Handschriftliche Chronik von 1816-1952 - 1900-1902

Beitragsseiten

1900

Stadtmusikdirektor Böttcher wird jeden Sonn- und Feiertag in der Stadt eine Platzmusik geben. Zeit und Ort wird rechtzeitig durch die Stadtzeitung bekannt gegeben. Die Einwohnerzahl von Delitzsch betrug am 30. Dezember des Vorjahres 10233.

4. Februar
An den Bestrebungen, Museen für heimatliche Altertümer zu errichten, nahmen auch kleinere Städte teil. In Torgau bildete sich schon 1873 ein Verein, der sichs zur Aufgabe stellte, "die Aufklärung der historischen Entwicklung der Stadt und des ehemaligen kursächsischen Amtes Torgau" durch Gründung eines Museums zu fördern. In unserer Nachbarstadt Bitterfeld ist seit dem Jahre 1876 auf dem Gebiete der Geschichtspflege von Stadt und Kreis Bitterfeld ein Delitzscher Stadtkind ungemein tätig, nämlich Kirchenrendant Obst. Als im Jahre 1894 der Delitzscher Gewerbeverein seinen Sommerausflug nach Bitterfeld unternahm, wurde auch dem Obst'schen Museum ein Besuch abgestattet. Bei dieser Gelegenheit entstand in den Besuchern der lebhafte Wunsch, daß auch in unserem Delitzsch ein Museum entstehen möchte. Für diese Idee traten besonders zwei Mitglieder des Gewerbevereins ein, Rechtsanwalt Dr. Schulze und Lehrer Oskar Reime. Letztgenannter suchte gleich nach dem Bitterfelder Ausflug den Gewerbeverein durch ein an denselben gerichtetes Schreiben zu veranlassen, die Museumsgründung in die Hand zu nehmen. In ähnlichem Sinne wirkte Rechtsanwalt Dr. Schulze. Es wurde gesammelt, und es kamen wertvolle historische und heimatkundliche Schätze zusammen. Doch Jahre mußten noch vergehen, ehe die Angelegenheit recht in Fluß kam. Es handelte sich vor allem um die Frage, wo die Altertümer unterbringen? Es wurden wohl Räume vorgeschlagen, doch sie eigneten sich nicht zur Unterbringung eines Museums. Da kam ein Lichtblick in diese Angelegenheit. Durch den Auszug der Bürger Mädchenschule in der Schulstraße wurden die unteren Räume des Schulgebäudes verfügbar. Auf Antrag des Gewerbevereins an den Magistrat wurden demselben bereitwilligst die beiden unteren Schulräume in der Schulstraße zu Museumszwecken überlassen. Die gesammelten Schätze wurden nun in die neuen Räume gebracht; neue kamen hinzu. Der Eröffnung des Museums stand nun bald nichts mehr im Wege. Lehrer Reime erhielt den ehrenvollen Auftrag die ersten Schritte zur Ausführung der geplanten Gründung zu tun. Diese Schritte hatten nun den gewünschten Erfolg. Zunächst wurde die Bildung eines Museumsvereins ins Werk gesetzt und Superintendent Schäfer zum Vorsitzenden gewählt. Zum Vorstand gehörten noch die Herren: Rechtsanwalt Dr. Schulze, Lehrer Reime, Magistrats-Assessor Freyberg, Apotheker Peißker und Färbermeister Thiele. Eine an die Bürgerschaft gerichtete Einladung dem Museumsverein beizutreten, war von gutem Erfolg, die Namen von 78 Mitgliedern konnten in das Vereinsregister eingetragen werden. Das geschah im Mai 1899.

Unterdessen flossen die Gaben fürs Museum weiter reichlich. Jetzt galt es, alle diese Sachen zu ordnen, zu gruppieren und aufzustellen. Das war keine leichte Arbeit. Der strenge Winter zwang die Einstellung der Arbeit. Bei Nachlaß der Winterkälte wurde die Tätigkeit sogleich wieder aufgenommen, um die Einrichtung ihrer Vollendung entgegenzuführen. Am 4. Februar nun fand die feierliche Eröffnung des Museums durch den Vorsitzenden des Museumsvereins Superintendent Schäfer im Beisein des Magistrats und der Stadtverordneten sowie einer Anzahl Bürger in einer längeren Eröffnungsansprache statt. Der Redner gedachte dabei mit besonderer Anerkennung des Lehrers Reime, der eigentlich die treibende Kraft des Ganzen sei, sich unendlich Mühe um die Sache gegeben und es verstanden habe, zahlreiche wertvolle Gegenstände aufzufinden und dem Museum zuzuführen. Redner beschloß mit den Worten: "Möge das so vortrefflich gelungene Werk sich weiter kräftig entwickeln und bestens gedeihen." Nach der Eröffnung sprachen dann noch Bürgermeister Rampoldt sowie der Stadtälteste Magistrats-Assessor a. D. Troitzsch im Namen des Gewerbevereins. Hierauf wurden die ausgestellten Altertumsgegenstände einer Besichtigung unterzogen.

9. Februar
In den hiesigen Gastlokalen treten demnächst zwei Besitzveränderungen ein. Den Gasthof "zum Preußischen Hof" hat Herr Schöne aus Behlitz, die "Kulmbacher Bierhalle" Herr Ziegler aus Zwochau erworben.

17. Februar
Heute mittag kurz vor 12 Uhr erschoß sich der Besitzer des "Eisernen Kreuzes" Fritz Merkwitz. Derselbe war – angeblich um einen anderen Kragen umzubinden – nach oben gegangen, und als seine Frau kurz darauf, um ihn zu Tisch zu rufen, das Zimmer betrat, lag er entseelt auf dem Fußboden. Angehörige wie Freunde stehen hier vor einem vollständigen Rätsel.

28. Februar
Die hiesige Stadtbrauerei des Herrn H. Jakob ist in Besitz des Braumeisters Uhlemann von Zwenkau übergegangen, welcher das Unternehmen in bisheriger bewährt vorzüglicher Weise weiter führen wird. Die Übergabe erfolgt am 1. April. Ferner ist ein weiterer Besitzwechsel zu verzeichnen, den Verkauf des Gasthofes "Zum Eisernen Kreuz" (bisheriger Besitzer Fritz Merkwitz) an Ziegler von Schladitz bei Zwochau. Der Kaufpreis letzteren Grundstücks beträgt 65000,- Mark. Die Übernahme erfolgt am 14. März. Am 1. April wird Polizei Sekretär Stephany als Polizei-Kommissar hierselbst angestellt.

12. März
Der Magistrat beabsichtigt, unser Schmerzenskind, die Badeanstalt, zu verpachten.

6. April
Auf der Leipziger Fahrradmesse erregt das zerlegbare patentamtlich geschützte Fahrrad Nowa Nr. 15 des Fahrradfabrikanten W. Schröter von hier bei allen Interessenten und Fachleuten der Fahrradbranche allgemeines Interessen. Jetzt ist dem Fabrikanten Herrn Schröter der ehrenvolle Auftrag geworden, einige derartige Räder dem Preuß. Kriegsministerium zur Erprobung zu überlassen. Der Magistrat beschließt die Erbauung einer Kleiderhalle auf dem Badeteiche der Elbritzmühle.

25. April
Die Bankfirma Paul Schauseil u. Co., Halle a.S. und Bitterfeld, die eine Comandite der Anhalt-Dessau'schen Landesbank Dessau ist, errichtet am 1. Mai am hiesigen Platze eine Zweigniederlassung. Die Geschäftsräume werden sich in dem Hennig'schen Hause, Hallesche Str. 11, befinden. Robert Hennig gibt den Betrieb seines Bankgeschäftes auf und zieht sich ins Privatleben zurück.

15. Juni
Der Minister des Innern hat verfügt, daß dem Vorsitzenden des preußischen Feuerwehr-Verbandes Bankdirektor Schulze in Delitzsch 1000 Mark als Beihilfe zum Besuche, der im August in Paris stattfindenden Spezial-Ausstellung von Feuerlösch-Gegenständen bewilligt werden. Schulze wird in Begleitung eines Technikers nach Paris reisen.

26. Juli
Die in flottem Betrieb sich befindende Fleischerei des Louis Barth in der Halleschen Straße ist in den Besitz des Fleischermeisters Essigke von Bitterfeld übergegangen.

1. August
Zum Nachfolger des am 1. Oktober d. J. in den Ruhestand tretenden langjährigen Rendanten der Kreis-Spar- und Kreis-Kommunal-Kasse Beyer wählte der Kreisausschuss von den 149 Bewerbern den Stadt-Sparkassen-Rendant Schmidt in Quedlinburg.

6. August
Heute beging der von Dr. Hermann Schulze gegründete Vorschußverein die Feier seines 50jährigen Bestehens. Verbunden war damit die Tagung des Unterverbandes der Vorschuß-Vereine der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt. Die Tagung wird auch morgen am 7. August fortgesetzt. Die Stadt hatte aus diesem Grunde am heutigen ersten Festtage reichen Flaggenschmuck angelegt und unser prächtiges Schulze-Delitzsch Denkmal prangt im bunten Schmuck.

1. Oktober
Der Vorschußverein zu Delitzsch hatte seine Mitglieder für letzten Sonnabend den 29. September zu einer außerordentlichen Generalversammlung berufen, um seinen Vorstand zu ergänzen, welcher durch das Ableben des Kassierers Hühnel eine nennenswerte Lücke erhalten hatte. Es wurde der seitherige Kontrolleur Kaufmann Kühlhorn gewählt und die dadurch freigewordene Kontrolleurstelle Goldarbeiter Brembach übertragen. Der Stadtälteste Troitzsch welcher mit Recht neben dem Vater der Genossenschaften, unserm berühmten Landsmann Schulze-Delitzsch, die Mutter der Genossenschaften genannt wird, da er im Verein mit Schulze-Delitzsch tatsächlich das Kindlein zu einem starken, lebensfähigen Wesen erziehen half und als langjähriger Direktor im Verein wirkte, wird am 31. Dezember d. J. sein Amt niederlegen, um der wohlverdienten Ruhe zu pflegen.

7. November
Gestern feierte der evangelisch-kirchliche Hilfsverein für die Provinz Sachsen hierorts sein Jahresfest. Es waren zu demselben namhafte Persönlichkeiten der Provinz erschienen. Neben dem Regierungspräsidenten waren gegenwärtig Graf Hohenthal-Dölkau, Graf Alvensleben, Stadtrat Hauswaldt, Oberpfarrer Medem für den Reg.Bz. Magdeburg, Frl. v. Bodenhausen – Lebusa, P. Dr. Schmidt, Graf Wintzingerode für Merseburg, Senior Dr. Börwinkel für Erfurt. In unserer prächtigen Stadtkirche hielt die Festpredigt der bekannte Kanzelredner Hofprediger a. D. Stöcker vor einer großen andächtigen Versammlung.

11. Dezember
Das Wachstum unserer Stadt veranschaulicht folgende Zusammenstellung der Volkszählungs-Ergebnisse innerhalb der letzten 30 Jahre; 1871: 8112 Einwohner; 1875: 8228; 1880: 8225; 1885: 8342; 1890: 8949; 1895: 9560; 1900: 10485. Die Zunahme beträgt also in 30 Jahren 29%. Schon seit einiger Zeit beschäftigen sich die Stadtverordneten mit dem Gedanken, aus dem Wedel'schen Vermächtnis eine Friedhofskapelle zu errichten. Nachdem einige Mitglieder der hierfür eingesetzten Kommission sich verschiedene derartige Kapellen in den Nachbarstädten angesehen haben, soll ein Entwurf eingefordert werden, welcher in dem Stil eines Kuppelbaus gehalten ist.



1901

7. Januar
Am 5. Januar feierte Realschullehrer Theodor Berger sein 50jähriges Amtsjubiläum. Er wurde allseitig geehrt und erhielt zahlreiche Glückwünsche und Geschenke. An der Spitze der Deputation des Lehrerkollegiums sprach Direktor Dr. Wahle die Glückwünsche des Kollegiums aus. Die alten Schüler gratulierten durch Feuer-Sozietäts-Inspektor Walter. Ferner war für die jetzigen Schüler eine Deputation aus Sekunda erschienen. Den Glanzpunkt des Festes bildete das vom Lehrerkollegium in Gemeinschaft mit den alten Schülern arangierte Festessen dem auch eine Magistrats Abordnung, die Herren Bürgermeister Rampoldt und Assessoren Freyberg und Securius, beiwohnte. Im prächtig geschmückten Schwan-Saale hatten sich ca. 60 Festgäste versammelt. In vielen Reden wurde hier der Jubilar gefeiert. Für den Gefeierten dankte dann sein Sohn Bürgermeister Dr. Berger für die vielen Beweise der Anerkennung, Verehrung und Liebe.

10. Januar
Am Anfang des Jahres beträgt die Einwohnerzahl der Stadt 10485.

19. Januar
Die 200jährige Jubelfeier der Erhebung Preußens zum Königreiche wurde von unserer Stadt und ihren Bewohnern überaus festlich begangen. Dem reichen Fahnen- und Flaggenschmuck reihte sich am Abend eine geradezu glänzende Illumination an, die sich nicht nur auf den Markt und die Hauptstraßen, sondern bis in die entferntesten Gassen erstreckte. Den Glanzpunkt des ganzen Festes aber bildete der Zapfenstreich und Fackelzug der vereinigten Kriegervereine mit dem anschließenden Kommers in "Stadt Leipzig". Der prachtvoll geschmückte Saal war Kopf an Kopf gefüllt. Hauptmann Dr. Kunze eröffnete den Kommers mit einer Begrüßung der Gäste. Superintendent Schäfer hielt eine hochinteressante Festrede, Archidiakonus Kümmel toastete auf Preußens und Deutschlands Herr, Seminar-Oberlehrer Rosenthal auf unsere Frauen. Mit den Reden und Toasten wechselten vom Stadtmusikchor vorgetragene ausgewählte Musikstücke und patriotische Gesänge des Delitzscher Quartetts unter Leitung von Lehrer Reime ab.

1. Februar
Der östlich der Berliner Bahnstrecke entlang führende Weg erhält den Namen "Berliner Straße" und der östlich von der Wiesenstraße abzweigende Weg nach der Elbritzmühle zu den Namen "Blumenstraße".

12. Februar
Der Oekonom Gutheil teilt dem Magistrat mit, daß er aus Anlaß seines 80. Geburtstages beschlossen habe, der Stadt eine Stiftung von 10000 Mark nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 31. Juli 1900 zu überweisen, deren Zinsen alljährlich an 12 bis 16 unverschuldet in Not geratene Einwohner zur Verteilung gelangen sollen. Der Magistrat nimmt die Stiftung mit Dank an und beschließt sie "Karl Gutheil Stiftung" zu nennen.

28. Februar
Zu einer Aussprache über die künftige Gestalt unserer Realschule fand gestern im "Schwan" eine Versammlung unter Vorsitz von Bürgermeister Rampoldt statt, zu welcher sich eine größere Anzahl Herren, teils als Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung, teils als Väter jetziger und heranwachsender Schüler eingefunden hatten. Der Direktor der Realschule Dr. Wahle hielt einen längeren Vortrag über die verschiedenen Schulformen und zeigte schließlich welche Schulart sich für Delitzsch am besten eignet. Nach einer Aussprache erklärte sich die Versammlung nahezu einstimmig dahin, die Realschule als solche beizubehalten, den jetzigen lateinischen Nebenkursus aufzuheben und von der Mittelstufe also von U III ab einen Nebenkursus für Gymnasialfächer einzurichten. Der Vortrag hat zur Klärung der Angelegenheit ganz wesentlich beigetragen.

30. März
Am 1. April tritt das Gesetz, betreffend die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits-Kommissionen in Kraft. Als Kreisarzt für den Kreis Delitzsch ist der bisherige Kreis-Physikus Dr. Busolt in Delitzsch ausersehen.

20. April
Einen interessanten Fund machten gestern nachmittag einige Frauen beim Graben im Garten des Rechtsanwalts Klang, indem sie einen Topf mit Silbermünzen ausgruben. Leider zerfiel das Gefäß beim Ausgraben. Das Geld, das aus dem 17. Jahrhundert stammt, nahm Rechtsanwalt Klang in Verwahrung.

12. Juni
Mit dem 1. Oktober d. J. tritt der Senior der hiesigen Lehrerschaft, Herr Diedicke, Lehrer an der Bürger-Mädchenschule und Kantor und Organist an der Gottesackerkirche, in den wohlverdienten Ruhestand. Seine kirchlichen Ämter sind vom Gemeindekirchenrat und vom Magistrat Lehrer Reime von hier übertragen worden.

20. Juni
Die Vorarbeiten zum Bau der Kleinbahn Krensitz-Krostitz sind jetzt so weit gediehen, daß bereits anfang Juli nach der Heuernte, mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Dieselben sollen so beschleunigt werden, daß mit der Teilstrecke Krensitz-Krostitz im Herbst, mit Beginn der Rübenlieferungen, der Güterverkehr eröffnet werden kann. Die Arbeiten zur Weiterführung der Bahn von Krostitz nach Rackwitz sollen spätestens im nächsten Frühjahr in Angriff genommen werden.

24. Juni
Gestern und vorgestern feierte der Turnverein "Vorwärts" das. 5. Gauturnfest der Delitzscher Turner-Vereinigung in den Räumen der "Stadt Leipzig". Das Fest begann am Sonnabend mit einem Festkommers, bestehend aus Konzert und turnerischen Aufführungen. Alle Aufführungen gelangen vorzüglich und stellten den Turnern und ihren Leitern ein glänzendes Zeugnis aus. Der Abend wurde durch eine Begrüßungsansprache des Ehrenmitglieds des "Vorwärts" Fabrikant Schimpf eröffnet. Der musikalische Teil lag in Händen des Stadtmusikdirektor Böttcher, der nicht minder wie der Gesangverein "Arion" reichen Beifall erntete. – Der eigentliche Festtag wurde mit Reveille und Empfang der Gäste eingeleitet. Um 9 Uhr begann das hochinteressante Wetturnen. Der Festzug am Nachmittag war bei der glühenden Hitze und dem Staube eine schwere Aufgabe. Im Festlokal hielt dann der Vorsitzende des hiesigen Männer-Turnvereins Gauvorsitzender Richter die Festrede, welcher Freiübungen Gaus auf dem Spielplatze der benachbarten Mädchenschule folgten. Ein Ball bildete den Schluß des in allen Teilen wohl gelungenen Festes.

4. Juli
Die "Zerbster Extrapost" schreibt: Der beim Wettbewerb für Entwürfe zum Kreishausbau mit dem 3. Preise ausgezeichnete Architekt Gentschel – Hannover ist geborener Delitzscher. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß der Prämierte, der später bei einigen namhaften Architekten in Hannover sich weiterbildete und keine technische Hochschule besuchte, es in seinem Berufe so weit gebracht hat, daß er die Konkurrenz mit bedeutenden Architekten aufnehmen kann und noch dazu Sieger bleibt.

1. August
Mit dem heutigen Tage ist Werners Restaurant und Kaffee Markt 1 in die Hände von Karl Maul übergegangen.

6. August
Am 5. August verstarb auf Schloß Friedrichshof die Kaiserin und Königin, die Mutter des Kaisers Wilhelm II. Es wurde eine Landestrauer von 6 Wochen angeordnet. Öffentliche Musik, Lustbarkeiten und Schauspiel-Vorstellungen sind bis zum Ablauf des Tages der Beisetzungsfeier einzustellen. Für die höheren Zivilbeamten in Zivil wie Uniform sind besondere Anordnungen über Trauerkleidung während der Trauerzeit ergangen. Die übrigen Zivilbeamten trauern mit einem Flor um den linken Oberarm. In sämtlichen Kirchen Preußens werden 14 Tage lang mittags von 12 bis 1 Uhr die Glocken geläutet.

13. August
Durch Ortsstatut vom 30. Juli und dem heutigen Tage erhalten die Magistratsmitglieder den Namen "Stadtrat". Der Gerberplan und die Dübener Straße werden mit Bürgersteigen versehen. Beigeordneter Securius ist in Küstrin zum 2. Bürgermeister dortselbst gewählt worden. Er tritt sein neues Amt am 1. Oktober an.

5. September
Die Ortschaften zwischen Delitzsch und Schkeuditz ersehnen schon lange eine Bahnverbindung. Lange Jahre wurde der Bau einer elektrischen Bahnverbindung von Halle nach Leipzig, die diese Orte verbinden sollte, erwogen. Nun ist dieses Projekt fallen gelassen worden und ein neues Projekt beschäftigt die Öffentlichkeit besonders in den Städten Delitzsch und Schkeuditz, und doch würde diese Verbindung den dazwischen liegenden Ortschaften großen Nutzen bringen. Vorläufig jedoch stehn die maßgebenden Personen dieser Ortschaften dem neuen Projekt noch recht zögernd gegenüber.

17. September
Das schlechte Pflaster um die Stadtkirche herum ist schon lange ein Ärgernis der Kirchgänger. In einer Eingabe bittet der Gemeindekirchenrat die Stadtvertretung um Abhilfe. Auf Vorschlag des Stadtbaumeisters Kessel soll die Pflasterung eines Fußweges mit Mosaiksteinen geschehen. Die Neuherstellung wird einstimmig angenommen.

24. Oktober
Stadtrat Securius ist von der Regierung als 2. Bürgermeister von Küstrin bestätigt worden und verläßt Delitzsch in den nächsten Tagen. Die Wahl eines Nachfolgers wird in Kürze vorgenommen werden.

28. Oktober
Der Schuhmachermeister Adolf Geißler feierte gestern sein goldenes Meister-Jubiläum. Die Innung ließ ihm ein Ständchen bringen und sandte dem Jubilar eine Deputation zur Überbringung ihrer Glückwünsche.

8. November
Heute nachmittag gegen 2 Uhr stürzte Klempnermeister Paul Heinrich so unglücklich vom Dache des Schuhmachermeisters Kunze'schen Hauses am Breiten Turm, daß er mit dem Kopf auf den Brunnen fiel und sofort tot blieb. Heinrich war in allen Kreisen der Bevölkerung gleich beliebt.

12. November
Die Gesellschaft "Glocke" hierselbst feierte am Sonntag in den Räumen des Hotels zum Schwan ihr 50jähriges Stiftungsfest, welches nach jeder Seite hin als wohlgelungen zu bezeichnen ist. Mit sichtlicher Freude nahmen alle Mitglieder der Gesellschaft das seltene Vorkommnis auf, daß 3 Mitglieder das goldene Jubelfest der Glocke mitfeiern konnten, welche bei der Gründung derselben Mitglieder waren. Es sind dies Uhrmacher Kunze, Frau Pabst (Mutter des Rentier Bruno Pabst) und Kaufmann Bier. Sie wurden durch verschiedene Auszeichnungen geehrt.

3. Dezember
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 3. November 10752. In der Zeit vom 4. November bis 1. Dezember sind zugezogen 136, geboren 31, zusammen 167; verzogen 102, gestorben 11, zusammen 113. Somit bleibt eine Einwohnerzahl am 1. Dezember von 10806 Seelen. Am 3. Dezember erhält der vordem Südostplatz genannte Platz am Südausgange der Wiesenstraße den Namen Elberitzplatz.
16. Dezember
Am 12. Dezember haben die am hiesigen Orte beim Landratsamt, Magistrat und den Rechtsanwälten beschäftigten Bureaubeamten einen Verein unter dem Namen "Delitzscher-Bureau-Beamten-Verein" gegründet. Den Vorsitz des Vereins führt der Strafanstaltskanzlist Reuter. Als Versammlungslokal ist die Kulmbacher Bierhalle gewählt worden.



1902

2. Januar
Nach Schluß der am 31. Dezember v. J. stattgefundenen Stadtverordnetensitzung sprach Bürgermeister Rampoldt dem ausscheidenden Stadtrat Rose in warmen Worten den Dank der Stadt für seine langjährigen treuen und gewissenhaften Dienste als unbesoldetes Magistratsmitglied aus, worauf sich Herr Rose von den Herren des Magistrats mit Dankesworten verabschiedete.

14. Januar
Die Zuckerfabrik zu Delitzsch hat die bisher betriebene Rübensamenzucht aufgegeben und alle Vorräte an Mutterrüben-Stecklingen und Mutterrübensamen, Elitesamen aller Art einer dort neugebildeten Gesellschaft übertragen, die sich "Delitzscher Rübensamenzucht, E.G.m.b.H." nennt. Das Grundkapital beträgt zunächst 210000 Mark. In der in Berlin abgehaltenen Versammlung wurden zu Geschäftsführern gewählt Direktor Dr. Kunze – Delitzsch, Direktor Dr. Brückner – Stralsund, Direktor Dr. Preißler – Linden und Landwirt Rockstroh – Döbernitz. Der Zweck des Unternehmens ist, die bisher sorgfältig gezüchtete Delitzscher Rübe auch weiterhin auf ihrer Höhe zu erhalten, und so zu vervollkommnen, daß sie es jederzeit allen seinen Züchtungen aufnehmen kann.

15. Januar
Die Einwohnerzahl unserer Stadt betrug am 5. Januar 10736.

4. Februar
Ein musikalisches Ereignis war die gestrige Aufführung des Mendelsohn'schen Oratoriums "Paulus" in unserer Stadtkirche vom Männergesangverein Delitzsch mit nur einheimischen Kräften. Die Leitung hatte Rendant Otto. Die Solopartien lagen in besten Händen, die Tenorpartie hatte Pastor Graul – Werbelin, das Baßsolo Kantor Platen – Eilenburg, die Sopranpartie sang Fräulein Aßmann, das kleine Altsolo Frau Rendant Otto. Der Männergesangverein hat mit der Aufführung des herrlichen Oratoriums den Zuhörern einen Genuß bereitet, der noch lange nachklingen wird.

6. Februar
In der gestrigen Stadtverordneten Versammlung stellte der Magistrat den Antrag, dem am 31. Dezember v. J. in den Ruhestand getretenen langjährigen Stadtrat Rose das Prädikat "Stadtältester" zu verleihen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

20. Februar
Pastor Kopp in Wohlau ist zum 1. April als Pastor an die hiesige Strafanstalt berufen worden.

8. März
Nachdem seit einiger Zeit über Herstellung einer Wagenverbindung von Löbnitz nach Delitzsch verhandelt worden ist, entschieden sich die Beteiligten in einem vom Landrat von Busse abgehaltenen Termin dahin, von dem chausseemäßigen Ausbau der Wege nach Reibitz und nach Poßdorf abzusehen, dagegen den Weg über Seelhausen – Laue auszubauen. Beteiligt sind die Gemeinden und die Rittergüter Löbnitz, ferner Döbern, Seelhausen, Gutsbezirk Neuhaus und Zweckverband Laue. Sausedlitz baut den Weg in der Richtung auf Paupitzsch, um Aufschluß nach Delitzsch und Bitterfeld zu erreichen.

15. März
In der gestern stattgefundenen Stadtverordnetenversammlung wurde der Beschluß gefaßt für die Stadt eine Wasserleitung zu errichten. Zu diesem Zwecke sollen im Norden hinter der Stadt auf dem Hospitalfelde östlich der Bitterfelder Chaussee drei Brunnen sowie ein Maschinenhaus für das Pumpwerk, eine Wohnung für den Wärter etc. angelegt werden. Auf der Südseite der Stadt also, in der entgegengesetzten Richtung, soll auf dem hochgelegenen Zanderschen Mühlplatze hinter der Sorau-Halleschen Bahnstrecke ein Wasserturm mit einem 30 m hoch anzulegenden 300 cbm wasserfassenden Sammelbecken errichtet werden. Letzteres wird durch ein 225 mm starkes Rohr mit dem Pumpwerk verbunden. Daran anschließend erhält die Stadt ein strahlenförmiges Rohrnetz. Die Kosten der gesamten Anlage werden mit 430000 Mark veranschlagt.

25. März
Die Regierung hat ihre Genehmigung erteilt, daß die beiden hiesigen Apotheken Sonntags von nachmittags 3 Uhr ab abwechselnd geschlossen werden.

26. März
In der heutigen Sitzung der Stadtverordneten fand die Einführung des neugewählten 2. Bürgermeisters Putz aus Brotterode durch Bürgermeister Rampoldt statt.

1. April
Heute vor 25 Jahren machte Kaufmann Bruno Beyer, Markt 2 sich selbständig und eröffnete in dem Robitz'schen Hause Markt 17 eine Seiden-, Mode- und Leinenwaren-Handlung. Aus bescheidenen Anfängen heraus ist es Bruno Beyer gelungen, durch rastlose Tätigkeit sein Geschäft auf die heutige Höhe zu bringen, und ein auch für das Jahr wieder geplanter Erweiterungsbau legt Zeugnis ab von dem steten Wachsen des Kundenkreises dieser in Stadt und Land als solid und streng reel bekannten Geschäftsbetriebes.

25. April
Der Rentier Robert Hennig hat vor 5 Jahren aus Anlaß der Feier seiner silbernen Hochzeit ein Kapital von 6000,- Mark zu einer Hennig-Schröder Stiftung der Stadt überwiesen, deren Zinsen an unverschuldet in Not Geratene alljährlich verteilt werden sollen. Aus Anlaß seines 30jährigen Hochzeitstages hat Herr Hennig weitere 3000,- Mark dem Magistrat zur Verfügung gestellt, welche in gleicher Weise verwaltet und die Zinsen verteilt werden sollen.

5. Mai
Ein entsetzliches Eisenbahn-Unglück hat sich heute morgen 4 Uhr auf der Strecke zwischen Delitzsch und Leipzig bei der Station Zschortau ereignet. Am Zschortau-Biesener-Bahnübergang brach aus irgend einer bisher noch nicht festgestellten Ursache die hintere Axe des Tenders des D-Zuges nach Berlin. Der Zug riß auseinander und ein Personenwagen wurde aus den Schienen geworfen. Leider sind bei dem Unglück Verluste an Menschenleben zu beklagen. Ein Mann und eine Frau wurden tot geborgen. 5 Schwerverletzte, von denen 2 auf dem Transport starben, wurden nach Leipzig transportiert, während die leicht Verwundeten nach Anlage eines Verbandes mit einem von Bitterfeld beorderten Zuge die Reise fortsetzten.

12. Juni
Zur Entlastung des Katasteramts Delitzsch hat der Finanzminister die Errichtung eines neuen Katasteramts in Eilenburg zum 1. Juli d. J. angeordnet.

20. Juni
Die Stadtverordneten-Versammlung beschloß in der heutigen Sitzung den Ankauf der Stadtmühle von der Zuckerfabrik zum Preise von 35000 Mark unter der Bedingung, daß die Zuckerfabrik die Rente ablöst und das Grundstück schuld- und kostenfrei aufläßt.

1. Juli
Sein 25jähriges Jubiläum in städtischen Diensten feiert heute der Sparkassen-Rendant Scheibe. Seitens der Stadt wurde dem Jubilar durch den 2. Bürgermeister Putz im Beisein des Magistrats-Kollegiums und der gesamten städtischen Beamten ein kostbares Etuis mit silbernen Löffeln, Messern und Gabeln überreicht. Die städtischen Beamten überreichten ihm eine "Widmung". Auch noch weitere Anerkennungen wurden dem Jubilar zu teil.

22. August
Auf der Internationalen Bäckerei- und Konditorei-Ausstellung in Köln erhielt Klempnermeister Franz Reyher hier auf seine dort ausgestellten unter Musterschutz stehenden Blechbackschüsseln die silberne Medaille.

3. Oktober
Die Einwohnerzahl der Stadt hat im Laufe des Jahres weiter zugenommen. Sie beträgt Ende September 10968 Personen. Am 1. Oktober legte Rektor Dr. Wegner sein Amt als Mädchenschulrektor nieder und scheidet von Delitzsch.

16. Oktober
Die Delitzscher Turnerschaft beging am gestrigen Tage in "Stadt Leipzig" die 50jährige Gedächtnisfeier an ihren Altmeister Jahn. Ein flotter Turnermarsch, die Fest-Ouvertüre und ein Prolog eröffnete den Abend. Die vereinigten Sängerchöre unter Oskar Reimes Leitung sangen "treue deutsche Herz". Die Festrede hielt Archidiakonus Kümmel. Es folgten Freiübungen der Delitzscher Turner-Vereinigung in 4 Gruppen, Stabübungen (Männer-Turnverein), Handfreiübungen (Turnverein Delitzsch), Pyramidenreigen (T.V. Vorwärts), Keulenschwingen (T.V. Frischauf). Nach zwei Liedern des Sängerchors folgten 4 effektvoll lebende Bilder, zu denen Archidiakonus Kümmel den Text geschrieben hatte. Den Text zu den Bildern trug Zigarrenfabrikant Max Schimpf vor. Den Schluß bildete ein Barren-Kürturnen, ausgeführt von den Vorturnern obiger 4 Vereine. Mit reichem ununterbrochenen Beifall wurden alle Vorführungen aufgenommen. So wurde das Andenken Turnvaters Jahn, der vor 50 Jahren in Freyburg a. M. starb von den Turnvereinen in Delitzsch in würdiger Weise begangen.

20. Oktober
Auf der zur Zeit in Magdeburg stattfindenden Obstausstellung wurden auch Delitzscher Ausstellern hohe Preise zuerkannt. Der Obst- und Gartenbauverein für Delitzsch und Umgegend erhielt für das Normal-Obstsortiment der Kreise Bitterfeld und Delitzsch ein Diplom der Landwirtschaftskammer. Sehr reich mit Preisen bedacht wurden aber die hiesigen Baumschulen Ed. Poenicke u. Co. Sie erhielten eine silberne und eine bronzene große preußischen Staatsmedaille sowie eine Medaille der Landwirtschaftskammer.

29. Oktober
Die Einwohner unseres östlichen Stadtteils wollen versuchen, die Anbringung der in der letzten Stadtverordneten-Sitzung abgelehnten Uhr auf dem Breiten Turme doch noch zu erreichen, sei es durch eine nochmalige Vorstellung bei den städtischen Behörden, sei es durch freiwillige Beiträge. Ein durch seine wiederholten Aufwendungen zu Gunsten der Stadt bekannter wohlhabender Mitbürger hat bereits einen namhaften Beitrag in Aussicht gestellt.

6. November
Ungewöhnlich starke Fäulnis der Früchte am Baum ist im letzten Sommer vielfach beobachtet worden. Sie war hervorgerufen durch ein paar Pilze aus der Gattung Monilia, die in den Obstgärten neben der Fruchtfäulnis in den letzten Jahren auch noch mancherlei anderes Unheil angerichtet haben.

23. November
Gestern vormittag 11 Uhr wurde die neuerbaute prächtige Kapelle auf dem städtischen Friedhofe durch eine Feier geweiht. Bekanntlich ist diese Kapelle eine milde Stiftung der 1814 in Löbnitz geborenen und im Jahre 1898 zu Delitzsch verstorbenen Frau Christiane Wedel; ihr zum ehrenden Gedächtnis war die Weihe auf ihren Todestag den 22. November festgesetzt. Als Gäste waren anwesend Landrat von Busse, Mitglieder des Magistrats und des Stadtverordneten-Kollegiums, die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeinde-Vertretung sowie zahlreiche Gäste aus der Stadt. Baurat Elkisch übergab die Schlüssel zur Kapellenpforte dem Bürgermeister Rampoldt. Dieser richtete Dankesworte an den Baurat, die Bauleitung, Arbeiter und Handwerker für die treue Arbeit und gedachte auch der edlen Stifterin. Sodann übergab er die Schlüssel dem Vertreter der Kirchengemeinde Superintendent Schäfer. Derselbe öffnete die Pforte im Namen des dreieinigen Gottes und mit dem Wunsche, daß der Herr den Eingang und Ausgang aller derer segne, welche diese Stätte betreten. Der Kirchenchor trug unter Leitung von Oskar Reime zwei Lieder vor und zwar: "Dort unten ist Frieden" und "Wie sie so sanft ruhn". Die versammelte Gemeinde sang mit Harmonium Begleitung 4 Verse: "Valet will ich dir geben". Darauf hielt Sup. Schäfer eine längere Weiherede und weihte zum Schluß die Kapelle im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zum gottesdienstlichen Gebrauche ein. Mit dem letzten Verse des gemeinsamen gesungenen Liedes schloß die Feier.

29. Dezember
Über das Jahr 1902, das nun zu Ende geht sagt die amtliche "Statist. Korr.": "Nahezu vier Jahrzehnte (bis 1864) muß man in der Witterungsgeschichte zurückgehen, um ein Jahr zu finden, in welchem wie diesmal 8 Monate hintereinander zu kalt waren."