomaten am Berliner Bahnhof zu entleeren. Die Diebe zerstörten das Schloß und zerbrachen die Haltevorrichtung, so daß der Apparat unbrauchbar gemacht worden ist. Die Post ist nun gezwungen, den Apparat nach Halle zu schaffen, wo er wieder in Ordnung gebracht wird. Das Fernsprechhäuschen wird dadurch dem Verkehr auf einige Zeit entzogen.
12. Januar
Robert Hennig
Im Alter von 83 Jahren ist Rentier Robert Hennig gestorben, ein geborener Delitzscher, der bis zur Inflationszeit, durch die er selbst verarmte, als Wohltäter in unserer Stadt bekannt war. Er hatte stets eine offene Hand, wenn es galt, Armen zu helfen. Wenigen der jüngeren Generation wird es bekannt sein, daß das Hennig – Schroedter - Haus von ihm gestiftet und nach ihm benannt wurde. Der Stadt vermachte er eine Stiftung " die Hennig - Schroedter Stiftung" im Betrage von 24.000 Mark. In uneigennütziger Weise wirkte er in allen den Organisationen, wo es galt Wohltaten zu stiften.
19. Januar
Feuerwehr
Am Sonnabend abend beging die Freiwillige Feuerwehr ihr 70jähriges Stiftungsfest im Schützenhaus. Sie ist vor 70 Jahren aus der sogenannten Turner- Feuerwehr entstanden, da ihre Mitglieder sich aus dem Turnerverein Delitzsch von 1845 rekrutierten. Die ersten Führer waren der Kaufmann August Rathmann und Buchdruckereibesitzer Meyner. Ihnen folgte im Jahre 1865 der Kaufmann Gustav Schulze, der 50 Jahre das verantwortungsvolle Amt ausübte. 1915 übernahm der Kaufmann F. W. Schultze die Führung, dessen Amtsnachfolger im Jahre 1925 der Schlossermeister Mietzsch wurde. Unter seiner Leitung wurde im Jahre 1927 eine Motorspritze angeschafft, 1928 kam ein automobiler Mannschaftswagen hinzu.
28. Januar
Brisch
Der frühere Landrat des Kreises Delitzsch, Brisch, der vom 1. April 1925 ab nur ein Jahr hier tätig war und aus bekannter Ursache als Regierungsrat nach Düsseldorf versetzt worden ist, ist jetzt vom Staatsministerium zum Oberbürgermeister von Solingen ernannt worden.
2. Februar
Hampe
Am 1. Februar starb hier der verdienstvolle 1. Vorsitzende des Turnvereins Delitzsch von 1845 und Ehrenvorsitzender der Turnvereinigung Louis Hampe.
4. Februar
Scharruhn
In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wurde der bürgerliche Kandidat für den Vorsteherposten, der Stadtverordnete Scharruhn (Wirtsch.) mit 13 gegen 11 Stimmen zum Vorsteher für das Geschäftsjahr 1931 gewählt. Die Stadtverordneten beschlossen, in den großen Baublock in der Bitterfelder Straße 2 Läden anzubauen und in der Eilenburger Straße für die dort infolge des Frostes vor zwei Jahren eingegangenen Bäume im Interesse der Verkehrssicherheit, keine neuen Bäume anzupflanzen.
12. Februar
Braune
Heute begeht die hiesige Fleischerei Braune in der Hallischen Straße das seltene Fest des 150jährigen Bestehens. Dieses Unternehmen wurde von Johann Gottlob Braune 1781 gegründet und ist seit dieser Zeit stets im Besitz der Fleischerei Braune geblieben. Die Firma vererbte sich gewissermaßen immer auf den Sohn des jeweiligen Inhabers. So übernahm im Jahre 1808 Johann Gottfried Braune das Geschäft, das 1851 dessen Sohn Ernst Louis Braune weiterführte, um es im Jahre 1883 seinem Sohn Friedrich Gustav wieder zu übergeben. Dieser führte die Fleischerei bis 1819 (1919 d.A.), die von da ab der jetzige Inhaber Louis Kurt Braune bis auf den heutigen Tag leitet. Blättert man in der Familienchronik weiter, so findet man, daß sich die Familie bis ins 15. Jahrhundert zurückführen läßt. Ehe sie sich in Delitzsch niederließ, weilte sie einige Zeit in Bitterfeld und Jeßnitz.
16. Februar
Kraftpost
Die Kraftpostlinie Delitzsch-Schkeuditz wird mit dem Tage der Verkraftung des Landbestelldienstes eingestellt, das wird am 1. März der Fall sein. Für den Verkehr von Delitzsch nach Glesien und die dazwischen liegenden Orte bleibt dann nur noch die Kleinbahn bestehen.
25. Februar
Vor 100 Jahren
Schon vor 100 Jahren sorgte man sich um das Wohlergehen seiner Mitbürger. So lesen wir in einer Nummer des Nachrichtenblattes des Delitzscher und Bitterfelder Kreises vom Januar 1831 folgende polizeiliche Bekanntmachung: "Durch den öfteren Wechsel von Frost und Thauwetter ist die Gefährlichkeit des Eises, vorzüglich auf dem hiesigen Stadtgraben in diesem Winter weit größer, als früher und es ist zu Verhütung von Unglücksfällen daher besonders nöthig geworden, die gefahrvollen Stellen zu Jedermanns Warnung durch Aufsteckung von Strohwischen kenntlicher zu machen. Indem wir daß hierdurch zur Kenntniß des Publikums bringen, fordern wir namentlich Eltern und Lehrer auf, ihre Kinder und Pflegebefohlnen auf die Beachtung dieser Warnungszeichen aufmerksam zu machen, da die den hiesigen beiden Flurschützen übertragene Aufsicht über das Eis und die Eisbahnen nicht allein imstande ist, möglichem Unglück vorzubeugen.
Delitzsch, den 7. Januar 1831
Der Stadtrat
26. Februar
Leitpostamt
Beim hiesigen Leitpostamt Delitzsch werden am 1. März 1931 zwei Landkraftpostlinien in Betrieb genommen.
9. März
Dr. Laschke
Medizinalrat Dr. Laschke, der frühere Delitzscher Kreisarzt, der seit dem 1. April vorigen Jahres im Ruhestand in Halle lebte, ist gestorben. Mit ihm ist eine Persönlichkeit von uns gegangen, die in jahrelanger segensreicher Tätigkeit, vom 18. Mai 1919 bis zum 29. März 1930, im Kreis Delitzsch gewirkt hat. Medizinalrat Dr. Laschke ist in Posen geboren und gehört zu den vielen Deutschen, die seinerzeit ihre alte, liebgewonnene Heimat, die Provinz Posen verlassen mußten. Er kam aus Schroda in der Provinz Posen nach hier und war außer seiner Tätigkeit als Kreisarzt auch Kreiskommunalarzt beim Wohlfahrtsamt in Delitzsch, Vertrauensarzt der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und bis 1927 Bahnarzt, seitdem bis zu seinem Tode Kontrollarzt der Reichsbahndirektion Halle.
31. März
Firma Schroeter
Die Firma Waldemar Schroeter in der Schloßstrasse begeht am morgigen Tage die Feier des 50jährigen Bestehens. Im Jahre 1881 gründete Waldemar Schroeter das Unternehmen an seinem Geburtstag, dem 1. April. Er stellte in seiner Werkstatt die damals berühmten Hochräder her. Da diese aber leicht kippten, sann er auf Abhilfe der Gefahr und erfand eine auslösbare Lenkstange, die sich beim Fallen leicht vom Fahrer entfernen und den Sturz nicht mehr so gefährlich werden ließ. Dann kamen die Niederräder auf, mit deren Herstellung und Verbesserung sich Waldemar Schroeter ebenfalls befaßte, bis er sich zu Beginn der 90er Jahre dem Bau von Motorfahrzeugen zuwandte. Er konstruierte und bastelte ständig an Motoren und deren weiteren Ausbau herum, bis er zum Flugzeugbau überging. Zusammen mit dem Leipziger Ingenieur Fritsch fertigte er zunächst einige kleine Modelle an, um sich dann nach günstigen Resultaten der Proben an die Herstellung einer großen Maschine zu machen. Mit diesem Apparat wurden sogar Flugversuche auf dem Schützenhofplatz ausgeführt, die aber wegen Mangel an Zeit und Geld eingestellt wurden. Ganz wie sich Waldemar Schroeter die Entwicklung des Flugzeugwesens gedacht hatte, ist sie auch ihren Weg gegangen. Im vorigen Jahre schloß er seine Augen; seine Frau führt das Geschäft weiter.
31. März
Markt
Da der Marktplatz infolge der mit den Jahren immer größer gewordenen Bäume unübersichtlich geworden ist, sollen nun dort, ebenso wie kürzlich in der Eilenburger Straße die schönen Bäume dem Verkehr zum Opfer fallen. Morgen vormittag wird auf dem Marktplatz eine Lokomobile, wie damals in der Bitterfelder Straße, die Bäume mit Stumpf und Stiel ausreißen, damit keine Baumstümpfe stehen bleiben.
1. April
Neue Wohnungen / Hilfsschule
Die Stadtverordneten beschlossen in ihrer gestrigen Sitzung einen neuen Wohnungsneubau von 60 Wohnungen. Der Neubau soll hinter den im Vorjahr entstandenen Häuserblock in der Bitterfelder Straße kommen. Es sind dort bereits 58 neue Wohnungen entstanden. Auch soll vor dem Neubau ein Bürgersteig angelegt und der Sommerweg gepflastert werden. Für den Neubau will der Magistrat bei der Mitteldeutschen Landesbank ein Darlehn von 50.000 Mark aufnehmen. Im Schloßgebäude soll die Hilfsschule untergebracht werden .Der Kostenaufwand des Umbaus und die Einrichtung ist mit 35.000 Mark veranschlagt.
7. April
Ehrenberg
Am Ostersonntag wurde vom Museumsverein im Schloß das neu eingerichtete Ehrenbergzimmer eingeweiht. Eine große Anzahl Gäste hatten sich auf Einladung im Schloß eingefunden. Christian Gottfried Ehrenberg, geb. 19. April 1795 in Delitzsch, gest. 27. Juni 1876 in Berlin, hat sich als Naturforscher und Begleiter des A. von Humboldt auf dessen Erforschungsreisen durch Asien einen Namen erworben. 389 Werke hat der weitgereiste Mann, an dessen Geburtshaus in der Halleschen Straße die Tafel erfreulicher Weise erneuert worden ist, der Nachwelt überlassen. In der Hauptsache sind es Arbeiten über die Mikroorganismen, die kleinsten Lebewesen; ein Teil von ihnen konnte im Ehrenbergzimmer untergebracht werden.
13. April
Lehrertreffen
Ein großes Treffen von Lehrern, frühere Schüler des hiesigen Seminars fand in den Tagen nach Ostern in Delitzsch statt. Es feierten ein Wiedersehen in alter Tradition nach 10, 15, 20, 25 Jahren die Jahrgänge 1919/22, 1918/21, 1914/17, 1913/16, 1908/11, 1903/06 des hiesigen ehemaligen Seminars. Am Nachmittag begrüßten sich die alten Jugendfreunde in der "Linde". Dann gings ins Städtchen, um die lieben alten Orte noch einmal zu sehen. Abends saß dann der Freundeskreis beisammen, um alte Erinnerungen auszutauschen. Am anderen Vormittag ging es in die Gedächtniskirche, um am Seminarehrenmal einen Kranz niederzulegen. Und darnach gings hinaus zum Friedhof, um die Grabstätten der ehemaligen Seminarlehrer aufzusuchen. Auf dem Rückwege wurden die alten Räume im Seminar und Präparande noch einmal aufgesucht. Und dann hieß es scheiden.
21. April
Einwohnerzahl
Die Einwohnerzahl in Delitzsch beträgt nach den Feststellungen vom 1. April 1931; 16.125 Personen.
6. Mai
Krankenhaus
Der Umbau bezw. Neubau des Krankenhauses ist vollendet. Mit geringen Mitteln hat man es verstanden, das Krankenhaus so herzurichten, daß es allen Anforderungen, die an eine solche Einrichtung gestellt werden, gerecht wird. Sämtliche Räume machen jetzt einen freundlichen, anheimelnden Eindruck. Im einzelnen ist hervorzuheben, daß der Operationssaal um das zweieinhalbfache vergrößert wurde und mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet ist, die man im Augenblick kennt. Um den Kranken die Ruhe zu geben, die sie benötigen, hat man die Fenster zunächst an der Straßenseite verdoppelt. Im Garten ist nun als Erweiterung der Frauenstation ein neuer Pavillon erbaut worden. Er bildet fast ein kleines Krankenhaus für sich. Er beherbergt sowohl Schwesternzimmer als auch eine Küche die wieder trotz ihres geringen Ausmaßes alles beherbergt, was gebraucht wird. Es bleibt noch übrig, die Neuanlage von Grünflächen. Um dieses alles fertigzustellen, benötigte man nur 130.000 Mark, wobei die erfreuliche Tatsache festgestellt sein möge, daß diese Summe veranschlagt war und nicht ein Pfennig mehr ausgegeben wurde, was nicht häufig vorkommen dürfte.
23. Mai
Nordplatz
Eine neue öffentliche Fernsprechstelle ist vom hiesigen Postamt am Nordplatz in der Nord-Drogerie dem Verkehr übergeben worden. Ebenso werden in nächster Zeit am Nordplatz drei Freimarkengeber angebracht werden.
28. Mai
Verbandstag
Am 27. und 28. Mai fand in Delitzsch der 34. Verbandstag gewerblicher Genossenschaften statt. Am Nachmittag des 27. Mai eröffnete Stadtrat Pflugmacher - Magdeburg den Verbandstag mit Begrüßungsworten an die vielen Teilnehmer. In der geschäftlichen Generalversammlung wurde die Jahresrechnung für das Jahr 1930 erledigt. Es wurden Wahlen vollzogen. Unmittelbar anschließend fanden getrennte Fachverhandlungen statt. Nach Schluß der Tagung fand um 19 Uhr am Schulze - Delitzsch Denkmal eine kurze Gedenkfeier statt. Nach der darauffolgenden Kranzniederlegung am Denkmal beschloß ein Lied der Schulze-Delitzsch Liedertafel die Gedenkfeier. Am Abend fand im Schützenhause ein Begrüßungsabend statt. Die Schulze–Delitzsch Liedertafel und der Turnverein von 1845, beide bekanntlich Gründungen des Altmeisters des Genossenschaftswesens Dr. Hermann Schulze - Delitzsch, hatten sich in den Dienst der Sache gestellt. Am 28. Mai vormittags von 10 Uhr ab fand dann die Hauptversammlung des Genossenschaftstages statt.
6. Juni
Findling
Der Findlingsblock, der im Stadtpark aufgestellt worden ist, trägt jetzt einem Beschluß des Magistrats entsprechend das Delitzscher Stadtwappen. Der massive Stein macht einen würdigen Eindruck.
10. Juni
Hiller
Die kommissarische Verwaltung von Polizeimeister Hiller nimmt sein Ende, an seiner Stelle tritt Polizeileutnant Mühle. Es tritt erneute Gehaltskürzung der Beamten und Angestellten ein.
1 .Juli
Erwerbslose
Die Zahl der Erwerbslosen steigt weiter in erheblicher Weise.
13. Juli
Notverordnung
Die Finanzen des Reiches werden immer schwieriger. Es folgt Notverordnung auf Notverordnung. Es muß eine Rationierung der Gehaltszahlungen eintreten, die künftig zunächst halbmonatlich erfolgen, später sogar in drei Teilbeträgen am 1., 11. und 21. des Monats.
25. Juli
Zeppelin
Gestern nachmittag gegen 3 Uhr ertönte der Ruf: Er kommt! - nämlich der "Graf Zeppelin", der sich von Friedrichshafen auf der Fahrt nach Berlin der ersten Station auf der Arktisfahrt, befand. Vom Roßplatz aus, besser von den Dächern der Häuser konnte man ihn beobachten. Von Leipzig kommend fuhr er in nordöstlicher Richtung davon.
30. Juli
Unfall
Gestern vormittag stieß am Bahnübergang der Sorauer Bahn in der Leipzig Straße ein Privatauto mit einem Radfahrer zusammen. Der Radfahrer, der von Leipzig her auf dem (von der Fahrrichtung aus gesehen) auf der linken Seite der Leipziger Chaussee befindlichen Radfahrwege fuhr und nach Überquerung der Bahngleise auf die rechte Seite der Leipziger Straße hinüberlenkte, bemerkte wohl zu spät ein ihm entgegenkommendes Auto, das aber nicht mehr in der Lage war, wirksam zu bremsen. So fuhr der Radfahrer gegen den linken Kotflügel und schlug mit dem Kopf in die Scheibe am Führersitz des Autos. Infolge des Anpralls wurde der Fahrer auf den Bürgersteig geschleudert und erlitt schwere Verletzungen. Mit einer klaffenden Schädelwunde wurde er ins Krankenhaus Delitzsch durch das Sanitätsauto eingeliefert, wo er heute noch besinnungslos liegt. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.
10. August
Volksbegehren
Der Stahlhelm leitete im Frühjahr ein Volksbegehren über Auflösung des preußischen Landtages ein, das am 21. April zum Abschluß gelangte und erfolgreich war. Im Kreis Delitzsch betrug die Beteiligung 32 Prozent aller Wahlberechtigten. Der am gestrigen Tag den 9. August stattgefundene Volksentscheid dagegen verlief ungünstig, da sich im Lande nur 37,1% der Wahlberechtigten für die Auflösung erklären, während 50% nötig sing. In Delitzsch betrug die Beteiligung 49,3% im Kreise 59,3%.
13. August
Schwan
Gestern früh fand man den letzten von den fünf jungen Schwänen, der mittlerweile halb so groß war wie die Alten, tot auf. Man hat ihn zur Feststellung der Todesursache nach Halle gebracht.
24. August
Kraftpost
Vom 1. September ab verkehrt werkstags ein Kraftomnibuspaar zwischen Delitzsch und Glesien, und zwar ab Sorauer Bahnhof 14.48 Uhr ab Glesien 16.03 Uhr. Das abends vorgesehene Kraftomnibuspaar ab Delitzsch 19.05 Uhr verkehrt wegen zu geringer Besetzung nur an Sonn- und Festtagen.
26. August
Explosion
Heute morgen gegen 8 Uhr entstand aus noch ungeklärter Ursache eine Explosion im Eisenbahn-Ausbesserungswerk, die den Einsturz eines Schuppens zur Folge hatte. Glücklicherweise war nur 1 Arbeiter in dem Schuppen beschäftigt, der im Gesicht und am Arm Brandwunden erlitt. Er wurde mit dem Auto der Delitzscher Freiwilligen Sanitätskolonne nach Halle gebracht. Der durch die Explosion entstandene Brand konnte von der Werksfeuerwehr im Keime erstickt werden.
29. August
Türkenente
Die Türkenente, die ein besonderes Prachtstück des Stadtgrabens darstellte und in diesem Sommer eine Anzahl junger Entchen spazierenführte, von denen allerdings nur eine junge Türkenente groß geworden ist, wurde gestern tot aufgefunden. Lichtscheues Gesindel hat vermutlich das Tier mit einer Angelschnur ans Land ziehen wollen, die aber gerissen ist. Man fand nämlich im Schlund einen rostigen Angelhaken, der schon längere Zeit sich dort festgesetzt haben muß. Das Tier war vollständig abgemagert, da der Haken die Nahrungsaufnahme verhinderte. Die Rohlinge sind leider nicht erwischt worden.
8. September
Gedenkfeier
Am Sonntag den 6. September nachmittag 3 Uhr fand die 300 Jahrfeier der Schlacht bei Breitenfeld am Gustav-Adolf Denkmal bei Breitenfeld (unweit Radefeld) statt. An der Feier nahmen außer den Militärvereinen aus der Umgebung auch Abordnungen der schwedischen und finnischen Armee teil.
8. September
Jubiläumsfeier
Am 6. September konnte der Lehrerverein Delitzsch u. Umgegend auf sein 60jähriges Bestehen zurückblicken. Gründer des Vereins waren Günther - Wolteritz und Kölling - Werbelin. Anfang der 90er Jahre hatte den Vorsitz Pasch - Delitzsch, von 1893 ab Seminarlehrer Schröter, ihm folgte vorübergehend Petzold, von 1893-1903 Deiholer - Brinnis, nach ihm bis 1919 L. Richter, bis 1924 Hirschfeld, von 1924-1928 Trebs, ihm folgte Mertin und seit Beginn dieses Jahres Förster, sämtlich aus Delitzsch. Zur Feier selbst waren als Ehrengäste erschienen Schulrat Sehmisch, als Vertreter der Schulaufsichtsbehörde, Regierungsassessor Dr. Schönberg, Stadtrat Schmidt als Vertreter des Magistrats, Superintendent Fries sowie die Pfarrer Siebert und Suckert, Rektor Voigt - Magdeburg, der Vorsitzende des Provinzialverbandes und Rektor Schmöller - Halle. Im Mittelpunkt des Festabends stand ein Vortrag des Rektors Zwanzig - Wittenberg. Umrahmt war dieser Vortrag von musikalischen und gesanglichen Darbietungen, die wohlverdienten, stürmischen Beifall fanden.
14. September
NSDAP
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter (Partei d.A.) hat auch in Delitzsch an Mitgliedern bedeutend zugenommen. Unter Beteiligung von etwa 400 SA-Leuten aus dem Osten des Regierungsbezirks Merseburg, in der Hauptsache aus Eilenburg veranstaltete gestern die Nationalsozialistisches Deutsche Arbeiterpartei, Ortsgruppe Delitzsch einen Aufmarsch in den Mauern unserer Stadt. Die Veranstaltung nahm ihren Anfang mit einem großen Appell auf dem Schützenhofplatz. Nach dem Mittagessen aus der Feldküche stellte man sich zum Propagandamarsch an, der durch alle Hauptstraßen und viele Nebenstraßen der Stadt führte, und mit einem Vorbeimarsch an der Post vor den Führern endete. Abends fand im Schützenhofsaal eine öffentliche Versammlung statt. Ein Redner sprach über " Nationalsozialismus und Wehrgedanke". Eine scharfe Wendung des Redners, die als gegen den Reichspräsidenten gerichtet zu deuten war, veranlaßte die Polizei eine Verwarnung zu erteilen mit dem Hinweis, daß bei Wiederholung eines derartigen Vorkommnisses, die Versammlung aufgelöst werden würde. Zu Zwischenfällen kam es dann nicht mehr.
2. Oktober
Landrat
Als Grund der allgemeinen geldlichen Schwierigkeiten hat Landrat Meister- Delitzsch auf einen Teil seiner Bezüge, nämlich auf 1.300 Mark jährlich freiwillig verzichtet.
3. Oktober
Borchhardt
Der langjährige Rektor der Mädchenvolksschule, Karl Borchhardt, ist am 1. Oktober in den Ruhestand getreten. Über seinen Nachfolger ist von der Regierung noch nichts bestimmt worden. Die Nachricht einer auswärtigen Zeitung, daß in die freigewordene Stelle der Rektor Otto Schiedt aus Ahlsdorf berufen worden sei, konnte noch nicht bestätigt werden.
5. Oktober
Bautätigkeit
Die Bautätigkeit in diesem Jahr ist weit geringer als im Vorjahr. Vier Neubauten wurden durch den Bauverein für Eisenbahnbeamte und Arbeiter e.G.m.b.H. in Angriff genommen und durchgeführt. So entstehen 24 Wohnungen in der Anger- und Lindenstraße. Die Stadt beschränkte sich auf den weiteren Ausbau der neuerrichteten Häusergruppe am Wasserwerk (Bitterfelder Straße) und weitere Umarbeiten im Schlossgrundstück, die sich als nötig erweisen, um für die Hilfsschule und die Kaufmännische Berufsschule geeignete Klassenräume zu schaffen. Außerdem werden das alte Gefängnis Eingangstor sowie die an der Schlosspromenade entlang führende alte Gefängnismauer abgebrochen, wodurch ein schönerer Anblick erzielt wird. Alle diese Bauten erfordern der Stadt einen Kostenaufwand von 31.000 Mark.
5. Oktober
Dr. Voigt
Die Nachricht von dem Ableben des Sanitätsrats Dr. Voigt überraschte die Bewohner der Stadt. Noch vor wenigen Tagen machte er in der Stadt seine Besuche und fuhr auf das Land zu seinen Patienten. In diesem Monat werden es 25 Jahre, daß Dr. Voigt von Mühlberg - Elbe kommend seine Praxis in der Eilenburgerstraße begann. Besonders während des Krieges hat er sich große Liebe erworben, wo er der einzige Arzt in der Stadt war. Sanitätsrat Dr. Voigt gehörte zu dem Bilde unserer Stadt und vieler Dörfer.
10. Oktober
Brotpreis
Durch die fortgesetzten Preissteigerungen hat sich das Bäckergewerbe entschließen müssen, den Brotpreis um 1 Pfennig pro Pfund zu erhören. Bisher kostete das Pfund Brot 17 Pfennige, jetzt 18 Pfennige. Ein 3-Pfundbrot kostet demnach in Delitzsch 54 Pfg. während man in Berlin für ein 2½ Pfund Brot 50 Pfg. bezahlt.
11. Oktober
Winterhilfswerk
Der große Notstand unter den vielen Erwerbslosen der Stadt hat die maßgebenden Stellen veranlaßt, ein allgemeines Winterhilfswerk zu organisieren. Es wurden Sammlungen durchgeführt. Aus städtischen Mitteln werden unterstützt 2254 Personen. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen 41,3 M Fürsorgelasten pro Jahr. Notwendig wird im kommenden Winter eine zusätzliche Unterstützung für kinderreiche Familien. Es werden Kleidungsstücke, Wintersachen usw. ausgegeben. Das große Winterhilfswerk soll am 1. November in Gang gebracht werden.
26. Oktober
Flugtag
Gestern hatte Delitzsch seinen Flugtag. Trotz des regnerischen Wetters hatte eine erhebliche Anzahl Zuschauer aus Delitzsch und Umgegend auf dem Flugplatz an der Schenkenberger Mühle eingefunden. Es standen vier Sportflugzeuge und ein viersitziges Verkehrsflugzeug zur Verfügung. Mit dem letzteren fanden Rundflüge über Delitzsch statt. Eine Anzahl Zuschauer ließ sich die Geldsumme von 7 Mark nicht verdrießen, um einmal die Heimatstadt aus der Vogelschau zu betrachten. Den Höhepunkt der Veranstaltung aber bildeten die Kunstflüge und ein Fallschirmabsprung aus etwa 300 m Höhe.
30. Oktober
Bürgersteuer
Die Regierung in Merseburg hat nach einem gestern hier eingegangenen Bescheid verfügt, daß in Delitzsch der dreifache Satz der Bürgersteuer im laufenden Etatsjahr erhoben wird. Sie beträgt also 18 M in der niedrigsten Stufe und ist ab Januar in sechs Monatsraten zahlbar.
19. November
Schiedt. Dem Rektor Schiedt aus Ahlsdorf bei Eisleben ist die Stelle des Rektors der hiesigen Mädchenvolksschule ab 1. Dezember übertragen worden.
21. November
Winterhilfswerk
Die im November vom Winterhilfswerk 1931 durchgeführten Geldsammlungen zur Unterstützung Bedürftiger haben insgesamt 2195,35 RM ergeben.
5. Dezember
Diebstahl
In der letzten Nacht wurden aus dem Postschuppen am Sorauer Bahnhof nahezu 30 Postpakete gestohlen. Der Schuppen war doppelt verschlossen. Die Schlösser sind wahrscheinlich mit Nachschlüsseln geöffnet worden.
5. Dezember
Justizrat Dr. Schulze
Ganz plötzlich und unerwartet hat eine unbekannte Persönlichkeit der Stadt Dr. Hermann Schulze, Justizrat hierselbst die Augen für immer geschlossen. Justizrat Schulze hat sich vor allem auf dem Gebiet der Heimatforschung große Verdienste erworben. Als Vorsitzender des Museumsvereins sorgte er seinerzeit für die Unterbringung der wertvollen Erinnerungsstücke an die Vergangenheit unserer Heimat im Schloß. Mit vieler Mühe und Liebe richtete er die neuen Museumsräume selbst ein, auch der neue Druck der Lehmann'schen Chronik ist sein Werk. Neben dieser Tätigkeit auf heimatkundlichem Gebiet spielte der so plötzlich Verblichene im kommunalpolitischen Leben eine Rolle. Von 1908 bis 1920 war er Stadtverordneter, die meiste Zeit davon auch Stadtverordnetenvorsteher.
12. Dezember
Oberrealschule
Durch Hallesche Blätter ging vor kurzem die Nachricht, daß man beim Ministerium plant, auf Grund von Sparmaßnahmen die Oberrealschule in Delitzsch aufzuheben. Trotzdem der maßgebenden Stelle hierselbst, dem Magistrat, von diesem beabsichtigten Kulturabbau nichts bekannt war, hält sich das Gerücht weiter und wurde durch mündliche Fühlungsnahme bestätigt. In einer öffentlichen Versammlung in der Aula der Oberrealschule wurde schärfster Protest gegen diese Abbaupläne des Staates eingelegt, zumal der Staat nur einen geringen Teil des Zuschuß zur Unterhaltung der Oberrealschule leistet, nämlich 8000 RM, während die Stadt 106.000 RM aufzubringen habe. Einstimmig wurde Stellung genommen gegen die Absichten des Provinzialschulkollegiums und eindringlich auf die großen kulturellen und wirtschaftlichen Schäden hingewiesen, die Stadt und Kreis Delitzsch erleiden würden. Ein Arbeitsausschuß, dem 1. Bürgermeister Böttcher, 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt, Diplom-Kaufmann Hoyer, Dr. Freyberg, der frühere langjährige Direktor der Anstalt Dr. Wahle, Stadtverordnetenvorsteher Scharruhn und Kreisausschußsekretär Richter, sowie der Elternbeirat angehören wurde beauftragt, energische Schritte in Magdeburg und beim Kultusminister in Berlin zu unternehmen. Eine Abordnung wird sich in den nächsten Tagen zu diesem Zwecke zum Provinzialschulkollegium und zum Volksbildungsministerium begeben.
1932
6. Januar
Sauerteig
Am 1. Januar 1932 war Lehrer Sauerteig hierselbst 25 Jahre Organist der hiesigen Stadtkirche.
11. Januar
Schulabbau der Oberrealschule
Zum Schulabbau in Delitzsch ging heute beim Magistrat vom Provinzialschulkollegium folgendes Schreiben ein: " Bisher haben zwischen den dortigen Herren Vertretern und unseren Dezernenten nur unverbindliche Besprechungen betreffs etwaiger Änderungen im Schulwesen der Stadt Delitzsch stattgefunden. Nach der uns vom Minister Wissenschaft, Kunst und Volksbildung kürzlich mitgeteilten Richtlinien werden Pläne, die auf eine Aufhebung oder Einschränkung der dortigen Oberrealschule abzielen, von den Schulbehörden nicht verfolgt".
Auch Handelsminister Dr. Schreiber, der gestern in einer Versammlung der Staatspartei im Hotel " zum Schwan " sprach, kam auch auf das Thema " Abbau der Oberrealschule " zu sprechen und äußerte, daß ihm vom Kultusministerium vor zwei Tagen die Antwort geworden sei, im Kultusministerium sei von einem Abbau der Delitzscher Oberrealschule nichts bekannt. Er, der Minister, stände ebenfalls auf dem Standpunkt, daß die Delitzscher Oberrealschule erhalten bleiben müsse und werde für die Delitzscher Interessen in Berlin gerne eingetreten.
20. Januar
Stadtverordnetenvorsteher
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde Gewerbeoberlehrer Scharruhn wie im Vorjahr zum Stadtverordneten-Vorsteher wiedergewählt.
15. Februar
Hindenburg
Am Sonnabend abend wurden im ganzen Reich die Einzeichnungen für die Volkskandidatur Hindenburgs geschlossen. In Delitzsch Stadt hatten sich in die Listen insgesamt 1131 Personen eingetragen.
16. Februar
Mühle
Der Führer der Delitzscher Polizei, Leutnant Mühle, verläßt demnächst seinen Posten wieder. Leutnant Mühle ist in Kolberg zum Polizeikommissar gewählt wurden. So tritt abermals ein Wechsel in der Führung der Polizei ein, nachdem sich Leutnant Mühle eben erst in sein neues Amt eingearbeitet hat.
19. Februar
Winterhilfswerk
Im November v. J. hatte sich in Delitzsch eine Organisation unter Leitung von 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt gebildet, die sich " Winterhilfswerk " nannte und die Aufgabe sich stellte, alte und notleidende Familien zu unterstützen und so durch den harten Winter zu helfen. Durch Veranstaltungen und Aufruf wurden aller Art Spenden und Geld und Geldeswert entgegengenommen. An Bargeld und Gutscheinen sind bisher beim Winterhilfswerk rund 10.000 Mark eingegangen, die zum weitaus größten Teile auch schon verteilt sind. Mit dem März findet das Winterhilfswerk seinen Abschluß. Es wurden 625 Anträge berücksichtigt. Darauf entfallen 184 Rentner im Alter von 45-85 Jahren, 439 erwerbslose Familien. Bewilligt wurden in 48 Fällen Geldunterstützungen, 277 Fällen Kleidung, 204 Fällen Lebensmitteln, 96 Fällen Kohle. Es wurden im ganzen 810 Personen unterstützt.
4. März
Wechsel
Da Leutnant Mühle in den nächsten Tagen Delitzsch verläßt, um seine neue Stelle als Polizeikommissar in Kolberg anzutreten, ist Oberleutnant Göpel vom Polizeipräsidium Halle nach Delitzsch abkommandiert worden.
13. März
Reichspräsidentenwahl
Die gestrige Wahl zum Reichspräsidenten hat für die Stadt Delitzsch folgendes Wahlergebnis:
Duesterberg 721 Stimmen
Hindenburg 3507 Stimmen
Hitler 2618 Stimmen
Thälmann 2803 Stimmen
Winter 18 Stimmen
ungültig 79 Stimmen
Zugenommen hat die hinter Hitler stehende Partei ( NSDAP) da sie bei der letzten Reichstagswahl am 14. September 1930 nur 1503 Stimmen hatte.
15. März
Titel
Zimmermeister Franz Schulze und Maurermeister Albert Metzner haben die Berechtigung erhalten, den Titel Baumeister zu führen.
22. März
Gedenkfeier
Vor hundert Jahren am 22. März 1832 starb in Weimar Deutschlands Dichterfürst Wolfgang von Goethe. Aus Anlaß dieses Tages fanden überall Gedenkfeiern statt. In Delitzsch wurden in allen Schulen würdige Goethefeiern abgehalten.
1. April
Gaswerk
Die Stadt hat den Vertrag mit dem hiesigen Gaswerk verlängert um weitere drei Jahre mit dem Wunsche nach Einführung der Fernzündung. Das Werk ist bereit, die Fernzündung der Gaslampen einzuführen. Dadurch wird erreicht, daß alle Straßenlaternen in der Stadt genau nach dem vom Magistrat aufgestellten Brennplan zu gleicher Zeit angezündet und gelöscht werden.
25. April
Landtagswahl
Der Stimmzettel der gestrigen Landtagswahlen in Delitzsch enthielt 20 Parteien. Die NSDAP hatte gegenüber der Reichspräsidentenwahl am 12. März wiederum eine Zunahme zu verzeichnen, alle andern Parteien verlieren an Stimmen. In Delitzsch beträgt die Stimmzahl der NSDAP 3191, SPD 1238, KPD 2130, DNVP 468, Soz.Arb.P.D 342, Deutsche-Volksp. 310 Stimmen. Die übrigen unter 200 Stimmen bleibenden Parteien kommen nicht mehr in Betracht.
29. April
Kraftpost
Am 22. Mai wird die Kraftpostlinie Delitzsch- Löbnitz- Bitterfeld teilweise eingestellt. Sie verkehrt dann nur noch Mittwochs, Sonnabends und Sonntags. Die Post, die bisher von Bitterfeld nach Löbnitz mit dieser Kraftpost befördert wurde, wird künftig von Delitzsch aus mit den kleinen Landkraftwagen nach Löbnitz befördert. Auch diese können dann Passagiere mitnehmen.
3. Mai
Landheim
Zu einer Walpurgisfeier waren am Sonnabend den 30. April unter Leitung von Lehrer Reinboth 20 Jungen und Mädel der Oberrealschule Delitzsch zum Landheim in der Dübener Heide bei Rotta gezogen. Die große Lichtung neben dem Heim ist für eine solche Veranstaltung wie geschaffen. Die bösen Geister kann man durch Feuer schrecken, wenn man abgestorbenes Holz, Gras und dürre Nadeln, worin der "Tod" sitzt verbrennt. Mit großem Eifer wurden die Vorbereitungen getroffen und die Feier durchgeführt.
4. Mai
Erwerbslose
Trotz dem im Gebiet des Kreises Bitterfeld eine gewisse Verbesserung des Arbeitsmarktes zu verzeichnen sein soll, ist dennoch die Anzahl der Wohlfahrtserwerbslosen bei uns ständig gestiegen. Vor rund einem Monat standen 1073 Parteien in der Betreuung des Wohlfahrtsamtes. Die Zahl wuchs auf 1086, erreichte in der vorigen Woche 1103 und stieg weiter zur jetzigen Woche auf 1120 Wohlfahrtserwerbslosen Parteien die von Stadt unterhalten werden müssen.
10. Mai
Kohlstraße
Heute sind es 400 Jahre, daß in der Kohlgasse, heute Kohlstraße, durch ein Feuer, 24 Geschäfte ein Raub der Flammen wurden. In kurzer Zeit entstanden die Hofstätten wieder schöner und festgefügter als vordem.
12. Mai
Stadtgraben
Viele Delitzscher Naturfreunde haben bisher vergeblich auf Belebung unseres Stadtgraben durch junge Enten in diesem Jahre gewartet. Es ist festgestellt worden, daß in sehr vielen Fällen die Enteneier aus den Nestern heraus gestohlen worden sind. Auf diese Weise sind über hundert Eier abhanden gekommen. Heute morgen nun konnte eine Entenmutter beobachtet werden, wie sie sieben kleine Entchen voll Stolz auf dem Stadtgraben ausführte.
24. Mai
Spröde
Die städtischen Körperschaften nahmen gestern eine Forstbesichtigung in unserer Spröde statt. Der größte Teil des Forstes wurde in Augenschein genommen. In Anschluß daran fand eine Aussprache statt. Es wurde beschlossen, den Fußweg nach der Spröde zu verbessern, mehr Bänke aufzustellen und Wegweiser anzubringen. Der Aufenthalt in der Spröde soll unsern Bewohnern so angenehm wie möglich gemacht werden.
6. Juni
Wiedersehensfeier
Eine frohe Wiedersehensfeier verlebten gestern 15 Lehrer, Zöglinge der ersten vier Jahrgänge (1874–1878) des ehemaligen hiesigen Seminars in der "Linde".Am Vormittag wurden die Gräber der hier ruhenden alten, lieben Lehrer besucht, dann die Namen der Anwesenden in das "Goldene Buch" eingetragen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen und einem Rundgang durch die Stadt saß man zusammen und erzählte sich die Erlebnisse der vergangenen Jahre. Im nächsten will man sich wiedertreffen.
11. Juni
Wasserrutschbahn
Der Magistrat hat im Freibad an der Elberitzmühle eine Wasserrutschbahn errichten lassen, um dadurch einerseits jung und alt eine besondere Freude zu bereiten und andererseits die Frequenz zu steigern. Die Wasserrutschbahn, die in den Mittelteil des Bades mündet, ist mit einem Kostenaufwand von 150 Mark errichtet worden und mit Linoleum belegt. Es ist anzunehmen, daß sich vor allen Dingen die Jugend rege an der Wasserrutschbahn betätigen wird das umsomehr, als die Badepreise bekanntlich gesenkt worden sind. Ferner ist geplant in der Spröde ein Kindererholungsheim zu errichten. Als Platz ist ein Stück des von der Provinzialstraße links liegenden Waldes vorgesehen. Im Wald selbst wird unter Erhaltung des guten Baumstammes ein genügend großer Spielplatz ausgeholzt und auf ihm findet die Tagesbaracke Aufstellung. Anschließend an den Wald aber außerhalb desselben wird eine Spielwiese hergerichtet, eine Planschwiese, auch das Küchengebäude und der Brunnen. Der ganze Plan geht vom 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt aus und einem Gutachten des Stadtarztes Dr. Zaar, der in eindringlichen Worten die Vorteile eines solchen Tageserholungsheimes auseinandersetzt.
13. Juni
Jugendherberge / Harmonium
Der Magistrat hat beschlossen, die bisher vom Jugendherbergsverband unterhaltene Jugendherberge am Kyhnaer Weg auf die Stadt zu übernehmen, nachdem das Grundstück zur Zwangsversteigerung gekommen und in den Besitz der Stadtsparkasse, die es für 6000 Mark erwarb, gelangt ist. Ferner wurde die Beschaffung eines Harmonium für die Friedhofskapelle beschlossen.
30. Juni
Halle-Sorauer Eisenbahn
Am heutigen 30. Juni sind es genau 60 Jahre her, seitdem die Eisenbahnstrecke Halle-Delitzsch-Eilenburg der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn dem öffentlichen Verkehr übergeben wurde. Die Eröffnung der Bahn war für unsere Stadt natürlich ein wichtiges Ereignis. Eine Fahrkarte - damals hieß es Billet - kostete in der 3. Klasse von Halle nach Delitzsch 1,10 Mark, in der 2. Klasse 1,60 Mark und in der 1. Klasse 2,20 Mark. Freilich hatte die Mark damals eine höhere Kaufkraft als heute.
1. Juli
Wiedersehensfeier
Vor 50 Jahren verließen 30 Zöglinge des Jahrganges 1979-82 (1879-82 d.A.) des früheren hiesigen Seminars die Anstalt um als Lehrer tätig zu sein. Gestern fand in der Linde eine Wiedersehensfeier statt. Es leben noch 15 Lehrer, alle waren anwesend. Man beschloß, sich nun jährlich zu treffen.
25. Juli
Louis Hampe
Am gestrigen Sonntag versammelten sich die Turnvereine des Sorbengaues in Delitzsch, um die Weihe des Ehrenmals, des am 1. Februar 1931 verstorbenen 1. Gauvertreters Louis Hampe - Delitzsch, vorzunehmen. Ein schlichter großer Stein, umgeben von zahlreichen Tannen und Zedern, krönt das Grab und trägt die Aufschrift "Louis Hampe, geb. 13.12.1866, gest. 1.2.1931, Seinem Gauvertreter in Dankbarkeit. Der Sorbengau." Am Grabe sprach der 2. Gauvertreter Trojahn - Greppin. Die Vertreter des Bitterfelder, Delitzscher und Eilenburger Bezirkes dankten durch Niederlegung von großen Eichenkränzen mit rotweißen Schleifen. Der Turnverein Delitzsch von 1845 ehrte seinen Führer für seine 25jährige Tätigkeit als Vereinsvorsitzenden ebenfalls durch einen schönen Eichenkranz mit Schleife. Von Seiten der Stadtverwaltung war der Dezernent Stadtrat Tauche erschienen.
27. Juli
Reichsbahn
Die Reichsbahn hat sich entschlossen die im Laufe der letzten Jahre veralteten Stellwerke an der Beerendorfer und Dübener Straße neu zu errichten. Die alten Stellwerke hatten den Nachteil, daß sie allzudicht an die Bahnkörper, vor allen Dingen an die Oberleitung herangebaut waren, und besonders litt bei dem Stellwerk an der Beerendorfer Straße der Schrankenwärter darunter, daß er die aus der Eisenbahnstraße kommenden Fahrzeuge nur schwer rechtzeitig erkennen konnte. Das Stellwerk an der Beerendorfer Straße wird deshalb auf die gegenüberliegende Seite des Überganges verlegt und erweitert. Das an der Düberner Straße wird ebenfalls modernisiert und etwa an der selben Stelle, wo das alte sich befindet, neu errichtet werden. Es soll durch diesen Umbau den Bediensteten in den Stellwerken eine bessere Übersicht nicht nur der Bahnanlagen, sondern auch der Straßen ermöglicht werden.
1. August
Reichstagswahl
Bei der gestrigen Reichstagswahl war folgendes Wahlergebnis in Delitzsch Stadt:
Sozialdemokraten 1641 Stimmen
Nationalsozialisten 3373 Stimmen
Kommunisten 2766 Stimmen
Deutschnationale 567 Stimmen
Zentrum 203 Stimmen
Der Stimmzettel enthielt 32 Parteien – Alle übrigen Parteien erhielten weniger als 200 Stimmen.
2. August
Gewitterfliegen
Einen seltene Folgeerscheinung der schwülen Witterung am Sonnabend und Sonntag war das Erscheinen der plötzlich in großer Masse auftretenden Gewitterfliegen. Besonders schlimm war es in den Nachmittagstunden. Kinder kamen weinend nach Hause gelaufen, weil sie es vor Jucken nicht mehr aushielten. Ebenso schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden dann auch wieder diese Fliegen, die der Volksmund Kornfliegen nennt.
15. August
Reichsjugendwettkämpfe
Gestern fanden in unserer Stadt bei starker Beteiligung die diesjährigen Reichsjugendwettkämpfe statt. Schon am Sonnabend abend wurden die Reichsjugendwettkämpfe durch einen Stafettenlauf rund um die Delitzscher Altstadt eröffnet. Sieger war T.V. Einigkeit mit etwa 10 m Vorsprung vor Oberrealschule, dicht gefolgt vom T.V. von 1845. Am Sonntag vormittag fanden auf dem denkbar günstigen Gelände des 1. Sportvereins Concordia die Einzelwettkämpfe der verschiedenen Jahrgänge statt. Eine kurze Morgenfeier eröffnete den Tag. Pfarrer Siebert hielt die Ansprache. Eine Freude war es, den sich über den ganzen Vormittag erstreckenden Einzelkämpfen zuzusehen. An diesen Kämpfen war nicht nur die Schuljugend beteiligt, sondern auch die schon der Schule entwachsenen Mitgliedern vieler Delitzscher Turn- und Sportvereine. Gegen 13 ½ Uhr traten dann alle Teilnehmer zum Ummarsch durch die Stadt an. Ein äußerst stattlicher Zug setzte sich unter den frischen Marschklängen der Kapellen Preuß und Wächter in Bewegung. Nach dem Einmarsch auf den Concordiaplätzen fanden zunächst Massenfreiübungen statt, dann anschließend Vorführungen des Schwimmclubs Neptun, Faustballspiele u.a.. Bis zur Abendstunde dauerten die Wettkämpfe, dazwischen Konzertmusik der Kapellen. Die Schlußansprache hielt 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt.
18. August
NS-Lehrerbund
In Delitzsch hat sich ein Nationalsozialistischer Lehrerbund gebildet. Er führt den Namen NS Lehrerbund Delitzsch u. Umg. und hält seine Monatsversammlung im goldenen Adler ab. Vorsitzender ist Lehrer Wolf - Krippehna.
25. August
Orgelfeierstunde
Die evangelische Kantoren- und Organistenvereinigung Delitzsch u. Umg. veranstaltete am Mittwoch in der Stadtkirche eine Orgelfeierstunde. Organist Sauerteig spielte Werke von Bach, Mendelsohn, Rheinberger und Beethoven. Seine musikalische Auffassung und seine Beherrschung der Technik des Orgelspiels stellte er auch hier wieder unter Beweis und schuf den Zuhörern wieder eine Erbauungsstunde, die unvergessen bleiben wird. Im Anschluß hieran tagten die Organisten und Religionslehren in der "Stadt Berlin" und beschäftigen sich mit der Einführung und Entwicklung des neuen fortschrittlichen Gesangbuches.
5. September
Werkstättenteich
Auf Grund der Verordnung über den freiwilligen Arbeitsdienst will die deutsche Reichsbahngesellschaft Verbesserungen der sportlichen und sonstigen, ihren Bediensteten zugänglichen Anlagen vornehmen. Das Bad am Werkstättenteich soll so ausgebaut werden, daß es auch modernen Ansprüchen genügt. Man will ein großes Freibad mit Terrassen und Autopark errichten. Das Freibad soll der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, was umsomehr begrüßt werden dürfte, als das Bad an der Elberitzmühle vor allem im Hochsommer nicht ausreicht.
23. September
Arbeitsdienst
Auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung als auch des freiwilligen Arbeitsdienstes hat die Stadtverwaltung Planungen in Vorbereitung. Die Hindenburg- und die Leipziger Straße von der Kohltorbrücke bis zum Bahnübergang wird mit Asphalt belegt. An den Bürgersteigen werden Radfahrwege geschaffen. Falls das Arbeitsamt seine Genehmigung gibt, ist für den freiwilligen Arbeitsdienst seitens der Stadtverwaltung ein umfangreiches Programm aufgestellt; für die weiblichen Erwerbslosen wird eine Nähstube, und es werden Haushaltungskurse eingerichtet.
1. Oktober
Leipziger Abwässer / Freiwilliger Arbeitsdienst
Nach dem Vorbild der Rieselfeldgenossenschaft Delitzsch – Schenkenberg sollen auch die Leipziger Abwässer verwandt werden. Nachdem die Delitzscher Landwirtschaft sich bereit erklärt hat, die Leipziger Abwässer abzunehmen, hat die Landwirtschaftskammer Halle, der Landbund Halle und die Regierung zu Merseburg ihre Genehmigung dazu erteilt. Stadt und Kreis Delitzsch lassen durch den Freiwilligen Arbeitsdienst wichtige Arbeiten ausführen. Gegenwärtig wird im Gebiete der Rieselfeldgenossenschaft Delitzsch – Schenkenberg ein weiterer Fischteich angelegt, und es wurden hier umfangreiche Planierungsarbeiten und Dränagen ausgeführt. Projektiert sind weitere Arbeiten an Flußläufen und Straßen, so an der Mulde, am Schwarzbach, an der Straße zwischen Wellaune und Niederglaucha und an der Straße Halle – Reideburg – Queis – Wiedemar – Radefeld - Leipzig.
3. Oktober
Jubiläum Herm. Brendecke
Ein in der heutigen Zeit seltenes Jubiläum konnte der Schuhmachermeister Hermann Brendecke - Delitzsch, Eilenburger Straße, am Sonntag den 2. Oktober feiern. Seit 50 Jahren versieht er in ununterbrochener Tätigkeit das Ehrenamt des 1. Schriftführers im Turnverein Delitzsch von 1845 zur vollsten Zufriedenheit der Mitglieder bis in die heutige Zeit. Die Vereinsvorsitzenden, Lehrer Berger, Louis Schulze und dem verdienstvollen Turnführer Louis Hampe hat er Jahr für Jahr mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
4. Oktober
Winterhilfswerk 1931/32
Gestern abend fand im Restaurant "Monopol" eine Sitzung des Organisationsausschusses des Winterhilfswerkes 1931-1932 statt, zu der auch die Führer des Rot-Kreuzhilfswerkes Frau Generaldirektor Aumüller und Drogeriebesitzer Sohrmann, eingeladen waren. Das Ergebnis war der Beschluß zur Bildung eines einheitlichen Winterhilfswerkes unter der Führung von Frau Aumüller.
6. Oktober
Bürgersteuer
Die Bürgersteuer ist vom 1. Januar 1933 ab neu geregelt worden. Sie beträgt 500 Prozent des einfachen Satzes. Der einfache Satz beträgt für Verheiratete wie für Ledige monatlich 0,50 Mark bis zu einem Jahreseinkommen von 4.500,- Mark.
11. Oktober
Kleingärten
Neue Kleingärten entstehen in einem großen Geländestück hinter dem israelitischen Friedhof links vom Weg nach Kertitz. Das von der Stadt hergegebene Gelände ist bereits mit einem Zaun umgeben. Die einzelnen Stücke sind verteilt.
15. Oktober
Wohnungsbau
Der Stadt Delitzsch ist vom Staat eine Summe von 25.000,- Mark für die Instandsetzung von Wohnungen und 1000,- M für die Teilung von Wohnungen und den Umbau sonstiger Räume zur Verfügung gestellt worden.
17. Oktober
Firma W. Heinrich 75 Jahre
Am Sonnabend den 15. Oktober waren 75 Jahre vergangen, seitdem sich die Bauklempnerei Heinrich, Ritterstraße, im Besitz der Familie befindet. Aus diesen Anlaß wurden dem jetzigen Inhaber der Firma, Klempnermeister Willi Heinrich, dem Enkel des Gründers, verschiedene Ehrungen, besonders von der Innung, zuteil.
20. Oktober
Dr. Laue
Heute vor 100 Jahren hat Sanitätsrat Dr. Rudolf Laue hier in Delitzsch das Licht der Welt erblickt. 36 Jahre lang hat er als Stadtverordneter und Stadtverordnetenvorsteher an der Entwicklung unserer Stadt mitgearbeitet und als Armen- und Krankenhausarzt gewirkt. Gleich seinem Onkel, dem großen Naturforscher Christian Gottfried Ehrenberg, wurde auch ihm um seiner Verdienste willen das Ehrenbürgerrecht der Stadt verliehen. Ihm zu Ehren hat man ferner den Weg vom Stadtpark nach Kertitz südlich des Lobers Dr. Laue-Weg genannt.
29. Oktober
Bahnhofsdiebstahl
In der Nacht vom 27. zum 28. Oktober gegen 11.30 Uhr wurde der Durchgangsgüterzug, der von Falkenberg nach Halle verkehrt, während des Aufenthalts auf dem Sorauer Güterbahnhof an der Zuckerfabrik beraubt. Die Täter offenbar 3 bis 4 Mann erbrachen einige Wagen des Zuges und warfen das Stückgut aus den Wagen heraus und zwar nach der Seite, an dem ein Feldweg an dem Bahnkörper entlang führt. Das Erbrechen der Wagen wurde erst nach der Abfahrt des Zuges bemerkt, infolgedessen konnte erst von Halle aus telefonisch die Station Delitzsch benachrichtigt werden. Als die Delitzscher Polizei auf dem Gelände erschien, war nichts mehr von den Dieben und ihrem Diebesgut zu entdecken. Gegen 2 ½ Uhr nachts erschien die Hallesche Bahnpolizei mit Polizeihunden. Diese umbellten einen Strohdiemen in der Nähe. Kaum hatten die Polizeihunde angeschlagen, als die Beamten von den Dieben unter Feuer genommen wurden. Das Feuer wurde erwidert, worauf die Täter auf ihren Fahrrädern flüchteten. Nur einer von ihnen, der einen Armschuß erhalten hatte, konnte festgenommen und der Delitzscher Polizei übergeben werden. Die Diebe hatten schon einen Teil ihres Diebesgutes in Sicherheit gebracht und waren nun zum zweitenmal gekommen, den Rest zu holen. So fand man in dem Versteck noch einen Teil der Beute. Der Festgenommene verweigert jegliche Aussage. Heute morgen wurden zwei weitere Täter der Diebesbande festgenommen.
1. November
Bahnhofsdiebstahl
Im Zusammenhang mit der Festnahme des Arbeiters Paul Winter, der in der Nacht zum 28. Oktober nach Ausführung einer Zugberaubung in Delitzsch angeschossen und festgenommen wurde, ist es dem Fahndungsdienst der Reichsbahndirektion Halle gemeinschaftlich mit der Landjägerei Holzweißig gelungen, eine siebenköpfige Eisenbahnräuberbande unschädlich zu machen. Sämtliche Mitglieder der Bande stammen aus Holzweißig. Bisher sind etwa 20 solcher Zugüberfälle aufgeklärt worden.
6. Dezember
Hindenburg- und Leipziger Straße
Die Sperrung der Hindenburg- und Leipziger Straße ist nun aufgehoben worden. Die Asphaltierung bezw. Neupflasterung ist beendet. Die neue Straße ist in einem vorbildlichen Zustand und ermöglicht ein sicheres Durchfahren unserer Stadt. Auch für den Radler ist die Benutzung der neuen Straßenzüge eine Freude. Der neu zu errichtende Radfahrweg wird von der Mädchenschule durch eiserne Ketten vom Bürgersteig getrennt. An der gefährlichen Ecke der Kohlstraße - Bismarckstraße ist anstelle der alten Schutzketten eine neue stabile Eisenumzäunung geschaffen worden.
16. Dezember
Oststraße
Die von der Beerendorfer Straße abzweigende neue Straße erhält den Namen "Oststraße".
20. Dezember
Göpel
Der seit März d. J. als Vertreter beschäftigte Polizeikommissar Göpel, der die Leitung der hiesigen Polizei unter sich hat, ist vom Magistrat gewählt und von Regierung als Leiter bestätigt worden.
1933
6. Januar
Kauerhoff
Das Disziplinarverfahren gegen den Magistratssekretär Kauerhoff, der wegen Verfehlungen vor einiger Zeit aus dem Amt entlassen worden war und dessen Strafverfahren von der Halleschen Strafkammer vorgestern auf Grund der Amnestie eingestellt wurde, ist bislang noch nicht beendet. Bis zum Abschluß des Verfahrens bleibt K. vorläufig vom Amt suspendiert. Es muß abgewartet werden, welchen Beschluß die Disziplinarkammer treffen wird.
10. Januar
Luftschutz-Vortrag
Am gestrigen Montag fand im Stadtverordnetensitzungssaal unter Leitung vom 1. Bürgermeister Böttcher der erste Luftschutzvortrag in Delitzsch statt. Die praktische Aufklärungsarbeit für den zivilen Luftschutz wird von dem Luftschutztrupp Ekkehard geleistet, der unter Leitung des Oberleutnants a.D. Roßbach steht. Roßbach hielt einen längeren Vortrag und zeigte die Wichtigkeit des zivilen Luftschutzes in gegenwärtiger Zeit. Der Luftschutztrupp Ekkehard halte am Mittwoch abend im Saal der Oberrealschule den ersten Kursusabend ab. Am Donnerstag folgt nachmittags bezw. abends der praktische Teil.
24. Januar
Stellwerkhaus
Das neue Stellwerkhaus Südende an der Beerendorfer Straße wird heute in Betrieb genommen. Das zweckmäßig eingerichtete Gebäude bietet einen stattlichen Anblick. Insbesondere kann die Straße gut beobachtet werden, was bei dem alten Stellwerkhaus nicht immer der Fall war.
25. Januar
Stadtverordnetenvorsteher
Die gestrige Stadtverordnetensitzung brachte insofern eine Überraschung als das Los bei der Entscheidung über die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers dem Kommunisten Simon zufiel. Auch bei der Wahl seines Stellvertreters wandte sich das Los dem zweiten linientreuen Kommunisten Dubielzig zu.
28. Januar
Arbeitsbeschaffung
Der Magistrat hat in seiner Sitzung am 26.1.1933 einstimmig beschlossen, sich auch stadtseitig an dem Arbeits-Beschaffungs-Programm zu beteiligen. Es soll zu diesem Zweck aus den Reichsmitteln des Arbeitsbeschaffungsprogramms eine Anleihe von 100.000 Reichsmark aufgenommen werden. Dafür sollen folgende Arbeiten ausgeführt werden: Kanalisation der Gutenberg- und Fuststraße, Bau eines Haupt-Schmutzwasser-Kanals vom Großen Sandfang nach der Kläranlage, Bau eines Klärbeckens im Rosental und in der Halleschen Straße.
30. Januar
Adolf Hitler
Reichspräsident von Hindenburg hat heute Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
3. Februar
Kundgebung für Hitler
Wie auch an anderen Orten fand gestern abend in Delitzsch eine große Kundgebung für die nationale Regierung unter Leitung Adolf Hitlers statt. Die Kundgebung wurde von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei veranstaltet. Stark beteiligt war aber auch der Stahlhelm. Gegen 19.00 Uhr trat man auf dem Schützenplatz zum Fackelzug an. Die Musik stellte die Kapelle Wächter. Nach dem Ummarsch durch die Stadt fand die weitere Kundgebung im Saal des Schützenhauses statt. Kreisleiter Kläning von der NSDAP eröffnete die Kundgebung mit kurzen energischen Worten. Als erster Redner sprach Landrat Meister. Später nahm der Untergauführer des Stahlhelms, Seidel – Werben das Wort. Nach dem Stahlhelmlied und eines packenden Gedichtsvortrages sprach der Führer der SS-Standarte 26. Zum Schluß wurde stehend das Deutschlandlied gesungen.
6. Februar
Gewerbeverein 75 Jahre
Der Gewerbeverein Delitzsch beging gestern im Saal des "Schwan" die Feier seines 75jährigen Bestehens. Der Vorsitzende Stadtrat Tauche gedachte in seiner Ansprache des Gründers des Gewerbevereins Hermann Schulze - Delitzsch und hob hervor, daß der Verein früher im Leben unserer Stadt eine große Rolle gespielt hat, sei doch durch ihn zum Beispiel die Gründung der gewerblichen Berufsschule erfolgt.
15. Februar
Stadtverordnete
Der Kommissar des Reiches für das preußische Innenministerium hat durch einen Runderlaß die Gemeindevertretungen also auch die Stadtverordnetenversammlungen aufgelöst. Die Mitglieder bleiben aber noch so lange im Amte, bis die Neuwahl erfolgt ist.
20. Februar
Neuwahl der Stadtverordneten
Am Sonnabend fand aus bürgerlichen Kreisen Besprechungen statt, zwecks Aufstellung von Listen zur Stadtverordneten-Neuwahl. Es ist nun damit zu rechnen, daß außer der nationalsozialistischen zwei weitere bürgerliche Listen aufgestellt werden, von denen die eine den Namen "Bürgerliche Mitte" tragen wird. Eine besondere Beamtenliste, wie wir sie im letzten Stadtparlament hatten, erscheint diesmal nicht. Auf Seiten der Linken dürften in der Stadt zwei Listen aufgestellt werden, eine kommunistische und eine sozialdemokratische Liste.
25. Februar
Kreisjugendpfleger
Rektor Hansjürgens ist auf seinen Wunsch von dem Amt des Kreisjugendpflegers entbunden worden. Er hat 11 Jahre lang dieses oft schwere Amt in segensreicher Tätigkeit verwaltet. Zum Nachfolger ist Rektor Herbert Förster in Zschortau bestellt worden.
28. Februar
Brand des Reichstagsgebäudes
Das Reichstagsgebäude in Berlin wurde gestern in der zehnten Abendstunde von einem riesigen Feuer heimgesucht, das in kurzer Zeit die prachtvolle Kuppel des Wallot-Baues, den Plenarsaal, die Tribüne und die Wandelhalle zerstörte. Soweit bisher einwandfrei feststeht, wurde das Feuer durch Brandstiftung verursacht. Einer der Täter, der angibt, der niederländischen kommunistischen Partei anzugehören, ist verhaftet worden.
28. Februar
Polizeimaßnahmen
Entsprechend den Anordnungen des Reichsministers und Reichskommissars für das preußische Innenministerium Goering sind auch in unserer Stadt Durchsuchungen bei Funktionären der KPD und SPD vorgenommen worden. Es wurden verschiedene Plakate und Flugblätter beschlagnahmt. Die gesamte kommunale Polizei ist analog den Anordnungen Goerings noch in der Nacht in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Ein besonderer Streifendienst zum Schutze der ordnungsliebenden Bevölkerung wurde eingerichtet.
2. März
Wahlvorschläge
Der Wahlausschuß für die Stadtverordneten-Wahl trat heute vormittag unter Vorsitz des 2. Bürgermeisters Dr. Baumgardt zusammen. Er prüfte die eingegangenen Wahlvorschläge. Fünf derartige Wahlvorschläge sind eingegangen, sie konnten sämtlich zugelassen werden. In nachstehender Reihenfolge wurden sie festgesetzt:
1. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)
2. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
3. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
4. Kampffront Schwarz-Weiß-Rot
5. Bürgerliche Mitte.
13. März
Heldengedenktag / Volkstrauertag
Am gestrigen Heldengedenktage erließ der Reichspräsident von Hindenburg zur Flaggenfrage folgende Kundgebung: "Am heutigen Tage, an dem in ganz Deutschland die alten schwarz-weiß-roten Fahnen zu Ehren unserer Gefallenen auf Halbmast wehen, bestimme ich, daß vom morgigen Tage ab bis zur entgültigen Regelung der Reichsfarben die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzfahne gemeinsam zu hissen sind." Der heutige Volkstrauertag stand auch in Delitzsch unter dem Zeichen der schwarz-weiß-roten und der Hakenkreuzfahne. Um 11 Uhr sammelten sich die vaterländischen Verbände zu einem weihevollen Trauergottesdienst in der Kriegergedächtniskirche. Um 12 Uhr sammelten sich die SA, SS und der Stahlhelm zu einem gemeinsamen Kirchgang ebenfalls in der Kriegergedächtniskirche.
13. März
Stadtverordnetenwahl
Gestern fand auch die Neuwahl der Stadtverordneten statt. Es wurden gewählt
13 Nationalsozialisten
4 Sozialdemokraten
7 Kommunisten
3 Kampffront schwarz- weiß- rot
1 Bürgerliche Mitte
15. März
Oberrealschule
Bei der gestrigen Reifeprüfung an die hiesigen Oberrealschule haben alle achtzehn Prüflinge das Examen bestanden. Es sind dies die Oberprimaner Böhm, Bürger, Bruck, Bültemann, Ebelt, Johanna Fries, Gatzke, Giese, Hill, Jaritz, Koch, Lucas, Pscheidl, Randel, Rößler, Schraepler, Thebus und Lieselotte Ziebe.
20. März
Siegesfeier
Die nationalsozialistischen Formationen des Kreises Delitzsch veranstalteten gestern in Delitzsch eine Siegesfeier. Sie begann mit einem Appell am Schützenhof, an dem sich um 11 Uhr ein Dankgottesdienst in der Stadtkirche am Markt anschloß. Cand. theol. Schimpff, selbst Parteigenosse, hielt die Predigt. Nach dem Gottesdienst begaben sich die uniformierten Nationalsozialisten auf den Marktplatz zur Flaggenparade und mit mehreren Kapellen bewegte sich der lange Zug in den "Lindenhof", wo gemeinsam das Mittagessen eingenommen wurde. Den Höhepunkt der Siegesfeier stellte der große Umzug dar, der etwa zwei Stunden dauerte und fast alle Straßen unserer Stadt berührte. Nach dem Vorbeimarsch an den Führern traf gegen 4 Uhr der große Zug am Schützenhof ein. Kreisleiter Kläning eröffnete um ½ 5 Uhr die Kreistagung im Schützenhof und erteilte sofort das Wort dem Gaugeschäftsführer Thießler - Halle. Konzert und Deutscher Tanz beschloß die Feier.
21. März
Festakt in Potsdam
Aus Anlaß der Eröffnung des deutschen Reichstages fand gestern in der Garnisonkirche in Potsdam ein Festakt statt. Vor dem Akt fand Gottesdienst in der evangelischen Garnisonkirche und in der katholischen Kirche statt. Am evangelischen Gottesdienst nahm Reichspräsident von Hindenburg und die evangelischen Reichstagsabgeordneten teil. Generalsuperintendent Dr. Debelius hielt die Festpredigt. Um 11.20 Uhr war der Gottesdienst zu Ende und der Reichspräsident unternahm eine Rundfahrt durch die Stadt. Um 11.45 Uhr begann dann der eigentliche Festakt in der Garnisonkirche, der eröffnet wurde durch eine Ansprache des Reichspräsidenten. Der Reichskanzler Adolf Hitler gab darauf die Regierungserklärung ab. Der Tag von Potsdam gestaltete sich auch für unsere Stadt zu einem großen Erleben. Die Straßen prangten in einem Flaggenschmuck, wie man ihn in solcher Fülle hier wohl nie zuvor gesehen hatte. Am Abend bewegte sich dann ein imposanter Fackelzug vom Schützenhause aus durch die Straßen der Stadt, an dem alle nationalen Verbände, die Turn- und Sportvereine, aber auch die gesamte Schuljugend, von der Oberschule bis zur katholischen Volksschule teilnahmen.
24. März
Böttcher beurlaubt
Die hiesige nationalsozialistische Führung im Stadtparlament hat dem 1. Bürgermeister Böttcher nahe gelegt, in den Ruhestand zu gehen. Bürgermeister Böttcher hat daraufhin beim Regierungspräsidenten um einen Urlaub von 4 Wochen nachgesucht. Seine Vertretung übernimmt 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt.
27. März
Magistratsmitgl. beurlaubt
Zweiter Bürgermeister Dr. Baumgardt hat in seiner Eigenschaft als stellvertretender Magistratsdirigent die Stadträte Hampe und Kotze mit sofortiger Wirkung von ihren Amtsgeschäften beurlaubt. Stadtrat Gebhardt hat sein Amt freiwillig niedergelegt. Dem 2. Bürgermeister Dr. Baumgardt ist von der NSDAP in der Person des Ortsgruppenführers Städter ein Verbindungsmann benannt worden.
29. März
Mordtat
Gestern wurde unsere Stadt der Schauplatz einer entsetzlichen Greueltat. Der 19jährige bei seinen Eltern in der Schulstraße wohnende Heinz Streibart lockte den 9jährigen Knaben Heinz Teresniak in seine elterliche Wohnung, ermordete ihn dort auf dem Heuboden und verging sich unsittlich an der Leiche. Heute morgen wurde die Untat aufgedeckt, der Mörder verhaftet und scharf ins Verhör genommen. Dabei stellte sich heraus, daß es sich hier um einen typischen Sexualverbrecher handelt, der früher schon in der Leichenhalle des Friedhofes Leichenschändung begangen hatte. Er wurde nach dem Untersuchungsgefängnis in Halle überführt.
1. April
75 Jahre Eisenbahn
Heute am 1. April 1933 ist es gerade 75 Jahre her, daß die Delitzscher Einwohner draußen vor dem Tore zum ersten Male einen Eisenbahnzug begrüßen konnten. Was hat sich in den 75 Jahren alles zugetragen? Die Strecke Leipzig-Bitterfeld-Berlin ist im Laufe der Zeit zu einer der wichtigsten mitteldeutschen Verbindungen geworden. Auch für Delitzsch hat sie entscheidenden Aufschwung gebracht.
8. April
Der Lehrerverein Delitzsch und Umg. wählte in seiner gestrigen Sitzung Lehrer K. Bartsch – Klein Wölkau, der auch langjähriges Mitglied der NSDAP ist, zum kommissarischen Leiter des Vereins. An Stelle von Lehrer Schwahn, der aus dem Kreislehrerrat ausschied, wurde Lehrer P. Scholz für den Kreislehrerrat bestimmt.
12. April
Einführung der Stadtverordneten
Am gestrigen Tage fand die Einführung und erste Sitzung der neugewählten Stadtverordneten statt. Das Rathaus hatte zum Zeichen des Tages Flaggenschmuck angelegt, und auch im Saale selbst prangten das altehrwürdige schwarz-weiß-rote und das neue Hakenkreuzbanner neben dem Schwarz-weiß der Fahne Preußens und dem blaugelben Wahrzeichen unserer eigenen Stadt. Von den Wänden grüßen die Bilder des Reichspräsidenten von Hindenburg und seines Volkskanzlers Adolf Hitler. Zweiter Bürgermeister Dr. Baumgardt ergriff zunächst das Wort zu längerer Ansprache. Sie klang aus in dem Gesang des ersten Verses des Deutschlandliedes. Als zweiter Redner sprach der Vertreter der Kampffront Pfarrer Siebert. Nachdem sodann Bürgermeister Dr. Baumgardt die Verpflichtung der Stadtverordneten durch Handschlag vorgenommen hatte, erfolgte unter dem Vorsitz des Alterspräsidenten Boßdorf (NSDAP) die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers. Der von der NSDAP als einziger Kandidat in Vorschlag gebrachte Stadtverordnete Spangenberg wurde einstimmig durch Zuruf gewählt. Auf Antrag wurde sodann durch einstimmigen Beschluß dem Reichspräsidenten von Hindenburg sowie dem Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht der Stadt Delitzsch verliehen.
22. April
Adolf Hitlers Geburtstag
Der gestrige Tag, der Geburtstag Adolf Hitlers wurde auch in unserer Stadt in würdiger Weise begangen. Mit einem großen Wecken begann der Tag. Am Nachmittag wurde auf dem Adolf Hitlerplatz hinter dem Denkmal unseres großen Bürgers Hermann Schulze-Delitzsch von der Kreisleitung der NSDAP eine Hitler-Eiche gepflanzt. Im Anschluß fand ein großer Umzug und am Abend im Schützenhof eine Abendfeier (statt d.A.). Nach einigen Konzertstücken begrüßte der Ortsgruppenleiter Städter die Anwesenden. Sodann hielt cand. theol. Schimpff die Festrede.
2. Mai
Der 1. Mai
Der gestrige 1. Mai war ein Festtag für jeden Deutschen und wurde auch in Delitzsch entsprechend begangen. Die Häuser der Stadt waren überaus festlich geschmückt. Um 6 Uhr morgens läuteten die Glocken der Kirchen den feierlichen Tag ein. Bald darauf eilten Angestellte und Arbeiter zu ihren Betrieben. Um 7 Uhr gingen auf den Betrieben die Hakenkreuzfahnen hoch. Nun zogen die einzelnen Betriebe geschlossen auf den Marktplatz und hier lauschte alles den Worten des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels, die er durch den Rundfunk an die Jugend richtete. Nachdem die Sängervereinigung einige Lieder vorgetragen hatte, begab man sich zum Festgottesdienst in die Kirche. Pfarrer Siebert hielt die Predigt. Nach dem Gottesdienst sammelten die Massen von neuem zum eigentlichen Festumzug, der durch alle wichtigen Straßen von Delitzsch führte und schließlich auf dem Schützenhofplatz endete. Die Nachmittagsstunden waren der allgemeinen Erholung undAusspannung vorbehalten. Um 18 Uhr wurde die Übertragung des großen Staatsaktes auf dem Tempelhofer Feld angehört. Abends fand eine Illumination der Häuser in der Stadt statt. In den verschiedensten Lokalen wurde dem deutschen Tanz gehuldigt.
11. Mai
Schwahn
Lehrer Schwahn, der frühere bekannte sozialdemokratische Stadtverordnete, der kürzlich aus der SPD ausgetreten ist, ist beurlaubt worden.
20. Mai
NS Lehrerbund
Der Kommissar zur Überleitung der Lehrervereine in den NSLB, Kreisobmann Lehrer Wolff - Krippehna hat Lehrer Sehmisch, hier, zum Bezirksobmann des Nationalistischen Lehrerbundes, Bezirk Delitzsch, ernannt.
31. Mai
Böttcher in Ruhestand
Auf Antrag der NSDAP beschlossen die Stadtverordneten das Dienstverfahren gegen den 1. Bürgermeister Böttcher zwecks Versetzung in den Ruhestand zu beantragen.
12. Juni
Nobbe
Der Sparkassendirektor Nobbe, der vor einiger Zeit wegen unregelmäßiger Kassenführung der Stadtsparkasse in Haft genommen wurde, ist in diesen Tagen wieder aus der Haft entlassen worden. Die Ermittlungen werden jedoch weiter geführt.
15. Juni
Neue Straßenamen
Folgende Straßen und Plätze sind umbenannt worden: der Marienplatz heißt jetzt Adolf Hitler Platz, der Nordplatz Horst Wessel Platz, die Dübener Straße bis zum Bahnübergang Hermann Göring Straße. Ferner ist auf Vorschlag des Museumsvereins der Verbindungsweg zwischen dem Schulze-Delitzsch-Ring und dem Rosenthal, dessen Bebauung jetzt begonnen ist, in "Oskar Reime Straße" umbenannt.
19. Juni
Ehrenbürgerbriefe
Die Ehrenbürger Briefe mit Mappe für den Herrn Reichspräsidenten und den Herrn Reichskanzler Hitler sind von dem Kunstmaler, Herrn Matthäi - Eilenburg fertiggestellt und werden 8 Tage im Schaufenster der Buchhandlung Pabst, Breite Straße, ausgestellt.
24. Juni
Mittelschule 75 Jahre
Unsere Delitzscher Mittelschule beging gestern den Tag ihres 75jährigen Bestehens. Zu diesem Zwecke versammelten sich gestern im "Schützenhaus" eine festlich gestimmte Schar von Ehrengästen, Freunden und Eltern, um mit der Mittelschule dieses Fest zu begehen. Rektor der Mittelschule, Karl Miethlich, begrüßte die zahlreichen Gäste und gab einen Überblick über die Entwicklung der Mittelschule. Der Reorganisator der Schule war im Jahr 1858 Bürgermeister Hagedorn. Es sprach dann Bürgermeister Dr. Baumgardt und überbrachte die Segenswünsche der Stadt. Für das ehemalige Lehrerkollegium überbrachte die besten Wünsche Dr. Berg, für die Staatsregierung Schulrat Sehmisch, für die Oberrealschule Direktor Dr. Letz, als Vertreter der Elternschaft Kaufmann Oppel, für die ehemaligen Schülerinnen Frau Herold, für die Knabenvolksschule Lehrer Bindernagel, für die Mädchenvolksschule Rektor Schiedt.
29. Juni
NSLB Bez. Delitzsch
Am Mittwoch den 28. Juni fand im Saale des "Goldenen Adler" in Delitzsch die erste Arbeitssitzung der neugegründeten Bezirksgruppe Delitzsch statt, die vom Bezirksobmann Lehrer Sehmisch geleitet wurde. Kreisobmann Wolf ernannte dann noch den Vorstand Kassenwart Lehrer Wittkowski und Schriftwart Lehrer G. Schmidt.
1. Juli
75 Jahre Kreissparkasse
Die Kreissparkasse in Delitzsch besteht heute 75 Jahre. Das "Delitzscher Kreisblatt" vom 30. Juni 1858, dessen Redakteur damals der Delitzscher Bürgermeister Hagedorn war, enthält auf der ersten Seite folgende Bekanntmachung: "Das unterzeichnete Kuratorium bringt hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß die Kreis-Spar-Kasse am 1. Juli d. J. in dem Hause des Herrn Magistrats-Assessors Pabst hierselbst, Breite Straße Nr. 177, parterre, eröffnet werden wird. Zum Rendanten der Sparkasse ist der Sekretär Walter hierselbst ernannt worden.
Delitzsch, den 22. Juni 1858
Das Kuratorium der Sparkasse des Kreises Delitzsch
von Rauchhaupt, von Funcke, Karthauß, Freyberg.
Heute am 1. Juli 1933, 75 Jahre nach der Gründung, fanden sich heute vormittag 10 Uhr im Kassenraum der Kreissparkasse die Vertreter der Geldinstitute unserer Stadt und des Kreises, das Sparkassenkuratorium und der Kreisausschuß zu einer schlichten Feier zusammen. Landrat Meister gab einen Rückblick auf die vergangenen 75 Jahre und einen Ausblick auf die Zukunft.
1. Juli
Stadtverordnetenbeschluß
Die gestrige Stadtverordnetenversammlung war ganz kurz und beschäftigte sich vorherrschend mit Sparmaßnahmen in der Stadtverwaltung. Die Stadt hat in Zukunft nur einen Bürgermeister. Der 1. Bürgermeister Böttcher wird auf Grund der neuen gesetzlichen Bestimmungen pensioniert. Allerdings ist beabsichtigt, eine besoldete Stadtratsstelle einzurichten, die ein Oberinspektor verwalten soll und einen Tiefbau-Techniker im Bauamt anzustellen.
11. Juli
Deutsche Christen
Die Glaubensbewegung "Deutsche Christen" hatte am Montag abend eine sehr zahlreiche Zuhörerschaft in den "Schützenhof" gerufen, die sich mit den Zielen und Aufgaben der Glaubensbewegung bekannt machen wollte. Es sprach cand. theol. Schimpff - Delitzsch und Rektor Cimutta sowie Pfarrer Hohlwein - Eilenburg.
13. Juli
Marienfriedhof
Auf dem Marienfriedhof ist in den letzten Wochen fleißig an den gärtnerischen Anlagen gearbeitet worden. Die Ausgestaltung der Anlagen soll unter pietätvoller Erhaltung der alten Grabstätten geschehen.
15. Juli
Deutscher Gruß!
Der Reichsminister Dr. Frick hat folgendes Rundschreiben an die obersten Reichsbehörden und die Landesregierungen gerichtet. "Es ist allgemein Übung geworden, beim Singen des Liedes der Deutschen und des Horst-Wessel-Liedes (erste Strophe und Wiederholung der ersten Strophe) am Schluß den Hitler-Gruß zu erweisen ohne Rücksicht darauf, ob der Grüßende Mitglied der NSDAP ist oder nicht. Wer nicht in den Verdacht kommen will, sich bewußt ablehnend zu verhalten, wird daher den Hitler-Gruß erweisen. Nach Niederkämpfung des Parteistaates ist der Hitler-Gruß zum Deutschen Gruß geworden. Dazu wird noch bestimmt von der Beamtenschaft:
1. Sämtliche Beamte, Angestellte und Arbeiter von Behörden grüßen in Dienst und innerhalb der dienstlichen Gebäude und Anlagen durch Erheben des rechten Armes.
2. Beamte in Uniform grüßen in militärischer Form; wenn sie keine Kopfbedeckung tragen, grüßen sie durch Erheben des rechten Armes.
3. Es wird von den Beamten erwartet, daß sie auch außerhalb des Dienstes in gleicher Weise grüßen.
20. Juli
Gleichschaltung
Es setzt nun mehr ein in deutschen Landen bisher noch nie erlebtes und fast unerhört zu nennendes Gleichschaltungswerk ein. Die politischen Parteien, die Gewerkschaften, Vaterlandsverbände, Militärvereine, Innungen, Sportvereine, Lehrervereine u.a., natürlich auch die hiesige Freiwillige Feuerwehr, deren Führer schon seit 1925 Schlossermeister Hermann Mietzsch ist, alles wird gleichgeschaltet und der Hitlerbewegung eingereiht, auch die Kulturverbände, Schriftsteller-, Bühnenkünstler- und sogar auf kirchlichen Gebiete finden Einheitsbestrebungen statt. So bildet sich die Vereinigung der "Deutschen Christen", der sich allerdings innerhalb der evangelischen Kirche der "Notbund" entgegenstellt.
23. Juli
Kirchenwahlen
Die für heute angesetzten Kirchenwahlen werden durch Aufstellung einer Einheitsliste überflüssig. Darnach bilden nunmehr den Gemeindekirchenrat 8 Vertreter der Glaubensbewegung "Deutsche Christen" und 4 Vertreter aus dem bisherigen Gemeindekirchenrat.
7. August
Arbeitsfront
Alle arbeitenden Menschen, Arbeiter, Angestellte, Unternehmer etc. sind zu einer über das ganze Reich erstreckenden Vereinigung "Der Arbeitsfront" zusammengefaßt worden. Gestern am 6. August veranstaltete die Arbeitsfront in Delitzsch eine große Kundgebung mit Umzug und Aufmarsch auf dem Markt. Hier fand die Weihe von 11 Betriebszellenfahnen der NSBO durch Pg. Bachmann - Halle statt.
18. August
NSKK
Am gestrigen Abend fand im "Schützenhaus" ein Werbeabend des Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps (NSKK) statt. Auf dem weiten Schützenhausplatz waren die Staffeln der Autos und Motorräder aufgefahren, säuberlich in Reih und Glied ausgerichtet, von denen die Wimpel der nationalsozialistischen Revolution flatterten. Motorsturmführer Schmidt begrüßte die Erschienenen. Pg. Klepp gab die Aufgaben und Ziele der NSKK bekannt. Als Ergebnis wurde die Ortsgruppe Delitzsch Stadt gegründet und Pg. Schilling als Korpswart bestimmt.
19. August
Reimann
Direktor Reimann von der hiesigen Ortskrankenkasse ist fristlos entlassen worden. Die Entlassung erfolgte auf Grund verschiedener Mängel, die sich aus Anlaß einer Revision ergeben haben.
21. August
Kreistagung NSLB
Am Sonnabend und Sonntag stand unsere Stadt im Zeichen der großen Kreistagung des nationalsozialistischen Lehrerbundes. Etwa 1000 Erzieher aus allen Orten des Kreises hatten dem Ruf der Veranstalter Folge geleistet. Kreisobmann Wolff - Krippehna eröffnete die Tagung. Schulrat Mertens - Berlin hält einen Vortrag über "Der Deutsche Lehrer als Bannerträger des Nationalsozialismus". Der Abend vereinte die Tagungsteilnehmer zu einem großen Begrüßungsabend im Schützenhaus. Hier sprachen Bürgermeister Dr. Baumgardt, Pfarrer Suckert, Landrat Meister, Pg. Schimpff, Rektor Cimutta. Am Sonntag nachmittag 2 Uhr sammelten sich dann die Teilnehmer wieder auf dem Schützenplatz. Im Zuge ging es zum Markt, wo der feierliche Akt der Fahnenweihe durch den Lehrer Gauobmann Wege - Halle statt fand. Nach diesem Festakt setzte sich der Zug wieder in Bewegung, und es ging durch die Straßen der Stadt nach dem Schützenhofplatze, wo die Auflösung erfolgte.
23. August
Berger
Direktor Berger von der Landkrankenkasse ist wegen vorgefundener Unregelmäßigkeiten seiner Kasse am Montag beurlaubt worden. Am gestrigen Dienstag wurde er in der Nähe von Kölsa tot aufgefunden. Er hatte sich mit seinem Jagdgewehr erschossen.
25. August
Engeleiter
Magistratsekretär Engeleiter ist wegen grober Verfehlungen im Amt von seinen Dienstgeschäften suspendiert worden. Es ist gegen ihn das förmliche Dienststrafverfahren eingeleitet worden.
4. September
75 Jahre Oberrealschule
Sonnabend den 2. und Sonntag den 3. September beging unsere Oberrealschule die Feier des 75jährigen Bestehens. Es hatten sich zu dieser Feier viele frühere Schüler und Schülerinnen der Anstalt hier eingefunden. Im Schützenhof begrüßt Dr. Freyberg die erschienenen Gäste. Die Festrede hielt Studienrat Dr. Müller; es sprach dann noch der frühere Direktor der Anstalt D. Dr. Wahle. Im Mittelpunkt der Jubelfeier am Sonntag stand der feierliche Festakt in der Stadtkirche. In geschlossenen Zügen bewegten sich bald nach 9 Uhr die Festteilnehmer von der Oberrealschule zur Stadtkirche. Pfarrer Siebert hielt die Liturgie. Ein ehemaliger Schüler, Pfarrer Scholl - Schoneck die Festpredigt. Im Anschluß an den Gottesdienst fand eine Gefallenenehrung statt, wo Pfarrer Winkler - Klepzig, auch ein früherer Schüler tiefempfundene Worte fand. Es sprachen dann noch Studiendirektor Dr. Letz, Direktor der Anstalt, Pfarrer Siebert für die Elternschaft, Bürgermeister Dr. Baumgardt für die Stadt, Landrat Meister für den Kreis, Superintendent Fries für die Kirche u.a. Am Nachmittag fand dann im Schützenhofsaal eine Festaufführung der Oberrealschule statt. Ein Ball beschloß am Abend die Festtage.
5. September
Böttcher
Erster Bürgermeister Böttcher wird auf Antrag vom Magistrat und Stadtverordneten in den Ruhestand versetzt.
30. September
Heese
Anläßlich des gestrigen Semesterabschlusses der Oberrealschule fand die feierliche Verabschiedung des langjährigen Hausmeisters Heese statt, der mit dem 1. Oktober in Pension geht.
2. Oktober
Erntedankfest
Am gestrigen Erntedankfest fand wieder ein großer Umzug mit vielen Festwagen durch die Straßen der Stadt statt.
7. Oktober
Franz Seldte Siedlung
Bürgermeister Dr. Baumgardt hat im Einvernehmen mit dem Magistrat der neuen Siedlung am Elektrizitätswerk den Namen "Franz Seldte Siedlung" verliehen. Damit soll der Gründer des Stahlhelm geehrt werden, der in seiner Eigenschaft als Arbeitsminister mit den Gesamtplänen der Deutschen Siedlung auf das engste befaßt ist.
9. Oktober
25 Jahre Reichsbahnausbesserungswerk
Am Sonnabend d. 7. d. Mts. fand im Schützenhofsaale die 25-Jahrfeier des hiesigen Reichsbahn-Ausbesserungs–Werkes statt, an der Vertreter der Werkstätten-Inspektion Dresden, sowie Vertreter der benachbarten Ausbesserungswerke Leipzig, Halle und Dessau teilnahmen. Verbunden war diese Feier des 25jährigen Bestehens mit einer Ehrung für den vor zwei Monaten an das größte Werk der Reichsbahn nach Hannover versetzten Werkdirektors Oberbaurat Wegener.
16. Oktober
Streibart
Das Schwurgericht in Halle verurteilte am Sonnabend den Heinz Streibart wegen Mordes an dem kleinen Heinz Teresniak zum Tode unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit.
16. Oktober
Nobbe
Stadtbankdirektor Nobbe wurde von der 3. Strafkammer des Landgerichts Halle wegen fortgesetzter gewinnsüchtiger Untreue zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hat die Stadt um über eine halbe Million geschädigt.
24. Oktober
Landkrankenkasse
Die Landkrankenkasse hat ihre Geschäftsräume in das Gebäude der Allgemeinen Ortskrankenkasse, Freiherr von Stein-Straße verlegt.
27. Oktober
Eintopf
Die Gauführung des Winterhilfswerks führt das Eintopfgericht ein. Jeder Haushalt hat einen Sonntag im Monat, er wird für alle immer bestimmt, Eintopf. Die Einsparung wird stets dem Winterhilfswerk zugeführt. Sammler holen die Spende.
28. Oktober
Ed. Pönicke
Im Alter von 83 Jahren verschied heute früh der Baumschulenbesitzer Eduard Pönicke. Er ist der Gründer des weit über Delitzschs Grenzen hinaus bekannten Baumschulenbetriebes Ed. Pönicke u. Co.m.b.H., Leipziger Straße, hierselbst.
1. November
Engeleiter
Der wegen Untreue im Amt entlassene und hier in Untersuchungshaft befindliche Magistratssekretär Engelleiter wurde heute aus dem Amtsgerichtsgefängnis Delitzsch in das Untersuchungsgefängnis Halle überführt.
17. November
Moorbad
Unsere Warmbadeanstalt im Viktoriabad ist in ein Eisen-Moorbad umgestaltet worden. Moorerde für das Moorbad ist ausreichend vorhanden, und die Verabreichung von Moorbädern ist bereits seit September im vollen Gange. Gegenwärtig wird noch das Bad im Innern ausgestaltet, und im Frühjahr wird noch ein schmucker Park vorhanden sein. Die Delitzscher Moorerde ist nicht nur ein ausgezeichnetes Mittel gegen Rheuma, Gicht oder Ischias, sondern auch bei Frauenleiden, und sogar bei spinaler Kinderlähmung sind hervorragende Erfolge erziehlt worden.
20. November
Luthertag / 75 Jahre Berufsschule
Zur Erinnerung an den 450jährigen Geburtstag Dr. Martin Luthers am 10. November 1483 wurde der 19. November als Luthertag bestimmt und die Erinnerungsfeiern an diesem Tage abgehalten. In Delitzsch wurde der Tag in folgender Weise begangen: Um 7 Uhr morgens Glockenläuten, von 8 bis 8.30 Jugendgottesdienst in der Gedächtniskirche, um 10 Uhr Festgottesdienst in der Stadtkirche. Um 11.15 Uhr wurde auf dem Marktplatz eine Kundgebung abgehalten; um 11.30 Uhr wurde vom Breiten Turm die Schwedensignale geblasen. Die Lutherfestfeier fand dann abends 20 Uhr im Schützenhause mit der Festaufführung "Der Tag von Worms" von Gumbel statt. Am gestrigen 19. November beging die hiesige Berufsschule die Feier ihres 75jährigen Bestehens. Sie war als Fortbildungsschule 1858 durch Rektor Giesel begründet worden, 1907 wurde sie Pflichtschule. Weitere Leiter waren Rektor Wiener, Rektor Pasch, Gewerbeoberlehrer Scharruhn, Rektor Hansjürgens. Seit 1930 wirkt hier Gewerbeoberlehrer Wendenburg. Die 75Jahrfeier wurde durch einen Festakt im Schützenhause begangen.
25. November
Kläning
Kreisleiter Kläning - Delitzsch ist von Staatsrat Jordan – Halle in gleicher Eigenschaft nach Torgau versetzt worden.
28. November
75 Jahre kath. Kirchengemeinde
Unter den Jubilaren von Delitzsch, die in diesem Jahre auf ein 75jähriges Bestehen zurückblicken können, erscheint auch die hiesige katholische Kirchengemeinde. Sie wurde 1858 gegründet und umfaßte anfangs die beiden Kreise Delitzsch und Bitterfeld. Am 1. April 1908 wurde der Kreis Bitterfeld von Delitzsch abgetrennt und zu einer selbständigen Pfarrei erhoben. Die Muttergemeinde umfaßt heute zwei Städte, Delitzsch und Landsberg und 94 Dörfer und zählt 1120 Seelen. Als Pfarrer haben in der katholischen Gemeinde Delitzsch gewirkt: Friedrich Schröder von 1858 – 1860, Wolph Baeseler von 1860 bis 1892, Johannes Bitter von 1892 – 1896, Friedrich Helle von 1896 – 1904, Joseph Stahl von 1904 – 1908, von 1908 bis heute der jetzige Pfarrer.
12. Dezember
Reulecke
Unser Heimatschriftsteller August Reulecke feierte am gestrigen 11. Dezember seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlaß ist ihm ein in herzlichen Worten gehaltenes Glückwunschschreiben durch den Magistrat zugegangen. Weiterhin haben die städtischen Körperschaften sich entschlossen, dem um die Heimatgeschichte verdienten Manne eine finanzielle Beihilfe in Form eines Ehrengeldes zu gewähren.
13. Dezember
2 Dankschreiben
Als Dank für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Delitzsch sind nun je ein Schreiben des Herrn Reichspräsidenten und des Herrn Reichskanzlers beim Magistrat eingegangen. Das Schreiben des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg, datiert aus Neudeck hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Für die Ehrung, die mir die städtischen Körperschaften der Stadt Delitzsch durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts erwiesen haben und für die Übersendung des kunstvollen Ehrenbürgerbriefes spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. Ich nehme die Ehrung gern an und sende Ihnen und meinen neuen Mitbürgern meine herzlichen Grüße und meine besten Wünsche für die Zukunft von Delitzsch.
von Hindenburg.
Das von Reichskanzler Adolf Hitler persönlich unterschriebene Schreiben, datiert aus Berlin, lautet folgendermaßen: "Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts von Delitzsch erfüllt mich mit aufrichtiger Freude. Ich nehme die Ehrenbürgerschaft an und bitte, dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung meinen ergebensten Dank sowie meine besten Glückwünsche für das Blühen und Gedeihen von Delitzsch aussprechen zu dürfen.
Mit deutschen Gruß!
Adolf Hitler."
14. Dezember
Ehemalige Delitzscher
Der Begründer der "Ehemaligen Delitzscher", Herzoglicher Chordirektor i.R. Adalbert Schönlein, ist am 11. Dezember im 78. Lebensjahr nach kurzem Leiden in Dessau verstorben. Er war ein Schüler des 1. Jahrgangs 1873/76 unseres Seminars. Nach Auflösung des Seminars war die alljährliche Wiedersehensfeier um die Pfingstzeit herum von ihm veranlaßt eine ständige Einrichtung geworden. Außerdem aber blieben die Seminarbrüder der ersten drei Jahrgänge innerhalb des Jahres noch durch zwei Rundschreiben in inniger Fühlung miteinander, die vom Begründer ausgingen und zu ihm wieder zurückkehrten. Sein Tod reißt eine große Lücke in die Vereinigung.
20. Dezember
Weihnachtsbaum
Auch in diesem Jahre ist auf dem Marktplatz wieder ein Weihnachtsbaum aufgestellt. Das Winterhilfswerk bittet nun alle Volksgenossen am Freitag, dem 22. Dezember, ab abends 17 Uhr auf den Gabentisch unter diesen Weihnachtsbaum kleine Gaben niederzulegen, die dann am heiligen Abend den ärmsten Delitzscher Volksgenossen ins Haus gebracht werden sollen. Der Bund deutscher Mädel wird am Freitag Weihnachtslieder singen.
22. Dezember
Eine historische Tafel
Der Baum im Auguste Viktoria Ring in der Nähe des Moorbades, an dem die historische Tafel hing, welche uns davon erzählte, daß Delitzsch dermaleinst Garnison gewesen ist, mußte fallen. Der Baum war im Inneren längst morsch und hohl, und es bestand die Gefahr, daß Sturm und Wetter die alte Linde brechen und Unheil anrichten könnte. Die historische Tafel aber wird an einem anderen Baum des Auguste Viktoria Rings ihren Ehrenplatz finden.
23. Dezember
Generaldirektor Böhme
Bürgermeister Dr. Baumgardt hat im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Magistrats die bisherige Lindenstraße in "Albert Böhme-Straße" umbenannt. Damit wird die Ehrung eines Mannes bezweckt, der unermüdlich und von äußeren wie inneren Fährnissen unberührt, aus kleinsten Anfängen heraus die Böhme A.G. zu dem heutigen großen Werke ausgestaltet hat. In dankbarer Anerkennung dieser dadurch geschehenen Förderung der heimischen Wirtschaft ist die Stadtgemeinde der Meinung, daß gerade die Arbeit eines solchen Mannes der jungen Generation Ansporn zu sein vermag. Um auch öffentlich zu bekunden, daß das Wohl der Allgemeinheit eng verbunden ist mit der Tätigkeit erfolgreicher Pioniere ihres Berufs, ist die Benennung der Straße erfolgt. Nach geschehenen Beschluß begab sich der Magistrat zur Böhme A.G. um Herrn Generaldirektor Böhme von der Ehrung Mitteilung zu machen.
23. Dezember
Straßenbenennung
Im Laufe des Jahres wurden folgende Straßennamen abgeändert: Marienplatz in "Adolf Hitlerplatz", Am Stadtpark in "Tannenbergstraße", Rathenaupromenade in "Kaiser Wilhelm-Ring" bzw. "Auguste Viktoria-Ring", Schloßpromenade in "Schulze-Delitzsch-Ring", Dübener Straße in "Hermann Göringstraße", Dübener Vorstadt in "Dübener Straße", Gartenstraße in "Richard Wagnerstraße", Schulze-Delitzsch Straße in "Langemarckstraße", Nordstraße in "Schlageterstraße", Nordplatz in "Horst Wessel-Platz"; Ferner wurde die neue, vom Schulze Delitzsch Ring nach dem Rosenthal führenden Straße "Oskar Reime Straße" genannt.
24. Dezember
Viktoriabad
Generaldirektor Albert Böhme hat zur Einrichtung von Parkanlagen an der Badeanstalt mehrere tausend Mark gespendet. Der neue Pächter Willy Fuchs hat die Badeanstalt bereits übernommen. Sie führt den Namen "Viktoriabad". Die Einweihung zu einem Eisen-Moorbad ist bereits erfolgt. In der Umgebung des Lobers und auch an anderen Stellen wurde reichhaltige Moorablagerung gefunden.
1934
9. Januar
Gewerbeverein
Einer der ältesten Vereine unserer Stadt, der Gewerbeverein Delitzsch, der nun bereits auf eine 75jährige Geschichte zurückblicken kann, schloß mit seiner gestrigen Versammlung diese nunmehr ab und löste sich gemäß Anordnung des Reichstandes des Handwerks auf. In der Blütezeit des Gewerbevereins gehörten ihm Männer an, die weit über die Grenzen unserer damals noch kleinen Stadt bekannt waren. So liest man in den ersten Protokollen Namen wie Landrat von Rauchhaupt, Hermann Schulze-Delitzsch und vieler anderer um die Entwicklung unserer Stadt verdienten Persönlichkeiten. Die für gestern einberufene Versammlung unter Vorsitz von Stadtrat a.D. Tauche beschloß also die Auflösung des Vereins.
25. Januar
Engeleiter
Die 3. Strafkammer des Landgerichts Halle verurteilte gestern den Magistratssekretär Gustav Engeleiter wegen Amtsunterschlagung in einem Fall, Urkundenbeseitigung und Betruges zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren Zuchthaus, 500 RM Geldstrafe und Verlust des bürgerlichen Ehrenrecht auf die Dauer von zwei Jahren.
30. Januar
Festtag
Heute vor einem Jahr wurden Adolf Hitler vom Reichspräsidenten von Hindenburg die Staatsgeschäfte als Reichskanzler übergeben. Aus Anlaß dieses Tages fanden auch in Delitzsch Gedenkfeiern statt. Einem Fahnenmeer glichen die Hauptstraßen der Stadt. In den Schulen wurden besondere Feiern abgehalten. Es war dann schulfrei. Am Abend fand ein Festgottesdienst statt, an dem alle nationalen Verbände teilnahmen. Superintendent Fries gestaltete den Dankgottesdienst zu einer erhebenden Feierstunde.
31. Januar
Göpel
Der Herr Preußischer Minister des Innern hat durch Erlaß vom 20. Januar 1934 gemäß § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 den Polizeikommissar Göpel in Delitzsch mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst entlassen. Polizeimeister Tuschling wird mit Führung der Polizeigeschäfte betraut.
6. Februar
Bürgerverein
Der Bürgerverein hat gestern abend in einer Versammlung beschlossen, den seit 91 Jahren bestehenden geselligen Verein, dessen Mitglied mancher angesehene Einwohner unserer Stadt war, aufzulösen und das Vermögen des Vereins dem WHW zu vermachen. Die Auflösung liegt ganz in der Linie des nationalsozialistischen Programms zur Schaffung einer wahren Volksgemeinschaft.
9. Februar
Böttcher
Der preußische Minister des Innern hat durch Erlaß vom 26. Januar 1934 den Ersten Bürgermeister Karl Böttcher in Delitzsch gemäß § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entgültig in den Ruhestand versetzt.
12. Februar
Kraft durch Freude
In Delitzsch hat sich vor einiger Zeit eine Ortsgruppe "Kraft durch Freude" gebildet. Sie soll ihren Mitgliedern für wenig Geld eine Erholungsreise verschaffen. Nun ist auch eine Kreisgruppe gebildet worden. Zum Kreiswart für die NS Volksgemeinschaft Kraft durch Freude im Kreis Delitzsch ist Pg. Thiemicke- Eilenburg bestellt worden. Der erste Urlauberzug des Gaues Halle- Merseburg wird in der Nacht zum 18. Februar von Halle aus fahren, das Ziel ist vorläufig noch unbekannt. Die Stadt Delitzsch stellt zu der ersten Fahrt neun Teilnehmer. Die Fahrt ist freiwillig. In den einzelnen Betrieben wird die Teilnahme durch eine Sammlung unter den Kollegen möglich gemacht.
13. Februar
Neues Stadtparlament
Seit dem 1. Januar haben in Preußen die Stadtverordnetenversammlungen aufgehört zu bestehen. Auch in der Kommunalpolitik ist jetzt das Führerprinzip durchgeführt, d.h. die letzte Entscheidung fällt der Bürgermeister. Der Magistrat existiert ebenfalls nicht mehr. Als beratendes Organ steht dem Bürgermeister der Gemeinderat zur Seite. Er tagt im Gegensatz zu den früheren Stadtverordnetenversammlungen nicht öffentlich und setzt sich aus den bisherigen Stadtverordneten und dem rangältesten Führer der SA oder SS und dem obersten örtlichen Führer der PO und der NSDAP zusammen. Zu den früheren Stadtverordneten tritt demnach SA Standartenführer Dr. von Saal.
14. Februar
Gemeinderat
Gestern tagten die Ratsherren im Rathaus zum ersten Mal. Der neue Gemeinderat wird in seiner entgültigen Zusammenfassung erst nach dem 1. April tagen. Die Beigeordneten werden dann vom Regierungspräsidenten nach Anhörung des Gauleiters berufen. Bis dahin setzt sich der Gemeinderat aus den bisherigen Stadtverordneten zusammen, zu denen in Delitzsch, da der örtliche Führer der PO, Ortsgruppenleiter Städter, schon Mitglied der Stadtverordnetenversammlung war, neu nur Standartenführer Dr. von Saal tritt. Der Rathaussaal war mit den Fahnen des neuen Reiches festlich geschmückt. Die Sitzung selbst wurde eröffnet mit einer umfassenden Rede des Bürgermeisters Dr. Baumgardt. Es sprachen dann der frühere Stadtverordnetenvorsteher Spangenberg und Ortsgruppenleiter Städter.
17. Februar
Supterintendent Fries
Dem Superintendent Fries - Delitzsch, der wie andere Superintendenten unserer Provinz, Mitglied des "Pfarrernotbundes" ist und am 14. Januar entgegen der Verordnung vom 4.1.1934 der Gemeinde einige Worte über die "Not der evangelischen Kirche" gesagt hat, ist die Führung der Superintendentur auf Verfügung des Reichsbischofs mit dem heutigen Tage abgenommen wurden. Die Vertretung in der Superintendentur ist vom Konsistorium Pfarrer Schraepler in Schenkenberg übertragen worden.
26. Februar
Kreisleiter
Anläßlich der gestrigen Vereidigung des politischen Leiter wurde unser Stellvertreter Kreisleiter Pg. Schimpf entgültig zum Kreisleiter des Kreises Delitzsch ernannt. Mit Pg. Schimpf hat ein alter Kämpfer der NSDAP die politische Leitung unseres Kreises übernommen.
14. März
Eilenburger Straße
Nachdem vor einigen Jahren die Platanen in der Eilenburger Straße abgeholzt werden mußten, hat sich die Stadt neuerdings entschlossen, die untere Eilenburger Straße wieder mit Bäumen zu bepflanzen. Es werden Ahornbäume angepflanzt die nicht so viel Licht wegnehmen, wie es s. Z. die Platanen taten. Auch wird die Fahrbahn dieses Teils der Eilenburger Straße um 80 Zentimeter erweitert und der Radfahrweg, der hier überflüssig ist, verschwindet.
15. März
Heil Hitler
Im Namen des preußischen Ministerpräsidenten und der übrigen Staatsminister ist angeordnet worden, daß künftig in allen Fällen in dem beim Schriftverkehr bisher am Schluß besonders Höflichkeitsformen üblich waren, die Worte "Heil Hitler" anzuwenden sind.
16. März
Bauer
Der Provinzjägermeister hat Pg. Mühlenbesitzer Hans Bauer - Delitzsch, Albert Böhme Straße 3 mit Wirkung vom 10. März 1934 zum Kreisjägermeister des Kreises Delitzsch ernannt.
17. März
Besuch in Delitzsch
Gestern Freitag besuchte Oberpräsident von Ulrich unsere Stadt. Pünktlich 9.45 Uhr traf er in Begleitung von Regierungspräsident Sommer auf dem Marktplatz ein. Er schritt die Front der hier aufgestellten Ehrenstürme der SA und SS ab. Standartenführer von Saal stellte ihm sodann die einzelnen Sturmführer der SA und SS vor. Im Sitzungssaal des Rathauses wurde der Oberpräsident von Bürgermeister Dr. Baumgardt mit einer längeren Ansprache begrüßt und ihm in Anschluß die einzelnen Ratsherren und Beamten der Stadt vorgestellt. Mit Dankesworten für die herzliche Begrüßung verabschiedete sich der Oberpräsident und begab sich ins Kreisständehaus, wo er im Saal vom Landrat Meister begrüßt wurde, der ihm einen Vortrag über die wirtschaftliche Lage des Kreises hielt. Nach einer Rundfahrt durch die Stadt und Besichtigung der Sehenswürdigkeiten ging die Fahrt nach Eilenburg und am Nachmittag nach Landsberg weiter.
31. März
Eisenquelle
Epochemachende Auffindung einer heilkräftigen Eisenquelle in Delitzsch. Bei Gärtnereiarbeiten, die der Umgestaltung des Stadtparkes dienen sollen, stieß man plötzlich in der Nähe des Heiligbrunnens auf stark aufquellende Wassermengen, die die eigenartige Färbung aufwiesen, wie sie eisenhaltigem Wasser eigen ist. Nachdem einige Proben des Wassers an die mineralogischen Institute der Universitäten Leipzig und Halle eingereicht worden waren, liegen auch bereits von dort hervorragende Gutachten vor, die das Wasser als besonders heilkräftig prüfen. Es konnte bisher immer schon angenommen werden, daß in der Nähe des Heiligbrunnens, der bereits in früherer Zeit als Heilquelle über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannt war, und die schon bei den Ureinwohners unserer Heimat, den alten Sorben als Heiligtum angesehen wurde, irgend eine nutzbare Wasserader zu finden sein müsse. An der Stadtverwaltung liegt es nun das "Eisenmoorbad" Delitzsch mit seinem neuen Strudel nutzbringend für die Stadt auszugestalten.
7. April
Zentralbahnhof
Die Schaffung eines Delitzscher Zentralbahnhofes steht in Delitzsch wieder einmal auf der Tagesordnung. Schon seit Jahren beschäftigt man sich mit dieser Angelegenheit. Vor genau 5 Jahren am 3. April 1929 schrieb die hiesige Presse: "In der letzten Zeit mehren sich die berechtigten Klagen über die vollständig unmöglichen Zustände auf den Delitzscher Reichsbahnhöfen vor allem dem Berliner Bahnhof. Wir haben an dieser Stelle schon mehrmals eine baldige Abhilfe gefordert, leider sind aber alle Vorschläge bisher mit dem Hinweis: Es ist ist kein Geld da! in der Versenkung verschwunden." Zwei Millionen Arbeitslose sollen in diesem Jahre nach dem Willen Adolf Hitlers wieder Brot und Arbeit erhalten. Auch unsere Stadtverwaltung hat ein reiches Arbeitsbeschaffungsprogramm beschlossen. Die Reichsbahn muß sich auch in diesem Sinne betätigen. Sie schaffe nun endlich die unwürdigen Zustände auf dem Berliner Bahnhof fort. Der Umbau des Berliner Bahnhofs alleine ist keine tragbare Lösung des Problems. Die Forderung lautet: "Schaffung eines Delitzscher Zentralbahnhofes".
10. April
Schloß
Um das Schloß herum und im Schloß sind in letzter Zeit große Veränderungen vorgenommen worden. Der Schloßgraben ist in eine Promenade ausgebaut worden. Ferner sind die beiden Mauern zur rechten und linken Seite des Schloßes gefallen, um auch vom Schulze Delitzsch Ring einen Zugang zum Schloß zu schaffen. Im Inneren des Schlosses ist die alte Schloßkapelle zu einem Jugendheim ausgebaut worden.
22. April
Heimatmuseum
Mit dem heutigen Tage geht das Heimatmuseum, mit Ausnahme der Vorgeschichtsabteilung, die dem Kreiskommunalverband überlassen wird, in die Hände der Stadtverwaltung über.
2. Mai
1. Mai
Der 1. Mai wurde als Nationalfeiertag hier überaus festlich begangen. Schon am Abend wurden die Fenster festlich illuminiert und mit Grün und Fahnen die Häuser geschmückt. Am 1. Mai morgens 6 Uhr erscholl ein Trompetensignal vom Breiten Turm. Anschließend begann das große Wecken der Spielmannzüge.Um ½ 8 Uhr begann der Aufmarsch der Jugend. Die Schuljugend sammelte sich auf den Schulplätzen und marschierte unter Führung der Lehrer auf den Schützenhofplatz, wo der geschmückte Maibaum feierlich eröffnet wurde. Von 9 bis 10 Uhr hörte dort die Jugend die Übertragung der Berliner Feier. Unterdessen hatten sich die Festwagen auf dem Richard Wagner Platz gesammelt. Um ½ 10 Uhr begann der festliche Wagenumzug beginnend in der Leipziger Straße durch die meisten Straßen der inneren Stadt nach dem Schützenplatz. Hier war von ½ 12 bis ½ 13 Uhr Gesangskonzert der Sängervereinigung Delitzsch in Massenchören. Der Nachmittag brachte den großen Umzug der Betriebe. Bis 13.40 Uhr sammelten sich die einzelnen Betriebe unter Führung ihres Betriebsführers auf dem alten Schützenplatz. Um 14 Uhr erfolgte der Abmarsch des Riesenumzuges durch die Straßen der Stadt nach dem Schützenhofplatz. Hier erfolgte die Übertragung der Feierlichkeiten vom Tempelhofer Felde in Berlin. Um 17.30 Uhr erfolgte der Abmarsch. Die einzelnen Belegschaften blieben dann noch zusammen und feierten in den verschiedensten Lokalen.
14. Mai
Gemeinderäte
Auf Grund des Gemeindeverfassungsgesetzes ist nunmehr für die Stadt die Zahl der Gemeinderäte auf 12 festgesetzt. Desgleichen hat man auch über die Zahl der haupt- und ehrenamtlichen Stellen in der Stadtverwaltung entschieden. Hiernach gelten in Zukunft die Stelle des 1. Bürgermeisters und die eines besoldeten Beigeordneten als hauptamtlich, während weitere fünf Beigeordnete ehrenamtlich tätig sind.
15. Mai
Leichert
Pg. Leichert ist entgültig zum Geschäftsführer der Landkrankenkasse und Ortskrankenkasse ernannt worden.
2. Juni
Faust
Polizeimeister Tuschling ist in den Ruhestand getreten. Der neue Polizeimeister heißt Faust und hat sein Amt gestern bereits angetreten. Er kommt aus Hettstedt bei Eisleben, wo er seit 1932 Leiter der dortigen Polizei war.
15. Juni
Bismarckeiche
Am 1. April 1815, dem 100. Geburtstag Otto von Bismarcks, wurden in Delitzsch zwei Bismarck-Eichen gepflanzt, die eine im Stadtpark und die andere in dem sog. Drei Männer-Weg dem Verbindungsweg zwischen der Hindenburg- und Leipziger Straße. Die letztgenannte blieb leider in der Entwicklung stark zurück und ist kürzlich bei der Umwandlung des Geländestreifens hinter der Badeanstalt zum Kurpark der Axt zum Opfer gefallen. Dabei sind leider die seinerzeit unter der Eiche versenkten Dokumente abhanden gekommen. Erfreulicherweise hat man jedoch Abschriften dieser Dokumente aufgefunden und diese nunmehr gestern unter der Bismarck-Eiche im Stadtpark versenkt.
17. Juni
Moorbad
Die Untersuchung unserer Moorerde durch das Hygienische Institut der Universität Leipzig hat ergeben, daß alle Vorbedingungen für Wirkung der im Moor enthaltenen Stoffe erfüllt sind. Das Moorbad wirkt heilend bei Rheuma, Gicht, Ischias und Frauenkrankheiten. Die Stadtverwaltung läßt jetzt die Umgebung des Bades durch Parkanlagen verschönern, bald wird die Einfriedung am Viktoria-Ring mit den vielen Blumenkasten dem Bad ein neues Bild geben. Das Bad selbst soll durch Anbau von Liegehallen erweitert werden, um allen hygienischen Anforderungen gerecht zu werden.
25. Juni
Neue Straßen
Der Bürgermeister hat neue Staßennamen bekannt gegeben. Die neue Straße, die kurz vor dem Friedhof von der Dübener Straße nach der Beerendorfer Straße abgeht, heißt "General Maerker-Straße", die neue Straße an der Franz Seldte Siedlung ist "Karl Hagedorn Straße" genannt worden. Zwei bekannte Männer, ein deutscher General und ein früherer Delitzscher Bürgermeister sind so geehrt worden.
26. Juni
Arbeitsdienstpflicht
Im Gau Halle-Merseburg und so auch in Delitzsch ist durch Anordnung des Gauleiters die einjährige Arbeitsdienstpflicht eingeführt worden. Nach den Grundsätzen dieser Anordnung soll die gesamte arbeitsfähige männliche Jugend zum Arbeitsdienst herangezogen werden. Ausgenommen bleiben die körperlich Untauglichen und selbstverständlich die mit Zuchthaus Vorbestraften.
8. Juli
Viktoriabad
Unser Viktoriabad stellt sich immer mehr für den Kurbetrieb ein. Noch ist der kleine Kurpark noch nicht fertiggestellt und schon sind Kurgäste von auswärts eingetroffen. Der hochherzige Gönner unserer Stadt Generaldirektor Böhme hat bei Besichtigung der neuen Anlagen aufs neue 1000,- Mark gespendet, sodaß er zum Bau der Anlagen schon 10.000 Mark gestiftet hat. Hinter dem Viktoriabad ist über den Lober eine Brücke geschlagen worden. Die Stadtverwaltung hat von der Kirchengemeinde einige Gärten des Hennig Schroedter Hauses käuflich erworben, die zum Kurpark geschlagen werden. In dem Birkenwäldchen neben dem Viktoriabad ist ein Musikpavillon errichtet worden. Auf den Promenadenwegen sind 10 neue Bänke aufgestellt worden. Im nächsten Frühjahr sollen die Anlagen fertig gestellt sein. Wenn auch das Leben auf dem Stadtgraben durch Absterben der Wildenten zurückgegangen ist, so wird auch hier die Stadtverwaltung wieder Wandel schaffen. Im nächsten Jahre soll neues Leben auf dem Stadtgraben herrschen.
2. August
Hindenburg
Reichspräsident von Hindenburg ist heute morgen 9 Uhr auf seinem Gute Neudeck verstorben.
3. August
Trauerfeier für Hindenburg
Gestern abend fand in der Stadtkirche ein Trauergottesdienst der Militärverbände statt. Vom Roßplatz marschierten die Verbände mit umflorten Fahnen nach der Stadtkirche, wo sich bereits eine große Menschenmenge eingefunden hatte. Die Delitzscher Sängervereinigung umrahmte die Feier durch das Lied: "Es geht bei gedämpfter Trommel Klang". Pastor Suckert fand treffende Worte im Gedenken unseres verehrungswürdigen Reichspräsidenten. Im Anschluß hieran begaben sich die Militärverbände zur Kriegergedächtniskirche und legten für die toten Helden des Weltkrieges Kränze nieder. Kirchenglocken tönten durch die nächtliche Stadt, als die Teilnehmer an der Feier heimwärts gingen. Auf Anordnung des Reichsbischofs findet Sonntag den 5. d. Mts. ein offizieller Trauergottesdienst in unserer Stadtkirche statt. Die kirchliche Chorvereinigung wird singen. Alle Behörden, SA, SS und Bundesmitglieder legen für 14 Tage Trauerflor am linken Oberarm in Uniform und Zivil an.
20. August
Adolf Hitler Reichspräsident
Die mit dem Tode des Reichspräsidenten im Staatsleben entstandene Lücke hat die Reichsregierung unverzüglich dadurch ausgefüllt, daß sie die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers vereinigten. Adolf Hitler ist also auch das Staatsoberhaupt des Reiches. Am gestrigen Sonntag gab das deutsche Volk in einer Abstimmung seine Zustimmung zu diesem Wahlvorschlag. In Delitzsch betrug die Beteiligung bei diesem Abstimmungsergebnis 96,57 Prozent. Es wählten 9805 mit "Ja", 962 mit "Nein", und 256 waren ungültige Stimmen.
7. September
Der Kurpark am Viktoriabad
Nachdem nunmehr auch die jenseits des Lobers gelegene Hälfte des städtischen Kurparks fertig gestellt worden ist, ist diese für die Öffentlichkeit zugängig. Hinter der Badeanstalt führt eine Brücke über den Lober, über die man nach dem neuen Teil des Parkes gelangt, der mit seinen frischen Rasenflächen und den aufgestellten Bänken recht ansprechend wirkt. Auf der Seite nach dem Verbindungsweg zwischen Hindenburg- und Leipziger Straße ist der Park durch einen Zaun abgesperrt. Dieser Parkteil, der jetzt noch ein wenig kahl erscheint, wird jedoch in Zukunft bestimmt der schönste von allen werden. Im nächsten Sommer werden auf den Beeten 3000 Rosen ihre Blüten öffnen und sicher eine große Besucherschaar anziehen.
8. September
60 Jahre Frauenverein
Zu Ehren seines 60jährigen Bestehens veranstaltete der hiesige Frauenverein vom Roten Kreuz einen Wohltätigkeitsabend. Eine 60jährige Geschichte, die reich an Höhen aber nicht minder reich an schweren Zeiten und Tiefpunkten ist. Umso erfreulicher berührt dann die Tatsache, daß das große Liebes- und Hilfswerk des Vaterländischen Frauenvereins auch in unserer Heimatstadt Früchte getragen hat und gerade in den schwersten Jahren vielleicht seine schönsten Erfolge verzeichnen konnte.
18. September
Pflichtinnungen der Handwerker
Die bisher bestehenden 31 Handwerker-Innungen des Kreises sind mit dem gestrigen Tage aufgelöst worden. Gleichzeitig tagten gestern im Schwan die früheren Innungs-Obermeister des Kreises unter Vorsitz des Präsidenten der Handwerkskammer Sehnert. 19 neugeschaffene Pflichtinnungen schlossen sich der Kreishandwerkerschaft Delitzsch an unter Führung von Kreishandwerksmeister Biehl.
28. September
Auffindung einer Stahlquelle
In der Oskar Reime Straße auf noch nicht bebautem Gelände wurde dieser Tage eine Quelle gefunden, die mehr als 10 Prozent Eisen enthält und infolgedessen den Namen Stahlquelle tragen darf. Die Stadtverwaltung hat die Absicht, diese Quelle einzufassen und dort einen kleinen Trinktempel zu errichten, der den Namen "Neuer Heiligbrunnen" erhalten wird. Interessant ist, wie man diese Quelle entdeckte. Bei Untersuchungen, die der Chemiker Mischon mit Wasser aus dem Rosenthal unternahm, wurde festgestellt, daß dieses Wasser stark eisenhaltig war. Chemiker Mischon verständigte davon die Stadtverwaltung. Man vermutete, daß die ursprüngliche Quelle des Heiligbrunnens, die infolge der Kanalisation im Laufe der letzten Jahrzehnte versickert war, nunmehr an einer andern Stelle hervortrat. Zunächst suchte man in der Nähe des Eisenmoorbades nach, fand aber dort nur gering eisenhaltiges Wasser. Darauf wurde die Sache am Rosenthal und am Dietze'schen Garten fortgesetzt, bis man jetzt in der Oskar Reime Straße den "Neuen Heiligbrunnen" eine Stahlquelle, die mindestens ebenso gut wie die von Bad Lauchstädt ist, entdeckte.
8. Oktober
500 Jahre Bäckerinnung
Unter starker Beteiligung zahlreicher Ehrengäste und Bruderinnungen konnte die Bäckerinnung Delitzsch und Umg. am gestrigen Sonntag im festlich geschmückten Schützenhaussaal ihr 500jähriges Bestehen mit Fahnenweihe begehen. Monatelange Vorbereitungen, jahrelanges Zurücklegen von Spargroschen zu Spargroschen, eine unermüdliche Kleinarbeit des Festausschusses waren vorangegangen. Von Behördenvertretern waren anwesend der Präsident des Germania-Verbandes Karl Grüßer - Berlin, der Präsident der Handwerkskammer Sehnert - Halle, Dr. Baumgardt als Vertreter des Landrats und der Stadt u.a. Es sprachen Innungsobermeister Rehn, Gewerbeoberlehrer Scharruhn, Bürgermeister Dr. Baumgardt, Sehnert - Halle und Kreishandwerksmeister Biehl. Umrahmt wurde die Veranstaltung durch Gesangsduette und Darbietungen des Innungsgesangvereins der Bäcker. Es liefen mehrere Glückwunschtelegramme ein. Ein Ergebenheitstelegramm wurde an Adolf Hitler gesandt.
21. Oktober
Fischzug im Stadtgraben
Der große Fischzug im Stadtgraben, der alle zwei Jahre stattfindet, wurde gestern beendet. Er ergab folgendes Resultat: 869 Pfund Karpfen, 124 ½ Pfund Schleie, 211 ½ Pfund Hechte, 15 Pfund Barsche, 1 Pfund Aal, 273 Pfund Weißfische. Vor 2 Jahren wurden eingesetzt: 2 Zentner Karpfen (zweisömmerige) und 1 Zentner Nutzschleie.
22. Oktober
Parkstraße
Die Stadtverwaltung hat eine Verbindung zwischen Dietze-Garten und dem Stadtpark geschaffen dadurch, daß die Parkstraße mit Pyramiden-Pappeln bepflanzt wurde. Die Anpflanzung ist möglich geworden durch eine Stiftung der Firma Ed. Pönicke u. Comp. Delitzsch, welche die Pappeln aus ihren Beständen zur Verschönerung der städtischen Anlagen in freundlicher Weise schenkten.
24. Oktober
Hermann Göring Straße
Da die auf der Hermann Göring Straße vor einigen Jahren angepflanzten Ulmen nach und nach eingehen, hat sich die Stadtverwaltung entschlossen die restlichen auch schon stark erkrankten Ulmen auszuheben und Kugelahorn-Bäume an die Stelle zu pflanzen. In dankeswerter Weise hat sich Generaldirektor Böhme bereit erklärt, die Kosten der neuen Anpflanzungen zu übernehmen.
2. November
Fabrikstraße
In den letzten Wochen ist die Fabrikstraße von unserer Zuckerfabrik vollständig erneuert worden. Man hat sie verbreitert, die Schlaglöcher beseitigt und nunmehr auch zu beiden Seiten Kugelakazien angepflanzt. Die entstandenen Kosten trägt die Zuckerfabrik. Ferner hat die Stadtverwaltung einen neuen Verkehrsweg zwischen Eilenburger- und Bismarkstraße herstellen lassen in der Verlängerung der Querstraße unter Abbruch des von ihr erkauften Hauses Grünstraße 26. Die neue Straße hat in der Verlängerung die Körnerstraße.
12. November
Bisamratten / Delitzsch als Garnison
Nachdem vor einigen (Tagen d.A.) im Lober zwischen Döbernitz und der Stadt eine Bisamratte entdeckt und auch erschossen wurde, bemerkte fast an derselben Stelle der Jagdpächter Dorn wiederum eine Bisamratte. Er legte sich auf die Lauer und erschoß sie als sie im Bach schwamm. Nach Angabe des Schützen befinden sich noch mehr dieser gefährlichen Nager im Lober. Es ist wenig bekannt, daß Delitzsch vor 1815, als es noch zu dem Kurfürstentum und späterem Königtum Sachsen gehörte, lange Jahre hindurch Garnisonstadt gewesen ist. Vom Ende des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1763 an bis zum Jahre 1810 lagen ununterbrochen Truppenteile in unserer Stadt. Es waren Grenadiere. Auch Garnisonorte der Grenadiere waren Leipzig und Eilenburg.
1935
Abstimmung im Saargebiet
Am 15. Januar fand im Saargebiet die Abstimmung über den Verbleib dieses von den Franzosen nach dem Weltkrieg lange besetzten Gebietes statt. Die Abstimmung ergab einen überwältigenden Sieg für Deutschland. Von 539.511 Abstimmungsberechtigten haben 528.005 abgestimmt, darunter 477.119 für Deutschland, 46.513 für Status quo, 2124 für Frankreich und 2249 Stimmen waren ungültig. Kaum war das Ergebnis gegen Mittag hierorts bekannt geworden, erschien die Stadt in einem unübersehbaren Flaggenmeer. Die Schulen hielten eine kleine Feier ab und schlossen den Unterricht. Die Kirchenglocken läuteten von 12 bis 13 Uhr. Abends fand bei Illumination der Fenster ein großer Fackelzug statt.
18. Januar
Baugelände
Um den Wohnungsbau in der Stadt zu heben und zu fördern, haben die Ratsherren beschlossen, vom städtischen Land billiges Baugelände pro Quadratmeter für 0,80 M bis 1,- M abzugeben. Diesen günstigen Vorbedingungen ist es zu danken, daß am 1. Januar 1935 69 Neubauwohnungen im Bau begriffen waren, von denen allein 59 bereits im Rohbau fertig waren. 135 Dauerwohnungen sind im vergangenen Jahre hergestellt, davon nur 9 durch Umbau, während alle übrigen Neubauten sind.
14. Februar
Eckstädt
Studienrat Dr. Eckstädt von der hiesigen Oberrealschule hat eine Berufung als Anstaltsgeistlicher und Studienrat an das Pädagogium und Waisenhaus Züllichau erhalten. Dr. Eckstädt ist seit 1919 an der hiesigen Oberrealschule als Lehrer und Erzieher und wurde von Eltern und Schülern sehr geschätzt. Sein Weggang wird allgemein bedauert.
17. Februar
Stahlquelle
Es wurde bereits vor einigen Monaten über die Auffindung eisenhaltiger Wasser in der Oskar Reime Straße berichtet. Allerdings handelte es sich dabei nur um eine wenig ergiebige Quelle. Diese Bohrungen wurden von Schlossermeister Polter, Nahrungsmittelchemiker Dr. Mischon und Stadtbauinspektor Kratsch weiter fortgesetzt und haben nun nach wochenlangen Bemühungen und Untersuchungen ein überaus günstiges Ergebnis erzielt. Auf derselben Straße, der Oskar Reime Straße, fand man beim Verfolgen vorhandener Wasseradern unweit der erst gefundenen Quelle eine Stahlquelle die 13 Milligramm mehr Eisen enthält als die Helenenquelle in Pyrmont besitzt. Es ist dies nun der Neue Heiligbrunnen, der entdeckt worden ist. Die Stahlquelle Neuer Heiligbrunnen verdankt ihr Erstehen einem bisher vergeblichen Suchen nach dem von altersher berühmten Quell des alten Heiligbrunnens im Stadtpark. Ein heiliger Hain und ein heilkräftiges Wasser ist hier schon zur Zeit der Sorben-Wenden gewesen, wie uns die Chronik erzählt. Noch im 18. Jahrhundert war der "Alte Heiligbrunnen" vorhanden, denn 1735 weilte in Delitzsch mehrere Wochen Herzog Heinrich von Sachsen Merseburg zur Kur. Die Quelle ist dann nach und nach versiegt. Nach dem Untersuchungsbericht von Dr. Mischon enthält der Brunnen 13 Milligramm Eisen, 41,4 Milligramm doppelkohlensaures Eisenoxidal und 269 Milligramm Kochsalz im Liter. Der Brunnen erzielt alle guten Wirkungen bei Blutarmut, bei Erschöpfungszuständen nach verschiedensten Krankheiten, bei Unterleibsleiden der Frauen, bei vielen nervösen Störungen, auch bei fettleibigen Gichtkranken. Infolge des außerordentlich hohen Kochsalzgehaltes reguliert der Brunnen die Bildung von Verdauungssäften, steigert die Verdauung, fördert Stuhlgang bei Darmträgheit. Nun wird bald ein einfacher Bau mit bescheidenen Mitteln für den Neuen Heiligbrunnen an der Oskar Reime Straße erstehen. Es ist vorgesehen, die baulichen Anlagen, die eine Brunnenstube, einen Trinktempel und eine Wandelhalle inmitten gärtnerischer Anlagen umfassen werden so schnell wie möglich auszuführen. Im übrigen wird es jeden Delitzscher interessieren, daß das Heilwasser an der Quelle den Einwohnern der Stadt kostenlos abgegeben wird. Den Vertrieb übernimmt eine hiesige Firma. Die Wegeverhältnisse lassen viel zu wünschen übrig, und es wird zum mindesten notwendig sein, die Straße zu chaussieren. Auch der daran anschließenden Naturpark bedarf einer kleinen Renovierung, denn wir sind der Ansicht, daß sich Delitzsch mit diesem "Neuen Heiligbrunnen" ein Schmuckstück für das Stadtbild zulegen will.
20. Februar
Parkstraße
Die Stadt hat die Wiesen an der Parkstraße, die zum großen Teil in Privatbesitz sind, käuflich erworben, um eine spätere Erweiterung des Stadtparkes in dieser Richtung zu erwägen.
21. Februar
Stahlquelle
Da die Stahlquelle neben ihrer vorzüglichen Eigenschaften als Heilmittel sich nebenbei auch als Tafelwasser eignet, wird unabhängig von der Errichtung des Neuen Heiligbrunnens, das Wasser zukünftig auch in Flaschen abgegeben und nach auswärts versandt. Die Quelle wird durch Nahrungsmittelchemiker Dr. Mischon ständig überwacht.
1. März
Saarland
Heute am 1. März kehrt das Saarland wieder heim zum Mutterlande. Aus diesem Anlaß riefen heute Morgen die Sirenen der Stadt unter Jubel in den blauen Morgen. Die Fahnen gingen an allen Häusern hoch. In den Straßen stand der Verkehr einen Augenblick still. In den Betrieben ruhten für kurze Zeit die Maschinen und die Hände der Schaffenden und alles weilte in Gedanken bei den Brüdern an der Saar, die die größte Feierstunde ihres Lebens begehen.
4. März
Bischof Peter
Gestern weilte Bischof Peter in unserer Stadt. Er wurde vor dem Rathaus von Bürgermeister Dr. Baumgardt begrüßt, und im Sitzungssaal des Rathauses von den staatlichen und städtischen Behörden empfangen. Unter Glockengeläut bewegte sich dann der ganze Zug, dem sich nach Superintendeant-Vertreter Pfarrer Schräpler und Kreisleiter Schimpff anschlossen zur Stadtkirche. An der Kirche begrüßte Pfarrer Siebert den Landesbischof. Pfarrer Suckert hielt die Liturgie und der Landesbischof die Festpredigt. Am Nachmittag fand eine Kundgebung im Schützenhofe statt.
15. März
Ostsiedlung
Hinter der Damaschkestraße am Sportplatz ersteht eine neue Siedlung mit 30 Stellen. Sie wird für 30 Frontkämpferfamilien errichtet. Jede Siedlung ist einen halben Morgen groß. Der hübsche Landstil der Häuser wird sich mit einer schön angelegten Straße, in deren Mitte ein Schmuckplatz angelegt wird, vereinen, so daß die Siedlung die Freude der Anwohner, sowie der Bevölkerung unserer Stadt und deren Besucher erwecken wird.
10 April
Einwohnerzahl
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 31. März d. J. 16.912.
16. April
Pfarrrer Siebert
Pfarrer Siebert verläßt zum 1. Mai Delitzsch, er ist in Halle - Trotha zum Pfarrer an St. Briecius gewählt worden. Pfarrer Siebert, der 6 ½ Jahre in Delitzsch weilte, hat in jeder Hinsicht außerordentlich belebend im kirchlichen Leben gewirkt. Gleich zu Beginn seines Delitzscher Aufenthalts sammelte er Frauen aller Stände zu einem evangelischen Frauenabend. Er war Gründer der kirchlichen Chorvereinigung hier selbst und betätigte sich fördernd als Kreisbevollmächtigter für Kirchenmusik. Sein Weggang reißt eine Lücke.
17. April
Grünstraße
Auf Veranlassung der Stadtverwaltung fand am 12. April in der "Goldnen Kugel" eine Versammlung der Anwohner der Grünstraße statt, die vom Schneidermeister Müller - Grünstraße einberufen und geleitet wurde. Zweck dieser Besprechung war, die ersten Vorbereitungen für das am 25. u. 26. Mai stattfindende Brunnenfest zu beraten. Die Anwesenden wurden zunächst mit einigen interessanten Tatsachen aus der Geschichte der Grünstraße bekannt gemacht. Die Grünstraße bildete mit dem Damm (Hallesche Vorstadt), dem Rosenthal, dem Schloßviertel, Gasthaus zur Weintraube, einem Teil der Töpfergasse, sowie dem Galgenberg (Gelände des Berliner Bahnhofs) eine eigene Gemeinde mit eigenem Bürgermeister. Schneidermeister Müller konnte mitteilen, daß der vorletzte Bürgermeister der Amtsvorstadt Grünstraße namens Mörtzschke der Urgroßvater seiner Frau ist. 1860 fanden dann Verhandlungen der Stadtbehörde mit dem Landrat über Eingemeindung der Grünstraße mit Delitzsch statt und am 2. August 1862 wurde die Einverleibung vom König genehmigt. Mit der Einverleibung fand leider auch ein sehr alter und beliebter Brauch "Das Pfingstbier" sein Ende. Dieses nicht allein in der Grünstraße so beliebte Volksfest soll in diesem Jahr wieder neu belebt werden, wozu die Bohrung der Stahlquelle im ehemaligen Gebiet der Grünstraße, nämlich im Rosenthal, durch Begehung eines Brunnenfestes, Veranlassung gibt. Es wird dadurch sogleich auch der neueren Entwicklung der Stadt zum Badeort gedient.
5. Mai
Dr. Spatz
Der bisherige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Spatz verläßt Delitzsch. Er ist als Leiter des Gesundheitsamtes nach Oppeln in Oberschlesien versetzt worden. Sein Nachfolger ist Medizinalrat Kroes von Mörs Reg. Bz. Düsseldorf. Die Kreisärzte führen jetzt die Bezeichnung Amtsarzt.
8. Mai
Kurkonzert
Am Sonntag den 12. Mai findet im "Viktoria Bad" von ¼ bis 5 Uhr nachmittags das erste Kurkonzert statt. In der Folgezeit finden diese Konzerte jeden Sonntag und Mittwoch um diese Zeit abwechselnd am "Viktoria Bad" und im Garten am "Neuen Heiligbrunnen" statt.
21. Mai
"Die Linde"
Vor dem "Gasthof zur grünen Linde" stand einst eine Linde, darüber schreibt der Vater eines früheren Besitzers Wilh. Zeidler aus Schladitz bei Zwochau: "1869, den 23. Mai abends 9 Uhr fing die alte Linde in Delitzsch, vor dem Gasthofe meines Sohnes stehend, an zu brennen. Sie war sehr alt, schien auch einzugehen und innwendig hohl. Wie das Feuer hereingekommen war, wußte man nicht; man sagte, durch die Kinder. Wir gaben uns viel Mühe zu löschen, es gelang uns aber nicht, denn sie brannte nur inwendig. Den anderen Tag darauf ließ sie die Kommune umhauen. Der Gasthof meines Sohnes hatte durch diese Linde den Namen "Gasthof zur grünen Linde" bekommen."
27. Mai
Heimatfest
Am 25. und 26. Mai erlebte Delitzsch ein Heimatfest, wie es ein solches seit Jahrzehnten nicht erlebt hat, ein Heimat- und Brunnenfest, denn mit dem Heimatfest war die Einweihung der neuentdeckten Stahlquelle, dem "Neuen Heiligbrunnen" verbunden. Am Sonnabend mittag waren die Vorbereitungen getroffen. Auf dem Roßplatz waren 20 Fahnenmasten errichtet. Für die Abendbeleuchtung war eine Lichtkette mit 600 Lampen gespannt. Das Heimatfest nahm seinen Anfang am Sonnabend mittag 12 Uhr mit dem Einzug des Türmers auf dem Beiten Turm, während die Stadtsoldaten das Breite Tor besetzten und die Schwedensignale ertönten. Um 15 Uhr fand die Errichtung des Maibaumes der Gemeinde Grünstraße in feierliche Weise statt. Mit Eintritt der Dunkelheit begann die Beleuchtung der Zwingergärten, Bestrahlung der historischen Gebäude gegen 21 Uhr. Konzert, Tanz usw. beschlossen die Sonnabendfestlichkeit. Der Sonntag wurde mit einem Gesangskonzert der Sängervereinigung im Stadtpark eröffnet. Um 10 Uhr wurden die Ehrengäste vom Bürgermeister im Rathaus empfangen. Hierauf ging es im feierlichen Zuge zum Neuen Heiligbrunnen, der nun seine Weihe erhielt. Eine eigens dazu von Musikdirektor Straube komponierte Hymne, deren Text vom Bürgermeister Dr. Baumgardt stammt, wurde vorgetragen, junge Mädchen schmückten den Brunnen mit Tannengebinden. Der Kreisleiter, Landrat und Bürgermeister hielten dabei Ansprachen. Um 16 Uhr begann der Abmarsch des großen historischen Festzuges, der sich durch die Bitterfelder Straße zum Roßplatz und durch das Rosental nach dem Neuen Heiligbrunnen bewegte, wo der Empfang des Herzogs Heinrich durch den "Bürgermeister" stattfand. Von hier ging es weiter: Schulze-Delitzsch-Ring, Pfortenstraße, Marktplatz, Hallesche Straße, Ritterstraße, Holzstraße, Schiefe Brücke, Bismarckstraße, Eisenbahnstraße, Grünstraße, Loberstraße, Bismarckstraße, Kohlstraße, Eilenburger Straße, Bahnhofsplatz, Eilenburger Straße, Roßplatz, Bitterfelder Straße, wo sich der Zug auflöste. Der Festzug mit seinen ca. 60 Gruppen bildete natürlich das größte Interesse. An der Ausgestaltung dieses imposanten Umzuges haben sich alle Handwerksinnungen, die hier ansässige Industrie und das Gewerbe, sämtliche Vereine und Verbände beteiligt. 200 Jahre heimatliche Geschichte sind zu neuem Leben erweckt, an uns vorübergezogen. Da erschienen Landsknechte in den Straßen Delitzsch, Schwedische Dragoner zu Pferde konnten bestaunt werden. Der Herzogszug aus dem Jahre 1735 war nachgebildet worden. Delitzscher Schützen aus dem gleichen Jahre, Bürgergarde des Jahres 1848, Gruppen der alten Armee usw. marschierten mit. Recht interessant war auch die Gruppe "Im Wandel der Zeiten". Hier sahen wir die erste Eisenbahn, die Delitzsch durchfuhr und den Schienenzepp, der unseren Ort in Kürze durchrasen wird naturgetreu nachgebildet. Unsere heimische Schokoladenindustrie führte uns durch schmackhafte Bilder in die Geheimnisse ihrer Künste ein. Alle Innungen waren durch historische Gruppen vertreten.
15. Juni
Sehmisch
Schulrat Sehmisch ist vom 14. Juni ab beurlaubt. Die Vertretung übernimmt währenddessen Kreisschulrat Zinke in Bitterfeld. Ob Schulrat Sehmisch wiederkommt?
20. Juni
Dreimännerweg
Ein Verbindungsweg zwischen der Hindenburg- und Leipziger Straße ist der "Dreimännerweg". Viele kennen ihn nur als "Schulweg". Ein recht nettes Schild auf jeder Seite gibt den Namen "Dreimännerweg" auch bildlich kund. Da sieht man nämlich auf einer Holztafel drei Köpfe, die nur unschwer erraten lassen, warum der alte, liebe Schulweg gerade "Dreimännerweg" genannt wird. Doch ist der Name schon alt, aber jetzt erst nach Neuanlegung des Weges offiziell benannt worden. Der Name stammt aus jenen Jahren der Vorkriegszeit, in denen sich ein Verein zur Aufschließung der Altstadt gegründet hatte. Die rührigsten Mitglieder dieses Vereins waren u.a. Stadtrat Freyberg, Oskar Apitzsch und Zigarrenfabrikant Birke. Unter ihrer Regie sozusagen wurde die Verschönerung der Altstadt begonnen, der Durchbruch an der "Schiefen Brücke" geschaffen und die Brücke gebaut. Auch dieser Verbindungsweg, der an der Mädchenschule vorbeigeht, wurde von ihnen angekauft und trägt seit dieser Zeit im Volksmund den Namen "Drei-Männer-Weg".
22. Juli
Frontkämpfersiedlung
In diesen Tagen erfolgte der erste Spatenstich zu der in Delitzsch geschaffenen ersten Frontkämpfersiedlung des Gaues Halle-Merseburg der Gemeinnützigen Krieger-Siedlung GmbH. Durch besonderes Entgegenkommen des Bürgermeisters in Delitzsch, der ein großes Grundstück guten Bodens an der Halleschen Chaussee in der Nähe des Elektrizitätswerkes der Siedlungs-Genossenschaft zum Preise von 20 Pfg. pro Quadratmeter zur Verfügung gestellt hat, können 42 Kriegssiedlungen geschaffen werden. Jede Siedlungsstelle wird eine Größe von 1250 Quadratmeter haben. Das Haus enthält eine Wohnküche, 2 – 3 Wohnzimmer und bei größerer Kinderzahl auch 4. Im Anbau wurden untergebracht 1 Wirtschaftsraum, der zugleich als Wasch- und Futterküche dienen kann, Speisekammer, Klosett, Ställe für Schweine, Ziegen und Kleinvieh. Durch Amortisation wird das Grundstück in absehbarer Zeit schuldenfrei.
27. Juli
Göpel
Der frühere Polizeikommissar Göpel soll nach nochmaliger Prüfung der Vorgänge, die zu seiner Dienstentlassung geführt haben, wieder als Polizeikommissar aber bei einer anderen Polizeiverwaltung angestellt werden.
28. Juli
Pfarrhäuser
Zwei der Delitzscher Pfarrhäuser befinden sich in einem so schlechten Zustande, daß eine Renovierung nicht mehr lohnend sei. Die Stadt hat nun als Patron der evangelischen Kirche die Pfarrer in entsprechende Häuser unterzubringen. Der Gemeinderat beschäftigte sich nun in seiner Sitzung am 23. Juli mit dem Neubau eines großen Pfarrhauses für zwei Wohnungen. Der Gemeinderat vertrat die Ansicht, daß bei der Höhe des Objektes – es handelt sich bei diesem Neubau um einen Baukostenaufwand von etwa 55.000 RM – die Inanspruchnahme der Stadtgemeinde zu hoch sei. Ein Neubau wurde z.Z. abgelehnt.
21. August
Schulrat Sehmisch tritt Ende September d. J. in den Ruhestand. Er ist 62 Jahr alt und seit dem 1. Dezember 1923 in seinem Amt in Delitzsch. Vorher war er Mittelschulrektor in Merseburg.
2. September
Ehrenmal
Gestern morgen fand die feierliche Einweihung des Ehrenmals für die gefallenen Werkangehörigen des Reichsbahnausbesserungswerks Delitzsch statt. Zu dieser Feier hatten sich die Werkangehörigen, die Hinterbliebenen der Gefallenen, Vertreter der Reichsbahn, Partei und Behörden eingefunden, und um das Ehrenmal, das sich inmitten herrlicher Grün- und Blumenanlagen erhebt, Platz genommen. Das Ehrenmal ist ein mächtiger Findling, der vor längerer Zeit in unserer Gegend gefunden wurde. Jetzt steht er inmitten von blühenden Leben und eine bronzene Platte kündet die Namen der 25 Toten des Reichsbahnausbesserungswerkes. Werkdirektor Petzold hielt die Weiherede, Betriebswalter Müller legte einen riesigen Kranz am Ehrenmal nieder.
11. September
Gemeinderat
Am 8. September fand eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats im Rathaus statt. Es wurde die Hauptsatzung der Stadt Delitzsch beraten. Nach dieser wird die Stelle des Bürgermeisters und des 1. Beigeordneten hauptamtlich verwaltet. Die Zahl der ehrenamtlichen Beigeordneten wurde auf vier festgesetzt, die der Gemeinderäte auf 15. Sie enthält noch Bestimmungen über Bildung von Beiräten und der Verleihung des Titels "Stadtältester".
25. September
Anlagen
Die Kursaison auch für Delitzsch neigt sich nun ihrem Ende zu. Das große Brunnenfest in Delitzsch hat einen starken Widerhall in der Presse Mitteldeutschlands ja sogar in den Berliner Zeitungen gefunden. Die Folge war viel Fremdenbesuch für Delitzsch in diesem Sommerhalbjahr. Die Stahlquelle "Neuer Heiligbrunnen" wird nunmehr mit dem 1. Oktober geschlossen werden. Im Winterhalbjahr ruht der Brunnenbetrieb und wird am 1. April 1936 wieder geöffnet. Inzwischen ist der Brunnenpark durch Ankauf von Nachbargärten erweitert worden. Der Durchbruch durch die Schlossumwallung ist nun auch fertiggestellt. Der Weg ist zur Hälfte bereits angelegt und mit Rasen versehen. Auf die Pflege der Anlagen ist überhaupt im vergangenen Jahr ein ganz besonderes Gewicht gelegt worden. Auch die Vorbereitungen für den neuen Parkteil, den die großzügige Spende des Generaldirektors Böhme der Stadt ermöglicht, ist in vollem Gange. Im nächsten Jahr wird auch dieser neue Parkteil der Öffentlichkeit zugänglich sein.
21. Oktober
Arion
Am Sonnabend den 19. Oktober feierte der Gesangverein "Arion" in Gegenwart mehrerer befreundeter und benachbarter Gesangvereine und vieler Gäste das Fest seines 50jährigen Bestehens. Der Gesangverein "Arion" ist aus dem Turnverein 1845 hervorgegangen. Am 31. Oktober 1885 fanden sich 18 Turner in "Stadt Leipzig" zusammen und gründeten den Verein. Erster Dirigent war Lehrer August Blüthgen (1885 – 1900, von da ab Ehrendirigent bis zu seinem 1922 erfolgten Tod), erster Leiter Bruno Huth. Der Verein erstarkte sehr rasch, das erkannte man, als der Verein 1910 seine 25jährige Gründungsfeier beging und unter Stabführung von Kantor Otto Müller Hervorragendes leistete. Die Dirigenten wechselten leider sehr häufig. Bald nach der Jubelfeier übernahm die Chorleitung Herbert Büchner, ein junger talentierter Chormeister, der 1914 freiwillig ins Feld zog und nicht mehr heimkehrte. In Lehrer Kurt Linde fand der Chor bald einen tüchtigen freisinnigen Chormeister. Nach 10jähriger Tätigkeit legte er wegen Verzugs nach Eisleben den Dirigentenstab nieder. Ihm folgten Paul Kudritzky, dann Heinrich Schröder. Heute leitet den Chor Emil Lang aus Eilenburg.
22. Oktober
Ratsherren
Gestern wurden die neuen Ratsherren, die auf Grund der neuen Gemeindeordnung durch den Beauftragten der NSDAP Kreisleiter Schimpf, berufen worden sind, in ihr Amt eingeführt. Es sind dies:
Stellmacher Arno Moeller
Kaufmann August Telitz
Reichsbahnsekretär P. Haase
Kaufmann Ewald Lange
Kaufmann Adolf Krombholz
Arbeiter Paul Assmann
Bäckermeister Herm. Mechold
Kaufmann Karl Newel
Gastwirt Hermann Boßdorf
Kat. Obersektr. Felix Rauchhaus
Tischlermstr. Franz Hammer
Volkswirt Dr. Fr. Pangert
Kaufmann Karl Platen
Maschinist Willi Steffen
Elektromeister Franz Weber
28. Oktober
Museum
Unser Museum im Schloß hat eine wertvolle Erweiterung erfahren dadurch, daß ein Teil des dritten Stockwerks unterm Dachgeschoß zum Museumsraum ausgebaut worden ist. Dadurch haben die unteren Museumsräume bedeutend gewonnen. Im dritten Stockwerk sind untergebracht: Stadtgeschichte, Waffensammlung, Innungswesen, Bauernkultur und Naturgeschichte unserer Heimat. Spinnräder und Webstuhl sind wieder in Ordnung gebracht. Neu entstanden ist die naturgeschichtliche Abteilung. Hervorzuheben sind die Vogelschutzgeräte, Nisthöhlen, Nistkästen und Winterfütterungsgeräte. Eine schöne Sammlung heimischer Insekten ist vorhanden.
1. November
Fries
Superintendent Fries, der vom Reichsbischof im Januar 1934 von seinen Dienstgeschäften als Superintendent im Disziplinarwege entbunden worden war, wurde im Januar 1935 durch Konsistorialrat Loyke nach Aufhebung der Verordnungen des Reichsbischofs wieder in seine Rechte als Superintendent eingesetzt, aber bis zur Klärung der kirchlichen Lage zunächst beurlaubt. Der Reichsminister hat die Beurlaubung aufgehoben, und Superintendent Fries hat mit dem 1. November wiederum die Superintendenturgeschäfte übernommen.
3. November
Poenicke
Die Firma Poenicke u. Co. hat zur Verschönerung unseres neuen Stadtparks eine ansehnliche Anzahl Ziersträucher gestiftet: 200 Ligustrum, 580 Ziersträucher, 8 Taxus, 6 Pinien.
13. November
Neuer Bürgermeister
Gestern nachmittag fand im Rahmen einer kurzen und schlichten Feier im Sitzungssaale des Rathauses die feierliche Einführung des neuen Bürgermeisters unserer Stadt Pg. Dr. Frey durch Landrat Meister statt. Bekanntlich führte seit dem Ausscheiden des früheren ersten Bürgermeisters Böttcher im Frühjahr 1933 der Zweite Bürgermeister Dr. Baumgardt die Geschäfte der Stadtverwaltung. Nach der neuen Gemeindeordnung gibt es in Zukunft nur noch einen Bürgermeister. Die früheren Zweiten Bürgermeister haben die Amtsbezeichnung 1. Beigeordneter erhalten. Dr. Frey hat also als Bürgermeister die Leitung der Stadtgeschäfte und Dr. Baumgardt ist als 1. Beigeordneter tätig.
18. November
Grünstraße
Nach langen Vorbereitungen ist nun mit dem gestrigen Sonntag der Tag gekommen, wo "die Gemeinde Grünstraße" ihren alten Brauch, um die Dorflinde sich im frohen Treiben zu scharen, wieder aufnehmen konnte. In Anwesenheit nicht nur der "Grünsträßer" sondern vieler Delitzscher fand in feierlicher Form nach 75 Jahren wieder einmal die Pflanzung einer Dorflinde statt. Sie kam auf denselben Platz, auf dem einst die alte Linde gestanden hatte. Der Bürgermeister der Grünstraße Paul hielt eine kurze Ansprache und verlas sodann eine Urkunde, die in einem Behälter in das Pflanzloch gelegt wurde. Gemeinschaftlich wurde sodann von allen Anwesenden das schöne Volkslied "Am Brunnen vor dem Tore" gesungen. Darauf begann die eigentliche Pflanzung der von der Firma Poenicke gestifteten Linde. Schulkinder traten einzeln heran und beteiligten sich an dem Akt, indem sie eine Schaufel Erde in das Baumloch warfen und je einen anderen Sinnspruch aussprachen. Es sprachen dabei noch einige Behördenvertreter. Nach der Pflanzung wurde die Linde noch mit einem Schutzgitter umgeben. Der Abend vereinigte alle Grünstraßer noch einmal mit ihren Freunden zu einem Familienabend im "Lindenhof". Damit war der schöne Tag der Lindenpflanzung abgeschlossen. Er war ein würdiger Ausklang der Heimatfeier 1935, die dieses Jahr in einem selten schönen und reichen Kranze das heimatliche Leben unserer Stadt verschönten.
1936
75 Jahre Feuerwehr
Am 5. Januar beging die Delitzscher Feuerwehr in einer schlichten stimmungsvollen Weise die 75jährige Jubelfeier ihres Bestehens im Schützenhaus in Anwesenheit von Behördenvertreter und vielen Freunden und Bekannten der Wehr. Die Delitzscher Feuerwehr ist aus dem Turnverein 1845 hervorgegangen und wurde am 3. Dezember 1860 von 18 Turnern gegründet. Der erste Führer war Kaufmann August Rathmann. Im Jahr 1865 wurde der Kaufmann Gustav Schulze zum Wehrführer gewählt. Unter Kaufmann Schulze entwickelte sich die Delitzscher Feuerwehr immer mehr zu einer Mustertruppe, wie sie in Städten gleicher Größe kaum nochmals vorhanden war. Im hohen Alter von 77 Jahren legte Branddirektor Gustav Schulze im Jahr 1915 sein Amt in jüngere Hände. Sein Nachfolger war der Kaufmann Friedrich Wilhelm Schulze, der das Amt des Wehrführers bis zu seinem Tode 1925 führte. Da setzte unter der energischen Führung von Branddirektor Mietzsch, der seit 1925 der Wehr bis zum heutigen Tag vorsteht, eine erneute Aufwärtsentwicklung ein. Eine kurze Aufstellung der wichtigsten Neuanschaffungen: 1927 Anschaffung einer Motorspritze und einer Alarmanlage, 1928 Anschaffung eines provisorischen Mannschaftswagens, 1930 Bau eines modernen Gerätehauses, 1935 Erwerb eines modernen Mannschaftswagens.
6. Januar
Delitzscher Loge
Die Delitzscher Loge, die, wie überall von der Regierung geschlossen worden war, wurde vor einigen Wochen der allgemeinen Besichtigung freigegeben. Nach Erlangen ist es die zweite Loge der Welt, die damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Für jeden, der sich mit dem Problem der Loge befaßt, ist es damit möglich, einmal mit eigenen Augen die geheimnisvollen Sitten und Gebräuche der Freimaurer kennenzulernen. Die Delitzscher Loge "Wilhelm zur Liebe und Treue", die sich bekanntlich im "Schwan" befand, wurde in den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet. Zur Zeit ihrer Blüte zählte sie etwa 70 Mitglieder.
15. Januar
Einwohnerzahl
Die Bevölkerungsbewegung von Delitzsch im Jahr 1935 weist ein nicht unerfreuliches Bild auf. Im vergangenen Jahre hat Delitzsch die 17.000–Grenze der Einwohnerzahl überschritten. Während es zu Beginn des Jahres 1934 noch 16.797 Einwohner zählte, nahm es bis zum Beginn 1935 auf 16.951 zu und hatte am 31. Dezember 1935 17.065 Einwohner.
20. Januar
Katholische Gemeinde
Die katholische Gemeinde will ein großes Gotteshaus bauen. Die bisherige kleine Kirche , die in der Elisabethstraße steht, reicht seit langer Zeit nicht mehr aus. Schon vor der Inflationszeit war ein Baufonds gesammelt, der aber den Weg alles Papiergeldes ging. Inzwischen wurde ein neuer Fonds gebildet, so daß er jetzt mit Hilfe eines Zuschusses des Bonifaziusvereins möglich ist, ein großes Gotteshaus, das etwa 350 Sitzplätze haben soll, errichten zu lassen.
15. Februar
Neuer Schulrat
Die seit der Pensionierung des Kreisschulrates Sehmisch freie Stelle des Kreisschulrates für den Kreis Delitzsch hat Rektor Siebert - Kassel, der zum kommissarischen Kreisschulrat ernannt worden ist, erhalten.
8. März
Unfall des Kreisleiters
Gestern gegen 20 Uhr ereignete sich auf der Landstraße Halle – Brehna unweit Carlsfeld ein schwerer Autounfall, bei dem Kreisleiter Hugo Schimpff Delitzsch verletzt wurde. Der Wagen des Kreisleiters, der sich auf einer Dienstfahrt befand, fuhr auf einen Lastwagen auf, den der Führer des Wagens nicht erkennen konnte, da ein entgegenkommender Wagen nicht abgeblendet hatte. Während der Kreisstellenleiter Rinke mit geringfügigen Verletzungen davon kam, mußte Kreisleiter Schimpff dem Krankenhaus Carlsfeld zugeführt werden, wo ein Bruch des Unterkiefers, einer rechtseitigen Rippe und des rechten Knies festgestellt wurde.
21. März
Knabenvolksschule
Konrektor Tonn von der Knabenvolksschule tritt am 31. März wegen Erreichung der Altersgrenze nach 12jähriger Tätigkeit hierselbst, in den Ruhestand. Sein Nachfolger als Konrektor ist Lehrer und Propagandaleiter unserer Ortsgruppe Scholz. Außerdem ist an der hiesigen Knabenvolksschule Lehrer und Kreispresseamtsleiter Köpfel aus Mocherwitz versetzt worden.
25. März
General Märcker-Straße
Die General-Märcker Straße, die jetzt fast vollständig zugebaut worden ist, wird augenblicklich ordnungsmäßig hergerichtet. Die Straße wird einen geschotterten Fahrdamm erhalten und außerdem wird auf der Ostseite ein befestigter Fußweg für die Fußgänger angelegt werden.
30. März
Ruhestand
Mit dem 31. März d. J. treten zwei verdiente Schulmänner von Delitzsch wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand. Es sind dies Rektor Hansjürgens und Gewerbeoberlehrer Hermann Scharruhn. Rektor Hansjürgens ist seit fast 25 Jahren als Leiter der Knabenvolksschule tätig. Gleichzeitig wurde ihm damals die Leitung der gewerblichen und später auch der kaufmännischen Fortbildungsschule übertragen. Bald in den ersten Jahren seiner Tätigkeit richtete er eine Hilfsschule für schwachsinnige Kinder ein, leitete als Regierungskommissar den Aufbau der Höheren Töchterschule zur Mittelschule und erreichte späterhin die Anerkennung der Mittelschule. Aber auch über die Stadtgrenzen hinaus widmete er im schulischen Sinne seine Kräfte. Das Vertrauen seiner Mitbürger wählte ihn in die frühere Stadtverordnetenversammlung, hier war er zeitweilig als Stadtverordnetenvorsteher tätig. Rektor Hansjürgens wird am 1. April in seine ostfriesische Heimat nach Norden zurückkehren, wo er als junger Lehrer seine Arbeit für die deutsche Jugend begonnen hatte. Sein Nachfolger ist Lehrer Richard Sämisch von der Knabenvolksschule. Gewerbeoberlehrer Hermann Scharruhn kam am 1. April 1901 nach Delitzsch. Am 1. Oktober 1910 wurde er an die damalige Fortbildungsschule, jetzige Berufsschule gewählt. Seit 35 Jahren ist er also in Delitzsch tätig und manche Schülergeneration hat er im Laufe dieser langen Jahre heranwachsen sehen. Auch am öffentlichen Leben nahm er regen Anteil. So war er eine Reihe von Jahren Stadtverordneter im früheren Stadtparlament und mehrere Jahre Stadtverordnetenvorsteher. Seinem Einfluß ist das Aufblühen von Delitzsch mit zu danken. Hermann Scharruhn verzieht in seine Jugendheimat den Südharz, wo er auch Heilung von seinem Halsleiden sucht.
30. März
Z I u. Z II
Gestern abend bot sich den Delitzschern ein besonderes Schauspiel. Die beiden Luftschiffe Z I und II überflogen Delitzsch. Langsam kamen die riesigen Leiber dieser beiden stolzen Meisterleistungen deutscher Technik am nächtlichen Himmel heran. Tiefes Surren kündete schon von Weitem ihr kommen. Alles strömte auf die Straßen und Plätze der Stadt. Majestätisch fuhren die beiden Zeppeline über Delitzsch dahin, gespenstisch hoben sich die hellerleuchteten Kabinen von dem nachtdunklen Himmel ab, und märchenhaft leuchtete ein strahlend heller Scheinwerfer von oben zur Erde nieder und bezeichnete den Weg der beiden Luftriesen. Ein noch nie gesehenes phantastisches Schauspiel; diese nächtliche Fahrt der beiden Zeppeline!
12. April
100 Jahre "Stadt Berlin"
Heute kann die Gastwirtschaft "Stadt Berlin" auf ein 100jähriges Bestehen zurückblicken. Schon lange wurde in diesem Hause Bier gebraut und getrunken; denn es ist ein altes Brauerhaus, das wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammt. Wie alte Urkunden beweisen, wurde schon 1818 Bier und Branntwein hier verkauft. Der Magistrat genehmigte jedoch erst am 12. April 1836 die "Errichtung einer Wirtschaft in der damaligen Hintergasse". Drechslermeister Heinrich Ufer war damit der Begründer der Gastwirtschaft und nannte sie "Stadt Berlin". Ufer verkaufte die Wirtschaft weiter an Hartig, dieser an Ehlert, dann kamen Rühlemann und Hesse. Im Jahre 1919 kaufte sie Willi Nagel, der heutige Besitzer.
1. Mai
Neuer Heiligbrunnen
Am 1. Mai wird nun auch die Stahlquelle "Neuer Heiligbrunnen" wieder geöffnet werden. Den ganzen Tag über wird der bekannte Betrieb hier herrschen, indem die "Kurgäste" mit ihren Bechern erscheinen, um das köstliche, heilbringende Naß, das besonders gegen Blutarmut hilft, genießerisch zu schlürfen. Die Delitzscher haben im Neuen Heiligbrunnen einen kostbaren Schatz in unsern Mauern, auf den wir stolz sind. Mag er auch außerhalb unseres Ortes noch nicht genügend gewürdigt werden, wir wissen was wir an unserer Stahlquelle haben. Wir wissen es und nutzen es auch aus.
11. Mai
100 Jahre Geschäft
Auf ein Bestehen von 100 Jahren kann heute am 11. Mai, das Richard Werner'sche Geschäft, Eilenburger Straße 38, zurückblicken. Gegründet wurde es am 11. Mai 1836 durch G. F. Haake, auf dem damaligen Steinweg, der heutigen Eilenburger Straße, also an gleicher Stelle, wo es sich auch heute noch befindet. Von dem ersten Besitzer übernahm sodann 1855 Emil Adolph Gerlach, der die Witwe des Vorgängers heiratete, das Geschäft. Ihm folgte im Jahr 1878 Bruno Siebecke, von dem es 1886 Wilhelm Günther übernahm. Seit 1888 ist Richard Werner Inhaber des Geschäfts.
30. Mai
Der Lober
Der Lober ist in letzter Zeit leider recht verunreinigt worden. In diesem Zusammenhang mußte schon für das Stadtbad an der Elberitzmühle eine neue Wasserversorgung gebaut werden. Jetzt hat man nun am Ehrenbergring einen Filter gebaut, durch den das Wasser durchlaufen muß, ehe es in den Stadtgraben gelangt. Es wird durch die dicke Kiesschicht, die das Wasser erst passieren muß, erreicht, daß alle Unreinlichkeiten des Lobers hier festgehalten werden und nicht mit in den Stadtgraben gelangen. Auf dem Stadtgraben herrscht auch fast wieder reges Leben. Beide Schwanenpaare ziehen mit 4 jungen Schwänen stolz umher. Junge Enten beleben das Wasser; auch schwarze Türkenenten sind inzwischen nicht untätig geblieben. Während eine noch brütet, hat eine andere eine ganze Schar Junge zur Welt gebracht.
12. Juni
Trockenlegung am Schloß
Noch sind die Arbeiten an dem neuen Kurpark, den wir der Stiftung des Generaldirektors Albert Böhme verdanken, nicht vollendet, da wird schon wieder ein neuer Plan zu der Vollendung unserer Grünanlagen um Delitzsch in Angriff genommen. Auf den weiten Flächen vor dem Schloß werden umfangreiche Erdauffüllungen vorgenommen. Erde, die aus dem Erweiterungsbau der Böhme AG stammt, wird dort angefahren und dient dazu, das sumpfige Gelände, das bisher nicht gerade ein Schmuckstück unserer Stadt war, trocken zu legen. Um diese Maßnahme wirksam zu unterstützen, wird der Sumpfgraben zwischen der Allee und dem Schloß kanalisiert. In Zukunft wird sich also an Stelle jener schmutzigen Wasserlachen ein satter grüner Rasenteppich ausdehnen, auf dem einzelne Rosenbeete eine angenehme Abwechslung bilden. Weiter wird das etwa 20 m lange und 4 m hohe Mauerstück wieder hergestellt werden. Neu ist ein besonderer Aufgang in Form einer Treppe von dem Wallgraben zum Schloßgarten vorgesehen. Die Kosten dieser gesamten Neuanlagen werden insgesamt 5.000 RM betragen. Generaldirektor Albert Böhme hat der Stadt die Summe zur Verfügung gestellt und sich damit erneut um das Wohl aller Delitzscher verdient gemacht.
26. Juni
Peter-Pauls Markt
Der Peter Pauls Markt in Delitzsch scheint seine frühere Bedeutung wieder gewonnen zu haben, denn solch Leben und Treiben wie gestern auf dem Peter Pauls Markt hat Delitzsch wohl noch nie gesehen. Dazu das herrliche Sommerwetter. Die Sonne lachte direkt vom Himmel, solche Freude schien ihr das lebhafte Treiben in unserem Städtchen zu machen. An all den vielen Ständen stauten sich die Menschenmassen zu dichten Mauern, auf dem Markt, der Breiten Straße, dem Roßplatz, dem Schützenplatz. Kurz vor 12 gab es ein Drücken und Schieben, die Kinder, noch mit den Schultafeln, waren aus der Schule gekommen und füllten den Platz vor der Kirche. Pünktlich um 12 Uhr gab Eva ihrem Adam den Apfel des Jahres und verführte ihn damit einmal mehr. Händler und Käufer kamen auf ihre Kosten. Auch die Gastwirte und Bratwursthändler machten ein gutes Geschäft. In den Gastwirtschaften wurde bis in die Nacht hinein gejohlt und getanzt. Aber auch die Polizei mußte verschiedentlich eingreifen, das gehörte zum Peter Pauls Markt.
30. Juni
Neue Brücke
Die neue Brücke in unserem Stadtpark, die den alten Teil mit den neuen Kuranlagen verbindet, ist dieser Tage soweit fertig gestellt worden, daß sie dem Verkehr übergeben werden konnte. Hierdurch ist für die Spaziergänger eine weitere Möglichkeit geboten, die Neuanlagen zu bewundern. Besonders der Teich, auf dem sich das junge Schwanenpaar vom vorigen Jahr recht gut eingelebt hat, ist dadurch etwas mehr aus seiner verträumten Stille in den Mittelpunkt des Markts gerückt.
30. Juni
Schulze Delitzsch Liedertafel
Die Schulze Delitzsch Liedertafel beging am Sonnabend und Sonntag ihr 90jähriges Bestehen. Am Sonnabend trafen sich die hiesigen Gesangsvereine und auswärtigen Sänger und Gäste im Schützenhause zu einem Kommers. Der darauffolgende Sonntag galt besonders dem deutschen Liede. Auf den verschiedensten Plätzen im Birkenwäldchen, auf dem Friedhof erscholl das deutsche Lied.
6. Juli
Neue Straßen
Da bei der Vergebung von Reichsdarlehen auch die Stadt Delitzsch im weitesten Maße berücksichtigt worden ist, wird es möglich sein, in nächster Zeit 58 Volkswohnungen zu errichten. Die Häuser sollen in der Muchow- und Fuststraße erbaut werden. Besonders zu begrüßen ist es, daß jedem Mieter ungefähr 300 Quadratmeter Gartenland zusätzlich zu seiner Wohnung zur Verfügung gestellt wird.
25. Juli
Flugzeug
Das größte Verkehrsflugzeug, die dreimotorige Junkersmaschine G38, fliegt täglich über Delitzsch. Sie vermittelt den Passagierflug vom Flughafen Halle-Leipzig nach Berlin. Die G38 überfliegt zweimal am Tage unsere Stadt. Mittag gegen 12 Uhr kann man sie auf ihrem Fluge nach Schkeuditz beobachten, während sie gegen 18 Uhr in Richtung Berlin die Stadt berührt. Jedesmal erregt die große Maschine beim Überfliegen die Aufmerksamkeit aller Bewohner, die staunenden Auges den gewaltigen Luftriesen verfolgen, wie er sicher seine Bahn zieht.
10. August
Lönsstraße
Hinter dem Friedhof an der Grenze der Werbener und Delitzscher Feldmark ist eine neue Straße entstanden, die Lönsstraße. Insgesamt werden dort draußen 53 neue Häuser entstehen und zwar sind insgesamt 5 Einfamilienhäuser und 24 Doppelhäuser vorgesehen. Das erste Einfamilienhaus und 7 Doppelhäuser sind bereits aus dem Erdboden herausgewachsen, das Richtfest hat auch schon stattgefunden und nicht mehr lange wird es dauern, daß sie bezogen werden. Auf den anderen Baustellen sind die Gärten bereits hergerichtet worden, die Gebäude folgen nach.
12. August
von Busse
Am gestrigen Nachmittag starb auf seinem Gute in Zschortau der ehemalige Landrat des Kreises Delitzsch Friedrich von Busse im 78. Lebensjahr. Der Verstorbene übernahm die Geschäfte des Delitzscher Landratsamtes von dem bisherigen Inhaber von Rauchhaupt - Storkwitz im Jahre 1893 und trat am 30. November 1916 in den erbetenen Ruhestand. Seine Wirksamkeit im Kreise war von großem Segen. Seine besondere Fürsorge galt der Landwirtschaft und dem Feuerlöschwesen des Kreises. Die Verdienste als Verwaltungsbeamter wurden dadurch anerkannt, daß ihm der Titel eines Geheimen Regierungsrats verliehen wurde.
19. August
Roßplatz
Seit Dezember vorigen Jahres steht nach dem damaligen großen Verkehrsunfall nur ein provisorischer Lichtmast mit ganz kleinen nur sehr schwer leserlichen Richtungstafeln auf dem Roßplatz. Jetzt wird dieser Übelstand behoben und wieder ein großer eiserner Lichtmast aufgestellt werden. Gleichzeitig ist Vorsorge getroffen worden, daß auch große weithin sichtbare Richtungsschilder an die Kreuzung kommen.
31. August
Stephani
Gestern nachmittag verstarb nach längerer Krankheit Polizeikommissar i. R. August Stephani 1864 im Fürstentum Schwarzburg - Sondershausen geboren, war er von 1884 bis 1897 Soldat und trat 1897 als Polizeisekretär in den Dienst der Stadt Delitzsch. Während seiner langen Tätigkeit hierselbst hat er sich durch sein verbindliches Wesen einen großen Freundeskreis erworben. Nach der Versetzung in den wohlverdienten Ruhestand blieb er in Delitzsch, das ihm zweite Heimat geworden war.
9. September
Neue Straßen
Die neuen Straßen zwischen Dübener Straße und Werbener Weg erhalten folgende Bezeichnung: a) östlich der Lönsstraße: Dietrich Eckertstraße; b) westlich der Freesestraße; Gorch Fockstraße; c) an Bäckerei Schöne: Walter Flex-Straße.
14. September
Neubau der kath. Kirche
Die katholische Kirche bekommt ein neues Gotteshaus. Schon seit Jahrzehnten erwies sich das Gotteshaus an der Elisabethstraße als zu klein, jedoch Krieg und Inflation verhinderten die Ausführung eines Neubaues. Durch Bereitstellung namhafter Mittel von seiten des Bonifaciusvereins in Paderborn konnte jetzt endlich ein lang gehegter Wunsch der Delitzscher Katholiken in Erfüllung gehen. Nachdem die Verhandlungen mit den kirchlichen und weltlichen Behörden, die seit Jahresbeginn gepflogen wurden, glücklich zum Abschluß gebracht waren, konnte am 21. Juni mit der Vorbereitung des Baugeländes begonnen werden. Am 16. August erfolgte dann in einer schlichten Feier der erste Spatenstich, der die Ausschachtungsarbeiten einleitete. Gleichzeitig mit dem Neubau der Kirche sollen auch die Räume der katholischen Kirche durch Umbau des Pfarrhauses erweitert werden. Der Entwurf der neuen Marienkirche stammt von dem Architekten Reuter - Bitterfeld. Die Maurerarbeiten für den Neubau der Kirche wurden der Firma Albert Metzner, die des Umbaues dem Maurermeister Martin Zschernitz übertragen. Auch für Ausführung der sonstigen Arbeiten ist grundsätzlich das orts- bezw. kreisansässige Handwerk herangezogen worden. Am letzten Sonntag nachmittag 3 Uhr erhielt der Grundstein seine kirchliche Weihe.
26. September
Umbenennung
In der gestrigen Sitzung der Ratsherren wurden auf Antrag vom Ortsgruppenleiter Koch die Namen Kaiser-Wilhelm-Ring und Auguste-Viktoria-Ring in Adolf-Hitler-Ring umbenannt. Dem Adolf-Hitler-Platz wird dafür der Name General Litzmann-Platz gegeben.
30. September
Kleinbahn
Delitzsch Stadt bekommt eine Haltestelle der Kleinbahn. Wer bisher die Kleinbahn zur Fahrt aufs Land benutzen wollte, mußte zum Bahnhof Delitzsch West bis Gertitz wandern oder aber den Autobus bis zum Bahnhof benutzen. Nun ist zwischen dem Berliner und Sorauer Bahnhof für die Kleinbahn eine Haltestelle errichtet worden. Sie besteht in einer netten kleinen Wartehalle, die den Reisenden bei Wetterunbilden genügend Schutz gewährt und den Bau eines Bahnsteiges, der den Reisenden ein leichtes Einsteigen in den Zug ermöglicht. So kommt jetzt die Kleinbahn bis an diese neu geschaffene Haltestelle "Delitzsch Stadt" gefahren.
7. Oktober
Neue Siedlung
Eine neue Gemeinschaftssiedlung beginnt in kürzester Zeit an der Sekuriusstraße hinter dem Schützenhof und zwar zunächst parallel zu dem Weg nach dem Kosebruch. Zur Ausführung gelangen hier 32 Siedlerstellen in Gestalt von 24 Doppelhäusern und 8 Einzelhäusern. Das soll der erste Bauabschnitt sein. Sobald sich genug Siedler gemeldet haben, wird auch der zweite Bauabschnitt daselbst getätigt.
27. Oktober
Roßplatz
Der neue Lichtmast mit entsprechenden Richtungsschildern ist gestern auf dem Roßplatz aufgestellt worden. Weithin sichtbar und sofort ins Auge fallend werden nunmehr die neuen Wegweiser dort leuchten, und es wird in Zukunft wesendlich für die Verkehrssicherheit an dieser Ecke beitragen, daß fremde Kraftfahrer nun nicht mehr lange anhalten müssen, um sich nach dem Weg zu erkundigen – um schließlich doch noch falsch zu fahren. Man darf sogar behaupten, daß dieser Mast eine Verschönerung unseres Straßenbildes darstellt. Denn mit dem alten behelfsmäßigen Holzphahl und den kleinen unscheinbaren Täfelchen konnte unsere Stadt Delitzsch keine große Ehre einlegen.
28. Oktober
Muchowstraße
In der Muchowstraße ist in diesen Tagen mit den Ausschachtungsarbeiten für den vor einiger Zeit geplanten Bau von 60 Volkswohnungen begonnen. Die Häuser sollen in diesem Jahr noch bis zum Rohbau fertiggestellt werden.
29. Oktober
Kath. Kirche
Der Bau der neuen katholischen Marienkirche schreitet rüstig vorwärts. Gestern schwebte hoch oben am Turm der Richtekranz; das Richtfest wurde gefeiert. Als gestern die Uhren der Stadt die fünfte Nachmittagsstunde verkündet hatten, trafen sich Meister und Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge, kurz, alle Handwerker, die an dem Bau der Marienkirche beteiligt sind. In dem früheren Kirchengebäude, das jetzt bereits zur Schule umgebaut ist, und deren Räume bereits zum Teil vor der Vollendung stehen, waren lange Tafeln aufgebaut, um die frohe Festgemeinde zu bewirten. Pfarrer Schlinckert hielt hier eine Ansprache.
3. November
Neuer Amtsarzt / Landratsamt
Der bisherige stellvertretende Amtsarzt Medizinalrat Dr. Kroes ist am 1. November 1936 nach Glatz in Schlesien versetzt worden. Die Amtsarztstelle in Delitzsch ist bisherigen Amtsarzt in Siegen in Westfalen, Medizinalrat Dr. Schulte, übertragen worden. Regierungsassessor Franz aus Breslau wurde mit Wirkung vom 1. November an das Landratsamt Delitzsch überwiesen als Mitarbeiter und Vertreter für Landrat Meister.
14. November
Frontkämpfersiedlung
Die städtische Bauverwaltung führt dieser Tage draußen in der Frontkämpfersiedlung umfangreiche Straßenbefestigungen durch. Die Fahrbahn wird mit Schotter ausgefüllt, der von der Dampfwalze festgedrückt wird, so daß auch diese Straße am äußersten Ende der Stadt nun in einen verkehrsmäßigen Zustand gebracht wird. Weiter ist man dabei, am oberen Ende der Siedlung einen freundlichen Schmuckplatz anzulegen, der selbstverständlich erst im kommenden Sommer zur Geltung kommen wird.
16. November
Elberitzbrücke
Gestern morgen wurde mit den Vorarbeiten für den Bau einer Brücke über den Lober an der "Elberitzmühle" begonnen und zwar wird damit ein Übergang über den dort ziemlich breiten Lober geschaffen, der eine Verbindung zwischen dem städtischen Bad und der gegenüberliegenden Wiese herstellen soll. Diese Wiese soll für die Badenden als Liegewiese dienen.
3. Dezember
50 Jahre Carl Gräfe
Das altbekannte Pelzwaren-, Hut-, Mützen- und Damenputzgeschäft Carl Gräfe in der Eilenburger Straße begeht heute am 3. Dezember die Feier seines 50jährigen Bestehens. Kürschnermeister Carl Gräfe sen. gründete das Geschäft am 3. Dezember 1886. Aus kleinsten Anfängen hat er es durch unermüdlichen Fleiß zu Ansehen gebracht. Nach seinem Tode übernahm Carl Gräfe jun., der bis dahin schon seit 18 Jahren im Hause des Vaters tätig war, am 1. Januar 1934 das Geschäft.
19. Dezember
Glocken für kath. Kirche
Heute trafen die neuen Glocken für die katholische Kirche auf dem Bahnhof ein. Sie wurden unter großer Beteiligung der Gemeindemitglieder abgeholt und in der Kirche provisorisch aufgehängt, um am morgigen Sonntag ihre Weihe zu erhalten. Sie stammen aus der Glockengießerei Humpert in Brilon, Westfalen. Sie weisen die Töne fis-a-h auf, mit dem das "Te Deum laudamus" beginnt. Nach dem Gutachten des Glockensachverständigen, des Direktors des Paderborner Domchors Professor Schauerte, stellt das Geläut eine ausgezeichnete Leistung der Briloner Glockengießerei dar.
1937
Delitzsch 300 Jahre
Es soll hier kurz ein Rückblick auf das Wirtschaftsleben von der Stadt Delitzsch bis zu der Zeit vor dreihundert Jahren gegeben werden. Delitzsch war in früheren Jahrhunderten besonders wegen seines Bieres bekannt. Sein Bier "der Kuhschwanz" hat sich weit und breit einen gewissen Namen gemacht schon um 1600. Die Stadt behielt diesen Ruhm als Bierstadt bis ins 19. Jahrhundert. Der Geograph Büsching verkündet um 1755 von "Delitzsch" auch noch "Es werden hier viele wollene Strümpfe gestrickt". Aber schon um 1810 ist aus der schlichten Strumpfstrickerei eine "Strumpffabrikation" geworden. Damals hatte Delitzsch 2600 Einwohner. Nach wie vor blühte die Bierbrauerei, daneben aber auch der Ackerbau. Ausgangs der Biedermeierzeit, etwa um 1840, zählte Delitzsch 4500 Seelen und hatte Strumpf- und Tuchfabrikation, stark besuchte Jahrmärkte, drei Tabakfabriken und eine Buchdruckerei. In der Folgezeit bleibt Delitzsch in der Einwohnerzahl hinter Eilenburg zurück. Diese Stadt hatte damals 8000 Bewohner während Delitzsch nur 7600 Köpfe zählte. Das Wirtschaftsleben in Delitzsch blühte weiter auf. Am Anfang des 20. Jahrhunderts, also kurz vor dem Weltkrieg, hatte die Stadt 13500 Einwohner. Folgende Gegenstände und Waren wurden hier gefertigt: Asphalt, Dachpappe, Zementwaren, Chemikalien, Schokolade, Zigarren und Zigaretten, Fruchtsäfte, Gewehrpfröpfe, Häcksel, Likör, Maschinen, Melassefutter, Orgeln, Seife, Tabak und Zuckerwaren. Nach dem Kriege hat sich das wirtschaftliche Bild der Stadt etwas verändert. Delitzsch hat nun 12026 Köpfe und weist neben seinen bekannten Eisenbahnwerkstätten besonders auf seine Schuhfabrikation und den Gartenbau und den sonst schon bekannten Dingen hin. Nach der letzten bekannt gewordenen Zahl ist Delitzsch auf über 17000 Seelen angewachsen, und es werden auch das Eisenmoorbad, die Stahlquelle, ferner die Herstellung von Zucker, Schokolade, Zigarren und Schuhen aufgeführt. So hat sich Delitzsch von vor hundert Jahren nach etwas über 2000 Einwohner, heute fast neunfach vergrößert, was wirklich ein ganz achtbarer Aufschwung ist.
9. Januar
Böhme A.G.
Die "Böhme A.G." hat ihren Jahresabschluß 1936 veröffentlicht. Bei insgesamt 2.419.000 Mill. RM Roheinnahmen betrugen Löhne und Gehälter 1.116.000 Mill. RM, Steuern 0,218 Mill. RM und sonstige Aufwendungen 0,372 Mill. RM. Verteilt wurden wieder 12 Prozent Dividende. Die Gefolgschaft erhält eine Sondervergütung von 18000 RM, 12000 RM werden dem Wohlfahrtsfonds überwiesen und 180.230 RM gelangen zum Vortrag.
10. Januar
Volkswohnungen
Die Stadt plant den Bau von 80 Volkswohnungen, nachdem erst kürzlich 40 neue Häuser in Angriff genommen worden sind und 20 weitere genehmigt wurden mit deren Arbeiten am Ende dieses Monats begonnen werden soll. Auch die neuen Häuser werden in der Art wie die bisherigen gehalten werden und dienen dazu, den immer noch bestehenden Wohnungsmangel, vor allem an kleinen und billigen Wohnungen zu beheben. Die Häuser sollen z.T. an der Eilenburger Chaussee, z.T. an der Muchowstraße errichtet werden. Die Mittel für die Bauten sind bereits sichergestellt.
3. Februar
Walter Lobenstein
Dem Lehrer Walter Lobenstein von der hiesigen Knabenvolksschule wurde vom Reichspatentamt ein Apparat, der die Streichholzschachtel ersetzt, gesetzlich geschützt. Der Erfinder hat sich dabei zur Aufgabe gemacht, uns der gefährlichsten Brandstiftungsmittel, die Streichholzschachtel, zu ersetzen. Es handelt sich dabei um eine Zündvorrichtung, die an Ösen und anderen Feuerstellen fest angebracht werden kann, und die sich bisher als ausgezeichnet funktionierend erwiesen hat.
9. Februar
Kanalisation
Die Kanalisationsarbeiten in der Beerendorfer Straße sind nun zu Ende geführt, seit der Herstellung eines 600 Meter langen Schmutzwasserkanals in der Damaschkestraße, der seit vielen Jahren vorgesehen ist, ist begonnen worden.
12. Februar
Letzte Scheune Bismarckstraße
In der Bismarckstraße ist es endlich so weit, daß die letzte Scheune verschwindet, nämlich Ecke Kohl- und Bismarckstraße, um einem geräumigen Familienhaus Platz zu machen.
9. März
Vereinsbank
Die Delitzscher Vereinsbank hat im verflossenen Geschäftsjahr 1936 bilanzmäßig sich ganz bedeutend entwickelt. Die Bilanzsumme stellt mit 1.087.000 RM die Höchstzahl dar, die seit Bestehen der Bank erreicht wurde und hat nun zum erstenmal die Millionengrenze überschritten. Auch der Einlagenzuwachs ist um annähernd 200.000 Mark gestiegen. Alles in allem zeigt die Bilanz ein sehr erfreuliches Bild, so daß den Mitgliedern 4 Prozent Dividende gewährt werden können.
16. März
Haushaltsplan
Der Haushaltsplan der Stadtverwaltung von 1937 sieht zahlreiche Instandsetzungsarbeiten auf den Straßen und in den Schulen vor. Die Seminarturnhalle wird innen erneuert. In der Jahn-Turnhalle wird das Hallendach ausgebessert und im Eingang wird ein freier Raum rechts und links zu Umkleideräumen angebaut, und es werden Waschgelegenheiten für Hände und Füße geschaffen. In den Schulen der Stadt werden eine ganze Reihe von Instandsetzungsarbeiten in Angriff genommen. Da der "Lindenhof" in den Besitz der Stadt übergegangen ist, wird dort eine Umgestaltung vorgenommen. Die Schankräume werden vollständig erneuert. Der Hitlerjugendbann von Delitzsch wird im Schloß untergebracht. Etwa zehn größere und kleinere Räume werden dazu in Ordnung gebracht.
18. März
Werkschule
Aus der einst in Delitzsch gegründeten landwirtschaftlichen Winterschule ist eine Bäuerliche Werkschule geworden. Nach einem arbeitsreichen Wintersemester fand gestern abend für Schüler und Schülerinnen im "Schützenhaus" ein Abschiedsabend mit Lehrern und Gästen statt. Unter den Gästen waren Pg. Kreisleiter Schimpff, Ortsgruppenleiter Pg. Koch, Vertreter der Bauernschaft sowie der Lehrkörper der Bäuerlichen Werkschule mit Landschaftsrat Direktor Schöne an der Spitze. Dann bot sich ein farbenfrohes Bild den Augen der Gäste. Da waren die Mädel der weiblichen Abteilung in ihren bunten Leinen oder bedruckten Kleidern, die männliche Jugend in schlichten weißen Sporthemd und schwarzer Hose. Gemeinsame Rundtänze und Volkstanzvorführungen der Mädel wechselten in bunter Folge einander ab. Die Mädchenabteilung zeigte noch eine Schau von Handarbeiten, die während der Schulzeit fertiggestellt sind.
1. April
Schwäne
Während unter den Schwänen unseres Stadtgrabens wieder ein starkes Absterben zu bemerken ist, haben wir unsere Freude an dem lustigen Treiben der verschiedenartigen Enten unsers Stadtgrabens. Seit heute vormittag können wir auf dem Stadtgraben eine neue Entenart sehen, die sich unter den Türken- und Stockenten jedoch ganz wohl zu fühlen scheinen. Es handelt sich um eine sehr hübsche Spielart, die goldbrüstige Bartente.
14. April
Költzsch
Stadtobersekretär Richard Költzsch konnte am 1. April auf eine 35jährige Tätigkeit bei der Stadtverwaltung zurückblicken. Für den dienstlich verhinderten Bürgermeister beglückwünschte Stadtrat und Ortsgruppenleiter Pg. Koch den Jubilar und wünschte ihm weiterhin, noch viele Jahre im Dienste der Stadtverwaltung zu arbeiten. Költzsch ist als Standesbeamter den Volksgenossen von Delitzsch und seinen Berufskameraden im Kreise durch sein freundliches Entgegenkommen und seine Hilfsbereitschaft genugsam bekannt. Nebenbei ist er Leiter des städtischen Archives und als solcher ein guter Kenner und Freund unserer Stadtgeschichte.
19. April
Stadtbauräte
Am Freitag den 16. April hatten sich die Gemeinderäte der Stadt im Sitzungssaal des Rathauses zu einer nichtöffentlichen Sitzung unter der Leitung von Bürgermeister Pg. Dr. Frey versammelt. Auf der Tagesordnung stand die Berufung von Beiräten für die verschiedensten Arbeitsgebiete in der Stadtverwaltung, die auf Grund der deutschen Gemeindeordnung in allen Städten ihre beratende und unterstützende Mitarbeit an der Seite des Bürgermeisters durchführen werden. Diese Beiräte können außer den Ratsherren auch andere fachkundige Personen sein und sollen sich möglichst auf einen recht breiten Kreis von Volksgenossen erstrecken. Im Gegensatz zur Berufung der Ratsherren geschieht die Bestellung der Beiräte unter alleiniger Verantwortung des Bürgermeisters. Der Bürgermeister hat für folgende Abteilungen der Stadtverwaltung die Beiräte berufen:
Finanzielle Angelegenheiten einschl. Stiftungen
Kulturwesen
Städtische Bauangelegenheiten und Ländereien
Feuerlöschwesen
Anlagen, Forst, Friedhof
Fürsorgewesen, Krankenhausverwaltung
Verkehrs- und Beleuchtungsangelegenheiten
Wasserwerksangelegenheiten
Berufsschule
20. April
Polizeimeister Faust
Der bisherige Polizeimeister Faust bei der hiesigen Polizei wurde am heutigen Tage zum Polizeikommissar befördert.
25. April
Früheres Botenwesen
Das städtische Botenwesen stand einst in hoher Blüte, war es doch Jahrhunderte hindurch die zuverlässigste Einrichtung, Nachrichten nach auswärts zu vermitteln oder von dort zu empfangen. Einzelne Boten richteten sogar nach Orten mit lebhaften Verkehr regelmäßige Botengänge ein, die sie zunächst zu Fuß und später, wenn es sich lohnte, mit Pferd und Wagen ausführten, wobei sie dann auch gelegentlich Personen mitbeförderten. Das Hauptziel aller dieser Stadtboten in unserer Gegend war Leipzig, das als bedeutende Handelsstadt Mittelpunkt des mitteldeutschen Verkehrs schon in vergangenen Jahrhunderten gewesen ist. Die aus den verschiedenen Städten – so auch aus Delitzsch – nach Leipzig kommenden Boten hatten ihre bestimmten Botenherbergen, wo sie ständig verkehrten. Jedermann, der Nachrichten zu erwarten oder mitzugeben hatte, konnte sich hiernach richten. Nach einer Aufstellung von Ende August 1696 kamen 47 Boten regelmäßig nach Leipzig. Der Bote aus Delitzsch kam regelmäßig mindestens einmal wöchentlich nach Leipzig, mitunter aber auch nach Dresden; als solcher wird um 1655 der Delitzscher Bürger Lorenz Löbner genannt. Die Postkutsche schränkte dann das Botenwesen ein. Noch aber mußte viel Zeit ins Land gehen, bis der Weg von der Post über Eisenbahn und Automobil zum Flugzeug frei war!
30. April
Maibaum
Gestern nachmittag wurde unser Delitzscher Maibaum in die Stadt feierlich eingeholt. Für jung und alt war dies eine frohe Stunde und die Straßen, durch die der Baum geleitet wurde, war dicht besetzt mit Volksgenossen aller Stände. An der Stadtgrenze nahm die Jugend, begleitet von einer Abordnung der Politischen Leiter, mit ihrer Fahne den Baum in Empfang und unter Vorantritt der Bannkapelle der H.J. ging der festliche Zug durch die Straßen. Mit jungem Maigrün geschmückt zog die schlanke Kiefer ein, um am Festtag der Nation, am 1. Mai, ihren Platz auf dem Maifeld, dem "Schützenhaus" Platz einzunehmen.
12. Mai
Jahn-Turnhalle
Die Arbeiten in der Jahn-Turnhalle sind nunmehr beendet und der Turnbetrieb konnte wieder aufgenommen werden. Die Halle präsentiert sich jetzt im neuen Gewande. Durch die nach außen verlegte Tür betritt man zunächst den Umkleideraum mit Waschgelegenheiten. Sämtliche Kleiderhaken, die früher in der Turnhalle an allen beliebigen Stellen angebracht waren, sind in diesen Vorraum gekommen, der vorerst in drei Kabinen geteilt ist und in Zukunft noch eine weitere dazu erhalten soll. Die Halle selbst hat einen vollkommen neuen Fußboden erhalten und zwar einen Parkettboden aus Buche. Wände und Decken sind mit einem neuen hellen Anstrich versehen. Für die Fenster sind Drahtglasscheiben eingesetzt. Geplant ist des weiteren der Anbau eines Geräteraumes und auch einer Hausmeisterwohnung. Unsere Turner können sich jetzt glücklich schätzen, eine solche vorbildliche Turnhalle für ihren Übungsbetrieb zu haben.
31. Mai
Verkehrsunglück
In der Nacht zum heutigen Montag ereignete sich am Roßplatz ein schweres Verkehrsunglück, das ein Todesopfer forderte, während ein zweiter Beteiligter schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Um 0.55 Uhr kam ein Lastzug am Roßplatz aus der Bitterfelder Straße und befand sich bereits mitten auf der Kreuzung, als aus der Eilenburger Straße plötzlich ein Motorradfahrer auftauchte, der mit voller Wucht gegen den vorderen Teil des Fahrzeuges aufprallte. Der Fahrer des Motorrades wurde schwer verletzt und sein Beifahrer Siegfried Rast aus der Badergasse erlag seinen Verletzungen unmittelbar nach dem Zusammenstoß.
4. Juni
Wölfert / Winkler
Vom 1. Juli 1937 ab wird Amtsgerichtsrat Dr. Wölfert aus Staßfurt an Stelle des verstorbenen Amtsgerichtsrats Rother nach Delitzsch versetzt. Amtsrichter Winkler Delitzsch ist zum Amtsgerichtsrat befördert worden.
8. Juni
Neue Siedlungen
Delitzsch wächst in die Weite. Rings um das Weichbild der Stadt entstehen neue Siedlungen. Gestern wurde das Gelände an der Sekuriusstraße zur Bebauung freigegeben. Es werden hier unter Mitwirkung der Mitteldeutschen Heimstätte zunächst 23 Siedlerstellen geschaffen und zwar 9 Doppelhäuser und 5 Einfamilienhäuser. In den nächsten Wochen wird hier ein lebhaftes Treiben sein, denn jeder Siedler soll an seinem Eigenheim mitwirken. Das wird zumeist in den Abendstunden nach der Tagesarbeit des Einzelnen sein können.
9. Juni
Neuer Werkdirektor
Das Reichsbahnausbesserungswerk hat einen neuen Werkdirektor erhalten. Es ist der Oberbaurat Schwager, der bisher die Leitung des Reichsbahn-Ausbesserungswerkes Krefeld – Oppum, hatte. Zur Begrüßung hatten sich gestern nachmittag die gesamte Gefolgschaft auf der großen Schiebebühne des RAW versammelt. Der neue Werkdirektor richtete herzliche Worte an die Gefolgschaft. Für den Betrieb sprachen dann noch der Vertrauensmann der Beamtenschaft im hiesigen Reichsbahn-Ausbesserungswerk, Werkmeister Krebs und der Betriebsobmann Müller.
10. Juni
Wimpfer
Mit Wirkung vom 1. Juni ist Oberregierungsrat Vaupel nach dem Finanzamt in Offenburg (Baden) versetzt worden. Seine hiesige Stelle nimmt der bisherige Vorsteher des dortigen Finanzamtes, Oberregierungsrat Wimpfer, ein.
23. Juni
Alb. Böhme Park
In dem neugeschaffenen Albert Böhme Park, der zwischen Stadtpark und Dietzepark liegt, wurde gestern die vom Bildhauer Brumme – Leipzig gefertigte Denkmalgruppe "Genesung" aufgestellt. Dies besondere Ereignis hatte eine Menge Schaulustiger angelockt. Die Einweihung findet in kurzer Zeit statt.
2. Juli
Das Wellblechhäuschen am Breiten Turm
Jenes bekannte Wellblechhäuschen am Breiten Turm hat aufgehört zu existieren. Nichts kündet mehr von seiner ehemaligen Anwesenheit. Der alte Standort ist planiert worden und anstelle der unschönen Bude ist eine moderne und hygienisch einwandfreie Bedürfnisanstalt errichtet worden, die nach den gleichen Gesichtspunkten wie ähnliche Einrichtungen in Großstädten erbaut worden ist. Das Häuschen ist in die Böschung am Stadtgraben eingebaut, so dass es kaum unschön wirken kann. Dabei hat man gleichzeitig vom Adolf-Hitler-Ring eine Treppe in die Böschung gebaut, und auch den Abhang der Promenade am Stadtgraben, der bisher steil und unwegsam abfiel mit Stufen versehen und gepflastert.
5. Juli
Das Volks- und Heimatfest
Am 3. und 4. Juli fand in Delitzsch ein Volks- und Heimatfest statt. Das Fest begann am Sonnabend mit einem Fackelumzug der Jugend durch die Straßen der Stadt. Inzwischen hatte die Festbeleuchtung der Stadt eingesetzt, eine allgemeine Illumination und eine wogende Menschenmenge durchzog die Straßen. In der Eilenburger- und Breiten Straße war kaum durchzukommen vor Menschen. Längs des Stadtgrabens, am Breiten Turm angefangen bis weit hinauf zum Hallischen Turm, zog sich das Lichterband. Auch in den Zwingergärten, in den Anlagen bei der Badeanstalt eine gleiche liebevolle Ausgestaltung in Licht und Dunkel. Eine selten schöne Illumination konnte man wieder Kurtzhalßchen Garten sehen. Geschmackvoll waren die Hunderte von Lichtern aufgestellt, und bewundernd stauten sich die Menschen am Ufer des Stadtgrabens. In den Parkanlagen des Viktoriabades war Konzert und im Rosengarten sangen unsere Delitzscher Sänger ernste und heitere Lieder. Der eigentliche Festtag aber war der Sonntag, der 4. Juli. Strahlend blauer Himmel stand über der Stadt, als gegen 6 Uhr die Spielmannszüge der Formationen durch die Straßen zogen. Der Sonntagmorgen gehörte fast ausschließlich den Sportlern. Gegen 8 Uhr zog man entweder in das Elbritzbad oder auf den Sportplatz der Concorden oder auf die Tennisplätze am Schloß, wo die ersten sportlichen Veranstaltungen unseres Heimatfestes abgewickelt wurden. Dann ging man zum Roßplatz, wo bereits die Vorbereitungen zum Großstaffellauf um die Altstadt getroffen wurden. Im Anschluß daran nahm der Bürgermeister Dr. Frey auf dem Roßplatz die Siegerehrung vor. Den ganzen Vormittag war der Breite Turm zur Besichtigung freigegeben. Gar viele nahmen die Gelegenheit war, von der Höhe des Breiten Turmes die schöne Aussicht über die Stadt und die Umgegend zu genießen. Des Türmers Töchterlein begrüßt uns oben im Turmzimmer und zeigt uns die Räume hoch unter dem Spitzgiebel. Unten am Breiten Turm haben sich viele Delitzscher versammelt, die sehen wollen, wie die Stadtwache aufzieht und hören wollen, wenn die Schwedensignale geblasen werden. In diesem Augenblicke öffnet sich die schmale Tür und des Türmers Töchterlein tritt heraus, in alter Tracht, mit langen, hellblonden Zöpfen, auf dem gescheitelten Haar keck das Häubchen. Die Stadtwache zieht auf! Zwölf Männer sind es, die eben die Breite Straße heraufziehen in den alten Uniformen mit den Silber glänzenden Sturmhauben, mit Hellebarden und dem Säbel an der Seite, mit dem kampferprobten Vorderlader, in gleichmäßig grünen Hosen und den weißen Spitzenkragen auf dem grünen und blauen Wams. Um die große Trommel ziehen sich Tücher in den blaugelben Stadtfarben. Nach einem kurzen Marsch durch die Stadt kommt die Wache zum Breiten Turm wieder zurückgezogen. Ein Kommando läßt den Trupp halten, - des Türmers blondes Töchterlein hat die alten Haudegen, die zu ihrem und der Bürger Schutz aufmarschiert sind, empfangen, - die erste Wache zieht auf. Vor der Tür des Breiten Turmes steht sie nun und neben ihr auf einer Bank sitzen ihre Kameraden. Strahlender Sonnenschein lag über unserem festlich geschmückten Delitzsch als sich die Menge, von allen Seiten kommend, auf den Weg zum Neuen Park machte, und dort den Höhepunkt, den schönsten und erhebensten Teil unseres Heimatfestes – die Übergabe und Weihe der Brunnenfigur "Die Genesung" mit zu erleben. Eine große Menschenmenge hatte um die noch verhüllte Brunnenfigur Aufstellung genommen. Die Musik setzt mit Wagner'sche Musik ein "Aufzug der Zünfte auf der Festwiese". In den sonnigen Tag hinein klingt Beethovens "Die Himmel rühmen ......" vom Chor und Orchester der Delitzscher Sängervereinigung und der Kreisstabskapelle. Darauf spricht Bürgermeister Dr. Frey. Er weist in seiner Rede hin auf das Heimatfest vor zwei Jahren und erklärt, daß das heutige Heimatfest nur eine Fortsetzung des damals begonnenen Brunnenfestes ist und nur der Nationalsozialismus imstande ist, solche Heimatfeste zu veranstalten. Für die Stadt Delitzsch ist aber außerdem noch ein besonderer Anlaß vorhanden, den heutigen Tag freudig zu feiern. Heute stehen wir an dieser Stelle, um als sichtbaren Abschluß der vor zwei Jahren der Stadt Delitzsch zugewendeten Stiftung die Weihe der Brunnenfigur "Genesung" und des "Neuen Parkes" vorzunehmen. Allen ist ja die hochherzige, großzügige Stiftung des Generaldirektors Albert Böhme bekannt. Generaldirektor Albert Böhme hat seine Verbundenheit mit der Stadt schon in vielen Fällen zum Ausdruck gebracht. Voller Dankbarkeit erinnern wir uns der zahlreichen Stiftungen, die den Ring der Grünanlagen schließen und schöner gestalten helfen. Im Namen der Delitzscher Einwohnerschaft spricht er Generaldirektor Albert Böhme herzlichsten Dank aus. Darauf hielt der Künstler der Brunnenfigur, Bildhauer Brumme - Leipzig eine kurze Ansprache und übergab die Denkmalsgruppe dem Vertreter der Stadt, Bürgermeister Dr. Frey, der sie dann enthüllen ließ. Begeisterter Beifall klingt von allen denen auf, die die Brunnenfigur jetzt bewundern dürfen. Chor und Orchester lösen noch einmal einander ab und darauf erklingen die Lieder der Nation und beenden die Feierstunde, die für eine ganze Stadt eine besondere Bedeutung besaß.
26. Juli
Brieftauben
An dem Brieftaubenwettflug der Provinz Sachsen, der in diesem Jahre von England aus erfolgte nahmen auch 19 Brieftauben aus Delitzsch teil. Drei Tage dauerte die Reise nach Southampton, wo am Sonntagmorgen 6 Uhr 15 der Abflug erfolgte. Nicht ganz 13 Stunden brauchte die erste Taube bis Delitzsch. Das ist eine fabelhafte Leistung.
3. August
Neuer Kreisleiter
Der Kreis Delitzsch, der in seiner politischen Führung für kurze Zeit verwaist war, hat seit gestern wieder seinen Kreisleiter in Joachim Krüger aus Klöden Kreis Schweinitz. Die Einführung fand im Saal des Schützenhofes durch den stellv. Gauleiter Tesche aus Halle statt.
1. September
Polizeimeister Höhne
Die bisher freie Polizeiministerstelle wurde mit Wirkung vom heutigen 1. September wieder besetzt. Polizeihauptwachtmeister Höhne aus Halle von der dortigen Staatlichen Polizeiverwaltung hat seinen Dienst bereits hier angetreten.
18. September
Naturdenkmal
Mit Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde hat der Landrat das im Besitz der Stadt Delitzsch befindliche Rosental zwischen Oskar-Reime-Straße, Schulze-Delitzsch-Ring und Lober zum Naturdenkmal erklärt.
19. September
Suckert
Als Heerespfarrer nach Naumburg wurde Pastor lic. Suckert berufen. Er hat sein neues Amt bereits angetreten.
28. September
50 Jahre Bestehen Körsten
Am 1. Oktober d. J., kann das Autofuhrgeschäft und Beerdigungsanstalt Kurt Körsten, Schul-straße 6, auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Der Vater des jetzigen Inhabers, Gottlieb Körsten, gründete es 1887. Er starb leider frühzeitig, 1903 durch einen Unglücksfall. So mußte die Ehefrau Friderike Körsten, die von ihren im Felde kämpfenden drei Söhnen die beiden ältesten opferte, allein die Geschäfte weiter führen, bis es nach Rückkehr aus dem Felde ihr Sohn Kurt Körsten übernehmen konnte. Er hat sich ehrlich bemüht, durch all die schlechten Jahre sein Geschäft zur jetzigen Höhe zu führen. Wer kennt nicht noch die stolzen schwarzen Rappen, Körstens Tradition, vor den Hochzeitskutschen, den Kremsern u.s.w. und den von Körstens jahrelang gefahrenen Überführungswagen der Schuhmacherinnung bespannt mit schwarzbehangenen passenden Pferden? Heute kann das Geschäft stolz sein auf seine schmucken Personenautos, seine Taxe am Bahnhof, sein pietätvolles Überführungsauto und sein sauberes Sarglager. Die Pferde sind dem Tempo der Zeit zum Opfer gefallen.
26. Oktober
Nachfolger von Schöne
Der bisherige Direktor der Landwirtschaftsschule, Landwirtschafsrat Schöne, hat aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegen müssen. Zum Nachfolger ist der Diplomlandwirt Schulze – Merseburg berufen, der schon als Landwirtschaftslehrer tätig war.
3. November
Maßnahmen der Stadtverwaltung
Die Gemeinderäte billigten die Maßnahme der Stadtverwaltung, die zur Herrichtung von Unterkunftsräumen für das Krankenhauspersonal ergriffen worden sind. Durch die Anmietung von Wohnräumen in einem an das Krankenhaus angrenzenden Grundstück ist erreicht worden, daß das Personal des Krankenhauses nun endlich gut untergebracht worden ist. Die Stadtverwaltung hat ferner das Grundstück Eilenburger Straße 65 käuflich erworben und dasselbe der Kreisleitung der NSDAP vermietet. Zwei neue Straßennamen hat Delitzsch erhalten. Der sogenannte Kläranlagenweg soll Naundorfer Weg benannt werden. Die neue Straße hinter der Damaschke Straße soll den Namen Gustlofstraße erhalten.
23. November
Straße nach Leipzig
Die Straße nach Leipzig ist verhältnismäßig schmal, so daß leicht Verkehrsschwierigkeiten entstehen. Besonders unmittelbar hinter dem Bahnübergang gegenüber der Baumschule Pönicke müssen die Autos oft halten, schon wegen der häufig geschlossenen Schranke. Da bis zur Bauer'schen Scheune die Straße von der Stadt unterhalten wird, hat sie veranlaßt, daß die Fahrbahn auf der linken Seite um 85 Zentimeter verbreitert wird.
22. Dezember
Tod von Ludendorf
General Ludendorf, Deutschlands großer Feldherr, Organisator und Soldat ist in München am 20. Dezember verstorben. Dem deutschen Volke wurde dies durch folgende Mitteilung bekannt gegeben: "Heute, Montag, den 20. Dezember, 8.20 Uhr verschied der Feldherr General Ludendorf schmerzlos und ruhig. Das Bewußtsein blieb ihm in den letzten Stunden erhalten. Bei der durch die lange Krankheit nur noch geringen Widerstandskraft war es unmöglich, dem schnell eintretenden Kräfteverfall und der zunehmenden Kreislaufschwächewirklich wirksam zu begegnen."
26. Dezember
Verkehrsampel am Roßplatz
In den täglich wiederkehrenden Unfallmeldungen nimmt der Roßplatz den größten Raum ein. Aus diesem Grunde hat die Stadt sich entschlossen, an dieser Kreuzung eine Verkehrsampel anzubringen, die in Zukunft den Verkehr selbsttätig regeln wird.
1938
14. Januar
Schweinemästerei der Stadt
Das Ernährungshilfswerk der NSV hat die Einrichtung von Schweinemästereien auch in der Stadt Delitzsch beschlossen. Die Schweine werden in Delitzsch in der Walzenmühle untergebracht. Im Rahmen des Ernährungshilfswerkes liegt auch die Anpflanzung von Mais auf den im Kreisgebiet unbebaut liegenden Flächen.
16. Januar
Peters
Mit Wirkung vom 1. Januar ist Regierungsinspektor Peters zum Kreisoberinspektor beim Landratsamt in Delitzsch ernannt. Vermessungsrat Mönnig aus Zossen ist mit Wirkung vom 1. März 1938 an das Katasteramt in Delitzsch versetzt worden.
18. Januar
Fischsterben im Kosebruch
Während von den drei Fischteichen im Kosebruch zwei abgelassen sind, ist der Dritte, der unmittelbar an der Bahn Delitzsch – Bitterfeld liegt, von einem Fischsterben betroffen worden. Bei einer flüchtigen Zählung der an der östlichen Schmalseite angetriebenen Kadaver ergab sich die hohe Zahl von 250 Fischen. Es handelt sich um Karpfen, meistens um Spiegelkarpfen, und die Größe schwankt um dreipfündige Exemplare. Es wäre möglich, daß die Fische an Sauerstoffmangel eingegangen sind, der durch Ausfrieren des Teiches entstanden ist, oder aber es sind Rieselwässer in den Teich geflossen, wodurch das Wasser verseucht und so den Tod der Fische verursachten.
1. Februar
Unglücksfälle am Roßplatz
Um die Zusammenstöße der Kraftwagen und damit die Unglücksfälle so weit wie möglich zu beschränken, ist auf dem Roßplatz an der Kreuzung der Kohl- und Eilenburger Straße eine Heyer'sche Verkehrsampel an einem langen Mast aufgehängt worden. Die angegebenen Verkehrszeichen müssen natürlich beachtet werden. Für die Fußgänger gelten die gleichen Signalzeichen wie für die Fahrzeuge. Wer auf die falsche Scheibe sieht, begibt sich in Gefahr. Wenn jemand z.B. die Eilenburger Straße in Richtung Breite Straße begeht, muß vor dem Überschreiten des Fahrdammes in der Gegenrichtung den Zeiger auf grün sehen, dann sind Kohl- und Bitterfelder Straße - also die Straße, die man überquert - für den Fuhrverkehr gesperrt.
11. Februar
Haushaltsplan 1938
In der gestrigen Sitzung der Ratsherren wurde der Nachtragshausplan erörtert. An der Sitzung nahm auch der neue Kreisleiter Krüger teil. Der Bürgermeister Dr. Frey schlug vor, für die Hospitalstiftung eine neue Satzung auszuarbeiten, da die alte aus dem 14. Jahrhundert stammende Satzung den heutigen Anschauungen nicht mehr entspricht. Der dem Hospital angegliederte Kindergarten bleibt bestehen, er nimmt Kinder von 2 bis 6 Jahren auf, die dort beaufsichtigt und auch gespeist werden. Die Eltern haben dafür für jedes Kind und jede Woche 1,- RM zu zahlen. In diesem Zusammenhang verdient die Tatsache Erwähnung, daß die Hospital-Stiftung einschl. der Grundstücke, Liegenschaften u.s.w. heute noch einen Wert von rund 313.000 RM darstellt. Es wurden dann noch folgende Beschlüsse gefaßt:
Mittel für eine neue Luftschutzwarnanlage
10.000 RM als Grundstock für den Bau eines HJ-Heimes
10.000 RM für die geplante Sportbahn
2.000 RM für eine neue Pumpanlage im Elbritzbad
Erweiterung des städtischen Gewächshauses auch 2.000 RM
Verbesserung in den städtischen Schulen
Zuschuß für die Volksbibliothek
3.500 M für bauliche Veränderungen im Rathaus
50.000 M für Straßenbauten
14. Februar
Autounfall Erich Richter
Vorgestern Nachmittag gegen 13.40 Uhr wurde die Familie des Lehrers Erich Richter aus Delitzsch das Opfer eines schweren Verkehrsunfalls. Der Personenwagen des Richter wurde unweit des Roten Hauses am Bahnhof Eilenburg Ost von der Lokomotive eines Personenzuges erfaßt und einige Meter weit mitgeschleift. Während Richter und seine Frau schwere Kopfverletzungen und Kieferbrüche erlitten, wurde die Tochter Ingeborg des Lehrers glücklicherweise nur leicht verletzt. Wahrscheinlich ist das Unglück durch das am Sonnabend herrschende Schneetreiben verursacht worden.
15. Februar
Ehrung eines früheren Delitzscher
Die Staatliche Versuchs- und Forschungs- sowie Höhere Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau zu Geisenheim am Rhein hat anläßlich ihres sechzigjährigen Jubiläums einen Teil des Instituts mit dem Namen des Herrn Gartenbaudirektors Walter Poenicke – Berlin benannt in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die technische und wirtschaftliche Umgestaltung des deutschen Obstbaues. Herr Poenicke ist Delitzscher Kind und war früher lange Jahre Mitinhaber und technischer Leiter eines hiesigen Baumschulenbetriebes, bis er in die Ämter des Vorsitzenden der Deutschen Obstbaugesellschaft und des Reichsbundes für Obst- und Gemüsebau sowie der Obstbauabteilungen der Preußischen Hauptlandwirtschaftskammer und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und des Direktors der Technischen Abteilung des Reichsverbandes des Deutschen Gartenbaus berufen wurde.
12. März
Anläßlich des Anschlusses von Österreich an Deutschland verliest Kreisleiter Krüger – Delitzsch folgenden Aufruf: "Der Verräter Schuschnigg ist zurückgetreten! Unsere nationalsozialistischen Brüder haben in Österreich die Macht übernommen. Zur Feier dieser denkwürdigen Machtübernahme versammeln sich sämtliche Gliederungen und angeschlossenen Verbände, sowie sämtliche Vereine heute abend 19.15 Uhr zum Fackelzug auf dem "Alten Schützenhofplatz". Nach Ummarsch durch die Stadt Kundgebung auf dem Marktplatz."
25. März
Neue Anpflanzung
Im Laufe des gestrigen Tages sind in der Hindenburgstraße bei der Mädchenvolksschule eine Reihe von jungen Bäumen angepflanzt worden. Auf diese Weise sind die Lücken, die durch Ausschlag zwischen den großen Linden entstanden waren, durch Nachwuchs ausgefüllt worden.
29. März
Versetzung Gesell
Der stellvertretende Leiter des Kassenverbandes der Orts- und Landkrankenkassen Delitzsch, Friedrich Gesell, wird mit Wirkung vom 1. April ab als Kassenleiter zur Ortskrankenkasse des Landkreises nach Zeitz versetzt. Gesell war seit Oktober 1919 bei der hiesigen Landkrankenkasse und ab 1. Januar 1934 beim Kassenverband der Orts- und Landkrankenkasse Delitzsch beschäftigt.
6. April
Aufruf des Kreisleiters
Aus Anlaß der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich soll am 10. April das deutsche Volk ein Bekenntnis zum Führer ablegen. Dazu erläßt der Kreisleiter Krüger – Delitzsch folgenden Aufruf:
Für ein Großdeutsches Reich! Der Führer hat durch seine Tatkraft eine geschichtliche Aktion durchgeführt, die seit einem Jahrtausend die Sehnsucht aller Deutschen gewesen ist. Das deutsche Reich ist durch den Zustrom deutschen Bruderblutes nunmehr eine Weltmacht geworden, die zugleich ein eiserner Garant des Friedens ist. In jener denkwürdigen Reichstagssitzung vom 18. März 1938, in der der Führer der ganzen Welt die Gründe seines Tuns auseinandersetzte, konnte er mit Stolz aussprechen: "Hinter dieser meiner getroffenen Entscheidung stehen 75 Millionen Menschen und vor ihr steht von jetzt ab die deutsche Wehrmacht." Durch die überwältigende Zustimmung auf seiner Fahrt durch die neue deutsche Ostmark und bei seinem triumphalen Einzug in die Reichshauptstadt erhielt der Führer den klarsten Beweis für die Richtigkeit seiner Handlungsweise. So rufe ich alle Volksgenossen meines Kreises auf am 10. April der Anstandspflicht jedes deutschen Menschen Genüge zu tun, sein Bekenntnis zum Führer abzulegen. Der Ruf der befreiten Brüder "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" sei auch unser Losungswort. Es gilt die geschichtliche Entscheidung zu fällen: Deine Stimme für das Großdeutsche Reich!
10. April
Wahl
Bei der heute stattgefundenen Wahl wurden in Delitzsch 11823 Stimmen abgegeben. Es stimmten 11378 Stimmen für "Ja"; 383 Stimmen für "Nein", ungültige Stimmen waren 62. Auf dem Stimmzettel stand: "Bist du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem deutschen Reich einverstanden und stimmst du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler, dann – Ja -. Die Wahl ergab in der Stadt Delitzsch über 90 % für den Führer.
13. April
Sämisch
Rektor Richard Sämisch von der Knabenvolksschule ist ab 1. Mai als Kreisschulrat in den Kreis Schweinitz berufen worden.
14. April
Das Denkmal auf dem Markt
Bürgermeister Dr. Frey hatte die Stadträte gestern nachmittag zu einer Sitzung einberufen, um noch vor den Feiertagen ihre Stellungnahme zu zwei für die Stadt wichtigen Fragen entgegenzunehmen. Zunächst handelte es sich um die Frage der Versetzung des Denkmals, das den Gefallenen und den Kriegern der Reichseinigungskriege 1870/71 auf dem Markt errichtet worden ist. Bürgermeister Dr. Frey legte in seinen Ausführungen dar, daß es nicht würdig ist, daß zweimal in der Woche der Wochenmarkt ausgerechnet am Denkmal für die Gefallenen und Krieger abgehalten wurde und daß bei den Jahrmärkten das ganze Denkmal zu einem Gewirr von Brettern und zwischen Buden verschwand. Der praktische Zweck eines Marktplatzes ist nicht zu vereinbaren mit der Würde, die ein Denkmal umgeben soll. Bei den großen Aufmärschen der letzten Jahre war das Denkmal ein Hindernis für einen planmäßigen Aufmarsch und ein Hindernis zugleich für eine volle Raumausnutzung. Es dürfte verständlich sein, daß die Abänderung des jetzigen Zustandes geradezu ein Zeiterfordernis ist. Der Markt mit seinen hohen, schönen Linden wird nach der Versetzung ein ausgezeichneter Aufmarschplatz. – Hierzu geben die Gemeinderäte ihre Zustimmung. Die Gemeinderäte billigten weiter den Vorschlag des Bürgermeisters, für die Stadt eine Großlautsprecheranlage anzuschaffen.
30. April
Verbesserung am Elberitzbad
An dem Elberitzbad werden in diesen Tagen wesentliche Verbesserungen vorgenommen. Einmal sorgt man jetzt durch neue Anlagen für eine bessere Wasserquelle, zum anderen sorgt man für eine bessere Reinhaltung des Wassers. In der alten Liegewiese hat man einen neuen leistungsfähigen Rohrbrunnen niedergebracht, der gutes und ausreichendes Wasser liefert. Das alte hölzerne Pumpenhäuschen wird durch einen massiven Bau ersetzt. In dem Pumpenhäuschen wird ein Dieselmotor mit angekoppelter Pumpe aufgestellt. Nun ist man in der Lage von innerhalb 12 Stunden das Bad zu füllen und ebenfalls in 12 Stunden das Bad zu leeren. Zur Reinhaltung des Wassers wird der Boden des Bades betoniert.
30. Mai
Siebert
Anstelle des bisherigen Kreisamtsleiters für Erzieher im Kreis Delitzsch Richard Sämisch, der als Kreisschulrat in den Kreis Schweinitz versetzt worden ist, ist Kreisschulrat Wilhelm Siebert mit der kommissarischen Leitung des Kreisamts Delitzsch im Amt für Erzieher beauftragt worden.
13. Juni
Wichtige Dokumente
Bei einer Bodenentrümplung für Zwecke des Luftschutzes fand man in Halle unter dem Dach eines alten Hauses in der Thaluckstraße, Haus Nummer 18, einige lose zusammengeheftete Pergamentblätter, die verstaubt und stockfleckig wie sie waren, zunächst achtlos beiseite getan wurden. Durch Zufall wurde man dann aber wieder auf diese Blätter aufmerksam. Nähere Betrachtung und Untersuchung förderte dann auf diesen Blättern einen Bericht über Delitzsch zu tage, der Zustände in unserer Stadt während des 15. und 16. Jahrhunderts schildert. Es stellte sich dann heraus, daß man hier ein für die Beurteilung der Delitzscher und der Delitzscher Stadtgeschichte ganz außerordentlich wichtiges Dokument gefunden hatte. Die Entzifferung machte einige Mühe, auch war es aus sprachlichen Gründen notwendig, den Bericht zu überarbeiten, um ihn der Allgemeinheit zugänglich und verständlich zu machen.
24. Juni
Remoli
An der Universität Halle bestand der Hilfsschullehrer an der Knabenvolksschule Remoli die Doktorprüfung. Seinen Neigungen entsprechend war Vorgeschichte sein Hauptprüfungsfach, außerdem wurde er in Philosophie und Pädagogik geprüft.
12. Juli
Verschönerung
Am Schulze Delitzsch Denkmal hat es eine Veränderung gegeben. Das alte Eisengitter wurde mit Hilfe eines Schweißapparates abgeschnitten und entfernt. Damit hat das Denkmal wie auch das Kriegerdenkmal, von dem gleichfalls das Eisengitter entfernt worden ist, ein gefälligeres Aussehen bekommen.
23. Juli
Der Werkstättenteich
Wir haben neben dem Elberitzbad noch eine zweite Badegelegenheit in Delitzsch, den Werkstättenteich. Beide Bäder können gut nebeneinander bestehen, sie nehmen sich nichts, ja, sie ergänzen sich sogar in recht glücklicher Weise. Denn für sehr viele Delitzscher, die im Norden wohnen, ist der Weg zum Elberitzbad reichlich weit. Sie bevorzugen das Bad am Werkstättenteich, obwohl dieses Bad nur über geringe Einrichtungen verfügt. Es wäre aber gut, wenn hier doch einiges getan würde, zumal die Benutzung beider Bäder immer stärker wird und wir das Bad im Werkstättenteich notwendig brauchen. Vor allem müsste das starke Kraut im Teich entfernt werden, ehe dort ein Unglück geschieht. Lebensgefahr war schon vorhanden.
2. August
Das Deutsche Turnfest in Breslau
An dem in diesen Tagen in Breslau stattgefundenen "Deutschen Turnfest" nahmen auch eine Anzahl Delitzscher Turner teil. Sie kehrten heute mittag nach Delitzsch zurück. Am Bahnhof empfingen Turner und Turnerinnen des TV 1845 die Heimkehrer, der Bannmusikzug war zur Stelle, Kinder brachten Blumengrüße, viele Delitzscher gaben den Turnern das Geleit zum Markt. Es ist anzunehmen, daß die Sache der Turner und Sportler in Delitzsch durch das große Fest der Leibesübungen in Breslau neuen Auftrieb und auch bei denen Anteil findet, die bisher noch abseits standen. Dr. Letz, der Ortsgruppenleiter für Leibesübungen dankte für die herzliche Begrüßung. Dann begrüßte der Vereinsführer des TV 1845, Althaus, die Heimkehrer und dankte ihnen für ihren tapferen Einsatz. Fast hundert Jahre sei der TV von 1845 alt, aber zum ersten Male sei es möglich gewesen, mit einer so großen Zahl von Siegespreisen von einem Deutschen Turn- und Sportfest zurückzukehren. Er gab sodann die Siegesliste des TV von 1845 bekannt. Es sind folgende Namen:
Otto Rößler, Karl Martin, Walter Modrow, Gerhard Holdefleiß, Erich Förster, Gerhard Lahn, Heinz Thieme, Ernst Soban, Martha Beetz (vom Frauen Turnverein), Erich Pfennig und Hans Lange.
10. August
Wetterfahne auf dem Halleschen Turm
Auf dem Halleschen Turm wurde heute eine neue Wetterfahne angebracht. Sie wurde hergestellt vom Klempnermeister Franz Reyher in Delitzsch. Sein Großvater war Schmied in Kyhna, sein Vater Klempnermeister in Delitzsch. Viele Wetterfahnen stammen von den Reyhers. Besonders stolz ist der Meister auf die Wetterfahne auf dem Breiten Turm. Es war ein schweres Stück Arbeit sie einst dort hinauf zu bringen, denn sie wiegt zwei Zentner und ist 2,85 Meter breit. Auch die Wetterfahne auf dem Wasserturm des RAW ist von ihm hergestellt worden. Sie besteht aus 245 Teilen, der Stern an dieser Wetterfahne ist aus 26 Zacken gebildet. Die neue Wetterfahne auf dem Halleschen Turm wiegt ohne Stange und Kugel 50 Pfund. Zwei junge Dachdecker vom Dachdeckermeister Robert Kittler brachten auf dem Turm die Wetterfahne an. Auf der Stange tanzt sie so leicht im Kreise, daß man sie mit dem Munde wegblasen kann. Hundert Jahre soll die neue Wetterfahne halten, wie Meister Reyher sagte. Die Schlosserarbeiten an der Wetterfahne machte Schlossermeister Wiehr – Delitzsch.
11. August
Kreismuseum
An Stelle von Mittelschullehrer Horn ist Hilfsschullehrer Fritz Remoli mit der Leitung des hiesigen Kreismuseums für Vorgeschichte beauftragt worden.
13. August
Maßnahmen der Ratsherren
Die gestern stattgefundene Gemeinderatssitzung befaßte sich mit wichtigen städtischen Angelegenheiten. Der Bürgermeister regte an, daß die Ratsherren selbsttätig im Stadtinteresse mitarbeiten sollen und jedem der Herren ein bestimmtes Gebiet zugewiesen wird. Es wurde sodann die Freilegung der Beethovenstraße und der Ausbau der Richard-Wagner-Straße beschloßen. Am Flughafen sollen 80 Volkswohnungen errichtet werden, den Bau will die Stadt in eigene Regie nehmen. Der Jahn-Gedenkstein soll aus der Spröde in die Anlagen gegenüber der Jahn-Turnhalle gebracht werden. Dorthin soll auch der Findling, der an den Tennisplätzen steht, kommen, so daß dort eine hübsche Gruppe von drei Steinen entsteht. (Ein Stein steht bereits an dieser Stelle).
15. August
Verlegung des Kriegerdenkmals
Das Denkmal für die Gefallenen aus dem Kriege 1870/71, das seiner Zeit von den Kriegervereinen und der Stadt auf dem Marktplatz errichtet worden war, wurde im Einverständnis mit den Gemeinderäten in die Anlagen hinter den Halleschen Turm gebracht und hier neu in der früheren Form wieder aufgebaut. Es steht nun gegenüber der Hospitalkirche auf der anderen Seite der Halleschen Straße.
22. August
Gärtnerei Naujokat
Die Stadt hat das Gärtnereigrundstück Parkstraße 7 käuflich erworben, um hierher ihre Stadtgärtnerei vom Schützenhausplatz zu verlegen. Die alte Stadtgärtnerei, die sich schon lange als zu klein erwiesen hat, vermag immer weniger den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, so daß mit dem Erwerb des Naujokat'schen Grundstückes in der Parkstraße eine recht erfreuliche Änderung eintritt. Die Gärtnerei Naujokat wurde in den Jahren 1906 bis 1928 vom Vater des Gärtnereibesitzers Bruno Naujokat errichtet. Bereits im Februar 1938 wurden davon 1500 Quadratmeter durch Dr. med. Zaar erworben, der auf diesem Grundstück eine Villa errichten will.
31. August
Rektor Seidel
Durch die Regierung in Merseburg wurde Konrektor Erich Seidel, bisher an der Mädchenvolksschule in Delitzsch mit der kommissarischen Verwaltung der Rektorstelle der Knabenvolksschule Delitzsch beauftragt. Der Lehrer an der Mädchenvolksschule Richard Wittkowski wurde mit der kommissarischen Verwaltung der Konrektorstelle an der vorgenannten Schule beauftragt.
5. September
Hotel Fürst Bismarck
Das Hotel "Fürst Bismarck" wurde von seinem bisherigen Besitzer, Hermann Köhler, an die Delitzscher Vereinsbank verkauft, die dorthin ihre Geschäftsräume, die seit langem zu klein sind, verlegen wird. Der dazu nötige Umbau dürfte am 1. November beendet sein. Das Hotel wird eingehen, Saal und Vereinszimmer aber in Zukunft in Verbindung mit dem "Burgkeller" weiter benutzt werden.
6. September
Unglücksfall Brand
Gestern in den Vormittagsstunden ereignete sich ein schwerer Unfall, bei dem der Fleischermeister Brand aus der Hermann Göringstraße sehr schwer verletzt wurde. Brand, der einen Ochsen schlachten wollte, hatte gerade das sogenannte "Schußgerät" fertig gemacht, mit dem die zum Schlachten bestimmten Tiere betäubt werden. Er wurde bei dieser Arbeit plötzlich abgerufen. Als er das Gerät aus der Hand legen wollte, löste sich der Schuß, Brand wurde sehr schwer in den Unterleib getroffen. Im städtischen Krankenhaus unterzog ihn Dr. Zaar einer Operation, bei der sich ergab, daß Brand sehr schwer verletzt ist, der Schuß hat u.a. den Darm zerrissen. Brand ist an den Folgen verstorben.
9. September
Stadtbaumeister Renner
Um das Amt des Stadtbaumeisters in Delitzsch haben sich 43 Bewerber gemeldet. Das Amt ist nunmehr dem Stadtbauinspektor Alfred Renner aus Gera übertragen worden, der seit 1934 im Geraer Stadtbauamt die Hochbauabteilung geleitet hat.
20. September
Flüchtlinge aus Tschechei
Infolge der unbeschreiblichen Terrormaßnahmen der Tschechen gegen die dortigen Deutschen haben Tausende von Deutschen fluchtartig das Tschechenland verlassen und in Deutschland Zuflucht gesucht. Die ersten Flüchtlinge sind hier in Delitzsch letzte Nacht angekommen. Sie werden heute hier in Privatquartieren untergebracht werden.
25. September
Kreisarchivpfleger
Lehrer a.D. Karl Ziebe, Delitzsch, Leipziger Str. 16a, ist als Kreisarchivpfleger des Pflegebezirks Kreis Delitzsch ernannt und bestätigt worden.
30. September
50 Jahre Schulze
Am 1. Oktober 1938 kann die Firma Franz Schulze, Baumeister in Delitzsch, Bitterfelder Straße 21, auf sein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Sein Vater, Franz Schulze, gründete als Zimmerer in Schenkenberg 1888 sein Geschäft. Im Jahre 1919 kaufte Franz Schulze Sohn die Restauration "Zur Weintraube" in Delitzsch, Bitterfelder Str. 21, und errichtete in diesem Grundstück sein jetziges Zimmereigeschäft. Sein Mitarbeiter, der Zimmerpolier Karl Kind, erlernte schon bei seinem Vater die Zimmerei und ist bis heute der Firma treu geblieben. Auch hat in Treue zum Betrieb Zimmerer Otto Klepzig in Gertitz schon bei seinem Vater gearbeitet und hat dadurch seine Betriebstreue erwiesen, daß er heute noch Gefolgschaftsmitglied der Firma Schulze ist.
1. Oktober
Besetzung des Sudetenlandes
Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: "Deutsche Truppen unter der Führung des Generaloberst Ritter von Leeb haben heute (1. Oktober) 14 Uhr die ehemalige deutsch-tschechoslowakische Grenze im Böhmerwald zwischen Helfenberg und Finsterau überschritten und mit der Besetzung des im Abkommen vom 29. September festgelegten Gebietsabschnitts I begonnen."
11. Oktober
Einwohnerzahl von Delitzsch
Die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch, die am 30. September noch mit 17931 festgestellt wurde, hat sich innerhalb 10 Tagen durch Zugang derart erhöht, daß wir bereits mehr als 18.000 "Delitzscher" zählen. Unter den Delitzschern, die am 30. September gezählt wurden, gab es 8.704 männliche und 9.227 weibliche Einwohner, also einen recht erheblichen "Überschuß an Frauen" und einen empfindlichen Mangel an Männern.
12. Oktober
Rückkehr der Flüchtlinge
Die vor kurzer Zeit nach Delitzsch gekommenen Flüchtlinge aus Sudetenland kehren wieder in ihre Heimat zurück, nachdem das Sudetenland von deutschen Truppen besetzt und geschützt worden ist. Gestern fand im Lindenhof ein Abschiedsabend im Rahmen einer festlichen Stunde statt. Die Sudetendeutschen sind jetzt Reichsdeutsche geworden.
21. Oktober
Musikpflege in Delitzsch
Aus Anlaß der in unserer Stadt demnächst stattfindenden Gesangvereinskonzerte werfen wir einen kurzen Rückblick auf die musikalische Vergangenheit der Stadt Delitzsch. Die Delitzscher Kantorei war einst hochberühmt. Jahrhunderte lang hat Delitzsch eine Musikpflege gehabt, die wir nicht hoch genug einschätzen können. Verschiedene Berliner Stellen haben wiederholt in Delitzsch Nachfrage nach Noten und musikalischen Werken gehalten. "Die ganze Stadt hat gesungen", das ist der Eindruck, den man aus Schriften, Berichten und Mitteilungen aus alter Zeit gewinnt. Ein Kirchenbuchauszug besagt, daß Johann Sebastian Bach 1734 Pate stand bei einem Kinde des Kantors Nützer in Delitzsch, der ein Schüler Bachs war. Ebenso waren zwei andere Kantoren in Delitzsch Bachschüler. In der heutigen Musikpflege der Stadt Delitzsch durch die Gesangvereine ist eine unmittelbare Fortsetzung der Delitzscher Kantorei zu sehen. Die Männer, die es heute drängt, nach ihrem Tagewerk sich als Sänger zusammenzufinden, sind echte Nachfahren jener Bürger, die in Delitzsch schon im 14. Jahrhundert ihre Stimmen vereinigten. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß die Delitzscher Kurrende, die von 1329 bis 1924 ununterbrochen bestanden hat, manchen Sänger ausgebildet hat, der heute in den Männerchören wirkt.
28. Oktober
Fahne des Turnvereins 1845
Der Turnverein von 1845 in Delitzsch, einer der ältesten Turnvereine, die wir überhaupt haben, führt noch die alte Fahne, um die sie sich seit nunmehr 90 Jahren die Delitzscher Turner scharen. Die 90-Jahrfeier ihrer Fahne wollten die Turner in diesem Jahre eigentlich festlich begehen, doch der politisch bewegten Zeit wegen unterbleibt eine größere Festlichkeit. Am Sonnabend treffen sich im "Schützenhaus" die Delitzscher Turner, um ihre Fahne in einer einfachen Feier zu ehren. Die Fahne hat so manches Schicksal erlebt. Als Tag der Gründung des Turnvereins von 1845 ist der 24. Mai 1845 anzusehen. Erster Förderer der Gründung war der damalige Rektor der Bürgerschule Feodor N. Stützer. Als Mitbegründer ist auch der nachmals so berühmt gewordene Volkswirtschaftslehrer Schulze – Delitzsch mit verzeichnet. Die Fahne wurde dem Verein drei Jahre nach seiner Gründung am 25. April 1848 von Delitzscher Jungfrauen gestiftet. Wie vor der Gründung so blieben die Turner auch nach der Gründung eine zeitlang "politisch verdächtig". Die Fahne wurde die ganze Zeit über versteckt gehalten. Aus der Chronik geht hervor, daß die Fahne bei dem damals auf dem Pfortenplatze wohnenden Lehrer Crellmann, der sie auf dem Bodenraum seines Wohnhauses, zwischen Dachsparren und Balken verbarg, ihr Versteck hatte. Erst im Jahre 1859 wagte sich der Turnverein wieder hervor und zum 3. deutschen Turnfest in Leipzig 1863 zeigte sich die Fahne wieder in ihrer Pracht. Am 30. März 1873 wurde die 25. Wiederkehr des Jahrestages der Fahnenweihe gefeiert. Goldenes Fahnenjubiläum meldete das Jahr 1898. Am 6. März 1899 bekommt die Fahne eine neue Stange. Auch das 60jährige Fahnenjubiläum und den 100jährigen Geburtstag von Schulze-Delitzsch feierte der Verein. Im Jahr 1913 war die Fahne auf dem 12. deutschen Turnfest in Leipzig. 1923 geht die Fahne zum deutschen Turnfest nach München, 1928 nach Köln, 1933 nach Stuttgart und 1938 nach Breslau.
29. Oktober
Volksbildungsstätte Delitzsch
In Delitzsch wird am 1. November eine Volksbildungsstätte eröffnet.. Hörer der Volksbildungsstätte kann jeder Deutsche werden, soweit er das 14. Lebensjahr vollendet hat und arischer Abstammung ist. Hörer wird man durch Erwerb der Hörerkarte, die für 30 Pfg. in der K.d.F. Geschäftsstelle, Hallesche Straße 24, zu haben ist. Die Hörerkarte gilt für das laufende Halbjahr und ist zu den Veranstaltungen mitzubringen. Nur Einzelveranstaltungen können auch ohne Hörerkarte besucht werden. Doch genießen die Inhaber der Hörerkarten bei solchen Einzelvorträgen weitgehend Sondervergünstigungen. Alle übrigen Veranstaltungen: Vortragsreihen, Arbeitsgemeinschaften, Arbeitskreise, Kurse u.s.w. sind nur eingeschriebenen Hörern zugänglich, die für die belegten Kurse eine Zusatzkarte zu lösen haben. Der Preis für die Zusatzkarten ist aus den Arbeitsplänen zu ersehen und in der Geschäftsstelle zu erfragen. Alle Gebühren sind so niedrig wie möglich bemessen und decken mitunter kaum die zahlreichen Unkosten.
11. November
Vorgehen gegen Juden
Wie in anderen Städten so ist man auch in Delitzsch zerstörend gegen die jüdischen Geschäftsinhaber vorgegangen. Laden und Wohnung eines jüdischen Geschäftsinhabers wurden zerstört, die jüdische Kapelle der "Judentempel" dem Erdboden gleichgemacht. Damit dürften wohl endlich und für immer die letzten äußerlichen Zeichen "jüdischer Niederlassung" in Delitzsch verschwunden sein.
15. November
Fried. Kasper tot
Gestern abend überführten die Männer der freiwilligen Feuerwehr die sterblichen Überreste ihres Ehrenmitgliedes Kreisbranddirektor i.R. Friedrich Kasper, zum Friedhof. – Nach längerem Leiden ist Friedrich Kasper, der nicht nur in unserer Stadt, sondern auch im ganzen Kreisgebiet bestens bekannt war, Montagmorgen verstorben. Mit ihm ist ein Mann dahingegangen, der sein ganzes Leben dem Wohle der Gemeinschaft gewidmet hatte, denn Feuerwehrmann sein, heißt immer bereit sein, Gut und Habe anderer Menschen vor Vernichtung zu bewahren.
1. Dezember
Nauke Rektor in Torgau
Mittelschullehrer Franz Nauke von der Mittelschule Delitzsch ist als Rektor der Mittelschule nach Torgau versetzt worden und hat heute sein neues Amt angetreten. An der hiesigen Mittelschule war er genau fünf Jahre tätig. Bei Aufteilung des Stadtgebietes in Ortsgruppen führte er die Ortsgruppe Delitzsch West.
1939
4. Januar
Neue Industrie
An der Eilenburger Landstraße wird die Firma Langer in Dresden ein Zweigwerk ihrer Gußstahlzieherei und Drahtfabrik errichten. Um diese neue Industrie nach Delitzsch zu bekommen, mußte der Firma das erforderliche Gelände zur Verfügung gestellt werden. Es bot sich die Möglichkeit, dieses Gelände auf dem Tauschwege von dem Rittergut Döbernitz in den Besitz der Stadt zu bringen. Die Stadt erhält dort rund 80 Morgen an der Eilenburger Landstraße und gab dafür Gelände an der Leipziger Straße und die Reste der Spröde, die aus anderen Geländeverkäufen noch in ihrem Besitz waren, und die etwa 100 Morgen umfaßten. Den Delitzschern bleibt der Wald der Spröde, wenn er auch jetzt zu Döbernitz gehört, zu Spaziergängen und zur Erholung erhalten und das Recht dazu durch grundbuchliche Eintragung gewahrt, auch der Teil des Waldes, der schon früher mit dem Rittergut Döbernitz verbunden war. Die Schutzhütte am "Stiefelknecht" bleibt im Besitz der Stadt und wird weiter unterhalten.
9. Januar
Feuerwehr
In der Führung der Freiwilligen Feuerwehr ist ein Wechsel eingetreten. Der bisherige Wehrführer Hermann Mietzsch, der freiwillig 35 Jahre Dienst der Freiwilligen Feuerwehr und des Löschwesens der Stadt Delitzsch gestanden hat, schied in Ehren aus und wurde von Bürgermeister Dr. Frey mit herzlichen Dankesworten verabschiedet. Zur Erinnerung an seinen Dienst innerhalb der Feuerwehr überreichte er dem scheidenden Wehrführer eine Führerplakette. Der neue Wehrführer Stadtbaurat Renner, wurde darauf in sein neues Amt eingeführt und der neue Dezernent für das Feuerlöschwesen der Stadt Delitzsch Scharf vorgestellt.
16. Januar
Kreisveterinärrat
Dem Polizeiveterinärrat Dr. Eckhard Kothe aus Schönlanke, Bezirk Grenzmark–Posen–Westpreußen, wurde vom 15. Januar ab durch den Minister des Innern die Verwaltung der Veterinärratstelle in Delitzsch übertragen. Der bisherige Kreisveterinärrat Bauer ist in den Ruhestand gegangen und hat seinen Ruhesitz nach Charlottenburg verlegt.
19. Januar
Gestern sind auf dem Sorauer Bahnhof in Delitzsch 62 Kinder aus dem Sudetenland für Delitzsch angekommen. Sie wurden hier von der NSV in Empfang genommen, mit Fleischbrühe bewirtet, von einem hiesigen Arzt untersucht und dann zum großen Teil von den anwesenden Pflegeeltern für sechs Wochen in Empfang genommen.
3. Februar
Die Spröde
Aus der Geschichte der jetzt verkauften "Spröde" sei Nachstehendes niedergeschrieben: In alter Zeit befanden sich in unmittelbarer Nähe der Stadt Delitzsch ausgedehnte Waldbestände: das Elberitzholz, das Rosenthal, der Hain, der Wald am Rubach (zwischen Luisenschule und Zuckerfabrik), der Querl- oder Friedrichsbusch, das Zschepener und Benndorfer Büschchen. Bei Ausdehnung der menschlichen Siedlungen fielen diese Waldbestände allmählich der Axt zum Opfer. Im Jahre 1415 kaufte der Rat der Stadt von Dietrich von Pak für 200 rheinische Gulden die sogenannte "Große Spröde" (das ist der Waldbestand, dessen Mittelpunkt der Stiefelknecht ist) und 1423, gleichzeitig mit den Dörfern Elberitz und Werben, von Hans von Pak die "kleine Spröde" am Beerendorfer Forsthaus, die Vorheide rechts der Dübener Straße und den Augustusbusch, links der Dübener Straße. Die städtische Waldfläche umfaßte damals etwa 230 Morgen. Die Aufsicht über den Wald führte ein vom Rat angestellter Stadtförster, der am Viehtore seine Dienstwohnung hatte. Im Jahr 1812 wurde ein neues Jägerhaus bei dem Augustusbüschchen erbaut. Unter dem Namen "Delitzscher Forsthaus" ist es seit 125 Jahren bekannt. Der erste Stadtförster, der hier wohnte, hieß Becker. Er übernahm auch die Schankwirtschaft. Die Stadtförster haben oft gewechselt. Der Nachfolger von Becker war Pabst, dann folgten: Köring, Lücke, Wegener, Nebert, Schöne, Kümmerle, Werner und Reichenbach. Letzterer übernahm nach Ablauf des Pachtverhältnisses die "Krone" in Delitzsch. Die Delitzscher Bürger machten gern eine Waldpartie zum Delitzscher Forsthaus oder pilgerten zum Stiefelknecht. Dieser ist eine gewaltige 300-jährige Eiche, deren Riesenstämme sich teilen. Eine Schutzhütte in der Nähe und verschiedene Rasenbänke laden zu beschaulicher Rast. Zur Erhaltung dieses Wahrzeichens sind eiserne Bänder um den Riesen gelegt.
6. März
Neues Wappen des Landratsamtes
Dem hiesigen Landratsamt ist ein eigenes Wappen verliehen worden, das in sinnvoller Weise Vergangenheit und Gegenwart verknüpft und nicht nur äußeres Zeichen, sondern auch ein Ausdruck für Vergangenheit, Wesen und Willen unseres Kreises ist. Dieses Wappen, von Bildhauer Geyer in Halle gestaltet und vom heimischen Bildhauer und Steinmetzmeister Paatz ausgeführt, wurde heute mittag bei einer kurzen Feier vor dem Landratsamt enthüllt. Landrat Meister übergab es, seinen Sinn deutend, der Obhut der Partei. Kreisleiter Krüger übernahm das Wappen als ein Wahrzeichen und Sinnbild des Wollens unserer Zeit und als ein Zeichen der Volksgemeinschaft. Zu der Feier waren alle Gefolgschaftsmitglieder des Landratsamtes angetreten, ebenso waren die Mitglieder des Kreisausschusses zu der Feier gekommen. Das neue Wappen besteht aus drei Teilen. Das obere Feld zeigt einen schreitenden rotbewehrten schwarzen Löwen auf goldenem Grunde (Delitzsch Mark Meißen). Der untere Teil ist wieder geteilt, die linke Seite zeigt einen blauen Pfahl auf goldenem Grunde (Mark Landsberg), die rechte Seite trägt einen und einen halben silbernen Stern im blauen Felde (Eilenburger Wappen).
8. März
Stadtbauamt
Der frühere Leiter des Stadtbauamtes, Kratsch, der 32 Jahre im Dienste der Stadt tätig war, ist mit Ende Februar in den Ruhestand getreten. Kratsch war in den letzten 20 Jahren Leiter des Stadtbauamtes.
9. März
Sudetendeutsche
Die 52 sudetendeutschen Kinder, die sechs Wochen lang bei Pflegeeltern in Delitzsch untergebracht waren, sind vom Sorauer Bahnhof ab in ihre Heimat wieder zurückgekehrt. Sie haben ein Stück Deutschland kennen gelernt und Eindrücke gewonnen, die sie ihr Leben lang nicht vergessen werden. Zu ihrem Abschied spielte die Bannkapelle und es hatten sich nicht nur die Pflegeeltern, auch viele andere Delitzscher eingefunden. Lange noch winkten die kleinen Hände aus dem Abteilfenster den Zurückbleibenden zu.
20. März
Fackelzug
Aus Anlaß der Besetzung deutscher Truppen im Böhmerland und Übernahme des Schutzes von Böhmen und Mähren durch das Reich veranstalteten Partei und Gliederungen einen Fackelzug.
27. März
Prof. Schmiedeberg
Mit Schluß des Schuljahres verläßt die Delitzscher Oberschule eine in unserer Stadt allseitig bekannte und beliebte Persönlichkeit: Studienrat Professor Schmiedeberg. Dreißig Jahre ist er, begünstigt durch umfangreiches und vielseitiges Wissen, besonders auf dem Gebiet der fremden Sprachen, mit hervorragendem Lehrgeschick vielen Schülergenerationen ein gewissenhafter Lehrer und manchen von ihnen ein väterlicher Berater gewesen. Darüber hinaus aber ist er durch große Hilfsbereitschaft und durch seine Liebe zum Buch auch weiten Kreisen bekannt geworden. So hat er nicht nur die Schulbücherei der Oberschule, sondern auch viele Jahre hindurch ehrenamtlich die städtische Volksbücherei liebevoll betreut. Professor Schmiedeberg verläßt Delitzsch und verlegt seinen Ruhesitz nach der Universitätsstadt Marburg.
28. März
Frl. Döhlert
Fast alle aktiven Mitglieder des Frauenturnvereins und der Jugendgruppe hatten sich gestern abend im "Schwan" zusammen gefunden. Es galt Abschied zu nehmen von Fräulein Elisabeth Döhlert, die in den Ruhestand tritt und ihren Wohnsitz in den Harz. Bei diesem herzlichen Abschied ersah man so recht, (wie d.A.) viel Liebe und Verehrung sich Fräulein Döhlert in Delitzsch bei Jung und Alt erworben hat. 33 Jahre hat sie in hingebender Arbeit ihren Frauenturnverein geführt und zu hoher Blüte gebracht. Gedichte und Musikvorträge gestalteten den Abend festlich.
6. April
Mittelschule
Schon seit langem wurde davon gesprochen, daß die hiesige Mittelschule aufgelöst werden sollte. Jetzt endlich ist diese Angelegenheit auch geregelt. Die Mittelschule in Delitzsch bleibt in der alten Form weiter bestehen.
21. April
Hitler
Der diesjährige 50. Geburtstag des Führers Adolf Hitler wurde auch in Delitzsch in einem würdigen Rahmen gefeiert und zwar durch eine Feierstunde der Partei im wundervoll geschmückten Schützenhofsaal, der Überführung der Pimpfe in die Hitlerjugend (HJ) und am Abend durch einen großen Fackelzug, der die ganze Stadt auf die Beine brachte. Nach dem Fackelzug versammelten sich dann die Teilnehmer des Fackelzuges und viele Mitläufer in den verschiedenen Lokalen, Gasthöfen und vor allem draußen im Schützenhof, um den Tag festlich zu beschließen.
25. April
Moorbad
Unter der Initiative des jetzigen Pächters Fuchs hat das Delitzscher Moorbad einen unverkennbaren Aufschwung erhalten. Das Bad, das nachweislich eines der heilkräftigsten Moore aufzuweisen hat, wird mit zunehmender wärmerer Jahreszeit mehr und mehr von Heilung suchenden Volksgenossen aufgesucht. Helle, lichtdurchflutete Bade- und Liegezellen sorgen für das Wohlbehagen der Kurgäste, die hier nicht nur Moorbäder, sondern auch Kohlensäure-, Sauerstoff-, Sol-, Schwefel- und Fichtennadelbäder, Licht- und Dampfbäder, wie auch Bestrahlungen und Massagen nehmen können. Mit dem beginnenden Sommer werden auch die gepflegten Grünanlagen der Stadt, die Ringanlagen mit dem vielhundertjährigen Baum-bestand so recht geschaffen sein, für die notwendige Entspannung zu sorgen.
2. Mai
Neuer Schulrat
Delitzsch hat durch Albert Ahrens am 1. Mai einen neuen Kreisschulrat erhalten, nachdem der frühere Kreisschulrat Wilhelm Siebert als Regierungsrat nach Westfalen versetzt worden ist. Ahrens kommt aus Weißenfels, woselbst er Rektor an einer Volksschule war. Gleichzeitig war er dort Ratsherr und Schulrat für Volks- und höhere Schulen.
3. Juni
Mühlenversicherungsverein
Auf ein hundertjähriges Bestehen kann in diesen Tagen der Mühlen-Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu Delitzsch zurückblicken. Der Umstand, daß die sächsische Feuerversicherungssozietät vor 100 Jahren die Windmühlen wegen des erhöhten Risikos von der Versicherungsmöglichkeit ausschloß – sind doch gerade die freistehenden Windmühlen stets in besonderem Maße Sturm- und Blitzgefahr ausgesetzt – führte seiner Zeit zur Gründung des Vereins, der von dem Gedanken der Gegenseitigkeit ausgehend, die Mitglieder zur gegenseitigen Hilfe bei etwaigen Unglücksfällen verpflichtete. In dieser Hinsicht hat der Mühlenversicherungsverein inzwischen schon recht ersprießlich gewirkt. Das 100jährige Bestehen nahm die Vereinsleitung zum Anlaß, die diesjährige Hauptversammlung als besondere Erinnerungsfeier zu begehen. Am gestrigen Freitagvormittag fand die eigentliche Hauptversammlung statt. Am Nachmittag fanden sich die Mühlenbesitzer mit ihren Frauen und sonstigen Familienangehörigen in "Schwan" zu der eigentlichen Erinnerungsfeier ein, in deren Mittelpunkt ein gemeinsames Mittagsmahl, umrahmt von Musikdarbietungen, stand. Im Jahre 1864 übernahm Magistrats Assessor Heinze in Delitzsch den Vorsitz im Verein. Nach seinem 1890 erfolgten Tode wurde der bisherige zweite Vorsitzende Stadtsekretär Fricke, Delitzsch gewählt. Jetzt führt den Vorsitz des Vereins der Mühlenbesitzer Karl Troitzsch in Beerendorf.
19. Juni
Kreisappell
Am Sonnabend den 17. und Sonntag den 18. Juni fand in Delitzsch ein lange vorbereiteter Kreisappell statt, zu dem von Halle Gauleiter Eggeling und der Stellvertretende Gauleiter Tesche erschienen. Der Sonnabend war den Jugendverbänden zu Kampf- und Wettspielen gewidmet. Während am Sonntag Gauleiter Eggeling in Landsberg das neue Hitler-Heim weihte, nahm Stellvertretender Gauleiter Tesche in Delitzsch den Kreisappell ab. Am Sonntag vormittag 9.30 Uhr war die Eröffnung der Ausstellung: Unsere Heimat. Von 11 bis 12 Uhr fanden Platzkonzerte der fünf Musikzüge auf folgenden Plätzen statt: Roßplatz, Markt, im Park, Elberitzplatz und Dübener Straße (Neue Siedlung). Um 14.20 Uhr war der Aufmarsch der Verbände und die Großkundgebung auf dem Marktplatz. Es sprach hier Stellv. Gauleiter Tesche. Im Anschluß hieran fand ein Vorbeimarsch an der Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße vor dem Stellv. Gauleiter statt. Um 17 Uhr begann auf dem Schützenhausplatz das Volks- und Kinderfest. Von 17.30 Uhr ab sprach im Schützenhofsaal der Stellv. Gauleiter Tesche vor dem Führerchor des Kreises. Abends war Tanz in den Sälen des Schützenhauses und Schützenhofes.
26. Juni
Heimatausstellung
Anläßlich des Kreisappells fand im "Lindenhof" zu Delitzsch eine Heimatausstellung unter dem Titel: "Unsere Heimat – Boden, Mensch und Werk" statt, die vom 20. bis 25. Juni geöffnet war. Es fanden in dieser Zeit zwei interessante Vortragsabende statt, die sich mit der Vorgeschichte unserer Heimat befaßten und gut besucht waren. Den ersten Vortrag hielt der Leiter des hiesigen Heimatmuseums Dr. Remoli. Unsere Heimat hat ihr heutiges Gesicht durch die Eiszeit erhalten, die alle Unebenheiten beseitigt hat, so daß große Erhebungen im ganzen Kreise nicht zu finden sind. Zunächst steht man einer solchen Behauptung skeptisch gegenüber. So war es die Aufgabe des Vortragenden, an Hand von Funden zu beweisen, daß in der hiesigen Gegend vor 5000 Jahren tatsächlich Bauern ansässig waren, die ihre Felder bestellten und nicht, wie vielfach behauptet wird, herumwandernde Nomaden gewesen sind. Siedlungen, Gefäße und andere Funde, auch gezähmte Tiere, zeigen, daß unsere Vorfahren keine Nomaden waren. An der Hand von Lichtbildern ging Dr. Remoli dann auf die Funde ein, auf die einzelnen Geräte, Gebräuche und Sitten, Kleidung und Lebensform unserer Vorfahren. Sie gingen nicht im Bärenfell, sondern trugen schlichte Kleider. Den zweiten Vortrag in der Heimatausstellung im "Lindenhof" hielt am Freitag den 23. Juni Professor Schulz, Universitätsprofessor in Halle über "Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands". Hatte der Vortrag von Dr. Remoli einen Ausschnitt aus der Vorgeschichte unseres Kreises gezeigt, so bildeten die Ausführungen von Prof. Schulz eine wertvolle Erweiterung, da sie unsere Heimat in den Gesamtablauf der Vorgeschichte stellten.
27. Juni
Besuch aus Schweden
Am Sonnabend trafen 21 Schüler aus Stockholm mit ihren Lehrern in Delitzsch ein. Sie befinden sich auf einer Deutschlandfahrt und hatten bei unserer Stadtverwaltung den Wunsch geäußert, einmal die ihnen nicht unbekannten "Schwedensignale" hören zu können. So erklangen dann am Sonntag in der Frühe vom Breiten Turm die Signale.
28. Juni
Erfindung
Dem Lehrer i.R. Heinrich Lobenstein wurde für seine Erfindung "Sattelgurt Ideal" vom Reichspatentamt das "Deutsche Reichspatent D.N.P. Nr. 678980" erteilt. – "Ideal" ist ein Gurt ohne Riemen, Löcher und Schnallen mit einer beweglichen Befestigungs-Vorrichtung, sowie mit selbstauswechselbaren Sattelstrippen.
10. Juli
"Graf Zeppelin über Delitzsch"
Der größte Höhepunkt dieses zweiten Julisonntages war ja wohl zweifellos der Besuch des Luftschiffes bei uns in Delitzsch. Es war durch den Rundfunk bekannt geworden, daß der "Zepp" bei seinem Besuch in Leipzig, die Reichsmessestadt von Norden her anfliegen würde, damit stiegen begreiflicherweise unsere Hoffnungen, aber in den letzten Jahren ist Delitzsch bei den Zeppelin-Besuchen immer recht schlecht weggekommen. Immerhin, man konnte hoffen, und siehe da, diese Hoffnung ging in Erfüllung; gegen 17.20 Uhr erschien plötzlich aus den Lüften der schlanke stählerne Leib und in dem Glanz der Nachmittagssonne zog er seine Kreise über unsere Stadt. "Da ist der Zeppelin", dieser Ausruf scholl hundertmal auf und begeistert von diesem neuen Wunderwerk deutscher Technik, von diesem wahren Wunderwerk deutschen Konstruktionsgeistes. Schätzungsweise flog L.Z. 130 etwa 150 bis 200 Meter hoch über uns. Rechnen wir einmal nach, wie klein uns ein Flugzeug in dieser Höhe erscheint, und wie mächtig der "Graf Zeppelin" noch wirkte, so kann man sich ungefähr ein Bild machen wie dieser mächtige Koloß von der Nähe aussieht. Doch davon wissen ja alle diejenigen zu erzählen, die aus unserer Stadt nach Leipzig gefahren waren und dort die Landung, den halbstündigen Aufenthalt und den Start miterleben konnten.
11. Juli
Zusammenlegung der Bahnhöfe
In diesen Tagen sind es 50 Jahre, daß die Öffentlichkeit mit einem interessanten Schriftwechsel der hiesigen örtlichen Behörden und dem Eisenbahnminister bekannt gemacht wurde, worin es sich erstmalig um die Zusammenlegung unserer beiden Bahnhöfe handelt. Unter den 14. Februar 1889 wurde in einer Petition an das Abgeordnetenhaus, die mit zahlreichen Unterschriften versehen war und vom Landrat von Rauchhaupt weiter geleitet war, auf die Unzulänglichkeit der Warteräume auf dem hiesigen Berliner Bahnhof und die Verkehrsstörungen beim Übergang über die Leipziger Chaussee hingewiesen und um beschleunigte Abhilfe gebeten. Darauf ist unterm 4. Juli 1889 vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten der Bescheid eingegangen, daß die Eisenbahn-Direktion Erfurt angewiesen worden ist, die Angelegenheit beim Übergang an der Leipziger Chaussee einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und etwaige Mißstände sofort abzuschaffen bezw. Erleichterungen zu schaffen. Was die Unzulänglichkeit der Warteräume auf dem Berliner Bahnhof anlangt, so ist eine Vereinigung der beiden dortigen Personenbahnhöfe in Erwägung gezogen und die Eisenbahndirektion zu Erfurt mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Projekts beauftragt worden. Das Schreiben trägt die Unterschrift des damaligen Ministers der öffentlichen Arbeiten Maybach.
29. Juli
Siedlung
In der Stadt Delitzsch werden den 1938 bereits bezogenen 32 Kleinsiedlerstellen auf der Straße nach Schenkenberg weitere 24 Stellen angereiht; die Ausschachtungen sind im Gange, am Wegebau für den Zugang zur Siedlung wird gearbeitet. Bei unserer Besichtigung der örtlichen Lage wird der Wunsch rege, den unschön wirkenden Wall der Müllablagerung, der als Rodelbahn gedacht war, recht bald durch Grünbepflanzung liebevoll zu verdecken.
14. August
Eisengitter
Heute morgen wurde damit begonnen, an der Mädchenvolksschule und der Luisenschule die Eisengitter zu entfernen. An der Luisenschule ist dieses Gitter überhaupt völlig unnötig; bei der Mädchenvolksschule wird man ein hübsches und abgeschlossenes architektonisches Bild dadurch erreichen, daß man den Steinsockel etwas erhöht und mit einer Abdeckplatte versieht. Wir hoffen, daß recht viele ihre Eisenzäune zur Verfügung stellen werden.
15. August
Rollschuhlauf
Am letzten Freitag sah Delitzsch zum ersten Mal den neuen Volkssport - das Rollschuhlaufen in seinen Mauern. Auf der Albert Böhmestraße rollten die kleinen Läuferinnen dahin und machten ihre Figuren, die da heißen: Bogenachter, Schlangenbogen, Dreier, Doppeldreier, Wende, Gegenwende, Gegendreier und Schlinge. Den gleichen Beifall wie die kleinen Künstler erntete die Leipziger Rollschuhlehrerin, die nach dem Takte des Wiener Walzer ein wirkliches Kunstfahren zeigte
19. August
Höhne
Polizeimeister Höhne in Delitzsch, der Leiter der hiesigen Schutzpolizei ist in die bei der Stadt Delitzsch freie Stelle des Polizeiobermeisters eingerückt.
24. August
Unglücksfall
Am Mittwochabend ertrank im Werkstättenteich der 29jährige Arbeiter Martin Goldstein.
29. August
Kriegsgefahr
Die drohende Kriegsgefahr gegen Polen gibt Veranlassung, mit dem gestrigen Tage die Bezugsscheinpflicht für bestimmte Waren in Kraft zu setzen. Die fraglichen Waren dürfen also nur gegen Bezugsscheine an Verbraucher abgegeben werden. Bezugsscheine für Spinnstoffwaren und Schuhwaren werden von den unteren Verwaltungsbehörden bezw. Gemeindebehörden auf Antrag ausgestellt. Die Einzelhandelsgeschäfte haben sofort eine Bestandsaufnahme über sämtliche bezugsscheinpflichtigen Waren zu machen.
27. September
Hamsterei auf Vorräte
Die Delitzscher Polizei hatte davon Mitteilung erhalten, daß bei der Witwe H. in Delitzsch über Gebühr Vorräte angesammelt werden. Als daraufhin Beamte der Delitzscher Polizei eine Haussuchung durchführten, wurde ein ausgesprochenes Hamsternest aufgedeckt. Es wurden für insgesamt 200 RM Lebensmittel und Gebrauchsartikel des täglichen Bedarfs gefunden, beschlagnahmt und der regulären Verteilung auf Bezugsscheine zugeführt. Frau H. wurde in polizeilichen Gewahrsam genommen und nach Halle ins Gerichtsgefängnis gebracht. Sie sieht einer strengen Bestrafung entgegen.
28. September
Die ersten Verwundeten
Heute morgen kamen in Delitzsch in einem Lazarettzug 67 Verwundete von der Ostfront an. Sie wurden im hiesigen Krankenhaus untergebracht, wo sie ihrer Genesung entgegensehen. Sie alle waren bei den Kämpfen am Weichselbogen und bei Warschau verletzt worden, hatten ihre erste Pflege und Hilfe in den Feldlazaretten gefunden und sind nun seit zwei Tagen von Polen nach hierher unterwegs. Von Ärzten und sachkundigen Pflegepersonal war der Transport selbstverständlich begleitet.
29. September
Schweinemästerei
Die Schweinemästerei der Stadt Delitzsch ist nach Beerendorf verlegt worden. Die Einrichtung ist nun fertiggestellt. Die ersten 20 Schweine warten nun begierig auf die Abfälle, die ihnen von den Haushaltungen unserer Stadt zufallen sollen. Ab Montag, den 1. Oktober wird die Sammlung von Küchenabfällen beginnen. An jedem Montag, Mittwoch und Freitag werden sich die Sammler mit ihren Wagen einfinden und jeder kann bestimmt damit rechnen, daß seine Abfalltonne geleert wird. Die ersten 20 Schweine werden natürlich nicht allein bleiben, die Mästerei wird bald noch mehr grunzende und hungrige Schweinchen zu füttern haben.
30. September
Bahnhofsdienst
Die Frauen der NS Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerkes haben sich dem Bahnhofsdienst zur Verfügung gestellt. Tag und Nacht stehen die Frauen in vierstündiger Ablösung auf ihrem Posten. Dieser Bahnhofsdienst soll den Durchreisenden und in Delitzsch aussteigenden Volksgenossen in jeder nur denkbaren Weise Hilfe und Beistand bringen. Die von langer Fahrt ermüdeten Abwanderer finden erfrischende Waschgelegenheit und eine kräftige warme Mahlzeit.
2. Oktober
Landwirtschaftliche Schule
Am Sonntag den 30. September verschied der Direktor der Landwirtschaftsschule Landwirtschaftsrat Konrad Schultze im Alter von 52 Jahren nach nur zweijähriger hiesiger Wirksamkeit als Leiter der landwirtschaftlichen Schule.
25. Oktober
Kursus
An der Landwirtschaftsschule in Delitzsch wird wieder ein Kursus für Schülerinnen durchgeführt. Für Jungbauern wird ein Winterkursus nicht abgehalten.
1. November
Reformation in Delitzsch
Die Evangelische Kirchengemeinde Delitzsch hat am gestrigen Reformationsfeste das Gedenken an die vor 400 Jahren erfolgte Einführung der Reformation in unserer Stadt gefeiert. Hier ein kurzer Rückblick: Unser Kreisgebiet war damals seit 1485 in zwei getrennt verwaltete sächsische Ämter geschieden, was für die Reformationsgeschichte unserer Gegend von großer Bedeutung wurde. Während das Amt Eilenburg zum Kurfürstentum Sachsen gehörte, war das Amt Delitzsch mit dem Herzogtum Sachsen verbunden. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen hatte schon 1521 in seinem Lande die Reformation eingeführt. Der Regent des Herzogtums Sachsen, Georg der Bärtige, war aber ein entschiedener Gegner der Reformation. Viele Delitzscher waren trotzdem heimlich zur Reformation übergetreten und besuchten heimlich den evangelischen Gottesdienst in Brehna, da Brehna zum Kurfürstentum Sachsen gehörte. Viele der sogenannten Abtrünnigen wurden auf der Straße nach Brehna von Häschern abgefangen und zur Bestrafung auf das Schloß geführt. Trotzdem griff die Reformation auch hier immer weiter umsich. Am 17. April 1539 schloß Georg der Bärtige die Augen. Sein Bruder Herzog Heinrich von Sachsen, schon länger ein Anhänger der Reformation, übernahm die Regierung des Herzogtums und führte sofort die Reformation auch im ganzen Herzogtum ein. Sein Freund, der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, half ihm dabei. Der erste evangelische Geistliche in Delitzsch war Simon Kottwitz, ein Minoritenmönch aus Leipzig. Er wurde im August 1539 von den Kirchenvisitoren und Freunden Luthers aus Wittenberg, Justus Jonas und Magister Georg Spalatin sowie den Amtmännern Dr. Melichor von Creuz, Kaspar von Schönberg und Rudolf von Reckenberg auf hiesigen Amte geprüft und dann hier eingeführt.
3. November
Wappenteppich
Die Stadt Delitzsch ist im Besitz eines wertvollen Wappenteppichs. Jahrzehntelang hing er unter einem grünseidenen Vorhang im hiesigen Stadtverordnetensitzungssaale. Vor einiger Zeit wurde er von seinem Platze entfernt und wird jetzt in einem Aktengewölbe des Rathauses aufbewahrt. Der Teppich wurde 1559 in der bekannten Werkstatt des "Teppichmachers" Egidius Wagner in Leipzig hergestellt. Die Wappendecke misst 230 x 195 cm und ist mit "E.W. 1559" signiert. Am 24. Februar 1548 ist Delitzsch kursächsische Stadt geworden. Auf den freibleibenden Zwickeln sieht man oben links das Hoheitszeichen der Markgrafenschaft Thüringen, rechts das der Markgrafschaft Meißen, unten links steht das Wappen der Herrschaft Landsberg, rechts der gelbe Adler der Pfalz Thüringen.
11. November
Lehrer Hirschfeld
In den gestrigen Morgenstunden ging der Lehrer a.D. Wilhelm Hirschfeld zur ewigen Ruhe ein. Hirschfeld ist Delitzscher Kind und wurde hier 1877 geboren. Nach beendeter Schulzeit besuchte er die hiesigen Lehrerbildungsanstalten. Kurze Zeit verwaltete er eine Lehrerstelle im Kreise Mansfeld und kehrte dann als Lehrer in seine Heimatstadt zurück, um an der hiesigen Mädchenvolksschule 35 Jahre zu wirken. Eine Reihe von Jahren war er auch Vorsitzender des Lehrervereins Delitzsch u. Umg. und Verwalter der Städtischen Volksbücherei. Ein schweres Leiden zwang ihn, seinem Beruf zu entsagen und in den Ruhestand zu gehen.
27. November
Finkenwirth
Mit Wirkung ab 1. Dezember ist der Lehrer Erhard Finkenwirth durch Verfügung des Regierungspräsidenten in Merseburg zum Konrektor der Delitzscher Knabenschule berufen worden.
7. Dezember
Neue Straßennamen
In der letzten Zeit sind in Delitzsch verschiedene Straßen umbenannt und nach den Namen verdienter Deutscher benannt worden. So erhielt die zwischen der Gustloffstraße und der Frontkämpfersiedlung gelegene Straße den Namen Richthofenstraße.
13. Dezember
Knabenvolksschule
Im Haushaltsplan der Stadt für 1939 war vorgesehen, daß die bisher völlig unzureichenden sanitären Anlagen der Knabenvolksschule eine Verbesserung erfahren sollten. Nun ist mit den Arbeiten begonnen. Um allen Anforderungen gerecht zu werden, hat man einen großzügigen Plan genehmigt. Es entsteht ein Neubau 6 mal 20 Meter mit Abortanlagen für Lehrer und Schüler sowie einem ausreichendem Fahrrad-Unterstellraum. Das Gebäude wird unterkellert, so daß Schutzräume für etwa 120 Kinder entstehen.
15. Dezember
Jubiläum Leubner
Die Firma Stellmacherei und Wagenbau Otto Leubner besteht nunmehr 50 Jahre. In diesen fünf Jahrzehnten hat dieser Handwerksbetrieb sich durch treue Pflichterfüllung, durch gute handwerkliche Arbeit und handwerkliche Solidität das beste Ansehen der Kunden aus dem ganzen Kreisgebiet erworben. Otto Leubner, der jetzt 77 Jahre alt wird, steht noch mit beiden Beinen mitten in seinem Betrieb. Noch legt er seine Hände nicht ruhend in den Schoß, sondern tut treu und brav seine Pflicht, wie er es von frühester Jugend an gewöhnt ist.
18. Dezember
Unglücksfall
Am Sonnabend den 16. d. Mts. verunglückte auf seiner Arbeitsstelle der Delitzscher E. Voigt, Hainstr. 5, tötlich. Er geriet beim Reinigen des Förderbands in das Getriebe, wobei er Verletzungen erlitt, die seinen sofortigen Tod herbeiführten.
1940
12. Januar
Höhne
Der Kreisführer der Gendarmerie des Kreises Delitzsch, Polizeiobermeister Höhne in Delitzsch ist zum Polizeileutnant befördert worden.
13. Januar
Erinnerung an Martin Rinckhardt
Bei der in den letzten Monaten vorgenommenen Umgestaltung auf dem Marienfriedhof ist an der Südwand ein Grabstein freigelegt worden, der über hundert Jahre den Blicken verborgen war und der aus heimatgeschichtlichen Gründen Beachtung verdient. Die städtische Bauverwaltung hat dankenswerter Weise dafür Sorge getragen, daß der Stein an der nördlichen äußeren Chorwand der Gedächtniskirche Aufstellung gefunden hat. Leider ist dabei versäumt worden, die umfangreiche Inschrift auf der Rückseite des Steines zu entziffern. Die Inschrift auf der Vorderseite lautet:
Die Wohl Ehrbare Viel-
Ehr- und Tugendsame
Frau Salome, gebohrene Rinckhardtin
des Weyland Wohl Ehrwürdig Großachtbaren Wohlgelehrten
Herrn M. Ernesti Dehnens
Wohlverdienten Archidiakonat in Eulenburg
Sehligen nachgelassem Frau Witwe Ward gebohren
in Eulenburg den 13. September 1625 starb
in Delitzsch, den 16. Juni 1696 ihres Alters 70 Jahre und 9 Monate
Hatt gezeuget 3 Söhne und 11 Töchter und erlebet 46 Kindes Kinder
Der Grabstein erinnert an eine Tochter des mit der Geschichte unserer Heimat eng verbundenen Eilenburger Pastors und Liederdichters Martin Rinckhardt durch dessen "Nun danket alle Gott"plündernde schwedische Truppenteile während des 30jährigen Krieges zum Abziehen bewegt wurden. Nach dem Eilenburger Kirchenbuch heiratete am 3. Februar 1646 ein Magister Deneus Jungfrau Salomonen, Herr M. Rinckhardt wohlgeliebte eheliche Tochter. 1649, nach Rinckhardts Tode, übernahm Dehne das Amt seines Schwiegervaters, er selbst starb am 16. März 1669. Seine Witwe verzog nach dem Tode ihres Mannes nach Delitzsch und starb hier 1696.
15. Januar
Konzert des Kreuzchores
Der gestrige Sonntag brachte uns Delitzschern einen besonderen Genuß im "Schützenhof" durch das Konzert des Dresdner Kreuzchors unter seinem Dirigenten Professor Mauersberger. Dieser weltberühmte Knabenchor hat selbst in Amerika bereits zwei Konzertreisen mit beispiellosem Erfolg absolviert. Was Professor Mauersberger mit seinem Knabenchor und mit seiner knappen Elite von Männerstimmen bot, war für viele ein vom Himmel gefallenes Geschenk und zeugte von dem erfolgreichen Bestreben, die alte Tradition des Dresdner Kreuzchors, dem bereits Richard Wagner als Chorschüler angehörte und ihm auch weiter treu verbunden blieb, aufrecht zu erhalten. Es war den Zuhörern eine herrliche, musikalische Feierstunde geboten.
22. Januar
Jubiläum der Kriegerkameradschaft
Die Kriegerkameradschaft Delitzsch und Umgegend beging am gestrigen Sonntag im "Schwan" den 50. Gründungstag. Der Kameradschaftsführer Jakoby begrüßte die Erschienenen und gab einen Rückblick der fünf Jahrzehnte. Kamerad Lucas gab dann ein ausführliches Bild der Ereignisse vom Gründungsjahr 1890 bis zum heutigen Tage. Nacheinander hatten die Führung der Kameradschaft die Mitglieder Werner, Gutezeit, Rosch, Stephani, Panier bis 1925 inne. Es folgte Ehrung von langjährigen Mitgliedern und eine Ansprache des Kommandeurs des Meldeamts Delitzsch, Major Borchers. Ein kameradschaftliches Beisammensein beschloß die Jubiläumsfeier.
24. Januar
Alte Gewerbe in Delitzsch
Delitzsch ist schon in alter Zeit eine gewerbstätige Stadt gewesen. Viele frühere Gewerbe sind der Zeit zum Opfer gefallen, neue sind erstanden. Die Gerber gingen einst am Gerberplan an der "Gerberwäsche" ihrer Beschäftigung nach. An der Töpfergasse waren die Töpfer ansässig. Den Böttcher und Stellmacher war die Holzstraße zugewiesen. Dann gab es Nadler, Posamentierer, Knopfmacher, Färber, Nagel-, Zeug-, Gold- und Degenschmiede auch Schwertfeger genannt. Ansehnlich war die Gilde der Tuchmacher, von denen es im Jahre 1397 heißt, daß ihrer 24 ihre Zeuge in den Delitzscher "Bänken" am Scharren (neben dem alten Rathaus im Heringsgäßchen) auslegten. Und dann ist die Delitzscher Strumpfwirkerei und Bierbrauerei nicht zu vergessen. Die Delitzscher Wassermühlen teilten das Schicksal der eben genannten Erwerbszweige. Sie sind dem Zeitalter der Kunstmühlen und Fabriken zum Opfer gefallen. Ihre Zeit war vorüber. Nur die Älteren von Delitzsch sahen noch das große Wasserrad der Elberitzmühle sich drehen, bis es 1919 für immer stillstand. Seit mehr denn einem Menschenalter verstummte das Räderwerk der Stadtmühle. Nur in alten Schriften liest man noch von Hausmühle, Spittelmühle, Schademühle und Pfeffermühle. Oder der Name Mühlstraße erinnert daran, daß einmal in dieser Gegend eine Mühle ihre Räder spielen ließ. Die Hausmühle gehörte zu den kleineren Mühlen; sie stand etwa dort, wo der alte Mühlgraben in den Lober fließt, das wäre nördlich der Oberschule hinter Dr. Schroeders Hausgrundstück. Sie wurde vom Rat der Stadt gekauft und abgebrochen. Die Spittelmühle lag in der Nähe des Hospitals an der Halleschen Straße. Als der Rat im Jahre 1451 bis 1454 eine großzügige Verstärkung der Wehranlagen vornehmen ließ, war die Spittelmühle im Wege und wurde abgebrochen. Die Schadebrücke (Schademühle d.A.) lag wenige Schritte oberhalb der Schafbrücke im Rosenthal und Dietzes Garten, dort wo jetzt das Grundstück des Lehrers i.R. Karl Thomas liegt. Das war ehedem ein Mühlengebäude. Die Pfeffermühle lag an einem kleinen Graben, der zwischen Gertitz und der Zuckerfabrik entlang, an der Luisenschule vorüber, hinter Geidels Garten dem Lober zufloß. Sie gehörte zum Dorfe Rubach, das hier lag. Der Rat kaufte 1428 die Mühle und ließ sie nach dem gewonnenen Prozeß mit der Gemeinde Rubach 1489 niederreißen.
17. Februar
Sitzung des Gemeinderates
Am Donnerstag fand im Sitzungssaal des Rathauses eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats statt. Auf der Tagesordnung stand neben Einführung zwei neuer Ratsherren die Beratung des vom Bürgermeister vorgetragenen Nachtragshaushaltsplan 1939. Die durch den Krieg eingetretenen Verhältnisse haben zu einer völligen Veränderung der Gemeindepolitik geführt. Rund 25000 Mark sind allmonatlich von der Stadt als Kriegsbeitrag abzuführen. Für die Sicherstellung der Ernährung mußte das Stadternährungsamt, für die Versorgung der Bevölkerung mit Spinnstoff und Schuhwaren und sonstigen Wirtschaftsgütern das Stadtwirtschaftsamt neu eingerichtet werden. Durch den Krieg bedingt machte sich die Einrichtung eines Hilfskrankenhauses und einer Infektionsabteilung notwendig. Durch die Einberufung von Gefolgschaftsmitgliedern zum Heer machte sich die Einstellung von Ersatzkräften notwendig. Es sind zwei Alarmsirenen für den Luftschutz angeschafft worden. Der ordentliche Haushaltsplan schließe in Einnahme und Ausgabe mit 2.644.100 Mark ab gegenüber den früheren Ansätzen in Einnahmen und Ausgaben von 2.084.100 Mark. Die städtische Schweinemästerei in Beerendorf ist erweitert worden. Rund 100 Schweine werden in Zukunft in den sauberen Stallungen der Schweinemästerei in Beerendorf aus städtischen Abfällen gefüttert werden können. Das bedeutet eine Entlastung unserer Kriegsernährungslage.
2. März
Gasthof "Zum eisernen Kreuz"
Am heutigen Tage kann der Gasthof "Zum eisernen Kreuz" in Delitzsch auf ein 100jähriges Bestehen zurückblicken. Der Gründer dieser bekannten und beliebten Gaststätte J.T. Göttsching zeigte im "Nachrichtenblatt für den Delitzscher und Bitterfelder Kreis" unter dem 22. Februar 1840 an, daß er am 2. März vor dem Breiten Tore, am Platze an der Postsäule, ein "Gasthofs Etablissement" zu eröffnen gedenkt. Daß dieser Gasthof, neben dem "Weißen Roß", das seit 1606 besteht, sicherlich einer der ältesten in der Vorstadt, sich bald eines guten Rufes erfreute, beweist die folgende Tatsache: Am 16. Mai 1846 weilte der König Friedrich Wilhelm IV mit seinem Bruder, dem Prinzen Friedrich Karl zur Besichtigung des 32. Landwehrbataillons hierselbst, welches hier in Garnison lag. Während der König im "Weißen Roß" abgestiegen war, nahm der Prinz im "Eisernen Kreuz" Quartier. Auf Göttsching folgten Merkwitz Vater und Sohn. Am 1. April 1900 übernahm Oskar Ziegler die Bewirtschaftung, der 1935 eine geräumige Veranda errichten ließ, die an heißen Sonntagen zu beschaulicher Rast ladet. Seit dem 1. April 1937 bewirtschaftet der Gastwirt Oskar Dietze dieses Lokal.
23. März
Lindenweg nach Döbernitz
Der vom Sorauer Bahnhof nach Döbernitz führende Lindenweg hat insofern eine Umgestaltung erfahren, als die der Bahnlinie zugewandten Lindenbäume jetzt weitgehend zurückgeschnitten worden sind. Da einzelne Zacken dieser Bäume in den Bereich der Elektrischen Leitungsdrähte hineinreichten, mußten alle schwächeren Zacken herausgeschnitten werden, um den Bäumen durch einseitiges Entfernen kein unregelmäßiges Aussehen zu geben.
26. März
Metallsammlung
In diesen Tagen hat der Sitzungssaal in unserem Rathaus ein anderes Aussehen als in friedlicher Zeit, als an gewöhnlichen Tagen. Der Sitzungssaal ist die Sammelstelle für das Metall, das die Delitzscher als Spende abliefern, um mitzuhelfen die Wehrkraft unserer Soldaten zu stärken. In dem Aufruf zur Metallspende heißt es, daß die großen Mengen, die in allen deutschen Gauen von allen opferbereiten Volksgenossen gespendet werden, die aus jeden kleinen und großen Haushalt, aus dem letzten Winkel aus Ost und Nord, aus West und Süd zusammenkommen, für Deutschlands Soldaten bestimmt sind. Ihnen werden daraus die Waffen geschmiedet werden, die sie in ihrem Kampf für Deutschlands Freiheit und Größe brauchen.
27. März
Stadtgraben
Heute Vormittag wurde wieder einer unserer hübschen großen Schwäne im Stadtgraben tot aufgefunden. Erst zu Ostern waren die Tiere, die zur Sommerszeit stets das Bild unseres Stadtgrabens so hübsch verschönern, wieder ausgesetzt worden, und nun ist einer von ihnen schon verendet. Auch früher haben wir schon über solche Fälle berichten müssen. Leider konnte bisher nie einwandfrei festgestellt werden, welche Todesursache die netten Tiere hatte krepieren lassen.
29. März
Buchhandlung Pabst
Am 29. März 1865 eröffnete der Buchhändler Reinhold Pabst in Delitzsch eine Buchhandlung, nachdem ihm die Genehmigung zur Führung eines Buchhandelsbetriebs erteilt worden war. Aus kleinen Anfängen hat er ein Sortiment aufgebaut, das über die Grenzen seiner Stadt hinaus Bedeutung bekommen hat. Auch verlegerisch hat er sich nicht unwesentlich betätigt. Er rief später auch einen Musikverlag ins Leben, der vorzugsweise Chor- und Kirchenmusik herausbrachte. Nach seinem Tod 1914 übernahm sein Sohn Paul das Sortiment und setzte das Werk im Sinne des Vaters fort. Der Weltkrieg hat dem Geschäft nicht nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche Verluste gebracht. Paul Pabst und dessen einziger Sohn Gerhard Pabst standen als Offizier im Felde; Gerhard Pabst fiel im September 1918. Am 1. Juli 1936 übergab er nach seiner 40jährigen Inhaberschaft krankheitshalber sein Sortiment seinem Schwiegersohn, dem Buchhändler H. Rättig, der ihm bereits seit 1931 zur Seite stand.
1. April
Jubiläum Zeidler
Am heutigen 1. April begeht der Glasermeister Hermann Zeidler aus Delitzsch im 77. Lebensjahr sein 50. Geschäfts- und Meisterjubiläum. Der Jubilar, der in dem jetzt von seinem Sohn, Glasermeister Ernst Zeidler, geleiteten Betrieb noch eifrig mitarbeitet, kann an seinem Ehrentag auf eine arbeits- und erlebnisreiche Berufstätigkeit zurückblicken, zumal er seine Jugend fern der Heimatstadt Delitzsch – u.a. mehrere Jahre in der Schweiz – als wandernder Glasergeselle verbrachte.
6. April
Metallsammlung
Die vielen Zentner kriegswichtigen Metalls, die inzwischen aus Delitzscher Haushaltungen zum Sitzungssaal des Rathauses gekommen sind, sie sind ein beredtes Zeichen für die Opferfreudigkeit unserer Bevölkerung. Eigentlich sollte ja mit dem heutigen Tage die Sammlung beendet sein, aber schon schnell mußte man einsehen, daß es in diesen wenigen Tagen nicht gelingen würde, allen ablieferungsmöglichen Bestand herbeizuschaffen, und so hat man sich im ganzen Reich entschlossen, die Spenden bis zum 20. April zu verlängern. Am morgigen Sonntag ist die Annahmestelle auch von 9 bis 12 Uhr geöffnet. An alle interessierten Volksgenossen ergeht nun die Einladung, sich einmal die Spendensammlung anzusehen. Man glaubt in einem kleinen Museum zu sein. Die Besichtigung wirkt aber auch anregend und wirbt für die Spendensammlung.
9. April
Deutsche Truppen in Dänemark u. Norwegen
Deutsche Truppen rücken blitzartig in Dänemark und Norwegen ein als Gegenschlag gegen den britischen Versuch, Skandinavien zum Kriegszuschlag gegen Deutschland zu machen. Es erfolgte die Besetzung wichtiger Punkte. Den beiden Ländern ist der deutsche Schutz zugesichert worden.
21. April
Abschluß der Metallspende
Mit dem gestrigen Tage, dem Geburtstag des Führers, ist die Metallsammlung abgeschlossen worden. In den letzten Wochen und Tagen bis zur letzten Stunde häuften sich Berge von Metall im Sitzungssaal des Rathauses, die aus allen Delitzscher Häusern zusammengetragen waren, um dem Führer auf den Geburtstag (-tisch d.A.) der Nation gelegt zu werden. Über 3600 Delitzscher Volksgenossen haben ihren Beitrag zur Metallspende des deutschen Volkes entrichtet. Eine Zahl, die weit mehr als Worte zu sagen vermag.
25. April
Reichspatent
Das deutsche Reichspatentamt erteilte dem Lehrer Heinrich Lobenstein für seine Erfindung "Rollklappverschluß für Gurte" ein D.R.G.M. Nr. 148990, nachdem er bereits im August 1939 ein D.R.P. Nr. 678980 für "Sattelgurt Ideal" erhalten hatte.
14. Mai
"Goldene Kugel"
Das in der Grünstraße gelegene Gasthaus "Goldene Kugel" ist von seinem bisherigen Besitzer, Gastwirt Robert Lampe an den Gasthauspächter Hönicke in Brodau verkauft worden. Die Übergabe erfolgt am 1. August.
23. Mai
Eisengitter
Es ist schon öfters über die Notwendigkeit der Entfernung der Eisengitter und –zäune vor den Häusern und Vorgärten geschrieben worden. Viele Einwohner haben längst sich zu der Einsicht bekehren lassen, daß ein solches Eisengitter nicht mehr zeitgemäß ist, und haben deshalb durch Beseitigung der häßlichen Einzäunungen das Stadtbild wesentlich verschönern helfen. Wo die Zäune verschwunden sind, hat das neue Aussehen, so schwer man sich auch manchmal von der alten Einrichtung getrennt haben mochte, doch allseitige Befriedigung ausgelöst, und viele Einwohner, die sich immer noch nicht recht entschließen können, werden die gleiche Freude erleben, wenn sie sehen, daß auch ihr "Festungsgürtel" vor ihrem Anwesen gefallen ist. Übrigens ist die Entfernung der Eisenzäune ab 1. Juni allgemein gesetzliche Pflicht, um die sich dann niemand mehr herumdrücken kann. Wer die Entfernung nach dem 1. Juni vornimmt, muß dies auf seine eigenen Kosten tun, während er jetzt noch hierfür nicht aufzukommen braucht.
24. Mai
Beschlagnahme
Um die brachliegenden Eisenmengen der Kriegswirtschaft zuzuführen, ist für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung die Anordnung zur "Beschlagnahme von Eisen und Stahl" erlassen, durch die ein Teil der bei den Industrie- und Handwerksbetrieben lagernden Eisenmengen beschlagnahmt wird.
21. Mai
Delitzsch als Provinzstadt
Heute am 21. Mai sind 125 Jahre verflossen, daß die Provinz Sachsen besteht. Somit ist aber auch unsere Stadt Delitzsch bereits ein und einviertel Jahrhundert Preußen zugehörig. Vor 125 Jahren unterzeichnete König Friedrich August von Sachsen den Vertrag, auf Grund dessen und auf Grund der Beschlüsse des Wiener Kongresses er einen großen Teil seiner bisherigen Besitzungen an Preußen abtrat. Mit diesem Tage war die Bevölkerung dieser Landschaften aus ihren Eiden und Pflichten gegen ihn entlassen, während König Friedrich Wilhelm III. von Preußen seinerseits die Besitzergreifung vollzog. Die Provinz wurde nach ihrer Begründung anfangs meist Herzogtum Sachsen genannt, weil der überaus größere Teil derselben ursprünglich kursächsische Gebiete waren.
28. Mai
Einwohner
Die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch betrug am 31. März 1940 18.007; sie ist gegenüber der vorausgegangenen Zählung ungefähr konstant geblieben.
10. Juni
Badezeit
Die überaus warmen Junitage bringen Hochbetrieb in unsere Bäder. Mit der Eröffnung des Freibades an der Elberitzmühle hat man schon in der kurzen Zeit große und kleine Gäste zu verzeichnen. Aber auch am Werkstättenteich herrscht wieder lebhafter Betrieb. Viele benutzen hier das Badegelände, um sich einmal einer rechten Bade- und Sonnenkur zu unterziehen.
12. Juni
Kirchenbau
Heute vor 500 Jahren am 12. Juni 1440 wurde das Kirchendach der Peter-Paulskirche zu Delitzsch gehoben und gerichtet, worüber man zwei Wochen zubringt.
18. Juni
Linde an der Stadtmühle
Von den schönen Linden entlang unserem Stadtgraben ist gestern eine eingegangen. Es handelt sich um einen hohen alten Baum bei der Stadtmühle. Beim Sturz riß das Ungetüm, das mit der Wurzel umbrach und in den Stadtgraben stürzte, das dortige Geländer um.
25. Juni
Waffenstillstand mit Frankreich
Der Krieg im Westen ist beendet. Ganz Delitzsch steht heute im Zeichen dieses großartigen deutschen Waffenerfolges. Fahnen über Fahnen flattern in den Straßen, Glocken rufen vom Turme die frohe Botschaft in die Lande hinaus und die Menschen, die uns begegnen atmen freier und fühlten sich beschwingt von dem gewaltigen Pulsschlag des Geschehens. Heute abend findet auf dem Marktplatz eine große Dankeskundgebung statt. Auf Anordnung wird vom 25. Juni bis einschließlich 1. Juli in allen Kirchen von 12 bis 12.15 Uhr täglich geläutet.
1. Juli
50 Jahre Zuckerfabrik
Ein halbes Jahrhundert ist es in diesem Kriegsjahr 1940 her, seit die Zuckerfabrik Delitzsch ihren Betrieb aufnahm. Das Unternehmen stellte schon in seinen Anfängen einen beachtlichen Faktor im Wirtschaftsleben der Stadt und des Kreises Delitzsch dar und ist in seiner weiteren Entwicklung bis heute in die Reihe der führenden Zuckerfabriken Deutschlands aufgerückt. Im Kreise Delitzsch fehlte es bis zum Ende der achtziger Jahre an einer zentral gelegenen Zuckerfabrik. Diesen Mangel zur Tat umzusetzen, fanden sich nun wagemutige und entschlusskräftige Männer im Jahre 1889 zusammen, und Dank der umfassenden Vorarbeiten und Tatkraft des Majors a.D. von Busse in Zschortau konnte im Sommer des Jahres 1889 in Delitzsch der Geschäftsvertrag abgeschlossen werden. Ein eifriger Förderer des Unternehmens war der als Leiter gewonnene Direktor Dr. phil. Ludwig Kuntze. Mit dem Bau wurde sofort begonnen und schon im Herbst 1890 konnte die erste Kampagne einsetzen. Direktor Dr. Kuntze, der bis 1915 wirkte, hat das Verdienst, die Zuckerfabrik aus ihren Anfängen zu einem fest fundierten erfolgreichen Werk ausgebaut zu haben, während es seinem Nachfolger, Direktor Robert Aumüller, der seit dem 1. Juli 1915 bis heute dem Werk vorsteht (also heute 25 Jahre), vorbehalten blieb, die Fabrik den erweiterten Aufgaben und technischen Neuerungen der Nachweltkriegszeit, sowie den speziellen Ansprüchen der Futtermittelerzeugung anzupassen. Die Leitung der Zuckerfabrik nahm das 50jährige Jubiläum am heutigen Montag zum Anlaß, in einer Generalversammlung die bisherigen Erfolge zu würdigen. In der im Anschluß an die Generalversammlung stattgefundenen Festsitzung nahm auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer und sonstige Gäste teil. Nächsten Sonnabend findet für die Gefolgschaftsmitglieder im Schwan eine besondere Betriebsfeier der Zuckerfabrik statt.
13. Juli
Vorgärten
Die Eisengitter sind ja nun zum großen Teil von den Vorgärten unserer Stadt verschwunden. Damit aber Delitzsch den Ruf, eine saubere Stadt zu sein, behält, müssen die Vorgärten auch weiter pfleglich behandelt werden, dürfen auch nicht beseitigt werden. Wie sie zu betreuen sind, bleibt den einzelnen Vorgartenbesitzern überlassen. Oder soll erst die Behörde mit Anordnungen kommen?
26. Juli
Saarländer
Am 13. September 1939, in einer herben Herbstnacht, kamen die 700 Saarländer bei uns in Delitzsch an. Es waren nicht Flüchtlinge, nicht Fliehende in des Wortes alter Bedeutung. Sie waren nicht geflüchtet, sondern man hatte sie nur aus einer Gefahrenzone herausgenommen, man hatte sie schützen wollen, hatte ihr Leben und ihre Gesundheit in sichere deutsche Obhut genommen. 700 Volksgenossen aus dem Saargebiet kamen zu uns. Greise, Frauen und kleine Kinder waren darunter. Zuhause ist alles in Ordnung geblieben, nichts wurde zerstört. Haus und Hof sind von der deutschen Wehrmacht geschützt worden und nicht eine einzige feindliche Granate ist herübergekommen. Gestern nun waren die Saarländer zum Abschiedsabend im Lindenhof noch einmal zusammengekommen. Vier Männer sprachen zu den Rückgeführten und den Quartiergebern. Kernige, echt deutsche Worte konnte man von ihnen hören und allen wird bei diesen Worten das Herz wohl etwas weiter geworden sein. Es waren die Männer, die in erster Linie über das Schicksal der Rückgeführten während ihres Aufenthalts in Delitzsch etwas sagen konnten, denn ihnen lag die Pflege, Betreuung und Führung der 700 ob. Es waren dies Kammer - Emden, der Führer und Sprecher seiner Landsleute, Bürgermeister Frey, Kreisamtsleiter Wilke und Schulrat Ahrens als Vertreter der Kreisleitung. Die Kapelle Wächter bestritt den musikalischen Teil und gemeinsame Lieder und ein Sologesang gaben dem Abend einen würdigen Rahmen.
27. Juli
Großkopf
Der bisherige Kriminaloberassistent Paul Großkopf ist mit Wirkung vom 1. Juli zum Kriminalsekretär befördert worden.
3. August
Einquartierung
Überraschend marschierte gestern in der Nachmittagsstunde eine Kompagnie Soldaten in unsere Stadt ein. Sie sollte hier eine Nacht Einquartierung beziehen. Auf dem Markt wurde Halt gemacht. Bald herrschte hier Hochbetrieb. Männer und besonders Kinder fanden sich hier ein. Sie wollten nicht nur die Soldaten sehen, sie wollten auch einen Soldaten in Quartier haben. Doch nur wenigen konnte ihr Wunsch erfüllt werden. Doch das Ereignis hatte eine große Menschenmenge auf die Beine gebracht, und es herrschte bis spät ein lebhafter Verkehr in den Straßen.
17. August
Fliegerschutz
Britische Flieger sind schon wiederholt nachts über unseren Ort geflogen. Wir vernahmen nicht nur das Rasseln der Motoren, es hat auch schon geknallt. Darum achte ein jeder auf vollkommene Verdunkelung seiner Wohnung. Verschiedentlich sind schon folgende Anordnungen gegeben worden: Prüfen Sie einmal alle Ihre Räume, ob sie auch wirkungsvoll verdunkelt sind. Prüfen Sie sich auch laufend, ob sie sich luftschutzmäßig verhalten! Sie sind zum Beispiel im Hellen ins Bett gegangen und haben deshalb Ihr Schlafzimmer nicht verdunkelt. In der Nacht aber ertönt Fliegeralarm und im Aufwachen denken Sie natürlich nicht daran, daß Sie kein Licht machen dürfen. Und schon ist es geschehen: durch die unverdunkelten Fenster fällt helles Licht auf die Straße. Überhaupt: bei Fliegeralarm darf keinerlei Licht gezeigt werden. Alle Fahrzeuge – auch wenn sie ordnungsmäßig abgedunkelt sind – müssen ohne Licht bleiben. Auch in Ihrer Wohnung soll grundsätzlich alles Licht ausgemacht werden. Es könnte ja sein, daß bei Bombenabwurf Ihre Verdunklungsvorrichtung undicht wird (Fenster können springen), so daß das Licht draußen zu sehen ist. Sie sollen ja bei Fliegeralarm Ihre Wohnung verlassen und in den Luftschutzkeller gehen.
20. August
Schweinemästerei
Unsere Stadtverwaltung unternahm am gestrigen Tage eine Besichtigungsfahrt zur Beerendorfer Schweinemästerei und zu den neuen Volkswohnungen an der Eilenburger Chaussee. Es beteiligten sich an dieser Fahrt unsere Stadträte und auch einige interessierte Gäste. Die Führung hatte Stadtbaurat Renner. Allgemein war man sichtlich befriedigt und erfreut über das, was hier geschaffen worden war. Es stehen augenblicklich dort 79 Schweine zur Mast, die ersten 15 Schweine sind schon an Delitzscher Fleischer abgegeben worden. Futter ist genügend vorhanden. Aus den Abfällen der Delitzscher Einwohner werden sie gefüttert und gemästet. Die einzelnen Haushaltungen heben ihre Abfälle auf, dort werden sie abgeholt und dann draußen verfüttert. Es werden augenblicklich etwa 400 Zentner Küchenabfälle erfaßt und diese Menge reicht aus, um noch weitere 30 Schweine zu mästen, die nun auch noch angeschafft werden sollen, so daß also bald dort draußen 110 Schweine gemästet werden. Stadtbaumeister Renner wollte für den Ausbau der Schweineställe sorgen. Die Fortsetzung der Besichtigungsfahrt führte zu den Volkswohnungen an der Eilenburger Chaussee, wo durch die Stadtverwaltung Delitzsch zehn Volkswohnungen entstanden sind, die in den nächsten Tagen von Gefolgschaftsmitgliedern der Firma Langer bezogen werden können. Der Mietpreis derselben beträgt 22, 28 und 30 Mark. Es werden weitere Volkswohnungen entstehen, sobald die Schwierigkeiten, die jetzt bestehen, behoben sind.
3. September
Reichart
Am heutigen Dienstag den 3. September kann der Kaufmann Reichart, Breite Str. 28, eine bekannte Persönlichkeit unserer Stadt seinen 92. Geburtstag begehen. In geistiger und körperlicher Rüstigkeit hat das greise Geburtstagskind dieses hohe Alter erreicht, und wer ihn heute sieht, der hält es kaum für möglich, daß Kaufmann Reichart schon 92 Jahre alt ist.
18. September
Fliegeralarm
Nach einer Anordnung wird auf Antrag bei Fliegeralarm die Genehmigung erteilt, daß frei praktizierende Ärzte und Hebammen Straßen und Plätze während des Alarms betreten können. Infolgedessen können sie zu Hilfeleistungen unmittelbar während eines Fliegeralarms in Anspruch genommen werden. Das darf aber nur in ganz dringenden Fällen geschehen.
20. September
Schulbeginn bei Fliegeralarm
Kreisschulrat Ahrens hat an alle ihm unterstellten Schulen, also an alle Volks- und Mittelschulen, in einem Rundschreiben die Verfügung erlassen, daß nach einem Fliegeralarm die Schulen zwei Stunden später beginnen und der Unterricht nicht länger als vier Unterrichtsstunden dauern soll.
21. September
Schlußlichter
Nach einer Verordnung müssen alle Fahrräder ab 1. Oktober 1940 bei Dunkelheit rote Schlußlichter führen. Zulässig sind hiernach rote Lampen jeglicher Art, also außer elektrischen Schlußlichtern auch solche rote Laternen, die durch Petroleum, Karbid u.s.w. gespeist werden. Es wird also nicht etwa ein elektrisches Schlußlicht verlangt. Mit Pedalrückstrahlern brauchen nach wie vor nur alle neu in den Verkehr gelangenden Fahrräder versehen zu sein.
23. September
Glesmer
Der Polizeihauptwachtmeister Max Glesmer, der seit 1. September 1925 im Dienst der Schutzpolizei der Gemeinde in Delitzsch steht, ist zum Polizeimeister befördert worden.
26. September
Straßenverkehr
Die Delitzscher Zeitung schreibt: Jede Stadt hat eine sogenannte "Bummelstraße" und daran ist eigentlich auch gar nichts auszusetzen. Wir denken nicht im geringsten daran, der Jugend diese kleine Freude zu nehmen. Wenn aber der "Bummel" zur Verkehrsstörung wird, dann sieht die Sache schon anders aus, dann muß Abhilfe geschaffen werden. Wir denken, daß sehen unsere Jungen und Mädel, die in erster Linie sich hier "promenierender Weise ergehen" auch selbst ein. Es wird nämlich nun schon früh dunkel und da bedeutet das Promenieren zweifellos eine Verkehrsstörung. Jetzt heißt es wieder rechts gehen und ein "auf und ablatschen" muß unterbleiben. Wenn auch die Eltern etwas in diesem Sinne auf ihre Jungen und Mädel einwirken, wird sicherlich die Breite Straße demnächst für den Passantenverkehr besser zu begegnen sein. Bei Einbruch der Dunkelheit muß der Bummel beendet sein.
2. Oktober
Radfahren
Laut Verfügung muß das Radfahren eingeschränkt werden. Fahrradbereifungen für private Fahrräder können nur auf Grund eines Bezugsscheines des zuständigen Wirtschaftsamtes bezogen werden. Das gilt auch dann, wenn das Fahrrad nicht nur für private Fahrten, sondern auch dienstlich benutzt wird. Fahrradbereifung nur für Dienstzwecke sind von der vorge-setzten Behörde zu beantragen. Spazier- und Ausflugsfahrten sind verboten.
3. Oktober
Geländeverkauf
Die Zuckerfabrik erwarb vom Bürgerhospital ein Gelände von rund 60 Morgen hinter der Bahn. Da das Bürgerhospital unter der Verwaltung der Stadt steht, mußte von hier aus die Genehmigung dazu erteilt werden. Die Zuckerfabrik wird dieses neuerworbene Gelände zur Lagerung von größeren Schlammengen benutzen. Ein der Stadt gehörendes Gelände an der General-Märcker Straße wurde an eine Privatfirma verkauft. Es handelt sich hier um rund 880 Quadratmeter.
10. Oktober
Delitzsch in früherer Zeit
Landesbeschreibungen, die von der geschichtlichen Vergangenheit unserer Heimat berichten, gibt es eine ganze Anzahl. K.A. Engelhardt aber, der um 1801 eine Erdbeschreibung der Kursächsischen Lande schrieb, hat mit praktischem Sinn nach den Nahrungszweigen der Bewohner geblickt und aufgezeichnet, was er damals für wichtig und erwähnenswert vom Handwerk, Ackerbau und der Industrie hielt. Vom Amt Delitzsch wird berichtet, daß es zum Teil nicht den besten Boden hat, doch Korn in einigen Gegenden auch Weizen gebaut, und gute Vieh- und Schafzucht aufweisen kann. Delitzsch mit seinen 3000 Einwohnern hatte Tuch- und Wollstrumpfmanufakturen.
22. Oktober
Stadtgraben
Der Stadtgraben bietet uns Delitzschern so manche Annehmlichkeiten. Ist er im Sommer schon eine Augenweide für uns, wenn wir die blitzblanken Schwäne dahergleiten sehen, wenn wir die Enten mit ihren Jungen beobachten können, so ist er uns im Winter durch seine Eisbahn, die so manchen Schlittschuhläufer Vergnügen bereitet hat, recht lieb und wert. Außerdem haben wir auch Eis, vor allem im letzten Jahre "ernten" können und nun die Fische. Gestern war nun der Fischzug im Stadtgraben. Insgesamt wurden 20 Zentner, nahezu 20 Zentner Fische aus dem Stadtgraben herausgeholt, elf Zentner Karpfen, acht Zentner Weißfisch und 58 Pfund Schleie. Es sind aber auch seiner Zeit 4 ½ Zentner Fische ausgesetzt worden.
1941
13. Januar
Ehrenbuch für Kinderreiche
Am gestrigen Sonntagvormittag fand im "Schwan" eine Feierstunde statt, die ein ganz besonderes Gepräge hatte. Zu dieser Feierstunde hatten Kreisleiter Krüger und Ortsgruppenleiter Schulze vom Reichsbund Deutscher Familie eingeladen. Es sollten kinderreiche Elternpaare aus Delitzsch die Ehrenbücher der Deutschen kinderreichen Familie überreicht werden, die der Führer gestiftet hat. Kreisleiter Krüger sagte in seiner Ansprache unter anderem, daß das deutsche Volk ein kinderreiches Volk werden muß. Vier Kinder sollen nicht das Maximum, sondern Minimum sein. Vor uns liegt die Zukunft und diese Zukunft stellt große Aufgaben an uns. Sollten sie deshalb nicht erfüllt werden können, weil wir nicht für den nötigen Nachwuchs gesorgt haben. Wir haben breite Felder zu bearbeiten demnächst, wir brauchen Menschen, tüchtige deutsche Menschen mit deutschem Blut und deutschem Glauben, wir brauchen junge, starke und unbeugsame Mädchen und Jünglinge, und wir brauchen Arbeiter der Stirn und Faust, die das Erbe verwalten dereinst, das ihnen diese Kampfgeneration unter der Führung Adolf Hitlers erkämpft hat. Wir wollen niemals in den Fehler verfallen, fremde Volkskräfte, fremdes Blut in unsern Reihen aufzunehmen, wir wollen unser deutsches Blut erhalten und es rein und unverfälscht weiterfließen lassen in den Adern unserer Kinder und Kindskinder. Aus der Hand des Kreisleiters empfingen nun die Mütter das Ehrenbuch. Ergriffen waren alle von dieser Feierstunde, die durch musikalische Darbietungen und Sprechchöre der Jugend und durch die Mitwirkung des Bannmusikzuges ausgestaltet war.
28. Januar
Arbeitstagung der Kreisamtsleiter
Sonntag vormittag waren die Ortsgruppenleiter, Kreisamtsleiter und Führer der Gliederungen unseres Kreises Delitzsch unter Leitung von Kreisleiter Krüger zur ersten großen Arbeitstagung im Jahre 1941 im Rathaussaal in Delitzsch zusammengekommen. Der Kreisleiter behandelte eine stattliche Reihe aktueller Probleme verschiedenster Art und gab dem Führerkorps entsprechende Anweisungen und Richtlinien. Zu verschiedenen kommunalpolitischen und agrarpolitischen Fragen nahmen Kreisamtsleiter Petzsche und Kreisamtsleiter Barth Stellung. Kreiswirtschaftsberater Otto Kohl klärte Fragen um die Kohlenversorgung. Kreisamtsleiter Wilke erörterte die einzelnen WHW Aktionen unter besonderer Berücksichtigung von Bauernopfer und Firmenspende. Kreisamtsleiter Leichert gab Aufklärung über Fragen des Führernachwuchses und zwar über die Auswahl von Anwärtern für Adolf-Hitler-Schulen und Ordensburgen. Kreispropagandaleiter Hartmann teilte mit, daß im Februar eine Redneraktion im Kreise Delitzsch zur Durchführung kommt. Kreisamtsleiter Ahrens wurde mit der Führung des Kreisschulungsamtes beauftragt.
30. Januar
Alte Delitzscher Bibliothek
Bei Arbeiten in der Preußischen Staatsbibliothek wurde zufällig ein Verzeichnis einer "Öffentlichen Bibliothek Delitzsch" das 2000 Bücher aus den mannigfaltigsten Wissensgebieten anzeigt und mit beachtenswerten Notizen aus dem Leben der verschiedenen Autoren versehen ist. Es wurde inzwischen anhand von Unterlagen festgestellt, daß diese bedeutende und weit über die Mauern unserer Vaterstadt bekannte Bücherei am Reformationstag 1717 von dem damaligen Superintendenten M. Streng in dessen Hause begründet und später in einem Anbau auf der Südseite der Stadtkirche untergebracht wurde. Bei der baulichen Umgestaltung der Kirche im Jahre 1889 ist dieser Anbau beseitigt worden, nachdem einige Jahre vorher die gesamte Bücherei durch die Stadtväter von einem Leipziger Antiquar verkauft worden war. Die Gattin unseres verdienten Chronisten Reime weiß sich noch zu erinnern, daß die Bücher auf Leiterwagen unter energischem Protest eines Teiles der Einwohnerschaft fortgefahren wurden. Erfreulicher Weise ist es gelungen, bisher etwa 100 Bände wieder aufzufinden.
18. Februar
Tag der Deutschen Polizei
Der letzte Sonnabend und Sonntag war der "Tag der deutschen Polizei". Überall an den Straßen, auf den Plätzen standen die Polizisten mit ihren Abzeichen und hielten den Vorübergehenden ihre Sammelbüchsen hin. Der "Tag der deutschen Polizei" erbrachte in Delitzsch die stolze Summe von 9385,97 Mark. Das ist viel, man bedenke, daß Delitzsch nicht einmal 20.000 Einwohner hat.
26. Februar
Winterhilfswerk
Am Dienstag abend mußten viele Delitzscher, die gerne beim Wunschkonzert im "Schützenhof" dabeigewesen wären, umkehren, denn schon recht früh war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Es werden weit über 1000 gewesen sein, die den Saal füllten, weit über 1000 Sitzplätze hatte man nämlich schon geschaffen und nicht wenige waren es, die sich stehend die Darbietungen des Gaumusikzuges des Reichsarbeitsdienstes anhörten. Doch nicht nur, was die Besucherzahl angeht, auch was den finanziellen Erfolg anbetrifft. Als der Ansager das vorläufige Ergebnis von über 6500 RM bekanntgab, war man gewiß allgemein überrascht über diesen Erfolg und Delitzsch konnte wieder einmal einen schönen, einen gehörigen Batzen Geld für das Winterhilfswerk für das 2. Kriegswinterhilfswerk zur Verfügung stellen.
27. Februar
Delitzscher Bannmusikzug
Die hiesige Wächter'sche Musikschule, die durch Verleihung des Titels "Bannmusikzug" geehrt worden ist, war von der Reichsjugendführung zu einer Gastspielreise nach Norwegen verpflichtet worden. Zunächst ging die Reise nach Berlin, wo der Bannmusikzug mit einem Teil eines Musikzuges von Hannover verschmolzen wurde. Am frühen Morgen des nächsten Tages ging es weiter nach Stralsund – Saßnitz und dann mit dem Fährdampfer bis Trelleborg. Nach einer 20stündigen Bahnfahrt kam man dann in Oslo an. Ein Mittagessen wurde eingenommen und weiter ging die Fahrt nach Drammen, eine Stadt von 14.000 Einwohnern. Recht interessant und vielseitig war dann die Weiterfahrt nach Bergen. Zwei Tage war man Gast. Nach Bergen war wieder Oslo das Ziel. In Anwesenheit des Jugendführers Axmann und des Norwegers Quisling fand hier eine große Kundgebung statt. Fünf Tage blieb man in Oslo. Es war ein Erlebnis für unseren Musikzug. Täglich wurde er eingesetzt. Bei allen hiesigen Veranstaltungen übernahm der M.Z. die musikalische Ausgestaltung. Recht unangenehm ging dann die Rückfahrt vonstatten, vornehmlich die Überfahrt über die von Eisschollen bedeckte Ostsee. Über Berlin kommend kehrten dann die jungen Delitzscher wieder heim.
3. März
Krieg
Deutsche Truppen sind in Bulgarien eingerückt.
6. März
Säuglingskursus
Vom Mütterdienst wird jetzt in Delitzsch ein Säuglingskursus abgehalten werden. Leiterin des Lehrgangs ist Frl. Lorenz von der Mütterschule. Der Lehrgang läuft in der Kantine des Reichsbahnausbesserungswerkes. Er umfaßt 10 Abende zu je 2 ½ Stunden. Keine junge Frau und kein junges Mädel sollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, an dem Kursus teilzunehmen. Die Kosten für den Lehrgang betragen 2,55 RM.
17. März
Feierstunde für die Gefallenen
Gestern beging Delitzsch den Heldengedenktag in würdigen Feierstunden. Im Schützenhof, dessen großer Saal würdig ausgestaltet war, fand diese Morgenfeier statt. Die Angehörigen der 26 toten Helden dieses Krieges, die unsere Stadt dem Vaterland geopfert hat, hatten ihre Ehrenplätze eingenommen. Stimmungsvoll setzte die Musik ein. Feierlich erklangen die heldischen Weisen durch die Stille des Raumes. Und feierlich klang dann die Stimme des Kreisleiters auf. Mit erhobener Rechten stehend hörten die Anwesenden die Namen jener 26 Helden, die von uns gegangen sind. Es sind dies:
Feldwebel Walter Clasen Obergefreiter Heinz Haseloff
Soldat Georg Krause Soldat Paul Kersten
Unteroffizier Kurt Krell Soldat Erich Schneider
Unteroffizier Walter Sturm Soldat Gerhard Peters
Schütze Gerhard Herrmann Schütze Artur Walter
Soldat Martin Klingsporn Pionier Helmut Bieler
Gefreiter Heinz Bartholomäus Unteroffizier Ludwig Becker
Pionier Erich Krippner Unteroffizier Otto Mordt
Soldat Johannes Müller Flieger Rudolf Müller
Gefreiter Richard Sebastian Gefreiter Erich Wenzel
Polizeiwachtmeister Joachim Trebs Unteroffizier Heinz Trepte
Schütze Paul Kühne Mechanikergefreiter Max Ulrich
Panzerjäger Erich Mann Funker Kurt Neigenfind
Eine zweite Gedenkfeier fand 10 ½ Uhr auf dem Marktplatz und vor dem Kriegerdenkmal am Halleschen Turm statt.
26. März
Orgel der Stadtkirche
Auch Orgeln haben ihre Geschichte. Die Orgel der Peter-Pauls Kirche ist für eine Stadt wie Delitzsch ein beachtliches Werk. Sie ist 1929 bei der letzten Kirchenerneuerung mit allen modernen und technischen Einrichtungen versehen worden und hat 35 klingende Stimmen. Um das dem Laien verständlich zu machen sei gesagt, daß dazu etwa 3000 Holz- und Zinnpfeifen gehören, die in drei Stockwerken übereinander angeordnet sind. Die längste Pfeife ist etwa 3 Meter, die kleinste 3 Zentimeter lang. Der Gebläseantrieb, zu dem früher vier Arbeitskräfte benötigt wurden, ist heute natürlich elektrisch. Die heutige Orgel hat selbstverständlich verschiedene Vorgängerinnen gehabt. Die erste wird im Jahr 1333, also noch im alten Kirchenbau erwähnt. Zu der Zeit konnten sich nur sehr reiche Gemeinden eine Orgel leisten, deren komplizierter Organismus mit Wasserdampf angetrieben wurde. Der 1404 begonnene Kirchenneubau bekam seine erste Orgel 1414, die schon 1463 durch eine neue ersetzt werden mußte. Durch den berühmten Orgelbauer "Hans Beck in dem Haine" wurden 1520 zwei Orgeln für die Stadtkirche gebaut, die große stand an Stelle der heutigen, die kleinere - ein Geschenk des Herzogs Georg des Bärtigen - auf einer Empore an der Nordseite. Im Jahr 1560 baut der Sohn Anton Beck die beiden Orgeln um. Als 1592 die Herzogin Witwe Christiane das hiesige Schloß als Witwensitz bezieht, schenkt sie 200 Thaler zur Besserung der Orgel, und Meister Severin Holbeck baut sie um, so daß sie damals schon 28 Register mit 1679 Pfeifen hat. Bei der Übergabe fällt der Meister von den Bälgen und stirbt. Im Jahre 1734 ist Johann Sebastian Bach, Musiker aus Leipzig als Pate bei einem Kind des Delitzscher Kantors Nützer im Kirchenbuch eingetragen. Jedenfalls hat er bei der Taufhandlung auch die Orgel gespielt, wie er wahrscheinlich auch schon vorher als Schüler die hiesige Organistenstelle innehatte.
1. April
Schulrat König
Vor kurzem hat Studiendirektor Schulrat Karl König, der letzte Leiter des Delitzscher Seminars, seinen 75. Geburtstag begangen und nun kommt aus Halle die Nachricht, daß der in Delitzsch so beliebte und geschätzte Schulmann plötzlich gestorben ist. Er hat sich große Verdienste um die Lehrerbildung erworben, er hat sich allzeit für den jungen Nachwuchs der Lehrkräfte eingesetzt und ist seinen Schülern stets mehr Freund und aufrichtiger Berater als gebieterischer Vorgesetzter gewesen. Man schätzte seinen aufrichtigen Charakter, und für immer wird sein Name mit dem früheren Delitzscher Lehrerseminar verbunden bleiben.
7. April
Krieg
Die deutschen Truppen sind in Jugoslawien einmarschiert.
19. April
Ehrenberg
Wenn wir mit offenen Augen durch die Hallesche Straße gehen, dann fällt uns in einem Hause eine Ehrentafel auf, die angibt, daß dort am 19. April 1795 Christian Gottfried Ehrenberg geboren ist. Dieser große Sohn unserer Stadt hat durch seine Forschungen Weltruhm erlangt. Als er am 27. Juni 1876 nach einem langen, forschungsreichen und arbeitsreichen Leben in Berlin als Professor der Medizin starb, hinterließ er ungeheuer viele Forschungsergebnisse und zahlreiche wissenschaftliche Werke, die auch heute noch volle Anerkennung verdienen. Wir Delitzscher dürfen auf diesen Sohn unserer Stadt mit recht stolz sein, und wenn wir nun wieder einmal durch die Hallesche Straße spazieren, dann können wir ruhig einmal Obacht auf diese Gedenktafel geben, die zwar den eingesessenen Delitzschern wohl bekannt ist, von vielen anderen Einwohnern aber kaum beachtet wird. Im hiesigen Heimatmuseum ist ein großer Teil eines Zimmers unserm großen Landsmann gewidmet. Ein Nachkomme des großen Forschers Frau Dr. med. Charlotte Putzar-Ehrenberg hat dem Museum zahlreiche Werke und Bilder seiner Reisen gestiftet.
29. April
1. Mai 1941
Behördlicherseits wird bekannt gegeben:
Die am Nationalen Feiertag des deutschen Volkes (1. Mai) übliche allgemeine Beflaggung und Ausschmückung der Gebäude unterbleibt in diesem Jahre. Der 1. Mai ist als nationaler Feiertag des deutschen Volkes auch in diesem Jahr gesetzlicher Feiertag. Offizielle Feierlichkeiten werden am 1. Mai nicht veranstaltet. Dagegen können kameradschaftliche Betriebsfeiern in würdigem und der Zeit entsprechendem Rahmen durchgeführt werden.
6. Mai
Statistik der Stadt Delitzsch
Es soll hier einmal das gegenwärtige Delitzsch im Spiegel der Statistik betrachtet werden und zwar über Fläche, Bevölkerung, Männer- oder Frauen-Überfluß, Haushaltungen, soziale Stellung der Bevölkerung. Die Stadt Delitzsch hat eine Fläche von 14,60 Quadratkilometern aufzuweisen und über diese Fläche verteilt sich eine Bevölkerung von fast 18.000 Einwohnern. Dies bedeutet, daß auf einen Quadratkilometer unserer Stadt rund gerechnet 1235 Einwohner kommen. 5800 Haushaltungen in Delitzsch wurden am 1. Januar 1940 ermittelt und hier wohnen rund 8600 männliche und 9400 weibliche Personen zusammen. Demnach hat unsere Stadt einen Überfluß an Frauen aufzuweisen. Interessant ist in diesem Fall die Tatsache, daß in den meisten deutschen Gemeinden ein Männerüberschuß im Ansteigen begriffen ist. Die soziale Stellung der Delitzscher wird an Hand der Berufszählung nachgewiesen. Es gab: Selbständige 9,3, Arbeiter 67,1, Angestellte 14,00, Beamte 7,4, Mithelfende Familienangehörige 2,2 Prozent. Nach dem Reichsdurchschnitt gehören fast 53 Prozent der deutschen Bevölkerung ihrer sozialen Stellung nach zu den Arbeitern, während 17 Prozent zu den Selbständigen und 13 Prozent zu den Angestellten gehören. Der Beamte vereint nur 7 Prozent auf sich und der Rest von 10 Prozent entfällt auf die mithelfenden Familienangehörigen, bei denen der weibliche Anteil viermal so groß ist als bei den Männern.
10. Mai
Tod des Bildhauers Otto Richter
Plötzlich und unerwartet ist am 8. Mai in Löbnitz, wo er bei Verwandten zu Besuch weilte, der weit über Deutschlands Grenzen bekannte Bildhauer Otto Richter, Berlin, gestorben. Otto Richter war ein Sohn unserer Heimat. Vor 74 Jahren war Richter in Löbnitz geboren worden und hat später in Delitzsch die Elfenbeindrechslerei erlernt. Zahlreiche außerordentlich dekorative Arbeiten hat er an öffentlichen Gebäuden durchgeführt, so in Berlin, Dortmund, Hannover u.a. und eine große Anzahl von Statuen hat er während seines Lebens geschaffen. Besonders seine Mitarbeit am Reichstagsgebäude brachte ihn in nahe Beziehungen zu hervorragenden Baukünstlern. An der Berliner Technischen Hochschule war er eine fruchtbringende Lehrkraft, und in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen wurde Otto Richter vor einigen Jahren vom Führer zum Professor ernannt. In all den Jahren zog es ihn immer wieder in seinen Heimatort zurück. Nun ist er auch dort gestorben.
14. Mai
Die Turmuhr der Marienkirche
Lange Zeit standen die großen Zeiger der Turmuhr an der Krieger-Gedächtniskirche still. Nun schlägt sie wieder. Nun geht sie wieder richtig. Es ließe sich feststellen, wer diese Uhr gebaut hat; wie viele Jahre diese alte Turmuhr schon auf ihrem Rücken hat, aber das spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle. Sie geht wieder! Mag sie nun Jahrzehnte alt sein, mag sie ummodert sein und vielleicht gar schon ein wenig "überholt", uns freut es, daß sie wieder in Ordnung ist, und ein ganz klein wenig sind wir auch dafür dankbar, denn nicht jeder und alle haben stets eine Uhr bei der Hand. Die Reparatur war nicht leicht, das zeigt schon die Zeit an, die sie dauerte, aber wir hoffen, die Arbeit hat sich gelohnt und überdauert weitere Jahre.
31. Mai
Haushaltsplan 1941
In diesen Tagen fand im Rathaus eine Ratsherrensitzung statt. Auf der Tagesordnung stand vor allem der Haushaltsplan 1941. Er war den Kriegsverhältnissen angepaßt. Durch die Kriegszeit war ein erheblicher Mehranfall an Arbeit und Planung notwendig geworden. Der Haushaltsplan wird in Einnahme und Ausgabe im ordentlichen Haushaltsplan mit 3.091.800 RM und im außerordentlichen Haushalt mit 543.200 RM abschließen. Das Hausgrundstück Schulstraße 25 ist von der Stadtverwaltung erworben worden. Die unzulänglichen räumlichen Verhältnisse der Mittelschule machen eine Erweiterung und Ver-größerung notwendig. Auch wird auf der Ludwig Jahnstraße ein neuer Kindergarten eingerichtet. Ein Haus dazu ist erworben worden. Die Umbaukosten tragen die Stadt, Böhme A.G. und die Firma Leichtmetallwerk Rackwitz.
4. Juni
Altpapiersammlung
Es beginnt eine große Aktion der Sammlung von Altpapier. Die Schulkinder holen das Altpapier in den Haushalten ab; es kommt zur Sammelstelle auf dem Schulhof im Schuppen, von wo aus es über den Altmaterialhandel der Industrie zugeführt wird.
10. Juni
Überschwemmung des Lobers
Die kürzlich niedergegangenen Regenmengen haben auch hier bei uns, wie in sehr vielen Ortschaften des Kreisgebiets zu erheblichen Überschwemmungen geführt. Es sind natürlich immer wieder dieselben Anlieger, die besonders stark von diesen Überschwemmungen getroffen werden. Viele Gartenbesitzer sahen sich um die Früchte ihrer Arbeit gebracht, denn kaum hatten sie ihren Garten wieder sauber und einigermaßen trocken, so stand das Wasser schon wieder in erheblicher Höhe. Auch Wege und Wiesen blieben nicht unverschont. Der Lober erweist sich doch immer wieder zu bestimmten Jahreszeiten als recht gefährlicher und unangenehmer Nachbar, der einem schon einige Sorgen bereiten kann. Es ist gewiß, daß man in günstigeren Zeiten einmal daran denken wird, ihn besser einzubetten, damit er nicht so leicht aus den Ufern treten kann.
22. Juni
Krieg auch mit Rußland
Am 22. Juni ist die deutsche Armee doch in Rußland einmarschiert und der Krieg mit Rußland hat begonnen. Der Führer gibt dazu Folgendes bekannt: Mit dem 22. Juni 1941 ist der Krieg Europas um seine Freiheit und sein Leben in ein neues Stadium getreten. Nachdem Sowjetrußland schon seit längerer Zeit – Hand in Hand mit England - ein verräterisches Doppelspiel getrieben und den zwischen Deutschland und Rußland im Juni 1939 zustande gekommenen Freundschaftspakt wiederholt gebrochen hatte, sind diese Zwistigkeiten jetzt zu einem Krieg geworden, in dem die ganze Kulturwelt Europas den tödlichen Gefahren des Bolschewismus im entschlossenen Abwehrkampf gegenübertritt. Der Führer selbst stellt fest, daß Moskau damit die Abmachungen unseres Freundschaftspaktes in erbärmlicher Weise verraten hat, so daß die Stunde gekommen ist, in der Deutschland diesem Komplott gegenüber treten muß. Er erklärte, er habe sich deshalb entschlossen, das "Schicksal und die Zukunft unseres Volkes wieder in die Hände unserer Soldaten zu legen". Im Verein mit finnischen Kameraden und zusammen mit rumänischen Soldaten vollziehe sich vom Eismeer bis zu den Gestaden des Schwarzen Meeres ein Aufmarsch gegen Sowjetrußland, der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt bisher gesehen hat. Der Führer schließt: "Möge uns der Herrgott gerade in diesem Kampfe helfen!"
3. Juli
Grünanlagen
Die Grünanlagen unserer Stadt werden dem Schutze aller empfohlen. Als die Einzäunungen der öffentlichen Parks und Anlagen entfernt wurden, zeigte sich die Allgemeinheit sehr verständnisvoll, und man darf mit wenigen Ausnahmen wohl sagen, daß es keinem Menschen mehr eingefallen ist, sich nun etwa auf den wohlgepflegten Wiesen und Anlagen auszutoben. Es war und ist ein Gebot des Anstandes, daß man die Anlagen nicht betritt. Genau so hat sich die Allgemeinheit zum Schutze der nunmehr zum allergrößten Teil freigelegten Vorgärten gemacht. Man muß bedenken, daß die Entfernung der Gitter ja auch aus kriegswirtschaftlichem Interesse erfolgte, und daß somit die Gartenbesitzer ihr Eigentum der Allgemeinheit anvertrauten – Also Rücksichtnahme üben!
16. Juli
Unsere Badeanstalten
In diesen Tagen des Hochsommers herrscht in unsern beiden Badegelegenheiten, im Elberitzbad wie im Werkstättenteich, Hochbetrieb. Wir haben natürlich keinen Grund, unsere Sommerbäder mit den großen modernen Schwimmsportanlagen zu vergleichen, die wir in einigen Großstädten finden, mit denen auch Halle und Leipzig aufwarten können, aber wir sind trotzdem viel besser daran als viele andere Städte mit gleicher Einwohnerzahl, die gar kein Bad besitzen. Wenn der Krieg zu Ende sein wird, dann wird gewiß unsere Stadtverwaltung auch in dieser Beziehung etwas tun, sie wird dann dem Elberitzbad und vielleicht auch den Anlagen am "Teich" eine größere Sorgfalt widmen können. Aus dem Elberitzbad ist bestimmt etwas zu machen, aber dazu gehören Geld, Arbeitskräfte und Material.
23. Juli
Tierkörperbeseitigungsanstalt
Im Kreise Delitzsch wird jetzt eine neuzeitliche Tierkörperbeseitigungsanstalt in der Gemarkung Oberglaucha in der Nähe von Düben errichtet. Das Einzugsgebiet umfaßt den Kreis Delitzsch, den Kreis Bitterfeld sowie den südlich der Elbe liegenden Teil des Kreises Wittenberg. Die Anstalt liegt an der Provinzialstraße Wellaune – Eilenburg zwischen Niederglaucha und Hohenprießnitz. Die Vorarbeiten haben bereits begonnen. Die Gesamtkosten sollen 235.000 M betragen, die gesamte Bauleitung hat das Kreisbauamt Delitzsch übernommen.
1. August
50 Jahre "Schwan"
Am heutigen 1. August ist das Hotel "Zum Schwan" fünf Jahrzehnte im Besitz der Familie Petzschner, die vorher bereits in Leipzig eine Gastwirtschaft hatte. Fünf Jahrzehnte sind auch gerade für das Gastwirts- und Beherbergungsgewerbe eine lange Zeitspanne, und die Entwicklung des Fremdenverkehrs in dieser Zeit machte sich außerordentlich günstig bemerkbar. Das Hotel "Zum Schwan" ist unter der Leitung der Familie Petzschner mit der Zeit gegangen, und die zahlreichen baulichen und technischen Veränderungen des Hauses sind dafür ein schöner Beweis.
13. August
Am Werkstättenteich
Unsere Marine H.J. tut Dienst am Werkstättenteich. Der Werkstättenteich in Delitzsch wird immer mehr eine gute Übungsstätte. Hier findet die Vorbereitung für den Dienst in der deutschen Kriegsmarine statt. Die Marine S-A hat hier ihr Heim erbaut, das der Marine H-J mit zur Verfügung steht. Dem Heim gegenüber, auf dem anderen Ufer des großen Teiches hat die Marine H.J. einen Signalmast errichtet, so daß hier unter völlig einwandfreier Bedingung geübt werden kann. Bei Sonnenschein oder Regen, bei Wind oder Sturm geht es hinaus zum Dienst. Die Ausbildung der Marine H.J. dauert vier Jahre.
20. August
Einbruch
Ein verwegener Einbruchdiebstahl wurde in der Nacht zum Mittwoch im Hotel "Zur Linde", Eilenburger Straße, verübt. Durch Nachschlüssel gelangten die Diebe in die Wirtschaftsräume des Hotels, erbrachen mit dort vorgefundenem Werkzeug eine eiserne Kasette, die etwa 1000,- M Bargeld enthielt. Eine Schreibtischschublade erbrachen sie ebenfalls und ließen das dort vorgefundene Kleingeld mitgehen. Ein ähnlicher Diebstahl ist in der Nacht auf Montag in der Eisenbahnstraße bei Worg versucht worden. Die Täter sind zwischen 21 und 23 Uhr durch ein offenes Fenster in die Wohnung eingedrungen, haben aber keine Beute machen können.
24. August
Krankenwagen
Die Bereitschaft Delitzsch I vom Roten Kreuz hat einen weiteren neuen Krankenwagen bekommen. So ist es möglich, daß ein Wagen für Kranke mit ansteckenden Krankheiten bereitgestellt wird. Bisher haben sich häufig Unzulänglichkeiten ergeben, wenn einmal Transporte zeitlich zusammenfielen oder ein Wagen sich in Reparatur befand.
9. September
Thierbach
Es wird bestimmt noch einige alte Delitzscher geben, die sich an den im Jahre 1873 in Delitzsch verstorbenen Kantor und Komponisten Albin Thierbach erinnern, der in Delitzsch lange Jahre gelebt hat. Eine Tochter dieses Albin Thierbach, die als Erzieherin im In- und Ausland tätig gewesen ist, und auch ihrer Vaterstadt häufig im Laufe der Jahre Besuche abgestattet hat, konnte jetzt in Halle ihren 95. Geburtstag in körperlicher und geistiger Rüstigkeit begehen.
10. September
Rosengarten
Der Rosengarten ist auch jetzt noch wunderschön. Wer jetzt einmal einen Spaziergang zum Rosengarten macht, der wird entzückt und begeistert sein von dem wunderschönen Anblick, den die noch blühenden Rosen bieten. Herrlich ist das Fluidum, das dem Besucher entgegenströmt, und scheint auch schon der Herbst und Winter langsam den Sieg über den Sommer davonzutragen, so können wir auch jetzt noch sommerliche Schönheit genießen.
20. September
Weißes "U"
Auch bei uns in Delitzsch ist man dazu übergegangen, an den Straßen die Hydranten besonders deutlich zu kennzeichnen. Auf verschiedenen Straßen hat man auf die Bürgersteige ein weißes "U" gemalt, so daß auch nachts, wenn einmal Feuer irgendwo ausgebrochen sein sollte, der Hydrant leicht gefunden werden kann. Auch die Bordkanten an den Straßenkreuzungen erhalten zur besseren Orientierung des Nachts weiße Anstriche.
25. September
Neuer Kindergarten
Der Bau des neuen Kindergartens in Delitzsch geht rüstig weiter. Er wird 43 m lang und 14 m breit und wird sonach in der Lage sein, eine stattliche Anzahl Kinder aufzunehmen. Mehrere Arbeitsräume, Spielräume, Waschräume werden im Erdgeschoß untergebracht. Das Obergeschoß ist für die Kindergärtnerinnen.
2. Oktober
125 Jahre Kreis Delitzsch
Am 4. September des Jahres 1816, also vor 125 Jahren erließ die Regierung zu Merseburg eine Verordnung, die sich mit der Neuordnung und dem Aufbau des Regierungsbezirkes Merseburg und der Kreise befaßte. Der Regierungsbezirk Merseburg wurde in zwei Stadt- und 15 Landkreise eingeteilt. Der Kreis Delitzsch besaß schon damals als Kreisstadt die Stadt Delitzsch. Die Hauptbestandteile des Kreises waren die Ämter Delitzsch und Eilenburg vom ehemaligen Leipziger Kreis. Jedoch wurden einige Teile abgetreten. Sie kamen an den Saalkreis und den Bitterfelder Kreis. Zu dem Kreis Delitzsch kamen aber auch Ortschaften vom Saalkreis, vom Amt Bitterfeld, vom Amt Schkeuditz, vom Amt Pröttitz, vom Stift Wurzen, vom Amt Torgau. Als provisorische Kreisbehörde wurde für den Delitzscher Kreis der Amtshauptmann von Pfannenberg eingesetzt.
8. Oktober
Ratssitzung
Die Ratsherren unserer Stadt tagten wiedereinmal. Die Stauanlage an der Elberitzmühle wurde erörtert. Das Staurecht besaß bisher der Eigentümer der Elberitzmühle. Da aber die Elberitzmühle schon seit 20 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, soll das Staurecht auf die Stadt übergehen, da Döbernitz schon mehrfach Klage über zu hohe Stauungen des Wasserspiegels des Lobers führt. Anschließend wurden dann eine Reihe von Verkäufen von Bauland erörtert. Der sogenannte Freiberger Garten an der Gertitzer Straße, dem Hospital gehörig, wurde an die Zuckerfabrik verkauft. Architekt Paul Koch erhielt Bauland an der Ludwig Jahn Straße, die Gasanstalt an der General Märckerstraße, Maurermeister Kurt Zschernitz an der Albert Böhmestraße.
17. Oktober
Willy Straube
Am heutigen Tag, dem 17. Oktober wird Musikdirektor Willy Straube in Delitzsch 80 Jahre alt. Musikdirektor Willy Straube ist einer von Musikern unserer Zeit, bei dem mit Erreichung des Alters die Leistungen dieses Musikers und Komponisten nicht nachgelassen haben. Der tiefe Ernst, der in der Kunst Straubes uns begegnet, lag wohl schon im Wesen Straubes, als er noch am Anfang seiner Laufbahn stand. An diesem Anfang stand auch die Verbindung mit Delitzsch, denn am hiesigen Lehrerseminar erhielt er seine Ausbildung als Erzieher. Es folgten dann Jahre segensreichen Wirkens an den beiden großen Kirchen der Lutherstadt Wittenberg, an der Stadt- und an der Schloßkirche. Über drei Jahrzehnte hat er dort segensreiche Arbeit geleistet, und sein Ruf griff schon bald über die Grenzen dieser Stadt hinaus in alle deutschen Gaue. In seiner Gemahlin fand Straube eine verständige Begleiterin auf seinem Lebensweg; sie selbst fand als Sängerin einen guten Ruf. Nach ihrem Tode verlebt er die Jahre seines Ruhestands bei seiner hiesigen Tochter, Frau Käthe Schimpf – Straube, ruht aber hier nicht, sondern betätigt sich weiter bei kirchlichen aber auch öffentlichen Veranstaltungen. In Arbeit befindet sich noch die Neuerscheinung seiner Klavierspiele.
22. Oktober
Volksbücherei
Den Schülerbüchereien des Kreises ist in den letzten Jahren seitens der Schulbehörde besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Daneben sind fast an allen Orten des Kreises Volksbüchereien gegründet worden. Diese legen mit ihren etwa 6000 Bänden ein beredtes Zeugnis für die Lesefreudigkeit und den kulturellen Aufbauwillen in unserer Volksgemeinschaft ab.
25. Oktober
Reformationsfest
Mit Rücksicht auf die besonderen Erfordernisse der Kriegswirtschaft werden das Reformationsfest (31. Oktober) auf den nachfolgenden und der Bußtag (19. November) auf den vorhergehenden Sonntag verlegt. Die entsprechenden kirchlichen Feierlichkeiten finden an diesen Sonntagen statt.
31. Oktober
Kriegsspartag
Gestern war der dritte Kriegsspartag. Er erfuhr wiederum eine Steigerung des ersten und zweiten Spartages. Lassen wir die Zahlen selbst sprechen: Es erfolgten gestern 8983 Einzahlungen durch die 556.860 RM gespart wurden. Damit liegt der einzelne Sparbetrag im Durchschnitt bei 62 RM. 1289 neue Sparkassenbücher wurden eingerichtet, und damit haben 1289 Volksgenossen neu den Weg zur Sparkasse gefunden. Wahrlich ein schöner Erfolg unserer Kreissparkasse!
6. November
Reulicke
Unser Heimatdichter Rektor a.D. Reulicke ist gestorben. Einsam und verlassen hat er seine letzten Lebensjahre zugebracht. Nur seine engsten Freunde besuchten ihn und doch war er bis in sein hohes Alter dichterisch tätig. Durch seine schriftstellerischen Arbeiten hat er sich nicht nur in Delitzsch, sondern in der weiteren Umgegend als Heimatdichter einen guten Namen erworben. Die "Schwedensignale" und die "Chronik der Stadt Delitzsch" sind nur ein kleiner Teil seiner zahlreichen Arbeiten, die vor allem von den bodenständigen Volksgenossen gerne gelesen wurden.
11. November
Ein Delitzscher
Das bekannte und uns allen durch seine flammende Begeisterung bekannte Rheinlied "Strömt herbei ihr Völkerscharen" ist von dem Sohn des früher in Delitzsch tätig gewesenen Steuereinnehmers Jacob Adolf Gottlieb Inkermann gedichtet worden. Der Dichter Otto Julius Inkermann hat sich den Dichternamen O. Sternau zugelegt. Seine dichterische Tätigkeit ist damals in weiten Kreisen bekannt geworden. Er wurde am 23. Januar 1823 in Delitzsch geboren. Zu Delitzsch ist er allerdings in späteren Jahren nicht mehr in Beziehung getreten. Immerhin können wir ihn zu den Unsrigen zählen.
3. Dezember
Bauvertrag
Der Haus- und Grundbesitzerverein für Delitzsch u. Umg. hielt im "Schwan" eine Mit- gliederversammlung ab. Aus den Verhandlungen sei einiges erwähnt. Da die Ausführung größerer Reparaturen an Gebäuden wegen Einberufung vieler Handwerker und Bauarbeiter z.Z. nicht möglich ist, empfahl der Vortragende Lehrer Neumann, den Abschluß von Bausparverträgen bei der Kreissparkasse oder der Volksbank. Beträge, die während des Krieges zur Ausführung von Reparaturen nicht verwendet werden können, lassen sich zur Einzahlung auf Bauvertrag verwenden, werden mit 3 v.H. verzinst und die eingezahlten Beträge können bis zu einer bestimmten Höhe bei Berechnung des Einkommens aus Vermietung gekürzt werden, so daß für die Einzahler eine Steuerermäßigung möglich ist.
5. Dezember
Schweinemästerei
Die Schweinemästerei in Beerendorf besteht weiter mit gutem Erfolg. Die Küchenabfälle der Hausfrauen werden regelmäßig mit Pferdewagen abgeholt. Die Mast geschieht zum großen Teil von diesen Abfällen, die sonst früher in die Müllgrube wanderten. Für das nicht verwendete Futter sind Silos vorhanden, die den überschüssigen Futtervorrat sammeln. Er wird darin konserviert, und dann später verwendet. Die kleine Mühe der Hausfrauen hat sich sehr gelohnt. Sie werden selbst davon befriedigt werden, wenn sie hören, daß das monatliche Futteraufkommen des November dem Ernährungshilfswerk erneut 1087 kg Schweinefleisch und Speck zuführte.
15. Dezember
Bei Fliegeralarm
In Delitzsch waren während eines Fliegeralarms in einer Gastwirtschaft Gäste angetroffen worden. Die Gastwirtin hatte deshalb eine Strafverfügung von 20,- RM erhalten. Da sie Einspruch erhob und gerichtliche Entscheidung verlangte, stand die Sache jetzt vor dem Amtsgericht in Delitzsch an. Es blieb bei der festgesetzten Strafe, denn während des Fliegeralarms haben die Gäste den Luftschutzkeller aufzusuchen.
27. Dezember
Sammlung von Wintersachen
Von unseren Soldaten an der Ostfront erfahren wir, daß sie schon jetzt Temperaturen bis zu 30 Grad Kälte und mehr hätten. Dabei pflegt der russische Winter seine Höhepunkte erst im Januar und Februar zu erreichen. Wie grausam dieser Winter sein kann – davon vermögen sich höchstens die Weltkriegsteilnehmer eine ungefähre Vorstellung zu machen. Unseren Soldaten wollen wir helfen, um jeden Preis und sammeln Wintersachen. Wir denken an die Umarbeitung von Schals in Kopfschützer, an die Herstellung von Ohrenschützern, die ja besonders wichtig sind, aus Stricksachen, Garnreste, alte Pullover u.s.w. Sammelstellen befinden sich in allen Geschäftsstellen der Ortsgruppen. Parallel mit dieser Sammlung wird eine Sammlung von Skier und Skistiefeln durchgeführt. Die Spender von Skistiefel erhalten für jedes Paar abgegebener Skistiefel einen Bezugsschein auf Straßenschuhe eventl. auch eine angemessene Vergütung.
1942
3. Januar
Rodelschlitten
Der Landrat von Delitzsch macht bekannt, daß sämtliche Rodelschlitten, die sich sowohl in Privathänden als auch bei Stellmachern in Fabriken oder Geschäften befinden, beim zuständigen Bürgermeister zum Ankauf durch die Wehrmacht abzuliefern sind. Der Bürgermeister von Delitzsch weist in einer Bekanntmachung darauf hin, daß als Ablieferungsstelle für Delitzsch die Jahn-Turnhalle in der Bitterfelder Straße vorgesehen ist. Jeder Rodelschlitten muß mit einem dauerhaften Zettel versehen sein, auf dem die genaue Anschrift des Ablieferers steht.
13. Januar
Sammlung
Die vom Führer angeordnete Woll-, Pelz- und Wintersachensammlung für die Ostfront hat mit Sonntagabend auch im Kreise Delitzsch ihr Ende gefunden. Sie wurde auch für unseren Kreis ein beispielloser Erfolg, ein einzigartiges Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft. Wenn im Kreis Delitzsch 63071 Stück Wintersachen gegeben wurden, so bedeutet das, daß alle Erwartungen, die in diese Sammelaktion gesetzt wurden, bei weitem übertroffen worden sind.
25. Januar
Feierstunde
Dem Gedenken Friedrich des Großen, der am 24. Januar vor 230 Jahren geboren wurde, wurde heute am Sonntag den 25. Januar vormittags 10 Uhr in der Aula der Oberschule eine besondere Feierstunde gewidmet. Die Wächter'sche Kapelle umrahmte stimmungsvoll die Feierstunde mit einem Satz aus der Sinfonie in F-dur von Händel, dem "Largo" und dem Hohenfriedeberger Marsch. Kreisamtsleiter Ahrens hielt die Festrede und zeichnete ein lebensvolles Bild des großen Königs. Seine heroische Willenskraft, die über alles den Sieg davon trug, das gleiche Schicksal das 1740 und 1940 zwei überragende Führerpersönlichkeiten zwang, den Staat gegen seine Nachbarn zu verteidigen und daraus die Zukunft zu gewinnen, gab Veranlassung, Parallelen zu unserer heutigen Zeit und Adolf Hitler zu ziehen.
27. Januar
Kindergärten
Die Kindergartenarbeit ist in Delitzsch in den letzten Jahren von besonderer Bedeutung geworden, wurde doch mit dem 1. September 1939 der Privatkindergarten von Fräulein Pabst von der NSV übernommen und auch der Kindergarten der Ortsgruppe West, Hallesche Straße, neu gestaltet. Wir haben weiter noch den Kindergarten im Schloß, der mit seinen 110 Plätzen größer als der von Fräulein Pabst geleitete oder der Kindergarten der Ortsgruppe West (mit 25 Kindern) ist. Der frühere Privatkindergarten ist zur Aufnahme von 60 Kindern in der Lage. Die größere Zahl der Kinder im Schloß wird von einer Leiterin und sieben Helferinnen betreut. In den Kindergärten können Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren aufgenommen werden, während in den Horten die größeren Kinder Betreuung finden. Diese größeren Kinder erledigen hier ihre Schularbeiten und führen danach mit anderen Kindern gemeinsame Spiele aus. Im Kindergarten im Schloß findet auch mittags eine Speisung statt.
29. Januar
Betr. Neubauten
Die letzten nassen Jahre haben viele alte Lehmbauten so in Mitleidenschaft gezogen, daß sie in absehbarer Zeit einzustürzen drohen. Da aber jetzt während des Krieges Neubauten nur ganz beschränkt errichtet werden dürfen, muß darauf Bedacht genommen werden, diese alten Gebäude vor dem Einsturz zu sichern. Anträge auf Neubau müssen meist abgelehnt werden. Vor Anfertigung eines Bauantrages soll sich jeder erst von der technischen Dienststelle der Baugenehmigungsbehörde – Staatshochbauamt Delitzsch im Landratsamt – beraten lassen.
2. Februar
Reisebericht um 1800
Ein Reisender, der ums Jahr 1800 die deutschen Lande durchreiste, kam auch nach Delitzsch. In einem Bericht erzählt er von den Eindrücken, die er von Delitzsch damals erhalten hat folgendes: "Ich kam nach Delitzsch, einer alten Stadt, die im 14. Jahrhundert mit Graben und Mauern umgeben wurde. Innerhalb der Ringmauer befindet sich ein kurfürstliches Schloß nebst Garten, die einen besonderen Teil der Stadt ausmachen und wie zu Leipzig die Pleißenburg mit einem Thore versehen sind. Gegenwärtig ist es der Sitz des Justiz- und Rentamtes. Die Stadt hat mit Einschluß der Rathsvorstadt 389 Häuser und 2500 Einwohner. Der aus acht Gliedern bestehende Stadtrath, von dem jedes Jahr vier Rathsmitglieder das Stadtregiment verwalten, hat die Ober- und Erbgerichte nebst den Patronatsrecht über drei Kirchen. An der lateinischen Schule amtieren fünf und an der Mädchenschule ein Lehrer; in dem wohleingerichteten Hospitale zu St. Georgen vor dem Halleschen Thore werden beständig 20 einheimische Arme unterhalten. Die Hauptnahrung der Stadt ist die Bierbrauerei, die ehedem weit beträchtlicher war, obgleich das Bier, Kuhschwanz genannt, nicht die jetzige Güte hatte, an der es dem Merseburger gleich kommt. Es werden gegenwärtig ungefähr 1.100 Faß gebraut, die theils in der Stadt, theils in den umliegenden Dörfern verbraucht werden. Die Strumpfmanufaktur, die jährlich gewöhnlich 400 Dutzend Paare theils Weiße, theils farbige grobe Strümpfe in und um Delitzsch herum stricken läßt, treibt damit außer auf den drei Jahrmärkten auf den benachbarten Märkten, den Leipziger Messen und im Auslande einen anschaulichen Handel. An den Wochenmärkten werden hier auch sehr viele Gartengewächse zu wohlfeilen Preisen von den Stadt- und Landbewohnern gekauft, weil letztere keine besonderen Küchengärten haben, und fast das ganze Jahr hindurch werden von den umliegenden Dörfern besonders den Anhaltischen, junge Schweine und Ferkel zum Verkauf gebracht. Der Ackerbau ist allein wegen des guten Bodens sehr einträglich. Endlich ist auch noch der hiesigen Postexpedition und der mehr als hundert Jahren hier bestehenden Buchdruckerei, zu gedenken. Zur Erholung der Einwohner sind um die Stadt herum Linden- und Weidenalleen angelegt worden, die aber den Leipzigern nicht gleichkommen."
27. Februar
Schwedensignale
Auf Veranlassung des Heimatvereins erklingen die "Schwedischen Reitersignale" nun wieder vom Breiten Turm herab. Damit ist ein alter schöner Brauch, der bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges ständig geübt wurde, wieder aufgelebt. Die Signale werden jeweils am ersten Sonntag im Monat um 11 Uhr vormittags geblasen.
1. März
Wohnungstausch
Der Mieterschutzverein Delitzsch e.B. hat in diesem Jahre eine Wohnungs-Tauschnachweisstelle eingerichtet, welche den Tauschinteressenten die Möglichkeit geben soll, auf kürzerem Wege einen Wohnungstausch durchzuführen. Durch Eintragung bei der Tauschnachweisstelle des Mietervereins werden den Tauschsuchenden vorhandene Tauschwohnungen nachgewiesen.
3. März
Neue Alarmanlage
Am morgigen Mittwochvormittag 10 Uhr wird die Luftschutzalarmanlage der Stadt Delitzsch einer Probe unterzogen. Als Signal wird "Entwarnung" gegeben, also ein hoher gleichbleibender Dauerton.
16. März
Heldengedenktag
Am gestrigen Heldengedenktag wurde der gefallenen Helden in Delitzsch in sinniger Weise gedacht. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stand eine Heldengedächtnisfeier im "Schützenhof" vormittags 9 Uhr, wozu den erwachsenen Angehörigen der toten Soldaten des Weltkrieges und des gegenwärtigen Krieges besondere Sitzplätze eingeräumt waren. Vor dieser Feierstunde war eine Kranzniederlegung in der Kriegergedächtniskirche, um 10.30 Uhr fand dann eine weitere Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal am Hallischen Turm statt. Auf den Dienstgebäuden der Wehrmacht wurde von 8 bis 19 Uhr die Reichskriegsflagge gehißt. Um 9 Uhr vormittags zog außerdem am Kriegerdenkmal am Hallischen Turm ein Doppelposten auf, der bis 16 Uhr die Ehrenwache hielt.
20. März
Hitlerjugend
Auf Grund des Gesetzes über die Hitlerljugend vom 1. Dezember 1936 wurde die Hitlerjugend zur Staatsjugend erklärt. Jeder deutsche Junge ist somit verpflichtet, in der Jugendbewegung Adolf Hitlers Dienst zu tun. Er wird nach dem Willen des Führers acht Jahre lang weltanschaulich und politisch geschult, vormilitärisch ausgebildet und nach nationalsozialistischen Grundsätzen erzogen bis dann die Tüchtigsten von ihnen in die Partei überwiesen werden. Um auch alle Jugendlichen zum Dienst zu erfassen, finden gegenwärtig in Delitzsch Erfassungsappelle statt. Am Mittwochvormittag waren deshalb die Jugendlichen der Jahrgänge 1924 und 1925 der Stadt Delitzsch zu solch einem Musterungsappell einberufen.
1. April
Volksbank
Die Generalversammlung der Volksbank Delitzsch fand Montag den 30. März in "Stadt Berlin" unter Leitung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates Kreishandwerksmeister Hermann Mietzsch statt. Über das abgelaufene 92. Geschäftsjahr (gab d.A.) der Geschäftsführer der Volksbank Hoffmeyer den Bericht des Vorstandes. Darin konnte mit Genugtuung festgestellt werden, daß die Volksbank im Jahre 1941 eine weitere beachtliche Aufwärtsentwicklung erlebt hat. Die Bilanzsumme stieg im Jahre 1941 von 3.093.129,95 RM auf 4.087.006,43 RM. Der Zuwachs betrug demnach rund 994.000 RM. Der Gesamtumsatz betrug 46.627.816,20 RM und lag etwas über dem Vorjahre. Die Spareinlagen vermehrten sich um 43,4 v.H. Die Volksbank hat sich ebenfalls mit Erfolg in die kriegswichtige Aktion des "Eisernen Sparens" eingeschaltet. Der Reingewinn betrug nach Abschreibungen von 8.882,65 RM noch 17.009,14 RM. Davon wird auf die Mitgliederguthaben, wie auch in den letzten Jahren 5 v.H. Dividende = 12.427,02 RM vergütet. Die satzungsgemäß aus dem Aufsichtsrat ausscheidenden Mitglieder Kreishandwerksmeister Hermann Mietzsch und Stadtoberinspektor Georg Schimpf werden einstimmig wiedergewählt.
4. April
Statistik
Nach einer aufgestellten Statistik hat sich die Heiratsaussicht der Delitzscherinnen in den letzten Jahren verbessert. Während früher immer ein weiblicher Überschuß vorhanden war, so hat sich das Verhältnis zu Gunsten der Frauen verbessert. So stand das Verhältnis der Männer zu den Frauen 1919 noch 1000 : 1101, im Jahr 1933 nur noch 1000 : 1058. Stärkere Säuglingssterblichkeit bei den Knaben, Berufsunfälle und auch der Krieg verringerten die Zahl der männlichen Personen weiterhin. Das war in den früheren Jahren der Fall als - abgesehen vom Krieg – der Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit und Unfallgefahr noch nicht so intensiv war wie heute. Heute herrscht daher bei den unter 20jährigen bereits ein erheblicher Knabenüberschuß und auf 1000 männliche Personen kommen nur 965 weibliche.
8. April
Haushaltsplan 1942
Bürgermeister Dr. Frey hatte die Gemeinderäte zu einer Sitzung zusammengerufen, um noch vor seiner Einberufung zur Wehrmacht den Haushaltsplan von 1942 zu verabschieden. Der vorgelegte Haushaltsplan ist ausgeglichen. An größeren einmaligen Ausgaben sind nur die Kosten der Erweiterung der Schweinemästerei in Beerendorf mit 5000 RM zu erwähnen. Mit Rücksicht auf die Verwertung sämtlicher Abfälle ist die Erweiterung der Schweinemästerei im Interesse der Volksernährung unbedingt notwendig. Der Haushaltsplan wurde genehmigt. Die Gemeinderäte haben auch allen anderen vorgelegten Angelegenheiten zur Annahme empfohlen.
Stadtrat Scharf
In der Sitzung der Gemeinderäte fand auch die Amtseinführung des Stellvertreters des Bürgermeisters, Stadtrat Scharf statt. Inzwischen hat Stadtrat Scharf sein Amt angetreten. Die Führung des Wohnungsamtes in fachlichen Angelegenheiten übernimmt Stadtrat Freitag.
18. April
Auszeichnung
Wiederum wurde ein Delitzscher mit einer hohen Auszeichnung für hervorragende Tapferkeit vor dem Feind bedacht. Das Deutsche Kreuz in Gold verlieh der Führer an Günter Lucas, Oberleutnant in einem Gebirgsjägerregiment. Oberleutnant Lucas machte 1933 an der hiesigen Oberschule sein Abitur. Er ist der Sohn des hiesigen Lehrers Martin Lucas, Bismarckstraße 17.
19. April
Radfahren
Mit Rohstoffen muß gerade im Kriege schonend umgegangen werden. Die Mahnung muß immer wieder erhoben werden. Ein besonderes Wort sei an die Radfahrer gerichtet. Mit ihren Rädern verfügen sie über ein Verkehrsmittel, das der besonderen Schonung und pfleglicher Behandlung bedarf. Es ist z.B. nicht mehr angängig mit dem Fahrrad große Spazierfahrten zu unternehmen und dabei den Gummi abzufahren. Das können wir uns in den gegenwärtigen Zeiten nicht leisten. Und die Jugend sollte sich gleichermaßen befleißigen, die Reifen zu schonen. Daß Kinder die Fahrräder benutzen, nur um ihrem Fahreifer zu huldigen, verbietet sich von vornherein. Das Rad ist heute hauptsächlich für den werktätigen Volksgenossen da, der seinen Arbeitsort zu Fuß schlecht erreichen kann oder abgelegen von seiner Arbeitsstätte wohnt. Alle anderen sollten sich Selbstbeschränkung auferlegen, um Rohstoff sparen zu helfen.
1. Mai
Beförderungen
Der Hauptwachtmeister der Schutzpolizei Buchau ist mit Wirkung vom 1. Mai zum Meister der Schutzpolizei befördert worden. Die Wachtmeister Exner und Kohles wurden zu Oberwachtmeistern der Schutzpolizei befördert.
2. Mai
Kindergärten
Im Kreis Delitzsch sind bis heute 82 Kindergärten, die im vorigen Winter von 2800 Kindern besucht wurden.
10. Mai
K.d.F. Wagen
Trotz des Krieges wird das Sparen für den K.d.F. Wagen ungehindert fortgesetzt, und zahlreiche Neubestellungen während dieser Zeit zeigen das Vertrauen, das die Öffentlichkeit in den K.d.F. Wagen setzt, dessen zivile Produktion erst nach dem Sieg aufgenommen wird. Um aber einen lebendigen Kontakt zwischen den Sparern und ihren Kd.F. Wagen schon jetzt zu schaffen, hat das Volkswagenwerk ein Handbuch unter dem Titel "Der K.d.F. Wagen von A bis Z" herausgegeben. Erhältlich ist dieses Handbuch nur über die Kreisdienststellen der NS Gemeinschaft "Kraft durch Freude".
18. Mai
Muttertag
Der gestrige Muttertag wurde in Delitzsch zum Anlaß einer besonderen Ehrung für die deutsche Mutter genommen. Die Ortsgruppen der NSDAP hatten die zu ehrenden Mütter unserer Stadt zu einer Feierstunde in die Aula der Oberschule eingeladen, wo den Müttern im Rahmen eines feierlichen Weiheaktes das Ehrenkreuz der deutschen Mutter überreicht wurde. Der Festsaal der Oberschule war zweckentsprechend festlich dekoriert. Umrahmt wurde die Feier durch Gesänge eines Mädchenchors. Nach einer Ansprache an die Mütter erfolgte die feierliche Ausgabe der Ehrenkreuze der deutschen Mutter, die von den Ortsgruppenleitern der vier Delitzscher Ortsgruppen mit herzlicher Beglückwünschung vorgenommen wurde.
26. Mai – 1. Juni
Schützenfest 1942
Das diesjährige Schützenfest in Delitzsch wurde traditionell wie die Vorjahre in der Pfingstwoche begangen. Doch wurde den Kriegsverhältnissen Rechnung getragen, und so hatten die Festtage nicht solch übermäßig rauschenden Charakter. Trotzdem herrschte die Festtage über auf dem Festplatze Hochbetrieb. Der gestrige Sonntag sah nun nochmals ein recht stimmungsvolles Publikum auf dem Festplatz, daß sich den Freuden des Volksfestes hingab. Unzweifelhafter Höhepunkt des gestrigen Tages, wie überhaupt des ganzen Festes war das große Königsschießen. Den besten Schuß auf die Königsscheibe gab Stadtgartenmeister Arthur Kampf ab, dem damit die Königswürde für 1952 (1942 d.A.) zugesprochen wurde. Ihm zur Seite stehen als Ritter die Schützenkameraden Grunert und Arno Hofmann. Kleinkaliberkönig wurde Fritz Reyher.
8. Juni
Wehranlagen
Der Verein der Heimatkunde für die Kreise Delitzsch und Bitterfeld veranstaltete am Sonnabend den 6. Juni eine Wanderversammlung, die der Besichtigung der alten Wehranlagen von Delitzsch galt. In recht stattlicher Zahl hatten sich die Heimatfreunde, besonders aus Bitterfeld zu dieser Veranstaltung auf dem Roßplatz als Ausgangspunkt eingefunden. Namens der Stadtverwaltung begrüßte der stellvertretende Bürgermeister Scharf die Anwesenden. Der Vereinsführer Horn dankte besonders den vielen Teilnehmern aus Bitterfeld für das Interesse, das sie durch ihr Erscheinen der Stadtgeschichte Delitzsch zeigten. Vor Beginn der Wanderung hörten die Teilnehmer das Blasen der Schwedensignale vom Breiten Turm herab, dann wurde in zwei Gruppen die Besichtigung der alten Wehranlagen vorgenommen. Ein Aufstieg auf den Breiten Turm eröffnete den Heimatfreunden einen wundervollen Blick über die Stadt Delitzsch und die weite Umgebung. Klar wurde allen dabei, daß der Turm gegen die slawischen Einfälle von Osten her Sicherung geben sollte. Mit besonderem Interesse wurden allgemein die Ausführungen über die Bauart dieser ostwärtigen Torbefestigung des sog. krummen Tores aufgenommen. Der Zugang zur Stadt erfolgte ehedem nicht wie heute an der nördlichen Seite des Turmes vorbei, sondern an der südlichen, und zwar im engem Bogen, der ein feindliches Eindringen möglichst erschweren sollte. Auch die übrigen Wehranlagen der Stadt, die Stadtmauer, die früher einige Meter höher war, der Zwinger, der rund um die Stadt führende Wallgraben und der Hallische Turm wurden besichtigt und die Bauart und ihr Zweck erläutert. Eine besondere Besichtigung galt auch den Befestigungsanlagen des Schlosses, das in seiner ganzen Struktur eine Festung für sich gewesen ist und nach der westlichen Seite hin wie die Stadt selbst durch einen breiten Wallgraben und sumpfiges Vorgelände geschützt war. Anschließend an die Besichtigung der Wehranlagen des alten Delitzsch erfolgte auch ein Besuch der Stahlquelle und von da aus ein Abstecher nach dem Stadtpark mit seiner monumentalen "Genesung".
20. Juni
Oberglaucha
Die bei Oberglaucha Kreis Delitzsch errichtete Tierkörperverwertungsanstalt, welche die Aufgabe hat, die im Kreise Delitzsch und den umliegenden Kreisen gefallenen Tiere zu verarbeiten, wurde jetzt eröffnet.
3. Juli
Lehrerin Wruck
Die bisher an der Delitzscher Mädchenschule außerplanmäßig geführte technische Lehrerin Elisabeth Wruck ist mit Wirkung vom 1. Juli 1942 an der gleichen Schule planmäßig angestellt worden.
6. Juli
2 Alters Veteranen
Eine der ältesten Einwohnerinnen von Delitzsch, Frau Marie Hoppe geb. Schulze, Wiesenstr. 9, kann heute ihren 90. Geburtstag feiern. Seit ihrem 36. Lebensjahr ist sie Witwe, aber mit einer Zähigkeit, die sie noch im Alter auszeichnet, hat sie ihren Lebenskampf geführt und den Broterwerb für ihre Familie besorgt. Ihr Ehemann war Lohgerber und Häutehändler gewesen. Den Handel mit Häuten betrieb sie als Witwe weiter und in späteren Jahren schaffte sie sich ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten, die sie gemeinsam mit einer ihrer Töchter verrichtete. Seit ihrer frühesten Kindheit ist sie bereits in Delitzsch ansässig und kann aus der Vergangenheit von Delitzsch viel erzählen. Ein zweiter Alters-Veteran ist Schneidermeister Feodor Kluge, Kreuzgasse 7, der am Sonntag, den 8. Juli 85 Jahre alt wird. Er ist 1867 in Rothenburg an der Saale geboren, kam später nach Delitzsch, wo er sein Geschäft eröffnete und war dann schließlich 30 Jahre lang Obermeister der Schneiderinnung.
10. Juli
Paul Heßler
Lehrer Paul Heßler, Delitzsch, Hallesche Straße 20, tritt mit dem heutigen Tage nach 45jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Heßler stammt aus Selben, war nach seiner hiesigen Ausbildung außerhalb tätig und kam 1904 an die Knabenschule nach Delitzsch, wo er 38 Jahre seine Lehrtätigkeit ausübte.
24. Juli
Seidenraupenzucht
Zwei Kindergruppenleiterinnen von Delitzsch, die in Roitzsch einen Lehrkursus für Seidenraupenzucht mitgemacht haben, wollen nun ihre Kenntnisse in Delitzsch verwerten und haben in der städtischen Oberschule in Delitzsch eine Schülergruppe gebildet, die sich mit der Seidenraupenzucht befassen soll. Wenn auch die Kindergruppenleiterinnen die hauptsächliche Last dieser kriegswichtigen Arbeiten tragen, bei denen den Kindern das Holen der Maulbeerblätter zufällt, das übrigens auch nicht ohne Aufsicht erfolgt, so ist die Gewöhnung der Betreuung der Seidenraupenzucht für die Kinder doch ein Erlebnis.
27. Juli
Karl Maul
Nach kurzer schwerer Krankheit ist gestern in einem Leipziger Krankenhaus der Lichtspieltheaterbesitzer Karl Maul aus Delitzsch gestorben. Der Dahingeschiedene war nicht nur in Delitzsch, sondern auch in der Umgebung unserer Kreisstadt eine bekannte Persönlichkeit. Hatte er sich als früherer Gastwirt schon einen guten Ruf erworben, so hat er diesen als Besitzer des "Ringtheaters" weiterhin gefestigt. Immer bestrebt, seinem Publikum Erstklassiges zu bieten, hat sein Wirken auch dem kulturellen Leben der Stadt Delitzsch seinen Stempel mit aufgeprägt. Ständig vorgenommene Ergänzungen und Erneuerungen in seinem technischen Betriebe, sowie der im Jahr 1937 durchgeführte Umbau des "Ringtheaters" nach modernsten Grundsätzen beweisen, daß Karl Maul mit der Zeit immer Schritt gehalten hat.
31. Juli
Die Vorgärten
Delitzsch wird als schöne saubere Stadt in der nahen und weiten Umgegend von Delitzsch gepriesen. Fremde, die zum ersten Mal unsere Stadt besuchten, staunten über das liebliche Stadtbild, das sie beim Rundgang durch die Stadt von Delitzsch bekamen. Diese Eindrücke bekamen die Fremden nicht nur von den sauberen Straßen, gepflegten Häuserfronten, geschmückten Fenstern und Schaufenstern, sondern vor allem von den vielen Grünanlagen und zahlreichen gepflegten Vorgärten der Stadt. Leider hat dieses schöne Stadtbild etwas gelitten, seitdem die Eisengitter der Vorgärten verschwunden sind. Wohl hat die Pflege der Vorgärten durch die Eigentümer nicht nachgelassen. Es sind andere Umstände, die hier verderbend einwirken. Nicht immer sind es Kinder, die einem Ball nachlaufen, der beim Spiel in den Garten geflogen ist. Es sind vornehmlich Hunde, die nicht an der Leine gehalten werden und den Garten zerkratzen und verunreinigen. Dasselbe kann man von den städtischen Anlagen sagen. Jeder Volksgenosse sollte dafür sorgen, daß das schöne Bild unserer Stadt erhalten bleibt.
5. August
Adolf Tauche
Adolf Tauche ist gestorben. Nachdem am vergangenen Sonnabend seine Gattin zu Grabe gebracht worden war, verstarb am gestrigen Dienstag nach kurzen Leiden der Korbmachermeister und frühere Stadtrat Adolf Tauche im 77. Lebensjahr. Mit dem Verstorbenen ist eine allseits geachtete und beliebte Persönlichkeit dahingegangen. Adolf Tauche spielte in früheren Jahren im öffentlichen Leben der Stadt Delitzsch eine bedeutsame Rolle. Besonders in der Feuerwehr hat er sich lange Jahre führend betätigt. Auch an der Lenkung unserer Stadtgeschichte war er aktiv beteiligt. Dem Stadtverordnetenkollegium gehörte er von 1906 bis 1918 an und war von 1919 – 1933 unbesoldeter Stadtrat. Als solcher verwaltete er das Dezernat Friedhof, Anlagen und Forst. In seinem Beruf war er lange Jahre Obermeister der Korbmacherinnung.
22. August
Gemeinschaftswesen
Durch Einrichtung von Gemeinschaftsgaststätten soll auch in Delitzsch den Berufstätigen, die keine Möglichkeit haben, ein warmes Mittagessen zu Hause oder in der Betriebskantine einzunehmen, diese Möglichkeit gewährleistet werden. Es soll ein gutes und ausreichendes Essen bei tragbarer, möglichst niedriger Markenabgabe an fünf Werktagen von Montag bis einschließlich Freitag erfolgen. Der Preis für die einzelnen Essen dürfte sich zwischen 0,60 und 0,90 RM bewegen. In Aussicht genommen sind für die fünf Mittagessen von Montag bis Freitag folgende Markenmengen: 100 Gramm Fleisch, 30 bis 40 Gramm Fett, 100 Gramm Brot und 50 bis 100 Gramm Nährmittel.
9. September
Luftwarnsignal
Der Bürgermeister macht bekannt, daß ab sofort ein neues Luftwarnsignal in Delitzsch eingeführt und morgen vormittag ausprobiert wird. Das Signal heißt "Öffentliche Luftwarnung" und besteht aus einer dreimaligen Wiederholung eines 15 Sekunden langen hohen Dauertons. Das neue Signal bedeutet, daß feindliche Flugzeuge einfliegen, daß aber mit größeren Luftangriffen nicht gerechnet wird. Selbstverständlich ist beim Signal "Fliegeralarm" (eine Minute an- und abschwellender Heulton) wie bisher luftschutzmäßiges Verhalten allgemeine Pflicht.
12. September
Hauswirtschaftliche Beratungsstelle
Der Krieg hat so manche Neuerung geschaffen, die im Frieden sich als überflüssig erweist. So hat das Deutsche Frauenwerk im Hause Eilenburger Straße 8 eine Beratungsstelle für hauswirtschaftliche Fragen eröffnet. Und diese Einrichtung hat sich als sehr wertvoll erwiesen. In erfreulicher Anzahl stellten sich in den Sprechstunden die Hausfrauen ja sogar viele männliche Volksgenossen ein, um Rat für irgendwelche häusliche Angelegenheiten zu erbitten. Es werden den Hausfrauen Küchenproben und wertvolle Küchenanregungen gegeben. Alle sind erstaunt über die vielen Möglichkeiten der häuslichen Kochkunst im Kriege. Am Sonnabend dem Wochenmarktstage war der Zustrom der Besucher besonders stark. An Proben wurde verabreicht: ein Kohlbraten, der fast ohne Fleischzutaten hergestellt war, und allseits lobende Anerkennung fand, außerdem ein aus Tomaten, Kartoffeln und Kohl zusammengestelltes Gericht, dessen Wohlgeschmack höchste Bewunderung hervorrief, und schließlich überzeugte eine Buttermilchspeise von der auch im Kriege bestehenden Vielseitigkeit hausfraulicher Kochkunst.
14. September
Volksturntag
Am Vormittag des gestrigen Sonntages wurde hier in D. der erste Volksturntag auf dem Sportplatz am Schützenhof gestartet. Turner und Sportler der NS Vereine und auch so manch anderer Sportanhänger hatten sich eingefunden und beteiligten sich hier aktiv und bewältigten hierbei die an sie gestellten Aufgaben mit viel Eifer in echt kameradschaftlicher und froher Stimmung. Übungen des Turnens und der Leichtathletik zugleich wurden abgewickelt. Mit einer guten Organisation folgte Übung auf Übung und ging es von Gerät zu Gerät.
16. September
Sammlung von Kupfer- und Nickelmünzen
Das Delitzscher Winterhilfswerk gibt bekannt, daß alle außer Kurs gesetzten Kupfer- und Nickelmünzen, die sich noch daheim in allen möglichen Behältern, Schubladen und sogar in Geldbörsen befinden dem Kriegs-WHW übergeben werden oder bei der Reichsstraßensammlung am kommenden Sonnabend und Sonntag neben der üblichen Spende in die Sammelbüchse der ehrenamtlichen Helfer gesteckt werden. In der Masse gewinnen die einzelnen Münzen an Bedeutung und helfen den Endsieg sichern. In diesen Tagen hat auch die Holunderbeerernte begonnen. Da diese Beeren sehr von Nutzen sind, wird dringend gebeten, sie zu sammeln und restlos dem Gebrauch zuzuführen.
30. September
Postsäule
Wer als Fremder erstmalig nach Delitzsch kommt, dem wird auf dem Roßplatz die bekannte Postsäule auffallen. Heute hat diese Postsäule nur noch historische Bedeutung. Sie gab den Benutzern und Lenkern der früher verkehrenden Pferdeposten die Entfernung der Stadt von einer Reihe der wichtigsten Städte an. Heute sind Wegweiser und Schilder mit der schwarzen Schrift nicht nur in genügender Zahl an den Hauptstraßen und Kreuzungen und sagen aus, wie viel Kilometer es von der einen nach der anderen Stadt ist, und für den Kraftfahrer ist die Möglichkeit geschaffen, sich schnell und sicher zu orientieren. Sichere Unterrichtung war auch vor einigen Jahrhunderten für die schwerbeladenen Fuhrwerke notwendig. Als August der Starke über das sächsische Land regierte, erkannte dieser Fürst die Wichtigkeit der Wegweiser für die Posteinrichtungen und Fuhrwerke jener Zeit. Zwischen den Jahren 1720 und 1730 entstanden so in zahlreichen sächsischen Städten, auch in Delitzsch, die Meilensäulen, die uns vielfach heute noch grüßen. Da und dort sind ihre Inschriften wohl schon verwittert. Anderswo hat man die Postmeilensäulen gepflegt. Unsere Delitzscher Postsäule befindet sich glücklicherweise in einem guten Zustand. Die Schrift der einzelnen Städte ist gut leserlich und macht den toten Stein so zu einem sprechenden Dokument über versunkene Zeiten.
5. Oktober
Erntedank
Als im vorigen Herbst die Saat für die diesjährige Ernte in die Erde gebracht wurde, da lag vor uns ein Winter von dessen ungeheuerlichen Ausmaßen und Folgen sich niemand unter uns ein Bild machen konnte. Weite Getreideflächen fielen infolge des langanhaltenden Frostes der Auswinterung anheim, und der deutsche Bauer war im Frühjahr dem langersehnten, nicht nur vor die Notwendigkeit neuen Aussäens und neuer Planung gestellt, er war auch durch den kriegsbedingten Mangel an Arbeitskräften, an Material und Gespannen zu ganz außergewöhnlichen Leistungen gezwungen. Aber es ist geschafft worden! Wir haben in diesem Jahre eine gute Ernte gehabt, eine Ernte wie sie niemand erhofft hat. So konnte ein dankbares Erntefest gefeiert werden. Die Hauptfeier im Kreis fand am gestrigen Sonntagmorgen in der Aula der Oberschule zu Delitzsch statt, die festlich geschmückt war. Gesänge und Gedichte umrahmten die Feier. Kreisbauernführer Barth hält eine Ansprache. Der Kreisleiter übergab dann mit feierlichen Worten des Glückwunsches den verdienten Bauern, Landwirten, Landarbeitern, Gärtnern u.s.w. Kriegsverdienstkreuze ferner an Landarbeiter, Landarbeiterinnen und Landfrauen Kriegsverdienstmedaillen. Es wurden insgesamt 16 Angehörige des Landvolkes aus dem Kreis Delitzsch besonders geehrt.
7. Oktober
Neue Fibel
Durch die Einführung der Normalschrift in den Schulen war auch die Umarbeitung des ersten Lesebuchs unserer Schulanfänger besonders notwendig. Der Verlag Hermann Schroedel, Halle, hat jetzt die neubearbeitete Fibel "Frohe Arbeit" herausgegeben. Im wesentlichen hat man sich an die erst vor einigen Jahren bearbeitete Fibel gehalten. Auch die Bebilderung ist fast dieselbe geblieben. Die Kinder lernen zunächst die kleine, dann die große Schreibschrift kennen. Jeder Laut wird gelesen und geschrieben. Die Kleinen setzen aus den Lauten die Wörter zusammen, später werden diese zu Sätzen ausgebaut. Selbstverständlich können am Anfang keine großen Geschichten stehen, sie sind erst in dem Teil der Fibel zu finden, der in Druckschrift gesetzt ist. Dennoch müssen wir feststellen, daß auch der Lesestoff am Anfang den Schulkindern Freude bereiten wird.
28. Oktober
Firma Lins
25 Jahre ist es jetzt her, seit der Kaufmann August Lins sein Textilwarengeschäft in der Eilenburger Straße übernommen hat. Von seinem Vater, Michael Lins, wurde das Unternehmen am 1. Oktober 1881 gegründet und bis zum Weltkriege rüstig vorwärts gebracht. Im Oktober des Jahres 1917 löste dann der Sohn August den Vater in der Geschäftsführung ab und änderte die Firma auf seinen Namen um. Im Verlaufe dieses zweiten Vierteljahrhunderts hat der jetzige Inhaber das nun über 60 Jahre bestehende Geschäft weiter ausgebaut und es auf seinen heutigen achtbaren Stand gebracht.
31. Oktober
Normalzeit
Die Wiedereinführung der Normalzeit erfolgt am 2. November früh 3 Uhr. Wenn die Delitzscher am morgigen Sonntagabend zu Bett gehen und gewohnheitsmäßig den Wecker aufziehen, dürfen sie nicht vergessen, die Uhrzeit um eine Stunde zurückzustellen. Mit der in der Nacht zum Montag erfolgenden Wiedereinführung der Normalzeit d.J. der mitteleuropäischen Zeit (meZ) wird uns nämlich die Stunde von 2 bis 3 Uhr Montagmorgen doppelt geschenkt, so daß wir mit anderen Worten eine Stunde länger schlafen können, soweit wir in dieser Nacht nicht irgendwo auf Arbeit oder auf sonstigem Posten sein müssen.
3. November
Franz Reyher 75 Jahre
Am heutigen Dienstag sind 75 Jahre verflossen, seit die Firma Franz Reyher u. Sohn, Eilenburger Straße 54, gegründet wurde. Klempnermeister Franz Reyher machte sich am 3. November 1867 in dem Anwesen Eilenburger Straße 21 selbständig und brachte seinen Handwerksbetrieb dem auch ein Verkaufsgeschäft für Haushaltsbedarfsartikel angegliedert wurde, zu gutem Ansehen. Er führte das Geschäft bis zum Jahre 1900, in welchem Jahre er es seinem Sohn Franz übergab. Unter dessen Leitung wurde der Geschäftsbetrieb nach dem Grundstück Eilenburger Straße 54 verlegt, wo es mit Umsicht und Geschick weiter ausgebaut wurde. Auf dem Gebiete der Bauklempnerei, der Wasserinstallation und des Blitzableiterbaues ist die Firma Franz Reyher heute besonders bekannt.
27. November
Neue Diensträume
Die Abteilung Familienhilfe und Jugendhilfe der Kreisamtsleitung der NSV, die bisher mit im Dienstgebäude Eilenburger Straße 65 untergebracht war, hat neue Diensträume erhalten. Zu diesem Zweck sind die Räume der ehemaligen Eisenhandlung Wandt, Markt 7, neu hergerichtet worden, und die Leiterin der Abteilung hat seit einigen Tagen ihre Tätigkeit dort aufgenommen.
11. Dezember
Büchersammlung
Wie im Vorjahr so hat auch in diesem Jahre wiederum eine Büchersammlung für die deutsche Wehrmacht stattgefunden. Und es muß gesagt werden, daß diese Sammlung zahlenmäßig und auch was die Auswahl betrifft die vorjährige Sammlung noch übertroffen hat. Die Sammlung geht an die Gauleitung. Hier findet eine Sichtung statt. Je 100 Bücher werden für eine Feldbücherei fertiggemacht, zusammengesetzt aus nationalsozialistischen Schrifttum, geschichtlichen Werken, Abenteuern und Erlebnisberichten u.s.w. Oben auf der Bücherkiste liegt ein Heimatbild und ein Gruß des Spenderkreises an die Empfänger in den Lazaretten und Soldatenheimen.
15. Dezember
Direktor Both
Gestern verstarb plötzlich, nachdem er am Sonnabend außerhalb seiner Wohnung von einem Unwohlsein befallen worden war, der Leiter der Kreis- und Stadtsparkasse Delitzsch, Direktor Both. Der Verstorbene war seit 1921 in Delitzsch ansässig. Dem damals von Lüneburg zugezogenen Bankbeamten war die Leitung der ehemaligen Kreissparkasse übertragen worden. Während seiner Wirkungszeit – im Jahre 1937 - erfolgte die Zusammenlegung des Sparkassenunternehmens mit der Stadtsparkasse in die nunmehrige Kreis- und Stadtsparkasse Delitzsch, an der der Verstorbene als Direktor fungierte. Der plötzliche Tod hat bei allen, die Direktor Both nahestanden, Überraschung und Anteilnahme ausgelöst.
16. Dezember
Reisebericht über Delitzsch
Der schwäbische Dichter Dr. Ludwig Finckh war im Anschluß an die diesjährige Dichtertagung zu Weimar zu kurzem Aufenthalt hier in Delitzsch. Über die hier gewonnenen Eindrücke gibt er aus seiner Feder folgende launige Betrachtung: Etwas verwöhnt durch Geschichte, Natur und Landschaft fuhren wir von Weimar ab. Wir hatten gedacht, eine kleine Industriestadt mit Ruß und Rauch vor uns zu finden. – Hermann Schulze-Delitzsch, der Gründer der Genossenschaften, das einzige, das uns im Gedächtnis geblieben war – aber auch ein Naturforscher hatte dort seine Wiege, Ehrenberg, Christian Gottfried – freilich vor 150 Jahren – gehabt. Und wir fanden ein anmutiges Städtlein von 18000 Einwohnern mit alten Stadtmauern und Tortürmen, mit wassergefülltem Stadtgraben, auf dem weiße Schwäne schwammen, und ein sanft dahin fließendes Flüßchen, der Lober, fast verträumt, und ein Denkmal aus Stein, hoch und bieder, - nicht eine Post - sondern eine Postsäule, auf der die wichtigsten Laufzeiten der Postgäule nach den Herzstücken der Landschaft eingegraben waren, eine Mutter unseres Kursbuches aus Stein. Wir waren entzückt, als wir erfuhren, daß dieses weltferne Städtlein ein Moor- und Schwefelbad mit starken Quellen besitze, den Heiligbrunnen unbekannt, und das von einem seiner Türme, vom Breiten Turm, noch heute schwedische Reitersignale heruntergeblasen würden. Weil im dreißigjährigen Krieg, als schwedische Raubbanden herangezogen kamen, um zu plündern, die Türmerstochter nach dem Horn gegriffen und durch schwedische Reitersignale – wer hatte Sie's gelehrt? – die Marodeure erschreckt, die Bürger herbeigerufen habe, die die Mordbrenner vertrieben. – Merkwürdig auch, daß am Peter-Paulsmarkt, am 29. Juni jeden Jahres, an der Stadtkirche über der Uhr mit dem Schlag 12 Eva dem Adam zwölfmal in den Apfel beißen läßt! Jedes Jahr an einem Tag zwölfmal! So wurde der paradisische Sündenfall aufgefrischt, verewigt, - in der Stadt Delitzsch! Und am Abend wird dann getanzt im "Schwanen" der Heiratstanz, der Eva- und Adamstanz, und in den lebendigen Apfel gebissen! So ist Delitzsch an der Fortsetzung des Sündenfalles schuldig. Delitzsch - der Zischlaut verrät die Herkunft: slawisch wendisch. Von den Sorben erobert Heinrich I. im Jahre 929 das Gebiet zurück. 1186 wird die Stadtmauer erbaut, mächtig wird die Stadt, sie besitzt mehrere Dörfer. Der dreißigjährige Krieg wirft sie zurück. Aber die Bürgerschaft erholt sich wieder, - Delitzscher Bier und Delitzscher Strümpfe bekommen Ruf, und heute führt eine große Zuckerfabrik. Mehrere hundert Wagen werden im Herbst mit Zuckerrüben täglich herangeführt, verschnitzelt, gesotten, gepreßt, und der gelbe, dann dunkle Saft zu süßem gelben Pulver geformt. Zucker für Deutschland! - Noch mehr: ein stolzes altes Schloß ragt auf der Höhe, - Giebelhäuser, im Tal fließt der Heiligbrunnen, – und Rosen, Delitzscher Rosen blühen! Wo ist der Ruß und Rauch, den wir erwarteten? – Das ist Delitzsch am Lober, und als wahrhafte Lober, Brunnen-, Zucker- und Rosenlober kehren wir zurück.
Ludwig Finckh
22. Dezember
125 Jahre Freyberg
Die Chemische Fabrik Ernst Freyberg beging am Sonnabend den 19. d. Mts. durch eine Feier des Gesamtbetriebes und zahlreicher Gäste das 125jährige Bestehen. Seit dem 1. Juni 1817 ist die Familie Freyberg hier ansässig. Vor nunmehr 125 Jahren erwarb der Apotheker Karl Christian Freyberg die Adler-Apotheke in Delitzsch. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem Apothekenbetrieb ein Fabrikunternehmen, das ständig vergrößert werden mußte und seine Krönung fand durch die im Frühjahr dieses Jahres erfolgte Verlegung des Gesamtbetriebes von der Ritterstraße in das neue Werk an der Dübener Landstraße. Besonders wurde bei der Feier des Vaters des jetzigen Inhabers gedacht des Stadtrates und Apothekers Ernst Freyberg, dessen Tatkraft und Weitblick nicht nur die Fabrik, sondern auch die Stadt Delitzsch viel zu verdanken hat.
1943
7. Januar
Pantoffelkurse
Vom Mittwoch, den 13. Januar finden wieder Pantoffelkurse in Delitzsch statt. Die NS Frauenschaft – Deutsches Frauenwerk hat diese Kurse für Mittwoch den 13. Januar und Donnerstag den 14. Januar nachmittags und abends angesetzt. Die Kurse erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie einen praktischen Zuschuß unseres Schuhwerkes darstellen. Frauen und Mädchen, die an der Teilnahme interessiert sind, wollen sich sofort in der Beratungsstelle der NS Frauenschaft - Deutsches Frauenwerk Eilenburger Straße 8, melden.
11. Januar
Seidenbauer
Am Sonnabend fand im Hotel "Zum Schwan" in Delitzsch eine Arbeitstagung der Seidenbauer des Kreises Delitzsch statt, die unter Leitung des Kreisfachgruppenvorsitzers Horst Borst – Schladitz stand. Der Vorsitzer berichtet über den Zuchtverlauf im Kreise Delitzsch, wobei er auf das Kokonergebnis näher einging. Kreisoberinspektor Lohse, der in Vertretung des Kreisleiters und des Landrates erschienen war, berichtete über die zuerkannten Auszeichnungen auf Grund anerkennenswerter Leistungen an die Schulen. Die Seidenbauer gaben sodann eine Übersicht über den Zuchtverlauf des vergangenen Jahres und sprachen hierbei über den Zustand der Maulbeerpflanzungen und Krankheiten. Ein Seidenbauberater aus Halle erstattete sodann ein Referat über Düngung, Schnitt und Pflege der Maulbeerpflanzungen. Im weiteren Verlauf der Tagesordnung gaben die Bürgermeister Bericht über den Zustand der Maulbeerbaumpflanzungen und erteilten ihre Aufträge auf Brutbestellungen für 1943.
18. Januar
Eisenkontingentierung
Unter der Leitung des Schmiede-Innungs Obermeisters Willi Morgner tagte Sonnabend nachmittag die Schmiedeinnung der Bezirke Delitzsch und Landsberg im Gasthaus "zum weißen Roß" in Delitzsch. Zu Ehren des verstorbenen Berufskameraden, des langjährigen Kassenführers Alwin Bohm – Delitzsch, dem der Obermeister herzliche Worte des Gedenkens widmete, erhoben sich die Versammelten von den Plätzen. Der Obermeister gab sodann die jetzt gültigen Bestimmungen über die Eisenkontingentierung für das Schmiedehandwerk bekannt und nahm zu dem neuen Merkblatt "Eisen und Stahl für die Fertigung" eingehend Stellung, wobei er insbesondere auf die Eisenübertragungsscheine sowie auf die Behandlung von Reifen und Achsen hinwies. Der Obermeister sprach dann noch über die Zwischenprüfung für die Lehrlinge des 1. und 2. Lehrjahres, die Gesellenprüfung für die Lehrlinge des 3. Lehrjahres, sowie über Einstellung von Lehrlingen, wobei die Lehrverträge in vierfacher Ausfertigung abzugeben seien. Zu gleicher Zeit hatten sich die Bauhandwerker im Gasthof "Eisernes Kreuz" zu einer Innungssitzung eingefunden, die unter Leitung des Obermeisters Richter stand. Der Obermeister sprach zu seinen Berufskameraden über die Lehrlingsfrage, die Ausbildung der Lehrlinge in der heutigen Zeit, die Lehrbaustelle, den Arbeitseinsatz und über die Kontingentierung der Baustoffe.
21. Januar
Delitzsch im Thüringer Reich
Unsere Heimat gehörte einst zum alten Thüringer Reich. Dr. Werner Jorns – Leipzig hielt hier einen Vortrag über die Völkische Zusammensetzung des Thüringer Reiches im Lichte neuer Ausgrabungsergebnisse. Das alte Thüringer Reich war am Anfang weit größer als der jetzige Gau. Er umfaßte nicht nur ganz Mitteldeutschland, sondern seine Grenzen reichten im Südosten bis nach Böhmen und im Westen bis nach Franken hinein. Es war also nicht nur der Raum zwischen Werra, Elbe, Frankenwald und Erzgebirge. Hier war das Siedlungsgebiet der Hermunduren, die als die Vorfahren der Thüringer galten. Die hier gemachten Funde zeigten Spuren der Friesen, der Angeln in der Flensburger Förde, der Kelten und Illyrier, der Langobarden und Burgunder, besonders Waffenfunde der Altgermanen und Goten.
6. Februar
Der Handwagen
Es gab einmal eine Zeit und es gab noch Menschen, die es für geradezu unmöglich hielten, für standeswidrig und ehrenrührig, sich seinen Bedarf selber im Handwagen durch die Stadt zu holen. Der Krieg hat uns auch hier eines besseren belehrt. Die Kohlenversorgung, die sich besonders bei kleinen Mengen nicht immer auf dem Wege der Anfuhr durch die Lieferfirma ans Haus bewerkstelligen läßt, hat viele tausend Volksgenossen gezwungen, sich ihren Kohlenbedarf in kleinen Mengen selber abzuholen. Was für die Männer gilt, gilt für die Frauen. Wir haben viele Soldatenfrauen in diesen Kriegsjahren den Handwagen durch die Stadt ziehen sehen. Denn die Kartoffelzuteilung, die in bestimmten Rationen abgenommen werden mußte, zwang die Frauen, sich ihre Kartoffelvorräte nach Hause zu schaffen.
8. Februar
Marie Gärtner 92 Jahre alt
Am morgigen Dienstag, dem 9. Februar kann Frau Marie Gärtner, Delitzsch, Adolf-Hitler-Ring 12/13 ihren 92. Geburtstag begehen. Das greise Geburtstagskind erfreut sich trotz seines hohen Alters noch verhältnismäßig guter körperlicher Rüstigkeit. Schon über dreißig Jahre wohnt Frau Gärtner in Delitzsch und hat sich während dieser langen Zeit eine große Anzahl Freunde und Bekannte erworben.
10. Februar
Die große Pappel
Die große Pappel, die früher an der Stadtbrücke Breite Straße – Eilenburger Straße stand und wegen Absterbens durch winterliche Einwirkung vor kurzem gefällt werden mußte, hat nun einen Ersatz bekommen. Heute vormittag wurde an der gleichen Stelle, deren Boden als geeignete Wachstumsgrundlage für Pappeln anzusehen ist, eine junge Pappel gepflanzt.
20. Februar
Berufsgruppen in Delitzsch
Die totale Bereitschaft unseres Volkes wird demnächst zu einer Stillegung in Handel und Handwerk führen, die uns in der ersten Zeit vielleicht etwas unangenehm sein wird. In welchen Berufsgruppen arbeiten die meisten Delitzscher? Diese Frage ist im Zusammenhang mit der Stillegung in Handel und Handwerk recht interessant. Das Teilergebnis der Berufszählung vom Jahre 1939, in der die Bevölkerung nach Wirtschaftsgruppen aufgeteilt wurde, und zwar die Berufstätigen einschließlich ihrer Familienangehörigen gibt uns Auskunft. Hiernach ergab sich kurz vor Ausbruch des jetzigen Krieges für unsere Stadt folgende prozentuale Aufstellung der Bevölkerung in den sechs Hauptwirtschaftsabteilungen:
Industrie und Handwerk 48,8
Handel und Verkehr 26,1
Öffentliche und private Dienste 9,5
Häusliche Dienste 1,6
Land und Forstwirtschaft 1,6
Selbständige Berufslose 12,2
2. März
Kleinbahn
Laut Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung führt die Delitzscher Kleinbahn AG den Namen Delitzscher Eisenbahn AG.
6. März
Bauhandwerker-Lehrbaustelle
Der Gedanke der Leistungssteigerung unserer Lehrlinge steht im Mittelpunkt der gesamten praktischen und theoretischen Ausbildung unserer Jugend. So haben die Bauhandwerker für ihre Lehrlinge zu diesem Zwecke eine Lehrbaustelle geschaffen. In der ehemaligen Zimmerei Hartig, Berliner Straße, haben die Bauinnung des Kreises Delitzsch und die Zweckverbandsberufsschule eine neue Wirkungsstätte für die Erziehung des Bauhandwerker-Nachwuchses geschaffen, die nun dem Landrat Meister in seiner Eigenschaft als Verbandsvorsteher der Zweckverbandsberufsschule übergeben wurde.
10. März
Verordnung über Reparaturen
Da Mangel an Kleiderstoffen für die Zivilbevölkerung besteht, hat die Reichsstelle für Kleidung eine Verordnung erlassen, wonach in Zukunft die Reparaturen von Kleidungsstücken in erster Linie sicher gestellt werden muß. Den Unternehmern der Bekleidungsindustrie, des Bekleidungshandwerks und des Handels wird eine entsprechende Verpflichtung auferlegt. Die Reparaturpflicht umfaßt alle Arbeiten, die notwendig sind, um Bekleidungsstücke wieder tragbar zu machen, wie ausbessern, wenden, umarbeiten und reinigen. Die für Reparaturen vorgesehenen Unternehmungen der Bekleidungsindustrie und der Textilindustrie dürfen Aufträge auf Neuanfertigung nicht mehr annehmen.
18. März
Schutz den Anlagen
Alle Vorbereitungen wurden getroffen, um auch in diesem Jahre unser Stadtbild zu verschönern. Die wenigen Arbeitskräfte, die zur Verfügung stehen, haben begonnen, die Schmuckplätze umzugraben und zu bepflanzen, damit sich ein jeder an der herrlichen Natur erfreuen kann. Dieses Bestreben unserer Stadtverwaltung, auch in der Zeit angestrengtester Tätigkeit einige gepflegte Ruhepunkte im Stadtgetriebe zu schaffen, kann nicht genug gewürdigt werden. Leider gibt es Menschen, die hier zerstörend wirken. So ist zum Beispiel wiederholt beobachtet worden, daß die Anlagen am Schulze-Delitzsch-Denkmal durch Überqueren oder Tummeln von Kindern beschädigt wurden, und im Stadtpark macht man dieselben Beobachtungen. Jeder Delitzscher sollte bedenken, daß die Grünanlagen die Visitenkarte der Stadt sind und daß sie im Kriege bei der Knappheit von Arbeitskräften erst recht allgemeinen Schutzes bedürfen.
4. April
Feierstunde für Helmut Bruck
Am Sonnabend fand in der Delitzscher Oberschule eine Feierstunde statt, die dem Eichenlaubträger der Schule, Hauptmann Helmut Bruck galt, der gefallen ist. Nach einer umfassenden Würdigung dieses hervorragenden Offiziers durch den Leiter der Anstalt, Oberstudiendirektor Dr. Letz, überreichte ein Offizier der Luftwaffe aus Halle als Geschenk ein großes Bild dieses ehemaligen Schülers. Als Vorbild und Kamerad zugleich wird das große Photo dieses vom Schicksal begünstigten und zugleich durch eigene Tüchtigkeit ausgezeichneten Stukakommandeurs täglich die Schüler grüßen. Eindrucksvolle Festmusik gab der Feierstunde einen würdigen Rahmen.
7. April
Reichsstraßensammlung
Die letzte Reichsstraßensammlung vom 27./28. März hat das beste Ergebnis aller in diesem Winterhilfswerk durchgeführten Reichsstraßensammlung gebracht. Die Männer und Frauen der deutschen Arbeitsfront haben unter ihrem altbekannten Leitwort: "Schaffende sammeln – Schaffende geben" wieder alle Schaffenden in freudiger Spendenbereitschaft vereint. Mit 863.246,77 RM ist selbst das bisher unerreichte Ergebnis der 5. Reichsstraßensammlung mit 670.000 RM überboten worden. Der Kreis Delitzsch ist an diesem Ergebnis mit 41.798,40 RM beteiligt.
8. April
Delitzsch vor 100 Jahren
Nach dem "Handbuch der Provinz Sachsen" aus dem Jahr 1843 zählte der Kreis Delitzsch damals 47.800 Einwohner, davon 14.825 in den Städten und 32.975 in den Dörfern. Heute hat der Kreis Delitzsch rund 90000 Einwohner, davon entfallen etwa 41.000 auf die Städte Delitzsch, Eilenburg und Landsberg, während in den 139 Landgemeinden rund 40.000 Einwohner leben. Es ist also deutlich der in den früheren Jahrzehnten zutagegetretene ungesunde Zug zur Stadt bemerkbar. 14 Städte im Regierungsbezirk Merseburg haben mehr als zehntausend Einwohner. In diese Gruppe gehört auch unsere Stadt Delitzsch, sie rangiert hier an zehnter Stelle.
12. April
50 Jahre Kriegskameradschaft
Die Kriegerkameradschaft Delitzsch konnte am 9. April 1943 auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Mit Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse wurde von einer größeren Feier Abstand genommen. Doch fand am gestrigen Sonntag im engsten Kreise eine Gedenkstunde im "Goldenen Adler" statt.
18. April
Die Postsäule
Jedem Fremden, der erstmalig nach Delitzsch kommt, wird auf dem Roßplatz die bekannte obeliskenförmige Postsäule auffallen. Heute hat diese Säule nur noch historische Bedeutung. Sie gab den Benutzern und Lenkern der früher verkehrenden Pferdeposten die Entfernung der Stadt von einer Reihe der wichtigsten Städte an. Sichere Unterrichtung war auch vor einigen Jahrhunderten für die schwer beladenen Fuhrwerke notwendig. Als August der Starke über das sächsische Land regierte, erkannte dieser Fürst die Wichtigkeit des Wegweisers für die Posteinrichtungen und Fuhrwerke seiner Zeit. Vor nunmehr rund zwei Jahrhunderten entstanden so in zahlreichen sächsischen Städten, so auch in Delitzsch, die Postmeilensäulen, die uns vielfach heute noch grüßen. Die in Delitzsch auf dem Roßplatz stehende Säule, aus Sandstein bestehend, wurde im Jahre 1730 errichtet. Auf ihr sind alle an der Postlinie liegenden bedeutenderen Orte und die Postfahrzeit dorthin in Stunden verzeichnet. Der Roßplatz, der früher der Posthalteplatz war, erhielt seinen heutigen Namen erst im letzten Jahrhundert nach dem dort befindlichen Gasthause, das die eigentliche Poststation war. Auf dem Platz wurden die Pferde der Postwagen ausgewechselt, "derweil die Reisenden im Weißen Roß zur Weiterfahrt sich stärkten", bis der "Schwager" zum Aufbruch blies. Die erste eigentliche Postanstalt erhielt übrigens Delitzsch im Jahre 1809. Zu jener Zeit kostete eine Reise mittels Extrapost von Delitzsch nach Leipzig 24 Groschen = 3 RM und zurück ebenfalls soviel. Die Fahrt von Delitzsch nach Leipzig nahm reichlich zwei Stunden in Anspruch. Unsere Delitzscher Postmeilensäule befindet sich noch im guten Zustand. Die Schrift der einzelnen Städtebezeichnungen ist noch gut leserlich und macht den toten Stein zu einem sprechenden Dokument über versunkene Zeiten.
20. April
Wohnraumlenkung
Die Dauer des Krieges mit der damit verbundenen Einstellung des Wohnungsbaues macht es erforderlich, daß aller vorhandener Wohnraum so genutzt wird, wie es dem Interesse des Volkes dient. Der Landrat des Kreises Delitzsch hat nun eine Anordnung erlassen, daß aller frei werdender Wohnraum, auch leer stehende Wohnungen innerhalb drei Tagen dem zuständigen Bürgermeister zu melden sind. Der so frei gewordene Wohnraum wird durch die Bürgermeister angemessen verteilt. Zunächst sind die bevorrechtigten Volkskreise bei der Zuteilung zu berücksichtigen. Außer den bevorrechtigten Volkskreisen sind bei der Vermietung zu begünstigen Familien von Kriegsversehrten der Stufe II und III, in deren Haushalt mindestens ein minderjähriges Kind vorhanden ist. Die Anordnung tritt sofort in Kraft. Die Nachprüfung in allen diesen Fragen wird durch besonders damit beauftragte sachkundige Personen erfolgen. Zu jedem Wohnungstausch ist ebenfalls die Genehmigung der Gemeindebehörde einzuholen.
1. Mai
Die Anlagen in Delitzsch
Unsere Heimatstadt Delitzsch genießt vor vielen Orten gleicher Größe unstreitig den Vorzug, sich des Besitzes eines ausgedehnten und geschmackvoll angelegten Grüngürtels zu erfreuen. Das, was hier erst mühsam geschaffen werden mußte, war ehedem in unerschöpflicher Fülle vorhanden, deren Reste noch heute nachzuweisen sind. Je mehr aber in der Folge die menschlichen Siedlungen sich ausdehnten und vermehrten, desto mehr Waldbestände fielen der Axt zum Opfer. Strenge Erlasse der Landesfürsten zur Behebung der angeführten Schäden waren notwendig. Die Stadtverwaltungen versuchten von sich aus dem Stadtbild ein schönes Aussehen zu geben. So faßten bereits im Jahre 1567 die Delitzscher Ratsherren den Beschluß, den Zwinger mit Obstbäumen zu bepflanzen. 1600 besetzte man den Zwinger außerdem mit Weinreben. Die Herzogin-Witwe Christiane von Sachsen-Merseburg, die im Jahre 1692 Delitzsch als Witwensitz wählte, ließ am Schlosse einen Lustgarten nach französischer Art anlegen. Das entsprach dem damaligen Zeitgeschmack. Erst aufgrund einer kursächsischen Verordnung vom 11. Mai 1726 ging man daran, Straßen und Plätze mit Bäumen zu bepflanzen. 1735 besetzte man die Promenade, den heutigen Ring, mit Linden, die jedoch 1799 durch Kirschbäume ersetzt wurden. Nach deren Absterben gab man wieder dem Zierbaum den Vorzug: Linde, Ahorn, Kastanie, Rotdorn, Platane. 1774 wurden sechs Steinbänke in der Promenade um die Stadt aufgestellt. 1817 verkaufte die Stadtverwaltung die Zwingergärten an einzelne Bürger. Die neu angelegte Chaussee nach Leipzig (Hindenburg Straße). 1833 bepflanzte man innerhalb der Delitzscher Feldmark, am Kohltor beginnend, mit 52 Pappeln und 400 Kirschbäumen. Die letzten Pappeln verschwanden 1896. Auf Antrag des Bürgermeisters Securius entstand 1844 am Schützenplatz eine Lindenallee. Der Weg vom Gerberplan zum Heiligbrunnen war 1826 mit Birken besetzt worden, die 1859 wegen Verbreiterung des Weges gefällt werden mußten. Die überalterte Kirschallee der Südpromenade ersetzte man 1865 durch eine Walnußallee. Der Weg von der "Grünen Linde" bis zum Berliner Bahnhof wurde an Stelle der Sauerkirschbäume mit Platanen und rotblühenden Kastanien bepflanzt. Der 1876 ins Leben gerufene Verschönerungsverein legte 1877 die bekannte Lindenallee vom Sorauer Bahnhof bis zum Döbernitzer Bahnübergang an. Auf dem Marienplatze schuf man Gras- und Blumenbeete. Die Promenade hinter dem Schloß wurde verbreitert und mit Linden bepflanzt. Zu den schönsten Straßen von Delitzsch gehört zweifellos die Albert Böhme Straße mit ihren vier Lindenreihen. Sie ist 1876 angelegt worden und erhielt den Namen Angerstraße. Im Jahre 1893 taufte man sie zu Ehren des langjährigen Bürgermeisters Reiche in Reichestraße um. Sechs Jahre später hieß sie Lindenstraße. Den Delitzschern fehlte aber der Wald und so stellte man Erwägungen an, diesen zu ersetzen. Man nahm in Aussicht für eine Parkanlage den hinteren Teil des "Alten Schützenplatzes". Man bepflanzte das Gelände mit Kernobst. Doch die Bäume verkümmerten auf dem kühlen Untergrunde und so setzte man Birken, die vorzüglich gediehen. So entstand das Birkenwäldchen. Im Jahre 1885 wurde längs des Schenkenberger Weges eine Aufschüttung vorgenommen, um einen Hügel zu gewinnen, der als Ausflugs-, Spiel-, Sitz- und Konzertplatz dienen sollte. 1905 wurde die Parkanlage bis zum Lober erweitert. Nun war der Stadtpark entstanden. Die städtische Warmbadeanstalt wurde 1933 in ein Eisenmoorbad umgewandelt, die bisherigen Anlagen erweitert, eine Trinkhalle und ein Musikpavillon geschaffen und die Wiese über den Lober in einen Rosengarten verwandelt und mit einer Brücke verbunden. Die Schloßmauer erhielt zwei Mauerdurchbrüche, die den ehemaligen Wallgraben mit dem Schulze-Delitzsch-Ring verbinden. Der Dietze-Park, der für die Anlagen am Neuen Heiligbrunnen, die Delitzscher Stahlquelle, einen wirksamen Hintergrund bildet, ist von der Stadt erworben und mit neuen Wegen versehen worden. Nach Ankauf der Wiesen zwischen Lober und Parkstraße entstand 1937 der Albert-Böhme-Park. Hier fesselt den Blick eine prächtige Brunnenfigur "Die Genesung".
3. Mai
Kindertagesstätte
Die neue Delitzscher Kindertagesstätte in der Ludwig Jahn Straße, über deren Aufgaben und räumliche Ausgestaltung bereits berichtet worden ist, wurde am gestrigen Sonntag vormittag im Rahmen einer kurzen Feierstunde, die in den neuen Räumen stattfand, ihrer Bestimmung übergeben. Mit dem Ständchen von Heykens (Streichquartett) und einem Chor der Jungmädel wurde der Weiheakt eingeleitet. Dann erfolgte die Übergabe der Stätte durch Stadtrat Scharf als Vertreter der Stadtverwaltung an den Kreisleiter. Dieser dankte seinerseits all denen, die beim Aufbau und vor allem bei der Überwindung der Schwierigkeiten, die der Krieg mit sich brachte, geholfen haben. Anschließend fand eine allgemeine Besichtigung der Räume statt.
12. Mai
Fleischkürzung
Es wird bestimmt, daß vom 31. Mai ab die Rationierung der Versorgungsberechtigten aller Altersstufen an Fleisch oder Fleischwaren um wöchentlich 100 Gramm gekürzt werden.
29. Mai
Heilkräutersammlung
In den Vormittagsstunden sieht man jetzt wieder unsere Jungen und Mädel klassenweise mit ihren Lehrern und den Lehrerinnen durch die Straßen wandern. In Körben und Rucksäcken tragen sie wertvolles Gut, das sie soeben in Feld und Flur gesammelt haben. Heilkräuter aller Art, die die Natur jetzt in reicher Fülle bietet werden gesammelt und zusammengetragen als nützlicher Beitrag zur Drogenbeschaffung.
1. Juni
50 Jahre Morgner
Die am 1. Juni 1893 von dem Schmiedemeister Oswald Morgner auf dem Grundstück Wiesenstraße 3 in Delitzsch eröffnete Schmiedewerkstatt kann am heutigen Dienstag auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Neben dem Schmiedebetrieb spezialisierte sich die Firma auf geschmiedete Sattlerartikel. Auf der Sattlerausstellung in Berlin im Jahre 1909 erhielt Meister Oswald Morgner für seine dort ausgestellten Beschläge für Lastfuhrgeschirre ein Ehrendiplom. In der Abteilung "Heimische Industrie" der im Jahre 1912 in Eilenburg stattgefundenen Ausstellung erhielt er für die gezeigten Sattlerartikel die Silberne Medaille. Meister Morgner, der von 1916 bis kurz vor seinem Tode (1934) als Innungsobermeister des Schmiedehandwerks für den Kreis Delitzsch wirkte, entwickelte seinen Betrieb bis zum Jahre 1924 tatkräftig weiter. Nach seinem Tode arbeitete sein Sohn Willy im Sinne des Vaters weiter und wurde im September 1934 als Nachfolger des Vaters Oberinnungsmeister für das Schmiedehandwerk.
3. Juni
Frau Poenicke 90 Jahr alt
Frau Selma Poenicke, die Witwe des 1933 verstorbenen Baumschulenbesitzers Eduard Poenicke, konnte ihren 90 Geburtstag feiern. Sie hat 11 Kindern das Leben geschenkt und ist Inhaberin des Goldenen Ehrenkreuzes der deutschen Mütter. Von ihren direkten Nachkommen leben noch 9 Kinder, 17 Enkel und 22 Urenkel. Die Geburtstagsfeier, die gleichzeitig ein Familientag der Sippe Poenicke war, konnte die Jubilarin im Kreise ihrer Angehörigen feiern.
23. Juni
Woche der Hitlerjugend
Die vorige Woche galt der Hitlerjugend. Am Montag den 14. Juni war die Jugend des Bannes auf dem Marktplatz zum Standortappell angetreten. Auch der Bannmusikzug war zur Stelle. Nach der Flaggenhissung wehte die Fahne vom Rathaus herab. Der Bannführer sprach zur Jugend. Es erfolgte das Treuebekenntnis für den Führer und das Fahnenlied. Den Schluß bildete ein Vorbeimarsch vor dem Bannführer. Mittwoch den 16. Juni fand ein Geländespiel statt. Zwei Fähnlein hatten die Aufgabe, eine Anzahl Pakete zum Roßplatz zu bringen, der durch die anderen Fähnlein gesperrt war. Gegen 15 Uhr begann der Kampf. Eine Menge Delitzscher folgte mit Interesse dem Spiel. Trotz Wachsamkeit gelangten alle Pakete auf den Roßplatz. Die Jungmädelspielschar belustigte sich unterdessen auf dem Schützenhof mit Spiel und Gesang und beim Kasperletheater, den Höhepunkt bildete das Märchenspiel "Hänsel und Gretel". Freitag den 18. Juni fand auf dem Roßplatz die Vorführung von Löschübungen der Feuerwehrschar statt. Die Woche der Hitlerjugend fand am Sonntag ihren Abschluß durch das Bannsportfest auf dem Sportplatz an der Elbritzmühle.
21. Juni
Schützenkönig 1943
Das diesjährige Schützenfest fand am gestrigen Sonntag mit dem Einzug des Schützenkönigs sein Ende. Schützenkönig wurde Willi Wilke. Im Kleinkaliberschießen gab Franz Reyher jun. den besten Schuß ab und wurde zum Kronprinzen erklärt.
30. Juni
50 Jahre Wilhelm Unger
Die am 1. Juli 1893 von dem Schmiedemeister Wilhelm Unger auf dem Grundstück Eisenbahnstraße 10 in Delitzsch eröffnete Schmiedewerkstatt kann am Donnerstag auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Durch Einheirat übernahm am 1. Oktober 1919 Schmiedemeister Franz Eilenberger den Betrieb.
14. Juli
Dr. Hugo Kranz gestorben
Im Alter von 65 Jahren ist gestern vormittag der praktische Arzt Dr. med. Hugo Kranz infolge Herzschlages gestorben. Mit Dr. Kranz ist nicht nur ein tüchtiger Arzt gestorben, sondern auch ein Mann, der ob seines lauteren Wesens und seiner aufrechten Sinnesart sich allgemeiner Beliebtheit erfreute und dessen Tod deshalb auch allseits aufrichtig bedauert wird. Allen Volksgenossen, die ihn um Rat und Hilfe angingen, war er stets ein fürsorglicher, jederzeit einsatzfreudiger Helfer gewesen. Von vorbildlichem Arbeitseifer beseelt, war er immer unermüdlich tätig und auf das Wohl seiner Patienten bedacht, so daß er sich in den mehreren Jahrzehnten, die er in Delitzsch praktizierte, nicht nur einen großen Freundes- und Bekanntenkreis schaffen konnte, sondern sich darüber hinaus sogar – nicht zuletzt auch dank seiner Leutseligkeit – den Ruf echter Volkstümlichkeit erwarb. Dr. Kranz plötzlicher Tod ruft nicht nur allgemein tiefes Mitgefühl hervor, sondern er wird auch zu manchem stillen "Danke" Anlaß geben.
22. Juli
Die Wüste Mark Gerltitz
Vor hunderten von Jahren gab es im heutigen Kreis Delitzsch noch einmal so viel Dörfer wie heute. Das Verschwinden so vieler einstiger Wohnstätten der Menschen in hiesiger Gegend ist wohl weniger den Einwirkungen des Krieges, wie allgemein angenommen wird, zuzuschreiben, sondern die Erklärung dafür liegt schließlich in der zu jener Zeit schnell fortschreitenden Kolonisation auf dem Lande. Als zu jener Zeit sich große Herren aus anderen Landesteilen in unserer Gegend, der damaligen Heimat der Sorbenwenden, ansiedelten, war es ihr Bestreben, möglichst große Ländereien zur Ausbeutung in Besitz zu bekommen. Die Sorbenwenden, denen von den landfremden Eindringlingen ihr bis dahin innegehabter Grund und Boden, der ihre Lebensgrundlage bildende Wald, genommen wurde, unterlagen gar bald den Folgen der Kolonisation, sie sanken von freien Bauern zu Hörigen herab, und kamen in kurzer Zeit unter die Botmäßigkeit der nunmehrigen Herren. So kam es, daß die Sorbenwenden ihre einstigen Heime verließen und sich den Städten zuwandten. Die Dörfer verödeten und es entstanden die "wüsten Marken". In ähnlicher Weise mag auch das Schicksal über das einstige Dorf Görlitz, dessen Name im Laufe der Zeit in Gerltitz, Ghörlitz oder Gerlitz wechselte, hereingekommen sein. Das Dorf Görlitz war, den Überlieferungen nach, etwa 150 Meter nördlich der Dübener Straße gelegen, in welcher Gegend noch ab und zu Reste der alten Baustätten bei Feldarbeiten aufgefunden wurden. Die Reste der einstigen Dorfkirche sollen beim Bau des "Forsthauses Delitzsch" verwendet worden sein. Die Stadt Delitzsch ist seit langem Besitzerin der Feldmark, in der einst das Dorf Görlitz gelegen war. Nach alten Chroniken kam es im Jahr 1404 an die Stadt Delitzsch. Die Geschichte des Dorfes Görlitz geht also auf ungefähr 600 Jahre zurück und so kann sein Verschwinden schon lange vor dem 30jährigen Kriege angenommen werden.
16. August
Die Parteiführer d. Kreises
Im Rathaussaal zu Delitzsch versammelte sich Sonnabend nachmittag das Führerkorps der Partei des Kreises Delitzsch zu einer Dienstbesprechung, die ihre besondere Note durch die Anwesenheit des Gauleiter–Stellvertreter Tesche erhielt. Kreisleiter im Amt Kurt Petzsche, unter dessen Leitung die Arbeitstagung stattfand, gab eine Reihe von Anordnungen bekannt. Nach dem Kreisleiter im Amt sprachen die Kreisamtsleiter Hartmann, Lüttig und Professor Dr. Dobers über Fragen ihrer Aufgabengebiete. Eine längere Aussprache erfolgte und andere Kreisamtsleiter und Ortsgruppenleiter nahmen dazu das Wort. Dann gab Gauleiter-Stellvertreter Tesche einen umfassenden Lagebericht und stellte dem Führerkorps besonders die Aufgabe in der jetzt so schweren Zeit, stets allen Volksgenossen in der Haltung zu sein.
1. September
Das Delitzscher Moorbad
Der Grund und Boden des Stadtgebietes Delitzsch zeichnet sich durch zwei Bodenschätze besonders aus: durch die Stahlquelle und das Moorbad. Ist die Stahlquelle als heilungsbringender Kraftquell schon längere Zeit bekannt gewesen, so ist dagegen die Auffindung des Moors noch sehr jungen Datums. Zehn Jahre sind es jetzt her, daß in Delitzsch erstmalig Moor für Heilzwecke gegraben wurde. Es war um den 1. September 1933 herum, als der damals neue Pächter des Delitzscher Viktoriabades Willi Fuchs bei Arbeiten in der Umgebung des Bades Moor fand, das ihm aus seiner früheren Praxis in Jena wohlbekannt war. Es war kein leichter Weg, den der Pächter des Moorbades seit seiner Entdeckung gehen musste. Manche Widerstände musste er erst beseitigen, manche Zweifel an dem Wert des Delitzscher Moors beheben. Aber Beharrlichkeit führte auch hier zum Ziel. In den verflossenen zehn Jahren ist nun das Moorbad dank der Tatkraft seines Inhabers so ausgebaut worden, daß es ein den modernen hygienischen und heilkundlichen Erfordernissen in jeder Hinsicht entsprechendes Bad darstellt. Die Moorvorräte direkt auf dem Grundstück des Viktoriabade sind inzwischen stark zur Neige gegangen. Das tut aber der Weiterführung des Bades als Moorbad absolut keinen Abbruch. Denn die Stadt Delitzsch besitzt ja auf ihren Wiesen und anderen Besitzungen noch weitere so umfangreiche Moorvorkommen, daß über die Erschöpfungsmöglichkeit der Quellen vorerst keinerlei Sorge aufzukommen braucht. In der Nähe des Sorauer Bahnhofes wird seit einiger Zeit Moor gestochen, das an Qualität dem bisherigen in jeder Weise gleichkommt, wenn es dieses nicht sogar übertrifft. Heute steht schon fest, daß die Delitzscher Moorvorkommen noch mindestens für das nächste Jahrhundert ausreichen. Vom Standpunkt der Volksgesundheit aus gesehen, bedeuten die zehn Jahre Moorbad Delitzsch jedenfalls einen sehr beachtlichen Fortschritt.
6. September
Tag der Wehrertüchtigung
Zum Tag der Wehrertüchtigung am gestrigen Sonntag war auch die Hitlerjugend des gesamten Bannbereichs Delitzsch angetreten, um unter Beweis zu stellen, mit welchem Ernst sie die Vorbereitung zum Waffendienst für Großdeutschlands Freiheit und Größe betreibt. Rund 500 Hitlerjungen aus den Städten Delitzsch, Eilenburg, Landsberg und den Landgemeinden des Kreises Delitzsch waren zu den Veranstaltungen dieses Tages im Schützenhof in Delitzsch aufmarschiert und überzeugten die dazu erschienenen Vertreter von Partei und Wehrmacht von dem in ihren Reihen herrschenden Geiste stolzer Wehrfreudigkeit. Nach Aufstellung der Einheiten begrüßte K.-Hauptsturmführer Miebach die Ehrengäste und die angetretene Jugend. Anschließend fand eine Besichtigung der im Schützenhof gezeigten Ausstellung durch die Ehrengäste und H-J.-Führer statt. Diese Ausstellung zeigte interessante Ausschnitte aus der gesamten vormilitärischen Ausbildung der H.J. So waren u.a. zu sehen, eine Abteilung der Feldschere, eine Abteilung der Nachrichten H.J. mit Kabelrosten, Feldfernsprechern und dergleichen, eine Abteilung der Motor H.J. mit verschiedenen Aparaturen zum Funkbetrieb, eine Abteilung der Marine H.J. mit Navigationstafeln, Karten, Seezeichen, Leuchtbojen u.s.w. Nach dem Rundgang durch die Ausstellung folgte der praktische Teil des Tages der Wehrertüchtigung. Es folgte die Abschlußkundgebung vor dem Schützenhof mit dem gemeinsam gesungenen Fahnenlied der H.J.
9. September
Italien
Es wird hier bekannt, daß der italienische Oberbefehlshaber Badoglio, und der italienische König dem britischen Oberbefehlshaber Eisenhower die Kapitulation der italienischen Streitkräfte angeboten hat. Eisenhower hat die Kapitulation angenommen. Damit ist Italien als Verbündeter in diesem Kriege ausgeschieden.
17. September
Hitlerjugend
Im Rahmen der Erfassung der Hitlerjugend zum Jugenddienst findet am Sonntag vormittag auf dem Schloßhof in Delitzsch ein Erfassungsappell der Hitlerjugend statt. In diesem Appell haben sämtliche männlichen Jugenddienstpflichtigen des gesamten Standortes Delitzsch im Alter von 16-18 Jahren anzutreten.
21. September
Gemeinschaftsgaststätte
Am heutigen 21.September besteht die Gemeinschaftsgaststätte Delitzsch ein Jahr. Sie wurde damals im "Bismarck-Keller" eröffnet und ihrem Zweck, den Berufstätigen, die nicht im Haushalt ihrer Familie ihr Mittagessen einnehmen können und alle Delitzscher Volksgenossen, die einen Einzelhaushalt haben, mit den vorhandenen Marken ein besseres Essen zu verabreichen, hat sie in dieser Zeit weitgehend gedient.
1. Oktober
50 Jahre Firma C. Exner
Am heutigen 1. Oktober kann der Schuhmachermeister und Schuhhändler Carl G. Exner, Delitzsch, Breite Straße 19, sein goldenes Geschäftsjubiläum begehen. Vor nunmehr fünfzig Jahren, im Jahre 1893, gründete er sein Geschäft und führt es noch heute in alter Tatkraft. Aus kleinsten Anfängen heraus entwickelte er es zur heutigen angesehenen und neuzeitlichen Schuhverkaufsstelle. An Ostern dieses Jahres konnte er auf eine 62jährige Berufsausübung zurückschauen. Der Jubilar steht heute im 77. Lebensjahre und erfreut sich trotz seines immerhin hohen Alters noch guter körperlicher und geistiger Rüstigkeit, was sich erfreulicherweise auch auf seine geschäftliche Tätigkeit auswirkt.
2. Oktober
Luftwarnsignale
Bei Fliegerangriffen sind drei Luftwarnsignale zu beachten:
1. Öffentliche Luftwarnung (dreimalige Wiederholung eines hohen Dauertones von etwa 15 Sekunden Länge. Jedes Intervall beginnt mit einem ansteigenden und endet mit einem abklingenden Ton. Dauer des gesamten Signals etwa 1 Minute).
2. Fliegeralarm (Auf- und abschwellender Heulton. Gesamtdauer 1 Minute.)
3. Entwarnung (Hoher gleichbleibender Dauerton. Gesamtdauer 1 Minute.)
Bei Auslösung des Fliegeralarms sind sofort die Luftschutzräume aufzusuchen, da mit einem Luftangriff zu rechnen ist.
9. Oktober
Delitzscher Eisenbahn AG
Die Delitzscher Eisenbahn AG steigerte im Geschäftsjahr 1941/42 (30. Juni) ihre Einnahmen aus dem Personen- und Gepäckverkehr von 154.000 RM auf 180.000 RM. Dagegen blieben die Einnahmen aus dem Güterverkehr mit 157.000/158.000 RM fast unverändert. Außerordentliche Erträge sind wiederum gering. Andererseits stiegen auch die Aufwendungen für Gehälter und Löhne, für Erneuerung, Unterhaltung und Ergänzung der Betriebsmittel, während die Kosten für Unterhaltung der baulichen Anlagen um 11.000 RM geringer waren. Nach Abschreibungen auf das Anlagevermögen in Höhe von 25.000 (22.000)RM, sowie nach 19.000 (382) RM Zuweisungen an die gesetzliche Rücklage und wieder 36.450 RM an den Erneuerungsstock ergibt sich ein Verlust von 4.451,06 RM, um welchen sich der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr von 7.260,41 RM auf 2.809,35 RM senkt. Bei einem A.K. von 3.122.000 RM betragen die Verbindlichkeiten 71.000 RM. Fast unverändert stehen Bahnanlagen mit 1.461.000 RM zu Buch. Das Umlaufvermögen, das sich aus Stoffvorräten, Wertpapieren, Forderungen und Bankguthaben zusammensetzt, beträgt 306.100 RM. Es hat sich gegen das Vorjahr um rund 55.000 RM erhöht. Die G.V. der Gesellschaft wurde in Halle a./S. abgehalten.
22. Oktober
Taschenlampen
Bei eintretender Dunkelheit ist für alle Hand- und Taschenlampen die im Freien benutzt werden Blaulicht vorgeschrieben. Unter allen Umständen hat das Anleuchten von Personen und Fahrzeugen zu unterbleiben, da es dabei leicht zu Unfällen kommen kann. Erst vor kurzer Zeit hat sich hier ein solcher Fall ereignet, wo ein Mann durch solch eine Blendung an den Baum gelaufen ist und sich schwer verletzt hat.
29. Oktober
Die Zuckerrübenernte
In diesem Jaher hat die deutsche Zuckerrübenernte, die gut ausgefallen ist, auch noch die zusätzliche Aufgabe zu erfüllen, die weniger gute Kartoffelernte insofern auszugleichen, als ein bestimmeter Teil der Zuckerrüben zur Gewinnung von Spiritus abgezweigt wird. Die Zuckerrübe stellt also als ein äußerst vielseitigen Rohstoff ein Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Industrie dar und bedeutet nicht nur in übertragener Bedeutung eine wichtige Energiequelle. Ein großer Teil der mit Zuckerrüben bebauten Fläche unseres Kreises Delitzsch ist – dank der überaus günstigen Witterung der vergangenen Herbstwochen – bereits abgeerntet. Ein erkleckliches Stück Arbeit erwächst alljährlich unseren Bauern mit der Einbringung der Rübenernte. Besonders in Jahren, in denen um diese Zeit der Boden bereits gefroren ist, macht das Ernten Sorge. Aber in diesem Jahre haben unsere Bauern und Landarbeiter, zumal auch die Ernte mengenmäßig gut ausfällt, ihre Freude an der Arbeit. Allerdings wird die veraltete Methode des Rübenrodens immer seltener angewendet. Man hat sich heute mehr dem Pommritzverfahren zugewandt. Damit werden Kraut und Rübenspitzen mit dem Köpfschippen oder auch dem Köpfschlitten abgeschnitten.
1. November
Max Jungnickel
Der Dichter Max Jungnickel, eine hier beliebte und bekannte Persönlichkeit, der am 7. Oktober 1890 zu Saxdorf im Kreise Liebenwerda als Sohn eines Bahnwärters und einer Dorfschneiderin geboren, dann das hiesige Lehrerseminar besucht, um Lehrer zu werden, aber es vorzog, sich als Dichter und Schriftsteller in harten Jahren durchzukämpfen, hat für seine besonderen künstlerischen Leistungen den Kulturpreis des Gaues Halle-Merseburg für das Jahr 1943 erhalten. Max Jungnickel, dessen Bruder als Bahnbeamter in Delitzsch seit Jahren wohnt, hat gar oft schon hier aus seinen Werken gelesen. Im Jahre 1913 erschien sein erstes Werk "Der Himmelsschneider", ein Märchenspiel. Im ersten Weltkrieg wurde er als Soldat verwundet. Er hat eine große Anzahl von Gedichten, Märchenspielen, Erzählungen und Romanen geschrieben, die teils heiterer und teils ernster Art sind. Aus dem Weltkriegserlebnis enstanden seine Bücher "Brennende Sense", "Meldung!" und "Der Mythos der Soldaten". Reichhaltig sind auch seine andern Erzählungen.
23. November
A. Renner
Der Abteilungsführer der Freiwilligen Feuerwehr, Stadtbaumeister Alfred Renner, Delitzsch, wurde, wie der Regierungspräsident im Amtsblatt der Regierung in Merseburg bekannt gibt, zum Stellvertreter des Oberabteilungsführers der Freiwilligen Feuerwehr und stellvertretenden feuerwehrtechnischen Aufsichtsbeamten für den Regierungsbezirk Merseburg ernannt.
28. November
Kraft durch Freude
Die große deutsche Freizeitorganisation, die NS Gemeinschaft "Kraft durch Freude" kann nun mehr auf eine zehnjährige Wirksamkeit zurückblicken. In den Jahren des Friedens waren die "Kraft durch Freude" Reisen mit der Eisenbahn und auf Schiffen das hervorragende Merkmal. 545 Hochseefahrten über Ozeane mit ¾ Millionen Teilnehmern in den knapp 5 Jahren von 1935-1939 sind wahrlich ein stolzes Dokument. Dem deutschen Arbeiter wurde nicht nur die Heimat neu vor Augen geführt, es wurden ihm auch die Schönheiten der Welt offenbart. Einer neuen Arbeiterkultur wurde zum Durchbruch verholfen. Wir dürfen auch im Kreise Delitzsch mehr als stolz auf die hervorragende Leistungen der NSG "Kraft durch Freude" sein, die alles daransetzt, mit ihrem Werk der Feierabendgestaltung den großen Gemeinschaftsgedanken weiterhin planmäßig zu fördern.
1. Dezember
Otto Meister
Stadtsekretär Otto Meister tritt mit dem heutigen Tage krankheitshalber in den Ruhestand. Ein bösartiges Augenleiden zwingt den noch in den besten Jahren befindlichen Beamten seinen Dienst aufzugeben. Meister war seit 1920 im Polizeivollzugsdienst und danach im Einwohnermeldeamt tätig.
5. Dezember
Flugblätter
Die hiesige Polizeibehörde macht bekannt: Auf unser Gebiet sind in letzter Zeit wieder feindliche Flugblätter abgeworfen worden. Jeder anständige Volksgenosse weiß, wie er sich zu den Machenschaften der feindlichen Agitation zu verhalten hat und sofort derartige Flugblätter bei der nächsten Polizeistation abzuliefern hat. Wer der Pflicht der sofortigen Ablieferung nicht nachkommt, macht sich strafbar.
17. Dezember
Weihnachtsbäume
Wieder einmal ist der Wald in die Stadt gekommen. Gestern und vorgestern konnte man es beobachten, wie die harzduftenden Weihnachtsbäume durch die Straßen getragen wurden, dem heimischen Keller oder Hofraum zu, wo sie noch einige Tage dem kommenden Fest entgegenträumen werden, wie unsere Kinder in dieser Zeit vor dem Lichtfest zu träumen pflegen. Nun wissen wir: Jetzt ist es nicht mehr weit, das schöne alte, deutsche Weihnachtsfest, das, wenn auch Mars die Stunde regiert, uns alle, jung und alt, so wundervoll in seinen Bann schlägt und uns mit seinem ganzen Zauber umgibt.
18. Dezember
Dr. Zaar, der Chefarzt des Delitzscher städtischen Krankenhauses, hat am letzten Donnerstag seine Tätigkeit wieder aufgenommen, nachdem er vier Jahre und vier Monate im Fronteinsatz gestanden hatte. Sein bisheriger Vertreter Dr. J. Perker der zweieinhalb Jahre lang seinen Posten versah und sich gleich ihm weitgehender Sympathien erfreute, wird nach Ablauf seines Dienstvertrages am 1. Januar Delitzsch verlassen und einen ähnlichen Posten übernehmen.
27. Dezember
Vor 300 Jahren – die Wirren des dreißigjährigen Krieges suchten Deutschland heim – bereiste ein "landfremder" Hesse, Wilhelm Dillich, im Auftrage des Kurfürsten von Sachsen das Sachsenland, um Motive für den Riesensaal des Dresdner Schlosses zu suchen. Er kam auch nach Delitzsch, um hier Aufnahmen zu machen. Die damals entstandene Federzeichnung Dillichs kennzeichnet die umringte Stadt mit Mauer und Turm, Tor und Pforte, Wall und Graben. Der Blick fällt besonders auf stadteigene Merkmale. Hospital und Hospitalkirche, Hallischer Torturm, Schloß mit Schloßturm, Rathaus, Henkerturm am Stadtgraben, Marienturm - oder Gottesacker Kirche. Dillich vergißt nicht, auch landschaftliche Eigenarten einzufügen. So erblicken wir auf dem Bild Windmühlen als Sinnbild des Delitzscher – Bitterfelder Mühlenlandes. Die Aufnahmen der Bilder begann 1626. Sein Hauptquartier hatte Dillich während dieser Zeit in Wittenberg.
1944
1. Januar
Hotel "Zur grünen Linde"
Am heutigen Neujahrstage sind 25 Jahre verflossen, seit Hotelbesitzer Kurt Mertzsch Inhaber des Hotels "Zur grünen Linde" ist. Er hat die angesehene Gaststätte, die auch außerhalb der Stadt Delitzsch ihre Freunde und Gönner hat, am 1. Januar 1919 von seinem Vater übernommen, der sie in den achtziger Jahren käuflich erworben hatte.
9. Januar
Fritz Lohse
Der bisher am Landratsamt Delitzsch tätig gewesene Kreisoberinspektor Fritz Lohse wurde vom Regierungspräsidenten als kommissarischer Bürgermeister nach Belgern (Kreis Torgau) berufen, welchen Posten er bereits am 1. Dezember 1943 angetreten hat. Oberinspektor Lohse trat 1911 als Zivildienstanwärter in die hiesige Verwaltung ein. 1914-1919 nahm er am ersten Weltkrieg teil. Am 1. April 1921 wurde er zum Kreisausschuß Sekretär und 1922 zum Obersekretär ernannt. Am 1. April 1928 übernahm er die Leitung des Kreissteueramtes. Nach seiner Ernennung zum Kreisinspektor 1934 wurde ihm 1935 die Leitung der Hauptverwaltung übertragen. 1939 erfolgte seine Beförderung zum Kreisoberinspektor. In der SA hatte Oberinspektor Lohse den Rang eines Obertruppenführers und versah außerdem als Adjutant des Standortführers die Geschäfte des hiesigen Sturmbannes.
10. Januar
Die Sirenenzeichen
Im Alarmwesen bei Fliegerangriffen tritt künftig eine Neuregelung insofern ein, als zu den bisherigen Sirenenzeichen das einer Vorentwarnung tritt. Es gibt nunmehr folgende Signale:
Die Sirene warnt durch das Signal "Öffentliche Luftwarnung" (dreimal hoher Dauerton in einer Minute)
Die Sirene alarmiert durch das Signal "Fliegeralarm" (eine Minute lang auf- und abschwellender Heulton)
Die Sirene gibt "Vorentwarnung" Das Signal ist das gleiche wie "Öffentliche Luftwarnung" (dreimal hoher Dauerton in einer Minute)
Die Sirene entwarnt durch das Signal "Entwarnung" (eine Minute hoher Dauerton). Das Signal wird gegeben, wenn alle Feindflugzeuge abgeflogen sind.
Die Beachtung dieser Meldungen ist nicht nur im eigenen auch im öffentlichen Interesse notwendig.
15. Januar
Archive des Kreises
Die Archivberatungsstelle der Provinz Sachsen in Magdeburg besteht jetzt das fünfte Jahr. Die Leitung dieser Beratungsstelle hat Frl. Dr. Lotte Knabe. Dieser Stelle sind auch die in unserm Kreis befindlichen Archive unterstellt, es sind dies:
1. Das im Landratsamt Delitzsch in einem besonderen Raum aufbewahrte Kreisarchiv,
2. das Ortsarchiv der Stadt Delitzsch einschließlich die Lehmannsche Chronik der Stadt Delitzsch,
3. die Dorfarchive des Kreises.
Fast jedes Dorf hat sein eigenes Archiv. Zum Archivpfleger des Kreises Delitzsch ist auf Vorschlag des Landratsamtes von der Archivberatungsstelle der Provinz Sachsen Lehrer a. D. Karl Ziebe in Delitzsch. Er versieht dieses Amt bereits das fünfte Jahr. Die besondere Leitung des Kreisarchivs hat Mittelschullehrer Horn, die des Stadtarchivs Stadtoberinspektor Költzsch. Zur Sicherung der Archive vor Vernichtung durch Fliegerangriffe wurden Vorsichtsmaßregeln getroffen. So wurde der wertvollste Teil des Stadtarchivs im Keller des hiesigen Schlosses untergebracht. Es war geplant, das Kreisarchiv in den Keller des Gutshauses von Schenkenberg oder Döbernitz aufzubewahren. Da diese Kellerräume aber zu feucht waren, wurde von der Verlegung des Kreisarchivs dorthin Abstand genommen. Dagegen wurde auf Vorschlag des Kreisarchivpflegers und im Einverständnis mit dem Landratsamt und Provinzialberatungsstelle in Magdeburg das Kreisarchivs aufgelöst und den betr. Dorfarchiven, aus dem die einzelnen Stücke stammen, wieder zurückgegeben.
16. Januar
Luftschutzräume
Die privaten Luftschutzräume der Stadt Delitzsch sollen jetzt, wie eine Bekanntmachung besagt, äußerlich genau gekennzeichnet werden. Mit der Durchführung der Kennzeichnung wurden die Delitzscher Malermeister beauftragt.
18. Januar
Gasmaske
Alltäglich finden in Delitzsch Übungen unter der Volksgasmaske statt, weil viele sich erst an das Tragen der Maske gewöhnen müssen und sonst nicht in der Lage sind, in der Erregung des Luftangriffs, sich an der Brandbekämpfung wirksam zu beteiligen.
20. Januar
Postleitzahl
Die Reichspost hat zur richtigen Beförderung von Postsendungen die Postleitzahl eingeführt, deren Angabe auf allen Inland-Sendungen nahegelegt wird. Die Postleitzahl soll in der Anschrift in einer kreisförmigen Umrandung, etwa in der Größe eines Fünfzig-Pfennig-Stückes links neben den Bestimmungsort gesetzt werden. Auch sollte der Absender seine Postleitzahl vor seinen Absenderort angeben. Delitzsch hat fortan die Postleitzahl 10, die das Gebiet des Gaues Halle-Merseburg, des Gaues Sachsens und des thüringischen Kreises Altenburg umfaßt.
10 Delitzsch
Markt 1
31. Januar
11 Jahre NSDAP
Unter überaus großer Beteiligung der Parteien und Volksgenossen der Stadt Delitzsch fand am gestrigen 30. Januar, dem Tage der elften Wiederkehr der Machtergreifung, eine würdige Feierstunde der Delitzsch Ortsgruppen der NSDAP statt. Bis auf den letzten Platz war der mit den Fahnen Großdeutschlands festlich geschmückte Saal des "Schützenhofes" besetzt. Mit dem feierlichen Fahnenmarsch wurde die von Musikvorträgen des Bannmusikzuges umrahmte Gedenkstunde eingeleitet. Die Ansprache zum 30. Januar hielt Kreisamtsleiter Schulrat Ahrens. Der Vortragende stellte zunächst heraus, daß auch dieser 30. Januar eine Schicksalsstunde für uns bedeute. Am Schlusse seiner Ausführungen sagte Redner: "Am Ende unseres Kampfes werden wir die Früchte unseres Glaubens und Sterbens ernten, dafür ist uns Garant unser geliebter Führer Adolf Hitler!" Es sprach dann noch Obergefolgschaftsführer Kohlenbach. Seine Worte waren an die Jugend gerichtet. Er schloß "Die Jugend Adolf Hitlers stehe bereit zum kompromißlosen Kampf, sie stehe bereit, das Erbe unserer alten Garde in die Hände zu nehmen und die Fahne weiterzutragen in ein neues schönes Morgenrot des deutschen Volkes." Ein Umzug durch die Straßen der Stadt bildete den Schluß.
9. Februar
Frau Gärtner 93 Jahr alt
Zu den ältesten Einwohnern weit und breit gehört Frau Marie Gärtner, Delitzsch, Adolf Hitler-Ring 12/13. Am heutigen 9. Februar kann diese greise Mitbürgerin ihr 93. Lebensjahr vollenden. Trotz ihres ungewöhnlich hohen Alters erfreut sie sich noch verhältnismäßig guter Rüstigkeit. Schon über 30 Jahre wohnt Frau Gärtner in Delitzsch.
10. Februar
Ernst Müller Grünstraße 50 Jahre Schneidermeister
Am 5. Februar konnte Schneidermeister Friedrich Ernst Müller hier, Grünstraße 44, auf fünf Jahrzehnte selbstständiger Arbeit im Schneiderhandwerk zurückblicken. Der Jubilar hat in diesen vergangenen wechselhaften Jahrzehnten in unermüdlicher Treue seinen Beruf ausgeübt und denkt auch trotz seiner 76 Jahre keineswegs daran, in dieser alle Kräfte anspannenden Zeit Nadel und Schere freiwillig aus der Hand zu legen. Als im Jahr 1935 die Grünstädter wieder einmal ihr traditionelles, früher alljährlich gefeiertes Volksfest begehen wollten, hatte Schneidermeister Ernst Müller die Leitung des Festes in den Händen und hat das Volksfest, das anläßlich des Delitzscher Heimatfestes mit Einweihung der neuentdeckten Stahlquelle durchgeführt wurde, in vorbildlicher Weise vorbereitet und geleitet.
12. Februar
Vor 100 Jahren
Vor hundert Jahren war die Stadt Delitzsch nur etwa ein Viertel so groß wie heute. Die Einwohnerzahl betrug damals nach der "neuesten Klassensteuerliste welche für das Jahr 1845 aufgenommen worden" war (einschließlich der Gemeinde Grünstraße) 4878.
13. Februar
Das Rathaus in Delitzsch
Die Stadt Delitzsch hatte schon im Jahre 1376 ein Rathaus und zwar befand es sich in dem sogenannten Heringsgäßchen. Dieser alte Bau bietet sich heute im Barockstil dar und ist längst in Privatbesitz übergegangen. In dem Zeitraum zwischen 1407 und 1499 ist dann ein neues Rathaus auf der Südseite des Marktplatzes entstanden, wovon der dazugehörige Turm 1797 aus irgendwelchen Gründen entfernt und auch nicht wieder hinzugefügt wurde. Im Jahre 1849 erhielt der bis dahin einstöckige Bau ein weiteres, zweites Stockwerk aufgesetzt, in dem dann das Kreisgericht unterkam. Der Ratskeller ist schon im Jahre 1871 geschlossen worden.
28. Februar
10 Jahre "Mutter u. Kind"
Vor zehn Jahren am 28. Februar 1934 wurde hier das Hilfswerk "Mutter und Kind" ins Leben gerufen. Damit setzte ein soziales Aufbauwerk ein, das der Gesundheit, der körperlichen und seelischen Spannkraft unserer Mütter und Kinder unmittelbar dient. In zahlreichen Einzelmaßnahmen, wie solchen der Mütter- und Jugenderholungspflege, der Schaffung eines ausgedehnten Netzes von Kindertagesstätten, der Einrichtung von Hilfs- und Beratungsstellen, Gemeindeschwesterstationen, Jugendheimstätten, Säuglingsheimen, Bahnhofsdiensten ist ein wichtiger Beitrag für die Gesundheitsförderung unseres Volkes geleistet worden.
15. März
Heldengedenktag
Am gestrigen Tage, dem Heldengedenktage, fand in Delitzsch eine würdige Heldengedenkfeier statt. Um 8 Uhr wurde auf allen Dienstgebäuden der Wehrmacht die Reichskriegsflagge gehißt. Um 8.30 Uhr zog ein Ehrenposten am Kriegerdenkmal am Halleschin Turm auf, wohin um 9 Uhr ein Ehrenzug der Wehrmacht marschierte, um Kränze niederzulegen. Dann fand im "Schützenhof" um 10 Uhr eine Gedenkfeier mit den Kriegshinterbliebenen des Weltkrieges 1914/18 und des jetzigen Krieges statt. Der Schützenhofsaal war zu diesem Zwecke würdig dekoriert. Die Gedächtnisrede hielt Oberstleutnant Löser.
27. März
Verpflichtung der Zehnjährigen
Unter den drei Feiertagen der Jugend, die die nationalsozialistische Bewegung geschaffen hat, - Aufnahme der Zehnjährigen in Jungvolk und Jungmädelbund, Verpflichtung der Vierzehnjährigen bei Übernahme in die Hitlerjugend und Übernahme der Achtzehnjährigen in die Partei und die Erwachsenenformationen - kommt der Verpflichtung der Jugend eine besondere Bedeutung zu, denn sie erfolgt am entscheidenden Lebensabschnitt der Schulentlassung und des Berufseintritts. Der größte Teil der Vierzehnjährigen tritt nun hinaus ins werktätige Leben, steht also an einem wichtigen Wendepunkt, der die eigentliche Kindheit abschließt. Zu einer würdigen Feierstunde gestaltete sich die Verpflichtung am gestrigen Sonntag in Delitzsch. Alle Jungen und Mädel von Delitzsch, die seit vier Jahren in der Gemeinschaft des deutschen Jungvolkes und des deutschen Jungmädelbundes in nationalsozialistischer Erziehung gestanden haben, wurden gestern in einer würdigen Feierstunde in die Hitlerjugend bezw. in den Bund deutscher Mädel überwiesen. Ansprachen hielten an die Schulentlassenen Schulleiter Rektor Schiedt, als Vertreter des Hoheitsträgers Kreisamtsleiter Mönnig und für die Hitlerjugend Obergefolgschaftsführer Kohlenbach. Den Höhepunkt der Feierstunde bildete dann die gemeinsam gesprochene Verpflichtungsformel.
1. April
50 Jahre Böhme A.G.
Am 1. April 1944 kann die Böhme–Aktiengesellschaft in Delitzsch auf ihr fünfzigjähriges Bestehen zurückblicken. Ihr Gründer, Albert Böhme, steht noch heute als Betriebsführer an der Spitze des Unternehmens, das er aus kleinen Anfängen zu einem der bedeutendsten Werke der deutschen Kakao- und Schokoladenindustrie entwickelte.Alfred Böhme ist Delitzscher Kind und hat seine Heimatliebe dadurch bewiesen, daß er hier den Grundstein zu einer Stätte der Arbeit legte, deren Wachstum zugleich ein Stück städtebaulicher und wirtschaftsgeschichtlicher Entwicklung bedeutet. Aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Kakao- und Schokoladenwerke Böhme-Aktiengesellschaft Delitzsch fand in den Betriebsräumen der Firma eine Jubiläumsfeier statt, wozu die Spitzen der Partei, Behörden und Wirtschaft sowie Freunde des Hauses und der Familie Böhme erschienen waren. Kreisleiter Krüger überbrachte die Glückwünsche des Gauleiters und der Kreisleitung der NSDAP und beglückwünschte besonders Generaldirektor Albert Böhme. Ferner überbrachten Glückwünsche Landrat Meister namens des Kreises, Bürgermeister Dr. Frey und Stadtrat Scharf namens der Stadtverwaltung sowie Vertreter der Gauwirtschaftskammer und der Fach- und Wirtschaftsgruppen. Die Gratulanten würdigten das Werk und Schaffen Albert Böhmes und die Bedeutung der Firma im Rahmen unserer heimischen und der deutschen Wirtschaft.
2. April
Walter Lobenstein
Mit dem 31. März 1944 scheidet der hiesige Lehrer Walter Lobenstein von der Knabenvolksschule wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem aktiven Schuldienst aus. Der Jubilar ist Schüler des hiesigen Lehrerseminars von 1892-1898, war einige Jahr außerhalb Delitzsch als Lehrer tätig und ( hat d.A.) dann vom 1.10.1902 bis zum 31. März 1944 an beiden Delitzscher Volksschulen unterrichtet.
10. April
Stadtwacht
Zur Verstärkung der Polizei ist für besondere Zwecke ein ehrenamtlicher Hilfsdienst "die Stadtwacht" geschaffen worden. Es sind dies ältere militärisch ausgebildete Männer. Sie tragen eine weiße Binde mit der Aufschrift "Stadtwacht". Sie sollen die Polizei in ihrer mannigfachen Aufgabe jetzt im Kriege unterstützen, daß sie bei Ausübung dieses Dienstes Waffen tragen ist ebenso selbstverständlich, wie ihnen während dieser Zeit polizeiliche Befugnisse zustehen.
20. April
Führers Geburtstag 1944
Gestern, am Vorabend des Geburtstages des Führers, fand in Delitzsch die Aufnahme der jungen Anwärter für die H.J. statt. In den Nachmittagsstunden traten die H.J.-Einheiten vor dem "Schützenhof" an., in dessen großen Saal dann die Aufnahmefeier vor sich ging. Außer den Vertretern der Partei waren zu der Feierstunde auch – soweit es die Kriegseinsatzpflichten zuließen - die Eltern namentlich die Mütter der aufzunehmenden Jungen und Mädel erschienen.
21. April
wie oben
Am gestrigen Tage wurde der Geburtstag des Führers Adolf Hitler in einer würdigen, dem Ernst der Zeit entsprechenden Form begangen. In allen Straßen und Gassen, von allen Häusern grüßten die Fahnen des dritten Reiches, und war der Tag auch ein Arbeitstag wie jeder andere, so lag doch über allem Weihe und Feierstimmung, die ihren besonderen Ausdruck fand in einer Feierstunde, die die Partei und Volksgenossen in so großer Zahl im "Schützenhof" zusammenführte, daß die Sitzplätze des großen Saales nicht ausreichten, um die Erschienenen alle zu fassen. Nachdem Kreisleiter Krüger die Vereidigung einer großen Zahl von Männern und Frauen vorgenommen hatte, die unter die Mitarbeiter und Amtsträger der Partei und der zugehörigen Organisationen getreten sind, hielt er die Gedenkrede zum Geburtstag des Führers. Er zeichnete ein packendes Lebensbild des Führers von den Anfängen der NSDAP bis zur Machtübernahme. Mit dem Lied der Deutschen und dem Hort-Wessel-Lied schloß die Feier.
2. Mai
Wehrschießen
Unter der Leitung der SA fand am letzten Sonnabend und Sonntag den 29. und 30. April auf den Ständen des Schützenhofes ein "Wehrschießen" statt, zu dessen Teilnahme die SA vor einiger Zeit alle deutschen Männer von Delitzsch aufgerufen hatte. Dem Rufe waren etwa 1000 Teilnehmer gefolgt. Geschlossen rückten die Formationen der Politischen Leiter, der Technischen Nothilfe, der Feuerwehr, der Betriebssportgemeinschaften, der Kriegerbundschaften, NSKOV, Schützengilde, Schießsportvereine, Volksgenossen aus den Betrieben, von Handwerk und Industrie, mit Wehrmacht und den Gliederungen, der Partei, vom 82 jährigen Schützen bis zum 14 jährigen Hitlerjungen an, um ihr Auge, die Sicherheit der Hand am Abzugsbügel zu prüfen. Die Delitzscher haben bewiesen, daß sie noch schießen können.
4. Mai
Erich Seidel
Rektor Erich Seidel, der seit Kriegsbeginn als Hauptmann im Dienste der Wehrmacht stand, hat, nachdem er krankheitshalber aus dem Wehrdienst ausscheiden mußte, am 2. Mai seine Schultätigkeit wieder aufgenommen und hat nun wieder die Leitung der Knabenvolksschule inne.
5. Mai
Herbert Hampe
Aus dem Führerhauptquartier kommt die amtliche Meldung, daß der aus Delitzsch stammende Oberfeldwebel in einem Kampfgeschwader Herbert Hampe für hervorragende Bewährung vor dem Feinde mit dem Ritterkreuz des Eisenern Kreuzes ausgezeichnet wurde. Vorher ist ihm auch für hervorragende Dienste das Deutsche Kreuz in Gold verliehen worden. Herbert Hampe ist der Sohn des kaufmännischen Angestellten und bekannten langjährigen Stadtverordneten Friedrich Hampe.
26. Mai
Volksbank
Unter der Leitung des Aufsichtsratsvorstandes Hermann Mietzsch fand am Dienstag abend im Gasthaus "Stadt Berlin" die Generalversammlung der Volksbank Delitzsch statt. Den Geschäftsbericht des Vorstandes über das vergangene 94. Geschäftsjahr erstattete Walter Hofmeyer. Im Jahre 1943 konnte eine erhebliche Erweiterung des Geschäftsumsatzes festgestellt werden. Die Bilanzsumme erhöhte sich um über eine Million RM. Durch die liquiden Mittel ist die Zahlungsbereitschaft ausreichend gesichert. Sie betrug am Jahresende 3.749.319,14 RM d.J. rund 63 v.H. der Gesamtverpflichtungen. Der Wertpapierbestand stieg auf 2.757.989,46 RM. Die Zunahme der Einlagen betrug insgesamt 1.021.000,- RM. Die Bankguthaben stiegen um 594.898,14 RM auf 2.698.278,- RM. Der Mitgliederbestand betrug am 31. Dezember 1943 740 Mitglieder mit 1023 Anteilen. Nach Abschreibungen von 6913,18 RM auf Bankgebäude und Geschäftseinrichtung verbleibt ein Reingewinn von 28.052,03 RM. Hiervon wird eine Dividende von 5.v.H. – 14.299,20 RM gezahlt. Außerdem wurden 12.253,43 den Mitgliedern und 600,- RM der Sterbekasse zugeführt.
31. Mai
Ertrunken
Beim Baden im Delitzscher Werkstättenteich kam gestern nachmittag ein junger Angestellter der Kreis- und Stadtsparkasse Delitzsch, namens Beierlein, ums Leben. Da sofortige Wiederbelebungsversuche erfolglos waren, wurde B. der kriegsverschrt war ins Krankenhaus gebracht, wo der eingetretene Tod durch Herzschlag festgestellt wurde.
18. Juni
Mästerei Beerendorf
Wohl jedem Delitzscher ist die EHW – Schweinemästerei in Beerendorf in den letzten Jahren zu einem Begriff geworden. Regelmäßig sieht man den Sammelwagen durch die Straßen der Stadt rollen, der die in den Haushaltungen angefallenen Küchenabfälle einsammelt und zur Mästerei des EHW (Ernährungshilfswerk) der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt in Beerendorf bringt. Kurz vor dem Kriege wurde die Schweinemästerei gegründet und hat seitdem einen sehr beachtlichen Beitrag zur Ernährung des deutschen Volkes geleistet, einen Beitrag, der – zumal im Kriege - von ganz besonderer Bedeutung ist. Neuerdings ist der Mästereibetrieb in Beerendorf nun auf Schafe umgestellt worden, die neben der Erzeugung von fetten Hammelfleisch auch noch den Vorteil vermehrter Wolleanfälle bieten. Aus den Ställen der EHW tönt uns nun nicht mehr das lustige Gequieke feister Borstentiere entgegen, sondern blökend schauen uns jetzt 150 wollige Hammel an, wenn man zur Tür hineintritt. Die Umstellung des Mästereibetriebes auf Schafe erfolgte im Zuge der neuerdings im ganzen Reichsgebiete vorgenommenen Umstellung. Die Eilenburger Mästerei wird dagegen auf Schweinemast weiter durchgeführt.
24. Juni
Wackermann
Oberamtmann Friedrich Wilhelm Wackermann, Delitzsch, Hindenburgstraße 5, konnte seinen 90. Geburtstag begehen. Trotz seines hohen Alters erfreut er sich noch seltener Rüstigkeit. Da der Altersjubilar eine in weiten Kreisen bekannte und geachtete Persönlichkeit ist, wird es ihm an Glückwünschen und Aufmerksamkeiten sicher nicht gefehlt haben.
28. Juni
Unglücksfall
Am gestrigen Dienstag kurz vor Mittag ereignete sich in der Poststraße ein schwerer Verkehrsunfall. Der 59 Jahre alte Polsterer Paul Samuel aus Delitzsch, Albert Böhme Straße wohnhaft, passierte auf dem Fahrrad die Poststraße, wo er von einem Kraftwagen erfaßt und überfahren wurde. Im schwerverletzten Zustande wurde der Verunglückte mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo er, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben im Laufe des Dienstagsnachmittags gestorben ist.
9. Juli
Luftschlacht
Über dem mitteldeutschen Raum vor allem zwischen Halle und Dessau entwickelte sich am Donnerstag den 7. Juli eine erbitterte Luftschlacht. Die feindlichen Flieger waren bis Dessau vorgedrungen. Auf ihrem Rückflug wurden sie von deutschen Jägern angegriffen, die den feindlichen Abwehrring durchbrachen, konzentrisch gegen die Bomberverbände vorstießen und sie bis in das Gebiet von Delitzsch zerstreuten. Ein geschlossen fliegender nordamerikanischer Verband wurde dabei das Ziel schwerster Angriffe eines unter Führung des Ritterkreuzträgers Major Dahl kämpfenden Jagdverbandes. Nicht einem Bomber dieses feindlichen Verbandes gelang es, zu entkommen. Eine andere Jagdgruppe unter Führung von Hauptmann Wilhelm Moritz vernichtete nicht weniger als 30 viermotorige Bomber. Dieses berichtet die deutsche Wehrmacht unterm 8. Juli.
20. Juli
Attentat auf den Führer
Die deutschen Tageszeitungen bringen unter heutigem Datum folgende Nachricht: Auf den Führer wurde heute ein Sprengstoffanschlag verübt. Von seiner Umgebung wurden hierbei schwer verletzt: Generalleutnant Schmundt, Oberst Brandt, Mitarbeiter Berger. Leichtere Verletzungen trugen davon: Generaloberst Jodl, die Generäle Korten, Buhle, Bodenschatz, Heusinger, Scherft, Oberstleutnant Borgmann, die Admirale Voß, von Puttkammer. Der Führer selbst hat außer leichten Verbrennungen und Prellungen keine Verletzungen erlitten. Er hat unverzüglich darauf seine Arbeit wieder aufgenommen und – wie vorgesehen - den Duce zu einer längeren Aussprache empfangen.
27. Juli
Fenstergitter
Das Eindringen in beschädigte Bauwerke sowie die Rettung in Luftschutzräumen eingeschlossener Volksgenossen wird oft dadurch erschwert, daß sich die an den Kellerfenstern angebrachten Gitter nur schwer oder gar nicht entfernen lassen. Aus diesem Grunde ist allen Besitzern von Gebäuden zur Pflicht gemacht worden, an den Kellerfenstern alle fest an das Mauerwerk eingelassene Gitter zu entfernen und schwer bewegliche Gitter leicht herausnehmbar zu machen. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind nur die Gitter vor solchen Kellerräumen für die ein besonderes Schutzbedürfnis besteht. (z.B. Bankräume)
1. August
Schießübung
Von August bis Oktober diesen Jahres werden von der SA wieder die Wehrkampftage und Schießwehrkämpfe durchgeführt. An ihnen beteiligen sich außer der SA die anderen Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei, die Betriebssportgemeinschaften der NS Gemeinschaft "Kraft durch Freude", der NS Reichsbund für Leibesübungen, Wehrmacht, Waffen SS, Polizei und Reichsarbeitsdienst.
12. August
Verhalten bei Alarm
Eine Frau T., die während eines Alarms auf einer Bank in einer Anlage saß, widersetzte sich der Anordnung eines Polizeibeamten, die Bank zu verlassen und einen Splittergraben aufzusuchen, so daß sie schließlich zwangsweise abgeführt werden mußte. Dabei warf sie dem Polizeibeamten allerlei "Liebenswürdigkeiten" an den Kopf. Frau T. hatte sich durch ihr unverantwortliches Verhalten gegen den Paragraphen 2 und 3 des Luftschutzgesetzes vergangen. Außerdem aber bestrafte das Gericht die bisher unbestrafte Angeklagte auch noch wegen öffentlicher Beleidigung eines im Dienst befindlichen Beamten mit einer Woche Gefängnis.
15. August
Der "totale" Krieg
Reichsminister Dr. Göbbels hat im Auftrage des Führers den "totalen Krieg" erklärt. In einem besonderen Aufruf werden die Frauen im Alter von 45 bis 50 Jahren aufgefordert, sich für die Mitarbeit an den Aufgaben der Reichsverteidigung zu melden. Aus der Bekanntmachung geht genau hervor, welche Frauen zur Meldung verpflichtet sind, und welche Frauen auf Grund besonderer Bestimmungen von der Pflicht zur Meldung befreit sind. Die in Frage kommenden Frauen aus unserem Kreise Delitzsch tun gut daran, unter Beachtung der einzelnen Ausführungen des Aufrufs sich baldigst beim Arbeitsamt oder seiner Neben- und Hilfsstellen zu melden und den dort erhältlichen Meldebogen bis spätestens zum Augustletzten ausgefüllt dorthin zurückzubringen. Unterlassung der Meldung zieht strenge Bestrafung nach sich.
18. August
Kartoffelkäfersuche
Wie der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde im Anzeigenteil der "Delitzscher Kreiszeitung" bekannt gibt, findet am kommenden Sonntag den 20. August von 10 bis 13 Uhr eine Kartoffelkäfersuche in der Delitzscher Gemarkung statt. Es müssen neben den Kartoffelfeldern auch alle Pflanzungen von Tomaten abgesucht werden. Der Schaden, der durch die Kartoffelkäfer entstehen kann, ist infolge der ungeheuer raschen Vermehrung des Schädlings meist unermeßlich und kann zumal heutzutage zu katastrophalen Folgen für die Volksernährung führen. Deshalb befolge jeder die Aufforderung des Bürgermeisters und mache von etwaigen Feststellungen des Käfers unverzüglich der Polizei Meldung. Nichtbefolgung der Anordnung zieht übrigens empfindliche Bestrafung nach sich.
27. August
Die Gefallenen oder Vermißten
Hinterbliebene gefallener Wehrmachtsangehöriger geraten gelegentlich in Schwierigkeiten, daß sie, nachdem der Truppenteil ihnen den Tod mitgeteilt hat, eine standesamtliche Sterbeurkunde nicht erhalten können. Die Standesbeamten können sie nicht ausstellen, weil ihnen die Anzeigen der Wehrmachtsauskunftstelle noch nicht zugegangen sind. Der mitgeteilte Tod liegt zuweilen schon lange zurück, ohne daß der Fall beurkundet wird. Die Entscheidung darüber, ob ein Wehrmachtsangehöriger als "gefallen" oder "vermißt" anzusehen ist, steht einzig und allein der Truppe zu, da nur die Truppe die näheren Umstände des Verlustfalles beurteilen kann. Es ist dabei vor allem auch zu berücksichtigen, daß die Interessen des vermißten Wehrmachtsangehörigen es erfordern, daß in wirklich zweifelhaften Fällen die Vermißtmeldung nicht geändert wird, denn es gilt, die Ansprüche des Vermißten aufrecht zu erhalten, bis feststeht, daß wirklich der Heldentod vorliegt.
4. September
Freiwillige der Hitlerjugend
Vom 2. bis 4. September 1944, zu Beginn des sechsten Kriegs-
jahres traten im gesamten Großdeutschen Reich Hundertausende von Kriegsfreiwilligen aus den Reihen unserer Hitlerjugend zum Großappell an und legten in machtvollen Einzelkundgebungen Zeugnis ab von ihrer Kriegsfreiwilligkeit. In Delitzsch hatte am Sonnabend abend den 2. September die Delitzscher Hitlerjugend mit ihren Führern in weiten offenen Geviert auf dem Delitzscher Marktplatz Aufstellung genommen. Den Kriegsfreiwilligen, die im besonderem Block in der Mitte aufmarschiert waren, hatten die jüngeren Kameraden das Geleit gegeben. Kreispropagandaleiter Hartmann sprach mahnende ernste Worte an die junge Mannschaft. Ähnliche Appelle fanden am Montagabend im RAW Delitzsch, wo sich neben der Betriebsjugend auch die Jugendlichen der Kleinbetriebe und die Lehrwerkstatt von Delitzsch eingefunden hatten.
5. September
90 Jahre Herm. Große
In ausgezeichneter körperlicher und geistiger Frische kann der Nestor der Delitzscher Erzieherschaft, der Lehrer i.R. Hermann Große am heutigen Tage seinen 90. Geburtstag begehen. Als Sproß eines alteingesessenen Bauerngeschlechtes am 5. September 1854 in Reuden, Kreis Kalau geboren, besuchte er nach Beendigung der Schulzeit die Präparandenanstalt zu Döbern im Heimatkreise, um den Lehrerberuf zu ergreifen. Später siedelte er in die Privatanstalt des Rektors Dr. Bartels in Delitzsch über, die sich damals im Hause des Bäckermeisters Sack am Pfortenplatz befand. Chronischer Lehrermangel jener Zeit brachte es mit sich, daß er als Präparand für einige Jahre mit der Verwaltung der Schulstelle in Reibitz beauftragt wurde. In den Jahren 1875 bis 1878 war er Zögling des hiesigen 1873 gegründeten Lehrerseminars unter dem ersten Direktor Trinius, das sich damals noch mit völlig unzulänglichen Räumen in der Knabenschule und in einigen gemieteten Häusern der Nachbarschaft begnügen mußte. Nach Abschluß seiner Ausbildung war er vier Jahre in Döbernitz tätig. Von 1881 bis 1819 (1919 d.A.) wirkte er an der Delitzscher Knabenschule, 25 Jahre durfte er bis heute sich des Ruhestandes erfreuen.
6. September
Entlassung vom Wehrdienst
Nach den neuesten Verfügungen können einzige und letzte Söhne im Weltkrieg gefallener Väter nicht mehr aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen werden. Von fünf und mehr im Wehrdienst stehenden Söhnen ist einer nur dann zu entlassen oder zurückzustellen, wenn die Eltern den beantragten Sohn als Arbeitskraft zur Aufrechterhaltung ihrer Existenz benötigen. Die vielfach vertretene Auffassung, daß von einer Familie nicht mehr als vier Söhne in der Wehrmacht zu dienen brauchen, trifft nicht zu. Wird von fünf oder mehr im Wehrdienst stehenden Söhnen ein Sohn lediglich als Bluterbe benötigt, so kann Zurückziehung aus der kämpfenden Truppe, jedoch keine Entlassung erfolgen.
23. September
Kriegsmaßnahme
Eine Maßnahme, die besonders von den Hausfrauen außerordentlich begrüßt wurde ist im Rahmen der Reparaturaktion das Ansohlen bezw. das Anfüßen von Damen- und Herrenstrümpfen. Auch in Delitzsch sind Annahmestellen für solche neuartigen Strumpfreparaturen eingerichtet worden. Viele Delitzscher Hausfrauen haben schon von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Ablieferung solcher Strümpfe, die zu stopfen sich kaum noch lohnen würden, den Strumpfbestand der Familie wieder aufzufrischen.
8. Oktober
Sozialwerk der D.A.F
Zwischen der General Märcker Straße und der Damaschke Straße sind drei Gebäude auf einem weiten Gelände emporgewachsen, ebenerdig und mit flachem Dach in Barackenbauweise. Mit der Einrichtung dieser Baulichkeiten hat das Sozialwerk der DAF für Handwerk, Handel und Gewerbe in unserer Stadt Delitzsch ein Werk vollbracht, das hohe Beachtung und Anerkennung verdient. Es handelt sich nämlich um ein Gemeinschaftslager, das für von außerhalb kommende Junghandwerker bestimmt ist und zur Zeit der Unterbringung von ausländischen Arbeitskräften dient. Das Gemeinschaftslager ist zur Zeit mit rund 75 Mann belegt und zwar Italiener und Franzosen. An sich ist das Lager so angelegt, daß es für 100 Insassen Platz bietet. Den Hauptteil bildet der über 40 Meter lange Wohnbau. Neben einem Waschraum enthält es fünf große Wohnräume, die die soldatische Einrichtung der übereinander gestellten Betten und der Spinnreihen zeigen. Dem Wohnbau gegenüber liegt das Küchenhaus. Im gleichen Bau befindet sich auch das Zimmer des Lagerführers, von dem aus man die weißgetünchten Wirtschaftskeller erreicht, wo die Küchenvorräte lagern. Der dritte, kleinste Bau schließlich beherbergt noch einen Kochraum, den die Lagerinsassen selbst benutzen können. Hier wird oft schon "zu nachtschlafener Zeit" der Morgenkaffee vor dem Gang zur Arbeit aufgebrüht.
11. Oktober
Diamantene Hochzeit
Das Ehepaar Friedrich in Delitzsch, Wiesenstraße 8, kann am morgigen 12. Oktober das seltene Fest der Diamantenen Hochzeit begehen. Wilhelm Friedrich, der im 85. Lebensjahr steht stammt aus Paupitzsch. Frau Wilhelmine Friedrich geb. Grabe, die 86 Jahre alt ist, ist in Benndorf geboren. Das Ehepaar zog 1884 nach Delitzsch, wo Vater Friedrich damals als Mühlarbeiter bei der Firma Bauer eintrat. Hier wirkte er bis 1930.
13. Oktober
Jubiläum Jakoby
Regierungsobersekretär Gustav Jakoby vom Landratsamt Delitzsch konnte am Donnerstag sein 50jähriges Dienstjubiläum begehen. Trotz Überschreitung der Altersgrenze und damit verbundener Pensionierung ist der Jubilar seinem Dienste treu geblieben und sieht es im Kriege als selbstverständlich an seine Pflichten nach wie vor in vorbildlicher Weise zu erfüllen. In einem wichtigen Teilgebiet der landrätlichen Verwaltung ist er mit weitesten Schichten der Kreisinsassen in Berührung gekommen, und seine Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit werden bei diesem ebenso anerkannt, wie seine Kameradschaftlichkeit bei seinen Mitarbeitern. Obersekretär Jakoby ist alter Soldat. Aus dem ersten Weltkriege brachte er die beiden Eisenern Kreuze heim. Seine besondere Liebe galt der Kriegskameradschaftspflege, in der er an führender Stelle steht.
15. Oktober
125 Jahre Meyerhofer
Die Sattlerei und Polsterei Meyerhofer in Delitzsch besteht am heutigen 15. Oktober 125 Jahre. Der Betrieb befindet sich seit 1819 ununterbrochen in Familienbesitz. Bei jedem Generationswechsel ging die Leitung des Unternehmens vom Vater auf den Sohn über. Johann Meyerhofer eröffnete vor 125 das Geschäft in der Eilenburger Straße 5. Im Jahre 1848 übergab der Senior die Firma seinen Sohn Joseph. Dieser erwarb das Grundstück Bitterfelder Straße 13, auf dem die Meyerhofersche Sattlerei sich noch heute befindet. Damals stand hier, woran sich so mancher Delitzscher noch erinnern wird, das Hirtenhaus, das zum Stadtgut gehörte. Der Enkel des Gründers, Paul, trat im Jahre 1891 das Erbe an; er ließ das alte Bauwerk abreißen und ein neues Haus bauen, das heute noch steht. Sein Sohn, der ebenfalls Paul heißt, ist der jetzige Besitzer, er übernahm das Geschäft vor 14 Jahren. Und schon ist wieder der Nachfolger gesichert: der Urenkel des Gründers, Horst, hat wie es in der Sippe Brauch, wieder das Sattlerhandwerk gelernt und wird dereinst, wenn er nach dem Krieg von der Front zurückkommt das Geschäft übernehmen.
5. November
Der Volkssturm
Am 18. Oktober hatte der Führer Adolf Hitler zur Verteidigung des Vaterlandes den Volkssturm aufgerufen. In dem Aufruf heißt es: "Zur Verstärkung der aktiven Kräfte unserer Wehrmacht und insbesondere zur Führung eines unerbittlichen Kampfes überall dort, wo der Feind den deutschen Boden betreten will, rufe ich alle waffenfähigen deutschen Männer vom 16. bis 60. Lebensjahre zum Kampfeinsatz auf." In einer Bekanntmachung des Landrats von Delitzsch meldeten sich dann am Sonntag den 25. Oktober von morgens 8 Uhr ab die gestellungspflichtigen Männer der Geburtsjahrgänge 1884 bis 1928 zum Deutschen Volkssturm wie bekannt gegeben auf dem Schützenhofplatz, dem Schützenplatz und dem Jahnplatz. Für solche Männer, die wegen Schichtarbeit am Vormittag nicht kommen konnten wurde die Musterungszeit auf Sonntag nachmittag von 15 bis 18 Uhr festgesetzt. Der erste Appell des neu aufgestellten Volkssturms fand am Sonntag den 5. November statt. Es handelte sich hier um die Eingliederung der gestellungspflichtigen Männer in Kompagnien und Bataillone. Die Männer wurden mit ihrem jeweiligen Kompagnieführer bekannt gemacht. Innerhalb der Kompagnien erfolgte die Einteilung in Züge und Gruppen. Dem Ganzen stellte sich dann der Bataillonsführer vor und machte bekannt, daß am nächsten Sonntag den 12. November die Vereidigung stattfindet. Das Kommando "Weggetreten" beschloß dann den ersten Dienst des Delitzscher Volkssturms.
14. November
Sammlung von Tierhaaren
Der Reichnährstand hat einen Aufruf an die landwirtschaftlichen Tierhalter erlassen und sie aufgefordert im Laufe des November und Anfang Dezember sämtlichen Pferden die Schweife und Mähnen sowie den Rindern die Schwänze zu stutzen und die dadurch gewonnenen Haare zur Deckung des dringend notwendigen Bedarfs für Rüstung und Wirtschaft abzuliefern.
Kaninchenfell
Im Zuge der Durchführung der Anordnung zur Einschränkung der Kleintierzucht werden in den nächsten Wochen in allen deutschen Gauen zahlreiche Kaninchen ihr Leben lassen müssen. Es sei daher noch einmal an die Pflicht erinnert, jedes Kaninchenfell, auch wenn es wertlos erscheint, abzuliefern. Man sorge dafür, daß das Fell beim Abziehen nicht beschädigt oder gar eingeschnitten wird. Nach dem Abziehen spanne man das noch frische Fell auf einen Fellspanner, der sich mühelos selbst herstellen läßt.
3. Dezember
Die Delitzscher Windmühlen
Die Stadt Delitzsch besaß in alter Zeit eine Reihe von Mühlen. Ein Verzeichnis der Künstler und Handwerker vom Jahre 1818 zählt acht Müllermeister auf. Wenn man Stadt- und Elberitzmühle davon abzieht, bleiben sechs Windmüller. 60 Jahre später hatte sich jedoch die Bevölkerungszahl verdoppelt, so daß um 1880 etwa 12 Windmühlen gewesen sein mögen. Eine Windmühle stand dort, wo heute der Güterschuppen der Reichsbahn steht. Sie ist bereits 1859 bei der Eröffnung der Berlin – Anhalter Eisenbahn verschwunden. Hinter der Mausefalle, links des Döbernitzers Weges hatte die Windmühle des Müllermeisters Hennig ihren Platz. Sein Sohn war der Bankier Hennig. Sein Elternhaus hinter der Kohltorbrücke gelegen, hat er unter der Bezeichnung "Hennig-Schrödter-Haus" gemeinsam mit seinem Schwager der Kirchengemeinde übereignet. Müllermeister Troitzsch hatte eine Windmühle rechts der Elberitzstraße auf Geißlers Grundstück. Sie wurde 1898 abgebrochen und in Tiefensee aufgestellt. Die Windmühle des Müllermeisters Zander mußte dem Wasserturm weichen beim Bau der Delitzscher Wasserleitung 1902. Am Queringer Wege stand eine Windmühle, die als letzte im Jahr 1923 der Inflation zum Opfer fiel. Rechts vom Wege nach Kertitz, auf dem sogenannten Superintendenten–Hügel war die Mühle des Meisters Dittmar. Etwa im Jahre 1868 erbaute der Müllermeister Wittig auf der Höhe rechts der Schenkenberger Straße eine Windmühle. Nach dem Bau des Schützenhofes 1891 wirkte sich das auf die Windverhältnisse aus; der Besitzer ließ die Mühle abreißen. Wenige hundert Meter vor dem Schützenhofe, etwa an der Kreuzung Sekurius-Langmark-Straße, hatte die Freywald'sche Mühle ihren Standort. Links von der früheren Offenhauer Brauerei an der Bitterfelder Straße stand die Mühle von Müllermeister Thieme. Sie wurde 1903 abgebrochen und in Pressel wieder aufgestellt. Auf der Anhöhe am Ende der verlängerten Albert Böhmestraße lag die Mühle des Müllermeisters Eduard Große. 1894 ließ er seine Mühle abbrechen. Die letzte Mühle in der Runde war auf dem links in der Albert Böhme Straße vorspringenden Hügel zu finden, der die frühere Lindenstraße als Abschluß krönte. Sie gehörte dem Müllermeister Pauli. Am 29. August 1886 brannte sie nieder. Die beiden zuletzt genannten Windmühlen sind ursprünglich "Ratsmühlen" gewesen, wie z.B. die Stadtmühle. Später gingen sie in Privatbesitz über. Bei den Windmühlen befand sich nur ein Windmühlenhäuschen. Als letzte Zeugen davon sind noch vorhanden das von Dittmar auf dem Wege nach Kertitz und das von Wittig hinter dem Schützenhof.
1945
3. Januar
Sonderaktion der Imker
Seit Kriegsbeginn sammelt die Reichsfachgruppe Imker in einer jährlich durchgeführten Sonderaktion den Honig aller Imker und stellt ihn der Reichsregierung zur Verfügung. Welche beträchtlichen Mengen hierbei zusammenkommen zeigt die Tatsache, daß die Bienenzüchter des Kreises Delitzsch allein im Jahre 1944 = 11837 Pfund, also fast 120 Zentner Honig abgeliefert haben. Auf Anweisung der Reichsregierung werden dann Kleinkinder, Lazarette, bestimmte Wehrmachtsformationen und andere Stellen beliefert. Wenn die Imker des Kreises Delitzsch, trotz teilweise sehr schlechter Honigernten, seit Kriegsausbruch bisher 316 Zentner Honig ablieferten, so stellt ihnen dies gutes Zeugnis ihrer gemeinnützigen Gesinnung aus.
7. Januar
Volksopfer
Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei ruft das Deutsche Volk zu einer neuen Sammlung einem "Volksopfer" auf. Es heißt darin: "Vom 7. bis 28. Januar werden für die Wehrmacht und den Volkssturm gesammelt: Uniformen und Uniformteile der Partei, ihrer Gliederungen und Verbände der Wehrmacht, Polizei, Feuerschutzpolizei, Reichsbahn, Reichspost u.s.w. tragfähiges Schuhwerk und Ausrüstungsgegenstände für die kämpfende Truppe, wie Zeltbahnen und Zeltzubehör, Woll- und Felldecken, Brotbeutel, Rucksäcke, Kochgeschirre, Koppel, Schulterriemen, Spaten, Stahlhelme und alles andere was der Soldat braucht. Ferner werden Kleidung, Wäsche und Spinnstoffe jeder Art gesammelt, um hieraus neue Bekleidung und Ausrüstungsstücke herzustellen. Jeder Volksgenosse muß von diesen Dingen alles das abgeben, was er nicht unbedingt benötigt. Gebt alles Entbehrliche der kämpfenden Front. Unsere Soldaten sollen sich auch diesmal wieder auf die Heimat verlassen können. Annahmestellen für die Stadt Delitzsch sind:
Delitzsch Mitte: Geschäftsstelle der NSV Kohlstraße 15,
Delitzsch Nord der Ortsgruppe: Geschäftsstelle Schützenhof,
Delitzsch Ost der Ortsgruppe: Gaswerk, Beerendorfer Str. 1,
Delitzsch West der Ortsgruppe: Geschäftsstelle Hallesche Str. 14.
8. Januar
Verbrechen
Der 50jährige Ernst Paul Jahnke, Angestellter bei der Stadtverwaltung wurde wegen fortgesetzter Entwendung von Lebensmittelkarten und anderer schwerer Verfehlungen zum Tode verurteilt. Seine Frau und andere Helfershelfer erhielten wegen Hehlerei Zuchthausstrafen.
20. Januar
Die Postsäule und Postkutsche
Unsere Stadt Delitzsch besitzt ein Wahrzeichen, das nur wenige Städte aufzuweisen haben: es ist dies die Postsäule auf dem Roßplatz. Sie erinnert an die Zeit, da noch die Postkutsche durch unsere Straßen fuhr. Im Jahre 1690 erfolgte in Kursachsen die Einrichtung von Postkursen. Delitzsch lag im Zuge der Postlinie Leipzig – Dessau und Leipzig – Calbe – Magdeburg. In den ersten Jahrzehnten lag wohl noch kein Bedürfnis vor, daß die Postkutsche hier Aufenthalt nahm. Erst 1711 erfolgte hier die Errichtung einer Poststation. Eine Zeitlang hat sich die Posthalterei im Grundstück Marienstraße Nr.1 befunden. Während die Pferde gewechselt wurden stärkten sich die Reisenden im "Weißen Roß". Die Postkutsche verkehrte nach jeder Richtung zweimal wöchentlich. 1722 ordnete der Kurfürst August II. die Aufstellung von Postsäulen in Kursachsen an. Der besseren Haltbarkeit halber ließ man sie aus Rochlitzer Sandstein anfertigen. Sie zeigt die Jahreszahl 1730. Ein Posthorn deutet ihre Zweckbestimmung an. Auf der einen Seite erscheint das Kursächsische und auf der anderen das polnische Wappen – August der II. war gleichzeitig König von Polen (AR = August Rex). Ferner ist auf jeder Seite eine Reihe von Orten mit Angabe der Entfernung in Stunden verzeichnet. Die gewöhnliche Postkutsche war mit zwei Pferden bespannt. Sie hat Raum für sechs Personen. Nach Angabe der Postsäule dauerte eine Fahrt nach Leipzig fünf Stunden. Man muß dabei bedenken, daß die Straße zur Zeit der Schneeschmelze einem Sumpf und Morast glich, gar oft Achsen- und Radbrüche vorkamen, die Mitfahrer oft stundenlang auf der Straße zur Weiterfahrt warten mußten. Zur Zeit der Leipziger Messe war die Nachfrage nach Plätzen besonders stark, da fuhren Extrawagen auch vierspännig. 1822 wird auf der Strecke Halle – Delitzsch – Torgau – Görlitz eine weitere Fuhrpoststrecke errichtet. Nun bietet sich in Delitzsch Gelegenheit zum Umsteigen. Besser wurden die Verkehrsverhältnisse als vor nunmehr hundert Jahren die Chaussierung der Straßen begann. Zunächst wurde eine Kies–Chaussee von Bitterfeld bis zur Landesgrenze angelegt. Mit Eröffnung der Eisenbahnstrecke Leipzig – Berlin – Magdeburg 1859 wurde der Postkurs stillgelegt. Das Gleiche geschah nach Eröffnung der Eisenbahnstrecke Halle – Kottbus. Die letzte Postkutsche fuhr am 1. Juli 1874 durch Delitzsch.
21. Januar
Feindliche Armeen überschreiten die deutsche Grenze
Die feindlichen Armeen im Westen sind bis an den Rhein vorgedrungen. Im Osten ist die russische Armee in Ostpreußen eingefallen. Es hat eine bittere Kälte eingesetzt und erhebliche Schneefälle haben den Verkehr auf den Straßen erschwert. Schon vor Weihnachten sind hier Flüchtlinge aus Ostpreußen eingetroffen. Jetzt erscheinen die Flüchtlinge schon zahlreicher. Der russische Einfall hat den gesamten Osten in Schrecken versetzt.
22. Januar
Reisegenehmigung
Nach Verordnung ist das Reisen mit der Eisenbahn eingeschränkt worden. Jeder, der reisen will, und wenn es nur bis Leipzig oder Halle ist, muß eine Reisegenehmigung haben. Diese Bescheinigung stellt die Reichsbahnstelle Delitzsch vor Antritt der Reise aus.
25. Januar
Die Flüchtlinge
In den letzten Tagen hat der Flüchtlingsstrom aus dem Osten an Stärke bedeutend zugenommen. Unaufhörlich rollen Tag und Nacht vollbesetzte Wagenkolonnen mit Flüchtlingen durch unsere Stadt. Sie kommen fast sämtlich von Eilenburg her und werden geleitet durch die Bismarckstraße, Hindenburgstraße weiter nach Halle durch die Richard Wagner Straße bei der Zuckerfabrik vorbei. Gar oft müssen die Gespanne längere Zeit auf der Straße halten, da die Straße verstopft ist. Schwestern vom Roten Kreuz gehen von Wagen zu Wagen und reichen den Unglücklichen, die ihre geringe gerettete Habe im Wagen geborgen haben, warmen Kaffee dar. Manche Wagen haben auch hier ihr Ziel erreicht und werden in den Schulen und Gasthaussälen vorläufig untergebracht. Die Schulen sind zu diesem Zweck auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Die hier verbliebenen Flüchtlinge werden in der Stadt und den umliegenden Dörfern zunächst provisorisch verteilt. Im Rathaus befand sich eine Verteilungsstelle, die Tag und Nacht ihre Tätigkeit ausübte. Da aber auch Flüchtlinge hier zugezogen sind, die sich selbst eine Wohnung gesucht haben oder bei Verwandten wohnen, wurde behördlicherseits bekannt gegeben, daß alle diese Zugezogenen sich in ihrem eigenen Interesse umgehend zu melden haben und dabei vorhandene Umzugspapiere mitbringen mögen.
6. Februar
Kartoffelverbrauch
Der Kartoffelverbrauch wird eingeschränkt. Laut Verordnung sind ab 6. Februar alle Versorgungsberechtigte, die 150 kg Speisekartoffeln eingekellert haben verpflichtet, von ihren Vorräten 25 kg Speisekartoffeln pro Person wieder abzugeben.
7. Februar
Die Vertriebenen
Der Strom der Vertriebenen aus dem Osten hält auch noch weiter an, wenngleich die Stärke etwas nachgelassen hat. Die Vertriebenen kommen aus Pommern, Brandenburg, vornehmlich aber aus Posen, Schlesien, dem Sudetenland.
10. Februar
Die Russische Armee
Die Russen stehen im Osten auf der Linie Bentschen, Tirschtiegel, Schwerin a/W. Frankfurt ist zur Festung erklärt worden.
27. Februar
50 Jahre im Dienst
Der Reichsbahnangestellte Ernst Vetter aus Delitzsch, beging in diesen Tagen sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum bei der Reichsbahn. Der Jubilar war 25 Jahre in Polen und weitere 25 Jahre in Delitzsch, hier zuletzt als Kassierer bei der Güterbahn tätig.
7. März
Bombenangriff auf Halle
Ein schwerer Bombenangriff fand am 27. Februar seitens der feindlichen westlichen Flugzeuge auf Halle statt. Ganze Häuserreihen von Halle fielen dem Angriff zum Opfer und einige hundert Tote wurden erschlagen oder kamen in den Trümmern um. Gestern wurden 312 zum Opfer Gefallene in großer Trauerfeier auf dem Südfriedhof und dem Gertraudenfriedhof in Halle zur letzten Ruhe gebracht. Von Delitzsch aus ist der Flugzeugangriff gesehen worden. Die feindlichen Armeen im Osten und Westen dringen weiter vor. Im Osten stehen die russischen Armeen vor Danzig und halten die Linie Küstrin – Fürstenberg, in Niederschlesien Lanban bis Ratibor Oberschlesien.
12. März
Heldengedenktag
Der gestrige Heldengedenktag wurde auch in Delitzsch in ernster würdiger Weise begangen. Um 8 Uhr morgens zog ein Doppelposten der Wehrmacht vor dem Kriegerdenkmal auf. Um 8 ½ Uhr sammelten sich die vaterländischen Verbände und Gliederungen auf dem Markt und marschierten zum Kriegerdenkmal. Nach Ansprache folgte Kranzniederlegung am Denkmal. Es wurde halbstock geflaggt.
1. April
R. Kümmelberg 50jähriges Arbeitsjubiläum
Mit dem heutigen 1. April kann Reinhold Kümmelberg, Abteilungsleiter und erster Buchhalter bei der Firma C.A. Walter und damit der "Delitzscher Kreiszeitung" sein 50jähriges Arbeitsjubiläum begehen. Als Reinhold Kümmelberg am 1. April 1895 als blutjunger Lehrling in die "Delitzscher Zeitung" eintrat, steckte dieses Unternehmen von Buchhändler Krause am Markt gegründet, noch in den Kinderschuhen. Mit ihm zusammen ist Kümmelberg dann buchstäblich groß geworden. Er erlebte die Übernahme des Betriebes durch C.A. Walter, die Übersiedlung in die Schul- und später in die Karlstraße mit und blieb, als C.A. Walter 1916 starb; auch der neuen Verlegergeneration treu. Aus dem Lehrling war inzwischen ein Mann geworden, der es durch Fleiß und Tüchtigkeit zu leitender Stellung gebracht hatte. In dieser leitenden Stellung hatte er auch an der Überwindung so mancher Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit und an der erfolgreichen Weiterentwicklung des Betriebes verdienstvollen Anteil. Reinhold Kümmelberg kann mit wohl begründetem Stolz auf diese, seine Lebensarbeit zurückblicken.
4. April
Stand der feindlichen Truppen
Die feindlichen Truppen der Nordamerikaner sind im weiteren Vordringen und stehen unmittelbar vor Kassel. Im Osten werden die russischen Truppen durch starken Gegendruck unserer Armeen am Vordringen gehindert.
14. April
Feindlicher Vormarsch
Infolge des weiteren Vordringens der feindlichen Westarmeen – sie stehen bei Wittenberge und Magdeburg an der Elbe und haben die Saale überschritten, um gegen Leipzig vorzustoßen – ist eine stärkere Beunruhigung der Bevölkerung unserer Stadt durch feindliche Flugzeuge eingetreten. Vom frühen Morgen an ertönen fast stündlich die Sirenen und veranlassen die Menschen, den Luftschutzkeller aufzusuchen. Für die Schulen gibt es darum keine ersprießliche Arbeit mehr. Die Schulbehörde hat deshalb angeordnet, daß die Schulen der Stadt, die beiden Volksschulen, die Mittel- und Oberschule bis auf weiteres den Unterricht einzustellen haben.
17. April
Bombenanschlag auf Berliner Bahnhof
Gestern in den ersten Nachmittagsstunden erschien ein feindliches Flugzeug über unserer Stadt und warf Bomben auf unseren Berliner Bahnhof ab. Die Bomben trafen das Gebäude. Der nördliche Teil des Bahnhofes, die Bahnhofsgastwirtschaft und der Warteraum mit den Schaltern wurde in Schutt und Asche gelegt. Dabei fanden 11 Personen ihren Tod, mehrere Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht. Unter den Toten befand sich auch der Bahnhofswirt und dessen Frau, die sich beide im Wirtschaftsgebäude aufhielten. Von den Verletzten sind einige sehr schwer verletzt.
20. April
Amerikanische Truppen besetzen Delitzsch
Heute am 20. April rückten Amerikanische Truppen in unsere Stadt ein und besetzten Delitzsch. Schon am frühen Morgen des heutigen Tages vernahm man vom Westen her fernen Geschützdonner. Dieser verstärkte sich von Stunde zu Stunde. Die feindlichen Truppen kamen Delitzsch immer näher. Gegen Mittag mischte sich in den Geschützdonner der Feinde auch Gegenfeuer unserer Truppen. Ein kleines Häuflein unserer deutschen Soldaten wollte die schwer bewaffneten Amerikanischen Truppen aufhalten. Der Vormarsch der Spitzentruppen der Amerikaner kam dadurch tatsächlich kurze Zeit zum Stehen. In dieser Zeit warfen die Feinde Panzerbomben in unsere Stadt, wodurch einige Schäden entstanden. Das Hauptziel der Geschosse galt der Mädchenvolksschule, denn hier und in der Knabenvolksschule hatten in den letzten Tagen die deutschen Verteidigungstruppen Quartier bezogen. Die Mädchenvolksschule wurde aber nicht getroffen, sondern dafür einige Häuser in der benachbarten Leipziger- und Wiesenstraße. Auch unser Schloßturm hat einige Treffer erhalten. Viele Bomben fielen in benachbarte Gärten. Verantwortungsbewußte Männer unserer Stadt machten dem unsinnigen Beginnen der Verteidigung ein Ende, indem sie den Feinden, die jetzt im Westen unmittelbar vor der Stadt standen, die Stadt übergaben, und so Delitzsch vor weiterer Zerstörung bewahrten. Das Geschützfeuer hörte sofort auf und die Amerikanischen Truppen zogen nun in den frühen Nachmittagsstunden des 20. April in unsere Stadt ein.
22. April
Die Amerikanischen Truppen
Die in der Stadt eingerückten Amerikanischen Truppen haben zum größten Teil Delitzsch wieder verlassen und sind nach Osten weiter gezogen. Zurück blieben nur Besatzungstruppen. Diese bezogen in Bürgerhäusern Quartiere. Verschiedene hiesige Familien mußten darum ihre Wohnung verlassen und sich bei anderen Familien ein Unterkommen suchen.
25. April
Amerikanische und Russische Truppen
Die nach Osten vorgestoßenen Amerikanischen Truppen haben Torgau an der Elbe erreicht und hier zum ersten Mal mit den Russischen Truppen, die hier in Torgau am gegenüberliegenden Ufer der Elbe angekommen sind, Verbindung aufgenommen.
30. April
Die Russen in Berlin
Die Russischen Truppen kämpfen in Berlin. Die Stadt verteidigt sich hartnäckig, doch müssen die deutschen Truppen schrittweise der Übermacht weichen. Es finden blutige Straßenkämpfe statt, doch die Russen erobern Berlin. Infolge der Verteidigung hat Berlin furchtbar gelitten. Ganze Straßenzüge sind ein Trümmerhaufen.
9. Mai
Waffenstillstand
Der Vormarsch der Amerikanischen Truppen ist an der Elbe zum Stehen gekommen. Zwischen den restlichen deutschen Truppen und den westlichen alliierten Truppen ist am gestrigen 8. Mai ein Waffenstillstand abgeschlossen worden.
30. Mai
Neue Verwaltung der Stadt
Am 28 Mai fanden sich eine Anzahl Herren der Stadt, die der antinazistischen Richtung angehörten und aus verschiedenen Volksschichten der Stadt stammten, im Sitzungssaal des Rathauses zusammen, um zu beraten und die weiteren Geschicke der Stadt selbst in die Hand zu nehmen. Es waren dies: von der ehemaligen Kommunistischen Partei die Herren Gotth. Pohle und Bruno Schmidt, von der ehemaligen Sozialdemokratischen Partei die Herren Richard Hampe und Otto Bieler, von der Bürgerlichen Gruppe, der demokratischen Richtung angehörend, die Herren Willi Dietze und Dr. Wilh. Mischon, von der früheren Zentrumspartei Herr Alfred Nickisch, keiner Partei angehörend Herr Hermann Scharf, als Verbindungsmann zu dem Military Gouvernement Herr Buhle als stellv. Landrat und Herr Geithe, ferner die Herren Bürgermeister Ehrhardt und Fritz Schwahn. Den Vorsitz führte Richard Hampe. Nach längeren Beratungen wurde ein Hauptausschuß und ein engerer Antinazi–Arbeitsausschuß gewählt. Den engeren Ausschuß bilden die Herren Richard Hampe als Vorsitzender, Gotthold Pohle als stellv. Vorsitzender, Dr. Wilhelm Mischon als Schriftführer. Der Hauptausschuß hat die Aufgabe, die einzelnen Sachgebiete zu bearbeiten. Für die einzelnen Sachgebiete wurden folgende Vorsitzende gewählt:
1. Verwaltungsausschuß: Vorsitzender Richard Hampe,
2. Sicherheitsausschuß: " Gotth. Pohle,
3. Schulausschuß: " Fritz Schwahn
4. Gesundheitsausschuß: " Dr. Wilh. Mischon
5. Ernährungsausschuß: " Herm. Scharf
6. Rechtsausschuß: " Rechtsanwalt Klimm
7. Sport- und Körperpflege: " Schmidt, Bruno
8. Ausschuß für Gewerkschaft
und Genossenschaftswesen: " Otto Bieler
9. Verkehrsausschuß: " Gebhardt
10.Ausschuß für Kultur und Gesellschaft: " Studienrat Dr. Schümer
Der Wirtschaftsausschuß wurde noch nicht besetzt. Die Sitzung fand daraufhin ihr Ende.
15. Juni
Sitzung des Antifaausschußes
Am gestrigen Nachmittag fand eine zweite Sitzung des Antifa–Ausschusses statt. Die einzelnen Vorsitzenden des Arbeitsauschusses erstatteten hier Bericht über ihre bisherige Tätigkeit und ihre gesammelten Erfahrungen. Im Anschluß an die Berichte fand eine längere Aussprache statt. Zum Schulrat in Delitzsch wurde Lehrer Fritz Schwahn vorgeschlagen, zum Rektor der Knabenschule Lehrer Erich Richter und als Rektor der Berufsschule Ulbricht. Ebenso wurden Richtlinien aufgestellt über Lehrer, die aktiv der NSDAP angehörten und zur Entlassung kommen sollen. Da Bürgermeister Ehrhardt sein Amt als Bürgermeister niedergelegt hat, wird am 17. Juni eine Bürgermeisterwahl stattfinden.
19. Juni
Wahl
Am 17. Juni versammelten sich die Vorsitzenden der Antifa–Arbeitsausschüsse im Rathaus–Sitzungssaale zur Bürgermeisterwahl für den zurückgetretenen Bürgermeister Ehrhardt. Einstimmig fiel die Wahl auf Richard Hampe Dieser nahm die Wahl an. Es wurden dann noch vier Stadträte gewählt und zwar die Herren:
1. Gotth. Pohle
2. Dr. Wilh. Mischon
3. Herm. Scharf
4. Alfred Nickisch
Die Herren nahmen die Wahl an. Das sehr wichtige Amt der Wohnungslenkung in der Stadt, also das Wohnungsamt übernahm Stadtrat Nickisch.
23. Juni
Kommandantur
Die Kommandantur hat die am 17. Juni vollzogene Wahl des Bürgermeisters und der Stadträte gestern bestätigt.
5. Juli
Russische Besetzung in Delitzsch
Am 30. Juni hat die Amerikanische Besatzung die Stadt Delitzsch wieder verlassen und ist nach den Westen abgezogen. Am gestrigen 4. Juli ist eine Russische Besatzungstruppe in Delitzsch eingezogen. Die Russische Kommandantur hat sich in der früheren Kreisleitung der NSDAP in der Eilenburger Straße eingerichtet.
23. Juli
Die Parteien in Delitzsch
Innerhalb der Stadt haben sich vier politische Parteien gebildet, die sich zu einem Block zusammengeschlossen haben. Es sind dies:
1. die Sozialdemokratische Partei - SPD
2. die Kommunistische Partei - KPD
3. die Christliche Union - CDU
4. die Liberale Partei - LDP
Am gestrigen 22. Juli veranstalteten die vier Blockparteien auf dem Marktplatz hiesiger Stadt eine öffentliche Kundgebung. Es sprach je ein Vertreter der vier Parteien und von der Russischen Besatzung Major Tubner.
15. August
Räumung des Behördenhauses
Das Behördenhaus muß von den Deutschen Behörden geräumt werden, da es die Russische Besatzungsbehörde für ihre Zwecke gebraucht. Die gesamte Russische Militärverwaltung kommt hierein (Kommandantur etc.). Die Deutschen Behörden müssen anderswo untergebracht werden. Finanzamt und Katasteramt finden Unterkunft in der gegenüberliegenden Schokoladenfabrik Böhme, das Amtsgericht kommt ins Schloß, die Kreiskasse wird in der Kreissparkasse am Markt untergebracht.
1. Oktober
Bombenschäden
Beim Angriff der Amerikaner auf unsere Stadt am 20. April sind auch einzelne Beschädigungen in der Stadt vorgekommen. So sind auch einige Gebäude der Franz-Seldte-Siedlung an der Halleschen Chausee durch Bomben und Bombensplitter beschädigt worden. In Gemeinschaftsarbeit bei guter Organisation waren bis Ende September diese Schäden zum weitaus größten Teil beseitigt.
1946
Unsere Post
Hinter der Peter-Pauls Kirche, in einem stillen Winkel, früher "Priesterwinkel" genannt, abseits vom flutenden Verkehr, liegt in Delitzsch ein Haus, das noch häufig als "Alte Post" bezeichnet wird. Es ist das Grundstück Mühlstraße Nr.1 und gehört heute dem Landwirt und Fuhrunternehmer Paul Senf. Erwähnt wird es erstmalig in der Chronik im Jahre 1511. Damals ließ der Herzogliche Rat von Pack auf einer Wüstung am Mühlendamm ein Gebäude errichten als Dienstwohnung für einen Kaplan. Nach Einführung der Reformation 1539, diente es als Superintendantur, und zwar bis 1791. Um 1800 ist das Haus dann erneuert worden, um sieben Jahrzehnte, mit einer kurzen Unterbrechung, als erstes Postamt in Delitzsch zu dienen. Kursachsen, wohin Delitzsch damals gehörte, begann 1781 mit der Einrichtung von Postkursen (Streckenführung der Postkutschen) und Postanstalten. Für gewöhnlich nahm die Postkutsche in Delitzsch keinen Aufenthalt, sonst hätte die Stadtverwaltung nicht 1696 einen Botengänger nach Leipzig eingestellt zur Beförderung wichtiger und eiliger Nachrichten. Der große Kurfürst hatte schon 1649 in Kurbrandenburg eine eigene Landpost eingerichtet. Eine solche ging von Magdeburg – Calbe nach Leipzig über Delitzsch. Erst 1711 richtete man hier eine Poststation für die durchgehenden Landposten ein. Unterdessen stieg die Einwohnerzahl von Delitzsch; Handel und Verkehr hoben sich. Am 15. Oktober 1809 wurde in dem eingangs erwähnten Grundstück Mühlstraße Nr.1 das erste Postamt in Delitzsch eingerichtet. Ab 1821 erfolgt wöchentlich einmal Landpostzustellung. Neben Briefen und Paketen werden auch Zeitungen zugestellt. Vom 1. Januar 1838 ab befindet sich das Postamt für einige Zeit im Hause des Weinhändlers F.B. Krause, Markt Nr. 10, heute Landratsamt. 1851 erhält es die Bezeichnung Postexpedition II. Klasse. Nach Eröffnung der Eisenbahnstrecken Leipzig – Berlin – Magdeburg am 1. Februar 1859 werden die gleichlaufenden Postkurse eingezogen, da das Delitzscher Postamt sich nun des neuen Verkehrsmittels bedient. Am 15. Juni 1864 erhält Delitzsch eine Telegraphenstation. Sie wird gleichfalls in der "Alten Post" untergebracht, wohin inzwischen die Diensträume des Postamtes zurückverlegt worden waren. Neue Räumlichkeiten werden gebraucht, als in den Dienstbereich des Postamts eine Reihe von Postagenturen und Hilfsstellen treten. Zwischen 1880 und 1890 befindet sich die Postexpedition im Hause des Bäckermeisters Werner, heute Prinz, am Markte. Ein neues Postgebäude erstand in der Eilenburger Straße. Mit dem Bau wurde im zeitigen Frühjahr 1890 begonnen und war bereits im Herbst desselben Jahres fertiggestellt. Noch vor Weihnachten fand die Einweihung und Indienststellung des neuen Postgebäudes statt.
2. Januar
Neue Straßennamen
Folgende Straßennamen der Stadt Delitzsch sind abgeändert worden und haben einen anderen Namen erhalten:
Der Hitler Ring, Ehrenberg Ring und Schulze-Delitzsch Ring heißt jetzt – Am Wallgraben
Dietrich Eckart Straße jetzt Stresemannstr.
Franz Seldte Siedlung " Friedenssiedlung
Frontkämpfer Siedlung " Ostsiedlung
General Litzmann Platz " Marienplatz
General Märcker Straße " Fried. Ebert Straße
Gorch Fock Straße " Ehrenberg Straße
Gustloff Straße " Rathenau Straße
Hermann Göring Straße " Dübener Straße
Horst Wessel Platz " Nordplatz
Langemarckstraße " Schulze Delitzsch Straße
Muchowstraße " Uferstraße
Paul Berck Straße " Adolf Tauche Straße
Schlageterstraße " Nordstraße
Walter Flex Straße " Adolf Münzer Straße
10. Januar
Oberinspektor Schimpf
Am 4. Januar 1946 wurde der Oberinspektor bei der hiesigen Stadtverwaltung Georg Schimpf in den Ruhestand versetzt und aus dem Dienst entlassen. Schimpf ist am 15.9.1883 in Halle a/S. geboren. Vor seinem Dienstantritt in Delitzsch war er Rendant in Olisa bei Danzig. Nach den Unterschlagungen von Rudloff und Meley kam Schimpf hierher als Hauptkassenrendant. Als Stadtoberinspektor führte er in der Zeit, da die Stadt ohne zweiten Bürgermeister war, dessen Geschäfte. Die Vertretung von Schimpf übernahm bis auf weiteres Stadtinspektor Richard Költsch, der am 25.9.1884 in Landsberg bei Halle geboren, seit dem 1.10.1910 in der hiesigen Stadtverwaltung als Angestellter und seit 1913 als Beamter und hauptamtlicher Standesbeamter tätig ist.
15. Januar
Unterbringung der Flüchtlinge
Der Strom der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten hielt das ganze Jahr 1945 an und ist auch heute noch nicht ganz zum Stillstand gekommen. Während man am 15.10.1945 die privat und in Lagern untergebrachten Flüchtlinge auf etwa 11.000 zählte, ist die Zahl jetzt bis auf 8.000 herabgesunken, da ein großer Teil der Flüchtlinge auf die umliegenden Dörfer verteilt wurde, viele andere aber unsere Stadt und den hiesigen Aufenthalt nur als Durchgangsstation betrachteten, bis sie mit ihren weiteren Angehörigen, die an einem anderen Ort ein Unterkommen gefunden hatten, Fühlung genommen hatten und dann, um sich mit diesen zu vereinigen, weiter nach dem Westen abzogen. Die in der Stadt augenblicklich vorhandenen Privatquartiere reichten aber für die vielen unterzubringenden Flüchtlinge nicht aus und so wurden schon 1945 eine größere Anzahl Lager geschaffen. Jetzt mußten und konnten aber verschiedene Lager, die s. Z. nur als vorübergehend beschlagnahmt wurden, wieder aufgelöst werden, so der Schwan, das Hennig-Schroedter Haus, das Weiße Roß, die Oberschule, die Walzenmühle, das Nordschlößchen, die Goldene Kugel, das Schloß und die Stadt Berlin. Auch das Lager der Spröde, das 396 Flüchtlinge enthielt, wurde auf Befehl der Russischen Kommandantur aufgelöst. Die Flüchtlinge wurden den noch bestehenden Lagern der Stadt zugeteilt oder in Privatquartieren untergebracht. Auch die Russische Militärverwaltung brauchte Bürgerquartiere. Es wurden ihr 330 Bürgerwohnungen zur Verfügung gestellt. Das städtische Wohnungsamt hatte bei Beschaffung von Privatwohnungen mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen und es mußte zuweilen hart durchgegriffen werden.
1. April
Schulnot
Im Frühjahr 1945 wurden sämtliche Schulen der Stadt in Flüchtlingslager umgewandelt. Der Schulunterricht fiel während dieser Zeit aus und zwar bis nach der Besetzung der Stadt durch die Amerikanischen Truppen am 20. April 1945. Darauf wurde der Unterricht wieder aufgenommen. Er wurde aber den Sommer über im Freien abgehalten, da die einzelnen Klassenräume immer noch nicht frei waren. Der Unterricht im Freien fand nun in folgender Weise statt: Die einzelnen Klassen der Schule am Morgen auf einem bestimmten Platze der Stadt. Nach Begrüßung durch den Rektor verteilten sich die einzelnen Klassen und gingen an den Platz in der Umgegend, den der Lehrer für seine Klasse schon vorher ausgesucht hatte. Hier fand nun planmäßig Unterricht statt. Bei Regenwetter wurden den Kindern später Hausaufgaben für den anderen Tag erteilt. War auch diese Art von Unterricht nicht ideal, so wurde doch in dieser Notzeit der Schulunterricht und die Verbindung zwischen Lehrer und Schüler aufrechterhalten. Vom 1.10.1945 wurde dann in den meisten Schulen der regelmäßige Unterricht in den Schulklassen wieder aufgenommen. Die Flüchtlinge waren anderweitig untergebracht worden. Am längsten hat sich das Lager in der Oberschule gehalten. Aber nun ist auch dieses geräumt und der Unterricht kann nun auch in den Räumen der Oberschule durchgeführt werden.
10. Juni
Neue Straßennamen
Weitere Umbenennungen von Straßen der Stadt fanden statt. Es wurden umbenannt:
Bismarckstraße in Karl-Liebknechtstraße
Blücherstraße " Emil–Krell–Straße
Luisenstraße " Pestalozzistraße
Moltkestraße " Heinrich–Kaufmann–Straße
Richthofenstraße " Friedrich–Engels–Straße
Hindenburgstraße " August–Bebel–Straße
Breitenbachstraße " Breitscheidstraße
Maybachstraße " Thälmannstraße
Buddestraße " Karl–Marx–Straße
Seydelstraße " Rosa–Luxemburg–Straße
Roonstraße " Friedrich–Naumann–Straße
Körnerstraße " Ernst–Toller–Straße
Saarstraße " Humboldstraße
Straßburger Straße " Gottfried–Keller–Straße
Tannenbergstraße " Erzbergerstraße
5. Juli
Einwohnerzahl in Delitzsch
Während die Einwohnerzahl der Stadt Delitzsch bei Beginn des letzten Krieges etwa 17.000 betrug, hat die Stadt durch den Zuzug aus dem Osten bedeutend zugenommen. So betrug die Einwohnerzahl nach der letzten Volkszählung am 1. Juli 1946 24.782
davon waren männlich 10.211 Personen
weiblich 14.571 Personen.
1. August
Wohnungsnot in der Stadt
Die Beschaffung von Wohnung für die vielen Zugezogenen macht der Stadtverwaltung weiter Kopfschmerzen und ernste Sorgen. Nach der Statistik sind vom 15.10.45 bis zum 15.1.46 1085 Quartiere aus der Stadt zur Behebung der Wohnungsnot zur Verfügung gestellt worden. Seit dieser Zeit ist weiter neuer Wohnraum geschaffen worden. Doch ist immer noch Wohnungsnot vorhanden. Der Kurs des Siedlungsbaues, wie er sich vor dem Kriege so schön anließ, kann augenblicklich nicht fortgeführt werden. Doch ist der vor dem Kriege begonnene Bau der Luftwaffensiedlung jetzt zu Ende geführt worden und die Stadtverwaltung hat zu diesem Zwecke 365.000 M hergegeben. Dadurch sind eine Reihe neuer Wohnungen entstanden.
9. September
Gemeindewahl
Am gestrigen 8. September fanden in unserer Stadt die Gemeindewahlen für das Stadtparlament statt. Es beteiligten sich daran die 3 Parteien unserer Stadt:
1. die Sozialistische Einheitspartei SED (gebildet durch Zusammenschluß der Sozialdemokraten und Kommunisten)
2. die Liberal–Demokratische Partei LDP
3. die Christlich–Demokratische Partei CDU
Durch die vollzogenen Wahlen kommen ins Stadtparlament:
1. von der Einheitspartei – SED - 12 Stadtverordnete
2. von der Liberalen Partei – LDP - 11 Stadtverordnete
3.von der Christlichen Union – CDU 7 Stadtverordnete
31. Dezember
Statistik über Sterblichkeit
Lehrreich ist ein Vergleich der Sterblichkeitsziffer in unserer Stadt in den letzten 60 Jahren, von 1880 bis zum letzten Weltkrieg. Die Einwohnerzahl von Delitzsch betrug 1880 etwa 8.000, bei Beginn des Weltkrieges über 16.000. Während sich in dieser Zeit die Einwohnerzahl unser Stadt verdoppelt hat, ist die Sterblichkeit nicht nur stehen geblieben, ja, zurückgegangen. Sie betrug an Sterbefällen:
1880 : - 285 Sterbefälle 1940 : - 283 Sterbefälle
1890 : - 247 " 1941 : - 270 "
1900 : - 265 " 1942 : - 319 "
1910 : - 195 " 1943 : - 330 "
1920 : - 230 " 1944 : - 350 "
1930 : - 170 " 1945 : - 633 "
1939 : 221 " 1946 : - 547 "
1947
14. Februar
Kohlenversorgung
Für den Monat Februar konnte pro Haushalt nur 1 Zentner Knorpelkohle als Hausbrand zugeteilt werden.
28. Februar
Der Kohlenkommissar für den Kreis Delitzsch, Herr Landrat Herrmann hat folgende Anordnungen getroffen:
1) Für alle Theater, Kinos, Kabaretts und sonstige Vergnügungsstätten wird ab sofort das Heizverbot ausgesprochen.
2) Alle verfügbaren Reserven an festen Brennstoffen, einschließlich Holz gelten als beschlagnahmt und werden zur Befriedigung des dringenden Bedarfs verteilt. Die Verteilung erfolgt allein durch die Kohlenstelle der Wirtschaftsabteilung für den Kreis Delitzsch.
3) Sämtliche Kohlenlager und Verladestellen, die Reichsbahn einbegriffen, werden zu Sperrgebieten erklärt.
18. März
"Schiefe Brücke"
Das Hochwasser im Frühjahr hatte die sogenannte "Schiefe Brücke" am Wallgraben – Ecke Holzstraße stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Rat der Stadt Delitzsch verfügte deshalb die sofortige Sperrung dieser Brücke wegen Einsturzgefahr.
16. April
Kreisräte
In der Kreistagssitzung am 16. April wurden folgende gewählte Kreisräte in ihr Amt eingeführt:
Otto Herrmann, Kyhna Landrat
Herbert Meißner, Delitzsch 1. stellvertr. Landrat
Helmut Fischer, Poßdorf 2. stellvertr. Landrat
Paul Buhle, Delitzsch Kreisrat
Otto Wagner, Zschortau Kreisrat
Fritz Hülßmann, Delitzsch Kreisrat
Richard Weitze, Delitzsch Kreisrat
27. April
Umsiedlerproblem
Am Sonntag den 27. April wurde eine Großaktion zur Sammlung von Sachen für Umsiedler und heimatlose Heimkehrer durchgeführt. Die Sammlung hatte Erfolg und es war dadurch dem Rat der Stadt möglich, eine ganze Anzahl von Umsiedlern und heimatlosen Heimkehrern mit den notwendigsten Bekleidungsstücken zu versorgen.
28. April
Notgrube
Ab 28. April wurde die Grube Ludwig für jede private Kohlenförderung gesperrt. Während des strengen Winters 1946/47 war die Bevölkerung dazu übergegangen in einer stillgelegten Grube, Kohle wild abzubauen. Dieser wilde Kohleabbau kostete mehrere Unglücksfälle und Todesopfer. Der Rat der Stadt Delitzsch ist deshalb dazu übergegangen, diese stillgelegte Grube wieder in Betrieb zu nehmen und richtete eine sogenannte Notgrube ein.
2. Juni
Feld- und Gartendiebstähle
Der Diebstahl von Garten- und Feldfrüchten hatte im Vorjahre Ausmaße angenommen, die schärfste Maßnahmen gegen die Saboteure der Volksernährung erforderten. Es wurde angeordnet, daß in den Monaten Juni bis Oktober in der Zeit von 22.00 - 6.00 Uhr und in der Mittagszeit von 12.00 - 15.00 Uhr, jegliches Betreten der Feldwege verboten ist. Die Bauern und Kleingärtner bildeten Selbstschutzkommandos, um ihre Felder und Gärten gemeinsam zu bewachen.
30. Oktober
Gaskontingentierung
Der Verbrauch von Gas mußte auf Grund der allgemeinen Kohleknappheit kontingentiert werden. Ab 30. Oktober wurde nur in folgenden Zeiten Gas geliefert: Von 5.00 bis 8.00; von 11.00 bis 14.00; von 17.00 bis 19.00.
25. November
Schulen
In der Stadtverordnetensitzung am 25. November wurde beschlossen, die Delitzscher Schulen wie folgt umzubenennen:
Grundschule – Bitterfelder Str. (Knabenschule) in "Diesterwegschule"
Grundschule – August-Bebel-Straße (Mädchenschule) in "Comeniusschule"
Grundschule - (frühere Mittelschule) in "Schulze- Delitzsch- Schule"
Oberschule in "Ehrenbergschule"
31. Dezember
Politisches Leben
Am 31. Dezember tritt zum ersten Mal durch eine Anzeige im "Amtlichen Bekanntmachungsblatt für den Kreis Delitzsch" die "Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion" an die Öffentlichkeit. Die Gesellschaft hat den Zweck, dem deutschen Volk die kulturellen Leistungen der Sowjetunion zu vermitteln. Der erste Geschäftsführer der Gesellschaft für den Stadtbezirk Delitzsch war Herr Erich Böhm wohnhaft in Delitzsch, Am Wallgraben 30.
1948
7. Januar
Versorgung mit Textilien und Schuhen
Der Bevölkerung von Delitzsch wird bekannt gegeben, daß erstmalig nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 für das Jahr 1948 Punktkarten für Textilien und Schuhe ausgegeben werden. Das bisherige Bezugscheinsystem kommt damit in Wegfall. Diese Maßnahme ist ein weiterer Schritt zur Verbesserung des im Kriege vollkommen zusammengebrochenen Wirtschaftslebens. Das bisher beim Rat der Stadt eingerichtete Bezugscheinamt wird aufgelöst. Die für einige Artikel noch notwendigen Bezugscheine wurden durch die Kartenstelle mit ausgegeben.
28. Mai
Volksbegehren
Am 28. Mai wendet sich der "Kreisausschuß für das Volksbegehren" an die Bevölkerung von Delitzsch. In einem Aufruf wird die gesamte Bevölkerung vom 14. Lebensjahr ab aufgerufen sich in Einzeichnungslisten einzutragen. Das Volksbegehren verlangt von den 4 Besatzungsmächten folgendes Gesetz zu beschließen oder einen Volksentscheid darüber anzuordnen:
§1
Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, in der den Ländern ähnliche Rechte zustehen sollen, wie sie die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 enthielt.
§2
Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
Die Einzeichnungslisten lagen in allen Wahllokalen aus.
24. Juni
Währungsreform
Die plötzliche Durchführung einer Währungsreform im Westen unseres Vaterlandes zwang die Regierungsstellen in der sowjetischen Besatzungszone Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Alle Angestellten des Rates der Stadt Delitzsch wurden in 3 Schichten eingeteilt und damit beauftragt die alten Geldscheine mit Wertmarken zu bekleben. In der vollkommen verschlossenen Stadtkasse arbeiteten Tag und Nacht jeweils 15 - 20 Angestellte, um die alten Geldscheine so schnell wie möglich mit den neuen Wertmarken zu bekleben. Der Umtausch des alten Geldes gegen die mit Wertmarken beklebten Geldscheine erfolgte ebenfalls in der Stadtkasse. Die Bevölkerung verhielt sich ruhig und der Umtausch wickelte sich ordnungsgemäß ab. Das Hartgeld behielt vorläufig seine Gültigkeit. Beim Umtausch versuchte jedoch die Kassiererin Werner 1000 DM zu entwenden. Sie wurde jedoch überführt und der Kriminalpolizei übergeben. Die mit Wertmarken beklebten Geldscheine wurden später nach und nach aus dem Verkehr gezogen und durch neue Geldscheine ersetzt.
18. Juli
Kartoffelkäfer
Der Kartoffelkäfer trat in diesem Jahr besonders stark in der Gemarkung Delitzsch auf. Von der Abteilung Landwirtschaft wurde deshalb am 18. Juli ein Kartoffelkäfersondersuchtag angeordnet.
25. August
Antifa-Ausschuß
Die im Jahre 1945 eingerichtete Geschäftsstelle des Antifa-Blockausschusses in Delitzsch, Eilenburgerstr. 50, wurde mit Wirkung vom 25. August 1948 aufgelöst. Der Blockausschuß blieb jedoch bestehen, war jedoch nicht mehr für die Abgabe von politischen Beurteilungen zuständig.
10. Oktober
Personenstandsaufnahme
Am 10. Oktober wurden in Delitzsch eine Personenstandsaufnahme und gleichzeitig eine Betriebs- und Hundezählung durchgeführt.
1. November
NDPD
Am 1. November eröffnet die NDPD ihre 1. Geschäftsstelle für den Kreis Delitzsch am Roßplatz (Gasthaus "Kreuz")
21. November
"Freier Markt"
Am 21. November fand in Delitzsch auf dem Marktplatz der sogenannte "Freie Markt" statt. Die Bauern konnten hier, wenn sie ihr Soll erfüllt hatten, ihre Erzeugnisse zu freien Preisen anbieten.
1949
20. Februar
Personalausweise
Ab 20. Februar wurden im Rathaus, Zimmer 1 die neuen deutschen Personalausweise an die Bevölkerung ausgegeben. Damit wird erstmalig nach dem Kriege ein einheitlicher Personalausweis für alle Bewohner der sowjetischen Besatzungszone ausgegeben. Jeder Bürger vom 15. Lebensjahr an erhält einen solchen Ausweis.
22. April
Volkskontrolle
Für den Stadtbezirk Delitzsch ist ein Volkskontrollausschuß gebildet worden, der sich aus 10 Vertretern aller demokratischen Organisationen zusammensetzt. Der Ausschuß hat die Aufgabe, Wirtschaftsbetriebe und Verwaltungen zu kontrollieren. Damit ist eine volksnahe Kontrolle geschaffen worden.
5. Mai
Poliklinik
Am 5. Mai wurde für den Kreis Delitzsch die erste Poliklinik in Delitzsch, Schäfergraben - Ecke Angerstraße eröffnet. Als Chefarzt wurde Herr Dr. Koch eingesetzt.
15. Mai
Wahlen zum Volkskongreß
Am 15. und 16. Mai wurden in Delitzsch in 14 Wahllokalen die Wahlen zum Deutschen Volkskongreß durchgeführt. Diese Wahlen bildeten einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Einheit. 68 % aller wahlberechtigten Delitzscher stimmten für die Kandidaten zum Deutschen Volkskongreß. Die Wahlverhandlungen verliefen ruhig und geordnet.
24. September
Heimatfest
Am 24. und 25. September fand in Delitzsch anläßlich der Genossenschafts-Hundertjahrfeier ein großes Heimatfest statt. Schon viele Monate vorher waren umfangreiche Vorbereitungen getroffen worden. Alle Häuser, Straßen und Plätze der Stadt hatten Festschmuck angelegt. Aus ganz Deutschland waren hervorragende Vertreter von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erschienen, um den großen Sohn unserer Stadt Herrn Bürgermeister Dr. Hermann Schulze zu ehren, der vor 100 Jahren die erste Genossenschaft in Deutschland gründete. Den Höhepunkt bildete ein Festumzug und das daran anschließende Volksfest auf dem Karl-Marx-Platz. In dem Festzug waren alle Stände vom Mittelalter bis zur Neuzeit in ihren verschiedenen Trachten vertreten. Der Festzug war mehrere Kilometer lang und bewegte sich durch folgende Straßen:
Bitterfelder, Dübener, Damaschke, Beerendorfer, Eisenbahn, Eilenburger, Breite, Markt, Hallesche, Ritter, Leipziger, August-Bebel, Karl-Liebknecht, Lober, Grün, Eisenbahn, Dübener, Bitterfelder.
Der "Breite Turm" war geöffnet. Das Türmerstübchen war hergerichtet worden und mit einem Türmer nebst Tochter besetzt. Auch die Schwedensignale wurden gegeben. Die ganze Bevölkerung war in froher und festlicher Stimmung.
7. Oktober
Gründung der DDR
Mit großer Freude und Genugtugend (Genugtuung d.A.) erfuhr die Bevölkerung in Delitzsch die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik und die Bildung einer provisorischen deutschen Regierung. Am 14. Oktober fand aus diesem Anlaß eine außerordentliche Sitzung des Kreistages und der Stadtverordneten im Karl- Marx- Haus statt.
20. Dezember
Haushaltssatzung
In der Stadtverordnetenversammlung am 20. Dezember wurde folgende Haushaltssatzung für das Jahr 1950 erlassen:
§ 1
Der Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1950 wird
in der Einnahme auf 3.137.088 DM
in der Ausgabe auf 3.137.088 DM
festgesetzt.
§ 2
Die Steuersätze für A) Grundsteuer A= 300 v.H.
Grundsteuer B= 250 v.H.
B) Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und Gewerbekapital = 400 v.H.
Lohnsummensteuer = 1000 v.H.
20. Dezember
Stalinplatz
In der Stadtverordnetenversammlung am 20. Dezember wurde beschlossen den Marktplatz in Stalinplatz umzubenennen.
1950
24. Januar
Stadtrat
In der Stadtverordnetenversammlung am 24. Januar wurde an Stelle des ausgeschiedenen Stadtrats von Malottki Frau Seiffert (CDU) als Stadträtin gewählt und verpflichtet.
28. Februar
Klara-Zetkin-Platz / Nationalrat
In der Stadtverordnetenversammlung am 28. Februar wurde beschlossen den Nordplatz in Klara-Zetkin-Platz umzubenennen. In der gleichen Versammlung nahmen die Stadtverordneten Stellung zur Bildung des Nationalrates. Die Fraktionen erklärten sich einmütig zum Programm der Nationalen Front und versprachen die "Nationale Front" in jeder Weise zu unterstützen.
11. April
Chefarzt für Krankenhaus
In der Stadtverordnetenversammlung am 11. April wurde der neue Chefarzt für das städtische Krankenhaus, Herr Dr. Jockisch, den Stadtverordneten vorgestellt.
14. Juli
Freibank
Am 14. Juli wurde wieder eine Freibankverkaufsstelle durch das K.W.U. der Stadt Delitzsch in Delitzsch, Holzstr. Nr. 10 eröffnet. Die Verkaufsstelle wurde wenige Wochen später in die ehemalige Fleischerei Schleicher am Stalinplatz verlegt.
1. August
Eingemeindung von Gertitz, Kertitz und Werben
Mit Wirkung vom 1. August wurden die Gemeinden Gertitz, Kertitz und Werben in die Stadtgemeinde Delitzsch eingegliedert. Die Verwaltung dieser 3 Gemeinden konnte von den Fachabteilungen des Rates der Stadt Delitzsch, ohne zusätzliches Personal einzustellen, mit übernommen werden. An Verwaltungskosten konnten demnach die persönlichen Kosten von 3 Bürgermeistern und 3 Kassenverwaltern sowie die sächlichen Kosten von 3 Bürgermeisterämtern eingespart werden. Ähnliche Eingemeindungen, die erhebliche Einsparungen an Verwaltungskosten zur Folge hatten, fanden im Gebiet der ganzen DDR statt.
3. September
Volkswahlen
Am 1. September erläßt der Wahlleiter für die Stadt Delitzsch, Herr Stadtrat Pohle und am 3. September der Wahlleiter für den Kreis Delitzsch, Herr Landrat Herrmann die Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen für die Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung bezw. für den Kreistag am 15. Oktober. Ab 3. September liegen auch die Wählerlisten zur Einsichtnahme im Rathaus aus.
15. Oktober
Volkswahlen
Die Wahlen fanden für 17 Bezirke in 16 Wahllokalen statt. Schon in den frühen Morgenstunden strömten die Wahlberechtigten zu den Wahllokalen. Die meisten Stimmen wurden offen abgegeben. Bereits um 13.00 hatten 90 % der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Um 20.00 hatten 98,42 % der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Insgesamt fielen 99,83 % der abgegebenen Stimmen auf die Kandidaten der "Nationalen Front".
13. November
Stadtverordnetenversammlung
Am 13. November traten die am 15. Oktober gewählten Stadtverordneten zu ihrer ersten Sitzung im Rathaus–Sitzungssaal zusammen. Diese erste Sitzung der neuen Stadtverordneten wurde kulturell würdig umrahmt. Als Stadtverordnetenvorsteher wurde Herr Ernst Nitsch (SED) gewählt. Von den 40 Stadtverordneten nahmen 37 an der Sitzung teil.
15. Dezember
Landrat
Am 15. Dezember wurde Herr Petersdorf als Landrat für den Kreis Delitzsch gewählt.
22. Dezember
Bürgermeister
In der Stadtverordnetenversammlung am 22. Dezember wurde Herr Paul Heinze, Eilenburg, zum Bürgermeister einstimmig gewählt. Der Vorschlag erfolgte von der SED–Fraktion. Als hauptamtliche Stadträte wurden ebenfalls einstimmig gewählt:
Herr Alfred Nikisch (CDU) für das Dezernat Landwirtschaft
Herr Franklin Schramm (NDPD) für das Dezernat Wohnungs- und Sozialwesen
Als unbesoldete Stadträte wurden gewählt:
Rolf Höpping (FDJ) für das Dezernat Wirtschaft
Lina Neubauer (DFD) für das Dezernat Volksbildung
Herrmann Gebhardt (FDGB) für das Dezernat Finanzen
Die Wahlen erfolgten einstimmig.
1951
23. Januar
Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft
In der Stadtverordnetenversammlung am 23. Januar wurde beschlossen die Leipziger Straße in "Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" umzubenennen.
20. Februar
Gedankenaustausch mit der Stadt Lünen
In der Stadtverordnetenversammlung am 20. Februar wurde beschlossen mit dem Stadtparlament der Stadt Lünen zu korrespondieren. Mit diesem Beschluß soll ein Teil zu dem sogenannten "Deutschen Gespräch" zwischen Ost und West beigetragen werden. Ein Brief an das Stadtparlament in Lünen wurde sofort nach der Versammlung abgeschickt. Nach zweimaligem Briefwechsel antwortete jedoch die Stadt Lünen nicht mehr.
August-Fritsche-Straße
In der gleichen Sitzung wurde beschlossen die "Heinrich–Kaufmann-Straße in "August–Fritsche-Straße" umzubenennen.
26. Februar
Textilwaren frei verkäuflich
Eine Reihe von Textilwaren können ab 26. Februar ohne Abgabe von Punkten gekauft werden. Auch Schuhe, mit Ausnahme von Lederschuhen sind frei verkäuflich. Eine wesentliche Erleichterung in der Versorgung der Bevölkerung wurde damit geschaffen.
1. Mai
Der 1. Mai wurde von den Delitzscher Werktätigen festlich begangen. Fast 15.000 Menschen demonstrierten an diesem Tag durch die Straßen der Stadt. Auf dem Stalinplatz fand der Demonstrationszug mit einer Kundgebung seinen Abschluß. Am Nachmittag fand auf dem Karl-Marx-Platz ein Volksfest statt.
6. Mai
Volksbefragung
Sofort nach Bekanntwerden des Ministerratsbeschlusses begannen auch in unserer Stadt die Vorbereitungen zur Durchführung der Volksbefragung, die in der Zeit vom 3. – 5. Juni stattfinden soll. Der Bevölkerung soll folgende Frage zur Beantwortung vorgelegt werden:
"Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951?
7. Juni
Volksbefragung
Im Kreis Delitzsch beteiligten sich 99,5 % an der Volkbefragung. 95,48 % gaben ihr "Ja".
13. Juni
Verdiente Lehrerin des Volkes
Frau Hildegard Schiller, Lehrerin an der Diesterwegschule wurde als "Verdiente Lehrerin des Volkes" ausgezeichnet.
5. August
Weltjugendfestspiele
Am 5. August wurden die Weltjugendfestspiele in Berlin eröffnet. Auch aus unserer Stadt nahmen mehrere Hundertschaften von Jugendlichen an den Festspielen teil.
4. Dezember
Nationales Aufbauwerk Berlin
In unserer Stadt beteiligten sich alle größeren Betriebe und Verwaltungen an der "Aufbaulotterie". Die Belegschaft der Stadtverwaltung zeichnete sich zu 90 % ein.
20. Dezember
"Schiefe Brücke"
Die im Jahre 1947 eingestürzte "Schiefe Brücke" wurde wieder aufgebaut und erhielt den Namen "Brücke der Ш. Weltfestspiele", da das Baujahr im Zeichen der III. Weltfestspiele in Berlin stand.
1952
13. März
Stadtrat
In der Stadtverordnetenversammlung am 13. März wurde an Stelle des ausgeschiedenen Stadtrats Höpping (FDJ) Herr Günter Fihsmer (FDJ) als ehrenamtlicher Stadtrat gewählt.
29. April
Hausvertrauensleute
Seit dem Jahre 1946 sind als ehrenamtliche Helfer ca. 160-180 Straßenbeauftragte eingesetzt. Die Hauptaufgabe der Straßenbeauftragten bestand im Austragen der Lebensmittelkarten. In der Stadtverordnetenversammlung am 29. April wurde beschlossen das Netz der ehrenamtlichen Helfer durch Hausvertrauensleute zu erweitern. Die neuen Haus- und Straßenvertrauensleute werden nicht mehr von der Verwaltung oder einer Partei bestimmt, sondern durch die Hausgemeinschaften gewählt. Die Aufgaben der Vertrauensleute werden erweitert. Sie werde zum Beispiel bei der Vergabe von Wohnungen oder Gewährung von Fürsorgeunterstützung mit ihrer Stellungnahme zu einer demokratischen Entscheidung beitragen. Für die Stadt Delitzsch sind ca. 1000 Haus- und Straßenvertrauensleute zu wählen.
1. April
Stadtrat
Für den ausgeschiedenen Stadtrat Schramm (NDPD) ist Herr Harry Müller als neuer hauptamtlicher Stadtrat gewählt worden und hat am 1. April seinen Dienst angetreten.
3. April
"Berliner Bahnhof"
Der 1945 teilweise zerstörte "Berliner Bahnhof" ist vollkommen neu aufgebaut worden. Gleichzeitig mit dem Neubau hat die "Mitropa" einen Speise- und einen Wartesaal in dem neuen Gebäude eingerichtet. Mit der Neuanlage des Bahnhofvorplatzes wurde begonnen. Der "Berliner Bahnhof" erhielt die Bezeichnung "Unterer Bahnhof". Der "Sorauer Bahnhof" erhielt die Bezeichnung "Oberer Bahnhof".
13. Mai
Gemeindeplan
In der Stadtverordnetenversammlung am 13. Mai wird zum ersten Mal ein Gemeindeplan für die Stadt Delitzsch zur Diskussion gestellt. Der Gemeindeplan läuft neben dem Haushaltsplan und legt die Schwerpunktaufgaben für das laufende Jahr fest, die in erster Linie durch Mithilfe der gesamten Bevölkerung gelöst werden sollen. Der Plan umfaßt
Politische Aufgaben
Wirtschaftliche Aufgaben
Landwirtschaftliche Aufgaben
Verschönerung des Stadtbildes
Förderung des Sports und der Jugend
Der Plan wurde endgültig in der Sitzung am 17. Juni von den Stadtverordneten angenommen.
2. September
Bürgermeister
Für den ausscheidenden Bürgermeister Paul Heinze wurde in der Stadtverordnetenversammlung am 2. September, Herr Walter Lange (SED) bisher Bürgermeister der Gemeinde Hohenprießnitz Kreis Eilenburg, als neuer Bürgermeister für die Stadt Delitzsch gewählt.
16. Dezember
Am 16. Dezember verabschiedete sich der seit den Wahlen am 15. Oktober 1950 im Amt befindliche Stadtverordnetenvorsteher Ernst Nitsch von den Stadtverordneten. Herr Ernst Nitsch geht im Jahr 1953 für ein Jahr zur "Karl-Marx-Hochschule".
Mit Ende des Jahres 1952 wurde die Handschriftliche Chronik der Stadt Delitzsch nicht mehr fortgesetzt.