Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1906-1909
Beitragsseiten
1906
1 Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 10919 Seelen.
13. Januar
Die entsetzliche Bluttat, welche am Abend des 30. November v. J. auf dem Auwege in der Nähe der Muldenbrücke bei Bitterfeld verübt wurde und dem vierzehnjährigen Kurt Olbrecht aus Delitzsch das Leben raubte, bildete den Gegenstand der Anklage wider dem Kaufmannslehrling Rudolf Stock aus Delitzsch. Der Staatsanwalt in Halle beantragte die höchste Strafe von 15 Jahren Gefängnis, wegen seines jugendlichen Alters wurde nicht die Todesstrafe beantragt. Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Verbindung mit schwerem Raub zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.
18. Januar
Die Errichtung der Eisenbahnwerkstätte in Delitzsch scheint jetzt entgültig zu sein. Im preußischen Staatshaushalt für 1906 heißt es unter anderen: "Eine Erweiterung der Werkstätte in Halle ist nach Lage der örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen. Es wird daher erforderlich, eine neue Wagenwerkstätte an einer anderen Stelle zu erbauen. Als ein hierfür geeigneter Ort ist Delitzsch ermittelt worden. Diese Stadt liegt günstig für die Zuführung der Betriebsmittel; auch war der erforderliche Grund und Boden dort billig zu haben."
24. Januar
Das 25jährige Jubiläum als Vorsteher der hiesigen Ortskrankenkasse der Zigarrenarbeiter feierte gestern abend Zigarrenmacher Hoyer im Kreise zahlreich erschienener Kollegen, Freunde und Verwandten im Hotel "zum goldenen Ring".
27. Januar
Das Hospital hat schon seit Jahrhunderten an die Kirchen- bzw. Pfarrkasse die überschüssigen namhaften Beträge bezahlt, die aber mehrfach als widerruflich bezeichnet worden sind. Nun hat die Regierung die weitere Zahlung dieser Beiträge gekündigt, da das Hospital sein Vermögen zu eigener Verwaltung braucht. Für die von den hiesigen Geistlichen im Hospital geleisteten Dienste zahlt das Hospital fernerhin nur 250,- Mark.
1. Februar
Am heutigen Tag sind 25 Jahre vergangen, seitdem Rendant Otto die hiesige Stadthauptkasse verwaltet.
20. Februar
Der sogen. Vierziger-Ausschuß der "Vereinigung ehemaliger Delitzscher Realschüler" versammelte sich Sonntag im "Schwan" unter dem Vorsitzenden Stadtrat Freyberg. Es handelte sich vor allem um Ermittlung noch fehlender Adressen früherer Schüler. In den geschäftsführendem Ausschuß wurden 7 Herren gewählt. Zu dem am 21. Juni 1908 stattfindenden 50jährigen Jubiläum der jetzigen Oberrealschule soll der Schule eine Stiftung entgegengebracht werden. Die Sammlung hat bis jetzt bereits rund 3000,00 Mark ergeben.
24. Februar
Die Schokoladenfabrik Gebr. Böhme hierselbst hat das der Witwe Prautzsch gehörige Nachbargrundstück käuflich erworben, um auf demselben einen Fabrikerweiterungsbau erstehen zu lassen.
27. Februar
Die Stadtverordneten haben in ihrer letzten Sitzung beschloßen folgende Straßen- bzw. Promenadennamen zu ändern: Die Promenade von der Stadtmühle bis zum Roßplatz "Kaiser-Wilhelm-Promenade", vom Roßplatz bis zur Leipzigerstraße "Auguste Viktoria Promenade", vom Leipziger bis zum Halleschen Tor "Ehrenberg Promenade", vom Halleschen Tor bis zur Stadtmühle "Schloß-Promenade", ferner die bisherige Neuestraße einschließlich der 2. Scheunengasse "Bismarckstraße", die 1. Scheunengasse "Moltkestraße", die von der Gartenstraße abzweigende Straße "Mozartstraße", die zur Eisenbahnwerkstätte führenden Straßen "Wittenberg- und Buddestraße".
2. März
Nach langer Zeit versammelten sich am gestrigen Abend die Obermeister der Innungen des Kreises in der Linde. Es handelte sich vor allem um die Wahl der Handwerkskammer-Mitglieder. Es wurden vorgeschlagen und gewählt aus Delitzsch Bäckermeister Karl Platen und Korbmachermeister Adolf Tauche.
13. März
Professor Hanow, der seit dem 1. April 1873 an der hiesigen Oberrealschule i. E. wirkt, tritt am 1. April d. J. in den wohlverdienten Ruhestand.
16. März
Der Gastwirts-Verein für Delitzsch und Umgegend beging gestern im "Bürgergarten" die Feier seines 25jährigen Stiftungsfestes. Der hiesige Magistrat war durch den Ersten Bürgermeister Rampoldt und Zweiten Bürgermeister Hagedorn vertreten. Ferner war der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gastwirte Ringel – Berlin und eine Anzahl Mitglieder der Nachbarvereine von Bitterfeld und Eilenburg erschienen. Herr Ringel überreichte dem Vereinsvorsitzenden Steindel ein Verdienst-Diplom und den Gründern des Vereins Dörfel, Steindel, Haschert und Wilsdorf je eine Ehrennadel.
24. März
Morgen feiert der Maschinenmeister Wilhelm Moritz in der Buchdruckerei des "Delitzscher Tageblattes" (Meyner und Sohn Nachf., Inh. R. Kämmerer) hier sein 50jähriges Buchdrucker-Jubiläum.
25. März
Der schon im Vorjahr begonnene Oberrealschulanbau wird beendet. Die im Anbau befindlichen beiden Klassenräume sowie der Zeichensaal werden alsbald in Benutzung genommen, was im Vorjahr schon mit den Räumen für physikalischen und chemischen Unterricht geschehen. Die Gesamtkosten des Anbaus betragen genau 73268,29 Mark mit dem Ausbau des Festsaales der Schule. Die den Bau ausführenden Werkmeister sind im großen und ganzen die gleichen wie die am Mädchenschulbau beteiligten. Für Lieferung der Glaserarbeiten werden außer Glasermeister Werner, Delitzsch, noch verpflichtet Glasermeister Mietzsch, Leipzig-Plagwitz, und für die Kunstglasfenster in der Aula Horst Schulze, Leipzig. Die Schmiedearbeiten führt Schmiedemeister Hinkefuß von hier, die Malerarbeiten neben den Malermeistern Pawlowski und Scholz auch die Firma Krautheim und Voß, Delitzsch, aus.
1. April
In der Zeit vom 25. März bis 1. April fand im Bürgergarten die vom Regierungspräsident Freiherrn von der Recke im Beisein des Landrats von Busse, der städtischen Körperschaften und der Aussteller eröffneten 2. Handwerkerausstellung statt, die von hervorragenden Leistungen des Delitzscher Handwerks Zeugnis ablegte und zahlreich besucht wurde.
17. März
Vor 300 Jahren am 17. März war ein sehr heftiger Sturm hierselbst, der Gebäude niederriß und die meisten dieser zerstörte, daher man fast alle öffentlichen Gebäude mit nicht geringen Kosten bessern ließ. Im selben Jahre 1606 fing Georg Winkler in der Vorstadt an zu herbergen und auszuspannen, welches ihm der Rat bei 20 Jahr Strafe verbot. Schon die Vorbesitzer, die Geritze, hatten Versuche gemacht, waren aber jedes Mal auf Beschwerde der Gasthofbesitzer in der Stadt vom Rate gehindert worden; jetzt appellierte er gegen das Verbot des Rates, erlangte aber bald nachher, wie es scheint mit dessen Zustimmung das Gesuchte, und sein Haus ward der Gasthof "zum weißen Rosse", wie er heute noch bezeichnet ist.
24. April
Die neue Brücke über dem Stadtgraben ist jetzt auch äußerlich als – Schillerbrücke – gekennzeichnet, indem an ihrem Geländer gestern abend ein Bildnis des großen Dichters in Metall, von einem Eichenkranz umrahmt, angebracht worden ist.
18. Mai
Mit dem Bau der Eisenbahn-Werkstätte wird sofort nach der Aberntung begonnen. Das Bauterrain ist bereits vermessen und abgesteckt worden. Zunächst wird ein Zaun um das ganze Gelände hergestellt werden und dann soll ein Gebäude für Bureauzwecke errichtet werden, das später die Kantine aufnehmen wird. Auf Anfrage konnte die Stadt der Betriebswerkstätte für das Personal angeblich 60 Wohnungen zur Verfügung stellen.
1. Juni
Den Schülern der Unterprima und Obersekunda unserer Oberrealschule ist von heute ab gestattet worden, in ihrer Freizeit von nachmittags 5 bis abends 9 Uhr die beiden Hotels "Zum Schwan" und "Zur Grünen Linde" zu besuchen und dort dem Billard, Kegel- oder Lawn-Tennisspiel zu huldigen.
10. Juni
Der hierorts seit bereits 30 Jahren bestehende Verschönerungsverein hat für die Stadt schon viel getan. Er ist auch in diesem Jahr wieder rege und hat eine Anzahl neuer Bänke in den jetzt herrlichen Anlagen am Halleschen Tore und dem Stadtpark aufstellen lassen.
15. Juni
Vorgestern gegen Abend wurde das neue Schwanenhäuschen seinem Bestimmungsplatz, der Insel gegenüber der Badeanstalt, zugeführt. Da das Häuschen das stattliche Gewicht von 10-12 Ctr hat, so war hierzu eine ziemlich starke Balkenanlage vom Ufer des Stadtgrabens bis zur Insel nötig. Die Überführung und Aufstellung unter Beihilfe von 10 Arbeitern ging gut vor sich, und unsere Stadt ist nun durch das im Villenstil erbaute Schwanenhäuschen um eine Schönheit reicher geworden. Der "Verschönerungsverein" ist es wieder gewesen, welcher dieses Schwanenhäuschen mit einem Kostenaufwand von mehr als 200 Mark gestiftet hat.
17. Juni
Am 17. Juni fand in Delitzsch im Schützenhaus eine Tagung des Bezirksvereins Sachsen-Anhalt im deutschen Fleischerverband statt. Wohl über 250 Teilnehmer waren von nah und fern herbeigeeilt. Nachmittags 2 Uhr eröffnete der Vorsitzende des Bezirksvereins Schliack – Halle die Verhandlungen und der Obermeister der Delitzscher Innung, Braune, hieß die Anwesenden willkommen. Nachdem auch der 1. Bürgermeister Rampoldt die Teilnehmer namens der Stadt begrüßt hat wurde die reichhaltige Tagesordnung unter lebhafter Aussprache fachlicher Angelegenheiten abgewickelt. Den Verhandlungen folgte ein Ball im Garten des Schützenhauses, und den Abschluß bildete ein Ball.
28. Juni
Der hiesige Kreis hat das neben der Kreissparkasse in der Schloßgasse liegende Grundstück von dem Zigarrenarbeiter Wolf Barth käuflich erworben; die Übernahme erfolgt am 1. Oktober d. J. Die Geschäftsräume der Kreissparkasse werden dann eine Erweiterung erfahren.
16. Juli
Am gestrigen Sonntag dem 15. Juli fand das 1. Gauturnfest des Sorbengaues hier statt. Von weit und breit waren die Scharen weiterer Turner herbeigeeilt um ihre Kräfte im friedlichen Wettkampf zu messen und in froher Geselligkeit die Bande treuer Kameradschaft fester zu knüpfen. Die Stadt war herrlich geschmückt. Um 2 Uhr nachmittags begann der Festzug durch die Straßen der Stadt und endete auf dem Ausgangspunkt, dem Schützenplatze. Hier begannen bald die turnerischen Aufführungen. Darauf erfolgte die Verkündung der Sieger in dem am Vormittag stattgefundenen eigentlichen Wetturnen.
13. August
Gestern früh verstarb im Hohen Alter von 89 ½ Jahr an Altersschwäche der Stadtälteste Privatmann E. Troitzsch. Gerade an dem Tag, an welchem der von ihm im Jahr 1846 mitbegründete Gesangverein "Schulze Delitzsch Liedertafel" sein 60jähriges Stiftungsfest beging, segnete er das Zeitliche. Beim 50jährigen Stiftungsfest war er zum Ehrenmitglied ernannt worden. Außer der Liedertafel hat er auch den Volkswirtschaftlichen und Gewerbeverein, dessen Ehrenvorsitzender er war, mitbegründet. 24 Jahre hindurch war der Verstorbene als Stadtverordneter tätig gewesen und 16 Jahre hat er das Amt eines unbesoldeten Magistrats Assessor bekleidet. Nicht minder hat er sich um das Genossenschaftswesen verdient gemacht.
19. August
Die Genossenschaftsblätter widmen dem Verstorbenen, Troitzsch, ehrenvolle Nachrufe. Es heißt darin, daß Troitzsch wohl einer der ersten Mitarbeiter und Mitstreiter Schulze Delitzschs gewesen war, der fast ein halbes Jahrhundert dem Vorstand des Vorschußverein zu Delitzsch angehört hat. Mit Troitzsch ist einer von jenen dahingegangen, die aus Schulze Delitzschs Mund die Pläne des großen Organisators gehört.
20. August
Unter 86 Bewerbern um die hiesige Küsterstelle wurde vom Magistrat der hiesige Polizeisergeant Naßerke als Nachfolger des am 1. Oktober in den Ruhestand tretenden bisherigen Küsters Günther gewählt.
22. August
Die Bau- und Verkehrsdeputation hat schon im Vorjahr die Umschaffung des Promenadenteils von der Holzstraßen- bis zur Schillerbrücke in gärtnerische Anlagen beschloßen, weshalb die hinter der westlichen Häuserreihe der Kohlstraße angelegten Gärten eingehen müssen. Planierung, Besäen und Bepflanzen der Böschung dieses Promenadenteils findet im Laufe dieses Jahres statt.
25. August
Die Errichtung der schon längst geplanten obligatorischen Fortbildungsschule wird nach einem in der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung gefaßten Beschluß zum 1. August 1907 erfolgen. Der Magistrat hat bereits ein bez. Ortsstatut nebst Schulordnung ausgearbeitet. Die Kosten sind mit 6400 Mark veranschlagt, und trägt hiervon die Stadt 1/3, die Regierung 2/3.
1. September
Die Einwohnerzahl unserer Stadt beträgt jetzt 11003 Seelen.
11. September
Unser Altertumsmuseum hat in diesen Tagen durch die Güte und Hochherzigkeit eines Wohltäters eine reiche, herrliche Zuwendung erfahren. Rentner Bruno Schulze in Freiberg, der Neffe unsers großen Volksmannes Dr. Hermann Schulze, hat alle in seinem Besitz befindlichen Geschenke, die seinem Onkel verehrt worden sind, ohne jeglichen Vorbehalt unserm Altertumsmuseum zur Einverleibung überwiesen.
19. September
Heute verschied sanft nach längerem Leiden der Lehrer an der Bürgermädchenschule und Organist an der Stadtkirche, Kimstedt. Nach bestandener Prüfung an der Lehrerbildungsanstalt Elsterwerda fand er 1863 Anstellung als Lehrer in Rödgen. 1866 siedelte er nach Delitzsch über. 1874 wurde ihm das Organistenamt an der Stadtkirche und Hospitalkirche übertragen. Fast 45 Jahre hat er in großem Segen an dem schönen Werke der Kindererziehung gearbeitet.
24. September
Sattlermeister Robert Adam hat das Haus des Kaufmanns Bachmann, Eilenburgerstraße 56a, käuflich erworben.
9. Oktober
Das zweite vom "Verschönerungsverein" gestiftete Schwanenhäuschen findet jetzt auf der Insel bei der Schillerbrücke Aufstellung.
10. Oktober
Der hiesige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Busolt ist verstorben. Seit 1883 wirkte er hierorts von Mühlberg a./ Elbe kommend als Kreisphysikus. Im Juli 1903 wurde ihm der Charakter als Medizinalrat verliehen. Nach dem Tode des Lehrers Kimstedt wird die Organistenstelle an der Stadtkirche vom 1. Januar 1907 ab Lehrer Sauerteig übertragen werden. Unsere Stadt bekommt Elektrisches Licht. Heute ist der Vertrag zwischen der Elektrizitäts-Lieferungsgesellschaft in Bitterfeld und unserer Stadt entgültig abgeSchloßen worden und wird in nächster Zeit schon mit den Vorarbeiten begonnen werden. Mitte nächsten Jahres hofft man die Anlage in Betrieb nehmen zu können.
24. Oktober
Dr. med. Voigt aus Mühlberg hat das Grundstück des verstorbenen Arztes Dr. Zoerner käuflich erworben und sich als praktischer Arzt hierorts niedergelassen.
26. Oktober
Die Bahnstrecke Halle-Delitzsch-Eilenburg wird bestimmt zweigleisig ausgebaut werden. Die Bausumme hierzu ist in den nächsten Etat eingesetzt worden. Die Bahnmeistereien haben bereits Auftrag zu den Vorarbeiten erhalten.
11. November
Eine größere Gärtnerei wird von dem Gärtner Naujokat am Kertitzer Weg, rechts von der Schafbrücke, angelegt. Die Herrichtung des Geländes schreitet rüstig vorwärts. Das von den Erben des verstorbenen Stadtältesten Troitzsch erworbene Feld gehörte früher dem Dr. Schulze-Delitzsch.
23. November
Die hiesige "Stadt Leipzig" wechselt fortwährend den Besitzer. Nachdem der letzte Inhaber des Etablissements, Hänel aus Leipzig, die Wirtschaft mit Familie plötzlich verlassen und nach Leipzig zog, hat ein hiesiger Rentner, der 70.000 Mark Hypothek auf dem Grundstück stehen hat, dafür gesorgt, daß die Bewirtschaftung des Gasthauses fortgeführt wird.
12. Dezember
Die erledigte Kreisarztstelle hierselbst ist vom 1. Februar 1907 ab dem Königlichen Kreisarzt Medizinalrat Dr. Kornalewski in Naumburg übertragen worden.
20. Dezember
Die Zugkraft der Seminarkonzerte hat sich auch gestern wieder bewährt. Der geräumige Saal des Schützenhauses war bis auf den letzten Platz besetzt, und zwar war das Haus bereits am ersten Tage der Ausgabe von Eintrittskarten ausverkauft. Es waren aber auch Stunden der Weihe, welche uns der gestrige Abend wieder brachte.
22. Dezember
Mit dem heutigen hat Karl Wilsch aus Halle die Bewirtschaftung des Gasthauses "Stadt Leipzig" übernommen. Die anfänglich überschätzten Schäden am Saal etc. sind ausgebessert. Möge der neue Besitzer mehr Glück an seinem Unternehmen haben.
1907
1 Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 11002.
12. Januar
Für den Bau der Eisenbahn-Hauptwerkstätte für Wagen in Delitzsch sind in dem Etat der Eisenbahnverwaltung als fernere Rat 500000 Mark eingestellt worden, dagegen ist noch kein Betrag zur Herstellung eines zweiten Gleises auf der Strecke Halle-Torgau ausgeworfen.
17. Januar
Die Firma Chokoladenfabrik Gebr. Böhme G.m.b.H. ist gestern in eine Aktien Gesellschaft umgewandelt worden und beträgt das Grundkapital 600000 Mark. Der Vorstand wird gebildet von Albert Böhme Leipzig und Franz Böhme hier.
24. Januar
Mit Zustimmung des Magistrats ist vom Gemeindekirchenrat an Stelle des verstorbenen Rendanten Otto Stadtsteuereinnehmer Jungnickel zum Kirchen- und Pfarrkassenrendanten gewählt worden.
2. März
Das in der Leipzigerstraße Nr. 25 belegene Grundstück von Frl. Margarete Kühne ist für den Preis von 40000 M. in den Besitz der v. Sternberg'schen Brauerei in Lützschena übergegangen.
5. März
An Stelle des verstorbenen Rendanten und Hospitalvorstehers Otto wird am 1. April der bisherige Kassierer Rudloff zum Stadthauptkassen Rendanten ernannt, während der bisherige Buchhalter Meley zum Kontrolleur aufrückt.
20. März
Frau Schulze, Mühlstraße wohnhaft, kann heute auf eine 40jährige Tätigkeit als Zigarrenarbeiterin bei der Firma G. Wagner (Inhaber P. Hotzel) zurückblicken.
25. März
Das Kaffee "Drei Raben" in der Bismarckstraße ist von Robert Kretzschmar an Max Richter aus Leipzig verkauft worden, welcher es schon am 1. April übernehmen wird.
26. März
Bei der heutigen Konfirmanden-Entlassungsfeier in der Bürgerknabenschule wurden auch die Lehrer Büchner und Wittig aus dem Schulverband entlassen. Ersterer ist nach 45jähriger Lehrtätigkeit, davon über 40 Jahre in unserer Stadt in den wohlverdienten Ruhestand getreten. Lehrer Wittig tritt bekanntlich als Hauptlehrer zur neueingerichteten obligatorischen Fortbildungsschule über.
5. April
Das Restaurant und Kafee "Moltke" in der Lindenstraße, welches 10 Jahre im Besitz von Louis Kaubisch gewesen ist, ging durch Kauf in die Hände des Bruders des bisherigen Besitzers, Arthur Kaubisch, über.
17. April
Das zweite Gleis auf der Strecke Halle-Eilenburg wird nun doch noch in diesem Jahr gebaut werden. Nachträglich sind die Kosten für das zweite Gleis in die dem preuß. Abgeordnetenhaus gestern zugegangene Sekundärbahnvorlage eingestellt worden. Es wurden 2225000 Mark dazu gefordert.
21. April
Der Verschönerungsverein beabsichtigt, das dreieckige Stück Land an der linken Seite der Chaussee nach Spröda bei dem Kilometerstein 3,4, wo der Weg nach Werben abzweigt, mit Bäumen zu bepflanzen und dort durch Anbringung von festen Naturbänken ein Ruheplätzchen zu schaffen. Das Land in Größe eines Fünftel Morgens hatte bisher Rittergutsbesitzer Mayer – Laue in Pacht, welcher dasselbe gern abtreten will. Die Stadtverordneten sind mit dem Plan einverstanden.
22. April
Tierarzt Teutschbein kaufte das den Thormann'schen Erben gehörige Hausgrundstück in der Bitterfelderstraße am Stadtpark.
29. April
Im Anschluß an die kaufmännische Fortbildungsschule werden Unterrichtsabende in englischer Sprache eingerichtet. Der Unterricht findet jeden Dienstag abend von ½ 9 Uhr bis 10 Uhr im Schulsaale der Knabenbürgerschule statt. Das Schulgeld beträgt vierteljährlich 6 Mark.
14. Mai
Mit der Neupflasterung der Eilenburger Straße soll am Montag den 27. Mai begonnen werden und bleibt diese Straße dann für den Fuhrverkehr längere Zeit gesperrt. Die Ausführung der Arbeiten ist dem Steinsetzmeister Schmidt aus Magdeburg übertragen worden.
15. Mai
Der vor einiger Zeit in der hiesigen Bauer'schen Walzenmühle begonnene Streik dauert an. Alle Einigungsversuche sind vergeblich gewesen, da die Firma erklärt, organisierte Arbeiter in ihren Betrieben nicht zu beschäftigen. Der Mühlenbetrieb wird in beschränktem Umfang mit den treu gebliebenen Arbeitern und einigen auswärtigen Arbeitern weiter geführt.
16. Mai
Der Kaninchenzüchter-Verein Delitzsch und Umgegend, vereinigt zu einer Gruppe mit den Vereinen Zschortau, Wiederitzsch, Halle, Eilenburg, Kültzschau und Holzweißig, veranstaltet während der Pfingstfeiertage vom 19.-21. Mai in der "Weintraube" hier seine erste große Gruppenausstellung, verbunden mit Prämierung der besten Rasse- und Zuchttiere.
23. Mai
20 ehemalige Zöglinge des hiesigen Lehrerseminars, die vor 25 Jahren das Seminar verließen, waren vorgestern und gestern hier zusammengetroffen. Gestern vereinigte dieselben ein gemeinsames Mittagessen im "Hotel zur Grünen Linde".
29. Mai
Die Errichtung der Eisenbahn-Hauptwerkstätte macht tüchtige Fortschritte. Mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes und des Pförtnerhauses ist bereits begonnen und das große Werkstätten-Hauptgebäude wird auch bald in Angriff genommen werden. Schlossermeister Nebel umgibt das gesamte Terain mit einer Einfriedung.
31. Mai
Die diesjährigen Schulausflüge der Oberrealschule werden heute und morgen unternommen, und zwar reisten die obersten Klassen (Prima und Obersekunda) heute mittag auf 2 Tage nach dem Harz. Die anderen Klassen werden morgen ihre Partien ausführen. Die Obertertia besucht die Wälder zwischen Bitterfeld und Dessau. Untertertia und Quarta fahren über Naumburg nach der Rudelsburg. Quinta und Sexta begeben sich mittels Kremser nach dem Eisenhammer bei Düben.
3. Juni
Unsere Stadt kann heute ein hochwichtiges Jubiläum feiern. Vor 700 Jahren nämlich, also am 3. Juni 1207 wurde in Delitzsch ein Landding oder Landgerichtstag abgehalten, und damit beginnt die eigentliche Geschichte unserer Stadt. Konrad, Markgraf des Osterlandes, der den Landding leitete, bekundete hier, daß Heinrich, Graf von Brehna, sein geliebter Verwandter, 24 Hufen im Dorf Niendorp teils tauschweise für andere Güter teils gegen eine Geldsumme dem Kloster St. Petri auf dem Lauterberg (Petersberge) übereignet habe. Zugleich bestätigte er im voraus den Ankauf der übrigen Güter in Niendorp, dessen Kirche der Graf bereits dem Kloster übergeben hatte. Als Zeugen werden u. a. ausgeführt Tidericus, Bischof von Merseburg; Bertoldus von Merseburg; Herrmannus, Burggraf von Wettin; Johannes, Burggraf von Giebichenstein; Heinricus von Schkeuditz; Heinricus von Lützen; Otto von Pouch; Otto von Landsberg; Konrad von Landsberg; Hermannus von Rosenfeld; Gebehardus von Zörbig; Ericus von Prettin und Heinricus von Löberitz.
22. Juni
Bauunternehmer Kuhne verkaufte die Hausgrundstücke Bismarckstr. 8 an den Tischler Emil Franke, Bismarckstr. 18 an Privatmann Oskar Otto und ein noch zu erbauendes Hausgrundstück Bismarckstr. 26 an Ofensetzer Albert Kunze.
13. Juli
Das Eilenburgerstraße Nr. 17 belegene Hausgrundstück erwirbt durch Kauf Schneidermeister Ewald Döchert.
12. August
Fabrikbesitzer Rich. Francke, in Firma Mech. Schuhfabrik Delitzsch Sonntag und Francke, hat allen Arbeitern und Arbeiterinnen, welche 10 Jahre und länger bei der Firma tätig sind, - es kommen etwa 50 Arbeiter und Arbeiterinnen in Betracht- , die Krankenkassen-, Invaliditäts- und Altersversicherungsbeiträge erlassen, und zwar erhalten die Betreffenden die wöchentlich zu kürzenden Beiträge am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres im ganzen zurückgezahlt.
14. August
Sein 50jähriges Meisterjubiläum beging gestern Schuhmachermeister Karl Müller, Kreuzgasse 2. Aus Anlaß dieser seltenen Feier überbrachte der Vorstand der Schuhmacherinnung dem Jubilar, der viele Jahre dem Innungsvorstand angehörte, die Glückwünsche der Kollegen und überreichte ihm eine wertvolle Uhr mit Widmung.
16. August
Max Wehle hat sein Kaufhaus, Breitestraße, an Kaufmann Louis Hintzelmann verkauft. Nach erfolgter Übernahme erfolgt die Neueröffnung Montag den 19. August.
27. August
Beim Ausschachten an der Naundorfer Mühle wurden s. Z. etwa 2 ½ m tief im Erdboden 2 vollständig verkieselte Hörner gefunden. Der Finder, Klempnermeister Müller, übergab dieselben Lehrer Reime, der sie in Leipzig von Universitätsprofessoren Dr. Reinisch und Dr. Felix untersuchen ließ. Das Ergebnis der Untersuchung war: "Die Hörner haben einem Auerochsen, Bos primi genius, angehört und rühren aus der Diluvialzeit her, sind also viele Tausende Jahre alt." Ein ebenfalls an der Naundorfer Mühle aus der Tiefe herausbefördertes Knochengerüst hat sich als Schädel eines Hirsches herausgestellt. Professor Dr. Felix schätzt das Alter dieses Knochenstückes auf 1000 bis 1500 Jahre.
3. September
Der zweite Bürgermeister Hagedorn geht als Bürgermeister nach Gronau in Westfalen und scheidet am 30. September aus. An seine Stelle wählen die Stadtverordneten den 1. Ratsherrn Paul Lange in Detmold, der jedoch erst am 1. Januar n. J. die Stellung antritt.
14. September
Nach im Vorjahr vorangegangenen Beratungen mit der Allgemeinen Elektrizitätslieferungs-Gesellschaft wird nunmehr die Zentrale zur Einführung von Elektrizität für Leucht- und Kraftzwecke errichtet. Das Elektrizitätswerk wird morgen mit der Lieferung für Kraft und Licht bei den bereits angeschlossenen Abnehmern beginnen. Vorläufig wird der Strom vom Bitterfelder Werke durch die Fernleitung über Roitzsch und Zaasch geliefert. Mit der Einführung der Elektrizität hat unsere Stadt wieder einen Schritt nach vorwärts getan.
Auf der Eisenbahnstrecke Halle-Eilenburg herrscht zur Zeit ein recht reger Betrieb. Die ganze Strecke Halle-Sorau-Guben wird zweigleisig angelegt, wozu über tausend Arbeiter herangezogen sind. Lehrer Emil Sauerteig übernahm am 1. Juli das Amt eines Organisten an der Stadtkirche, nachdem sein Vorgänger, Organist Kimstedt, in Ruhestand getreten.
15. September
Der schon im Vorjahr beschlossene Ersatzbau für die schadhaft gewordene Holzbrücke am Leipziger Tore wird noch in diesem Jahr von dem Anhalter Betonwerk Otto Maye u. Co. Dessau, ausgeführt. Das Brüstungsgeländer dazu liefert Schlossermeister Wandt von hier. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 19111,56 Mark, die größtenteils aus Sparkassenüberschüssen gedeckt werden.
30. September
Außer dem in den Ruhestand getretenen Lehrer Rocke, welcher über 40 Jahre hier amtierte, schied heute Lehrer Wendrich von der Mädchenschule, um an einem zweijährigem Kursus in Berlin teilzunehmen. Als Ersatz treten morgen Lehrer Wolff und Beyer ein. Ferner wird am 1. Januar 1908 Lehrer Weber von der Bürgerknabenschule einem Rufe nach Naumburg folgen.
2. November
Hier wurde am 16. Oktober eine Schneiderinnung gegründet. Bekanntlich besteht hier ein sehr rühriger Schneidermeisterverein, dessen Mitglieder sämtlich zur Innung getreten sind.
15. November
Heute feiert Privatmann August Kunze hierselbst, mit seiner Ehefrau in verhältnismäßig guter geistiger und körperlicher Frische das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Die feierliche Einsegnung des Jubelpaares fand im Hause durch Superintendent Schäfer statt.
5. Dezember
Vor einigen Tagen fand in München die Beerdigung des berühmten Delitzscher Kindes, des Bildhauers Erwin Weißenfels statt. Über seinen Lebensweg schreiben die Münchener Neuesten Nachrichten u.a.: Erwin Weißenfels ist 1847 zu Delitzsch als Sohn eines Tuchscherermeisters geboren. Nach dem Besuch der Bürgerschule ermöglichte ihm ein Stipendium des Herzogs von Anhalt, sich an der Akademie der bildenden Künste in München auszubilden. In der Folgezeit ist er zu einer Berühmtheit seiner Kunst geworden und hat Aufträge bei Fürsten und Königen auch im Ausland erhalten. In seiner Heimatstadt Delitzsch ist er der Erbauer des Kriegerdenkmals und Schulze Delitzsch Denkmals. Es wurden ihm namentlich von Künstlergrößen ehrenvolle Nachrufe zuteil.
27. Dezember
Was das Wetter anlangt, so erweist sich in diesem Jahr der Winter besonders hart und ausdauernd. Im Sommer verursachten heftige Gewitterregen an vielen Orten Überschwemmungen und orkanartige Stürme verursachten große Schäden. Der Lober überflutete längere Zeit die angrenzenden Wiesen und Felder. September und Oktober zeichneten sich durch prächtiges Herbstwetter aus.
1908
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 1. Januar 1908 11388.
2 Januar
Drechslermeister E. Mühlpfordt verkaufte sein Grundstück in der Breitenstraße an Schuhmachermeister C. G. Exner. Lehrer Bindernagel ist am 1. Januar an der hiesigen Knabenschule angestellt worden.
14. Januar
Der hiesige Gewerbeverein hatte am gestrigen Tag die Freude, sein 50jähriges Bestehen festlich begehen zu können. Am Vormittag wurde vom Vorsitzenden, Fortbildungsschullehrer Wittig, in Gegenwart einer Anzahl Mitglieder des Vereins, nach einer kurzen Ansprache ein prächtiger Kranz am Denkmal des Vereinsstifters Dr. Hermann Schulze – Delitzsch niedergelegt. Am Nachmittag versammelten sich die Mitglieder des Vereins mit ihren Angehörigen und geladenen Gästen im Saal des Hotels "Schwan" zu einer Festfeier. Den Reigen der Festansprachen eröffnete Erster Bürgermeister Rampoldt, welcher die Glückwünsche des Magistrats zur Jubelfeier überbrachte und dann besonders hervorhob, daß durch den Gewerbeverein die Gründung der obligatorischen Fortbildungsschule geschehen sei und dadurch ein köstliches Gut für die Entwicklung unseres Handwerks geschaffen worden sei. Er schloß mit einem Hoch auf unseren Kaiser. – Rechtsanwalt Dr. Schulze hielt sodann die Festrede, welche die Geschichte des Vereins vorführte. Von den 105 ersten Vereinsmitgliedern lebt heute nur noch eins, Stadtältester Rose. Es sprachen dann noch der Vorsitzende Wittig, Apotheker Dr. Lohmann, Zigarrenfabrikant Schimpf u. a. Viele Glückwunschtelegramme von Behörden und Vereinen wurden verlesen. Die ganze Festfeier war umrahmt von Musikstücken der Ill'schen Kapelle und Gesangsvorträgen der Schulze Delitzsch Liedertafel.
15. Januar
Das evang. Konsistorium hat die griechische Bezeichnung Diakonus und Archidiakonus für die Geistlichen abgeschafft und für dieselben die Bezeichnung "Pfarrer" angeordnet.
28. Februar
Das Gasthaus "zur Weintraube" geht am 1. April in den Besitz des Brauereibesitzers Uhlmann hier über. Der bisherige Besitzer Maul wird die Bewirtschaftung weiter übernehmen.
13. März
Der neugewählte 2. Bürgermeister Lange, bisher 1. Ratsherr in Detmold, hat am 1. März sein Amt hier angetreten und wurde heute vom 1. Bürgermeister in sein Amt eingeführt.
14. März
Der Firma Ed. Poenicke u. Co., Baumschulen hier, wurde der Auftrag erteilt, in den neuen königlichen Gärten zu Stuttgart Spalieranlagen nach ihrem von W. Poenicke jun. erfundenen, patentamtlich geschützten "Schrägspaliersystem" zu schaffen. Die Anlage wird im Laufe des Sommers unter persönlicher Leitung des Herrn W. Poenicke erfolgen.
25. März
Das Hausgrundstück von Rentier Dietze in der Chausseestr. 5 hat Bürgerschullehrer K. Reinboth erworben.
1. April
Heute vor 50 Jahren gab es in Delitzsch etwas besonderes zu sehen, denn der erste Dampfwagenzug berührte unsere Stadt. An der Dübener Straße war eine Ehrenpforte errichtet, auf welcher eine schwarz-weiße und eine grün-weiße Flagge wehte. Viele Menschen nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus der weiten Umgegend waren hier zusammengeströmt. Nach langem Harren, gegen 5 Uhr, sah man in der Ferne dicken Qualm aufsteigen. Das pustende Ungeheuer, Lokomotive genannt, kam immer näher, und als der Zug dann einfuhr, erscholl aus den bekränzten Wagen rauschende Musik, die aber von dem lauten Freudengejauchze der Menge übertönt wurde.
6. April
Auf 25 Jahre erfolgreicher Tätigkeit als Fabrikdirektor, davon 17 Jahre im Dienste der hiesigen Zuckerfabrik, konnte am Sonntag den 22. März Fabrikdirektor Dr. Kunze zurückblicken. Zu den vielen Glückwünschen von Freunden und Verehrern kam ein sinniges Geschenk der Beamten und Arbeiter. Für gestern hatte nun Fabrikdirektor Dr. Kunze das gesamte Fabrikpersonal zu einem gemütlichen Beisammensein im "Bürgergarten" eingeladen.
9. April
Der Herr Unterrichtsminister hat am 2. April unsere nunmehr ausgebaute Oberrealschule als Vollanstalt anerkannt und genehmigt, daß den Prüflingen, welche sich jüngst der Reifeprüfung unterzogen haben, das Reifezeugnis ausgestellt wird.
13. April
In diesen Tagen ist an unser Kirche auf der Südseite ein buntfarbiges Glasfenster eingesetzt worden. Ein Geschenk des im vorigen Jahre verstorbenen Fräulein Gutheil.
18. April
Heute begeht die Zigarrenarbeiterin Frau Berta Lange, Querstraße wohnhaft, ihr 40jähriges Arbeitsjubiläum. Es wurden ihr manigfache Ehrungen zuteil.
25. April
In diesen Tagen ist die provisorisch errichtete Schalt- und Transformatorenanlage vor der Stadt aufgehoben und die definitive Anlage in der Zentrale in Betrieb gesetzt worden. Es tritt dadurch eine kürzere Unterbrechung in der Stromlieferung durch das Elektrizitätswerk ein.
27. April
Stadtrat Schulze, der nun auch schon nahezu 50 Jahre als Branddirektor sich für unseres engeres und weiteres Vaterland verdient gemacht hat, hat seines vorgeschrittenes Alters und seiner Gesundheit wegen mit Ablauf seiner Wahlzeit seine städtischen Ämter niedergelegt. In der heute stattgefundenen Magistratssitzung verabschiedete sich Stadtrat Schulze von den Magistratsmitgliedern und Erster Bürgermeister Rampoldt widmete ihm bei dieser Gelegenheit warme Worte der Anerkennung und des Dankes für die der Stadt geleisteten langjährigen treuen Dienste.
30. April
Am gestrigen Tage waren 25 Jahre seit dem Tod Schulze – Delitzsch's verflossen. Die Genossenschaftsblätter widmen dem großen Verstorbenen eine "Erinnerung" an diesem Gedenktage. Das Denkmal desselben auf dem Marienplatze wurde am Todestag durch den hiesigen Vorschußvereins-Vorstand im Auftrage des deutschen Genossenschaftsverbandes mit einem prächtigen Kranz geschmückt.
27. Mai
Die Errichtung einer Kolonie von zunächst etwa 70 Wohnhäusern für Eisenbahn-Werkstättenarbeiter ist jetzt gesichert. Das als Bauterrain in Aussicht genommene Feld in Größe von etwa 32 Morgen, gegenüber dem städtischen Wasserwerk an der Bitterfelder Straße, wird vom Hospital zum mäßigen Preis von 90 Pfg. für den Quadratmeter abgegeben werden. Das Land für jedes Haus soll so reichlich bemessen werden, daß jede Familie ihr Gärtchen und womöglich noch ein Stückchen Feld zum Anbau von Gemüse erhält.
29. Mai
Die Stadtverordneten Versammlung beschließt Anlegung eines Bürgersteiges auf der Westseite der Leipziger Straße, in der Mauergasse und in der Bitterfelder Straße.
30. Mai
Vom 2. Juni ab wird ein Straßen-Omnibus hierselbst in Betrieb gesetzt werden, der eine regelmäßige Verbindung vom Halleschen Tor und Roßplatz mit den fahrplanmäßigen Zügen herstellt. Der Fahrpreis beträgt 10 Pfg. pro Person. Am Sonntag werden die Touren nach dem Bahnhofe eingestellt. Dafür wird am genannten Tage eine regelmäßige Verbindung mit dem Forsthaus Delitzsch (und möglichst auch mit der Goitzsche) von 1 Uhr ab Gasthof zum Deutschen Kaiser geschaffen. Fahrpreis nach der Spröde 25 Pfg., Kinder 15 Pfg., nach der Goitzsche: 40 Pfg., Kinder 20 Pfg.
22. Juni
Am 20. und 21. Juni feierte die hiesige Gehobene Mädchenschule ihre 50jährige Jubelfeier. Es hatten sich zu dieser Feier viele frühere Schülerinnen zum Teil aus weiter Ferne hier eingefunden. Die Stadt war reich beflaggt. Die Feier wurde am ersten Tage vormittags 10 Uhr durch einen Festakt im Saale des Hotels "Zum Schwan" eingeleitet. Der erste Teil enthielt die verschiedensten Ansprachen, eingeleitet durch gemeinsamen Gesang der 1. und 2. Strophe des Liedes: "Lobe den Herren" mit Begleitung der Stadtkapelle. Nach einem Prolog von 2 Schülerinnen sprachen dann Dr. Berg, Rektor Eichler mit Festansprache, Superintendent Schäfer, I. Bürgermeister Rampoldt, Direktor Dr. Wahle als Leiter der Oberrealschule, Seminarlehrer Witt für Seminar- und Präparandenanstalt, Rektor Wiener für die Knabenschule und Lehrer Reime für die Mädchenschule. Den 2. Teil bildete die Aufführung eines patriotischen Festspieles. In gehobener Stimmung verließ ein jeder den Festsaal. Am 2. Tage den 21. Juni einem Sonntage fand um ½ 10 Uhr Besuch des Gottesdienstes statt. Im Anschluß hieran war Zusammentreffen in der Gehobenen Mädchenschule. Nachmittags 2 Uhr nahmen die Teilnehmer an einem gemeinsamen Essen im Schwan teil, und von abends 7 Uhr ab war ein geselliges Beisammensein der ehemaligen Schülerinnen.
5. Juli
Am 2. und 3. Juli fand die 50jährige Jubelfeier der Oberrealschule statt. Beide Schulen, die Gehobene Mädchenschule sowie die Oberrealschule sind vor 50 Jahren zu gleicher Zeit gegründet worden und haben in den 50 Jahren manigfache Wandlungen durchgemacht. Beide sind in ihrer Entwicklung immer fortgeschritten und können beim Rückschauen stolz darauf sein. Zur 50jährigen Jubelfeier der Oberrealschule haben sich viele ehemalige Schüler der Schule eingefunden. Als Gäste waren erschienen von auswärts der Oberpräsident der Provinz Sachsen Exzelenz Hegel und Oberschulrat Kummerow aus Magdeburg. Eröffnet wurden die Festtage mit einem Kommers in "Stadt Leipzig". Die Lehrer und Schüler zogen in geschlossenem Zuge unter Vorantritt der Stadtkapelle vom Schulgebäude nach dem Festsaal. Den Reigen der Ansprachen eröffnete der 1. Bürgermeister Rampoldt, der auch der Kommersleiter war. Es sprach dann Professor Ruhlandt Begrüßungsworte an die ehemaligen Schüler. Dann hielten noch Ansprachen Kreisausschuß Obersekretär Gundermann, Rechnungsrat Richter – Berlin, Stadtverordnetenvorsteher Schimpf, Dr. Rocke – Hannover, Chemiker Vogelsang – Friedenau, Seminarlehrer Rosenthal u. w. Die Mitternachtsstunde war bei Reden und gemeinsamen Gesängen gekommen und der offizielle Teil des Kommerses geschlossen. Am zweiten Tage, Freitag den 3. Juli fand dann die Hauptfeier in der Aula der Oberrealschule vormittags 11 Uhr statt. Nachdem der Oberpräsident und der Provinzialschulrat erschienen war begann der Festaktus mit der Jubel-Ouvertüre für Klavier von K.M. von Weber. Darauf hielt Direktor Dr. Wahle die Festrede. Von den vielen folgenden Ansprachen sei nur die des Oberpräsidenten erwähnt. Die Oberrealschule erhielt reichhaltige Jubiläumsgeschenke. Der Kreistag spendet jährlich für einen bedürftigen Schüler das Schulgeld. Die städtischen Behörden schenkten 6 Büsten (Kaiser Wilhelm I, Bismarck, Moltke, Luther, Goethe und Schiller) und außerdem 2000,- Mark zu besonderen Zwecken, Stadtrat Freyberg zu den früher geschenkten 1000,- M noch 1200,- Mark, Turnlehrer Berger 1000,- M u. a. Geschenke. Abends 8 Uhr wurde von Schülern der Oberrealschule "Wallensteins Lager" aufgeführt. Ein Ball beendete das schöne Fest.
6. Juli
Die Stadtverordneten beschließen die Pflasterung der Fahrbahn in der Dübenerstraße und des westlichen Teils der Bismarckstraße sowie Umlegung der Bürgersteige in der Dübenerstraße. Die Zugangstraße zur Eisenbahnwerkstätte, Buddestraße, soll provisorisch ausgebaut werden, wie dies s. Z. dem Eisenbahnfiskus zugesichert wurde.
20. Juli
Die Eisenbahn Hauptwerkstätte wird bereits am 1. August ihren Betrieb eröffnen. Die an derselben beschäftigten Arbeiter und Beamten fahren bis auf weiteres mit einem neu eingelegten Arbeiterzug von Halle nach hier. Die Rückfahrt geschieht mit den fahrplanmäßigen Zügen.
13. August
Das zweite Gleis der Eisenbahnstrecke Halle-Eilenburg wird voraussichtlich im Oktober d. J. in Betrieb genommen werden.
14. August
Der Vorschußverein Delitzsch, E.G.m.b.H. unter Leitung von Dr. Schulze, hatte am 13. September 1907 die Umwandlung der Genossenschaft in eine solche mit beschränkter Haftung beschlossen. Die Umwandlung erfolgt am 1. Januar 1909 und führt die Genossenschaft von diesem Tage ab die Firma: "Delitzscher Vereinsbank, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht".
24. August
Der Seminar Direktor A. Bär in Eisenach ist zum Seminar Direktor in Delitzsch ernannt worden. Er wird die neue Stelle am 1. Oktober antreten.
29. August
Heute vor 100 Jahren hat einer der größten Söhne unserer Stadt, Dr. Hermann Schulze, hier das Licht der Welt erblickt. Dr. Hermann Schulze ist durch sein Tun und Wirken ein berühmter und geschätzter Sohn des Volkes geworden, auf den wir mit Recht stolz sein können. Er hat durch die Schöpfung des Genossenschaftswesens eine Tat vollbracht, deren segensreiche Folgen sich auf alle Kulturnationen erstreckten. Sein Werk ist zu einem wichtigen Bestandteil des sozialen internationalen Friedens geworden. Vor langen Wochen schon hatte sich hier ein Festausschuß gebildet, um diesen Tag würdig zu begehen. Die Gedenkfeier begann heute vormittag 11 ½ Uhr mit der Enthüllung einer von der Stadt gestifteten Gedenktafel am Geburtshaus von Schulze-Delitzsch Markt Nr. 11. Neben den Vertretern der Stadt, dem Ehren- und Festausschuß, sowie den in größerer Anzahl von auswärts eingetroffenen Gästen hatten sich zahlreiche Mitglieder der von Schulze gegründeten Vereine auf dem Markte eingefunden. Erster Bürgermeister Rampoldt hielt eine Ansprache. Am Schluß derselben fiel die Hülle der Tafel und es zeigte sich die in schwarzem Granit ausgeführte Tafel mit folgender Inschrift in eingegrabenen vergoldeten Lettern:
"Hier wurde Dr. Herm. Schulze-Delitzsch,
der Schöpfer der deutschen Genossenschaften
am 29. August 1808 geboren.
Gestiftet am 29. August 1908 von der Stadt Delitzsch."
Die Festversammlung begab sich sodann zum Schulze-Delitzsch Denkmal am Marienplatz. Nach mehreren Ansprachen wurden eine Reihe von Kränzen niedergelegt. Die größte Zahl der Festteilnehmer vereinigte dann ein Mittagessen in der Linde.
2. September
Ein interessanter Fund wurde vom Schüler Wittig im Lober an der verlängerten Loberstraße gemacht. Er fand dort ein gut erhaltenes Petschaft aus Messing mit Holzgriff, das den französischen Kaiseradler mit zwei Blitzstrahlen und der Unterschrift "Königreich Westph." eingraviert zeigt. Das amtliche Petschaft stammt also aus der Zeit des vom Bruder Napoleons, Jerome, vom 18. August 1807 bis 26. Okt. 1813 innegehabten Königreichs Westfalen. Es wurde dem Altersmuseum einverleibt.
8. September
Die Feier seines 60jährigen Fahnenjubiläums beging gestern der Turnverein Delitzsch. Die der Turnervereinigung angehörenden hiesigen Turnvereine und der Zschortauer Turnverein nahmen an dem Fest teil.
9. September
Der bekannte Romanschriftsteller Theodor Duimchen, ein Sohn unserer Stadt, hat sich Sonnabend in seiner Wohnung in Berlin, Eichhornstraße 10, erschossen. Sein Vater besaß eine Zigarrenfabrik am Markt im Schulze-Delitzsch Geburtshaus. Unglückliche Wirtschaft-, Familien- und pekuniäre Verhältnisse haben ihn zu dieser Verzweiflungstat geführt.
15. September
Gestern beging Stadtrat a. D. Schulze, der Kommandeur der hiesigen Feuerwehr seinen 70. Geburtstag. Neben den Glückwünschen der zahlreichen Bekannten und Freunde des beliebten Geburtstagskindes brachte die Feuerwehr ihrem Führer einen Fackelzug. Im Anschluß versammelten sich die Teilnehmer zu einem Kommers im "Bürgergarten".
24. September
Regierungs-Hauptkassenbuchhalter Kölsch aus Magdeburg ist zum Rentmeister ernannt und übernimmt vom 1. Oktober ab die Verwaltung der hiesigen Kreiskasse.
1. Oktober
Heute am 1. Oktober begeht der Bahnhofswirt W. Steindel sein 50jähriges Jubiläum als Bahnhofswirt, das besonders merkwürdig dadurch ist, daß er das Jubiläum gleichzeitig als Inhaber einer und derselben Bahnhofswirtschaft auf dem hiesigen Sorauer Bahnhof feiern kann. Gleichzeitig begeht heute die Zigarrenfabrik von Starckloff und Rathmann (Inhaber Paul Starckloff) ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum.
8. Oktober
Die Einwohnerzahl unserer Stadt, die lange Jahre fast die gleiche geblieben war, nimmt jetzt rasch zu. Am 1. Oktober wurde das zwölfte Tausend Einwohner überschritten.
10. Oktober
Seit dem 1. Oktober befindet sich die hiesige Eisenbahn Hauptwerkstätte in vollem Betrieb. Zu ihrer Verwaltung ist eine Königliche Eisenbahn-Werkstätten Inspektion gebildet, deren Leitung dem Eisenbahninspektor Krause übertragen ist.
23. November
Im besten Mannesalter von 41 ½ Jahren verschied am Sonnabend vor dem Totenfeste, abends ½ 9 Uhr der besonders durch sein Wirken für die Kriegervereinssache weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte und allseits beliebte Lehrer R. Wenke. Bei einem Vortrag traf ihn ein Herzschlag und er sank leblos in die Arme eines Arztes.
16. Dezember
Zum Rendanten der hiesigen Stadtsparkasse wird Rendant Uhde aus Elmshorn gewählt.
18. Dezember
In kurzer Zeit ereignete sich der zweite Fall, daß ein angesehener Bürger im besten Mannesalter unerwartet dem Tod entrissen wurde. Dr. med. Thieme starb gestern im benachbarten Zschortau, wohin er sich zu Fuß begeben hatte, um einen Krankenbesuch zu machen. Ein Herzschlag traf ihn auf der Straße.
19. Dezember
Das gestrige Konzert des Seminarchores unter Leitung seines Dirigenten, des Seminarmusiklehrers Emilius, hatte gestern abend wieder seine alte Anziehungskraft ausgeübt, sodaß der Saal des Schützenhauses bis auf den letzten Platz besetzt war, und die Darbietungen der Sänger rechtfertigten den Ruf der Seminarkonzerte in vollem Maße.
20. Dezember
Gestern früh kurz nach 6 Uhr erfolgte hier ein Erdstoß, der mit langanhaltendem donnerähnlichen Rollen verbunden war und an Stärke die früher beobachteten Stöße übertraf. Die Fenster klirrten in den Häusern, und viele Bewohner wurden aus dem Schlaf geweckt. Der Erdstoß wurde, nach den bis jetzt vorliegenden Meldungen, ebenfalls um 6 Uhr in Leipzig, Altenburg und Zeitz bemerkt.
1909
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am Anfang des Jahres 12214.
23 Januar
Dr. med. Kranz hat das Grundstück des verstorbenen Arztes Dr. Thieme in der Marienstraße für 53000 Mark käuflich erworben.
26. Januar
Musikdirektor Ille hat seine Musikschule an Herrn Preuß den bisherigen ersten Gehilfen des Stadtmusikdirektors Böttcher verkauft, der die Leitung schon in den nächsten Tagen übernehmen wird. Herr Ille wird seinen Wohnsitz in Leipzig nehmen.
27. Januar
Mit dem Bau von Familienhäusern für die Arbeiter der Eisenbahn Hauptwerkstätte wird im Frühjahr begonnen werden. Zunächst sind vier Zwölf-Familienhäuser in Aussicht genommen, zu denen die Erd- und Maurerarbeiten (einschließlich Eisen- und Kunststeinlieferung), Zimmerarbeiten, Klempner- sowie Dachdeckerarbeiten jetzt ausgeschrieben werden.
22. März
Der Gasthof "Stadt Leipzig" wurde vom bisherigen Besitzer Rentier Jakob an den früheren Bahnhofswirt in Brehna, Herrn Zschirg, für 82000 Mark verkauft. Die Übernahme der Wirtschaft erfolgt Anfang Mai.
3. April
Zum Rektor der hiesigen Mädchenvolksschule wurde vom Magistrat der Mittelschullehrer Burchhardt, bisher an der Franke'schen Stiftung in Halle, gewählt.
Gestern vormittag erfolgte seine feierliche Einführung durch Superintendent Schäfer im Beisein des 1. Bürgermeisters Rampoldt als Vertreter des Magistrats und in Anwesenheit des Seminardirektors Bär, der Rektoren und Lehrer der städtischen Schulen und der oberen Klassen der Mädchenvolksschule. Ferner wurde in sein Amt an der Mädchenvolksschule Lehrer Trebs an Stelle des verstorbenen Lehrers Wenke eingeführt.
6. April
Die Bismarckstraße ist nunmehr mit Linden bepflanzt und zählt jetzt mithin zu den schönsten Straßen unserer Stadt – vorausgesetzt, daß die zwei alten Scheunen wegkommen. Die Bewohner der Bismarckstraße klagen insbesondere darüber, daß nach Benutzung der Scheunen Stroh und Heu bei trockenem Wetter vom Winde die ganze Straße entlang getrieben wird, sodaß das Straßenkehren keinen Zweck hat und man sich aufs Dorf versetzt glaubt.
15. April
Die Oberrealschule begann heute ihr neues Schuljahr mit ungefähr 250 Schülern. Einige Anmeldungen liegen noch vor. In die Sexta wurden 30 Schüler neu aufgenommen. Mit dem 1. April wurde Dr. Müller nach Ableistung seines Probejahres als Oberlehrer angestellt. Anstelle des am 1. Oktober ausscheidenden Hilfslehrers Gräser wird Oberlehrer Dr. Schmiedeberg aus Velbert in das Lehrerkollegium eintreten.
16. April
Am heutigen Tag beging der Schuhmachermeister Herm. Leisegang in der Eilenburger Straße wohnhaft, sein 50jähriges Meisterjubiläum.
28. April
In eine Lohnbewegung sind die hiesigen Maurer, Zimmerer und Bauarbeiter wieder eingetreten. Dieselben fordern statt des bisherigen Stundenlohnes von 47 Pfennigen 52 Pfennige. Die Arbeitgeber wollen nur 49 Pfennige für dieses Jahr bewilligen, weshalb die Arbeiter heute früh die Arbeit niedergelegt haben. In einer heute nachmittag stattfindenden Versammlung der Arbeitnehmer im Baugewerbe soll Beschluß gefaßt werden, ob man sich mit einem Zuschlag von 3 Pfennigen für dieses Jahr begnügen will oder ob durch einen allgemeinen Streik die höhere Forderung erzwungen werden soll. Den Arbeitnehmern käme in diesem Falle die jetzt hier besonders rege Bautätigkeit zugute.
1. Mai
Der Bau einer längst geplanten neuen Schule wird, um die Raumnot völlig zu steuern, im Mai vor dem Halleschen Tore in der Luisenstraße begonnen und zwar diesmal unter Leitung der städtischen Hochbaudeputation. Maurermeister Nickau führt die Fundierungsarbeiten aus, Maurermeister Berger die sonstigen Maurerarbeiten. Die Zimmerarbeiten werden ausgeführt von Zimmermeister Laue, die Dachdeckerarbeiten von Dachdeckermeister Schöbel, die Klempnerarbeiten von der Firma Paul Heinrichs Witwe, die Tischlerarbeiten von den Tischlermeistern Tätzner, Brink, Schulze und Reinstein, Schlosserarbeiten von den Schlossermeistern Wandt und Mietzsch, die Rinnensteine liefert Firma Karl Teubner u. Co., die Granitstufen für die Treppen Steinsetzmeister Klepzig, die Holzfußböden (sog. deutschen Fußboden) Firma Otto Hetzer, Weimar, die Blitzableiteranlage Dachdeckermeister Uhlig. Die Baukosten betragen rund 110000 Mark, jedoch wird der Bau erst im nächsten Jahr beendet. Von weiteren städtischen Bauten des Jahres sind zu erwähnen: Verlängerung der Friedhofsmauer, Pflasterung in der Dübener Straße und Mauergasse, Kanalisation der Roon-, Luisen- und Maybachstraße, Bau eines Regenwasser-Notauslaufs von der Leipziger- durch die Holzstraße nach dem Stadtgraben und von der Dübener Straße über den Schützenplatz nach dem Lober. Auch werden die städtischen Anlagen bedeutend erweitert.
5. Mai
In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurde beschlossen, dem zwischen dem Gemeindekirchenrat und dem Magistrat festgesetzten Vergleichs-Entwurf über das Eigentumsverhältnis des alten Friedhofes zuzustimmen. Wenn auch dieser Vergleich noch die Genehmigung verschiedener Behörden bedarf, so kann doch in nicht zu langer Zeit der in den alleinigen Besitz der Stadt übergehende alte Friedhof verschönt und dem allgemeinen Verkehr zugänglich gemacht werden. Unsere Stadt wird dann um ein schönes Stück öffentlicher Anlagen in ihrer Mitte reicher sein.
22. Mai
Der Charakter als Justizrat ist dem Rechtsanwalt Dr. Schulze verliehen.
23. Mai
Das Gasthaus "Zum Bürgergarten" ist aus der Masse der Delitzscher Bierbrauerei A.G. in den Besitz des früheren Braumeisters jetzigen Privatmann Rudolph übergegangen. Doch hat die Delitzscher Aktienbierbrauerei A.G. dieses Etablissement nach kurzer Zeit von Herrn Rudolph wieder zurückgekauft.
2. Juni
Zeppelins Nordfahrt Graf Zeppelin wollte der Reichshauptstadt zum Pfingstfest die Überraschung bereiten, die er ihr längst zugedacht hatte. Er war am ersten Feiertag auf dem Wege nach Berlin. Leider war er gezwungen von Bitterfeld aus die Rückkehr anzutreten, da der Wind ungünstig wurde und die Gas- und Benzinvorräte zur Neige gingen.
10. Juni
In der Stadtverordneten-Sitzung am 8. Juni wurde beschlossen, Bürgersteige an der Südseite der Holzstraßenbrücke anzulegen, am Stadtgraben vor dem Leipziger Tore eine Hochbordanlage zu machen und den Gehweg zu regulieren und die Pflasterung der Mauergasse von der Leipziger Straße bis zur Badergasse.
1. Juli
Das Gasthaus "Zum Reichskanzler" ist für den Preis von 27000 Mark in den Besitz des Herrn Füssel, Bierverleger der Aktienbrauerei, übergegangen. Die Übernahme wird am 1. Oktober erfolgen.
8. Juli
Das Luftschiff "Parsevall III" überflog am Peter Paulstage auf der Hinfahrt in ca. 150 m Höhe, auf der Rückfahrt in ca. 300 m Höhe unsere Stadt. Das ist etwa 7mal so hoch als der Breite Turm, der bis zum Knopf 44 m misst. Die wenigsten Beobachter werden wohl richtig diese Höhe geschätzt haben, da das Luftschiff so deutlich erkennbar war. Auch über die Länge der Parsevall III machten sich die meisten Zuschauer falsche Vorstellungen. Sie beträgt 70 Meter bei 12 Meter Durchmesser.
6. August
Diakonus Jentzsch ist ohne seine Meldung und ohne Probepredigt zum Pastor der Schifferkirche in Charlottenburg gewählt worden und wird er sein nicht leichtes aber interessantes Amt dort bereits am 1. Oktober antreten.
8. August
Von weiteren städtischen Bauten des Jahres sind zu erwähnen: Verlängerung der Friedhofsmauer, Pflasterung der Dübener Straße, Kanalisation der Roon-, Luisen- und Maybachstraße, Bau eines Regenwasser-Notauslaufs von der Dübener Straße über den Schützenplatz nach dem Lober. Auch werden die städtischen Anlagen bedeutend erweitert.
29. August
Zeppelins Fahrt nach Berlin Die stolzen Hoffnungen, mit denen man die Fahrt von "Z III" von Friedrichshafen nach Bitterfeld und Berlin begleitet hat, sind erfüllt worden. Der langersehnte Wunsch unserer Einwohner "Z3" sehen zu können, erfüllte sich gestern morgen 6 Uhr. Der "Z3" kam von Leipzig her und fuhr in geringer Höhe direkt über unsere Stadt in der Richtung auf Bitterfeld zu. Als die baldige Ankunft des "Z3" unsern Einwohnern gemeldet wurde, konnte man allen, die sich entweder auf den Straßen oder Häusern postiert hatten, ansehen, welche Unruhe sich ihnen bemächtigte, um nur erst das lang Erwartete zu sehen. Es war ein großartiger Anblick, wie der majestätische Koloß sein Recht in den Lüften behauptete und seinem Führer auf jede Steuerung hin gehorchte. Wünschen wir ihm noch gute Fahrt bis zu seinem Ziele, damit der greise Erfinder seine Meldung bei seinem kaiserlichen Herrn mehr machen kann.
2. September
"Zeppelin III" hat auf der Rückfahrt nach Friedrichshafen heute früh 2.45 unsere Stadt in der Richtung nach Leipzig noch einmal überflogen. Trotz der Nacht haben das Luftschiff in der mondhellen Nacht, durch das gewaltige Geräusch aufmerksam gemacht, wieder eine ganze Anzahl Bewohner unserer Stadt gesehen. Zur Erinnerung an die zweimalige Überfliegung unserer Stadt durch "Z III", um die uns so viele Städte im Reiche beneiden und zur Ehrung des beliebtesten deutschen Mannes, hat der Magistrat beschlossen, die neue Straße A (eine Parallelstraße zur Bitterfelder Straße auf dem Gelände des Eisenbahn-Vereins) "Zeppelinstraße" zu benennen.
15. September
Durch ein von dem in diesem Jahre verstorbenen Fräulein Gutheil hinterlassenes Vermächtnis von 30000 Mark wird der schon länger geplante Bau eines Siechenhauses ermöglicht. Die städtischen Körperschaften stellen dazu 76,32 ar Bauland vor dem Halleschen Tor (hinter dem Hospitalgarten) kostenfrei zur Verfügung.
16. September
Der hiesige Magistrat hat dem Grafen Zeppelin Mitteilung von der Benennung einer Straße nach ihm gemacht, worauf folgendes Dankschreiben eingelaufen ist: Friedrichshafen, 9. September 1909 An den hohen Magistrat der Stadt Delitzsch. Durch die mir mit Schreiben J. Nr. 1410 mitgeteilte Absicht des hohen Magistrats, zur Erinnerung an den Flug des Z III über Delitzsch, sowie aus Anlaß meiner persönlichen Durchfahrt durch Ihre Stadt einer neuen in der Richtung auf Leipzig-Bitterfeld verlaufenden Straße meinen Namen beizulegen, fühle ich mich außerordentlich geehrt, und ich bitte meinen wärmsten und ergebensten Dank für diese hohe Auszeichnung entgegen nehmen zu wollen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
gez. G. von Zeppelin
22. September
An Stelle des am 1. Oktober als Schiffer Pastor nach Charlottenburg gehenden Diakonus Jentzsch wurde Pastor Ruhmer aus Marinsroda bei Illmenau, ein geborener Delitzscher, auf Grund seiner am 5. September gehaltenen Gastpredigt vom Magistrat zum Diakonus gewählt.
25. September
Die auf dem Gelände des Eisenbahn-Bauvereins belegenen Straßen Kl., C und D haben die Bezeichnungen "Seydelstraße", "Maybachstraße" und "Breitenbachstraße" nach den früheren Eisenbahnministern gleichen Namens erhalten. Die neue Straße N. (Parallelstraße zur Bismarckstraße) führt jetzt die Bezeichnung "Roonstraße".
2. Oktober
Gestern am 1. Oktober feierte das hiesige Lehrerseminar den 25jährigen Gedenktag der Einweihung des Seminargebäudes. Zu einer Feier vereinigten sich gestern abend im Schützenhause Seminar, Präparande und etwa 100 frühere Schüler. Eingeleitet wurde die Feier durch das Trio Nr. 6 von Haydn, von Seminaristen vortrefflich vorgetragen. Dann hielt Seminardirektor Bär die Festrede. Dann sprachen noch Seminarlehrer Schroeter und Seminaroberlehrer Rosenthal. Im Namen der ehemaligen Schüler dankte Lehrer Petzold für die Einladung und wünschte dem Seminar ferneres Gedeihen. Zwischen den einzelnen Rednern erfreute der Seminarchor die Zuhörer unter Leitung von Seminarmusiklehrer Emilius durch musikalische Gesangsvorträge und erntete reichen Beifall.
5. Oktober
Die Einwohnerzahl unserer Stadt hat sich im Laufe des Jahres bedeutend vermehrt. Am Anfang des Jahres betrug die Einwohnerzahl 12204, am 30. September d. J. 12850. Das ist eine Zunahme von fast 650 Personen in drei Vierteljahren.
11. Oktober
Gestern fand in unserer Stadt ein Familientag der Familie Securius statt, der Nachkommen des früheren Bürgermeisters Securius, nach dem die Securiusstraße am Stadtpark ihren Namen führt. Securius war im Anfang des vorigen Jahrhunderts mehrere Jahre hier als Bürgermeister und verstand durch weise Sparsamkeit die der Stadt erwachsenen Kriegsschulden zu mildern. Auch wurde unter seiner Amtsführung die städtische Sparkasse, als eine der ersten in der Provinz, gegründet. Leider war Oberbürgermeister Securius, Cüstrin, der vor einigen Jahren hier Beigeordneter war, in der letzten Minute am Erscheinen verhindert.
6. November
Die Einwohnerzahl unserer Stadt ist weiter im Steigen begriffen. Sie betrug, wie bereits registriert, am 30. September 12850. Bis Ende Oktober ist eine weitere Zunahme zu verzeichnen. Die Einwohnerzahl beträgt am 31. Oktober 13310.
10. November
Heute vor 150 Jahren am 10. November 1759 wurde Friedrich von Schiller, der Sänger des wahrhaft Schönen und Edlen in dem württembergischen Städtchen Marbach geboren. Heute gedenkt des großen Toten mit uns jeder Deutsche, denn welchem Deutschen ginge beim Klange seines Namens nicht das Herz auf. Der 150. Geburtstag Friedrich von Schillers wurde in den städtischen Schulen durch die Klassenfeiern begangen, wobei die Lehrer der Bedeutung des Tages gedachten und in kurzen Ansprachen den Lebensgang Friedrich von Schillers schilderten. Eine besonders würdige Schillerfeier beging das Lehrerseminar im Schützenhause, zu der zahlreiche Einladungen ergangen waren. Die stimmungsvolle Feier bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil umfaßte musikalisch-deklamatorische Darbietungen, der zweite die Aufführung von "Wallensteins Lager". Der Winter war im Januar und Februar sehr streng. Plötzliches Tauwetter im Februar, verbunden mit heftigen Regengüssen verursachte große Überschwemmungen. Im März kam dann nochmals starker Schneefall, wodurch der erste Satz Hafer vernichtet wurde. Das Wetter im Laufe der übrigen Zeit des Jahres war für die Getreideernte und Honigernte sehr günstig.